Skip to main content

Full text of "Jahrbucher der wurttembergischen Rechtspflege"

See other formats


C ßdL.jjasn /. Kfocj. 



HARVARD LAW LIBRARY 


Receiveil JAN 22 I JC3 



Digitized by Google 


Digitized by Google 



Digitized by Google 



Digitized by Google 



VQc,'^ 2 ? 


19 - 

J a Ij r b ii d) e r 

ber 

^ürtfentfargifcljeti £Hedjf spffege 

f)erau§gegeben 


bon ben äJtitglieb ern 

beä 

©berlanbesgericfyts unb bcs Derroaltungsgericfyts* 
fyofs 3U Stuttgart 

unb be§ 

Dorftanbes bcr n>ürtt<*mbergtfdjen 2lmoaltsFammer. 


3roan3igfier »anb. 


Oitterroeife: Sßürtt^.) 


Tübingen. 

Serlag bcr ßaupp’fd)en öucfjfjanMung. 

1908. 


Digitized by Google 



2H I e SH e cf) t e oorbefjatten. 

JAN 22 1909 


$nut »on $. 2auj>j> jr in Tübingen. 


Digitized by Google 



III 


IMqltsttberfirijt tos ?mnn?t3|ten fftmtos. 

I. (Stttfcfreibunflen be§ Oberlonbeggeticfttg. 

A. in Cioitfadjen. Seite 


1. ^nroiemeit fann ein eingetragener herein feine föaftung nad) 

aiiaBflabe bee S 27b >än& 2 pertraggniaBig aiig|dilieBen . V 1 

2. haftet bet Auftraggeber für anfällige gepöben, bie ber iöeauf* 

tränte bei VUiefumiing bea Auftrags erlitten bat V .... 2 


tpet 311 bejieflen, eine Sdienfuttg ober ein todnilbPerfpretBen 


tevjeidjner aiifleblid) ebne fie gelefeit 311 haben, unterftfmeben fiat 3 

4. l. iöcgrtff ber Ädjenfung non iobestuegen. 2. iöebinqmtfl 

[mutigen ipanbclng bes ftd) Söerpfliditenben ■ . . . . 5 

5. Steiintni» ber traft ütefepes eingetretenen llebertragung einer 

— ^orberung: .88 40V. 412 Wft . . . . . . 7 

6. ÖäBt fid) ber (f-rfteller einer Ireioranlaqc als llntcrnebmer 

eiiiee „SBaiuucrfs" i. 6, be* 8 33b anfeben V . TT 8 

7. gBeidte 33irfnn<t auf bie ffiedite bea (Gläubigers pat eg. wenn 

sTT^ örZTTTim ~..c /-*- .u . ^ r r . r:j, , :± 


Werfern als Öefamtfdiulbuer nerbiitblid) inadien — nidit erfüllt 
toirb ? in 


als Wetaint|d)iilbner patten nmrben, fiep 311 uerbiirgen berfprp - 


gdftilbner geworben iftV ■ ■ • • ■ • ■ ■ • • • • • 13 


fdiaften. 2. jtnfpruct) bea SBürgen, ber ben ,gt)potpefar=(Mläu- 


budiS ■ ... . . ... ■ . ■ . . ... 14 

10. Haftung beb .fraiibeiqentütnerä gegenüber bem lUieter für 
mangelhafte kreppe uttb löelencbtimg . i I i 1 I TT 15 

11. SBcgnff beb „mit einem OSrunbltnct berbnitbcnen tükrfb" niiS 

btr „feplerpaftew ferrictiluitfl" i. 6. beb § H36 . . 18 


proteften. 2. 3 ft ber öffentliche Jiotnr Beamter? ..... 19 

13. $ur Auslegung beb § 133aa ®etn.O. ^ i ; ; i ! i i 24 

14, SBerlogsrecpt an eiltet ; Reitling? ■ ■ ■ ..■■■■■ 26 

lo. Vlutporen ber 'gdilüffelgeiualt bei tatindiluber Xrennnnq ber 

(Spefeute. 2. Umfang ber llnterpnlhmgepflidtt be? (SPentattn» 
in fofcptm V^au .... 30 


Digitized by Google 


IV 


3nf)alt. 


16 ^ 

17. 


Die Sorfdirift beg § 1435 83(833. gilt i 
bie in einer am 1. 3amiar 1900 fdjon 


Seite 


w 

Sie 


itt ni(f)t für (Sfreberträge, 
’ befteftenben C£t)e gc = 


lotteii werben ................ 82 

e di 15 p e r 1) aj t ii i f f e an einer iuitit eingebracftten Lut her (Sbefrau 
eliorigen Darlefrengforbernng beim gefe(jlid)en (Mterftanb be8 


18. 




_33 


3-aflt eine filage auf 33erid)tigung beg ®runbbud)g (§ 894 
iBtSiB.) unbebtiigt unter bie in §24 (£330. genannten »lagen '< 39 


gjeeiibigung bejj iHntiabmeuerangg beg 


igerg . . ■ . 131 



abhängig gemacht wirb? . . . . ... 132 

21. iWrtbeftnnb eineg 33iera6nabmebertragg, wenn bag (Mefcbäft 
ber 33rauerei, oon ber bag 33icr su belieben ift, auf eine an » 
bere iBrauerei itbergegangen ittV . . . . . i I I ‘ . 133 


22. Verlesung bon SBertraggpfttditen beg (.ffenieinfdtulbnerg burd) 

ben ffonfurgoerwalter . . ......... 13fi 

23. %erpflid)tnng jnr ftafrtung beg ftaufpreifcg aug einem anfed)t« 


24. 


baren s Jtect)tggejct)äft hob erfolgter IHiidgewäht ber gerauften 
@>ad)en£ . ■ . . . . . . . . • ' ; • • ■ • 1*0 

fiat ein Iebenglänglid) angeftettter fiefjrer an einer 33rioatlebr= 

. {' Ir - 


25 . 

26. 


27. 

257 


anftalt 8lnfprud) barauf, Unterricht erteilen su biirfen, lolang 
il)m liidtt in OSeniäMeit ber Söafrnng ber iHnitalt getünbigt 

werben tannV . . . . . . 142 

IKecfrteuerliältnig awifdten einer ptgafdiloefter nnb bem herein 
tur Stranteiipflegerinnen ; 3ln3tdHub beg IMefttgmegg gegen eine 
uoiit SjerwaltunggaugfdwB oerfiigte gntlaffung . ... 144 

fiäfet iid) eine fiaftuiig beg jlrbeitgeberg für llnteylaffmig ber 
Vlinnelbiing aur^ituali&cnucrnrfienitig auf § 823 31b|. 2 

ober auf ben Dienftoertrog itiitscnV 152 

jjur guglegung beg § 353 fiQOB. .... . . • ■ • lö4 

JBerpflidjtung jur Hebcrnaljme oon 'Jlnteilen etner OS- ui. b. fi. 
biefer (8ejetlid)äft gegenüber; gormbebiirftigfeit einer einidilii » 

fligen ajereiiibarnng . . 156 

^etjidiening für frembc Diedinung . . . . ■ ■ • • • • 1( il 

Unter welchen äjoraugfepnngen ijt ba* Vlnttreten eines teilten - 
„Betriebgunfa 


29 . 

307 


81 . 


brud)g alg ein ,, Betriebsunfall'' ansufetienV . - - 

1. 23ie ift 311 oertal)reii, wenn ber vimoalt beg .Mager-:- feine 
Bepollmäditigung nid)t gemaft § »0 Vtb). 2 feBG- naebsuwei 


167 


feit oetniag f 2. äiklrijeg »iednSmittel ijt snlallig gegen ein 
ich Anwalt einer Partei in bie Mollen oertällenb' 
fohrlatiigfcit beim ÜJlotorrabfnl)Ten 


eg Urteil? 170 
263 


yahrläi'i'igteit beim Betgidilittenfahren . • • • • • • • 

Erfüllungsort für bie Bcrnrliriitutig rur 'Beltellnng etner 

fibpotbefV ; .. i i . . . ; ; i • . • ■ ••• 274 

29irb ber in Untenntnig ber 3rorberunggbfflnbuiig aalilenbe 
Drittfdiulbner babnrd) oon feiner Sdiulb befreit ¥ ... . 278 

1. Gilbet bie gemäii 8 800 Q. S 41Q- erfolgte liiiteiiuerfmig uiTIer 
bie jofortige 3)uangeoollftrectnng einen (geleblidien) ~-3c|taiib » 
teil ber betreffenben finpotbetV 2. flur 'Imgiegung beg §1164 

SBtm ~ 288 

3iir illuglegung beb § 93 294 


35; 

36 . 


37 . 


Digitized by Google 



Snljalt. 

B. in Sttaffad?en. 


V 


RtKt 

1. Begriff beg ftrafbaten ffonfubinatg ....... 41 

2. zllerfaint atg Xäter bei einer 3umiberf)anblung gegen 3ht.25 
big 27 beg llmfafrfteuergefefecg in ®etrad)t fotnmeii ? I ~ T 43 


3. Sie 3uläifigfeit ber ©Ölleitung beg StrafboUauqg aug recht«- 

fräftigen llvteilen, infolanae bag su einer ©efomtftrafe natfi 
§ 79 St©®. uereinigenbe Wadnirteil nod) nidit rcd)tgtraftiq qe = 
worben itt . , 47 

4. Veranftaltung bon Serienlogqefetlfchaften 175 

5. 2Bag ift unter feebatittne im Sinne ber s Jt©ewD. im Unter » 

|d)ieb non einer llüärterin au berftehen? 7 7 7 7 I 7 178 

2lutomobiIleufer8 


6. Xie ©trafbarfeit eines 


wegen fal)rläf)iqer 


afb ^ 

flörperuertefeinifl unb wegen Verfehlung gegen bie VtinifteriäU 
berfiiqung, betreffenb beit Verlebe mit atrartfabraeuqen. ®}gg 
ift unter gefdiloffeuen Drtgteilen su Derfteheit ? . . 7 7 7 183 


8. äBann übt ber Vanba 

gift äratlicbe iöeilfunbe aug? 28a8 ift 

unter leBterer au bcrfte 

)cu? . . • . 301 


10. llngeniigenbe jyeftftellunq bon Vlittäterfdiaft . • • • . . 311 

11. (Genügt bie ^eftftellung, ein Veaicht fet friuol ober aus ber 

iiuft gegriffen, äiint ÜlngfdiluB beg 8 193 5t©®. ? . . . . 312 

12 . aBanij lini ber 71ntraggbeved)tigic ketintnig bon ber Verfon 

beg Xäterg erlangt V . ■ . . ■ ■ ■ • . . ■ . . . 314 

13. 1. ,>{ur Sluglegung beg § 17 ber Vlinifterialberfügung bont 
13. ^uti 1906 betr. Verlebt mit Sfraftfatnaeugen. 

2. Veaieht fid) Jlbf. 3 auch auf flberfiditliche VJeije? 

3. Viag bebeutet „jlugfahrt aug ©rnnbititden" unb „überall 

wo ein lebhafter Wertet)!' ftattfinbet" ? 316 


II. (Sntfcfreibungen beg SSerroaltunQggeticfrtgtjofg. 

1. SBafferWerfe ber ©etneinben fiub nicht gewerbeftcuevbflicf)tig . 55 

2. Voraugfeijungeu einer auf ber Vrioatwobltätigfeit beru()enbeit 


Stiftung im ©imte beg 2lrt. 8 3'ff- 13 beg ©infommenfteuer* 
gefeßeg unb beg 2lrt. 6 Qiff. 12 bc» Sfapitalfteuergciebeg . . 67 . 

3. Vcfdjmerberecbt bei polijeilicben Verfügungen im Sinne be8 

§ 120 d ber ©ewerbeorbnung 72 

4. 3um Vegriff beg fteuerppCidjtigen 28auberlager8 73 

5. Stönnen ©runbbefiber burd) Drtgbauftatut gejwuugen werben, 
auf ihren ©runbftücfen ohne Vbftanb in ununterbrochener Steilje 

ju bauen? 76 

6. HIagredjt beg Strafjenanliegerb auf ortgbauplamnäfsige £>er* 

ftellung ber ©trage 81 

7. Xer Stnfpruch einer ©enteinbe auf Srfay non Straf?enljer= 

fteüunggfoften unterliegt nidjt ber t>ierjäf)vigeit Verjährung . 85 

8. Vorangfefeungeu beg ©rftattungsanfprudig im Sinne beg 2lrt. 3 

21bf. 1 beg ©efeßeb oom 17. 21pril 1873 86 

9. Veredlung ber breitägigen Vtelbefrift nad) § 49 beg Straitfen* 

berfidieruugggefeBeg 90 

10. ©infommeufteuerpflid)t ber Slftieugefetlfdjaften. a) Veredmuug 


beg Sbjiigg nad) 9Irt. 16 2Ibf. 3 beg ©inf.-Steuergefefceg. 


Digitized by Google 


VI 


Inhalt. 


Sette 


b) (Steuerliche Söefjaiiblung tton Slbfcbreibtmgen an« bent Mein» 
geraum 91 

11. 11 11 t f n Bj t e ii c r p fti ct) t bei 9iuöfübriutg non SBauorbeiten auf einem 
perfauften Wnmbftücf uor b eff en yiuftaffung bnrd) ben 9-lerfänfer 99 

12. 3)arf bag Drtgbauftatut Periinberlidte (^ebäube=SHbftänbe sn - 

laffen? . . . . . . • . ... ■ ■ . . . . . lQO 


an bie Stelle ber (Stgentumssübertragung eine (Sigentmnäbe* 
fdirSntüna 9 ■ ■ ■ . . T ■ ■ . . . . . T . . . 104 

14. ittei ber (Sinfonnnenfteuererflärung barf ein geraerblidjer Stlerliift 


jal)rg md)t mehr beftaiiben bat ■ ■ . . . . . . . . . 108 

15. 5)03 (Sintomiiieii einer in äBürttemberg fcfsbnften jlfticngefetU 


fchräntter Haftung unterliegt ber rafitttemb. (j’iiifoiiinieufteuer 111 

16. Suin Begriff ber (fntloöe int ©imte bes Silit. 3 be§ 3agbgefefce8 

uoni 27. Dftober 1855 . . . . . 113 

17. Beifügungen ber BerWaltungSbehörbeu auf (Srtinb be§ 9Irt. 3 

cii c. r cf C .u ^ . x tz ~ ~ ... Um e ... vii . r. i _ e. . r e. _ i aa 


18. (spnib Banfotibg ititb Mnlttoftenfoiib3, bie ai3 91blö(iiiiggfnpita= 
liett für firdtlicbe Baulaften nnb Ihiltbebiirfiiifie itt bie Ser » 
Wallung einer ftirchengemeinbe gefomtiieii fiiib, fahitalfteuer* 
pflichtig? ■ . . . . ■ . " . . . . . ... ■ • 197 

19. Sa8 äapital» uiib ba§ (Sinfonnnenfteuergefefr gewährt nicht 


felbftäiibiger 9ied)teper|öiilid)feit unter beftimniten Borou? « 
feftungen Steuerfreiheit ~~ . 203 

20. 5)er ylafsftab beS älrt. 7 i>lbf. 2 ber Wenteinbeorbnunq ift nud) 

für bie erftmalige (Sinteilung ber ©etneitiben cntfdieibenb . 208 

21. prbtmnggmfiftige Vertretung einer fEeilgctncinbc. jjin'tänbig « 


auf Xeilnahntc an Ojemeiiibeiiubuitgen. Borauäfehungen für 
bie Uerraaltungggmd)tlid)e Silage . . • . . ■ ■ ■ 214 

22. Sie geteslicben BoronMefeungen für bas (Semeinbcraablredit 
16 mten bind) Verträge ber beteiligten Üiemeiiiben nid)t geän » 

bert Werben . ■ 219 

23. '.Begriff ber Stiftungen für milbe .Sraecfe im Sinne ber Steuer » 

fltffoe" . . . ■ . ...... . . . - • • • • 220 


24. Ülnfjmtd) auf Shanfengelb bei einer .'öeij behau bt nitg im 91uelanb 226 

25. 91nfprud) auf Stranteiigelb neben bem Ülniptud) auf Unfall reute 230 

26. ailie nnterfdicibct fidi ber felbftänbige Unternehmer Pott bem 

Iraiifeimerfidteriiiigepfliditigeii lfohnarbeiter ? (Gehört baa (fnt - 
rinben non Stainmhola amu forftrairtfdiaftlidien ober amn 
gewerblichen betrieb 9 . . . . ... . . . . . . 239 

27. können in Uteu-lllm wohnhafte Württentberflifche Beamte uiib 

Offiziere, bie ihren bienftlichen 96ohniit} in Htm haben, auf 
(lirutib biejea äilohnfiheü an ben (Menieinbefteuern in Ulm bei » 
gesogen Werben? . ■ . . ■ . ■■■'■ • ; • ■ • • 

28. flitr foragc ber Uebertrngmig eineg öffentlidien 2Bfliferniihungg= 

icd)tä auf einen aiibern Wrinibbeiiher . . . . ■ ■ ' . . 334 

29. ütiag gehört sunt '.'Inlagefamtal einer 'Kriuatbahtt im Sinne beb 

(SifenbahngefehegV . . ... . 338 


Digitized by Google 


3inf)att. 


VII 


30. Sfapitnlfieuerpflicfjt bcr Erben mäbreub ber Söerciuigung beS 

9facf)Iaffe« 

31. 3 ur Srage bcr Einfommenfteuerpflidjt auswärtiger 3n )c 'S= 
meberlaffungen unb ber Anteile am ©eroinne auswärtiger ®e= 

__ jjufwaften mit befdjränfter Haftung 

oA Uorauefeßimgen beS hoppelten SBobnfiöeS im Sinne beS ®e» 

meinbefteuergefeöeS 

33. llnterfdjieb groifdien ffeuerfreier Slbfdjreibung unb fteuerpflidjtiger 

„. «ermogensuermebrung 

«• 3urücfforberung gu uiel bejahter Steuern nad) 2lrt. 80 

5. Sr. ®> l *fommenfteuergefebeS 

do. «>aStft unter „Tilgung einer fiapitalfdjulb* im Sinne beis 
qc 2>. m .?/• 1 Einfommcnfteuergefcpess 3« oerfteben? 
^l~^ Semlld,tun 0 ber Slttlieger gur Steinigung ber öffentlichen 


Seite 

346 

349 

356 

362 

368 

372 

379 


III. 2T6!janbtung. 

Erörterungen junt ehelichen ®üterred)t. S8on iRedjtSantoalt Dr. 


Scfjefolb, Ulm 116 248 

8iterarifd)e »njeigen 130 260 386 


Digitized by Google 



Digitized by Google 



1 


I. 

<$ntf$eftungftt öüs ©tariÄntesgfridjts. 

A. in ©io i I f a cf) e n. 


1 . 

Jftumerorti kann ein fiugEirngenEr HerEin {Eine §af= 
lang natfj JltnlfgabE öeb § 278 Hbf. 2 j@Ö5j3. «Ertrags^ 
mnßtfl ausfrijUEßEit ? 

^Herüber fagen bie 

©rünbe 

eines «erufungSurteilS : 

^>infid)ttid) bev (Erfüllung eines Vertrags haftet ein Ver= 
ein roie eine geschäftsfähige natürliche ißerfon. @r haftet 
nicht etroa blojj roie eine nidhtgefdjäftsfähige natürliche ^er- 
fon, bie einen gestichen Vertreter hat. Söürbe ber herein 
nur roie eine geschäftsunfähige natürlicl;e $erfon haften, bie 
einen gefehlten Vertreter hat, fo fönnte gemäfj § 278 ©ah 2 
in Verbinbung mit § 276 2lbf. 2 beS «©53. bie Haftung 
nicht blo§ roegen gahrläfftgfeit, fonbern auch roegen 93 0r= 
faheS foroohl für bie ißerfonen, beren fid; ber Verein jur 
(Erfüllung feiner «erbinbtichfeiten bebient als auch für bie 
Vertreter burd) Vereinbarung auSgefchloffen roerben. 2lber 
ber Verein ift gefcf)äftSfäf)ig. @S ift äroar in § 26 3lbf. 2 
beS «®«. beftimmt, baff ber Vorftanb bie Stellung eines 
gefehlten Vertreters hat, bamit ift jebod) nur betreffs beS 
ItmfangS feiner VertretungSmaci)t auf bie «efugniffe ber g e * 

Ja&rbil^er ber äBiirttemb. 9le<$tä|)fteae. XX. l. i 


Digitized by Google 



2 (Sntfcfjeibungen beä Dberlaube3gerid)t8. 

fehlichen SScrtveter hingewiefen, bagegen fotl mit jenem AuS» 
brudt nidjt gejagt fein, bajj bec Verein hanbtungSunfähig fei 
unb beShalb einer Vertretung bebürfe, im ©egenteil ijt bie 
»orliegenbe Raffung ftatt ber im erften ©ntrourf enthaltenen 
„ber Vorftanb ijt ber gejetjlidje Vertreter" abfidjtlid) gewählt 
worben, um bem VMfjoerftänbniffe oorjubeugen, als ob baS 
©efet) bejüglirf) beS SBefenS beS Vereins einer bejtimmten 
Theorie, inSbefonbere berjenigen jolgen wollte, bie ben Ver» 
ein jür hanblungSunfähig unb auS biejern ©runbe für oer* 
tretungSbebiirftig erachtet 1 ). $ienach jinb ber Vorjtanb beS 
Vereins unb bie neben ihm gemäfj § 30 beS V@V. jür ge» 
wijje ©ejchäjte »erfaffungSmäfjig berufenen Vertreter nicht 
gefet)liche Vertretet beS Vereins im Sinne beS § 278, fon» 
bem jie jinb VereinSorgane (ogl. § 32 Abf. 1), burd) bie 
ber Verein fid) im Verfehr als hanblungSfät)igeS Sößefen be= 
tätigt. 

Urt. beS I. ©S. oont 7. ®ej. 1906 i. S. Stuttgarter 
ASphaltgefchäft g. Verein Ärebitreform. 

2 . 

Auftei ber Anftruggeher für jufäUigr Arijitben, bie 
ber Hennftragte bei Ausführung bes Auftrags er= 
litten hat? 

hierüber ijt in ben 

©rünben 

eines VerufungSurteilS gejagt: 

®afj ber Auftraggeber jür jufällige Schöben wie jür 
Aufwenbungen haftbar fei, wirb jwar oon mehreren Schrift» 
fteHern behauptet, aber bie hcrrjcfjeitbe Vteinung war bieS 
weber im gemeinen Ved)t, noch ijt jie bieS jet)t 2 ). 


*) SJJrot. 1, 509. 

*) Sßergl. Oertmann, 3ted)t ber Srfjulbucrfiältiüfie (2. 2tuft. 1906) 
ju § 670 705; iS r iicf mann, 9ied)t be« ©efdjäftafüfjrerä ©. 193 

unb SS ö cf e I im ein. Ülrd)- S9b. 96 ©. 378 utib 387. 


Digitized by Google 



A. in ©iotlfadjen. 


3 


2Ba? ba§ SHed)t be§ B@B. betrifft, fo würbe ein ba* 
hingehenber Antrag bei ben Beratungen ber II. ftontmiffion 
abgelehnt 1 ). iltach bent Sprachgebrauch be§ ©efetje? unb 
ber Sluffaffung be§ täglichen Seben? fallen Schöben nic^t 
unter ben Begriff ber Slufroenbungen, fie fönnen baljer ohne 
eine auibrüdliche , bahingehenbe ©efe^e§beftimmung nictjt 
unter § 670 B@B. gebracht werben. Jür bie 3uläffigfeit 
einer au§behnenben ober analogen Slnwenbung biefe? § fehlen 
3lnhalt?punfte. 5>a? Bebürfni? für einen folchen 9iecf)t§fah 
ift nicljt anjuerfennen, ber Beauftragte fann fiel) bie Haftung 
für folche Schöben oertraggmäfjig au?bebingen ober aber 
wirb unter Umftänben bie Haftung al? ftitlf<±>ir>eigenb be* 
bungen ju gelten haben. 

Urt. be? II. ©S. uom 13. ®es. 1906 i. S. 3fung S c S en 
Äriegeroerein $l?felb. 


3. 

1. stellt bas Perrprethen, für eine frernbe §djttlit ritte 
Jjtjpoiheh ?it brfiellrtt, eine «hdjrtthttttij aber ein §tijulb= 

arrfprerhett bar? 

2. Jfrrtmn über ben JInhalt einer Urknnbe, bie ber 
Wnterteirfjner aitgeblidj ohne fte gelefen ?n höben, unter» 

fthrieben höt. 

®er Befl. hat eine Urfunbe unterjeidjnet, laut ber er 
fiel) uerpflid)tete, für eine gorberung be? Äl3. an einen Ber» 
roanbten be? Befln. eine .^ppothef ju beftellen. ©egen bie 
Slage auf Bewilligung ber ©intragung biefer -gppotiief hat 
Befl. u. a. eingetoenbet: e§ liege ein wegen ^ormmangel? 
ungültige? SchenfungSoerfprechen oor, aud) habe er ftch bei 
Unterzeichnung ber Urfunbe, bie er, weil er feine Brille nicht 
bei fich gehabt, nicht habe lefett fönnen, in bent (burd) ben 
erwähnten Berwanbten berootgerufenen) Irrtum befunben, 
er unterfcf)reibe eine Bürgfcfjaft? urfunbe. Seine ©in» 

*) l a n cf ftomm. 31 t § 670 3iff. 3 unb SBrflcfmann S. 190 ff 

1 * 


Digitized by Google 



4 


6ntfd)eibimgen beg Dberlaitbeggeridjtg. 


reben mürben oertoorfen. 

2lu§ ben 

© r ü n b e n 

be§ 53erufung§urteil§ : 

®a§ in 9tebe ftefjenbe 9ied)t§gefd)äft ftellt feine @djen= 
fung bar; e§ fehlt fd)on an einer Vereiterung be§ $l§. ; 
nid)t einmal bie Zahlung e ine§ dritten für einen jahlung§= 
unfähigen ©tulbner enthält eine Vereidjerung be§ ©läubi= 
ger§ '), gefdjmeige bie öeiftung einer Vürgftaft ober bie 
Veftellung einer |n)pothef für eine frentbe Sdjulb (oielleitt 
non 2lu3nahm3fällen, ju beneti ber gegenroärtige fyall tiidjt 
gehört, abgefehen). ©benfoioenig hanbelt e§ fit um ein 
©tulboerfpreten i. ©. be3 § 780 93®V. b. h- um bie Ve= 
grünbung eineä oont VerpflidjtungSgrunb unabhängigen 
©tutboerhältniffeS : bie Verpflidjtung, für bie ©tulb eine§ 
anbern als Vürge einjuftehen ober eine ^ppothef ju be= 
ftellen, ift abhängig oom Veftehen biefer Sdjulb be§ dritten. 
9lat ber oom Vefl. oertretenen Sluffaffung toäre jebe Vürg= 
ftaftSerflärung ein ©djulboerfpreten, § 766 V©V. bafjer 
überflüffig 4 ). 

2)er Veft. hat nat feiner eigenen 2)arftellung bie Ur= 
funbe unterjeidjnet, ohne fie gelefen ju haben, ©r mar hie= 
nat jebenfallS in geroiffem ©rab gleitgültig barüber, ioa§ 
bie Urfunbe enthielt, j. V. ob er eine einfadje ober eine 
Selbftftulbnerbürgftaft unterjeid;nete, ob er für ginfen (in 
weiter £>öhe?) unb Äoften ju haften hatte u. bgl.: benn 
über all baS mar nat feiner Sarftellung oorher fein SBort 
gefproten morben. ©r hat, wie er nüfjt beftreitet (fofern 
er eS als möglit jugibt), o e r f u d) t bie Urfunbe ju lefen, 
hat fit aber, als er fie (angeblit ) nitt lefen fonnte, babei 
beruhigt unb nitt etwa, raaS bod) nahe gelegen märe, bie 
grau beS ÄlS. crfud;t, ihm bie Urfunbe oorjulefen. ©r hat 

*) Skrgl. 233 inbfcfjeib ißanb. II § 365 2lnm. 3; ©taubinger, 
Jtoimii. jum 330543., 2. Stuft, s ilnm. 4 ju § 517. 

! ) Sßergl. 9Jt. 9t ü m e I i n , ©d)ulbuev[pred)c» unb Sd)ulbrmerfemtt= 
iii8 ©. 33, 28 unb jcfet and) 3t(Si. in ©euffSl. 61 9tr. 244. 


Digitized by Google 



A. in ßioiliacfieii. 


5 


alfo, roenn matt ifjm glaubt, bafj er bie Urfunbe rticf)t fjabe 
(efett {önnett, unterfcfyrieben, im 2 )eroufjtfein, bafj er ifjrert 
3 nf)alt nidjt fenne, uttb jmar obtooljl oortjer uon biefem 
^ntjatt nur ganj im allgemeinen, feineSroegS in betreff ber 
unter Umftänben fetjr ertjebtidjen ©injelfjeiten bie 9tebe ge> 
roefen mar. 93efl. tjat fict) fottad) nicfjt im Irrtum über ben 
$nl)alt ber Urfunbe befunben'); er mag oermutet tjaben, bie 
Urfunbe toerbe ungefähr ben unb ben ^nfjalt tjaben, aber 
©eroifjfjeit über biefen Qnfjalt fonnte er nad) bern, maS ju= 
oor befprodjen toorben mar, nidjt fjaben, unb wenn er bei 
biefer Sachlage bie Urfunbe unterjeidjnete, otjne fie lefen ju 
fönnen, fo b>at er es auf bie ©efafjr f)in getan, baj) ber 
^ntjatt ein anberer als ber uon iljnt oorauSgefegte mar, im 
'■ßertrauen barauf, bafj ifjm — toie bieS nad) bem in $iff. 1 
'IluSgefüljrten 2 ) aud) tatfädjlid) ber mar — 9Jt. unb ber 
SU. nidjtS anftnnen roerben, roorauf er ftef) oott feinem Stanb= 
punft auS nicf)t eintaffen fönnte. 

Urt. beS III. (£®. ooitt 12. Sitars 1907 i. <3. gfob g. 

SJeefer. 


4. 

1. Jürgriff ber Jjjdjenkuttg uon QTabestnegen. 

2. Üebingung künftigen ganbelns bes ftdj Jlerpilidj= 

tenben. 

$tt ben ben ©adjoerfjalt ergebenben 
© r ü n b e n 

eines ©erufungSurteilS ift gefagt: 

Segt man bie eigene ®arftellung ber SU. 511 grunb, fo 
ift nidjt bargetan, bafj bie ^umenbung ber SBitme 2 . an ben 
'öefl. eine ©djenfüng oon SobeSroegen bargeftellt tjat, ttäm= 
tief) eine Sdjenfuttg, bie — nad) gemeinem toie nad) roürtt. 
9tecf)t (29t. II, 19) — um mit § 2301 23©53. ju rebett, 

’) f. ©taubinger, ftomm. junt 33@S. 9lnm. V, 3 ju § 119. 

’) tiefer Stil ber ©riiitbe ift nidjt abgebnieft. 


Digitized by Google 



6 ©ntfdjeibuugen beS D6erlanbeägerid)t§. 

„unter bet Sebhtgung erfolgt, baff bet ©efdjenfte ben ©djen= 
fer überlebt", ©erabe baS ift ba§ ©tjarafteriftifrfje ber 
©djenfung oon JobeSroegen, bafj baS ©efcfjenfte, falt§ ber 
Sefdjenfte ben ©genfer nirfjt überlebt, nidjt auf bie (Stben 
beS SBefdjenften übergebt 1 ). §at nun, rote bie ÄI. befjaup* 
ten, bie JBitroe 2. bie 400 31t. bem ©efl. mit ber 23eftim= 
mung jugeroenbet, bafj bei intern Job iljm biefet betrag 
Unentgeltlid) jufaden ober gehören fode, fo läfjt ficfj baS als 
eine betagte ©djenfung unter Sebenben 2 ), alfo bafjin auf* 
faffen, baff bie 2. beftimmte: bie ©djenfung mit ber 2Bir= 
fung, bafj 93eft. feinen 3* n§ auS ben 400 3Jt. meljr ju be= 
jaljlett braune, fode erft mit iljrem Job eintreten, o fj tt e 
baff aber ifjr2öillebatjitt ging, bie ©djenfung 
folle, roenn Sefl. oor if)r fterbe, hinfällig fein, fonbern in 
bem ©iitn, bafj 93efl. ober beffen (Sr ben (falls Sefl. 
nor it»r fterben fodte) bie 400 3R. jebenfadS bemalten, fte 
aber bis ju intern (bet ©djenferin) Job oerjinfen füllen. 
(Sine anbere mögliche 9luffaffung, bie junt gleichen (SrgebniS 
füfjrt, ift bie, bafj man bie -ßuroenbung als fofort oodjogene 
©djenfung oon 400 3Jt. mit ber Auflage anfief)t, ber ©djen= 
ferin bis ju beten Job jäfjrlidj 16 ober 18 2Jt. ju bejahten. 

|>ätte — roie nunmehr bie $1. ootforglidj behaupten — 
bie 2. bei Eingabe ber 400 9R. erflärt: fie bemalte ftdj, fo= 
lang fie lebe, baS 9tedjt oor, bie 400 ÜJt. äurücfjuforbern, 
fo läge abermals feine ©djenfung auf ben JobeSfad nor. 
©ettn aucfj fjiemit roäre nidjt gefagt, bie 400 2R. fodett an 
bie ©djenferin jurücffaden, falls Söefl. oor if>r fterbe; oiel= 
mefjr roäre bie ©djenfung unter ber Söebingung erfolgt, bafj 
bie ©djenferin fte bis ju iljrem Job nicftt roiberrufe; eS roar 
alfo ganj rooljl möglidj, bafj 33efl. oor ber ©djenferin ftarb, 
bie 400 2R. aber feinen (Srbett oerblieben, roeil bie 2. bie 
©djenfung rticf)t roiberrief. ©ine ©djenfung unter ber 53e= 
bingung, bafj ber Sdjenfer bie gutoenbung n i(f)t roiberrufe, 

1) f. SB i n b f dj e i b Sßaub. II § 369 bet Slote 1. 

! ) Sßergl. Staubin ger, ftomnt. sum SS©®. , 2. Stuft., Stnm. 2 
Slbf. 4 lit. b ju § 2301. 


Digitized by Google 



A. in SMfadjert. 


7 


ift juläffig, roeil bamit al§ 93ebingung eine § a tt b I u n g 
beSjenigen gefegt roitb, beffcn SEBille unterworfen werben 
foU 1 ). 

Urt. be§ 111. ©S. oorn 5. SÖtärj 1907 i. S. |nrfcb= 
bürget g. SfäSntann. 


5. 

Jwnntms brr hraft ©efebfs cingclreicncn Hrbcrlra= 
gitng einer jFarbermtg: §§ 407. 412 UÖ5U. 

hierüber fagen bie 

© r ü n be 

eine§ SerufungSurteilS: 

®ie ©ioilfammer meint 2 ): Kenntnis bet Uebertragung 
einer gorberung fraft ©efebeS fei gleich Kenntnis be§ ben 
Uebergang (nad) bem gnbatt be§ ©efebeS) begrünbenbett 
£atbeftanb§. $em läfjt fid) aber nidjt bestimmen: e§ ift 
flar, baff ein Saie bie SEatfadjen, an bie baS ©efeb ben 
Uebergang einer gorberung fnüpft, fennen unb trobbem feine 
Sltjnung baoon haben fann, baff ein fotdjer Uebergang ftatt= 
finbet ober ftattgefunben bat; in gäben ber oortiegenben Slrt 
fann j. S8. ber ®ntfd)äbigung§pflid)tige, wenn er ba§ Un= 
fatloerftdjerungSgefeb nidjt fennt, annebmcn, bem Verlebten 
ftetjc neben bem 21nfprud) auf 9tente bie ©ntfcfjabigungS» 
forberung gegen i t) n ju ober ber Sientenanfprud) ermäßige 
fid) um ben 93etrag, ben ber Verlebte non ifjrn erhalte. 
®ie Slnnabnte: Ä'enntniS be§ ben gorberungSübergang fraft 
©efe^eS begrünbenben SatbeftanbS fei gleid) Kenntnis be§ 
gotberungSübergangS , ift lebiglid) eine giftion, bei beren 
Stnerfennung entgegen bem äßortlaut unb Sinn be§ § 412 
ngl. mit § 407 $8®93. in 5 al)lreid)en gälten ber Scfjulbner, 

‘) 33ergl- SB i n b f cf) e i b SJ?anb. I § 93 hinter 9iote 4, Wernburg 
93- SÄ. I § 152. 

s ) 3>n Slnfdjlufe an 9i®. 60 92 r. 49 a. ©. ; Dgl. bagegen 9tfpr. 02®. 
14 92r. 12 a ©. 319 oben. 


Digitized by Google 



8 


Sitifcfietbuugcn bca OberlaitbeSgeiicfjts. 


bet in gutem ©tauben ben 93erletjten befriebigt ober abge= 
fuuben tjat, fdjroer gefdjäbigt mürbe, ©ine SBetjauptung ba= 
fjin tjat Silin. nid)t aufgeftellt, ber Slergleid) fjabe ben 3roecf 
gehabt, etroaige tünftig burcfj $orberung§übergang entftetjenbe 
9iücf griff Sanfprüdje ber Silin. gegen ben SBeEtn. ju oereitetn. 
©ine berartige 2lbfidjt ber ^Beteiligten ift audj nicfjt ofjne 
meitereS ju unterteilen, oielmefjr liegt bie 2lnnatjme nafje, 
fie Ijaben an einen etrcaigen künftigen) Uebergang ber ®nt= 
fd)äbigung§forberung 3B.§ gegen ben ©efl. auf bie $lin. 
überhaupt nidjt gebaut. 

Urt. be§ III. ©<3. nom 29. Qaituar 1907 i. ©. Slönig 
gegen lanbroirtfdjaftl. $8eruf§genoffenfdjaft für ben 
<3cfjroarämalbfrei§. 


6 . 

£ä$t ftdj ber ©rpeller einer ^refornttiagc nie Hnter= 
neunter eines „J?nnuterhs" i. 3». bes § 638 £1(00. nn= 

feljett? 

$8efl..Ijat ber Silin. im 2luguft 1904 eine Sreforanlage, 
beftetjenb aus einer fomptetten Sßanjerftatjlfammer, einer Sßan* 
jertjaupttüre, einem eifernen Safe=Sepofitenftfjranf unb einem 
eifernen ©ffeftenfdjranf um runb 4000 9J}. geliefert, $m 
Quni 1906 erljob Älin. Silage auf ©ntfernung ber Stntage 
utib 3iücferftattung ber bejatjlten 4000 3Jt. mit ber $8eljaup= 
tung, bie Stntage leibe an einer 5Reitje roefenttidjer tDMngel. 
Sem ©ittroanb, ber tünfprudj fei gemäfj § 638 33©58. oer= 
jätjrt, tjat fie mit ber SBeljauptung beftrittcn, ba3 oon ber 
$8eftn. erftellte s J®erf fei Seit eine§ 53auroerf§, e§ greife batjer 
bie 5 j ä l) r i g e SSerjätjrung be§ § 638 ^tatj. Sie Silage 
ift auf ©runb ber ©inrebe ber Sßerjäfjrung abgemiefen roor* 
ben, oom SerufungSgeridjt au§ fotgenben 
© r ü n b e n : 

Ser Ätaganfprudj ift unftreitig nadj § 638 2tbf. 1 33©i0. 
oerjciljrt, roenn nidjt ba§ SBerf ber SBefln. fid) at§ ein „$8am 


Digitized by Google 



A. in (liuilfadjen. 


9 


wer!" barftellt ober ber 93efln. argtiftigeS 58erfd)meigett eines 
SJtangelS jur Saft fällt. 

Soweit bie 'Verpflichtung ber 58cfln. baf)in gegangen ift, 
bie Sreforanlage ^erjuftellen unb in ben Eteubau ber $lin. 
ju oerbrittgen, bat eS ficf) unt .ßerftellung eines 58auwerfS 
nicht gebanbelt. 3)urd) bie 2Irt ihrer Einfügung in baS ©e= 
bäube mag bie Sreforanlage — wenn bie ®arftellung ber 
filin. richtig ift — ein mefentlicber 58eftanbteil beS ©ebäubeS 
(§§ 93, 94 58©58.) geworben fein; bamit ift aber nodh nicht 
gefagt, baj) 58 e ! I. burct) ihre Stätigfcit ein 58auwcrf er= 
ftellt hat. 

■Ulan mag 1 ) unter einem „58auwerf" i. @. beS § 638 
V®58. auch bie ©rftellung einjelner ^Bauteile unb 58auglieber 
nerftehen; eS mag auch nicht ju billigen fein, wenn bie $am= 
mer für ^anbelSfadjen meint: auch DOn ^ er 3luffaffung beS 
9t®. au§ müffe oerlangt werben, „baff bie betreffenbe Arbeit 
jur ©rftellung beS ©ebäubeS als foldjen erforberlid) geroefcn 
fei", unb baS treffe im »orliegenben galt nid)t ju. 2lber 
oon einem anbern @efid)tSpunft auS läf)t fid) bie 3lrbeitS= 
leiftung ber 58efln. nicht als ©rftellung eines 58auroerfS auf= 
taffen. 

9tur bann nämlid) märe eine fold)e Sluffaffung möglid), 
meint eS bie Sätigfeit ber 58 e 1 1 n. gemefen märe, bie bie 
Sreforanlage ju einem 58eftanbteit beS flägerifchett ©ebäubeS 
gemacht hätte, roenn alfo 58 e f l. eine b a u l i d) e Sätigfeit 
entfaltet hätte. 9tun hatte Älin. allerbingS fid) oerpflidjtet, 
bie 9(nlage burd) ihren SDtonteur auffteHen ju Iaffen, bem 
bie Stlin. „bie nötige 58eihilfe" b. !)• bie jur 58emältigung 
ber medjanifchen 5!lrbeit beS fpebenS unb J^tbewegenS ber 
Seile ber 2lttlage roegen bereit Umfang unb ®ri)were erfor= 
berlichett ^ilfSfräfte „ju ftellen" hatte. S)er ÜJtonteur hatte 
für bie 58erbringung ber 9lnlage in ben für fie beftinunten 
Staunt unb ihre .äufammeitfeijung ju forgett unb mol)l auch 
Einleitung für beren 5ßerbinbung mit bem ©emäuer ju geben; 

‘) SDlit 91®. 57 9tr. 83. 


Digitized by Google 



10 


Sntfcfietbungeit beä D&erlanbe8gerid£)t§. 


aber bie b a u l i d) e 2Irbeit — bie .jperftellung ber 29auern 
utib ^unbamcnte , bie Oinmauerung ber Anlage (»ießeicht 
nach Anleitung be§ 29onteur§) — war ©ad)e ber 
SU in., bie biefe Slrbeit auf i I) r e Soften burct) bie »on ihr 
beauftragten 29aurer f)at au§führen taffen. Sie 23erpflid)= 
tung ber 93e!ln. t)at fid) atfo troh ber Stellung eine§ 29on= 
teur§ auf ^erftettung unb 93eifd)affung einer fetbftanbigen 
beweglichen ©ad)e befchränft, bie erft burct) bie Sätigfeit ber 
»on ber Min. aufgeftetlten 2lrbeit§fräfte 93eftanbteil einer 
unbeweglichen ©adje geworben ift. 93efl. ift fomit, wie bie§ 
aud) ber unbefangenen Stuffaffung unb bem natürlichen 
Sprachgebrauch entfpridjt, nicht at§ ©rftetler eine§ 93auwerf§ 
i. ©. be§ § 638 2lbf. 1 33093. anjufehen 1 ). Sie 5jährige 
SSerjährung ber genannten ©efehe§ftetle greift baher nicht 
Pah- 

llrt. be§ III. ©©. »om 6. 2lprit 1907 i. ©. ©jülinger 

g. 2lbe. 


7. 

UJclthe iBirltung auf bir Perijtc bes ©länliigcrs Ijat 
es, men« bie llbrebe: auf $eite bes ^djulbuers falle 
ftd) eine weitere Perfan als Q>efamtfd)ulbner uerbinb= 
litlj ntatijen — nidjt erfüllt wirb? 

Sie Silage ftüt)t ftd) auf eine oom 23. 2lo». 1905 ba= 
tierte, »om 93ett. unterjeichnete Urfunbe folgeitben Inhalts : 
„|>r. M erhält »on ber S.brauerei ein bare§ Darlehen »on 
400 29. ju 472 % »erjinSlich (fnimjahlbar in monatlichen 
59aten »on 25 29.). $ür biefe§ ©ntgegenfommen ber £.= 
brauerei »erpflicf)tet ftd) £r. Sl., feinen ganjen 93ierbebarf 
auf bie Sauer »on 2 fahren »om 1. Sej. 1905 an gered)= 
net au§fd)liefj(ich »on ber S.brauerei ju beziehen. Sie @h Cs 
frau be§ .firn. Ä. madjt fich fowoht für ba§ Sariehen al§ 

*) SflI. 9t®. in 32B. 1902 »eil. ©. 219 9lr. 70; llrt. be« II.®©. 
biefeä Dfi®, oom 14. 3uli 1905 i. @. Sd)mib g. ©djaffcninä. 


Digitized by Google 



A. iit (Stoilfadjen. 


11 


fiud) für bie au§ biefem ©ertrag ermachfenben ©erbinbUd)= 
fetten al§ ©efamtfd)utbnerin mithaftbar. @rfütlung§ort ift 
Stuttgart". 

©ie grau be§ ©efl. hat biefe Urfunbe nicht unterjeid)* 
net, oielmehr nach ihrem unb be§ ftifdjen. ©eifenben 3Jf. 
3eugni§ bie Unterzeichnung »erroeigert. ©er ©efl. macf)t 
be§f)atb geltenb, ber ©ertrag mit ber Älin. fei nicfjt jurn 
Slbfchlufj gelangt, ©er ©inmanb ift oerroorfen roorben au§ 
folgenben 

© r ü n b e n : 

gn meinem Sinn bie Slbrebe ju oerftefien ift: auf ©eite 
be§ ©cf)ulbner§ folte ftdE) eine roeitere )ßerfon al§ ©efamfc 
fdjutbner mithaftbar erflären, ift im einzelnen galt 2lu§* 
legung§frage. ©ie atbfic^t ber ©ertragfd)lief)enben fann ba= 
hin gef)en, bafj bi§ jut Unterjeid)nung be§ ©ertrag§ (ober 
bi§ jur guftimmung P bem ©ertrag) feitenS ber raeiteren 
$erfon ein ©ertrag überhaupt noch nicht al§ gefdjloffen, ober 
bafj er al§ unter ber ©ebingung be§ ©eitrittS bet roeiteren 
ißerfon gefcf)Ioffen gelten foll; e§ fann aber bie 2Bitten§= 
meinung ber ©ertragfd)liefjenben aud) bafjin gehen, bafj nur 
ber ©laubiger, fall! ber ©ritte feinen ©eitritt oerroeigere, 
oom ©ertrag juvücfjutreten berechtigt fein folt. 

gm oorliegenben galt fjanbelt e§ ftd) barum, bafj $tin. 
al§ jroeiten ©cfjulbner neben bem ©eft. beffen grau erhalten 
follte. grgenb einen ©orteil erlangte — fo oiel erfidjtlic^ 
— burcf) bie $D}itf)aftung ber grau be§ ©eft. meber fte noch 
if)r 3Jlann. Senn bie Kammer für -£>.©. meint: aud) ber 
©efl. habe „ba§ 9ied)t erroorben, ju oerlangen, bafj ber ©er= 
trag mit ihm unb feiner grau gefcfjtoffen roerbe“, fo rnirb 
biefe 2luffaffung — bie ber ©efl. felbft feine§roeg§ in foldjer 
Seife geltenb gemacht hat — bem roirflichen ©ad)uerhalt 
augenfdjeintid) nicht gerecht ; eine berartige SiHenSmeinung 
beim ©efl. ju unterftellen , liegt ber natürlichen 2luffaffung 
fo fern, bafj e§ ©ache be§ ©efl. geroefen märe, Umftänbe 
barzulegen, bie bafür fpredjen mürben, bafj er ein gntereffe 
an ber ÜJlithaftung feiner grau hatte. 2lud) baoon fann 


Digitized by Google 



12 


©ntfdjeibuiigen be£ Dbevlanbc«gcnd)t?. 


feine 9tebe fein, baff jeber Seit aucf) nach Untergeidjnung 
unb 2luSl)änbigung bet Urfunbe feitenS beS Söefl. beliebig 
non bem Vertrag hätte gurüdtreten fönnen, fotang noch in 
ber ©chroebe roat, ob bie grau beS Söefl. bie if>r angefon» 
nene 9Jtithaftung übernehme. 

2tnbererfeit§ iwirb ficf) oieUeidjt nid)t begmeifeln taffen, 
baff ft' I i n. berechtigt geroefetx märe, nom Vertrag gurücfgu» 
treten, falls bie grau beS Söeftn. fid) mithaftbar gu machen 
oermeigerte. fttin. hat bieS aber unftreitig nidd getan, fon» 
bern bem Söefl. alSbalb erftären taffen, fie halte trotj jener 
^Steigerung feiner grau an bem Vertrag feft. 

@S fragt fid) bafjer, ob bie äöirffanifeit beS SßertragS 
an bie Söebingxtng gefnüpft mar, bafj bie grau beS Söefl. 
fid; mithaftbar erflärte, fo baf? mit 2luSfall biefer Söebingxtng 
ber gange SBertrag gufammenfiet, ober ob bie Sßermeigerung 
beS Beitritts feitenS ber grau beS söefl. nur bie Söirfung 
batte, baff bie fttin. nom Vertrag gmar gurücftreten fonnte, 
er aber in ftraft btieb, falls fttin. ihren Siücftritt nicht er= 
ftärte. 

9tad) feiner gaffung ift ber Vertrag nidjt bebingt, finb 
inSbefonbere bie S8erpflid)tungen beS Söeftn. nicht bebingt. 
@ine ungegroungene, ber 9tatur ber ©adje entfpredjenbe 2tuS= 
tegung beS Vertrags führt gu fotgenbem (SrgebniS: ber Söeft. 
hat ber fttin. bie |janblung eines Sritten — nämlid) bie 
9JtithaftungSerfIärung feiner grau — gugefagt (ohne übri= 
genS eine ©emährteiftungSpftidjt in biefer SRidjtung gu über» 
nehmen) ; bie SBefchaffung biefer .fSanbtung — atfo eines 
Seils feiner Seiftung — ift ihm unmöglich geroorben infolge 
eines UmftanbS, ben er — mie unterteilt roerben mag — 
nicht gu oertreten hatte; biefer Umftanb berechtigte ihn aber 
nicht, feinerfeitS fi<h uon bem gangen Sßertrag toSgufagcn, 
falls ftlin. tropbem an bem Sßertrag fefthalten unb fid) mit 
bem begnügen rootlte, maS an Sßerpflid)txtngen beS Söeft. noch 
übrig blieb 1 ). 

’) 2*gl. ßronie, Stjftcm 58b. 2 § 179 ; 9B i n b f d) t i b , Sßanb 
58b. 2 § 317 hinter Note 2; auch arg. § »23 SB®». 


Digitized by Google 



A. in Gtotliarfien. 


13 


llrt. be§ III. ©©. »om 19. 2ftnrj 1907 i. ©. a;iooIi= 
brauetei g. Met). 


8 . 

QTritt bie gafiung eines Hiirgen, brr für juici $erfa= 
nen, bir als Qüefatntrdjulbner haften mürben, ftdj 
»er bürgen »erfprarijen batte, audj bamt rin, wenn 
bir eine jener Prrfannt nidjt $djnlbnrr geworben ift? 

Ser s 3efl. bat ftd) fdjriftfid) für bie ©beleute SB. in 
betreff ihrer ©cbulben au§ einem ^3ad)tüerbältni§ bi§ jum 
S3etrag »on 1500 ÜJt. »erbürgt; eü fam aber nur ein ißacbt= 
»ertrag ber Min. mit bent ©begann SB. ju ftanb. Sie 
auf bie S3ürgfd)aftsserflärung geftütjte Mage ift abgemiefen 
roorben. 21u§ ben 

© r ü n b e n : 

©in Vertrag ber © b e 1 e u t e SB. mit ber Min. ift nicf)t 
ju ftanb gefommen. SBäre ein foldjer Vertrag jum Slbfdjlufj 
gelangt, fo hätten bie ©beleute SB. gemäfj § 427 S3©S3. au§ 
bem 33ertrag im 3roeifel al§ ©efamtfcbulbner gehaftet. @§ 
ift nun einleudjtenb, bajj bie Stellung eine§ Bürgen unter 
Umftänben eine ganj anbere ift, je nachbem er für geroiffe 
35erbinblid)teiten einjuftehen hat, bie einer s $erfon ober 
bie j ro e i s $ e r f o n e n a 1 § ©efamtfchulbnern ob= 
liegen: ift ber eine ©efamtfdjulbner »ermöglich, ber anbere 
unoermöglich, fo ift bie Sage be§ Bürgen eine roeit »orteil= 
haftere, al§ roenn ber unoerntöglidje ©djulbner allein hafte« 
mürbe. S3iirgfd)aft für bie ©d)ulb jroeier ©efamtfcbulbner 
ift baher rechtlich unb roirtfdjaftlich etroa§ anbereS als 33ürg= 
fdjaft für eine ©chulb, für bie n u r b i e eine ber betreff 
fenben jroei ^ßerfonen haftet; mer für eine ©efamtfebulb 
jroeier ©chulbuer einftehen ju roollen erflärt, haftet nicht 
ohne weiteres, roenn nur jroifchen bem einen biefer beiben 
unb bem ©laubiger ein ©djulboerbältniS entfteht. Sie ^3er= 
fon beS £auptfcbulbnerS ift für ben SJürgen fo roefentlich. 


Digitized by Google 



14 


©ntfdjeibung beä Dberlanbe8gerid)t8. 


baf} (minbeftenS im Reifet) feine Bürgfdjaft nidjt ju 9lerf)t 
befielt, menn nidjt jroifdjen ben in ber BürgfdjaftSerllärung 
bejeidjneten ißerfonen — fonbern jroifdjen anbern ober 
nur einem Seil biefer ißerfonen — unb bem ©lau» 
biger ein ©cfjulboerljältniS begrünbet roirb. Safj im oor» 
Uegenben ^all befonbere Umftänbe oorgelegen finb , bie ju 
einer anbern Beurteilung bet ©adje nötigen mürben, l)at 
ÄUn. nidjt bargelegt. 

@S Ijanbelt ftd^ nad) bem SKuSgefüfjrten nidjt um eine 
21nfedjtbarleit ber BürgfdjaftSerllärung beS Bell. roegen $rt= 
tumS i. ©. beS § 119 B©B., fonbern barum, bafj eine 
©cfjulb »on ber 2lrt, mie fie in ber BürgfdjaftSurlunbe be= 
jeidjnet ift, nämlidj eine ©djulb ber SB.fdjen Seeleute, über» 
fjaupt nidjt jur ©ntfteljung gelangt ift unb Älin. baljer auS 
ber BürgfdjaftSurlunbe ben gegen ben Bell, erhobenen Hlag* 
anfprudj nidjt ableiten lann. (Sin Irrtum über bie ißerfon 
beS .^auptfdjulbnerS märe übrigens lein blofjet Irrtum im 
Beroeggrunb, fonbern ein Qrrtum i. ©. beS § 119 B®B. ’). 
Urt. beS III. ©©. uom 26. Sflärj 1907 i. ©. SDlauter 
g. Bereinigte Brauereien @tuttgart=Sübingen. 

9. 

1. gtmuenbmtg bes § 774 Jtbf. 1 $<»SliJ. auf ultredjtlidje 

iUiirgfrfjflftett. 

2. gnfprnrfi bes Jürgen, ber ben gtjpntljeknr^ÖSüm» 
biger befriebigt ijat , auf entrpredjenbe Ueridjiiguug 

bes öSrnnbbndjs. 


21uS ben 

® r ü n b en 

eines Berufungsurteils : 

®afj ber § 774 31bf. 1 B®B. audj auf altredjtlidje 
Bürgfdjaften Slnroenbung rinbet, lann leinem ^roeifel unter» 
liegen , ba er nidjt eine SBirlung beS © dj u l b o e r Ij a 1 t» 

') SJgl. © r o m e , Stjfttm 23b. 2 § 296 9iote 3. 


Digitized by Google 



A. in Sitrilfad)en. 


15 


niffeS (2Irt. 170 21©.)» fonbern eine SBirfung ber ©r* 
f ü 1 1 u n g eines foldjen beftimmt, bie nach bem 1 . Januar 
1900 »orgenommenen ©rfüllungSgefchäfte aber nad) bem Qn= 
halt beS 2lrt. 170 @@. nicht unter biefe Beftimmung fallen 1 ). 

3>lit ber Sßiberflage nerlangt ber Beflagte ferner bte 
Verurteilung ber SUin. jur BeroiUigung ber Berichtigung beS 
®runbbucf)§ bahin, baf) non ber 40000 SUt.'-fnjpothef unb 
ber fforberung, für bie fie beftetje, ein Seil im Betrag non 
14333 9JZ. 33 ißf. it>m juftetje. ©S h an &elt ftd) h* er a U° 
nicht um einen fyeftfieHungS*, fottbern um einen SeiftungS* 
antrag, ber gleichfalls als begrünbet ju erad)ten ift. 3 roai: 
ift ber Unterrichter ber älteinung, ber Beflagte fönnte nur 
ein öffentlich beglaubigtes 2lnerfenntniS beS traft ©efetjeS 
erfolgten UebergangS biefer 9tecf)te auf ihn »erlangen. 2lllein 
auS § 894 B©B. folgt, bafi ber Bett, als jahlenber Bürge 
oon ber Silin, als ber befriebigten ©läubigerin, bereu Siechte 
gegen ben ßauptfchulbner im Umfang ber geleifteten 3 a h s 
lung auf ihn übergegangen ftnb, bie ^uftimmung jur Be* 
richtigung beS inforoeit ber roirflidjen SiechtSlage nicht mehr 
entfpredjenben ©runbbuch§ »erlangen tann, ein Stecht, ba§ 
auch etroa baburct» auSgefchloffen roirb, bafj ber Bett, 
biefe Berichtigung gemäjj §§ 22, 29 B@B. auch au f ©runb 
einer bloßen öffentlich beglaubigten Ouittung über feine 
Zahlung herbeiführen fönnte 2 ). 

Urt. beS II. ©©. ootn 4. Quli 1907 i. ©. ©cfpüenb 
gegen ©eroerbebanf ©ailborf. 

10 . 

Hflftnng bes Hauseigentümers gegenüber bem JHieier 
für mangelhafte Üreppe mtb Helendjtnng? 

SU., ber feit 1902 im erften ©toef beS .jpaufeS beS Befl. 
in Steubulad) raohnt, h«t eines 2lbenbS im Oftober 1905 

*) Sgl. J&ab t cf) t, ©tnrairfung jc. 8. 322. 3®- 1901 <5. 182; 
1902 SBeiL 8. 280; 1903 Seif. 6. 45, 91®. 53, 8. 380. 

s ) 33gf. Dbernecf, SfeidjSgrunbbucfjredjt Sb. 1 813 , 834; 


Digitized by Google 



16 


(£ntfd)eibungeu bc$ 0 beilaubeb 0 erid)t?. 


burch einen ©turj bie Steppe ^etab erhebliche Verlegungen 
erlitten, ©eine ©d)aben§erfal)flage ift abgeroiefen roorben. 
2lu§ ben 

©r ünben: 

Sie Berufung mact)t in eriter Sinie geltenb, bie frag» 
licfje Steppe fei non fo gefährlicher Vefcfjaffenheit, bafj Vefl. 
fdjon beSljalb fchabenSerfatjpflichtig fei, roeit er nicht eine 
anbere Steppe Ijabe anbringen taffen. Sem Vefl. fann aber 
in biefer Hinfidjt eine 2lufjerad)ttaffung ber im Verfeht er» 
forberlidjen Sorgfalt nidjt jur Saft gelegt werben. Sie 2ln= 
bringitng biefer Steppe ift augenfdjeintid) baupolijeilid) 
nidjt beanftanbet roorben; e§ ift aud) nicht behauptet, bafj 
fie feit ihrem Vefteljen jemals — j. V. anläßlich ber reget» 
mäßigen Vifitationen ber ^euerfdjau — polijeilid) bemängelt 
roorben ift (unb baS, obwohl ihre Vefchaffenljeit bem Stabt» 
fchuttheifjen als früherem 9Jtieter beS Vefl. genau befannt 
roar!). Stl. oennag auch nidjt ju behaupten, baff er je ben 
Söetl. jur Slnbringung einer anbern Steppe aufgeforbert ober 
auf bereu ©efährlidjfeit hingeroiefen h at (mag er ihm auch 
er$ät)tt haf>en, bafj bie eine ober anbere s f3erfon auf ber 
Steppe gefallen fei); bie Vefrijaffentjeit ber Sreppe hat ihn 
ferner nicht abgehalten, brei ^al)re in ber fraglidjen 28oh= 
nung ju bleiben, ©s ift ©rfahrungStatfadje, bafj berartige, 
mit Vorficht ju begehenbe Sreppen fich in »ielen Käufern 
befinben, ohne bafj fie polijeilid) beanftanbet roerben; ange» 
fidjtS beS UmftanbS, baß eine Veränberung einer einmal 
beftehenben Sreppenanlage meift fchroierig ift unb baß an 
ber fraglidjen Sreppe ein beiberfeitigeS ©elänber an» 
gebracht ift, fie auch — mie unbebenflich unterteilt roerben 
barf — bei s itnroenbung ber gebotenen Vorfid)t, bie ber 
Hauseigentümer insbefonberc aud) oon bem mit ber Ve= 
fchaffenheit ber Sreppe uertrauten SJtieter erwarten barf, 
ohne ©efaljr (auf ber breiten ©eite ber ©tufen) ju begehen 

$ lan cf, Stamm. 311 m 3)®?). § 1167 91um. 3, § 1144 31 tun. 1 ; ©tau» 
bin 8 er, Sfoittm. 3 . 33®®. ®b. 3 § 1144 Vlnm. la; 9t@. ®b. 56 
5. 322 ff. ; ®b. 59 S. 313 ff., baacaeu äßüvttS. SSb. 17 ©. 153/157. 


Digitized by Google 



A. in Siöilfacfien. 


17 


ift, läßt fich barin ein 93erfcf)ittben bei $l§. nicfjt finben, 
öaß er bie Steppe, fo roie fte ift, beiaffen t>at. 

(Sin urfadflidjer gufammenhang jroifdjen bem gall 
bei Äll. unb bem Umftanb, baß bie Steppe ttirfjt beleuchtet 
roar, läßt ftrf) nicht feftftetlen (wie nät»er aulgeffihrt roirb). 
Saß ber Sftangel an Beleuchtung feine Stolle gefpielt hat, 
ift — wenn man ben gewöhnlichen Sauf ber Singe unter* 
ftellt — fd)on belhalb roa^rfcheinlid) , weil Äl. natürlich, 
uachbent er brei $ahre in bem fraglichen ©tocfroerf geroohnt 
hat, bie Befcfjaffenheit ber Sreppe, ihre SBinbungen, bie Be* 
fchaffenheit ihrer ©tufen genau gefannt hat, fo baß el, aud) 
roenn bie Sreppe nicht beleuchtet roar, feine ©cßroierigfeit für 
ihn habe» fonnte, fie bei Stacht ungefährbet ju begehen, roie 
er biel ohne {frage — ba ja bie Sreppe unbeftrittenermaßen 
regelmäßig unbeleuchtet roar — häufig getan hat. Uebrigenl 
roürbe el — auch roenn ein .ßufammenhang groifchen ber 
Slidjtbeleuchtung ber Sreppe unb bem ©tut} bei $11. be= 
fteljen follte — an einem Berfcfjulben bei Befl. hinftchtlich 
bei üDtangell an Beleuchtung fehlen. $1. h at 3 Qafjte in 
bem fraglichen ©tocfroerf geroohnt unb hat nicht geltenb ge* 
macht, baß er je bal {fehlen ber Sreppenbeleucf)tung gerügt 
ober eine foldje Beleuchtung geforbert habe. @r hat ficß 
burd) biefel Berhalten ftillfdjroeigenb bamit einoerftanben 
erflärt, baß Befl. eine folcße Beleuchtung unterlaffe. Sem 
SJtieter gegenüber roar aber bie (etroaige) Berpflichtung bei 
Befl., bie fragliche Sreppe ju beleud)ten, feine berartige, 
baß $1. nicht auf beren (Sinhaltung, roie er getan, oerjichten 
fonnte. 

Urt. bei III. 6©. oom 4. Sej. 1906 i. ©. {frölich g. 

Ohugemach- 

Sal Steichlgericßt t)at bem Äl. bal Slrmenred)t roegen 
Slulfichtlloftgfeit ber Stechtloerfolgung oerroeigert. 


3ahrbü<$er ber iEBüritemb. 9ie<btäpflege. XX. 1. 


2 


Digitized by Google 



18 


©nt|d)eibungen beb Dberlanbebgericfjtb. 


11 . 

Umgriff b £0 „mit einem (Snntitjtütk uerbmtiirneu Werks“ 
unb ber „feijlerljaften ©rridjimtg“ i. bes § 836 ^©0. 

Qn ben 

©tüttben 

eines 93erufungSurteilS ift gejagt: 

®ie 2Innat)me beS ©ericfjts I. Qnftanj, baff ein „mit 
bem ©nmbftfidf oerbunbeneS 2Berf" i. ©. beS § 836 nur 
beim 3Sort)anbenfein einer f e ft e n SSerbinbung jroifcfjen SBerf 
unb ©runbftücf (alfo bei einer SSerbinbung i. ©. beS § 94 
33©®.) al§ norliegenb angenommen roerben fönne, erfdjeint 
roeber nad) bem SBortlaut, nod) nacf) bem ber frag* 

tilgen ®orfd)rift, nocf) enblicf) nad) beren ©ntftef)ungSgefcf)id)te 
begrünbet 1 ), ©in „SBerf" 3 ), meines — roie ber 33ilbftocf 
beS 33efln. — * auf einem beftimmten ©runbftücf feinen 
bauernben 2luffteüungSort erhalten unb bei meinem 
überbieS burcf) befonbere .£>erticf)tung, ttämlicf) burd) ©ineb» 
nung ber 33obenfläd)e, eine gegenfeitige Slnpaffung beS SBerfS 
unb bes ©runbftüdtS an einanber ftattgefunben f)at, fann 
unbebenftid) als mit bem ©runbftücf „oerbunben" angefeljen 
roerben. S)ie f^rage, ob ber ®ilbftocf im ©inn beS § 836 
„fel)lerf)aft errichtet" geroefen fei, fann nidjt, roie ber 93efl. 
auSjufüljren fud)te, lebiglid) barnad) beurteilt roerben, ob bie 
geroäblte SlufftellungSart bem beftimmungSgemäfjen 3*oect 
beS ®ilbftocfS genügte, nielmefjr ift — ber £enbenj beS § 
entfpredjenb — ein ©ebäube ober 2Berf als fet)lerf)aft er» 
ridjtet bann anjufefien, roenn eS nermöge feiner, gegen bie 
Siegeln ber Secfynif oerftofjenben Äonftruftion gegenüber 
äujjeren ©inroirfungen ober aucf) nur gegenüber bem ©efet) 
ber ©djroere nicf)t genügenb 2BiberftanbSfäl»igfeit befiel unb 

') S3qI. in lefjterer äJejiefjmig namcntlid) ben Sffionlaut beb § 735 
beb I. ©ntrourfb u. bie älcrfianMungen bet II. ffommiffion iprot. 58b. 2 
@. 650—657. 

*) Sgl. 9t®. 60 ©. 139. 


Digitized by Google 



A. in (Stbilfadjen. 


19 


infolge fyteoon einen ©infturj ober auch nur bie Stblöfung 
einzelner Seite befürchten läfjt. 

llrt. bei II. ®@. oom 21. Sejbr. 1905 i. ©. 9tagel 
g. Sang. 


12 . 

1. Haftung bts Pctar 0 für Perfekt bei pitfnaljntr 
non PJethfcIpratelten. 

2. JI)i ber äfentlidje Polar peantter? 

(Segen einen Vejirfinotar war ein ©chabenierfahanfprud) 
erhoben, roeit beffen ©efjilfe ©. einen SBechfel proteftiert 
hatte, auf bem bie bem Qnboffament bei $ti., ber ben 2Bed)fet 
jum fßroteft übergeben trotte/ folgenben ^nboffamente nicht 
burd)ftrichen roaren. 3n ben 

©rünben 

bei Vcrufungiurteiti ift auigeführt: ®a int oorliegenben 
Jatte unbeftrittenermafjen toeber bai ^nboffament bei $ti., 
noch biejenigen feiner Stachmanner burchftridjen roaren, ati 
ber SBechfet oont ftt. bem Slffiftenten ©. mit bem Stuftrag 
jur i)3rotefterhebung übergeben unb oott letzterem proteftiert 
rourbe, fo fragt ei fich, ob ©. burd) bie Stnnahme bei Stuf* 
trag§ jur fßrotefterhebung oerpftid)tet roorben ift, oor ber 
'f3rotefterhebung bie Segitimation bei Sfti. ju prüfen uttb 
biefen ju oerantaffen, bie feine roedjfetmäfjige Segitimation 
ftörenben ^nboffameute ju burchftreicf)en. ®iefe Verpflichtung 
roirb für fämttid)e ißroteftbeamten oon ©taub 1 ) ohne roeitere 
Vegrünbung bejaht. ®afj in Sßürttemberg ben mit ber 
©rhebung eittei SSedjfetprotefti beauftragten Notaren bie 
angeführte V r üf un 93pflid)t obliegt, geht aui Strt. 108 Stbf. 2 
2t©S8©V. mit ©idjerheit heroor. Senn ttnd) biefer ©efehei* 
beftimmung ift ber Slotar, roenn er bai oon ihm oorju= 
nehmenbe ©efchäft für nichtig ober anfechtbar eradjtet, ober 
roenn ei ber Slbficht ber ^Beteiligten nicht entfpridjt, uer= 

*) 3n 8 4 p 2lrt. 87 ber SED. 

2 * 


Digitized by Google 



20 


®ntfdjeibungeit beS DberlanbeSgericfitS. 


pflid;tet, bie Sezieren hierüber ju belehren, unb wenn fie 
auf SCornaljme ber 21mt§f)anblung befielen, bie erfolgte 33 e= 
letjrung sutreffenbenfallS in ber aufjuneljmenben Urfunbe 
feftjufteüen. fpierbutd) ift ohne weiteres bie 2ImtSpflid;t beS 
JiotarS begrünbet, oor (Erhebung eines 2Bed)felprotefteS ju 
prüfen, ob ber Inhaber beS 35$ed)fel§ burd; beffen Inhalt 
als SQ3ed)felgläubiger auSgewiefen werbe, unb ob bemgetnäfj 
infoweit feine 33ebenfen gegen bie ©üttigfeit beS ju erhebenben 
'JkoteftS hefteten. 2lnbererfeitS mufj aber aud) angenommen 
werben, bafj ber non bent 91otar burd; (Entgegennahme beS 
2Bed;felS jur ißrotefterhebung mit bem Inhaber beS 2Bed)felS 
abgefdjfoffene ®ienftoertrag ifjn felbft ofjne befonbere 93er= 
einbarung oerpflid)tet, oor 2luSfüf)rung ber ißrotefthanbtung 
fiel) barüber ©ewifjheit ju oerfdjaffen, bafj bie ©üttigfeit beS 
'ßroteftS nicht ju beanftanben ift; benn inbem ber 2Becf)fel= 
infjaber fid) wegen ber Stufnafjme beS ßroteftS an ben 9Iotar 
wenbet, oerlangt er oon biefem nicht nur bie Seiftung eines 
gewöhnlichen SienfteS, fonbern er oertraut infoweit feine 
^ntereffen ber ©acfjfunbe beS 9lotarS an, namentlich aud; 
ba^in, bafj mit ber (Erhebung beS ißrotefiS, ben er felbft für 
erforberlid) unb juläfftg t)ätt, ber erftrebte ßweef, inSbe= 
fonbere alfo beim ißroteft mangels Zahlung bie ©rtjaltung 
beS 9tücfgriffSred)tS gegen feine SSormänner aud) erreicht 
werbe; barau§ folgt aber bann jene 'ißrüfungSpflicht oon 
felbft ’)• 9ßenn aber eine berartige ':ßrüfungSpflid;t für ben 
■Jtotar befteht, fo mufj fie ohne weiteres aud; bejüglicf; feines 
©telloertreterS als bcftefjenb angenommen werben, im oor= 
liegenben ^alle alfo bejiiglid; beS Slffiftenten ©., ber als 
©telloertreter beS 33ef(n. gehanbelt unb als foldjer aud) bie 
'ßrotefturfunbe unterjeid;net hat. 

®er oon bem 511. geltenb gemachte ©d;abenSerfah= 
anfpruch wirb nun barauf geftü^t, bafj ©. bei (Erfüllung 
ber burd; ben Slbfdjlujj beS 2)ienftoertragS entftanbenen 93er= 
pflid)tungen fahrläffig gehanbelt habe. 9tad) § 276 beS 
'■8©33.S hanbelt fahrläffig, wer bie im 93erfef)r erforberlic^e 
‘) Sgl. ©utfef). beS 3t®. Dom 29. 2J!ai 1906 3iü. 06 ©. 467 u. ff. 


Digitized by Google 



A. in ©bilfadjen. 


21 


Sorgfalt auffer ad)t läfjt. 58on einem iftotar mufj, um ihm 
ben äSortuurf fahrläffigen |janbelnS im 93erl)ättniS ju feinem 
Auftraggeber ju erfparen, »erlangt merben, baf? er eine ge= 
roiffenhafte (Art. 107 A@33@23.) 2Bürbigung unb Prüfung 
barüber eintreten läfjt, ob ba§ »on it»m »orjunehmenbe @e= 
fdtjäft mit 9ted)tSroirffaml:eit auSgeführt merben . fann. 3)a 
nach bem oben AuSgeführten ein rechtsgültiger $roteft jur 
SBorauSfetjung hat, bafj berjenige Inhaber beS 2Bed)felS, in 
beffen Auftrag ber ißroteft erhoben merben foll, nach bem 
Inhalt beS SBed)felS als Sigentümer beSfelben legitimiert 
ift, fo hätte eine mit ber erforberlichen ©adjfunbe »orge= 
nommene Prüfung beS »om Äl. bem ©. übergebenen 2Bed)felS 
ju bem Ergebnis führen rnüffen, bafj eine rechtsgültige ißro» 
teftation biefeS 3Bed)felS erft nad) ®urd)ftreid)ung ber bie 
Segitimation beS $IS. ftörenben Qnboffamente möglich fei. 
|)ieju fommt aber, bafj ber Äl. bei Uebetgabe beS 2Be<hfelS 
auSbrücflid} bemerft hat, er habe ben 3Bed)felbetrag an bie 
9teid)§banf bejahlt, unb bafj ©. ficf) oeranlafjt gefehen hat, 
biefe 33emerfung beS ft'ls. in ben SEßedjfetproteft aufjunehmen. 
SGßar nun ©. burd) biefe Mitteilung beS ÄlS. barauf hinge» 
roiefen, bafj ber ^yatl befonberS geartet fei, unb mufjte er 
auS bem Inhalt beS 2Bed)felS auch bei nur oberflächlicher 
Prüfung entnehmen, bafj bie Segitimation beS $IS. nicht in 
ber fonft üblichen Sßeife auS ber SBechfelurlunbe erfichtlid) 
fei, fo hätte er ftd) eben oeranlafjt fehen follen, fid) roenigftenS 
bei bem S3efln. felbft ober in anberer Söeife barüber DiatS 
ju erholen, ob nicf)t ber Aufnahme eines rechtSmirtfamen 
ißroteftS |jinberniffe entgegenftehen. 3)a ©. aber nichts 

getan hat, um fid) hierüber Aufflärung ju oerfchaffen, fo ift 
ihm ber Söornmrf nicht ju erfparen, bafj er bei Ausübung 
ber ihm obliegenben ißrüfungSpflid)t bie im 93erfel)r er» 
forbetlidje ©orgfalt aufjer ad)t gefaffen, alfo fatjrläffig ge» 
hanbelt habe. 

£ätte @. bei einer fachgemäßen Prüfung ben Mangel 
ber Segitimation erfannt, fo märe er roohl allerbingS nicht 
berechtigt geroefen, jur $erftellung ber Segitimation beS 5?lS. 


Digitized by Google 



22 


(Smtfdjeibungen bei Oberlanbeägericfiti. 


bie ftövenben :3nboffamente felbft ju burctiftrcicfjen ; aber eS 
finb feinerlei 2lnt)altSpunfte bafür gegeben, bafj bie Befeitigung 
ber ftörenben Qnboffamente burd) ben Kl. ntd)t mehr hätte 
Dorgenommen roerben fönnen, roemt er nach erfolgter facf)= 
gemäßer Prüfung fofort auf ben Btangel aufmerffam ge= 
macht roorben roäre ; melntefyr ift baoon auSjugeljen, baff 
ber Kl. bet redjtjeitiger Benachrichtigung jut Befeitigung 
be§ BlangelS rooljl in ber Sage geroefen roäre, ba ja bie 
llebergabe be§ SöechfelS an ©. ÜDlittagS jroifchen 11 uitb 
12 Uhr, bie B*otefterhebung aber erft 2lbenb§ nach 5 Uhr 
erfolgte. 

Urt. beS I. ©©. oorn 18. ^an. 1907 i. ©. Binber 

g. Dambad). 

$aS 9ieid)Sgericbt, bafj baS Urteil beS 08®. auS h^ c h ei ‘ 
nicht intercffiercnben ©rünben aufhob, hat biefe Ausführungen 
gebilligt unb ftch über bie grage, ob ber (roürtt.), öffentliche 
Botar „Beamter" ift, bafjin auSgefprod)en : 

Bad) § 70 Slbf. 2 beS ©erichtSoerfaffungSgefetjeS ift 
es ber SanbeSgefehgebung überlaffen, unter anberen 2ln= 
fprüchen foldje gegen „Beamte roegen Ueberfd)reitung ihrer 
amtlichen Befugniffe ober roegen pflid)troibriger Unterlaffung 
oon AmtShanblungen" ohne Bücffid)t auf ben SBert bes 
©treitgegenftanbeS ben Sanbgeridjten auSfdjliefilid) juju* 
roeifen, unb nad) § 547 Br. 2 ber (£ S $D. ftnbet bie Beoifion 
ohne 9tüctfid)t auf ben SBert beS BefchroerbegegenftanbeS in 
ben Bed)tSftreitig!eiten ftatt, für roelcfje bie 8anbgerid)te 
ohne Büdfidjt auf ben Söert beS ©treitgegenftanbeS auS* 
fchliefjlid) juftänbig ftnb. Bon jenem Borbehatte ju ©unften 
ber SanbeSgefehgebung hat bie ©efetjgebung beS Königreichs 
Bäürttemberg ©ebrauch gemacht, inbern fte in Artifel 8 
unter Br. 3 beS AuSfiihrungSgefetjeS jum ©erid)tSoerfaffungs= 
gefetje bie 2anbgerid)te in bürgerlichen Bed)tSftreitigfeiten 
ohne Bücffid)t auf ben 2Bert beS ©treitgegenftanbeS für 
auSfd)ließlich juftänbig erflärt hat „für bie Anfprüdje gegen 
öffentliche ®iener roegen Ueberfd)reitung ihrer amtlichen 
Befugniffe ober roegen pflichtroibriger Unterlaffung oon Amts» 


Digitized by Google 



A. in ©iüilfadjen. 


23 


hanblungen." SOBic baS ©erichtSnerfaffungSgefetj an jener 
©teile fdjarf grDtfrfjen „Staatsbeamten" unb „Beamten'' 
fchtecfjthin unterfd)eibet — „2lnfprücf)e berStaatSbe amten 
gegen ben ©taat auS ihrem IDienftoerhältniffe", „2lnfprftd)e 
gegen ben ©taat wegen „SBerfdjulbung non ©taatSbe* 
amten“ — , roobei aber immerhin unter ben roeiteren 58e= 
griff „Beamte" nur bie öf fentlid) en Beamten fallen 1 ), 
fo unterfdjeibet ba§ äßürttembergifche SluSfühtungSgefet) 
jroifdjen „Staatsbeamten" unb „öffentlichen Sienern", inbent 
eS in fftr. 1 unb 2 beS ArtifelS 8 a. a. 0. bie £anbgerid)te 
für au§fd)liefjlid) juftänbig erflärt „für bie 2lnfprüd)e ber 
Staatsbeamten gegen ben ©taat auS ihrem 3)ienft»er= 
hältniffe" unb „für bie Anfprüdje gegen ben ©taat roegeu 
33erfd)utbung non Staatsbeamten", roährenb in 9tr. 3 
ganj allgemein non ben 2lnfprüd)en „gegen öffentliche 
$iener", roie oorher ermähnt, bie 9tebe ift. SJlit ben 
„öffentlichen Wienern" hoben bemnacf) augenfd)einlid) bie 
„Beamten" im ©inne ber öffentlichen Beamten über* 
haupt im ©inne beS § 70 beS ©erichtSnerfaffungSgefetjeS 
bezeichnet roerben fallen. 3u biefen aber gehören aud) bie 
„öffentlichen Utotare“ im ©inne ber Artifel 99 unb 105 beS 
3Sürttembergifd)en AuSführungSgefeheS jum ^Bürgerlichen ©e-- 
fepudhe. 3)enn roenn eS uon biefen auch * n Artifel 99 
Abf. 3 helfet, ber öffentliche 9lotar fei „nicht ©taatS= 
beamt er“, unb roenn beShalb aud) nad) Artifel 202 bie 
Haftung beS ©taateS für eine non ihm bei Ausübung feiner 
bienftlichen Stätigfeit begangene fchulbhafte 33erlet)ung feinet 
Amtspflicht ®ritten gegenüber au§gefd)loffen ift, fo ift ber 
öffentliche 9totar bod) immer „öffentlicher Wiener“ im ©inne 
beS ArtifelS 8 9tr. 3 beS AuSfütjrungSgefeheS jum ©ericf)tS= 
oerfaffungSgefetje unb „^Beamter", b. h- öffentlicher ^Beamter 
im ©inne beS § 70 beS ©erid)tSaerfaffungSgefeheS. ®ieS 
ergibt fdjon ber ÜBortlaut beS attgejogenen ArtifelS 99: 

l ) Sgl. D. 2B i l nt o tu 8 ti nnb 2 e D i) , 7. Slufl., Jlnm. 10 ju § 70 
beS ©erid)t8DerfaffungbgefefceS. Strucfmann imb St o d) , Jtmnerfung 
7 ju btmfelbeu § 70. 


Digitized by Google 



24 


(Sntfdjeibungen bt§ Dbertanbe2gertd)t§. 


„SaS 9lmt eines öffentlid)en9Jotar§ fann" 

„übertragen roerben" u. f. in. 

IXrt. be£ III. ©©. beS 9t®. oom 12. $uli 1907 in 
berfetben ©adje. 


13. 

Jnr jluslrgnng brs § 133 aa (Sero.©. 

Sie Vefl. |at bem Jtl., einem 2lngeftellten i. ©. be§ 
§ 133 a ©ero.D., ber im Slooember 1905 bei ihr eingetreten 
mar, auf 1. 2lpril 1906 gefünbigt. Äl. tjat biefe Äünbigung 
für unjuläfftg erachtet, roeit ihn Vefl. auf ein 3at)v un= 
fünbbar angeftettt habe, 
hierüber ift in ben 

© v ü tt b e n 

beS ergangenen Urteils gefagt: 

StnbererfeitS behauptet ber Äl., bafj bie Sö e f t. oer= 
tragSmäfjig auf bie Sauer eines QafjrS gebunben unb itjr 
roährenb biefer 3«* baS 9ted)t ber SHinbigung entjogen 
roorben fei. Sßäre bieS aber je jroifd)en ben Parteien oer* 
einbart roorben, fo roäre biefe Vereinbarung nad) § 133 aa 
©ero.D. nirfjtig. Surd) biefe ©efe^eSbeftimmung raill oer= 
binbert roerben, baff bie Vtöglidjfeit ber Söfung beS Sienft- 
oert)ältniffe§ für bie beiben Vertragsteile ungleid) beftimmt 
roerbe. ©ine llngteidffjeit in ben SöfungSbebingungen Hegt 
namentlich bann oor, roenn für ben einen Seil ein 9ted)t 
ber ftünbigung beftefjt, roäljrenb es für ben anbereti Seil 
auSgefdjloffen roirb ober roenn für ben einen Seil ba§ 
HünbigungSr ed) t auf längere 3eit auSgefdjloffen roirb, als 
für ben anbern. 3lud; in biefen fällen befielt jroar nicht 
roörtlid), aber ber ©acf)e nad) eine Verfd)iebenheit ber 
ÄünbigungSfriften im ©inne oon § 133 aa ©ero.O. ] ). 
Vorausgesetzt nun, baff — roie Äl. behauptet — für bie 
Vefl. baS SünbigungSred)t auf ein 3ßh r auSgefdjloffen roorben 

') S8gl. Staub, Sfonim. § 67 Slum. 1; ßanbmanu, ftonim. 
jur ©eto.C. § 122, 2 a y, § 189. 


Digitized by Google 



A. in ßiöilfadjen. 


25 


ift, mäfjrenb bem $1. nach § 133a ©ero.O. ba§ Sicc^t ju= 
fteht, auf bcn ©d)lufj jebes ftafenbermerteljafjrä 6 2Bod)en 
uorfjer ju fiinbigen, fo liegt in ber £at eine unter § 133 aa 
©ero.O. fallenbe Ungleichheit ber Äünbigung§friften cor, 
inelc^c nad) Abf. 4 biefer ©efeheäbeftimmung bie Ütidjtigfeit 
be§ Au§fd)luffe§ ber Äünbigung jur golge b«t. Unerheblich 
ift hiebei, bafj eine SSerfdjiebenheit ber Äünbigung^friften ju 
Ungunften ber Seil., alfo ber Arbeitgeber in oereinbart 
roorben ift. @£ roirb jroar für ben (mit § 133 aa ©ero.O. 
roörtlid) gleichlautenben) § 67 fp©®. 1 ) mit 9tücffid)t auf 
ben groecf be§ ©efehe§, ben ©cfjuh ber Arbeitnehmer 
gegen ungünftige SSertragSbebingungen herbei^ufithren, bie 
Anficht »ertreten, bafi eine^eftfehungoerfcbiebenerSfünbigungSs 
friften nur bann nichtig fei, roenn bie 2$erfd)iebenheit bem 
Arbeitnehmer ungünftig fei. Allein biefe Anftd)t a ) hat im 
©efetj feinen Au§brucf gefunben. ®a§ ©efetj macht feinen 
Unterfchieb jroifchen SJerebungen, bie bem Arbeitnehmer 
günftig, unb fold)en bie ihm ungünftig ftnb unb erflärt jebe 
93erfd)iebenheit in ber geftfetjung ber $ünbigung§friften 
gleidjmäjjig für nichtig. gür bie Auflegung ber ©ero.O. 
fommt h* n i u / ba§ bei ben 9ieid)§tag§oerhanblungen über 
S 133 aa ©ero.O. 3 ) ein Antrag geftellt roorben ift, ber barauf 
abgejielt hat, bie bem Arbeitnehmer günftigen SBerebungen 
uon ber Dticfjtigfeit auSjunehmen, bafi aber foroohl ein 
$8unbe§rat§be»ollmäd)tigter, al§ ein Abgeorbneter gegen eine 
ungleiche Sehanblung ber Arbeitnehmer unb ber Arbeitgeber 
SBiberfprud) erhoben hat, unb bafj hierauf bet Antrag ju= 
rücfgejogen roorben ift. ©erabe mit 9tücffid)t auf biefe @nt= 
ftehung^gefchichte roirb 4 ) angenommen, bafi jebe 93erfd)ieben- 


>) 3« beit Stommentaren gutii §®39. don ©taub I, 313 Stnin. 7 
(6.17. Stuft.), SJtafotoerl, 119, 2>üringer«$ad)enburg I, 218. 

a ) $er auf bem ©ebiet be® §anbel®red)t8 bereit® © o I b f d) nt i b t 
I, 326 entgegengetreten ift. 

3 ) Sgl. Srotofolle 1898/1900 ©. 3033 ff. 

4 ) 3n bett Stommentaren ber ©ero.0. oon © d) i cf e r unb £ a n b= 
mann ju § 133 aa ©eto.0. 


Digitized by Google 



26 


©ntfdjeibungen be« DberlanbeegerirfitS. 


beit ber KünbigungSfriften, aud) trenn fte bem Slrbeitnehmer 
günftig fei, unter § 133 aa 2lbf. 4 ber ©eto.O. falte, alfo 
nidjtig fei. SDiefe Slnftdjt erfcheint als ftutreffenb unb eS ift 
alfo im oorliegenben $all eine etma ron ben Parteien ge= 
troffene Vereinbarung, bafj baS KünbigungSrecht ber Vefl. 
auf ein ^at)r anSgefdjloffen fein foll (toähtenb für ben Kl. 
gefetjlidbei KünbigungSrecht befielt) nidjtig unb eS tritt auch 
für bie Vefl. baS gefehlte KünbigungSrecht ein 1 ). SDarnadj 
mar bie Vefl. berechtigt, ben Kt. am 10. fyebruar 1906 auf 
1. Slpril 1906 ju fünbigen. 

Urt. beS III. ©<3. r. 11. 2)ej. 1906 i. ©. Verbelle 

g. lieber. 


14. 

Pcrlagsrfdjt tut einer Leitung? 

Kl. tjat gegen ben Vefln. unter ber Vehauptung, biefer 
habe „ben Verlag" beS — ihm rerpfänbeten — oom Vefln. 
herausgegebenen „©onntagSblattS" unberechtigter SBeife an 
fid) gcjogen, Klage erhoben mit bem Antrag : ben Vefln. für 
fd)utbig ju erflären, bem Kl. ben Vertag be§ Sonntags* 
blattS, bie ©licf)«'§ ufro. herauSjugeben unb febe roeitere auf 
ben Verlag beS ©onntagSblattS bejügliche .fpanblung p 
unterlaffen. 

2luS ben 

© r ü tt b e ti 

be§ VerufungSurteilS : 

Kläger oerlangt mit feiner Klage oom Vefl. in erfter 
Sinie „ben Verlag" ber ron ihm gegrünbeten 3eitung „Sonn* 
tagSblatt" heraus unb toill bem Vefl. bie meitere StuSübung 
beS „Verlagsrechts" an bem Vlatte unterfagt roiffen. 

@S erhebt fid) batjer junächft bie Srage, ob ein ber* 
artiges „Verlagsrecht" an einer Leitung überhaupt beftehen 
fann. 

*) Sgl. Staub § 67 Slum. 6. 


Digitized by Google 



A. In (Siöilfadjen. 


27 


Siefe grage ift ju oemeinen. ®aS Verlagsrecht ift eine 
Vbjtueigung be§ Urheberrechts unb ift baS auSfchliefjliche 
9iecf)t jur Veroielfältigung unb Verbreitung eines SBerfS ber 
Literatur ober ber Sonfunft (ogl. §§ 1.8 beS ©efetjeS über 
baS Verlagsrecht oom 19 . 1901 , 9t@Vl. S. 217 *). 

SiefeS 9ied)t fet}t ein fchon hetnor gebrautes 3Berf 
»orauS; im Verhältnis jtoifd)en bem Verfaffer unb bem Ver- 
leger entfteht eS erft mit ber Ablieferung beS äöertS (§ 9 
beS @ef.). 2llS Seil beS Urheberrechts entfteht eS für ben 
Verfaffer mit ber Heroorbringung beS SBerfS, §§ 2 . 
11 beS 9l.@efet$eS betr. baS Urheberrecht an Vierten ber 
Siteratur unb ber Sonfunft oom 19 . Quni 1901 9i@efVl. 
S. 227 2 ). Slud) an einer Rettung ober .ßeitfchrift (fomeit 
fie fchon heroorgebracht ift), befteht ein Urheberrecht 
unb jtoar für ben Herausgeber 3 ). 

©in Stecht bagegen, toie eS fich ber ftl. ju benfen fcheint, 
nämlich ein „Verlagsrecht" an ber ganjen 3eitung — ohne 
Vücfficht barauf, ob bie einzelnen Vummern fd)on heroor» 
gebracht fmb ober nicht — befteht als folcheS nicht. 

©S fteht jroar bem SU. als Verfönlid)teitSrecht („®runb= 
recht"), ba§ Stecht ju, bie Leitung herootjubringen, aber ein 
Ofmmateriatgüterrecht, baS ©egenftanb be§ StedjtSuerfehrS 
roerben fönnte, ift biefeS s Jte<hi nicht 4 ), eS hanbelt fid) hiebei 
oielmeht nur „um bie tatfächliche 3Röglid)feit eines lufra* 
tioen ©noerbS burd) gortfetjung beS Verlags" 5 ). 

Auf ©runb eines berartigen fog. „Verlagsrechts“ fann 
baher SU. ben Verlag nicht herauSoerlangeit. 

Soweit fobann SU. unter bem „Vertag" etroa bie 3 U = 
fammenfaffung ber Sachen unb 9ted)te oerfteht, welche er 

*) Sgl. St u 1 ) I c n b e cf , 2>aö Urbeber» unb baä SerlagSredjt 0. 2B1, 
S t e n g l e t n , @trafrecf)tl. Sftebengef. 3. 2lufl. ©. 169, 2J1 ii 1 1 e r , 5>aS 
beutfcbe Urbeberrecbt unb Serlagbred)t ©. 334/335. 

*) ȟblen bei 6 . 79. 110. 

3 ) Sublenbecf ©. 143 311 § 18 bc3 ©e|. 3Öf- 7> 

4 ) Sgl. ö. SB achter, Serlagbredjt 0. 89, Setipi. 59 9tr. 5 91©. 
3331, 2Bürtt3- 15 ©. 10 ff. 

6 ) 91®. 37, 178. 


Digitized by Google 



28 


©ntfc&eibungen be3 Dberlaubtägtridjtss. 


im betrieb beS oon i^m begonnenen .geitungSunteraebmenS 
erworben t)at — f brpetltdje ©egenfiänbe, Urheberrechte, gor= 
berungSred)te, baS etroaige 9ied)t am Stiel bet Rettung — , 
fann er bie Verausgabe infoweit »erlangen, als er biefe ein= 
jelnen ©egenfiänbe als folrfje bezeichnet unb als er ein f p e= 
5 i e 1 1 e S 9ied)t an it)nen nad)weift, roie er bieS ja timficf)t= 
lid) einzelner ©egenfiänbe tut. Sie Verausgabe biefer @e= 
genftänbe unter ber jufamntenfaffenben 93ejeid)nung „93ertag" 
aber ift unjuläffig. ©in berartiger 93ermögenSinbegriff fann 
(ähnlich mie ein VanbelSgefd)äft, 8 22 ff. V©3J-) *) oietleicbt 
unter biefer ©efamtbejeidjnung oeräufjert roerben, aber 
©egenftanb einer Klage fann ein folcfjer Inbegriff nur auS= 
nabmSweife fein; eine ber jugelaffenen 2luSnafimen (j. 93. 
bie ©rbfcfjaftSflage, ogl. aud) § 260 93©93.) 2 ) liegt aber hier 
nid)t oor. ^nfoweit ermangelt ber 9tntrag baf)er ber nötigen 
SBeftirnrnttjeit (§ 253 Ziffer 2 ©ißO.). 9Jtit ber Klage auf 
Verausgabe beS 93erlagS als eines ©anjen ift Kläger baber 
abjuroeifett. 

SluS bent oben Sargeiegten folgt roeiter, bafj baS 93e= 
gehren beS KlS., bem 93efln. bie SluSübung beS „93erlagS= 
red)tS" an ber Leitung ju unterfagen, unbegriiubet ift, ba 
ein foldjeS 9fed)t gar nid)t beftefjt, alfo aud) nid)t auSgeiibt 
werben fann. ©S ift jebod) nad> bem SBortlaut biefeS Seils 
beS 2IntragS in I. ^nftanj anjuneljmen, bafj Kl. in 9Birf= 
liebfeit nicf)t bie SluSübung beS 91 e d) 1 8 jum 93erlag, fon= 
bem bie StuSübung ber 93 e r l a g S t ä t i g t e i t unterfagt 
roiffen wollte unb gegen bie $uläffigfeit biefeS 2lntragS 
beftef)t ein 93ebenfen nid)t. 

Sie ©lid)e§ ber .^nferenten, bie 93üd)er ber SluSträge* 
rinnen unb baS aHanuffript beS laufenben DiomanS ftnb nad) 
ben eigenen 2lngaben beS KIS. nicht fein ©igentum. Kt. bat 
aud) fein fonftigeS 9fed)t hieran nadjgewiefen ; feine Berufung 
auf bie @igenfd)aft biefer ©egenftänbc als 3ubet)ör beS 
„93erlagS" aber gebt um beSwillett febt, weit baS 93©93. 

') 3t®. 63, 57. 

s ) DS®. 5. 153. 


Digitized by Google 



A. in (Simlfadjen. 


29 


nur gubehör eines förperlicfjen ©egenftanbeS, ber „Vaupt= 
fache" anerfennt, § 97 $8©33. 

Der 2lnfpruch, baf) bem 23eft. bie Ausübung beS 5Ber= 
lagS beS SonntagSblattS unterfagt rnerbe, ift nach Sftafjgabe 
beS jroifdjen ben Parteien beftetjenben Vertrags begvönbet. 

Der Vertrag mürbe äroifcljen ben Parteien abgefd)toffen, 
um bem Sl. bie Verausgabe ber non ihm gegrünbeten .ßei* 
tung ju ermöglichen. Vieju füllte 5Befl. gegen ein geroiffeS 
©ntgett bie Drucfarbeit fjinfidjtüd) ber Leitung übernehmen. 
Der Vertrag fefjte alfo bie anbauernbe Verausgabe ber 3ei= 
tung burd) ben S I r. oorauS, anerfannte fomit ein Sft e cf) t 
beS SIS. auf Verausgabe berfelben. Damit erfc^eint eS un= 
oereinbar, bafj etroa 33ef{. feinerfeitS biefefbe $eitung (b. h- 
eine Leitung mit bemfetben Ditel, bie ftd) an benfelben 2lb= 
nehmerfreiS menben roürbe) fjcrauSgibt. Durch 2lbf<f)tuf} 
biefeS DrucfoertragS hat alfo 93efl. für bie Dauer beS 
Vertrags auf Verausgabe einer Rettung unter bemfetben 
Ditel 58 e r j i d) t geteiftet. DiefeS oertragSmä^ige 
Sttfeinrecht jur Verausgabe bet Rettung „Sonntags* 
blatt" macht St. geltenb, tjienad) ift fein hierauf besüglidjer 
3fnfprud) an fid) begrünbet, monach ficf) Seft. jeber 58 er* 
tags tätigfeit hinftcfjtlich ber Leitung ju enthalten hat- 

58efl. fc^reibt ficf) nun aber baS oertragSmäfjige 
5Red)t ju, für Sir. ben Vertag auSjuüben, meil bie 58e= 
ftimmungen beS Vertrags über bie fog. ißfanbftaufet jutreffen 
unb er bemnach berechtigt geroefen fei, „ben Vertag an [ich 
ju jiehen" unb bie Leitung roeiter fjerauSjugeben. 

Dies fann jebod) nicht für jutreffenb erachtet roerben. 

3toar ift bem 58efl. jujugeben, bafj fein Verfahren, 
menn bie oertragSmäfjigen 9?orauSfchungen bafür gegeben 
mären, bem Sinn beS Vertrags entfprechen mürbe. @S hat 
ficf) bei ber 93eftimmung über bie Stnfichnahme beS 5BerlagS 
nicht um ein iß f a n b r e cf) t im eigentlichen Sinn gehanbett, 
für ein foldjeS fehlte — mie auSgeführt — ber ©egenftanb. 
Üluch maS bie bei Ausübung beS 5BerlagS gebrauchten b e= 
ro e g l i cf) e n ©ad)e it unb bie etma oorhanbenen e d) t e 


Digitized by Google 



30 


(Sntfdjcibungen be8 DberlanbeSgevtditS. 


anlangt, haben bie Parteien roohl taum an ein eigentliches 
s 43fanbved)t gebacht. @§ entfällt habet auch «ne Prüfung 
biefer fog. „ißfanbflaufel" nach bet tein fad^enrerfjtlidjen 
Seite. Nielmehr ging bie 2lbficf)t bet Parteien allerbingS 
bahin, baf? „bei Nichteinhaltung ber ausgemachten Zahlungen 
unb Nürgfcfiaften" Nefl. befugt fein füllte, ben Nerlag für 
ben Mager p führen unb (ich auS ben Ueberfchüffen, 
bie er über feine 2luStagen erzielen mürbe, für feine gorbe= 
rung bejahlt p madjen. 

dagegen ift für etroiefen p eradjten, bah bicfe ,,^ßfanb= 
flaufel" 5 u @nbe Januar 1906, als Nefl. ben Nerlag 
pm peitenntal an fid) nahm, n i d) t mehr p Nedjt be= 
ftanb (roie näher auSgeführt roirb). 

Urt. beS II. (£ 8 . »om 3. ^juni 1907 i. ©. Neinede g. 
Uhl. 


15. 

1. ilnfhüren brr tpdjlnfVelgeunüt bei inilrtrijlither 3ren= 

nnng ber 

2. Umfang ber Unterljaltnngsjjfltrht bes dljemamts in 

faldjent jFall. 

®ie ©hefrcm beS Nefln., eine Tochter beS SIS., bie mit 
bem Söefln. feit 11. Sept. 1902 »erheiratet ift unb in gefet$= 
lid)em ©üterredjt lebt, hat am 18- Niärj 1905 bie eheliche 
SBohnung »erlaffen unb lebt feittjer getrennt »om Neftn. 
2>aS Verfahren in bem »om Setln. gegen fie angeftrengten 
Nechtsftreit auf .^erftellung beS ehelichen SebenS ift pr geit 
auSgefeht. Nach ber Trennung hat bie grau beS Nefln. 
pnächft bei ihren ©Itern gelebt, im $uli 1905 aber hat fie 
fiel), um ihre ©ntbinbung abproarten, in bie ißrioatflinif 
beS ®r. ©. in N. begeben, roofelbft fie bis SNitte 2Iuguft 
blieb. Nach ben »orgelegten — auf ihren Namen auSge* 
(teilten — Nennungen hatte fie p bejahlen: für Hebamme 
unb SBärterin 50 SN., für ben 2lrjt 89 5N. unb für ißenfton 


Digitized by Google 



A. in ßtoitjadien. 


31 


246 2ft. 55 ißfg. $iefe 33eträge f)at ber St. bejaht. StWit 
bet gegenwärtigen Stage oerlangt er beren ©rfatj oom 23e= 
flagten. 

Sn betreff ber in ber lleberfdjrift bejeidjneten Stagen 
befagen bie 

© r it n b e 

be§ 53erufung§urteit§ : 

Sn betreff ber allein noch in ^ragc fteljenben 5Redjt§= 
gefdjäfte, bie baburcfj oeranlafjt worben finb, baß bie Scan 
be§ Söefln. ficE) in bie @ntbinbung§anftalt be§ ®r. ©. be= 
geben J)at, fann § 1357 33©23. feine 3(nwenbung finben. 
3>enn einmal fallen fte überhaupt nicf)t in ben „häuslichen 
9Birfung3frei§'' ber S rau > in betreff berartiger fHedjt§gefdjäfte 
ift oielmeljr § 1354 $©93. maßgebenb. Sobann ^atte aber 
pfolge ber tatfäcf»lidf)en Trennung ber ©fjeleute bie ©djlüffet= 
gewalt ber Stau auf gehört, weit e§ nunmehr an einem „f)äu3= 
lidjen SBirfungSfreiS" für fte gefehlt fjat *). Sitte „$efdjrän* 
Jung" ober „SluSfdjliejjung" ber ©djlüffetgewalt liegt in 
einem folgen 21 uf hören berfelben nid)t; bie Seftimmung 
be§ testen ©aßeS be§ § 1357 greift batjer fdjon au§ biefem 
©runb nicht ipiatj, weiter aber auch be§ljalb ttid)t , weil e§ 
ftd) gar nicht unt 2lnfprüdje oon ©laubigem fjanbelt, bie fie 
au§ fRedjtSgefdjäften ber S*au gegen ben ©tjentanti 
erhoben haben. 

®er 59efl. hatte feiner Stau auch mäljrenb ber tatfäc^* 
ticken Trennung ben Unterhalt ju gewähren; bie @onber= 
beftimntung beS § 1361 93®93. fommt nidjt in 93etradjt, 
bentt ©ntridjtung einer ©elbrente wirb nidjt oerlangt. 2)afj 
bie Soften einer ©ntbinbung bet S rau pm Unterljalt ge* 
hören, unterliegt feinem 23ebenfen 2 ). ®iefe Soften ju tragen 
war bafjer 93efl. oerpflidjtet, modjte feine S*au berechtigt 
fein, bie ^erfteUung be§ ehelichen £eben§ ju oerweigem ober 
nidjt. 2lnbererfeit§ brauchte er aber foldje burdj fianbtungen 

*) f. ©taubinger, Sfomm. jutn 33®S8. (2. Stuft.) Stunt. 2b ju 
§ 1357, St®, in Stfpr. D£®. 14 Dir. 9 d ©. 221. 

*) f. ©taubinger a. a. D. Sinnt. 3 ju § 1360. 


Digitized by Google 



32 


©ntfrf»eibungen bcS Dberlanbe§gericf)tä. 


ber grau entftanbene Soften , beten 2lufmenbung unnötig 
unb überflüffig mar, aud) bann if)r nicht ju erstatten, wenn 
fte berechtigt mar, bie .fperftellung bet e^etic^en ©emeinfdhaft 
ju uerroeigern. 9tun ift nicht bargetan, bajj bie grau bei 
Söeftn. Slnlafi h a t te / f tc h in eine ©ntbinbunglanftalt ju be= 
geben; el ift nicht bargetegt unb nicht erfichtlich, roarum fie 
fich über biefe $eit nicht, roie bil bahin, im |>aul ihrer (SU 
tern hätte aufhalten fönnen. ©I ift auch nicht behauptet, 
bafj etroa auf ©runb ber Vorgänge bei einer früheren ®e* 
burt ober weit ein fdjroietiger Verlauf ber beoorftehenben 
©eburt in 2lulfkht ju nehmen mar, el für bie grau bei 
23efln. geboten ober angejeigt gemefen fei, fich in eine @nt= 
binbunglanftalt ju begeben. 

Urt. bei III. ©<S. oom 23. Slpril 1907 i. ©. Mathgeb 

g. 5Mer. 


16. 

Bie Porfthrifl bes § 1435 gilt nirijt für 

uerträge, bie in einer nnt 1. Jlfliiuar 1900 frijon be= 
ftehenben @ip gefiljlo(fen merben. 

Älin. hnt fich 1894 »erheiratet unb mit ihrem 9Jlann 
junächft in allgemeiner ©ütergemeinfchaft gelebt; am 23. guni 
1902 fd)lo& fie mit ihrem 9Jtann einen Vertrag betr. eine 
v .ßermögenlauleinanberfet}ung, roonach bie oorfjanbene gahr= 
nil als ihr ©igentum anerfannt mürbe. ®er Vertrag mürbe 
nicht in bal ©üterredjtlregifter eingetragen. gm 3)ejembet 
1905 liefen bie söefln. megen einel ihnen gegen ben @he= 
mann ber Älin. juftehenben 2lnfpruchl eine Oteifje oon @a* 
chen in ber ehelichen iJBofjnung pfänben. filin. erhob barauf 
ft'lage mit bem Slntrag, bie Ißfänbung für unpläffig ju er= 
flären. 

2lul ben 

© r ü n b e n 

bei Serufunglurteill : 


Digitized by Google 



A. in SiüUfadjen. 


33 


©urdj bie auf ©runb be§ 93ertragS oorn 23. ^utti 1902 
an biefem Jage Doüjogene 93ermögenSau§einanberfehung 
rourbc bie ibeette ©igentum§l)älfte, bie bem Seemann bet 
Slin. an jenen Objeften juftanb, auf bie Älin. übertragen, 
bie baburcf) auSfchliefjliche Eigentümerin betfelben mürbe, 
©ie Söirffamteit biefeS Vertrags mürbe burd? beffen Sticht» 
eintragung in ba§ ©üterred)tSregifter nitfjt in grage geftetlt. 

9Bie fdjon au§ ber Raffung be§ § 1435 93©93. heroor» 
geht, ift burch biefe ©efehcSbeftimmung nic^t ber 9iegifter» 
jroang in bem Sinne, bafj bie Eintragung Sebingung 
ber ©ültigfeit bes ®heoertrag§ märe, eingeführt, fon» 
bem nur ait§gefprod)en, bafj auS einem Eheoertrag be§ bort 
ermähnten Inhalts einem ©ritten gegenüber gegen ein pji» 
fd)en biefem unb einem ber Ehegatten oorgenommeneS SftedjtS» 
gefchäft ober gegen ein jroif^en ihnen ergangenes Urteil Ein» 
roenbungen nur begleitet roerben fönnen, roenn jur 3 e *t 
ber SBornahme beS iKed)t§gefd)äft§ ober jur ßeit be§ Ein» 
trittS ber MerfjtShöngigfeit ber Eheoertrag in bem ©üter» 
rechtSregifter be§ juftänbigen 9lmtSgerid)t§ eingetragen ober 
bem ©ritten befannt mar. ©er Vertrag oorn 23. $uni 1902 
mürbe baher ber ©ültigteit auch bann nicht ermangeln, roenn 
biefe nach § 1435 cit. ju beurteilen märe, ©em ift aber 
nicht fo. ©enn nach 2lrt. 200 9tbf. 1 ©ah 1 E©93©93. 
bleiben für ben ©üterftanb einer 511 t $eit be§ ^ftfrafttretenS 
beS 53©93. beftehenben Ehe — alfo im oortiegen ben 
galt — bie 6 i§^eripen ©efetje mafjgebenb. s Jlad) mürtt. 
9ied)t beftanb aber eine gefetjliche $flid)t jur Eintragung ber 
Verträge, burch roeldje ber gefetjliche ober oertragSmäfjige 
©üterftanb abgeänbert mürbe, nicht 1 ). $iebei ift eS ge» 
blieben, ba in SBürttemberg einschlägige UeberleitungSbeftim» 
mungen nicht getroffen roorben finb. ©arnach beburfte aber 
auch ber bie ©ütergemeinfehaft aufhebenbe Vertrag ju feiner 
ooüen SBirffamfeit gegen ©ritte nicht ber Eintragung in bas 
©üterrechtSregifter 2 ), roie benn aud) § 1435 $©S. nur 93er» 

l ) SBgl. 2 a 11 g , Sßerf.Stedit S. 403. 

*) 2?gl. ^ a b i d) t , (Sinwirfung :c. ©. 548, 590. 

3a^rb£l<$tr btr SSitrltcmb. Sictbtbbflcge. XX. l. 3 



34 


©ntfäributigen be8 OberIanbe8gerid)tS. 


träge im Sluge hat, burd) roetdje bet gefehlte ©üterftanb 
be§ 93 © 93. ober ein in ba§ © ü t e r r e d) t § r e g i ft e r 
eingetragener oertragSmäfjiger ©üterftanb geänbert 
roirb *). 

35atau§ folgt, bafj bie 93ettn. ftc^ gegenüber ber auf 
ben Vertrag oom 23. Quni 1902 geftü^ten 9Biberfprud)§flage 
nic^t barauf berufen fönnen, bafj biefer nicht in ba§ ©üter* 
tedjt§regifter eingetragen unb ihnen auch jur 3eit ber 9tecf)t§= 
hängigleit beö SUimentenprojeffei gegen ben ©bemann ber 
Älin. nicht befannt geroefen fei. 

Urt. be§ II. ©©. oom 21. SDtärj 1907 i. ©. 2öro g. 
93aifd). 


17. 

PethtsuerhältniflTe an einer jnm eingebrarijten ©nt ber 
®b c fr fl ö gehörigen IJarlehensforberung beint gefeb= 
Udjen ©üterftanb bes U@J5. 

@. iß. hatte ftch im ^alfre 1902 ohne ©rrichtung eine§ 
®üterred)t§oertrag§ mit ber Klägerin oerheiratet. 

3n bemfelben Qahre follte ber ©bemann feiner ©d)TOe= 
fter, gr. 2B., einen 2Ingelbs>reft für getaufte Siegenfctjaft 
an @. SB. al§ ben ©effionar be§ 93erfäufer§ bejahten. 
biefe ©d)ulb hatten ©. iß. foioie beffen 93ater ®. iß. ftch 
oerbürgt. ®a bem |>auptfd)utbner bie nötigen iDlittel fehlten, 
gab ©. 93., bet ©cbroiegeroater be§ ©. iß., 800 ültarf her, 
roeldje jur SJefriebigung be§ @. 9B. oerroenbet mürben. ®ie 
$r. SB.’fchen ©heleute, meldje in lanbred)ttid)er ©rrungen* 
fchaftägemeinfchaft lebten, ftellten bem ©. iß. unb ebenfo ber 
Slägerin gleid)lautenbe 3>atleben§fcbulbfcbeine, je über ben 
Setrag oon 800 9J?arf, au§. lieber bie 3eit ber Slusftellung 
bet beiöen ©chulbfcheine beftanb ©treit unter ben ißarteien. 
S)et ju gunften beö @. iß. auSgeftetlte, oon bem 93eflagten bem 
^rojefjgericbt oorgelegte©chulöfcheinttug auf ber 9iüd feite eine 

l ) 41, il. Jpobidjt lc e. 549, Sßlanrf, Stomm. *. »b. 6 

Stirn. II 1, Stunt. IV 1 u. 2. 


Digitized by Google 



A. tu Giuifiüdjen. 


35 


Quittung, rooburd) @. 93- betätigte, bafc er 800 Sftarf in 
5 9iaten oon ungleichem 93etrag in ber 3eit oom 1. Oftober 
1903 bis 1. Quli 1906 empfangen habe. 

®a bie Klägerin bie .ßuftimmung jj C § @^emann§ jur 
Künbigung unb ©inflagung be§, ihrer 9luffaffung nach ja 
ihrem eingebrachten ®ut gehörigen , ®arlef)en§ gegen bie 
SB.'fdjen Seeleute nicht erhalten fonnte, erroirfte fte oon bem 
örttirf) juftänbigen 2ImtSgerid)t am 22. ÜDlärj 1906 ein red)t§« 
fräftig geworbenes 33erfäumni#urteil, rooburd) ihr Seemann 
jur ©inroilligung in bie Künbigung unb ©inflagung bet 
800 9Jt. oerurteilt mürbe. 

3)ie gegenwärtige Klage ift am 21. $uli 1906 jugefietlt 
worben. 

35ie SB.’fchen ©helfute würben — bie Gcfyefrau unter 
Haftung für bie £>älfte — in beiben ^nftanjen j ur «Bejah» 
lung ber ^muptfumme oon 800 SJlarf oerurteitt. ^Dagegen 
würbe in 9lbänberung be# Urteil# ber ©ioilfammer ber oon 
ber Klägerin erhobene Slnfpruch auf 3infen abgewiefen, unb 
Klägerin jur SiücEerftattung be# auf ©runb be# Urteil# 
empfangenen 3infenbetragS oerurteilt. 

@ntfd)eibung#grünbe: 

1) S)ie in jweiter ^nftanj ftattgehabte 33ernef)mung be# 
@. 93. unb be# 93- hot ergeben, bajj ber Klägerin bie 
fraglichen 800 Sftarf burd) ©rbfchaft oon einer Xante 
jugefallen waren, baff ©. 33. im 9looember 1902 biefe# 
©elb, welche# au#geliet)en war, flüffig gemalt unb — wie 
jet>t nid)t mehr beftritten ift — feiner Xodjter, ber Klägerin, 
au#gehänbigt hot- Ob nun biefe, wie @. 93. oon ihr oer* 
nommen ju hoben glaubt, felbft ben beflagten ©hauten 
ba# ©elb übergeben hat, ober ob bie Sache fo gegangen ift, 
bafj @. 33- ba# ©elb oon ihr auSgefolgt erhielt unb biefe# 
ju bem Slnmalt be# ©läubiger# @. 3B. brachte, ift unerheb* 
lieh- 3 m leiteten Sali wäre nid)t anjunehmen, bafj @. s $- 
mit folcher Zahlung bie Xilaung feiner 93ürgfchaftSoer» 
b i n b l i d) f e i t beabfichtigt hätte. Xie# wäre nur bann 
in 5 tfl ge gefominen, wenn wegen 3ohl un fl3unfähigfeit be# 

3* 


Digitized by Google 



36 


®ittfcf)eibMtgen be§ 0berlanbe8geri<f)t8. 


fpauptfdjulbner! gr. SB. ein ©intreten ber bürgen (@. unb 
©. iß.) Ijätte ftottfinben rnüffen. Sarum fjanbelte e! ftd) 
aber nidjt, oielinefjr gingen bie beteiligten baoon au!, baff 
SB., roenn it)m in feiner augenblitflidjen berlegenljeit mit 
©elb au§getjolfen mürbe, jaf|Iung!fäl)ig fei, unb burd) bie 
3lu!ftellung ber beiben ©djulbfcfyeine roirb mit aller <Sidjer= 
tjeit bie Slbfidjt ber beteiligten ermiefen, bafj bie besagten 
al! 2) a r l e i) e n § f d) u l b n e r be! bem gr. SB. jum 3roecfe 
ber Tilgung feiner ©djulb an @. SB. üorgefdjoffenen be= 
trage! gelten füllten. 

2Xud) bei .gugrunblegung ber ©adjbarftellung ber be= 
flagten beftet)t nun ein Zweifel barüber nidjt, bafj ba! 
©elb, folattge e! in ber $anb be! ©. iß. mar, eingebrad)* 
te! ©ut ber §rau geroefen ift; aber aud) nadjbem @. iß. 
burd) bie im Sluftrag be! gr. SB. gefdjetjene galflung an 
beffen ©laubiger einen Slnfprud) gegen 3*. SB. ermorben 
tjatte, roeldjer nad) bem erroiefenen ©adjoerljalt al! eine 
35arleben§fd)ulb ber beflagten ©Ijeleute angefeljen merben 
füllte, gelangte gentäfj be! in § 1881 Ülbfatj 2 b@b. ent-- 
Ijaltenen ©urrogation!prinjip! bie burd) bie berroenbung 
be! ber ©fjefrau gehörigen ©elbe! entftanbene Sarleljen!* 
forberung — eine gorberung, „ju beten Uebertragung ber 
2lbtretung!üertrag genügt" — in ba! grauenuermögen l ), e! 
fei benn, bafj @. iß. bie 2lbftd)t gehabt fjätte, bie fragliche 
forberung n i d) t für ba! eingebrad)te ©ut ju erroerben, 
eine 2Ibftd)t, für beren hefteten bie beflagten beroei!pflid)tig 
mären 2 ). Siefer beroei! roirb babutd) allein, bafj ber eine ber 
beiben ©d)ulbfd)eine auf ben Slamen be! @. iß. lautete, nid)t 
geführt, ba hiermit bie Slbficfjt be! ©. iß., bie ®arlel)en!* 
forberung al! Seil be! eingebrad)ten ©ut! gelten ju laffen, 
feine!roeg! unoerträglid) ift. SJiit ber bem ©tjemann burd) 
ba! ©efet) (§ 1374, 1377 Slbf. 2 b©b.) aufgegebenen 

■) Gofad, üt^rbud) 4. Stuf!. 2. 58b. § 293 II. 1. a., bei »tim. 3 
unb a3eifpiel III. 

2 ) Staubt nger, Stomm. jutn a3®58. (3./4. »ufl.) 58em. 4 b ju 
§ 1381. 


Digitized by Google 



A. iit SioUfadjeit. 


37 


ißflidft einer orbnungSmäfjigen SSermattung, bie et - im ©imt 
ber rechten etjetidjen ©efinnung ju betätigen hat 1 ), märe e§ 
unoereinbat geroefen, roenn @. iß. bie gorberung nicht jnm 
eingebradjten ©ut ber Ätägerin tjätte erwerben motten. 

93ei biefer ©adjtage oermögen bie 93eflagten ben ©egen* 
beweis! in ber erwähnten Dichtung nidjt ju führen. 

©omit ift, auch wenn man ber betlagtifdjen ©arftellung 
folgt, erwiefen, baff bie ®artet)en§forberung gegen bie $e* 
flagten einen Seit be§ eingebradjten ®ut§ ber grau bitbete. 

2) ®urd) bie SSorfdjriften ber §§ 1395, 1398, 1400 
2lbf. 2 23 © 58 . war junächft bie Klägerin getjinbert, ohne 
©inwitligung it)re§ ÜJiamtS bas S)artet)en ju fänbigen, ober 
über baSfelbe burd) ©insiefjung ober ©inttagung ju oerfügen. 
91un hatte aber, wie bie Sßeftagten fetbft burd) bie ©ejug* 
nähme auf bie oorgetegte Quittung gettenb machen unb 
wie ber beftagtifdje ©bemann in ber münbtidjen 33er* 
banbtung oor bem ©enat näher erläutert tjat, bereit# im 
gaf)re 1903 @. iß. begonnen, über bie junt grauengut ge* 
bötenbe SDartetjenSforberung in ber SEBeife ju oerfügen, baff 
er in ber 2Birtfd)aft ber 53eftagten fid) oerpftegen unb bie 
fo entftanbenen SSerbiubticf) feiten auf bie ®artet)en§fd)ulb ber 
Seftagten abfcfjreiben lief}. £egt man — worüber bie 3ie* 
ftagten ftd) nidjt befd)weren fönnen — ben gntjatt ber oon 
ihnen oorgetegten Quittung als rid)tig ju ©runbe, fo war 
fdjon am 1. guti 1906 bie ganje 35arletien§fd)utb auf biefe 
SBeife burch @. iß. gut ©rlöfd)ung gebrad)t worben, unb 
eS hatte atfo @. iß. jur 3^it ber ^tagertjebung (21. guli 
1906) bereits über bie ganje, jum eingebracf)ten ©ut ber 
grau gehörige gorberung ofjne guftimmung ber Klägerin 
oerfügt. S)amit aber war 2 ) ber galt beS § 1407 giff. 3 
33 © 33 . gegeben, in welchem bie ©tjefrau jur gerichtlichen 
©ettenbmachung beS 3tnfprud)S oon bem fonft beftehenben 
©tforberniS ber guftimmung be§ ©hemanttS cntbunben ift. 
$a bie Jftagerhebung oon fetbft bie St'ünbigung enthält, war 

’) $ernburg, SBürgerl. SJtedit 8 b. 4 § 41 giff. V a. A. 

J ) 8 gl. © t a u b i n g e r a. a. D. 8 «m. 2 c 311 § 1407. 


Digitized by Google 



38 


©ntfcfteibungen b<» OberIanbf?ßeridits. 


bte Säfligfeit, fofern fte nicf)t fdjon früher erfolgt ift, jeben* 
faüS im Saufe beS SHedjtSftreitS, nämlich am 21. $an. 1907, 
eingetreten. 

@3 bebarf baher eines @ingehen§ auf bie ^rage nid)t, 
ob unb welche Sebeutung bem amtSgerid)tIicf)en Urteil oom 
22. 3J?ärj 1906 pfommt unb ob unb in roeldjer SBeife bie 
§§ 1401, 1402 $8©33. auf ben oorliegenben Soß Slnroen* 
bung finben tonnten. 

3) SBar tjienadj bie Klägerin berechtigt, bie p ihrem 
eingebrachten ©ut gehörige 2>arlebenSforberung auch ohne 
guftimmung if)re§ ©hemannS einpflagen, fo fann nur noch 
in f^rage fommen, ob bie ©cfjulb ber ©eflagten in ber au§ 
ber Quittung bejeichneten SBeife burch einfeitige, ohne 3u* 
ftimmung ber Klägerin erfolgte, Verfügung be§ @. iß. ge* 
tilgt roerben tonnte. ®ie§ ift aber pteifelloS p oerneinen, 
ba @. iß. pr ©injietjung ber Sorberung ober fonftigen 33er* 
fügung über fte ohne bie im oorliegenben S fl ß fehlenbe $u* 
ftimmung ber Srau nach § 1375 $8©$. ') nicht berechtigt 
mar. @§ tann baher ber Klägerin gegenüber bie Tilgung 
ber Sorberung mit ©rfolg nicht geltenb gemacht roerben. 
$>ie oon bem 93eflagten angeführte ©ntfcheibung in ©euff. 
3lrd). 62 iJlr. 136 bezieht fid) auf ben oorliegenben S“ß nicht. 
@§ roirb bort oietmehr nur bie auS § 1373 33©33. folgenbe 
SefugniS pr Snbefitjnahme ber pm Srnuenoermögen ge* 
hörigen Sadjen bejaht unb biefec Befugnis auSbrücflich 
ba§ anberS p behanbelnbe 9ied)t be§ ©hemannS pr ©in« 
jiehung oon S°rber ungen entgegengeftellt. 

®ie nidjt unbeftrittene Srage 2 ), ob bie ÜJichtfenntniS 
be§ ph^nben SdjulbnerS oon ber .ßugehöngfeit ber Sot* 
berung pm eingebrad)ten ©ut ber ©hefrau im S Q ß be§ 
§ 1381 99@i8. mit bem ©rfolg geltenb gemacht roerben tann, 

*) 23fll. Ijieju 3)1 an cf, Jtotnrn. 8 . 9tnf[. SPb. I SSorbew. IX 4 jura 
3. 2lbfcl)iiilt bc« 1. !öncb« S. 185, 23b. IV 2ltim. 4 Stbf. 1 unb ‘2 ju 
§ 1375 unb 2lnm. 4 ju § 1376; $emburg § 43 3>ff- VI. 

*) Slergl St au bin fl er a. a. D. ibeni. 2 b 51 t § 1381, unb .bie 
bort 3 itierten. 


Digitized by Google 



A. in Sioilfadjen. 39 

bajj unter bet bejeidjneten 23orau§fet}ung bie an ben (See- 
mann oljne 3uftimmung ber ^au erfolgte 3af)lung befteienb 
roirft, bebarf im oorliegenben §aU feiner ©rörterung, ba bie 
SSeflagten non ber ^erfunft be§ ©elbe§ Kenntnis unb, roie 
bie SluSfteHung beS einen ber beiben ©djulbfdjeine ju gunften 
ber Klägerin beroeift, aud) baS Üeroufjtfein baoon Ratten, 
baff eS ber Klägerin juftanb, bei bet Verfügung über baS 
ton ifjr t)ergegebene ©elb ein SEBort mitjufprecben. 

4) SKit 9ted)t befdnoercn ftcf) bie 33eflagten barüber, 
baf? fte jur 3“l)lung non ginfen an bie Klägerin oerurteilt 
toorben finb. 9iad) § 1383 ö@®. ftefjt ba§ 9ted)t an ben 
Sftutjungen bem ©fyemann allein, unter StuSfdjlufj ber @^e* 
frau, ju 1 ). @. $ß. roar bafjer befugt, aud) oljne 
mung ber Klägerin bie 3tnf en einjujietjen, ober bief eiben 
nadjjulaffen. $ie £atfad)e nun, bafj @. ’JJ. ben Seftagten 
ben abquittierten ©d)ulbfd)ein übergeben tjat, entf)ält einen 
fdjlüffigen ©etteiS bafür, baff er bie 3infen, foroeit er 
fte nidjt empfangen tjaben follte, ben ©eflagten nadjgelaffen 
j)at. ®§ ift bemgemäfj bie Klägerin jur 9iücfbesat)lung beS» 
jenigen ©etragS, ben fte als ©rfatj ber 3infen erhalten t>at, 
im unbeftrittenen betrag oon 135 2Jtf. 40 ^ßfg. ju oerur* 
teilen. 

Urteil beS I. (£©. oom 18. Oftober 1907 i. ©. 2Bib= 

maier g. präget. 


18. 

jFällt eine felage auf Ueridjtigmtg bes ©rnnbbmtis 
(§ 894 0©0.) mtbebingt unter bie in § 24 ©$K®. ge= 
nannten Klagen? 

hierüber fagen bie ben ©acfjoerfialt ergebenben 
© r ü tt b e 

eines ©erufungSurteilS: 

©egenftanb ber Klage ift bie ©efeitigung bes ju gunften 

*) l a n cf , Sorbern. 5, © t a u b i n g e r, SSorbein. 2 je oor § 1313. 


Digitized by Google 



40 


©ntfdjeibuugen bcä D&trlanbe8gerid)t$. 


bei iöeft. im ©runbbud) oon $. eingetragenen Pfänbungi* 
pfanbrechti an ber auf bem ©runbftücf ber S.fchen (Seeleute 
hppothefarifcf) fid)ergeftellten ©atergutiforberung bei 9i. ©. 
@i tjanbett ftch fiienad) im uorliegettben nicht um eine 
binglicfje Belüftung bei S.fd)en ©runbftücfi felbft, fonbern 
bet auf bem ©runbftütf eingetragenen ^ppott)et'. Ser Streit 
ber Parteien betrifft mithin lebiglid) bie ^reitjeit ber |)p* 
p o t f} e f uon einer binglidjen ©elaftutig. Siefe Klage mürbe 
nur bann not ben ©eridjtiftanb bet belegenen Sache gehören, 
roenn bie ^ppottjef eine unbewegliche Sache märe. Sie§ ift 
aber nicht ber galt, roie ficf> aui bem ©ruttbgebanfen bei 
§ 1154 ©©58. ergibt unb roie bai 3teid)igericht roieberfyolt ’) 
auigefprodjen hat- 

Sie 21uifüt)tung bei ©orberrid)teri, bafj alle Klagen, 
roeldje ben ©erichtigungianfprud) bei t; 894 ©©©. geltenb 
machen, unter § 24 ©PC. fallen, ift in biefer 3lllgemeinf)eit 
nicht richtig, benn ei gibt '-Berichtigungen bei ©runbbuchi, 
welche nicht bai ©igentum an bem ©runbftüd ober eine 
bingliche ©elaftung besfelben betreffen, ßienacb fann bie 
3uftänbigfeit bei Sanbgeridjti nicht auf § 24 ©p£). ge= 
ftüht roerben. 

Urt. bei II. (£S. oom 31. 3an. 1907 i. S. tyürften= 
berg g. Sehn. 

’) ©gl. titsbefotibere 3t®. 51 6. 234. 


Digitized by Google 



4L 


B. in Straff a cf) en. 

1 . 

Jtarn Uesriff bes ßrafbaren &anknbinnte. 

SluS ben ©rünben: 

2)ie Slngeflagte unb ber 51 Qafyve alte Slbam $. in SB. 
hatten bie Stbfidjt, fid) ju heiraten, jroifdjen beiben beftanb 
aber baS @£jel)inbernig beS @t)ebrud)§, nachbent bie @t»e beS 
,|p. mit ber SJt. geb. $. roegett ©hebrucfjS beS $. mit ber 
Slngeflagten gefd)ieben roorben ift. 2)ie ©djritte, roeldje $. 
unb bie Slngeflagte getan haben, um Befreiung non bem 
jroifchen ihnen beftehenben @Ljef)irtberni§ ju erlangen, finb 
bis je^t ergebnislos geroefen. 3h te gefcf)lec^tlid)en Skjiehungen 
haben aber fortgebauert unb |>. betennt fict> als ©rjeuget 
eines oor 3'/* fahren non ber älngetlagten geborenen $?inbeS 
unb einer am 30. $uni 1906 oon ihr abgegangeuen grüh= 
gebürt. Slucf) nad) bem 30. 3uni 1906 hat noch mieberholt 
jroifchen ihnen ©efchlechtSnerfehr ftattgefunben. 

Seit etraa l’/s fahren ift bie Slngeflagte ©igentümerin 
eines Kaufes in ber S.ftrafje in SB. unb bemohnt beffen 
oberes ©todroerf. 3« berfetben Strafe, nur etroa 30 m 
oon ber Slngeflagten entfernt, bemohnt $. ein Zimmer im 
£auS beS SHaurerS SB. 3n neuerer 3eit befud)t .£>. bie Sin- 
geflagte meniger häufig als früher unb nur nod) bei Sage; 
früher hat er fie öfter befudjt unb ift manchmal bis StachtS 
12 Uhr bei ihr geblieben. 3)afj $. jemals in ber SBohnung 
ber Slngeflagten bie SJacht jugebtad)t unb baf? er einen 
©chlüffel ju beren SBohnung gehabt habe, ift nid)t erroiefen. 
3m SWätj 1906 ift bie Slngeflagte morgens um 8 Uhr im 


Digitized by Google 



42 ©ntfdidbunflen be8 0&erlanbe§geri<f)t§. 

Vett beS $. betroffen roorben; eS ift ißt aber ntcfjt roibet* 
legt, baß fie ftch erft in baS Vett gefegt habe, nadjbem £. 
eS oerlaffen ; ber Sltigeflagten ift roeiter nicht ju roiber* 
legen, baß roenigftens in ben 3 ber polizeilichen ©trafoer* 
fügung oom 27. $uli 1906 ootauSgegangenen SJtonaten 
niemals ein ©efchlechtSoerfehr in ber SBoßnung ber Singe* 
{tagten, fonbern ftetS auf ©pajiergängen ftattgefunben habe. 
2)ie Slngeflagte bat bem |j. feine ffiäfcfje, Kleiber, foroie ge» 
fcbäftlicbe (Schreibarbeit beforgt, roährenb anbererfeitS 
ber SlngeElagten burcf) Veforgung ihres ©artenS u. a. ®e= 
genbienfte geleiftet hat. SBäßrenb einer föranfheit beS 
im Qabr 1905 hat f' e ihm Kaffee unb ©ffen gebracht, ab 
unb ju b«t fte ibm auch in ihrer SBoßnung Kaffee ober eine 
Sülabljeit oerabreid)t. 

Sie ©traffammer ift ber Slnfidjt, bie feftgeftetlten Sat* 
fadjen genügen nicht jur Einnahme eines ÄonEubinatS. ^ieju 
roerbe ein ber ©be ähnlidjeS Verhältnis erforbert, ein folcßeS 
liege aber mit Siücfficßt barauf nid)t oor, baß jurn minbeften 
roäbrenb bet lebten 3 ÜJtonate oor ber polizeilichen ©traf* 
oerfügung nicht nachgeroiefen fei, baß auch nur eine Stacht 
bei ber Slngeflagten jugebrad)t, baß er regelmäßig bei bet 
Slngeflagten gegeffett unb baß er fie aud) nur täglich befucht 
habe, foroie baß er in ihrer Söohnung mit ihr ©efcßlechtS* 
Umgang gehabt habe. Sie Steoifion ber ©taatSanroaltfd)aft 
macht geltenb, bie ©traffammer oerneinc angeficßtS ber feft* 
geftellten Satfacßen mit Unrecht, baß ein bem @h tf ßanb ahn* 
licheS Verhältnis oorliege. Unerheblid) fei eS, roo ber ©e* 
fd)led)tSumgang ber Slngeflagten mit |j. ftattgefunben habe; 
unerheblich fei eS aud), baß beibe eine befonbere SÖotjnung 
inne gehabt haben, ba baS ©efetj nicht ein 3 u fammen* 
roohnett, fonbern ein ,3ufammen leb e n erforbert. 

Ser 2lrt. 14 beS roürtt. 'ßolijeiftrafgefeheS oom 27. Se* 
jember 1871 enthält folgenbe ©trafbroßung gegen ba§ 
ft'onfubinat: 

„^ßerfonen, roelcße in fortgefeßter, außerehelicher ©e* 
fchled)tSgemeinfd)aft jufammenleben, roerben im ffatle ber 


Digitized by Google 



B. in 6trnffacf)en. 


43 


©rregung öffentlichen 9lercjerniffe§ mit |)aft beftraft". 
|jier mirb alfo nid)t, roie in Reffen unb Vraunfchroeig 
ba§ 3 u fa nimenleben in ©iner ©ohnung ober roie in Vaqem 
ein häusliches 3 u f Q m men I e fon erforbert (ogl. bie 9tacf)* 
roeifungen bei .fjarburger in o. SiSjtS 3eitfcf>rift für bie ge* 
famte <3trafred)tSroiffenfd)aft Vanb 4, 499 ff.), fonbern eS 
roirb neben bem ©rforberniS öffentlichen 21ergerniffe§ lebiglid) 
auf ba§ 3ufammenleben in fortgesetzter außerehelicher ©e* 
fd)led)tSgemeinfd)aft abgeftellt. .£jierau§ folgt, bof? ein ft'on* 
fubinat aud) ohne eine gemeinfame SBotjnung oorliegen fann, 
ja baß ein fold)e§ aud) bann möglid) ift, roenn — roie j. 58. 
bei fat)renbem SSoIf feine ber jufammenlebenben ißerfonen 
eine ©oßnung befißt. ©benfo ift eS unerheblich, ob bet 
@efd)led)t§oerfef)r ber jufammenlebenben ißerfonen in einer 
gemeinfd)aftlid)en ©oßnung ober fonft roo erfolgt. Qmmer* 
hin erforbert ber 2lrt. 14 ein „3ufammenleben" unb ein 
folcheS ift nicht benfbar otjne ein regelmäßiges räumliches 
Veifammenfein ber betreffenben 5J3etfonen. ©enn aud) bie 
Vielfeitigfeit beS SebenS eS mit fid) bringt, baß bie be* 
treffenben ißerfonen jeitroeife getrennt ihrem Veruf, ©efdjäft, 
Vergnügen nad)gehen, fo barf hoch biefer 3 ll f* an b be§ ©e* 
trenntfeinS nur bie üluSnaßme fein; baS Veifammenfein aber 
muß bie iltegel bilben, fo baß bie betreffenben 5ßerfonen bei* 
fantmen finb, roenn fie feine befonbeve Abhaltung h l »ben. 
©in fotcßeS 3 ll f amme »» ! f e t ,en »ft namentlid) in ber ©he ju 
ftnben, roo fid) bie ©begatten, roenn fie fid) jeitroeife ge* 
trennt haben, hoch ftetS roieber jufammenfinben; aud) bie 
fortgefehte ®efd)Ied)tSgemeinfd)aft, bie ber 2lrt. 14 oorauS* 
fet}t, finbet fid) entfpredjenb in ber ©he. ©3 ift beShalb 
ganj jutreffenb, roenn baS angefodjtene Urteil bas ftontubinat 
als ein ber ©he ähnlidjeS Verhältnis anfiefjt. 2)ieS um fo 
mehr, als ber 2lrt. 46 beS roürtt. ifSolijeiftrafgefetjeS ooin 
2. Oftober 1839, auS welchem ber jetzt geltenbe Slrt. 14 
hetoorgegangen ift, auf boS eheliche Verhältnis auSbrüctlid) 
mit ben ©orten Vejug nimmt: 

„Unoerl)eiratete tßerfonen, roelche miteinanber in Ver* 


Digitized by Google 



44 


@ntfdf)«ibungen iti O&erlanbeSgeriditS- 


binbung wie (Seeleute leben, mögen fie babei bie 2tbfid)t 
l)aben, fünftig eine ©he einjugehen ober nicht, ftnb mit 
Slrreft . . . ju belegen". 

Ob nun ba§ 93eifammenfein non 2 ifßerfonen ein regel» 
mäfjigeä, ber ©he ätjnlidjeS ift, ift Satfrage. ®ie Straf* 
lammet bat auf ©tutib ber non ihr getroffenen tatfächlidjen, 
in ber 9ieoifion§inftanj nicht angreifbaren ^eftftetlungen ein 
folche§ .ßufammenleben ber 3lngel(agten mit $. nerneint. 
3rgenb ein 9ied)t§irrtum ift in ben 2lu§fül)tungen ber Straf* 
lammet nicht erficf)tlich. ®ie Sieoifion ber StaatSamoalt* 
fchaft mar baher ju nermerfen, ohne bafj e§ nod) einer ©nt* 
fdjeibuttg ber non ber SSerteibigung angeregten Stage be* 
burfte, ob ber 2lrt. 14 mit ber 9teid)3gefetsgebung ner* 
träglid) ift. 

Urteil be§ Straffenat§ oom 29. ®ej. 1906 in ber Sie* 

nifionSfacbe gegen SR. Sd). non ®. roegen ÄonlubinatS. 

2 , 

Wtv kann als ®äter brt einer Jnroibrrljaublnng gegen 
|trt. 25—27 ins Wmfflhfienrrgerdfro in betracht 
kommen? 

Diefe Srage gelangte in einem s Jteoifion§fatt, in welchem 
ein öffentlicher 9totar ber Beihilfe ju einem Vergehen bet 
Umfahfteuergefährbung im Sinn be§ 21rt. 25, 26 giff. 2 
unb 3 be§ ©efetje§ oom 28. 2>es. 1899 betr. bie Sefteuerung 
be§ Umfage§ non ©runbftücfen, unb be§ § 49 St.Strafgefegb. 
angellagt roar, jur ©ntfcheibung be§ StraffenatS. $)er Sin* 
geltagte hatte als Siotar ben ßaufoertrag einer SSrauetei* 
gefellfchaft mit einem Srauereibefiger %. über ben ©rioerb 
be§ 58rau= unb 3Jläljereianroefen§ bc§ legteren beurluitbet 
unb bie nach Slrt. 14 $iff. 2 norgefdjriebene Slnjeige an§ 
Äameralamt erftattet ; in biefer Slnjeige roar ber für bie 
33ered)itung ber Umfagfteuer mafjgebenbe Kaufpreis um runb 
35000 ÜR1. ju nieber angegeben unb fo biefe Steuer ju* 


Digitized by Google 



B. ;« ©traffadjett. 


45 


näcf)ft um 425 9Jtf. ju gering oom Äameralamt angefegt 
rootben, roeil eine anjagl einen Steil be§ ftaufpteifeS bitbenber 
Slftien sum biogen 9tetmroert unb nicgt ju bem bamaligen 
fiurSroert oon 188% angegeben rootben roaren, fo bag 
nur ein Kaufpreis oon 85000 3Jlf. ftatt richtig 120000 gjlf. 
für bie Umfagfteuerberecgnung fiel) ergeben gatte, $n bem 
eingeleiteten ©trafoerfagren mürbe ber ®ireftor ber ®efell= 
fcgaft auger Verfolgung gefegt, roegen 5Diangel§ eine§ §u= 
reicgenben Verbacgt§, bag er al§ Vertreter ber Vtauerei- 
gefellfcgaft e§ unternommen gäbe, bejüglicg be§ angefügrten 
Jt’aufoettrag§ bie Umfagfteuer ju ginterjiegen ober bag er 
bei 2ln:oenbung ber pflicgtmägigen ülufmerffamfeit unb ©org= 
falt bie ©teuergefägrbung gcitte oermeiben fönnen; ber bet 
Veigilfe ju bem oon einem f 2lufgcgt§rat§mitglieb ber ©efell= 
fcgaft angeblicg begangenen ©teuergefägrbungSbelifte ange= 
Hagte öffentliche ütotar mürbe oon ber ©traftammer frei= 
gefprocgen, roobei aber feftgeftellt mürbe, bag butcg ben Qjro 
galt ber oom 2lngeflagten an ba§ üammeratamt gerichteten 
Slnjeige bie bem roirflicgen Kaufpreis entfprecgenbe Um- 
fag|teuer objeftio gefägrbet rourbe. 2)ie gegen biefe 
fprecgung oon ber ©taat§anmaltfcgaft eingelegte Veoigon 
rourbe oerroorfen. 

2lu§ ben ©tünben : 

Vei ber Unterfliegung ber grage, mer ginficgtlicg ber 
©teuergefägrbung al3 £äter in Vetracgt fommen tonne, ge= 
langte bie ©traftammer ju bem ®rgebni§, bag nur bet 
Steuerpflichtige ber Später einer ©teuergefägrbung fein fönne. 
^iegegen roenbet fteg bie Sieoigon ber Steuerbegörbe, inbem 
fie geltenb maegt, bie SJtöglicgfeit mittelbarer Stäterfcgaft fei 
nur ba ju oerneinen, mo „unmittelbare" (foll roogl „mittel-- 
bare" geigen) SEäterfcgaft au§ recgtlicgen ©rünben au3ge= 
fcgloffen fei. ®ie SRicgtigfeit biefe§ ©age§ recgtfertigt jeboeg 
feineüroeg§ ben ©eglug, bag bie Slnnagme ber ©traftammer 
auf 9tecgt§irrtum beruge. 3Iu§ bem SSBortlaut be§ 9lrt. 25 
be§ Umfagffeuergefegeä : „V3er e§ unternimmt, bie @tunb= 
ftücfSumfagfteuer ju ginterjiegen , mirb megen ©teuere 


Digitized by Google 



46 


©ntfcfieibungeit beS OberIaitbeSgcricf)t«. 


gefähtbung . . . beftraft", ift allerbingS nicht ju entnehmen, 
ob ba§ @efe£ nur ben «Steuerpflichtigen ober auch einen 
dritten als ben möglichen Säter anfreht. Slber au§ bem 
©imt biefer ©efetjeSbeftimmung ift $u erfetjen, baff nur bet* 
jenige, meiner jur Entrichtung ber ilmfabfteuer oerpftichtet 
ift, fid) biefer $Berpflid)tung entsiehen unb bamit bie ©teuer 
tjinterjieben fann. ©o roar auch in bem 2lccifegefet) oom 
18. ^uli 1824, an baS ftef) ba§ Umfabfteuergefet) „unter 
tunlichfter Sßermeibung oon grunbfäblichen ülenberungen“ (roie 
eS in ber ’itegrünbung beS ©efetsentrourfS heifft), angefd)loffen 
hat, nur ber 5lccifepflid)tige als Sätet hinftdjtlich einer 
Uebevtretung beS SlccifegefetjeS genannt, unb eS fann nicht 
angenommen raerben, bafj in biefer füinficht burd) baS Um* 
fatjfteuergefetj eine Slenberung getroffen roerben toollte, ohne 
baff ber Unterfdjieb sroifdjen ben früheren unb ben jetzigen 
©trafbeftimmungen in irgenb einer 'JBeife jur ©pradje ge* 
fommen märe, jumal bie burd) baS Umfahfteuergefet) herbei* 
geführten Stenberungen in bem Sfommiffionsberid)t ber Kammer 
ber ©tanbeSherrn im einseinen heroorgehoben roorben ftnb. 
Safj auS ber oom ©eiet) gemähten Raffung: „2Ser eS 
unternimmt" (ebiglid) nidjtS abgeleitet roerben fann, ergibt 
bie Raffung beS 2lrt. 26 beS ©efetjeS; benn hier ift eben* 
falls gefagt: „Ser ©teuergefäbrbung macht fid) inSbefonbere 
fdjulbig, roer roiffentlid) . . obroot)l bie in biefem sttrtifel 
bejeidjneten ^»anblungen unb Unterlaff ungen nur oon bem 
Steuerpflichtigen begangen roerben formen. Safiir, bafj ba§ 
Umfahfteuergefeh nur ben Steuerpflichtigen als ben möglichen 
Säter einer ©teuergefährbung anfieht, fpridjt aud) Slrt. 29 
beS ©ef v roo beftimmt ift: „Sie '.ßerfeblung (9frt. 25 - 27) 
roirb ftraffrei gelaffen, roenn oon bem©teuerpflid)tigen 
ober feinem oerantroortlid)enißertreteroberS8eojllmächtigten... 
bei einer . . . ©teuerbebörbe baS Sßerfäumte nadjgeholt ober 
ber roirflidje ©achoerhalt richtig geftellt unb hierburd) bie 
9tad)forberung ber ganjen nid)t oerjährten Umfatjfteuer er* 
möglid)t roirb". ©s roäre nicht oerftänblid) unb roürbe mit 
bem in ber SBürtt. ©teuergefetjgebung allgemein sur ©eltuug 


Digitized by Google 



B. in ©traffadjen. 


47 


gelangten ©runbfatj bet Straffreiheit ber Selbftanjeige im 
SBibetfprud) ftetjen, roenn auch anbere ^erfonen al§ Sätet 
ber betreffenben Verfehlungen in Vetracfjt fommen fönnten, 
aber nur ber Steuerpflichtige — Sätet in ber Sage märe, 
fich bie im Slrt. 29 feftgefetjte Ved)t8n)ohltat ju fichern. 
2lu§ biefen ©rünben mufj bie Sinnahme ber Straffammer, 
bafj nur ber Steuerpflichtige ber Säter ber in ben Slrt. 25—27 
be§ @ef. genannten Verfehlungen fein föune, für jutreffenb 
unb frei oon 9iecht3irrtum erachtet inerben. 

gür ben Sali, baf} ber Steuerpflichtige nicht in einer 
natürlichen, fonbern in einer juriftifdjen s Perfon befteht, hat 
ba3 ©efet} feine befonbere Veftimmung getroffen, oietmehr 
al§ felbftnerftänblich oorauSgefetjt, bajj bie gefc^ticfjen Ver* 
tretet ber Strafbrohung unterliegen, .jpienach fann ber Sin* 
geflagte, melier auch nicht al§ gefe^licher ober fonftiger 
Vertreter ber fteuerpflid)tigen Vrauereigefeüfchaft gehanbelt, 
nielmehr bie Slnjeige an ba§ VeiirfSfteueramt lebiglid) jut 
Erfüllung ber ihm nach Slrt. 14 3iff- 2 be3 ®ef. al§ öffent* 
lichem Slotar obliegenben Verpflichtung erftattet hat, al3 Sätet 
einer ber in ben Slrt. 25 — 27 genannten Verfehlungen nidjt 
in Vetradjt fommen. @8 fteht baher nur noch in $rage, 
ob er ftch ber Veihilfe ober einer fonftigen ftrafbaren Ve* 
teiligung an einer foldjen Verfehlung fd)ulbig gentadjt hat. 
Sie Straffammer hat biefe grage oerneint. Set Vrauerei* 
bireftor 9H., roeldjet ber gefehlidje Vertreter ber Vrauerei* 
gefellfchaft mar unb al§ foldjer bei Slbfchlujj be§ Äaufoer* 
trag§ mitgeroirft hat, ift nad) ber Slnficht ber Straffammer, 
bie einen iHed)t3irrtum nicht erfentten läfjt, einer Steuer* 
gefährbung nicht oerbächtig, unb Ä. 3Jt. mar al8 Vorf©enber 
be8 SIufftcht8rat8 ber Vrauereigefellfchaft roeber gefe^ücher 
noch fonftiger Vertretet ber fteuerpflichtigeu ©efellfchaft, 
tonnte alfo nach bem Slu8gefühtten fdjon au§ biefem ©runbe 
fid) ber in Slrt. 25—27 be8 ©ef. genannten Verfehlungen 
nicht fchulbig machen. SBar aber fomit bie Straffammer 
nicht in ber Sage, baS Vorliegen einer ftrafbaren £>anbtung 
im Sinne ber Slrt. 25 — 27 feftjuftellen, fo fonnte auch nicht 


Digitized by Google 



48 


6ntfcf>eibungcii bc§ D6erlanbeggevid)t«. 


eine Teilnahme an einet folgen |janblung ober eine Ve= 
günftigung in grage Foinmen. ®urd) biefe Vegrünbung roitb 
bie greifprecfjung be§ 2lngeflagten in einroanbSfreier SBeife 
getragen, unb e§ bebarf beS^alb nicht eines @inget)enS auf 
bie weiteren in bcm angefochtenen Urteil enthaltenen 2luS= 
fül)rungen, welche atlerbingS, roie ber Sieoifton ppgeben ift, 
p erheblichen Vebenfen Veranlaffung geben. 

Urteil beS ©traffenatS nom 30. Sept. 1907 in ber 
(Straff, gegen |j. ©d)., Votar in ©t. roegen Beihilfe 
p einem Vergehen ber Umfahfteuergefabrbung. 


3. 

Bie Jnläfftgheit ber (Einleitung bes *Strafuolhngs aus 
rechtskräftigen Urteilen, infolange bns Jte ?n einer 
CSefamtjirafe nndj § 79 ®jtG5$. nereinigenbe ftndjnrteil 
noch nirijt rechtskräftig geworben ift. 

3)er Slngeflagte ift burd) Urteil ber I. ©traffammer beS 
SanbgerichtS ©t. oom 9. 3Jlärj 1906 roegen eines Vergehens* 
beS VetrugS p ber ©efciugniSftrafe non einem Vlonat fünf* 
jeh n Sagen unb burd) Urteil be§felben ®ericf)tS oom 19. OF= 
tober 1906 roegen einer am 16. ^}uni 1906, alfo nach ber 
oorerroähnten Verurteilung begangenen Unterfchlagung p 
einem SJlonat ©efängniS oerurteilt roorben. 3)iefe beiben 
Urteile finb red)t§träftig geworben, bie ertannten ©trafen 
jebod) nod) nicht oerbüfjt 9tun rourbe ber Slngeflagte am 
23. Quli 1907 oon ber I. fyerienftraffammer beSfelben Sanb* 
gerichtS roegen eines im SOtonat Vooember 1905, alfo oor 
ben genannten Urteilen oerübten, in ©iner |janblung mit 
einer Unterfchlagung jufatnmentreffenben Vergehens ber Un= 
treue p ber ©injelftrafe oon acht SJfonat ©efängniS oerur* 
teilt unb tjiebei unter SBegfaU ber in ben Urteilen oom 
9. 2Jlärj unb 19. Cftober auSgefprochenen ©trafen in 3ln* 
roenbung ber §§ 79, 74 ©t@V. auf eine ©efamtgefängniS* 
ftrafe oon neun SDtonaten gegen ihn erfannt. SiefeS letztere 


Digitized by Google 



B. in @traffacf>cn. 


49 


Urteil ift oom 2 lngeflagten mit bem ^Rechtsmittel ber 9teoi= 
fton roegen 33erle^ung beS materiellen 9fed)tS angefochten 
unb l>at bie 9ied)tSfraft noch nicht erlangt. Sagegen mürbe 
ber Slngeflagte ©ttbe Quli non ber ©taatSanroaltfchaft jum 
Antritt ber in ben rechtSfräftigen Urteilen oom 9. SRärj unb 
19. Oftober 1906 auSgefprodjenen ©trafen oon 1 SRonat 
15 Sagen unb 1 9Ronat unter 2lnbrof)ung oon .ßroangS* 
maßregeln auf 12 . Sluguft oorgetaben; tjiegegen hat ber 93er= 
teibiger beS Slngeflagten S 8 efd)merbe bei ber fterienftraffann 
mer mit ber Söegrünbung erhoben, bafj jene Urteile burch 
bie ©rfennuttg einer ©efamtftrafe Seftanbteile beS nunmehr 
feinem ganjen Umfang nach mit ber iReuifton angefochtenen 
Urteile geroorben feien unb le^tereS mit feinem Seil ber 
©ntfdjeibung bie SRcd)tSfraft befchritten fyabz, fonach eine 
Sabung jum ©trafantritt megen ber früheren Urteile oor 
©intritt ber 9ted)tSfraft beS neuen Urteils nicf)t erfolgen 
bürfe. Siefe SBefdjroerbe, richtig ©inroenbung gegen bie 3 »' 
läffxgfeit ber ©trafoollftredfung im ©inn beS § 490 ©t s J$D. 
mürbe oon ber Jerienftraffammer bur<h 33efchlufj oom 23. 
Sluguft 1907 unb eine roieberholte SBefdpoerbe gegen eine 
erneute SBorlabung jum ©trafantritt burch 33 efd)luj 3 oom 
30. Sluguft als unbegrünbet üerroorfen. 

©egen biefe beiben Söefc^lüffe hat ber Sßerteibiger beS 
Slngeflagten burch ©djriftfatj oom 2. ©eptember 1907 bie 
fofortige 33efd)merbe eingelegt. Siefe ift an ftch auf ©runb 
beS § 494 2lbf. 4 ©tißO. juläffig, ba eS fid) um eine über 
bie ©tatthaftigfeit ber ©tvafooUftredung notroenbig gercor= 
bene gerichtliche ©ntfcheibuitg hanbelt; foroeit jeboch ber am 
24. Sluguft jugefteüte $ 8 efd)iuf 3 oom 23. Sluguft in 33etrad)t 
fommt, ift bie an bie grift beS § 353 StfßD. gefnüpfte 93e* 
fchroerbe als oerfpätet eingelegt ju erachten unb beSljalb als 
unjuläfftg ju oermerfen. Soroeit bie 93efd)roerbe gegen ben 
gleich lautenbeit SBefchlufj oom 30. 2tuguft erhoben mürbe, 
erfcheint fte nicht als begrünbet. 

9tad) § 481 ©tißO. ftnb Strafurteile nicht oollftrecfbar 
beoor fte rechtSfräftig geroorben ftnb, unb eS ift meiterhin 
3a&rbü<ber ber SBÜrttemb Siecbiapflegc. XX. i. 4 


Digitized by Google 



50 


(Sntfdjeibungen be8 D6erlanbe8geridjt8. 


in Sheorie unb ißrajiS überwiegenb anerfannt, bafj Urteile 
auch nic^t teilweife »ollftrecfbar finb, oielmehr baS Urteil in 
allen feinen Seilen recf)tSfräftig fein mufj, ehe mit bet Roll* 
ftrecfung begonnen roetben barf, wobei eine 2luSnahme nur 
jugelaffen wirb, wenn infolge ber 33erfrf)iebenartig!eit ber 
Selifte nach §§ 75, 77 ober 78 ©t©93. wegen jebeS einjel* 
nen auf eine befonbere unb befonbetS fenntlih gemalte 
©träfe erfannt worben ift. .QnSbefonbere ift unftreitig ein 
eine ©efamtftrafe auSfprehenbeS Urteil, auch wenn eS nur 
teilweife angefodjten ift, eben als folcfjeS nicht rehtSfräftig 
unb fann baber auch nicht teilweife oollftrecft werben, »iel* 
mehr ift nur bie burch baS Urteil auSgefprod)ene ©efamt* 
ftrafe ju »olljiehen, wobei bie ©injelftrafen im gall ber 
Rollftrecfung ihre Rebeutung oertieren, »gl. bie ©trafprojefj* 
fommentare ju § 481 »on Söwe Rr. 6, ©tenglein Rr. 5, 
Steller ©. 509 Rr. 8, ^oljenborff .£)R. II ©. 477, 245, 
StrieS, Sie Rechtsmittel ©. 76; @ntfh- R®. in ©traff. 
33b. 25 ©. 209, Sntfch- 93apr. Ob.ß®. III ©. 53, 92; II 
©. 186. — ©egen biefe ©runbfäbe ift jeboch in bem ange* 
fochtenen ©traffammerbefhlufj nicht »erftofjen. Senn nicht 
baS bie ©efamtftrafe auSfprechenbe Urteil »om 23. $uli 1907, 
welches, meil als folcfjeS angefohten, noh mit feinem feiner 
Seile bie RechtSfraft befhritten hat, fotl oollftrecft werben, 
»ielmehr ift lebiglicf) jum Eintritt ber in ben rehtSfräf« 
t i g e n Urteilen »om 9. Rtärj unb 19. Dftober 1906 er« 
fannten ©trafen Sabung erfolgt. MerbingS finb bie ©trafen 
biefer beiben Urteile in bem nahgefolgten unb noh nicht in 
RechtSfraft übergegangenen Urteil »om 23. ^uli 1907 mit 
ber in biefem für baS Rergeljen ber Untreue angefet)ten 
©injelftrafe »on 8 ÜRonat auf eine ©efamtgefängniSftrafe 
»on 9 Rtonaten gemäfj § 79 ©t©33. jurücfgefüljrt worben. 
Allein »or ©intritt ber RechtSfraft biefeS Urteils wie aud) 
fpejiell in bem fjall, bafj baSfelbe in ber höheren ^infians 
etwa aufgehoben würbe, bleibt bie RechtSfraft jener früheren 
Urteile unb bamit bie gefetjlihe RorauSfehung ihrer jeher» 
zeitigen SBollftrecf barfeit im »ollen Umfang unb mit berfelben 


Digitized by Google 



B. in ©tvaffadjen. 


51 


2ßirfung rote oor bem ©rlajj beS nod) nicht rechtSfräftigen 
UrteiB t>om 23. J^futi 1907 aufrecht erhalten; jene Urteile 
unb bie in itjnen auSgefprodjenen ©trafen behalten ihren 
rechtlichen Veftanb, biefe ©trafen fmb, roeil rechtsfräftig er« 
fannt, infolange oollftrecfbar, als nicht ber int fpäteren Ur« 
teil auSgefprocfjene SBegfaH berfelben unb bie gleichseitig er« 
folgte Vilbung ber ©efamtftrafe rechtsfräftig geworben ift. 
@§ beruht auf einer Verfennung ber ©runbfätje über bie 
eingetretene 9ted)tSfiaft eines ©trafurteilS foroie audj ber 
Veftimmungen beS § 79 ©t©V., roelche im angefochtenen 
Urteil jur Anwenbung gelangt finb, roenn ber Vefcbroerbe« 
führet baoon auSgeht, bafj bie früheren ©trafen fdjon jet)t 
gefieberte Veftanbteile beS mit ber Veoifion angefochtenen 
Urteils geworben unb bie früheren Urteile nicht mehr ejiftent 
feien. 

2)er § 79 ©t©V. h<d bie Anwenbung ber milberen 
Vorfcf)riften beS § 74 auch auf fpäter jur Aburteilung ge« 
langenbe Verbrechen unb Vergehen in ihrem Verhältnis ju 
fchon abgeurteilten Gelitten auSgebetjnt, jebod) nur für ben 
gall, baf}, b e o o r eine früher erfannte ©träfe t> e r b ü § t , 
öerjäfjrt ober erlaffen ift, bie Verurteilung wegen einer ftraf« 
baren fjanblung erfolgt, welche o o r ber früheren Verurtei« 
tung begangen war. Säfjt man auch bie grage bahingeftellt, 
ob im ©efeh für alle Uällc bamit ftillfchweigenb oorauSge* 
fetjt wirb, bafj baS frühere einjubejiehenbe Urteil rechtsfräftig 
geworben ift, fofern nur unter biefer VorauSfetjung non bet 
fülöglichfeit ber Verbüjjung, Verjährung ober beS ©rlaffeS 
einer erfannten ©träfe bie Sftebe fein fann, — fo ift jebenfaHS 
auSbrücflid) geftattet, bafj mit ber VoUftrecfung ber burd) 
bie frühere Verurteilung juerfannten ©träfe bereits begonnen 
fein fann unb ferner fcf)tiefjt nur bie Jatfadje einer ooll« 
ftänbigen Verbüßung berfelben für folgen gall bie Anroen« 
bung beS § 79 auS. SBenn fomit biefer § auch bie @inbe« 
jietjung ber bereits in Vollftrecfung befinblichen ©trafen oor* 
fieht, fo ift fein ©runb erfichtlich, warum angefidjtS ober 
wegen einer in AuSftcht genommenen ober in einem noch nid)* 

4* 


Digitized by Google 



52 


©ntfdjeibuitßen be§ CberlanbeägerirfjtS. 


rccf)t§?räftigen Urteil fdjon auSgefprodjenen ©inbejiefjung 
einer früher erfannten Strafe bem StaatSanroalt als Straf* 
oollftredfungSbehörbe oerroefjrt fein follte, bie SSoUftrecfung 
biefer legieren Strafe anjuorbnen unb in ©ang ju fehen. 

Sie fo beroirfte teilroeife SSoUftrecfung bet fdjon 
früher rechtskräftig erfannten Strafe bübet roeber nach bem 
ftaren SBorttaut unb gefetjgeberifchen 3wecf ber 33orfd)rift 
beS § 79 irgenb ein |nnberniS für beren Slnroenbung, noch 
fann fie bem 2lngeflagten jum ÜHadjteil gereichen, ba bie auf 
©runb beS früheren Urteils bis jur eintretenben SechtSfraft 
beS fpäteren, nad) § 79 gefällten Urteils in ber .ßroifchenäeit 
oerbüfjte Strafe, erforberlid)enfatlS nad) entfprechenber Um* 
roanblung im Sinn beS § 21 St©S., »on ber erfannten 
©efamtftrafe in 2lbred)nung ju bringen ift. Sei biefer Soll* 
ftrecfung ber ©efamtftrafe, roeldje felbftrebenb erft mit ber 
9ie<f)tSfraft beS fte auSfprechenben fpäteren Urteils möglid) 
ift, fommen bie früher erfannten unb jet)t nad) § 79 einbe* 
jogenen Strafen ihre Selbftänbigfeit cerlierenb in SCßegfall 
unb inbem ber fdjon oolljogene unb beSljalb auSfdjeibenbe 
Seil ber im übrigen in ber neuen fdjroereren ©efamtftrafe 
aufgeijenben Sorftrafe abgejogen roirb, erfährt auch nicht 
etroa ber Seginn, fonbern nur baS ©nbe ber auSgefprodjenen 
©efamtftrafe eine Slenberur.g. Sur falls in ber 3roifd)en* 
geit bis jurn ©intritt ber SedjtSfraft beS SachurteilS bie 
Strafe auS bem früheren redjtSfräftigen Urteil etroa o o 1 1* 
ftänbig jur Serbüfjung gelangt fein follte, ift allerbingS 
bie Silbung einer ©efamtftrafe nad) § 79 nicht ober nicf)t 
mehr im gleichen Umfang roie juoor möglich. Safj folchen* 
falls roegen ber injroifdjen beroirften Sollftrecfung ber älteren 
Strafe bann eine ©rmäfjigung nach ben ©runbfätjen beS 
§ 74 St©S. nicht mehr eintreten fann, fteüt aber nidjt etroa 
eine unjuläffige reformatio in pejus bar, fonbern ift lebig* 
lieh bie Solge beS früheren, burchroeg gefehlten 2lbfd)luffeS 
eines anberroeiten StrafoerfahrenS unb bebeutet fachlich eine 
Ungleichheit, roelcfje überall, roo real fonfurrierenbe Straf* 
taten fucceffioe jut Aburteilung gelangen, auch bei regel* 


Digitized by Google 



B. in ©traffadjen. 


53 


mäßigem Settauf eintreten, übrigens oom jute^t etfennenben 
Sichter innerhalb beS gefehlten Strafrahmens ftetS auSge» 
glichen roerben fann. 3ludE) fennt baS ©efeh nictjt etroa einen 
älnfptucf) beS Slngeflagten auf bie Einbeziehung aller ©injeh 
ftrafen ober recf)tSfräftig erfannten Strafen in bie ju bil* 
benbe ©efamtftrafe; einem folgen 2lnfprucf) fteht fchon ber 
SBortlaut beS § 79 St@S. entgegen. 

®ie hier oertretene Sluffaffung über bie guläffigfeit ber 
Einleitung ber Strafoollftrecfung oon rechtSfräftig erfannten 
Strafen, roelche in einem noch nicht rechtsfräftigen 9ta<h= 
urteil gemäf? § 79 St©S. jur Silbung einer ©efamtftrafe 
oerroenbet roerben, fteht burdjroeg im ©inflang mit ber 
SRechtfprechung beS Dieich^gerichtS, — bie SJto* 
tioe unb Serhanblungen beS Reichstags ju § 79 St©S. 
(Stenographie Berichte, Seffton 1870 S. 239, 240, 1149) 
foroie ju § 481 StißO. (Slot. S. 248, $b. S. 531, 532, 
1071) bieten näheres Slaterial jur grage nicht, gn ber 
©ntfcheibung Sb. 8 S. 65 ift für einen ähnlichen Q'all auS» 
gefprochen, ba| fein jureidjenber ©runb oorliege, bie Strafe 
ooltftrecfung auS ber früheren rechtsfräftigen ©ntfcheibung 
auSjufeijen, ba ber Seftanb beS in erfter Qnftanj ergehenben 
fpäteren Urteils noch nicht gefiebert fei; in ber ©ntfcheibung 
Sb. 33 S. 234 roirb bei Aufhebung beS Urteils ber Sor* 
inftanj für bie erneute Prüfung jur ©noägung gegeben, ob 
injroifchen bie auS einem früheren Urteil gemäjj § 79 ein* 
bezogene Strafe etroa oollftänbig oerbüjjt unb baburcf) bie 
©rfennung einer ©efamtftrafe in weiterem Umfang als biS= 
her gefchehen auSgefchloffen fei; ogl. auch bie ©ntfcf). Sb. 22 
S. 7—10; Sb. 8 S. 387/8; Sb. 39 S. 276/7. gn bet 
©ntfcheibung ber oereinigten Straffenate oom 18. Ütpril 1894 
Sb. 25 S. 309/310 roirb fogar in ben gälten beS § 74 
St@S. Den in einem unb bemfelben Urteil feftgefeljten unb 
ju einer ©efamtftrafe oereinigten ©injelftrafen ein felbftäu- 
biger Seftanb in roeitgef)enber Seife jugeftanben, it)te ‘Set'- 
hängung als ein felbftänbiger, ber SechtSfraft fähiger rieh* 
terlicher 2luSfptud) bejifioer Statur bezeichnet, roonad) butd) 


Digitized by Google 



54 


®ntfcf)«ibungen beS DberlaitbeSgericfjtä. 


bie 5tufhebung einer ©efamtftrafe bie Aufhebung ber in 5ln= 
feßung aufrecht erhaltener Bestellungen erfannten @in$eU 
ftrafen nod) feineSwegS bebingt wirb, biefe oielmehr an unb 
für ficf), b. h- n>enn fie nicht ebenfalls aufgehoben werben, 
in Kraft bleiben müffen. Sluf ber ©runblage biefer 9luf* 
faffung läfst ftdh ber felbftänbige ©eftanb foldjer recßtSfräf 
tigen ©trafentfdjeibungen, welche fpäter gemäß § 79 in einem 
weiteren Urteil al§ ©injelftrafen wieder herattgejogen werben, 
bis jum ©intritt ber FecßtSfraft biefer ©inbejießung um fo 
weniger bejweifeln. ®ie oom ©efdjwerbeführer für feine 
gegenteilige Sluffaffung gitierte reichsgerichtliche ©ntfcßeibung 
©b. 5 ©. 186, welche ben Umfang beS ©rüfungSredjtS bei 
9teoifionSrid)terS feftftellt, fowie eine Steiße fcheinbar anberS* 
lautenber ©ntfcßeibungen ftnb für bie oorliegenbe Brage be* 
langloS, fie bejiehen fid) auf Bälle beS § 74 ©t©©. unb 
taffen bie hier maßgebenbe ©eite beS 9tecf)tSbeftanbS unb 
ber SBirffamfeit redjtSfräftig erfannter ©trafen 
bis jum ^eitpunft beS ©intrittS ber 3ted)tSfraft beS 
fie ju einer ©efamtftrafe nereinigenben Fachurteils ooEftäw 
big unberührt. 

Schließlich mag noch auf bie praftifdje 2lnomalie h*n= 
gewiefen werben, welche ftd) auS einer Söfung ber ^rage im 
©init be§ ©efchwerbeführerS ergäbe. S)iefe würbe baju 
führen, baß bie ©trafoollftrecfung immer unterbrochen werben 
müßte, fobalb fleh ä u ber früheren red)tSfräftigen unb in 
©oüjug begriffenen ©erurteilung nod) eine weitere nid)t red)tS= 
fräftige ©ntfdheibung wegen einer gemäß § 79 ©t©©. in 
©ejießung ju ber früheren Slburteilung tretenben ©traftat 
gefeilt. ®aß h* cm it aud) 5 um roenigften bem 3«tercffc eines 
2lngeflagten regelmäßig gebient wäre, liegt auf ber fjanb. 
©efdjluß beS ©traffenatS o. 9. Oftober 1907 in ber 
©traffadje gegen 91. @. in ©t. wegen Urfunbenfälfdjung 
u. a. ©. 


Digitized by Google 



55 


II. 

<*&nt|it)ril>nngcn i>rs Iterroaltungsgfridjtshflfs. 

1. 

$laf]rmt»£rkE ber ©rmeinben Jtnb nirfjt gemerke* 
Jtruerjjflirijtig. 

© r ix n b e : 

I. $n ber ©tabtgemeinbe £. mit 14320 ©imoohnern 
beftefjt ein non ber ©emeinbe betriebene^ SBafferroerf, bag 
bie öuleitung bei Söafferg in bie einzelnen SBohttungen oet= 
mittelt. ©ein SInlageioert ift auf 270000 9Jlf. angegeben, 
©in öioang jum 2lnfd)lujj ber ©ebäube an bag 2Baffertoerf 
beftetjt nict>t, bod) ift feine Senütjung fo allgemein, bajj im 
ftäbtifd)en ©tat für bie Qafyre 1904-1906 alg Qahregauf* 
roanb auf öffentliche Srunnen nur ber Setrag non 50—60 3Jif. 
erfdjeint. ®ie ©innahmen aug bem Setrieb beg ftcibtifdjcn 
SBaffertnerfg betrugen im 9ied)nunggjat)r 1904 inggefamt 
45876 9Jtf. 18 ißf., barunter SBafferjinfe 42 309 2Jlf. 33 ißf. 
®ie ©efamtauggaben beliefen fich in biefem $ahre au f 
32140 3ttf. 82 Sf-, 

barunter '^affinlapitaljinfe 7 770 SDlf. 

für ©rmeiterung be§ Seitunggnetjeg . . 3823 „ 

©djulbentilgunggrate 4000 „ 

für ©inricf)tung uon Ölleitungen . . . 2 372 „ 

äufammen 17 965 9Jlf. 

nach beren 2lbjug ftd) ein laufenber Setriebgaufroanb non 
14175 2Jlf. ergibt. s Jlacf) bem Soranfd)lag für bie beiben 


Digitized by Google 



56 


(Snffrfieibungeit beS SBertt>altungägerid)t«tjof3. 


SRecßnungSjaßre 1905 unb 1906 finb an 2tuSgaben unb ©in» 
nahmen ät>nlid>e Summen oorgefeßen. 9lad) bem SRecßnungS» 
etgebniS für 1904 läßt ficß ein Üieingeroinn auS bem Söaffer» 
merfSbetrieb berechnen im Vetrage non 28 135 ber 

nacß bem Voranfcßlag fid) für 1905 auf 28960 9ftf. unb 
für 1906 auf 30330 9Wf. erßößt. 21m Scßtuffe beS ge» 
brucften ©tatS ift bemerft: „Stad) Slbjug aller UnterßaltungS» 
foften einfcßließticß ber SImortifation unb Verjinfung be§ 
SInlagefapitalS oon 270000 Vif. mürbe für bie Stabtge» 
meinbe auS bem 2öafferroerfS»Unternel)men an Veingeroinn 
erjielt feit VetriebSanfang oom ^aßre 1896 bis 1905 
150610 -Ulf. ober 56,43 «ßrojent''. 

$ie Stabtgemeinbe $. ßat unter $inmeifung auf Ziffer 
23 ber Verfügung ber Ä. Satafterfommiffion oom 13. Vtärj 
1875, betreffenb bie ©eroerbefteuereinfd)äßung bie ©eroerbe» 
fteuerpflicßt beS SöaffermerfS mit ber Veßauptung in Slbrebe 
gejogen, baß bie Stabtgemeinbe mit bem Setrieb ißreS 
SEBaffermerfS eine ißrer roicßtigften öffentlichen Aufgaben er» 
fülle, baß babei bie ©tjielung oon Ueberfd)üffen nur neben» 
fäcßlicß in Vetracßt fomme unb baß fo bie Slnnaßme eines 
©emerbebetriebs im Sinne ber Steuergefcße auSgefcßloffen 
fei. 2>aS ftäbtifdje SBaffermerf mürbe jebocf) mit ben auf 
1. Januar 1906 erfolgten 9ieueinfd)äßungen mit einem 
Steuerfapital oon 15 275 9Jtf. jur ©eroerbefteuer eingefdtjä^t; 
bie bagegen erhobene Vefcßroetbe mürbe am 7. Februar 1907 
oon bem %t. Steuerfoüegium, Abteilung für birefte Steuern, 
unb bei roeiterer Verfolgung am 27. Stprit 1907 oom Ägl. 
^inanjminifterium als unbegriinbet jurücfgeroiefen. 2)aS 
ginanjminifterium ift ßiebei oon folgenben ©rroägungen auS» 
gegangen: SBenn bie Ueberfcßüffe eines oon bet ©emeinbe 
betriebenen SBaffcrroerES fo regelmäßig unb in fo ertjeblic^em 
Umfange anfaüen, roie bei ber Vefcßrocrbefüßrerin, fo bürfe 
oßne Verfloß bie Slbficßt ber ©eminnerjielung unterftellt 
roerben ; baß biefe Slbficßt baS einjige unb auSfcßließlicße 
SDlotio eines SSafferroerfbetriebS bilbe, fei nicßt erforberlicß 
unb auS bem Vegriffe beS ©eroerbeS nicßt abjuleiten; eben» 


Digitized by Google 



SBaffertoerfe ber ©emeinbett finb nicf)t flctuerbeft euerpfticfjfig. 57 

foroenig ergebe ftd) au! biefem Segriffe, baß eine im 9iaf)men 
ber öffentlichen Slufgabeit ber ©emeinben liegenbe Einrichtung 
bie @ewerbefteuerpflid)t aulfdiließe, wie benn auch bie ju 
berartigen Einrichtungen ber ©emeinben gehörenben ®a!= 
anftatten, Straßenbahnen, Sabeanftalten u. f. w. unbean» 
ftanbet ber ©ewerbefteuer unterworfen werben. 

©egen bie SJlinifterialentfcheibung hat bie Stabtgemeinbe 
%. rechtzeitig unb orbnunglmäßig bie IHechtlbefcßwerbe an 
ben ft'gl. Serwaltung!gerichtlf)of eingelegt. 

II. Streit befteßt im oorliegenbett $alle über bie Srrage, 
ob ber Setrieb bei ftäbtifcßen SBafferroerfl in £. auf ©runb 
ber Seftimmungen bei ©efeßel über bie @runb=, ©ebäube» 
unb ©ewerbefteuer oont 28. Slpril 1873/8. Üluguft 1903 ber 
©ewerbefteuer unterliegt. ®ie ^uiäffigtcit ber IRecßtlbe» 
fcßwerbe ift im ,£jinblicf auf bie Sßorfdjrift in 9lrt. 16 Stbf. 2 
bei genannten ©efeße! nicf)t ju beanftanben. 9lacß 2lrt. 1 
tSCbf. 1 Ziffer 3 bei angeführten ©efeße! unterliegen ber ©e= 
werbefteuer „bie im Sanbe betriebenen fteßenben ©ewerbe 
jeber 3lrt". El fragt ftd) baßer, ob ber in Setracßt fommenbe 
SBafferwerflbetrieb ju ben fteßenben ©ewerben in biefem 
Sinne ju rechnen ift. ‘Jial Steuergefeß gibt fo wenig all 
bie ©ewerbeorbnung weitere Slulfunft barüber, welche Se» 
triebe all ©ewerbe anjufeßen finb; für bie Sebeutung bei 
©ewerbebetrieb! im fteuerlichen Sinne ift baßer ber ge» 
wößnlicße Sprachgebrauch ju ©runbe ju legen; J)tenacf) ift 
unter ©ewerbe im weiteften Sinne ju oerfteßen jebe fort» 
gefeßte, mit ber 2lbficßt auf ©ewinnerjielung unternommene 
felbftänbige unb erlaubte Slrbeitltcitigfeit, welche ficß all Se» 
teiügung am allgemeinen roirtfdjaftlicfjen Serfeßr barftellt 
(oergl. Urteile bei Sermaltunglgericßtlhof! oont 28. s Jlo» 
oember 1900 in ben ^aßrbücßern ber württemb. 9ied)tlpftege, 
Sb. 13 S. 119 unb 00 m 19. 9tooember 1902, bafclbft 
Sb. 14 S. 369.) Qn Uebereinftintmung tjiemit ftetjt bie 
3lu!tegung, welche bie SBiffenfdjaft unb bie ißraji! betn ©e» 
werbebetrieb im Sinne ber ©ewerbeorbnung gibt (oergl. 
Sanbmann, Kommentar jur ©ewerbeorbnung, 5. Auflage 


Digitized by Google 



58 ffintfdjeibungm bc8 SßertoalhmgSgertdjtgljofS- 

SJeil 1 <3. 35 — 42, ©d)icfer, ©eroerbeorbnung <3. 1—6.) 

3n SBürttemberg finb, rote ftd) au§ einjelnen gefehtidjen 
SBorfcfjriftcn beutlid) ergibt (2lrt. 27 21bf. 1 ber 33erroaltung§» 
nooelle oom 21. 9Jtai 1891, 3lrt. 3 2lbf. 2 Sat) 2 be§ 
9Baffergefet)e§ uom 1. ®ejember 1900, Slrt. 23a be§ s $olisei» 
ftrafgefe^eä in ber Raffung be§ ©efetje§ oom 4. 3fuU 1898, 
2lrt. 3 be§ ©emeinbefteuergefej}e§ oom 8. 2luguft 1903, 
2lrt. 184, ©ingang, ber ®emeinbe=Drbnung) unb roie bieg 
aud) ber oom 93erroaltung3gerid)t§hof gebilligten Slnfdjauung 
ber 33erroaltung§prari§ entfpricf)t (oergl. Urteile »om 17. $uni 
1903 in ben Söürtt. ^aljrbüdjern, 33b. 15 3. 231—237, 
unb oom 9. Januar 1907 im 3lmt§blatt be§ 2Jtinifterium§ 
be3 Qnnem, 3. 275), bie oon ben ©emeinben für bie 33e» 
bürfniffe ber ©emeinbe unb ber ©emeinbe»@inroot)ner er* 
nuteten unb betriebenen 3Bafferoerforgung§anftalten grunb* 
fätjlicf) öffentliche ©emeinbean ft alten unb jroar 
nictjt blofj foroeit fie mit ihren @inrid)tungen 3:euerlöfd)* 
jroecfen bienen, fonbern aud) foroeit fie ben $au§befitjern unb 
ben bei biefen in ber fDtiete 2Bot)nenben ba§ SEBaffer für 
perfönlidje, geroerbliche unb tanbroirtfd)aftlid)e 33ebürfniffe 
juleiten. 2)ie yfürforge für bie 33efd>affung be§ £rinf= unb 
9tu^roaffer§ ber ©emeinöeeinroohner ift unjroeifelt)aft eine 
öffentlidje Aufgabe ber ©emeinben; nacf) ben 3lnforberungen, 
bie gegenroärtig, jumal in größeren ftäbtifdjen ©emeinben, 
gemäf? allgemeiner Hebung an ben '-Hejug non 30Baffer ge» 
ftellt roerbett, roirb biefe Aufgabe burd) bie Zuleitung ber 
erforberlidjen SBaffermengen in bie einseinen ©ebäube er* 
füllt. 2)er ©l)aratter einer oon einer ©emeinbe mit öffent» 
licken Mitteln errichteten .fjauSroafferleitung al§ einer öffent» 
liehen ©emeinbeanftalt roirb baburd) nicht au3gefd)loffen, 
bafj bie ©emeinbe bie gefamten Äoften ber Einlage unb be§ 
33etrieb§ burch SBaffcrjinfen bedt unb su biefem 3it>ede mit 
ben 3lbnehmern prioatred)tlid)e Verträge abfdjliefft; hieburd) 
roirb an ber Jatfadje nichts geänbert, bafj bie Einlage bel)uf§ 
(Erfüllung öffentlicher 3roecfe, nid)t au§ ©rroerbSgrünben 
mit öffentlidjen Mitteln erftellt roorbett ift; aud) uerbleibt 


Digitized by Google 



SBaffcrtoerfe ber ©emeinben ftttb nid)t gehjerbefteuerpjlidjiig. 59 

ber ©emeinbe baS finanzielle Stiftfo beS Unternehmens ; be§ 
weiteren ift bie ©emeinbe jeber 3eit in ber Sage, bie @t» 
Hebung non SBafferjinfen ju befcf)tänfen ober einjuftellen 
unb fo bie Steuerpflichtigen zur SDecfung ber Soften heran» 
Zuzie^en. $>er öffentliche ©harafter einer folgen SBaffer» 
uerforgungSanftalt wirb auch baburd) nicfjt befeitigt, bafj 
ihre Senütjung ben beteiligten nicht zur 3rouuglpflicf)t ge» 
mad)t, fonbern in ihr formell freies belieben geftellt unb 
oon ber Seiftung einer Vergütung abhängig gemacht wirb; 
tatfächlich liegt bei einem berartigen jebe Äonturrenz auS» 
fcfyliejjenben ©emeinbeinonopolbetrieb unb bei ber Unent» 
behrlichfeit eines bequemen SBafferbezugS in ben einzelnen 
©ebäubeit für bie meiften ©cmeinbeeinrooljner bod) ein 3n>aug 
Zur Seteiligung an ber ©emeinbeanftalt oor. 

SBirb baS SEBafferwerf ber befdjroerbefüfjrerin als eine 
öffentliche ©emeinbeanftalt angefefyen unb bamit unterfteüt, 
baf? eS einem öffentlichen 3n>ecfe biene, beljufS ©rfüüung 
einer ber ©emeinbe obliegenben öffentlichen Aufgabe errietet 
fei unb betrieben werbe, fo entfällt {ebenfalls als wefent» 
licheS SJterfmal bie @rwerbSabficf)t, bie auf anbauernbe @r= 
Zielung eines ©ewinnS gerichtete 2lbficht unb bamit aud) bie 
Einnahme eines ©ewerbebetriebS in bem bezeichnten Sinne. 

9lud) in anberen beutfdjen Staaten wirb biefe 3luf= 
faffung geteilt. $n einet ®ntfd)eibung beS baperifdjen 
SerwaltungSgericf)tShofS 00 m 1. Februar 1881 
wirb auSgefüt)rt: „3unt betriebe eines ©ewerbcS gehört eine 
auf ©rwerb gerichtete Jätigfeit; eine foldje fann aber, wenn 
eS fiel) um eine oom ©taate betriebene Sätigfeit huubelt, 
nur ba angenommen werben, wo unter ben Seweggrünben 
für ben Setrieb baS fiSfalifdje $ntereffe im Sorbergrunb 
fleht, nicht aber ba, wo baS öffentliche Qntereffe oorwiegt. 
®er Setrieb einer Einlage zum Sezuge beS nötigen £rinf» 
wafferS burch ben Staat fann baher nicht als ©ewerbe- 
betrieb aufgefafjt werben unb zwar felbft bann nicht, wenn 
baS abgeleitete SBaffer zur 2)ecfung bet 2lnlage= unb Unter» 
haltungSfoften nur gegen ©ntgelt abgegeben wirb" (oetgl. 


Digitized by Google 



60 Sntfcfieibungen be3 ©erroaltungägtricfjts^ofä. 

9t e g e r , ©ntfcheibungen bet ©eridjte unb 93erroaltungS= 
beerben 93b. 2 ©eite 4). $n einem jroeiten $alle hat bet 
batierifdje 93erroaltungSgerid)tShof in einer @ntfcf)eibung oom 
31. SUlai 1905 bie Amoenbbarfeit ber SSorfcf)tiften bet @e* 
roerbeorbnung mit fotgenber Segtänburtg oerneint: „3m 
gegebenen ^alte hat bie Stauanlage lebiglid) ben 3roecf, bie 
Ortfctjaft ©cf), mit bem im Qntereffe ber ©efunbfjeit unb 
3reuerfid)erf)eit erforberlichen drinf= unb 'Jhitjroaffer ju oer= 
fef>en; eS folt bamit fein ©rroerb erhielt ober eine geroerbliche 
Anlage errichtet roerben. @S banbeit fid) um ein öffentliches 
gemeinnütziges Unternehmen, baS nicht nach § 17 ff. ber ©e* 
roerbeorbnung ju bebanbetn mar" (9t e g e r a. a. O. 93b. 26 
©. 12). Qn einem ©rlaffe beSißreufjifchen g i n a n j* 
minifterS oom 22. Quli 1882 ift bemerft: „diejenigen 
ftäbtifcben äöafferroerfe, ioeldje Sßaffer an ba§ ißublifum 
gegen 93ejahlung abgeben, finb bi§f)er jur ©teuer oom ftebenben 
©eroerbebetriebe herangejogen roorben, inforoeit nicht be= 
fonbere ©rünbe für ihre ^reiftellung fpredjen. dabei mürbe 
oon ber ©rroägung auSgegangen, baj) in bem ÜBerfaufe beS 
SBafferS an ^rioate baS ÜRerfntal eines fteucrpflichtigen ®e= 
merbebetriebS ju finben unb bie barauS erhielte ©innabme 
als ein geroerblicber ©eroinn anjufeben fei. 9tad) noch* 
maliger eingehenber Prüfung biefer Angelegenheit glaube 
ich jebocb ein entfdjeibenbeS ©eroicbt barauf legen ju muffen, 
bafj eS ficb bei berartigen Anftalten, roeld)e ben -Broecf haben, 
bie ©inroobner mit reichlichem unb gefunbem SBaffer ju 
oerforgen, nid)t foroohl um gcmerbliche als um gemeinnützige 
Unternehmungen banbelt unb habe mich beSbalb bahin ent* 
fdjieben, bie oon ©emeinben betriebenen äBafferroerfe bet 
gebad)ten Art in 3ufunft allgemein oon ber ©ntrichtung ber 
©eroerbefteuer ju befreien, gleidjoiel ob bie Anlage* unb 93e* 
tviebSfoften bireft auS ©emeinbemitteln beftritten ober burd) 
Sejahtung beS gelieferten SBafferS aufgebracht merben". 
(9t eg er a. a. 0. 93b. 3 ©. 233). diefe Auffaffung ift in 
einem ©rlafj beS ^reujjifcben SRinifterS beS Innern 
unb beS giaanjminifterS oom 2. Januar 1884 bahin be* 


Digitized by Google 



SBaffertoerte her ©emetnben finb nicf)t gtmer&efteuerpfüdjtig. 61 

ric^tigt worben, baf} eine $erangiehung gu Stommunalfteuera 
für foldje non ©emetnben betriebene SSafferwerfe, bie ein 
Steineinfommeu gewähren unb gugleicf) aud) an auswärtige 
©emeinben SBaffer gegen ©ntgelt abgeben ober aber mit ber 
©etriebSftätte in einer auswärtigen ©emeinbe gelegen ftnb, 
für angängig erflärt würbe (9t e g e r a. a. O. 33b. 4 <5. 482). 
dagegen ift für einen berartigen gall bie $uläffigfeit gur 
fjerangiehung gu ben ©emeinbeanlagett in einem ©tlafj beS 
ßgt. ©ädjfifdjen Sltinifteriu mS beS Innern uom 
20. Sluguft 1883 oerneint worben mit ber ©egriinbung : 
„®iefe Slnlage ift lebiglicf) eine gemeinnütjige ©inrichtung 
unb jebe ©egahlung, welche fid) bie ©tabtgemeinbe für SBaffer* 
abgabe entrichten läfjt, hat lebigtid) ben ©haralter einer aI,s 
teiligen ©rftattung beS bafür entftanbenen unb ferner er* 
wachfenben SlufwanbS. 3)afj bie ©tabtgemeinbe auSnaljmS* 
weife auch außerhalb ihres ©egirfS Söohnenben bie ©orteile 
ber Slnlage unb gwar gegen etwas t)öt)ere Vergütung guteil 
werben läßt, änbert hieran nichts, oiclmehr lommt eS auf 
bie Statur ber gangen Slnlage unb ben ©inn an, in welchem 
biefelbe inS Sehen gerufen worben ift unb betrieben wirb. 
Stur wenn bie ©erwaltung beS SBafferwerfS einmal in bem 
Sinne geänbert werben follte, baff bie ©rgielung eines ©e* 
winnS baoon für bie ©tabtgemeinbe gum ßrnedt erhoben 
würbe, fönnte oon einem ©infommen ber letzteren auS ber 
Slnlage im ©inne beS StegutatioS bie Stebe fein" (St e g e r 
a. a. O. ©b. 4 ©. 471). Sanbmann in feinem $om* 
mentar gur ©ewerbeorbnung 5. Sluflage £eil 1 ©. B6 äußert 
fich folgenbermajjjen: „Qn manchen fallen wirb bei ftaat* 
liehen unb gemeinblidjen Unternehmungen ein boppelter ßwect, 
berjenige ber öffentlichen 2Bot)lfabrt unb berjenige ber @r= 
gielung oon ©innahwen oerfolgt. @S wirb barauf anfommen, 
welcher .3we<f ber überwiegenbe ift; jebenfalls macht ber 
Umftanb, baf) für bie ©enütjung einer ftaatlidjen ober ge* 
weinblichen @inrid)tung eine Slbgabe oerfangt wirb, bie ©in* 
ridjtung no<h nid;t gum ©ewerbebetrieb, ©o wirb g. ©. ber 
©etrieb einer gemeinblichen SBafferoerforgungSanftalt in ber 


Digitized by Google 



62 @ntfdjeibungen beS aSertoaltungbgeridjtSfjofS. 

SRcgct nicht als ©eroerbe gelten fönnen". — Stud) im König* 
reid) ©achfen ift ber öffentürfje ©harafter ber ©emeinbe* 
SBafferoerforgungen anerfannt; in ben äftotioen eine§ ®e* 
fetjeSentrourfS über bie SerroaltungSrechtSpflege oom Jahr 
1897 finbet ftd) folgenbe ©teile: „@S gibt öffentliche Sin* 
ftalten, bie, roie bie ftäbtifcfjen SEtjeater unb ©aSanftalten« 
in ben formen beS ißrinatrecht^ betrieben roerben. 9ladj 
ihrem ©ntfteßungSgange in ©achfen pflegt baS aber nicht 
bei ben SBaffenoerfen unb SBafferleitungen ber ©emeinben 
ber fjalt ju fein; biefe roerben oielmehr roohl ausnahmslos 
nach öffentlich rechtlichen ©runbfäijen oerroaltet unb bann 
ift ber SBaffetjinS nicht Kaufpreis, fonbern ©ebühr" (oergl. 
Slpelt, SerroaltungSrechtSpflege ©. 110). Slud) in ber 
Sechtfprecfjung beS Kgl. ©ächftfchen OberoerroaltungSgeridjtS 
roirb ber öffentliche ©harafter beS Betriebs oon ©emeinbe* 
SBaffenoerfen nicht in Slbrebe gezogen unb benfelben bie 
Statur eines fteuerpflichtigen@eroerbebetrieb§ 
abgefprochen (oergl. Urteil oom 29. ®ejember 1902 in ben 
Jahrbüchern beS ©ächfifchen OberoerroaltungSgerichtS Sb. 3 
©. 349 ff. unb bafelbft Sb. 8 ©. 68), mit Sücfftcht jebod) 
barauf, baß nach bem fächftfchen ©infommenfteuergefeh baS 
gefamte roerbenb angelegte Sermögen einer ©emeinbe ber 
©infommenfteuer unterliegt, roerben regelmäßig roieberfehrenbe 
Ueberfchüffe eines ©emeinberoafferroerfS jur ftaatlichen ©in* 
fommenfteuer beigejogen (oergl. Urteile oom 11. Januar 
1902 unb oom 20. Juli 1905 a. a. 0. Sb. 1 ©. 340, 
Sb. 7 ©. 340). Jn ißreußen finb nach bem Kommunal* 
abgabengefeß oom 14. Juli 1893 in Serbinbung mit bem 
©eroerbefteuergefeh oom 24. Juni 1891 oon ber ©eroerbe* 
fteuer befreit bie Kontmunaloerbänbe mit beftimmten oon 
ihnen betriebenen geroerblichen Unternehmen, inSbefonbere 
mit KanalifationS* unb SBaffenoerfen, foroeit fich ber Se* 
trieb auf ben Sejirf ber unternehmenben ©emeinbe befcßränft 
(oergl. 9föll = Jreunb, Kontmunalabgabengefeh, 6. Sluf* 
tage ©. 102, 104, 108). 

Jn SB ü r 1 1 e m b e r g ftnb nach bem Jnfrafttceten beS 


Digitized by Google 



SBafftnoerfe ber ©emeinben fiub nicht geioerbe|teuerpfIicf)ttg. 63 

©teuergefetje§ oom 28. 9lpril 1873 junädjft für eine lange 
3eit bie non ©emeinben betriebenen SBaffetroerle feiten«! ber 
©teuerbehörben non ber ©eroerbefteuer freigelaffen rootben; 
bie $gl. Äatafterlommiffion tjat mit ©eneljmigung be§ Ägl. 
5inanjminifterium§ in ber Verfügung oom 13. Sftärj 1875, 
betreffenb bie ©eroerbefteuereinfdjä^ung unter Ziffer 23 bie 
93orf(f)rift gegeben: „$ie non ©emeinben ju Sefdjaffung 
oon 9}ut)= unb Srinlroaffer angelegten SBafferroerte (SBaffer* 
leitungen) finb nict(t at§ ©eroerbebetrieb ju betrachten, baher 
auch nicht geroerbefteuerpflid)tig, aucf) wenn bie ©mpfänger 
be§ S03affer§ jur Seftreitung ber laufenbett unb Tilgung ber 
2lnlage!often Beiträge ober fogenannte Stunnenjinfe leiften". 
(9lmt§blatt be§ ©teuertollegiumi 1875 <3. 44). ®iefe 21n= 
roeifung fdjeint erft infolge eine§ nicht Deröffentlicfjten @r- 
laffei be§ ©teuertollegium§ oom 15. $uli 1905 über bie 
Sefteuerung ber SBafferroerte oon ©emeinben in SBegfall 
getommen ju fein (oergl. 3lmtl. Sammlung ber rofirttemb. 
©taatifteuergefeije, ieil 2 S. 361 gufjnote 6). 

$m oorliegenben (Streitfälle hanbelt e§ ftd) lebigüd) um 
bie $tage, ob bet 2Bafferroerf§bettieb ber Sefd)roerbeführerin 
ber ©eroerbefteuer unterliegt ; über bie ©infommen* 
fteuerpflicht ber bei biefem Setrieb erjielten lleberfdfjüffe ift 
babei nicht ju entfcheiben. @§ tommen bähet nur bie Sor* 
fchriften be§ ©teuergefetje^ oom 28. Slprit 1873/8. 2Iuguft 
1903 jur Slnroenbung, roonad) bie im Sanb betriebenen 
ftehenben ©eroerbe jeber 2lrt ber ©eroerbefteuer unterliegen 
(2lrt. 1 3iffer 3 ), fetner bie ©teuerpfliiht allgemein ift unb 
leine nicht im ©efetj begrünbete Befreiung oon berfelben be= 
roiüigt roerben barf (2lrt. 3), enblich aud) juriftifche ißerfonen 
al§ ©eroerbeunternehmer in Setracht lommen (21rt. 88 9lbf. 1). 

®ie Seftimmungen be§ @infommenfteuergefehe§ tonnen 
aud) nid)t auB^ilfSroeife h« tan S e i°9 en werben; jebenfaüsi 
aber ift ber in ber ©ntfdfeibung be§ ©teuerfotlegium§ oom 
7. gebruar 1907, auf roeld)e bie angefochtene ©ntfcheibung 
Sejug nimmt, unternommene SBerfucf), au§ bem SBortlaut 
be§ 2lrt. 8 Ziffer 15 be§ ©intommenfteuergefetjeS einen ©runb 


Digitized by Google 



64 


(Sntfcfieibungen be§ SkrtoaltungSgericfitsfiof«. 


für bie beftrittene ©teuerpflidjt beS SBafferroerfS abjuteiten, 
oerfetjlt; benn jut Segrünbung einer ©teuerpflicfft genügt 
nictjt ber StacffmeiS, baff einem ©infommen in 2lrt. 8 nidjt 
(Steuerfreiheit eingeräumt ift, oietmeffr ift t)ieju ber pofitioe 
■JladjmeiS erforberlicff, baff ein foIct)e§ ©infommen gentäff 
s Jtrt. 6 beS ©infommenfteuergefeffeS oon ber ©teuer getroffen 
wirb, im oorltegenben gälte alfo, baff baS ©infommen auS 
bern betrieb eines ©ewerbeS herrütjrt ; bie 2luf$äfflung ber 
©infommenSquetlen in 9Irt. 6 fdffiefft oor allem eine Se» 
grenjung ber objeftioen ©teuerpflidjt in ftcf) ; nicht fänttlicffeS 
©infommen an ©elb unb ©elbeSwert unterliegt ber ©teuer» 
pflidjt, fonbern nur biejenigen beftimmten 2lrten oon ©in» 
fünften, welcffe non ben 3iffern 1—4 beS 2lrt. 6 getroffen 
werben. ÜJtit ber Sejugnaffme auf 2frt. 8 15 fann 

batjer bie ©teuerbefförbe nidjt um ben 9tad)meiS tjerum» 
fornmen, baff ber fragliche SBafferwerfSbetrieb ein ©ewetbe» 
betrieb im ©inne beS ©teuergefeffeS ift. 

©benforoenig fann bie angefodffene ©ntfcffeibung auf 
bie 9ied)tfpred)ung beS ©ädffifdjen OberoerwaltungSgeridffS 
geftüfft werben ; biefe bejaht für ben Setrieb oon ©emeinbe» 
SBafferleitungen bie © i n f o m m e n ft e u e r p f l i cf) t lebigtid) 
mit fRücffidff auf eine bieSbejüglidje befonbere Sorfcffrift beS 
fädffifcffen ©infommenfteuergefeffeS, bie bem württembergifcffen 
©infommenfteuergefeff fremb ift, oerneint aber jugleid), wie 
oben bargelegt worben ift, für berartige ©emeinbebetriebe 
bie ©ewerbefteuerpftidjt bejw. bie Serpflidffung 
pr Seilnaffme an ben Umlagen einer anberen ©emeinbe. 
$a eS ftd) im oorliegenben gälte nur um bie ©ewerbefieuer» 
Pflicht ffanbett, fefft ftdh bie angefodjtene ©ntfcffeibung in 
bireften SBiberfprucff p ber fädffifdjen lKed)tfpred)ung. 

®ie ©ntfdjeibung beS Streitfalls bängt lebiglicff oon 
ber ^Beantwortung ber grage ab, ob ber Setrieb beS SBaffer» 
werfs burd) bie Sefdpoerbefübrerin fid) als ein ©ewerbe» 
betrieb im ©inne beS ©teuergefetjeS barftellt. Sei ber 
Sürbigung biefer grage ffat ber SerwaltungSgericfjtSffof 
feinen Slnlaff, in bet feitffer gleicffniäffig feftgebaltenen, aucf) 


Digitized by Google 



SBaffertoerfe ber ©emeinben finb nicf)t gefoerbefteuerpfKdjtig. 65 

fonft allgemein als jutreffenb anerfannten Auslegung be§ 
fteuerlid)en ©eroerbebegriffS eine Slenberung eintrelen ju 
laffen. Öcbenforoenig liegt für if)n ein ©runb oor, bie neuer* 
bing§ oon ber Verwaltung mit fteigenbem Slachbrud betonte 
oon it)m fetbft mehrfach gebilligte 2luffaffung ju oerlaffen, 
baf? ein SSafferroerf, roie baS ber Vefchroerbeführerin, eine 
öffentliche ©emeinbeanftalt ift, bie in erfter Sinie ben öffent* 
licken Jntereffen bient unb batjer in allen roefentlidjen 39 e* 
jiehungen »on ben auS biefen öffentlichen ^ntereffen abju* 
leitenben Stnforberungen, alfo oon öffentlich restlichen ©e* 
ficfjtSpuntten beherrscht roirb. Von biefem ©tanbpunft au§ 
ift baS ^utreffen eines ©eroerbebetriebS für ben ÜBaffer* 
roerfSbetrieb ber Vefchroerbeführerin ju oerneinen. ©inb in 
erfter Sinie bie öffentlichen ^ntereffen für bie ©eftaltung 
biefeS VetriebS ntafjgebenb, fo ift baburd) eine nachhaltige 
unb burchgreifenbe Verroirflidjung einer auf ©eroinnerjielung 
geridjtcten 2lbftcf)t auSgefchloffen; einer berartigen 2lbfid)t 
fönnte t)öc^ften§ eine untergeordnete, eine nebenfädjUche Ve* 
beutung jufommen. Söenn l)iernac£) nach bem ßroecf beS 
SBafferroerfS ber Vefchroerbeführerin eine mafjgebenbe auf 
bie ©rjielung oon Steingeroinn gerichtete 2tbficht nicht unter* 
ftellt roerben fann unb barf, fo fehlt für bie Slnnahme eines 
fteuerpflichtigen ©eroerbebetriebS ein roefentlicheS ÜDlerfmal; 
e§ erfdjeint baher bie ®eroerbefteuerpflid)t nicht als begrünbet. 

9?och ein roeiterer ©runb läfjt ftd) gegen bie 2lnnahme 
einer auf ©eminnerjielung gerichteten 2lbfid)t geltenb machen. 
'SaS ißreu§ifSe Äommunalabgabengefeh oom 14. Quli 1893 
beftimmt in § 4 Slbf. 2: „'Jiie ©ebührenfätje finb in ber 
Siegel fo ju bemeffen, baff bie VerroaltungS* unb Unter* 
haltungSfoften bet Veranftaltung einfchliefjlid) ber SluSgaben 
für bie Verjinfung unb Tilgung beS aufgeroenbeten Kapitals, 
gebecft roerben". 2lud) nad) roürttembergifd)em Siedjt bürfen 
bie in 2trt. 3 beS ©efetjeS oom 8. 2luguft 1903, betreffenb 
bie 93efteuerungSred)te ber ©emeinben unb älmtSlörperfchaften 
bejeichneten ©ebühren, b. h- bie befonberen Vergütungen, 
roeldje oon ben ©emeinben für bie Venütjung ber oon ihnen 

Jahrbücher ber äBÜrttemb. JRedjtSbfUfle. XX. 1 . 5 


Digitized by Google 



66 ©ntfcfieibungen beS 3$erwaltungggeridjtSf)ofS. 

im öffentlichen Jntereffe unterhaltenen Anlagen, Slnftalten 
unb (Einrichtungen erhoben roerben, nachhaltig in ihrer ®e= 
famtroirfung ben Slufroanb ber ©emeinbe für bie Unter» 
haltung biefer Anlagen unb bie Sßerjinfung unb Slniortifation 
be§ 2lnlagefapital§ nicht iiberfteigen: benn fonft mürben 
folche ©ebühren bie Statur oon ©emeinbefteuern annehinen, 
ZU beten (Erhebung eine gefeßlicße ©rmäcßtigung erforberlich 
märe. Jn biefer bezießung hat ftcß ber berroaltung§geri<ht§= 
hof anläßlich eine§ ©treit§ über eine Stabfahrergebühr in 
einem Urteil uom 12. Januar 1898 (oeröffentlidjt in ben 
Jahrbüchern für roürttemb. Siecßt^pflege bb. 10 ©. 237 ff.) 
folgenbermaßen au§gefprocßen: „SBürben bie ©efamtein» 

nahmen au§ ber angefochtenen ©ebühr ben ©efamtaufroanb 
für bie polizeiliche Ueberroacßung be§ StabfaßroerfeßrS nach 5 
haltig überfteigen, fo mürbe bie Slbgabe inforoeit ben ©ßarafter 
einer ©ebühr im eigentlichen ©inne oerlieren unb bie recht» 
liehe Statur einer roitflichen ©emeinbefteuer annehmen, ju 
beren ©rhebung eine auibrücElicße gefeßlicße ©rmächtigung 
erforberlich märe". SBenn baher im oorliegenben Jalle auf 
feiten ber befchroerbefüßrerin bie 2tbfid)t ber ©rjielung eine§ 
nachhaltigen ben ©efamtaufroanb ber ©emeinbe überfteigenben 
©rtrag§ oorßanben märe, fo mürbe bie berroirflicßung biefer 
Slbftcßt gegen bie gefeßlicßen borfeßriften oerftoßen; foroohl 
bie oon einer unjuläfftg hohen ©ebühr betroffenen al§ auch 
bie ©emeinbeaufficßtsbehörben fönnten einem berartigen SJtiß» 
brauch be§ 9tecßt§ jur ©rhebung oon ©ebühren mirffam ent» 
gegentreten. Slucß biefe ©rroägung oerbietet e§, in Slnfeßung 
ber befteuerung oon bem borßanbenfein einer emfthaften 
äbfießt nachhaltiger ©eroinnerzielung au§jugehen unb einer 
folcßen Slbficßt für bie Heranziehung be§ SßaffetroerfS jur 
©eroerbebefteuerung beaeßtung zu fchenfen. 

Schließlich mag noch bemerlt roerben, baß bie in ber 
angefochtenen ©ntfeßeibung znr bergleicßung herangezogene 
im banb 12 ©eite 412 ff. ber ©ntfeßeibungen oeröffentlicßte 
©ntfeßeibung be§ ^reußifeßen DberoerroaltungigericßtS oom 
23. SJtärz 1905 bie ©eroerbefteuerpflicßt bet ^Sreußifcßen 


Digitized by Google 



Sornusfefcungen einer auf ber SßribattoobUätigfeit 6er. Stiftung rc. 67 

,8entralgenoffenfchaftSfaffe bejaht, ju einer Bejahung ber 
©ewerbefteuerpflicht fommt aber baS ^ßreufeifc^e Oberoer» 
toaltungSgerid)t nur infolge ber geftftellung, bafj bei bem 
fraglichen Unternehmen bie ©rjielung non ©etoinn nicht 
lebiglich eine jufällige, gelegentliche unb ganj nebenfadjliche 
golge bilbet, bafj melmeht bie Sfterfmale beS ©eioerbebetriebS 
einfd)liefjlich ber 9lbfid)t ber ©etoinnetjielung beutlict) ju er* 
Eennen ftnb. SBie bereits bargelegt roorben ift, liegen bie 
SSertjältniffe bei bem non ber Vefdjtoerbeführerin betriebenen 
SöaffertoerE joefentlid) anberS. 

Urteil nom 10. Quli 1907 in ber ÜRedjtSbefchJoerbefache 
ber ©tabtgemeinbe S. 


2 . 

Purausfe^rnngen einer auf ber $ritmtnJohltätigkeit br= 
rnlje»ben Stiftung im Sänne bes Urt. 8 Jiff. 13 bes 
(giukommenfleuergere^es nnb bes Uri. 6 Jiff. 12 
bes ^apilaljlenergefeheü. 

'Sie ©rünbe befagen : 

I. Ser Sanbfdjaftlidje $auSarmenfonbS ju ©d). ift 
eine non ber ©räfin SJiaria 2lnna Vtonica, SBitroe beS 
9ieid)3erbtruchfeffen unb ©rafen Seopolb 2luguft ju 3fr. unb 
Sr. burd) Seftament nom 29. 9Härj 1775 inS £eben gerufene 
unbeftrittenermafjen rechtsfähige (Stiftung im ©inne 
beS 2lrt. 3 1 3iff. 2 beS ÄapitalfteuergefetjeS- Sie Stiftung 
ift baju beftimmt, bafj ber SfahreSertrag beS ©tiftungSoer* 
mögenS jur Verteilung an bie fogenannten .fjauSatmen ber 
jur ehemaligen £anbfd)aft 3*- 5 ©<h. unb S. gehörigen, inS* 
gefamt 26 ©emeinben jeioeils nermenbet roerben foll. 

Sie Verroaltung ber ©tiftung liegt jur (in ftnn* 
gemäßer 2luSfül)tung beS SBiUenS ber ©tifterin) in ben 
$änben eines unter bem gemeinfchaftlidjen Vorfitj beS 33e* 
jirfsbeamten unb beS ©tabtpfarrerS non ©ch- auS ben toelt* 
liehen Vorftehern ber jur ehemaligen ©raffchaft 5r.=©cf). unb 
S. gehörigen Orte beftehenben ©efamtauSfchuffeS. ©eit 1852 

5* 


Digitized by Google 



68 


©ntfcfjcibuiigen beS äSertoaltung8geri<f|t$liof0. 


befielt neben bem ©efamtauSfctpf) ein engerer, au§ fed)§ 
SJHtgliebern einfd)Iie|Itcf) be§ OberamtmannS unb be§ Stabt* 
pfarrerS non <3d). frei) pfammenfetjenber 93erroaItung§au§* 
fc^ujs mit ben au§ 2lrt. 46 be§ ©efetjeS oom 21. 9Jtai 1891 
betreffenb bie Sßerroaltung ber ©emeinben, Stiftungen unb 
ülmtSförperfSaften ftd) ergebenben Sefugniffen. §ür alle 
mistigeren Slngetegen^eiten ift ber fürftlicljen StanbeSljerr* 
fSaft 21). unb 2. als ber 9ted)t§nacl)folgerin ber ehemaligen 
©runbfjerrfdjaft Jr.=Scl). ein 9Jtittoirfung§red)t eingeräumt, 
welches burd) einen $8eoo(Imächtigten, ben „fürftlicfjen Äom* 
miffär" auSgeübt roirb. (3u oergl. $eftfd)rift pr 100jährigen 
Jubelfeier ber Stiftung beS Sanbfdpfttichen 4)auSarmen* 
unb SdjulfonbS p Sdjeer, »on ©dpelt; ©igmaringen 
1874.) 

II. Unter Berufung auf 2lrt. 6 Jiff. 12 beS Kapital» 
fteuergefeljeS t)at namens ber Stiftung ber 23erwattung§* 
auSfSufj infoweit, als bie .fapitaljinfen beS StiftungSoer* 
mögend für bie Jmecfe ber 2Bot)ltätigfeit wirtlich oermenbet 
werben, Äapitalfteuerfreil)eit für fiel) in 2lnfprucf) genommen 
unb im 93efd)merbemeg um entfprechenbe Utichtigftetlung beS 
©teueranfatjeS gebeten. 2)aS Sgl. ©teuertollegium t)at jeboef) 
mit ©ntfSeibung oom 16. Jebruar 1907 bie hierauf ab* 
jielenbe 39efcf)merbe al§ unbegrünbet abgeroiefen, unb baS 
J?gl. Jinanptinifterium ift mit ©rlafj oom 30. 2ttai 1907 
auf erhobene ipeitere SSefSmerbe ber ©ntfSeibung beS Stgl. 
©teuerfollegiuniS beigetreten, inbem eS baoon auSging, bafj 
nach ben ftänbifdjen Sßerhanblungen p 2Irt. 6 Jiff. 12 beS 
StapitalfteuergefeijeS unter ben auf ber s ^rioatroot)ltätigteit 
berutjenben Stiftungen foldje Stiftungen, welche unter öffent* 
lieber 93ermaltung fielen, nicht oerftanben werben tonnen, 
im oorliegenben Jalt aber eine öffentliche SBermaltung beS* 
halb oorliege, weil als SBerwaltungSbehörbe ber Stiftung 
bie OrtSoorfteljer ber an bem JonbS beteiligten 26 ©e* 
meinben, ber Oberamtmann oon ©. unb ber ©tabtpfarrer 
oon ©S-, alfo burdjweg ©emeinbe=, Staats« ober Cirdjlirfje 
^Beamte tätig feien, welche burd) itpe amtliche ©igenfehaft 


Digitized by Google 



älorauäfepungen einer auf ber Sßritratmobltätigfeit ber. Stiftung je. 69 

jur SJiitroirfung bei bec StiftungSoerroaltung berufen feien, 
unb roeil aufjerbem bie Oberaufficht über bie Serroaltung 
ber Stiftung einer öffentlichen Söetjörbe, ber ÄreiSregierung 
in U. juftelje, 

©egen bie am 8. Quni 1907 jugeftellte SDtinifterialent* 
fdjeibung h at bet 93erroaltungSauSf<hufj ber Stiftung, ner* 
treten burch bie IRechtSanroälte 9i. unb .fp. in $. mittels eines 
am 17. ^uni 1907 bei bem Ägl. ^inanjminifterium einge- 
tommenen Schriftfal>e§, fomit rechtzeitig unb orbnungSmäfjig 
bie 9iecf)t§befcl)n>erbe an ben Ägl. SerwaltungSgerichtShof 
eingelegt unb bie ^reifteüung oon ber Ä'apitalfteuer in bem 
bejeichneten Umfang beantragt. 

III. ®ie 9ted)t§befd)n)erbe erfd)eint begrünbet. .ßnnächft 
fte^t aujjet bajj eS ftch im oorliegenben gälte um 

eine Stiftung für milbe^roecfe hanbelt. Sobann ift 
ber angefochtenen ©ntfdjcibung barin beijutreten, bafj e§ nach 
ber ©ntftehungSgefchichte ber mafjgebenben gefehlten 93or* 
fcf)riften, be§ 2lrt. 6 Ziffer 12 be§ ÄapitalfteuergefeheS unb 
be§ bamit oöltig übereinftintmenben 2lrt. 8 3iff- I 3 be§ 
©infommenfteuergefeheS jum begriff ber „auf ber s 4Srioat* 
roohttätigfeit berutjenben Stiftungen" nicht genügen fann, 
bafj bie Stiftung bem SBohltätigfeitSaft einer ißrioatperfon 
ihre ©ntftehung uerbanft. @§ ift oietmehr weiter ju forbern, 
bafj bie Stiftung auch nach bem beseitigen $uftanb noch 
immer ber ißrioatmohttätigfeit ju bienen beftimmt ift (zu 
oergl. aud) ®öj, ©infommenfteuergefet} S. 101; ißiftoriuS 
<5. 45 (2. 5lufl.). Solchen Stiftungen, roelche uon einer 
bürgerlichen ©emeinbe ober einer fircfjlichen Seljörbe oer= 
maltet unb beren ©rträge nach bem ©rmeffen biefer 33e= 
hörben ju ^roecfen ber bürgerlichen ober firchtichen 2lrmen= 
pflege oerroenbet roerbeit, foU ebenbeStjalb, roie auch ber Stgl. 
'-ßerroaltung§geri(ht§hof bereits in einem berartigen galt ent* 
fdjieben hnt (SBürtt. Qahrbüdjer, 19. Sb. S. 240/41), ber 
SteuerbefreiungSgrunb beS 'litt. 6 3iff- 12 be§ ÄapitaU 
fteuer*©efet$e3 nicht jugut fommen, felbft roenn fie etwa ur= 
fprünglich burd) priuate SBohltätigteit errichtet roorbcn finb. 


Digitized by Google 



70 ©ntfdjribimgen beS 2krtt)aliimg?gericf)tSl)ofS. 

Mein ju weit geht bie Annahme, unb fte fann jeben* 
fall? in bem oerabfd)iebeten ©efetjeSteyt feine Unterlage ftnben, 
bafj eine Stiftung immer bann fcf)on, wenn fte non einer 
öffentlichen ©ehörbe oerwaltet mirb, außerhalb be§ Greifes 
ber nach 2ltt. 6 $iff. 12 be§ Hapitatfteuer=©efet)eS fieuerlid) 
begünftigten Stiftungen falle. Sßenn bei ben ftänbifchen 
Sßerhanblungen ju biefem fünfte baoon gefprodjen würbe 
(SSerh- ber Äammer ber StanbeSf). 1902 S. 458), bafj e§ 
ficf) bei ber hier in $rage ftehenben ©efeheSbeftimmung „wohl 
um nid)t in öffentlicher Sßerwaltung ftehenbe 2lnftalten" u. f. ro. 
hanble, fo mar bieS — roie ftch au§ bettt gufammenhang 
beutlich ergibt — bod) nur in bem Sinn unb unter ber 
SBorauSfetjung gemeint, bafj bie Sünftalten bejw. Stiftungen 
mit ihrer Uebernabme in öffentliche SBerroaltung aufgehört 
haben roerben, ber iß r i o a t wohltätigfeit ju bienen, unb 
fünftighin für bie ©ebürfniffe ber öffentlid)en5lrmen* 
f ü r f o r g e jur Verfügung ftehen. Unb ganj im ©inflang 
bamit fteht eine anbere Keufjerung, gleichfalls oon feiten 
be§ 53erid)terftatter§ ber Kammer ber StanbeSherrn, e§ feien 
hier Stiftungen gemeint, bie auf ber ißrioatwohltätigfeit jet}t 
noch beruhen, . . . prioatrechtlidje Stiftungen, au§ welchen 
fortroährenb ißrioatwohltätigfeit geübt roirb, womitfei ne§« 
weg§au3gefd)loffen fein folle, b a fj e i n e 93e« 
a u f f i <h t i g u n g burd) öffentliche $8el)örben 
fiattfinben fönne, — eine Auslegung, mit welcher ftd) ber 
StaatSminifter ber ginanjen auSbrüdlich einoerftanben er« 
flärte. (33ergl. SÖerh- ber Äammer ber StanbeSberrn 1898 
S. 901.) 

$n ber £at ift e§ recht wohl benfbar, bafj eine burch 
einen prioaten 2öoi)ltätigfeit§aft in§ Seben gerufene unb für 
milbe 3mede beftimmte Stiftung fabungSgemäfj, fei e§ iwn 
Slnfang an, fei e§ in einem fpäteren geitpunft, burd) eine 
öffentliche $8el)örbe »erwaltet wirb, babei aber bod) nicht 
fowot)l für öffentliche Slrmenunterftühung ober fonftige 
3wecfe öffentlicher Sohltätigfeit, fonbern für irgenb« 
welche nach 3eit unb Umfang im Stiftung§gefcf)äft näher 


Digitized by Google 



SSorauSfefeungeu «in« auf btr 5ßriöattt)o!jItätiflfeit ber. Stiftung :c. 7 1 

geregelte ißrioatmohltätigfeit beftimmt ift. Qn 
einem folgen galle bie Steuerfreiheit au§ Art. 6 $iff. 12 
be§ K'apitalfteuer=©efehe§ lebiglid) mit Vücfficht auf bie 
öffentliche Verwaltung ber Stiftung ju »erfagen, märe tnebet 
mit ^Berufung auf bie @ntftehung§gefd)id)te noch oiet weniger 
nad) bem SSortlaut be§ ®efet)e§ ju rechtfertigen. 

9iun ift oom 93efd)ir>erbeführer geltenb gemacht unb auch 
burd) ben Inhalt bet oorgelegten lebten 3ah«^rechnung be§ 
Sanbfcfjaftlichen £»au§armenfonb§ pro 1. April 1904/1905 
beftätigt, ba£ ber ©rtrag be§ KapitaloermögenS ber Stiftung 
entfpredjenb ber im Stiftung§gefchäft gegebenen ßroecfbe* 
ftimmung auef) jet)t nod) au§fd)lie^ticf> an mirfliche £ a u § = 
arme bet beteiligten, jur ehemaligen 2anbfd)aft 3\=Sch- unb 
2). gehörigen ©emeinben, b. h- ber $auptfad)e nach an 
gamilien, welche burd) Kranfheit ober fonftige Unglücf#fäUe 
in 9Jot ober Vebrängni§ geraten fmb, jährlich jur Verteilung 
gelangt unb bafj ^ßerfonen, welche in bie öffentliche 
gürforge übernommen finb, au§ bem $au§armenfonb§ 
nicht unterftütjt werben, eine bem Stiftungljwecf juwiber* 
laufenbe Verwenbung be§ K'apitaleinfommen§ bet Stiftung 
jur SBefriebigung ber Vebfirfniffe ber öffentlichen, 
bürgerlichen ober firchlid)en Armenpflege alfo nicht ftattfinbet. 

3)a hienud) feftjuftellen ift, bafj bie Stiftung nicht blofc 
in früheren fetten ber ißrioatroohltätigteit, ber fie entflammt, 
gebient h«t, nielmehr mit ihrem Kapitalertrag fortwährenb 
unb gerabe aud) in ber ©egenwart ju .^werfen ber^ßrioat* 
wohltätigfeit nerwenbet wirb, fommt ihr al§ einer auf ber 
ißrinatwohltätigfeit beruhenben Stiftung für milbe ^wede 
ber SteuerbefretungSgrunb be§ Art. 0 Ziffer 12 be§ Kapital* 
fteuer=©efehe§ jugut unb c§ fann bei biefer Sadjlage bie 
non bem Kgl. ginanjminifterium erörterte $rage, ob bie 
Verwaltung biefer Stiftung al§ eine öffentliche Verwaltung 
anjufehen ift, bahingeftellt bleiben. 

Urteil oom 17. Quli 1907 in ber s Jted)t§bef(hn 3 erbefad)e 

beä Banbfchaftl. .jöauäarmenfonbs in 3d). 


Digitized by Google 



72 


Qsntfdjeibungen beS S8enDaItuugagerid)tS()ofa. 


3. 

&tfd)met'i)evtibt bet polhetlidjrn Perfitgungen im 5»inne 
ins § 120 d ber (Srnierbrorbnung. 

9lu§ ben ©rünben: 

I. 3)a3 ft. Oberamt ©. t>at auf ©runb be§ § 120 a 

2lbf. 3 unb be$ § 120 d 2lbf. 1 ber ©eroerbeorbnung am 
12. ganuar 1906 bie 2lnorbnung getroffen: 3)er ftartonage* 
fabrifant ©d). ' n ®- habe bi§ 1. SRärj 1906 in feinem 

gabrifgebäube 9tr. 18 ber SB.ftrajje entroeber bie nörblic^e 
(jölserne ©tocftreppe mit SRiegetroänben oerfeijen, ober aber, 
roenn bieS für feinen ^Betrieb ftörenb fein mürbe, an ber 
roeftlidjen ßangfeite bes> ®ebäube§ etroa am 2. ober 3. gen* 
fter oom Storbenbe ab gerechnet eine eiferne Slottreppe jum 
1. ©to<f unb ®ad)ftod in ber 2Beife anlegen ju (affen, baj} 
»on ben betreffenben genftern au» bie Slottreppe bequem ju 
erreichen ift. Sie biegegen erhobene töefctjmerbe ift junäcbft 
am 14. Sluguft 1906 oon ber ft. ^Regierung be§ Sonau* 
!reife§ unb bei meiterer Verfolgung am 25. SRärj 1907 oom 
ft. SRinifterium be§ gntiern all unbegrünbet jurücfgemiefen 
roorben. Sabei ^at ba§ SRinifterium bem Vefdjroerbefüfyrer 
anbeimgegeben, bie eiferne Slottreppe nad) feiner SQäat)! an 
ber mefttid^en ober an ber öftlidjen ©eite be§ ©ebciube§ an* 
jubringen. ©egen bie ÜRinifterialentfdjeibung ()at gabrifant 
©d). rechtzeitig unb orbnungSgemäfj bie SJed)t3befd)roerbe an 
ben ft'. Vemm(tung§gerid)t§bof eingelegt unb barin au§ge* 
führt, bafj bie it)m aufertegten Verpf(id)tungen im ©efetje 
nicht begrünbet unb ju Unred)t ergangen feien. 

II. Sie oom Vefcbtoerbefühter angefod)tene obrigfeitlicfye 
Slnotbnung ift unjioeifelbaft eine polizeiliche SRafjnabme im 
©inne be§ § 120 d 31bf. 1 ber ©emerbeorbnung. gn bem 
(egten Slbfag biefeS Paragraphen ift ba§ Vefcbmerberecbt in 
2tnfet)ung berartiger Verfügungen erfd)öpfenb georbnet mit 
ben SBorten: „©egen bie Verfügung ber potijeibebörbe fteljt 
bem ©emerbeunternehmer binnen jmei VJodjen bie Vefcfjroerbe 


Digitized by Google 



3um SJegriff beg fttuerpfficfjtigeu SBauberlagerS. 73 

an bie tiöfyere SiermaltungSbehörbe ju. ©egen bie (SntfdE>ei= 
bung ber höheren SJerroaltungäbehörbe ift binnen »ier SBocfjen 
bie Siefdjroerbe an bie gentralbehörbe juläffig; biefe ent* 
f d) e i b e t enbgiilti g". $ieju beftimmt § 26 bec roürtt. 
®oUs.»Serf. nom 26. SJtärj 1892: „®ie nacf) § 120 d bet 
©eroerbeorbnung juftänbige ißolijeibehörbe für bie 2lnorb* 
nung »on Sftafjnahmen im ©inne biefe§ ißaragraphen ift ba§ 
Dberamt. güt bie nach § 120 d Ülbf. 4 juläffigen Sefchroer* 
ben an bie höhere SierroaltungSbehörbe ift bie ffrei§regieruitg 
juftänbig, für bie Sefcfjroerbe an bie 3 en tratbe^örbe ba§ 
SJtinifterium be§ Innern". ®er Söefdjroerbefüfjrer f)at hier* 
nach mit feiner Siefdjroerbe ben gefehmäfjigen ^nftanjcnäug 
eingehalten; biefer enbigt aber in ber SDtinifterialinftanj; ber 
2lrt. 15 be§ @efet}e§ über bie 55erroaltung3recht§pflege oom 
16. ©ejember 1876 erflärt au§brücflicf) in feinet giff. 1 bie 
Slefdjroerbe an ben S?ermattung§gerid)t§t)of für unftattfjaft 
itx benjenigen fällen, in roelcfjen nermöge befonberer gefef}= 
lieber 'öeftimmung einer 33erroaltung§bet)örbe bie e n b g ü l* 
t i g e ©ntfdieibung jugeroiefen ift. <yür ben »orliegenben 
5all t>at bie ©eroerbeorbnung in ber angeführten Sieftim* 
mung bie enbgültige ©ntfcheiöung ber ,3entralbehötbe b. h- 
bent 3Jtinifterium beS Innern jugeroiefen. 2)ie gegen biefe 
©ntfdjeibung gerichtete 9techt§befchroerbe mar baher al§ un* 
juläffig jurürfjuroeifen. 

Urteil »om 12. Quni 1907 in ber 9ied)t§befchroerbefadje 
be§ gabrifanten %. ©cf). in @. 

4. 

Jttut begriff bes Itcuerpflirfjtigm JUanberlagers. 
®ie ©rünbe bemerfen: 

I. ®er Obfthänbler 9t. -Jp. in ©. oerfteigert geroerb§= 
mäfjig in einem für biefen 3roed befonber§ errichteten 9luf* 
tion§lofal auf bem S. 9i.bahnt)of ©ifenbahnroagenlabungen 
non SJtoftobft. üftit einer Verfügung vom 15. 9lot>embet 
1906 hat ba§ ff. ÜÖejirfSfteueramt G. biefe SSerfteigerungen 


Digitized by Google 



74 ©ntfdjeibungen beS SBernjaltungSgerirfjtSfjof«. 

für wanbergewerbefteuerpflichtig crflärt unb oerlangt, bajj 
|j. oon biefett Sßerfteigerungen ber Steuerftelle Slnmetbung 
mache. 1)ie bagegeit erhobene 23efd)werbe würbe am 8. ©e= 
jember 190G oom ft. SteuerJollegium, Slbtcitung für birefte 
Steuern, als recfjttid) nid)t begrünbet abgewiefen; eine wei* 
tere 93efd)werbe hat baS ft. ginanäminifterium mit ber ©nt* 
fdjeibung nom 19. SJtärj 1907 ebenfalls abfdjlägig belieben, 
©egen biefe SJtinifterialentfcheibung, bie bem 23eoollmächtigten 
beS 23efchwerbeführerS, StechtSanroalt ®r. Scf)., im Aufträge 
ber Rotieren ©et)örbe non bem ft', ftameralamt ©. burdt) ben 
sßoftboten am 4. Slpril 1907 jugeftellt morben ift, hat biefer 
S3eöoUmäd)tigte mit einem am 17. Slpril 1907 bei bem ftgl. 
ginansminifterium eingetommenen Schriftfap bie StedjtSbe* 
fdjwerbe an ben ft. 93erwaltungSgerichtShof eingelegt unb in 
einem weiteren Sdjriftfat} bie Aufhebung ber angefochtenen 
©ntfdjeibung beantragt. 

II. .gn formeller ^»infic^t ift bie Süerf>t§befcf)rt)erbe nidjt 
ju beanftanben; bagegen ift ber ft. SSerroaltungSgerichtShof 
in llebereinftimmung mit ben ©rünben ber angefochtenen 
@ntfd)eibung bet Slnfidjt, bafs bie in Jrage ftebenben Obft* 
»erfäufe beS 23efchwerbefüf)rerS bie rechtlichen Slterfmale ber 
Unternehmung eine§ SBanberlagerS im Sinne beS 2lrt. 18 
beS SBanbergewetbefteuergefetjeS oom 15. $ejember 1899 
aufmeifen unb baher ber SBanbcrgewerbefteuer nach bet £atif* 
Stummer 4 beS genannten ©efepeS unterliegen. ®ie ©in* 
reenbungen, bie hiegegen mit ber StechtSbefdjwerbe geltenb 
gemacht merben, fönnen als ftic^Ijaltig nicht erachtet werben. 

1. Stach bem SBortlaut beS 2lrt. 18 2lbf. 1 beS ®e* 
fetjeS, ber ben begriff beS fteuerpflicfjtigen SöanberlagerS 
feftftellt, ift hicju baS $ e i 1 b i e t e n oon Söaren erfor* 
berlid); bemgemäfi bejeid)net auch ^> er 2-arif in Stummer 4 
als ©egenftanb ber Öefteuerung baS ^eilbieten oon SBaren; 
bagegen fept bie Steuerpflicht nicht oorauS, bap ein SBaren* 
lager im ganjen feilgeboten werben mufj; ber Skfchwerbe* 
führet hat bamit, bafj er in feinem SluftionSlofal gewetbS* 
mäfjig SBagenlabungen oon Slioftobft auSgeboten unb oer* 


Digitized by Google 



3utn Scgriff be« fttutröRicfitigcit SBanberlagerS. 75 

lauft h«t, ben gefeßlichen $atbeftanb erfüllt. 

2. Stad) bern genannten 2lbf. 1 bei 9lrt. 18 ift ein 
fteuerpflichtigei SBanberlager bei bem 3utreffen b er fonftigen 
S3orauifetjungen anjunehmen, roenn „bie SBaren, gleidioiel 
ob jum ©erlauf aui freier $anb ober im ffiege ber 93er* 
fteigerung feilgeboten roerben"; biefe 2lrt bei ^eilbieteni liegt 
auch oor, roenn ein Kaufmann al§ Untemebmer bei SBanber* 
lageri bie 93erfteigerung leitet ohne Stüdficßt barauf, ob er 
ftcf) geroerbimäßig mit 93erfteigerungen befaßt unb ob er oon 
einer 93eßörbe ali ©erfteigerer beftellt ift ober nicht. 2lui 
ber im 9lbf. 1 bei 9lrt. 18 enthaltenen 93eftimmung bei 
©egriffi bei fteuerpflicßtigen Söanberlageri ergibt fiel), baß 
fiel) im 2lbf. 4 bei 9trt. 18 ber Sluibruct „©erfteigerer" auf 
alle fßerfonen beließt, bie ftd) bei ber Unternehmung einei 
SBarenlageri im ©inne bei 3lbf. 1 mit ber 93erfteigerung 
ber babei in ©etracßt fommenben Söaren befaffen. ®en ©e* 
fdßtüerbeführer fann fomit ber Umftanb, baß er nirf)t ge* 
roerbimäßiger 93erfteigerer ift, oon ber SBanbergeioerbefteuer* 
Pflicht feinei Söarenlageri nicht befreien. 

8. 35ie ©teuerpflicht trifft nach bem ©efeß benfenigen, 
welcher bie 9Baren aui bem SÖanberlager feilbietet. ®ai 
prioatrechtliche 93erhältnii, in roelchem ber geilbietenbe ju 
benjenigen ©erfonen fteht, oon melchen er bie Söaren er* 
halten hat, lornmt für bie ©teuerbehörbe regelmäßig nicht 
in ©etracßt; inibefonbere ift ei burcßaui gleichgültig, ob ber 
geilbietenbe oerpftichtet ift, bie 9öare öffentlich ju oerfteigern 
ober auch in ber Sage märe, fie auf anbere SBeife ohne bie 
©egrünbung einei Söarenlageri ju oeräußern. 3)ai ©efeß 
Inüpft bie ©teuerp fließt an beftimmte äußerlich erlennbare 
Satfacßen unb biefe lagen, roie in ber angefochtenen @nt* 
feßeibung jutreffenb auigefüßrt ift, bei ben Cbftoertäufen bei 
93efd)toerbefübreri oor. 

Urteil oom 12. $uni 1907 in ber 9ted)tibefd)roerbefa<he 

bei Äaufmanni 5t. in ©t. 


Digitized by Google 



76 


(Sntidjeibungen beä SfermaltunflSgeridjtSijof*- 


5. 

gönnen ©rnnöbrfther imrd) ©risbnufiatnt gejmnngrn 
merben, auf ifjren ©rnnöflndteu öfjne Hbftanb in un= 
unter bradj etter $et|je ?u bauen? 

®iefe ^rage roirb oerneint mit folgenber $8egtünbung: 

I. ®urd) 9flinifterialentfd)Iiefjung oom 23. 9tooember 
1905 finb bie uon ben ©emeinbefollegien in ©. jur 2fbän= 
berung unb ©noeiterung be§ Stabtbaupfan§ in ben ©eroam 
ben Ä'ornbcrg, So^ert, fRofenbergfe, fßorfteig, ^lecfetfjafben, 
SBlanfentjorn unb ©teinenf)aufen burd) bie $8efd)lüffe in ben 
Sagten 1902 — 1905 feftgeftellten SQauIinien unb SJifiere nebft 
SBorgärten genehmigt roorben nad) 9Jtafjgabe be§ 2agepfan§ 
oom Sufi 1903/3. Februar 1905 unb be§ 2ageplan§ nom 

3. Sebruar 1905, foroie ber baju gehörigen tabellarifcf)en 
Ueberfidjt oom 5. Sejember 1903/6. $uli 1905. Sejüglid) 
ber % . . ft r a fj e mürbe babei beftimint : „bie S . . . ftrafje 
roirb non ber 2 . . . ftrafje an au§märt§ au§ bem ©tabt= 
bauptan entfernt unb auf ber ©treefe oon ber 2 . . .= bi§ 
jur ©cf).. .ftrafje burd) eine 18 m breite ©trajje mit metjr* 
fad) gebogener 9ticf)tung erfetjt. Stuf ber norbroeftfid)en 
©eite ber 2 . . . ftrafje gegenüber bem angebauten inneren 
Seif ber 3 . . . ftrafje ift ein fleiner öffentlicher ißfatj mit 
29 m 2änge unb 20 m Siefe oorgefefjen". 

SJiit ©rlafj be§ 5?. SflinifteriumS be§ Qnnern »om 28. 
Sejember 1906 mürbe fobann ben 33efd)lüffen ber bürgerli= 
djen Kollegien oom 23. S e &tuar 1905/9. 9Jtärj 1905 unb 
11. Qanuar/8. gebruar . 1906 entfpredjenb genehmigt, bafj 
an ben biefen s JUat$ gegen 9torbroeften unb s Jtorboften be= 
grenjenben ©auliniett nad) Sftafjgabe ber mit ©rlafj oom 

4. Oftober 1906 für bie gleiche s -8auroeife an ber ^ . . ftrafje 
genehmigten befonberen ©eftimmungen (§§ 40 2lbf. 4, 44, 
47 2lbf. 1, 60 2lbf. 3, 69 be§ ©. Ort§bauftatut§ in ber für 
ba§ 53augebiet ber |j . . . ftrafje unb einiger roeitcrer Strafen 
in beren Umgebung geänberten Saffung) in gefdjloffener 9teif)e 


Digitized by Google 



Rönnen ©rtmbbefifcer burd; OrtSbauflatut geswungen werben k . 77 

ju bauen ift, aber ohne bafj nach § 40 2Ibf. 4 beS OrtSbau* 
ftatutS eine SluSnahme non bet gefdjtoffenen ©auroeife ge* 
ftattet fein fotl. 

©egen ben ©efdjlufj ber bürgerlichen fi’oüegien oom 
22. SJIärj 1906 hat bet oon feiner 9J?utter, g. SR. SBitroe, 
als ©igentümerin be§ ©runbftücfS 7761/1, am 20. SIpril 1906 
orbnungSmäfjig beoollmädjtigte ©obn, 9iegierungSbaumeifter 
5- 91t. in ©. am 30. 9lpril 1906 friftjeitig ©infpradje er* 
hoben, roelche bie bürgerlichen Kollegien mit ©efchtufj oom 
7. 3nni 1906 jurüctiuiefen unb bie baS 9)tinifterium be§ 
Innern in bem genannten ©rlafj oom 28. Dejember 1906 
ebenfalls abroieS. 

2luf bie am 30. 9Jtar} 1907 burch baS ©tabtfchult* 
heifjenamt erfolgte ©röffnung biefer 9Jtinifterialentfd)eibung 
reid)te 9Jt. am 8. Slpril 1907 9ted)tSbefd)roerbe bei bem 
©erroaltungSgerid)tShof ein. 

II. ®ie ©efd)roerbe ridjtet fid) gegen bie 9tedjtmäf)ig* 
feit ber ortSbauftatutarifchen ©orfdjrift infomeit, als bie ©e* 
fdjroerbefühterin burch biefelbe im f^aOe ber ©rbauung non 
©ebäuben auf ihrem ©runbftücf 7761/1 gejroungen fein 
fotl, biefe ©ebäube ohne Slbftanb in ununterbrochener 9ieihe 
aneinanber ju bauen. 

Die neue allgemeine ©auorbnung oom 6. Oftober 1872 
orbnet in ihren SSorfctjriften nirgeubS bie offene ober ge* 
fdjtoffene ©auroeife unmittelbar an, fie befdjränft ftd) oiel* 
mehr mit 2trt. 28 21bf. 1 auf bie ©orfdjrift, baf? jeber ©au 
fo angelegt toerben muff, ba$ im ffaHe beS ©ranbeS für bie 
geuerlöfch* unb 9tettungSanftalten ber erforberliche Staunt 
gegeben ift. Ob bieS baburd) gefdjieht, bafj in Slbftänben 
gebaut roirb (offene ©auroeife) ober baburd), bafj unter £>et* 
ftellung ber erforberlidjen $u* ob« Durchfahrten baS un* 
mittelbare ülneinanberreihen ber ©ebäube jugetaffen roirb 
(gefchloffene ©auroeife), roirb ber Slnorbnung im einjelnen 
gall ober ber ortSbauftatutarifchen 9Sorfcf>rift überlaffen (§ 23 
ber ©otljugSoerfügung oom 23. Stooember 1882 unb 91rt. 28 
2lbf. 3 ©0.). ^>infid)tlich ber Slbftänbe befdjränft fid) bie 


Digitized by Google 



78 ®ntfcf)eibiingen b«8 SemaItu«g8geridf)t8f)of8. 

33auorbnung barauf, bet $euerfid)erl)eit wegen für beftimmte 
Slbftänbe beftimmte Bauarten au§jufd)liefjen ober uorjufdjrei* 
ben (2lrt. 37, 40, 41, 43), überläfjt e§ aber aud) t)ier ben 
Ort§bauftatuten, inforoeit al§ allgemeine polijeilidje 9iü<f* 
ftdjten e§ erforbem, in 33ejief)ung auf bie ©ebäubeabftänbe 
unb beren ©röfje weitere 33eftimnmngen ju treffen, bie b a § 
i m © e f e ß »orgefd>riebene ÜJt a fj überfdjrei* 
ten (3lrt. 28 3lbf. 3). 

33 i ß e r , Sauorbnung, Slnmerfungen ju Slrt. 28, ©eite 
277 ff, 

3lu§ 2lrt. 28 läfjt fid) fyienad) jwar wot)l bie SWögtid)* 
feit ber 3 u l a f f u n g ber gefd)loffenen 33auweife ableiten, 
feine§fall§ aber bie 9Jtöglid)feit eine§ 3*®ange§ ju ber* 
felben. ®enn nacf) 2lrt. 28 liegt bem ©runbeigentümer nur 
bie 33erpflid)tung ob, für bie entfprectjenbe 3 u 9öngtid^feit ju 
forgen, im übrigen fann er fid) beliebig non ber 9tad)bar* 
grenje entfernt galten, fofern er nur ni$t unter ba§ aftafj 
ber gefetjlid) ober ftatutarifd) oorgefdjtiebenen Slbftänbe l)er* 
abgebt. 

3lnber§ ift bie§ oorgefetjen in bem ©ntwurfe einer neuen 
Sauorbnung. $n jurn @rfatj be§ 2lrt. 28 ber gelten* 
ben 33auorbnung beftimmten 2lrt. 29 be§ ©titwurfe§ ift ganj 
allgemein oorgefcfjtieben, bafj burd) 23erorbnung ober Ort§= 
bauftatut über bie ©in^altung fcitlidjer 2lbftänbe ber $8or* 
bergebäube 33eftimmungen getroffen werben fönnen, unb in 
ber 33egrünbung be§ ©ntwurfS ift au§gefüf>rt, bafj e§ fid} 
hier tjauptfädjlic^ um 33eftimmungen über offene ober ge* 
fdjloffene 33auweife Ijanbte. 

Sßerbanblungen ber Kammer ber 3lbgeorbneten 1907, 
33eil. 33b. II, £eft 1, ©. 78 unb 153 ff. 

®a§ SJUnifterium be§ $nnetn ftüßt benn aud) bie 
angefodjtene SBerfügung nic^t auf 2lrt. 28, fonbern auf 2lrt. 
46 2lbf. 1 330., welcher lautet: 

„3n ©täbten oon größerer 33ebeutung unb in folgen 
Orten, bei welchen eigentümliche Sier^ältniffe jutreffen, bleibt 
ben OrtSbauftatuten oorbefyalten, über bie Slnorbnung be§ 


Digitized by Google 



Sonnen ©runb&efifcer burdj Ortäbauftatut gegwungen Werben zc. 79 


Sleufjeren bcr ©ebäube Sorfcfjriften p erteilen." 

®afj au§ biefer ©efeheSbeftimmung, bie fid) ihrem SBort* 
laut nach lebigltcf) auf bie äufjere 2lu§geftaltung ber einjelnen 
©ebäube bejief)t, nid)t bie allgemeine SefugniS pr prnngS* 
weifen Durchführung ber gefdjloffenen Sauweife abgeleitet 
werben fann, liegt ohne weiteres !lar. @S ift bieS aber 
aud) ber Stellung, bie 2lrt. 46 in bem „non ber Slonftruftion 
ber Sauten" Ijanbelnben britten Kapitel ber Sauorbnung 
gefunben ^at, unb ber ©efetjeSbegrünbung p entnehmen, 
nad) ber e§ fid) bei 2lrt. 46 wefentlid) um bie fdjön^eitlic^e 
2Birfung ber ©eftalt unb beS 2teufjeren eines einzelnen Sau* 
wefenS, nid)t um beffen 2lbftanb oon s J!ad)bargebäuben 
hanbett. 

S i h e r , a. a. 0., ©. 6, 2lbf. 3. 

Diefe 3luffaffung bes 3lrt. 46 foinmt aud) in bem @nt* 
wurf ber neuen Sauorbnung infofetn pm SluSbtud, als 
hier bie gefetjlicfje ©runblage für ben Reihenbau nid)t mit 
bem pm ©rfat) non 2lrt. 46 beftimmten 2lrt. 55, fonbem 
mit bem pm ©rfah uon 2lrt. 28 beftimmten 2lrt. 29 ge* 
geben werben fotl. 

DaS 8. SJiinifterium beS Qnnern will nun allerbingS 
auS 2trt. 46 aud) nicfjt eine foldje allgemeine SefugniS, fon* 
bem nur bie ©rmädjtigung ableiten, bie gefdjloffene Sau* 
weife auS fdjönfjeitlidjen 9iüdfid)ten für Sauftreden oon 
mäßiger SluSbelpung oorpf Treiben. SIber aud) bieS ift 
nicht p rechtfertigen. 'Senn aud) für eine berartige bebingte 
©rmädjtigung fann, ganj abgefeljen baoon, bafj bie Umgren* 
png einer fold)en nur fdjwer p finben wäre unb bafj fie 
im ©rofjen unb ©anjen tatfäd)Iirf) auf bie unumfdjränfte 
SefugniS jur jwangSweifen 2lnorbnung beS 9teil)enbauS 
hinauslaufen müfjte, eine gefehlte ©runblage in 9lrt. 46 
nicht gefunben werben. SEBenn bie ©efetjeSbegrünbung ba* 
oon fpricf)t, eS fönnen auf ©runb beS 2Irt. 46 ba, wo be* 
fonbere örtliche Serhältniffe ein SebütfniS fühlbar machen, 
in 2lbft«ht auf baS Sleufjere, inSbefonbere bie Sänge, Diefe, 
©todwerfphl u. f. w. ber ©ebäube in ben OrtSbauftatuten 


Digitized by Google 



80 ©ntfc^eibimgen beä S3ertoaItung8geridjt8!ji>f8. 

bie entfpredjenben Sorfdjriften erteilt roerben, unb roenn 
f)ienad) an beti ©runbftücf§eigentümer aud) 9Infprüd)e t)in* 
fidjtlid) be§ Umfang§ be§ einjetnen ©ebäube§ geftetlt roerben 
fönnen, fo ift bod) in feiner SQBeife erfidjtticf), bafj er auf 
©runb be§ Strt. 46 aud) in ber SBeife in feiner Saufreil)eit 
eingefdjränft roerben fönnte, baff bie Sermeibung oon Slb* 
ftänben non ben 9?ad)bargrunbftücfen oon it)m »erlangt roer» 
ben bürfte. ®a bie Sauorbnung im aßgemeinen baoon au§* 
get)t, bie ©ebäubeabftänbe ju begünftigen, fo ntufj angenom» 
men roerben, bafj bie ©efet)e§begrünbung, f)ätte fte bent Strt. 
46 Stbf. 1 eine folcfje £ragrocite beigemeffen, bie§ aud) au§= 
brücfticf) ermähnt t)ätte. 

Stuf Strt. 46 ber Sauorbnung fann bie angefocfytene 
Serfügung aber and) be§t)atb nid)t geftütjt roerben, roeil nad) 
ber aulbrücflidjen Seftimmung be§ Strt. 28 2tbf. 2 SO. 
aufjer Strt. 28 Stbf. 1 für bie ©ntfernung ber ©ebäube »on 
einanber im angemeinen nur bie Seftimmungen be§ Strt. 9, 
30 unb 39 Stbf. 2 unb bie Sorfdjriften über bie Sauart 
ber ©ebäube (Strt. 37, 40, 41, 43) mafjgebenb fein foßen 
unb ben Ortäbauftatuten nad) Strt. 28 Stbf. 3 nur »orbe= 
galten ift, in Sejietjung auf bie ©ebäubeabftänbe unb bereu 
©röfje roeitere Seftimmungen ju treffen, bie ba§ in bem 
©efet) »orgefdjriebene SRafj überfcfyreiten. Stuf Strt. 46 ift 
f)ier fein Sejug genommen unb e§ ift batjer au§gefd)toffen, 
auf itjn überhaupt bie ©rmädjtigung ju abroeidjenben Se* 
ftimmungen tjinftdjttid) ber ©ebäubeabftänbe ju ftütjen. 

Sermag fid) Ijienad) bie angefodjtene Serfügung be§ 
Ä. 9Rinifterium§ be§ Innern nid)t auf bie Seftimmungen ber 
Sauorbnung ju grünben, fo roat fte, al§ bie Sefdjroerbe» 
fütjrerin in ifjrev Seredjtigung, auf it)rem ©runbftücf inner» 
t)alb ifyrer @igentum§grenje nad) ifyrem ©rmeffen ju bauen, 
ju Unrecht einfcf)ränfenb, aufjer SBirfung ju fetjen. 

Urteil »om 17. Quti 1907 in ber 9ted)t3befcf)roetbefad)e 

ber §rau $r. SR. Sötro. in @t. 


Digitized by Google 



SHagredfjt be§ ©tra&enanliegtrS auf tperfteHung ber Strafe. 81 


6 . 

füagreiijt brs 3>trafjemmlirgers auf örislumplantttäßigj 
$er|lrUung ber Sitrage. 

Ueber bie £ragroeite eines folgen SlagredjtS fpredjen 
ftrf) bie ©rünbe folgenbermagen auS: 

I. 2)er Kaufmann 91. in ©. ifi (Eigentümer ber ©e= 
bäube 9tr. 16, 16a, unb 18, 18a ber 5... [trage, foroie beS 
©cfgebäubeS 9tr. 195 ber © . . . [trage. 3)ie % . . . ftrage ift 
non igrem 93eginn an bem ©cfgebäube 9tr. 195 ber © . . .= 
[trage entlang ben ©ebäuben 16 mit 16a unb 18 mit 18a 
unb nod) runb 140 m barüber t)inau§ bis ju ben ftäbti* 
fcfjert Einlagen oot ber s Ift . . . firdje in einer 93reite non 
14,32 m ortSbauplanmägig Jjergeftetlt. ©ie ift etioa 50 m 
uon bem ©ebäube 9tr. 16 entfernt burdj bie jimfdjen bem 
Ä.'-©pmnafium unb ber 9JI . . . firdje fidj Ijinjiefjenbe ©trage 
ortSbauplanmägig mit ber X . . . [trage oerbunben. 33on 
bem beginn ber ftäbtifcgen Slnlagen uor ber 911. . . firdje bis 
ju igrcr ©inmünbung in bie . . . [trage ift bie g... ftrage 
auf runb 90 m Sänge bis jetjt nur 5—6 m breit fjergeftellt. 
2)a fidj bie ©tabtgemeinbe bem Slnfinnen beS 9t. gegenüber, 
bie ©trage aucfj auf biefer ©trecfe in ber oorgefegenen Sreite 
non 1 1 m ortSbauplanmägig Ijerjuftellen, ableljnenb »erhielt, 
erhob biefer am 25./26. ^uli o. Q§. bei ber $?. 9tegierung 
für ben 9tecfarfreiS oerroaltunglgeridjtlidje Älage gegen bie 
©tabtgemeinbe ©. mit bem Antrag, ju erfennen, bie $e= 
flagte babe bie in bem DrtSbauplan ber ©tabt ©. »orge* 
fegene g . . . ftrage »odftänbig berjuftetlen. 

®ie Seflagte beantragte Slbroeifung ber Älage. 91m 
22. ®ejember 1906 roieS bie ÄreiSregierung bie Älage t»e= 
gen mangelnber affiner ©adjlegitimation ab. 3tuf bie ©rünbe 
beS ben Parteien am 19. Januar jugeftellten Urteils roirb 
biemit oertüiefen. 

2lm 30. Januar 1907 bat ber fdjon für bie I. ^iiftang 
orbnungSmägig beootlmädjtigte 93ertreter beS ft'IägerS, 9tedjtS= 

ftalitbiidjer ber äBürtttmb. SKdjtSpfltßt. XX. i. 6 


Digitized by Google 



82 


@ntfd)eibungen b ei S8ertoaUung§gerid)tgf|of3- 


anroalt SR. in ©., gegen biefeS Urteil Berufung erhoben mit 
bem Antrag, unter Slbänberwtg be§ angefochtenen Urteils 
ju erfennen, bie SBeftagte habe bie in ihrem Ortsbauplan 
»orgefeljene $ . . . ftraße »oüftänbig herjuftellen. 

$ie SBellagte beantragt foftenfätlige ,3urüc!r»eifung ber 
^Berufung. 

II. 2)er rechtzeitig unb formrichtig eingelegten Berufung 
mar ber ©rfolg ju oerfagen. 

3lrt. 13 Slbf. 1 unb 2 ber allgemeinen SBauorbnung be- 
stimmen : 

„$ie ^erftellung ber burch öffentliches SBebürfniS ge= 
forberten OrtSftraßen unb öffentlichen Spiähe foroie bie Un= 
terhaltung berf eiben liegt ber ©emeinbe ob." 

„®ie SBorauSfeipingen , unter roelchen jene ^erftetlung 
al§ butd) baS öffentliche SBebürfniS geboten erscheint, fönnen 
im DrtSbauftatut näher beftimmt roerben; jebenfallS aber ift 
bie ©emeinbe ju ^erftellung ber im Ortsbauplan »orgefehe* 
nen ©tragen »erpßichtet, roenn unb foroeit an folgen neue 
ober ältere ©ebäube in regelmäßiger an bie ©ebäube 

beftehenber ©traßen fich anreihen." 

Sie SBorfchriften beS Slbf. 2, ©ah 2 finb ohne ioeite= 
res für bie ©eflagte gültig, ba für fie befonbere ortSftatu* 
tarifd)e SBorfchriften nicht getroffen finb. 

darüber, baß bie ©emeinben bie ihnen hier auferlegten 
öffentlichen SBerbinblichfeiten erfüllen, ha&en nach ber be- 
ftehenben ©efetjgebung bie ftaattichen SluffichtSbehörben ju 
machen. 

gleifchhauer, SBermaltungSebilt »om 1. 3Rärj 1822, 
§ 112, ©eite 149; 

©rlaß b e S Ä. 3R i n i ft e r i u m S b e S Qnnern 
»om 5. Oltober 1875, 3Rin.3l.SBl. 1878, ©. 342; 

© n t f d) e i b u n g b e S Ä. 9R i n i ft e r i u m § b eS In- 
nern »om 1. SRooember 1902 in Söofdt>er§ $eitfchrift 
1903, ©eite 183; 

©emeinbeorbnung »om 28. ^uli 1906, 3lrt. 186 
ß. 2 unb 3lrt. 194. 


Digitized by Google 



Jtlagrecfjt be§ Stragenaulitgerä auf ^erftettung ber ©trage. 83 

SRacf) allgemein anerfannter 2luffaffung fjat aber baS 
©efet) mit 2lrt. 13 2lbf. 2 binauSgefyenb über einen nur 
burcf) Anrufung ber 3Iuffid)tSbel)örben ju oerroirflid)enben 
Qntereffenfcfjut) bem einjelnen ©trafjenanlieger ein im Ber* 
roaltungSredjtftreit oerfolgbareS fubjeftineS 9Ied)t auf |>er* 
ftellung einer im Ortsbauplan aufgenommenen OrtSftrafje 
eingeräumt. 

|>of)l, BermaltungSrecbtSpflegegefet), ©. 50 unb 131; 
©atmet), OeffentlidjeS 9lecf)t, ©. 596; 

©öj, BerroaltungSred)t§pflege, S. 295 uttb 394; 
©ntfdjeibung b e § St. SJUniftcriumS b e S 
Qnnern nom 6. ütooember 1902, Bofd)er a. a. C. ; 

Begrün buug jumSntrourf einer neuen 
Bauorbttung, Berljanblungen ber Stummer ber 3lb* 
georbneten 1907, Beil. Bb. II, ©. 119. 

Sie Buftänbigfeit ^ cr BerroaltungSgericfjte jur Berljanb* 
lung unb <$ntfct»eibung über ben oon bem Stläger als 2ln* 
lieget ber % . . . ftrafje erhobenen Slnfprud) auf bie ooüftän* 
bige ortSbauplanmäfjige £>erftellung biefer ©trafje ftet)t bem* 
nad) aufjet groeifel. 2öenn bie Beflügle biegegen geltenb 
mad)t, ber ftrittige Seil ber § . . . ftrafje fei nod) gar nidjt 
als Bauftrafje feftgeftellt, fo beftreitet fie bamit nid)t eine 
formale, fonbertt eine fad)lid)e BorauSfetjung. ber erhobenen 
Älage, beten 3utreffen übrigens bal)ingeftellt bleiben fann, 
ba fid) bie ©ntfdjeibung auS einem anbern fßunft ergibt. 
Sie Beflagte mad)t nämlid) roeiter geltenb, bamit, bajj fie 
bie % . . . ftrafje oor ben ©ebäuben beS Klägers ortsbau* 
planmäßig f)ergeftellt unb an bie © . . .= unb bie S . . .* 
ftrafje angefdjloffen Ijabe, fei fie ihrer Berpflicbtung auS 
2lrt. 13 2lbf. 2 gegenüber bem Kläger noüftänbig ttacbge* 
fommen. Stuf bie roeitere Surdjfübrung ber 3 . . . ftrafje 
habe berfelbe fein 9ied)t. hierin ift ber Beflagten beijutre* 
ten. 3lrt. 13 Slbf. 1 unb 2 oerfolgett einmal ben 3roecf, 
bie reebtseitige ||>erftellung ber im allgemeinen BerfebrSbe* 
bürfniffe etforberlidjen OrtSftrafjen ju ftdjern, fobann ben 
roeiteren 3ro e <t bem einjelnen Anlieger an einet im Orts* 

6 * 


Digitized by Google 



84 


(Sntfdjeibungen beg SSem>aItung$geri(f)t«Ijof8. 


bauplan oorgefchenen ©trafje burdf) bercn ortibauptanmäfjige 
$erftellung ben Vertetjr auf biefer ©trafje unb oermittelft 
betfelben mit ben übrigen Ortzeiten ju ermöglichen. Veiben 
3n>ecfen ju genügen ift bie ©emeinbe oerpflichtet unb ^in= 
ftd)tlid) beiber unterliegt fte ber 2Xuffirf)t§geroatt ber ©taati* 
behörben. ®em rechtlichen ßugriff bei einjelnen Slnliegeri 
unterliegt fie aber nur inforoeit, ali ei fich um bie S3efrie= 
bigung bei jroeiten .3tDedi hanbelt. SEBeber ber SBortlaut 
bei ©efet$ei, noch bie ©efepeibegrünbung ober bie bei feiner 
©rtaffung gepflogenen Vertjanblungen 
(93 i ^ e r , Vauorbnung, ©. 167 ff.) 
berechtigen ju ber Sinnahme, bafj mit bem illagerecht bem 
einzelnen Slnüeger §ugleicf) bie 2Baf)rung bei öffentlichen 93e= 
bürfniffei, foroeit ei nicht mit bem feinigen jufammenfäUt, 
habe übertragen rcerben roollen. ©benfomenig läjjt fich eine 
foldje Sinnahme begriinben auf bie Sluiführungen oon ©ar= 
tu e p unb oott © ö j a. a. D., bai Ä. SBtinifterium bc§ Qn* 
nern aber hat fich mit ber angeführten ©ntfcheibung oom 
6. 9tooember 1902 auibrüdlich auf ben ©tanbpunft gefteüt, 
bafj bie SBaljrung bei öffentlichen Vebürfniffei Sache ber 
SluffichtSbehörben, bie Verfolgung bei Vebürfniffei bei ein* 
jelnen ©trafjenanliegeri aber beffen ©ache auf bem 2Beg 
ber oerroaltungirichterlichen $lage ift. 

$afj nun fein Vebürfnü bie ©rbreiterung be§ ftrittigen 
£eili ber ^ . . . ftra^e auf 11 m bebinge, h at ber Kläger 
nicht ju ermeifen oermocht. gür bie unmittelbare Venüpung 
ber 5 . . . ftrafje oor ben ©ebäuben bei Sllägeri ift ber Q\i~- 
ftanb bei ftrittigen Eteili ber % . . . ftrafje fdjon roegen feiner 
©ntfernung gänjlich unerheblich- ®r ift aber aud) nicht 
oon roefentlidhem ©influfj auf ben Verfel)r oon unb ju ben 
©ebäuben bei Sllägeri. $ür biefen ift burd) ben unmittel* 
baren Stnfchlufj ber $ • • • ftrafje an bie © . . . ftrafje unb bie 
©rfdjliefjung ber E£ . . . ftrafje mittelft ber Duerftrafje jroifchen 
Sl.=©pmnafium unb 3Jt . . . ürdje hiaceichenö geforgt. 

Urteil oom 17. Quli 1907 in ber Veruf.=©acf)e bei 
Staufmanni @. 9t. in ©t. gegen bie ©tabtgemeinbe ©t. 


Digitized by Google 



2>er Ülnfpnid) auf ©rfa& üon ©tra&enfjerfiellungSfoftcn zc. 85 


7. 

Per pnfprndj einer ©enteiube auf ©rfnh non straften' 
herßeUnngshoßen unterliegt nidjt ber mcrjäljrigett 
Perjährnng. 

© r ü n b e: 

©er gegen bie Veflagten 23erufung§fläger entftanbene 
©rfo^anfprud) ift ferner nicht, rote behauptet roirb, burd) 
Verjährung roieber erlofchen. ©ie in biefer Vejiehung not» 
gebrachte ©inrebe ftütjt fid) barauf, bafj nach 2lrt. 141 2lbf. 1 
be§ 2lu§f.©efe^e§ jum S@V. nom 28. Quli 1899 bie 2ln= 
fprüdje be§ Staats, ber öffentlichen Äörperfcf)aften foroie ber 
ftaatlichen unb förperfchaftlidjen Beamten auf 3at)lung non 
©ebüljren, Soften ober SluSlagen für 21 m t 3 h a n b l u n= 
g e n in nier fahren nerjäbren. $m oortiegenben galt t)an* 
beit e§ ftd) jebodh nid)t um einen Slitfprud) ber bejeichneten 
©attung. ©enn bie t»ier bie ©runblage ber ©rfatjforberung 
bilbenbe Anlegung einer OrtSftrafje fällt jroar in ben SreiS 
ber öffentlichen Aufgaben ber ©emeinbe, fet)t fiel) aber au§ 
einer Veihe oon Sitten nerfchiebener 2lrt, teils auS einjet» 
nen obrigfeitlidjen $anblungen, teils unb oorjugSroeife auS 
rein ted>nifrf)en Arbeiten, prioatrechtlidjen VertragSabfdjlüffen 
u. a. m. jufammen unb erfcheint baher als foldje unb im 
ganjen betrachtet als ein Unternehmen ber ©emeinbe, nicht 
als eine bem 3roecfe unb ber Verrichtung nad) mehr ober 
roeniger einheitliche „2lmt3hanblung'‘ im Sinne beS ange= 
führten ©efe^eS. ©iefe Sluffaffung erhält ihre Veftätigung 
in ber C£ntftehung§gefd)ichte jener Veftimmung, bei ber im 
roefentltchen nur an ©iäten unb Steifefoftenforberungen, an 
©ebühren für VürgerredjtSannahmen, an ©ebütjren oon ®e* 
meinberatSmitgliebern, an SoftenerftattungSanfprüche wegen 
ber 2lbgabe oon ©utad)ten im amtlichen Auftrag unb an 
ähnliche nach bem üblichen Sauf ber ©inge jur balbigen Ve= 
friebigung gelangenbe, in ber Vegel einfadje, fofort liquibe 
unb meift geringfügige gorberungen gebacht roorben ift (oergl. 


Digitized by Google 



86 ©ntfctieibuitgen be8 SkrroaltungSgtridjtSfjofS- 

lieber, ba§ wiirtt. 9lugf.0efeß junt ©055. ©b. I ©. 331). 
@g gilt ßienacß für ben eingeflagten 2Infprucß, fofcrn aucß 
bie ©oraugfeßungen ber fürjeren ©erjäßrunggfriften in §§ 
196 unb 197 be§ ©0©. fehlen, gemäß 2lrt. 141 2lbf. 1 
be# 9lugf.0efeßeg jum ©0©. bie gewößnlicße ©erjäßrungg* 
jeit oon breißig Qaßren (§ 195 beg ©0©.; f. aucß Kecf, 
bie (Jrßebung oon ©traßenfoftenbeiträgen jc. 1903 ©eite 
54 9lote 3). ®amit fteßen bie Urteile beg ©erwattunggge* 
ricßtgßofg 00 m 11. bis 18. Oftober unb oom 27. ©eptem» 
ber/4. Oftober 1905 (Qaßrb. ber württ. ©ecßtgpflege 18. ©b. 
©. 93 ff. unb ©. 97 ff.), auf bie ficß bie ©eflagten berufen, 
nicfjt in SSiberfprucß ; benn beibe Urteile berühren in ißren 
©ntfcßeibungggrünben bie ©erjaßrung nacß 2lrt. 141 3lbf. 1 
beg 3lugf.0efeßeg jurn ©0©. nur ftreifweife, wobei bie bort 
feinegwegg augfcßließlicß beftimmte oierjäßrige ©erjäßrung 
in bem einen Urteil für ein anbereg ©erßältnig, nämlicß bie 
©erpflicßtung beg ©ebäubebefißerg ä uc ©ntricßtung oon 3)oß= 
lenbeiträgen, unb aucß ßier bloß ßppotßetifcß, in bem anbe* 
ren überßaupt nicßt alg jutreffenb oorauggefeßt roitb. 

Urteil 00 m 26. Quni 1907 in ber ©eruf.*©acße be§ 

@. 3 . unb beffen Sßefrau in 3- gegen bie ©emeinbe 3 . 

8 . 

yorunsrfß»«ö«n bes ®r|lnttungsanfprudje im finite 
beä iärt. 3 Stb|\ 1 bes ©ejeß*s 00 m 17. ilpril 1873. 

Jatbeftanb unb ©rünbe eineg Urteile befagen: 

I. ®ie am 4. Quli 1805 ju Q. geborene Q. ©., 2ocß* 
ter be§ SBeitigärtnerg 0. £. bafelbft unb beffen im Qaßr 
1874 oerftorbener @ßefrau, ift feit 1890 mit bem Qlafcßner 
0. 0. oerßeiratet unb mit ißrem (Sßemann im Qrüßjaßr 
1899 in ©. angejogen. ©ie ift bafelbft unterftüßunggwoßm 
fißberecßtigt. Qm Quli 1901 oerließ fie ißren ©ßemann unb 
ßielt ftcß oon ba big 1. Sftärj 1902 in Q. auf. ©om 1. 
big 8. ÜJtärj 1902 mar fie atg |iaugßätterin in U. im $ienft, 
am 8. ajlärj mußte fie wegen .jperjleibeng in bag ©ejirfg* 


Digitized by Google 



31orau§fefeuugen be8 (Srfiathing8nnfprud)S 2 c. 87 

ItanfenhauS ©. aufgenontmen roerben, roofelbft fie bis 8. 
$uni 1902 auf Rechnung ber VejirfSlranfenpflegeoerftcherung, 
oon ba ab auf Dtedjnung beS OrtSarmenoerbanbS ©. oer* 
pflegt rourbe. Sie bis 27. Quni 1903 erroacfjfenen Soften 
mit 539 91t. mürben bem CrtSarmenoerbanb ©. feitenS be§ 
OrtSarmenoerbanbS ©. erfe^t, meid) letzterer fobann bie ©. 
am 27. ^uni 1903 in eigene ffürforge übernahm unb ju* 
näcfjft im S . . . hofpital unterbrachte. |>ier errouchfen bis 
24. Quii 1903 43 91t. 60 Vf- Soften, ©eit letzterem Sage 
befinbet ftrf} bie ©. im V . . . hofpital in ©., roofelbft il>re 
Verpflegung ben Släger bis Sluguft 1904 runb 700 91t., bis 
^ur Stagerhebung aber über 2100 91t. gefoftet hat. 

Stuf ba§ Slbleben it>rer SJtutter roar ber ©. laut 9ta<h* 
lafjteilung oom 21. 9Jtai 1874 in ©emeinfehaft mit jroei ©e= 
fchroiftern baS ©igentum an 4, oon bem ©djultbeifjenamt g. 
auf jufammen 3400 91t. beroerteten, in lebenslänglicher 9tuh= 
niefjung beS VaterS ftefjenbcn ©runbftiicfen jugefallen. Slm 
24. 9Jlai 1903 oerroiüigte fie bem CrtSarmenoerbanb ©. für 
beffen $orberung auS ber ihr geroährten öffentlichen Unter* 
ftütjung an biefen ©runbftiicfen eine ©icherungShppothef bis 
jum $öd)ftbetrag oon 600 91t. SaS Slnfinnen beS Orts* 
armenoerbanbS, für bie injroifchen roeiter aufgelaufenen So* 
ften eine roeitere ©id)erungSl)t)pothef ju bewilligen, lehnte fie 
ab, erllärte babei jebod) am 7. Quni 1904, bie Slrmenl'affe 
möge fidj nach ihrem Sobe an ben ©rlöS au§ ben ©runb* 
ftücfen halten, ber fei ihr auch ohne fpppothe! ftcher, ba fie 
roeitere ©cbulben nicht madje, auch nicf)t ju ©unften anberer 
ißerfonen über bie ©runbftücle oerfügen roerbe. ®S fei ihr 
ein§, ob bie ülrmenbehötbe nun jroangSroeife fidj ihr 9ted)t 
oerfchaffen roolle ober nicht, oon ihr auS bleibe alles beim 
Sitten. 

9lm 16. Stooember 1906 erhob ber CrtSarmenoerbanb 
©. Stage mit bem Slntrag, bie ©. jum Srfah ber oom $uli 
1903 bis Sluguft 1904 im V . . . hofpital erroachfenen Soften 
oon 700 91t. ju oerurteilen. 

Sie S. Regierung für ben DtedarfreiS roieS bie Slage, 


Digitized by Google 



88 


©ntfd)dbuiigen beS SBerroaltuitgSgericfytSfiofS. 


ju bet ftd) bie 93eftagte nic^t tjatte oernehmen laffen, am 
23. gebruat 1907 als unbegrürtbet ab. Auf bie ©rünbe 
beS ben Parteien am 12. äJtärj 1907 jugeftellten Urteils 
roirb hier SBejug genommen. 

Am 10. April 1907 legte ber Kläger unter SBiebertiolung 
beS not ber ÄreiSregievung geteilten Antrags bei bem Ä. 23er= 
roaltungSgerichtShof ©etufung gegen biefeS Urteil ein. 

®ie Sellagte l>at auch oor bem Berufungsgericht eine 
©rflärung nicht abgegeben. 

II. 3)ie rechtzeitig unb formridjtig eingelegte Berufung 
mar als begrünbet anjuerfennen. 

®er BerroaltungSgerichtShof ift im ©egenfat} ju bem 
Unterrichtet ber Anficht, bafj bie BorauSfetjungen armen* 
rechtlicher |)ilfSbebürftigfeit bei ber Beftagten für bie ganje 
3eit, für bie oon bem Kläger ^oftenerfah beanfprucht roirb, 
als oorliegenb ju erachten finb. ütach ben ärztlichen 3eug* 
niffen oom 16. unb 24. Quli 1903 mar bie Söeflagte ju ber 
in Betracht fommenben 3eit smat oon ihrem ^erjleiben fo 
roeit hergeftellt, baf} fie ärjtlicher Behanblung nicht mehr be= 
burfte, fie mar aber nur ju ganj leichter fmuSarbeit fähig unb 
roirb als geeignet bezeichnet jur Aufnahme unter bie Boll* 
Pfleglinge beS BürgertjofpitalS. AuS eigenen Kräften fich ihren 
Lebensunterhalt ju uerfchaffen, roar fie beinnach nicht in ber 
Lage. Aber auch «id>t auS eigenen Mitteln. Aujjer ihrem 
©rbteil an ben in ber lebenslänglichen 9]ut}niefjung ihres 
BaterS ftehenben ©runbftücfen nannte fie nichts ihr eigen. 
SBurbe nun auch ü) r Anteil an biefen ©runbftürfen auf etroa 
1100 501. beroertet, fo roäre bei beffen Beräufjerung unb Bet* 
pfänbung in Anbetracht ber batauf ruhenben ©icherungShppo* 
thef oon 600 2JI. unb ber oäterlichen Butjniefiung hoch nur auf 
eine oerhältniSmäfjig geringfügige Summe ju rechnen geroefen. 
3ubem roäre bie Bellagte bei ihrem ©efunbheitSjuftanb roohl 
fchroerlich in ber Lage geroefen, ein berartigeS etfahrungS* 
gemäfj fchroierigeS ©efdhäft erfolgreich burchjuführen. 

$a enblich foroohl ber ©hernamt, als ber Batet ber 
Bellagten ihr jeben Unterhalt oerroeigerten, fo roar ber $lä= 


Digitized by Google 



SSorausfefetingcn bc§ ©rftattungSatifprud)» zc. 


89 


gcr gefeßlid) oerpftid)tet, fie in ber non it)m betätigten SBeife 
ju unterftüßen (2lrt. 1 2lbf. 1 unb 2lrt. 2 be§ 3lu§führung§» 
gefeßeS jum UnterftüßungSroohnfihgefetj nom 17. 2lpril 1873 
[jReg.Sl. <5. 109]). .^ebenfalls fteßt e§ ber Seflagten, nach» 
bem fie fid) bie 3lrmenunterftüßung tjat gefallen taffen unb 
tatfädjlid) ihre 9iotroenbigfeit anertannt hat, nicht ju, gegen» 
über bem ftägerifcfjen DrtSarmennerbanb ba§ IBorliegen ber 
gefetjlicfyen 33orau§fetjungen ber Slrmenunterftüßung in 31b» 
rebe ju jietjen. 

9lu§ ber ©eroährung biefer Unterftüßung ift bem Kläger 
ein @rftattung§anfprud) an bie 93eflagte gemäß 3(rt. 3 2lbf. 1 
be§ ©efeßeS nom 17. Slpril 1873 erroachfen. banbeit 
fid) allerbingS im norüegenben ^all nicßt um eine erfcßlicbene, 
b. b- um eine unter SluSnüßung eines ^rrtumS be§ 3lrmen» 
nerbanbS über bie roirflidje Notlage ber Unterftüßten erlangte 
Unterftüßung. Mein bie§ ift, mag ber ©efeßgeber hieran 
auch in erfter Sinie gebadet haben, bod) nid)t ber einzige 
MrnenbungSfall beS Slrt. 3 3tbf. 1. 91ad) feinem SBortlaut 
ßnbet er nietmeßr überall ba 2lmnenbung, mo ein 3lrmen» 
nerbanb in ©rfüüung feiner gefeßlidjen Obliegenheit Unter» 
ftfißung gemährt hat. 9tur nacßgetniefene SdjentungSabficßt 
nermöcßte ben ©rftattungSanfprud) auSjufcbließen. SDaß eine 
foldje im norliegenben ($;atl aber feineStoegS beftanben bat, 
geht unjroeifelhaft au§ ber |i>anblung§roeifc beS Klägers her» 
nor, ber non Slnfang an barauf bebacßt mar, fich au§ bem 
Sßermögen ber Seflagten für feine 3lufroenbungen fo gut al§ 
möglich f<hablo§ ju halten. 

©nblicf) barf auch nidjt unerroähnt bleiben, baß bie 93e» 
tlagte felbft ben ©rftattungSanfprud) be§ Klägers infofern 
anertannt hat, als fte für bie 1902,03 erhaltene Unterftüßung 
in ®eftellung einer ®id)erung§bt)potbef roilligte, für bie 
1903/04 erhaltene aber in§befonbere in ihrer ©rflärung nom 
7. ^uni 1904 bie ©efriebigung beS Klägers aus bem 2öert 
ihrer ©runbftüdSanteile für bie 3ufunft in MSficßt ftellte, 
aud) ber 2lrmenbehörbe ben jmangSroeifen Angriff an» 
heimgab. 


Digitized by Google 



90 6 ntfd)eibun 0 en bt? 3iertt)aIhinfl§gerid)tgl)o?8. 

Urteil t>om 17. J^uli 1907 in bet 33eruf.=Sad)e beS 

02l33erbanbS St. gegen $r. ©• *c. in ©t. 

9. 

Jfrrethntmg ber brritägigen JUrlbefrift nndj § 49 brs 
^rankemjcrpdjernngsgerr^cs. 

HluS ben ©rünben: 

Unter ben Parteien ift nur Streit bariiber, ob ber Klä* 
ger mit ber am 2. 3Rai erftatteten Hlnmelbung feiner SJtelbe* 
pflidjt nad) § -49 K33®. genügt tjabe ober nicht. Der Unter* 
rid)ter tjat biefe fyrage oerneint unb jugleicf) feftgeftellt, baf) 
bei bern Unterlaffen ber rechtzeitigen Hlnmelbung ben Kläger 
ein 33erfd)ulben trifft. Jiefer 3lnfd)auung l)at fid) ber K. 
33erroaltungSgericf)tSbof angefcfjloffen unb in Uebereinftimmung 
mit ben HluSführungen beS Unterrid)terS baS flägerifche Hlor* 
bringen, bie bveitägige gefetjlidje Hlnmelbefrift habe am 29. 
Sprit nid)t beginnen tonnen, meil biefer Jag ein Sonntag 
geroefen, gemäfs § 78a KHt®. im SSergleid) mit §§ 187 ff. 
33©33. als unjutreffenb erfannt, ebenfo roie baS mcitere 9Sor= 
bringen, am 1. 9Jlai fei im ©efcbäft beS Klägers nicht gearbei* 
tet roorben unb beShalb bie Hlnmelbung erft am 2. SJJai ge» 
fchehen. ®enn ber 1. Sliai ift roeber ein Sonntag, noch ein 
allgemeiner Feiertag im Sinne beS § 78a Hlbf. 3 K3S®. unb 
baS blofje tatfäd)lid)e Stufen ber Hlrbeit in bem ^Betriebe 
beS Klägers an biefem Jage fonnte einen ©runb für bie 
33erfd)iebung ber SInmelbung auf ben näd)ftfolgenben Jag 
nicht abgeben. HBeitertjin t'önnen aber aud) bie gefe^lidten 
unb ftatutarifdjen 93orfd)riften über bie Hlnmelbung oerfiche* 
rungSpflidjtiger ißerfonen roeber ihrem ©ortlaut, nod) ihrem 
3nt)alt nad) irgenb roeld)en ©runb ju ber Hinnahme geben, 
bie 9Jlelbefrift uerlängere fid) um einen Jag, roenn ber 
jrocite Jag beS 2lrbeitSoert)ältniffeS ein Sonntag ift ober 
roenn am oierten Jag ber betrieb auS anberen ©rünben 
rut)t, unb enblicf) lagen aud) fachliche ©rünbe, bie bie Hier* 
jögerung ber Slnmelbung im oovliegenbett galt hätten recht* 


Digitized by Google 



(Sinfommenfteuerpfüdjt ber Slftitngefeflfdjaften. 91 

fertigen fönnen, nid)t oor. ®er Kläger t)ätte bemnad) bei 
Stnroenbung ber im Berfehr erforberlichen Sorgfalt erfennen 
müffen, bafj er bie SInmelbung fpäteftenl am 1. Wlai ju 
beroerfftettigen I)atte unb er tjat ftcf), inbem er biel rtidjt ge« 
tan f)at, eine ^at>rläffigfeit ju Scbulben fommen taffen, bie 
nad) § 50 &B®. bie »on ber Befragten behauptete ©rftat« 
tunglpflicf)t in ootlem Umfang begrünbet. 

Urteil oont 12. .^uni 1907 in ber Beruf.=Sacf)e bei 
©d)toffermeifterl 2 . in St. gegen bie Ortltranfen« 
faffe :c. in St. 


10 . 

(SiitkontntettJleufrpfUdji ber iUttiettgefrllfdjaftrn. 

a) lüfrrdjmtng bcs jlb?ugs ttarij Ürt. 16 Hbf. 3 bes 

<Eink.=Siteitergefdjes. 

b) §leiterltd)e Ueljanblung mm Hbfdjretbuttgeit aus 

bent itetngettiiun. 

9Iul ben ©rünben: 

II. 2Ba§ junäd)ft bie Berechnung bei 9lbjug§ nad) 2Irt. 16 
2Ibf. 3 bei ©efetjel betrifft, fo ift übet bie einseinen t)iebei 
in Betracht fommenben fragen 9tad)ftehenbel s» bemerfen: 

1. ®ie ©infommenfteuer roiU bie Ueberfdjüffe im Sinne 
bei 2Irt. 16 2lbf. 1 treffen, mie fie ftcf) gemäfj 2lrt. 10 9lbf. 4 
für bie Befd)roerbeführerin im ©efdjaftljatjr 1905 nach 
ffftafjgabe ber biefel Qahr umfaffenben Bitans unb ber bar« 
auf bezüglichen Befdjlüffe ber ©eneratoerfammtung oom 19. 
fBtärj 1906 ergeben. SBenn nun bet 2lbf. 3 bei 2trt. 16 
ber Befdjroerbeführerin jur Befeitigung ber ©oppelbefteue« 
rung biefer Ueberfchüffe in einem beftimmten Umfange einen 
Stbsug an bem an fid) fteuerbaren ©infomnten geftattet unb 
biefen 2lbsug im |>öchftbetrag auf 3% bei „eingesahtten 
Slftienfapitall" bemifjt, fo tarnt barunter nur baljettige 
Slftienfapital oerftanben to erben, roeld)el in bem für ben 
Umfang ber Befteuerung mafjgebenben ©efdjäftljahr bereitl 
eingesahtt mar uttb fo sur ©rsietung ber fteuerbaren Ueber« 


Digitized by Google 



92 ©ntfdjtibunge« beB SSertDaltungSgeri^tS^of«. 

fc^üffe mitgeroirft ^at, aud) in bet Silans be§ in grage 
ftehenben ©efd)äft§jabr3 nach ber SSorfdjrift be§ g 261 giff. 5 
be§ .£)anbel3gefehbuch§ unter ben ißafftnen mit feinem Setrag 
eingefteßt ift. ©in fold)e§ 2lftienfapital mar für ba§ ©e= 
fct>äft§jat)r 1905 im Setrage non 21 SUillionen 9Jt. notham 
ben. Sie ©rhölfung be§ 9lftienfapital§ auf 24 Millionen 9JI. 
erfolgte erft nad) Seenbigung be£ für bie fragliche ©infom» 
menfteuer auSfthliejjlid) maffgebenben @efchäft§jaf)r§ im ÜJiärj 
1906; ba§ babei neu eingejablte Setrieb§fapital tonnte ben 
©rtrag be§ ®efd)äft§ja^r§ 1905 in feiner SBeife beeinfluffen ; 
ba§felbe tommt für bie Sefteuerung ber Sefdjinerbeführerin 
auf 1. ülpril 1906 nad) feiner 9iid)tung in Setradjt unb 
fann fo feinen ©runb ju einem Slbsuge für biefe Sefteue* 
rung abgeben. Qn biefem fünfte erfdjeint f)iernacf) bie Se= 
fchtnerbe gegen bie angefodjtene @ntfd)eibung al§ unbe* 
grünbet. 

2. $n einem anberen ^Sunft inirb bie angefodjtene @nt= 
fdjeibung beni nom ©efet) jugelaffenen Slbjug nid)t in nollent 
Umfange gerecht. 9tad) 2lrt. 16 3lbf. 3 be§ ©efe^e§ beftebt 
ber Slbjug in bem ©efaintbetrag ber nerteilten Sioibenben 
bi§ jum .^jöchftbetrag non 3% be§ eingejal)Uen SIftien» 
fapitalS ; unbeftrittenermajjen ftnb im norliegenben $alle 
bie gefet)lid)en SoraitSfehungen für bie Seredjnung be§ 
^öd)ftbetrag§ nortjanben; ber 'llbjug beträgt fomit 3% be§ 
im @efd)äftsjahr 1905 in bie Silans cingefteüten 2lftien= 
fapitaB non 21 Millionen 9JI., fomit 630000 9JI. Sie Sluf* 
faffung ber angefochtenen ©ntfdjeibung, bafj foldje Seile be§ 
eingesahlten 2lftienfapital§, melche feine Sinibenbe ober nur 
für einen Seil be§ Qahre§ Sinibenbe erhalten, bei ber Se> 
red)nung be§ SlbsugS ausfcheiben ober an bemfelben nur 
pro rata temporis Anteil haben, trägt eine Unterfd)eibung 
in ba3 ©efet) hinein, bie in beffen flarem äöortlaut nicht nur 
nicht sum 2lu§brucf fommt, fottbent mit biefem Söortlaut im 
SBiberfprud) fteht; benn nach biefem 2Bortlaut madjt ber ^>öt±»ft= 
betrag be§ 2lbsug§ 3% be§ 9ienmnertsS be§ gefamten einge* 
Sahlten 2lftienfapitalS au§ ohne Diücfficht barauf, ob bie 


Digitized by Google 



(Sinlommenfteuerpftidjt her 9f{tienfl«feHf(f)aften. 93 

einzelnen Stftien in gleicher Weife bioibenocnberedjtigt finb 
ober ob ein Seit ber 2lftien aui irgenb einem ©runbe bei 
ber ©eroinnoerteilung beoorjugt ift. Sai ©efet) oertangt 
für bai ben |jöd)ftbetrag bei Stbjugi beftimmenbe 2lttien* 
fapital nur, bafj ei „eingejabtt" ift, unb biefei ©rforbernii 
trifft im oorliegenben gatte bei bem 2lbfd)tufj ber für ben 
Umfang ber Sefteuerung mafjgebenben 93itanj in 9Infel)ung 
einer Summe oon 21 SRillionen SR. ju. !gn Slbroeidjung 
oott bem preujjifchen unb babifcfjen 9ied)t ift allerbingi in 
Württemberg ein 2lbjug nur ftatttjaft, menn roirttict) Sioi* 
benben jur Verteilung gelangen unb barf ber 'Itbjug nid)t 
höher fein ali ber ©efamtbetrag ber oerteilten Shnbenben; 
allein bicfe ©cbranfen roerben aud) bei ber Vemeffung bei 
Slbjugi auf 630000 9R. eingehalten, fofern ber ©efamtbe= 
trag ber oerteilten Sioibenben erheblich t)öt>er ift unb fetbft 
auf bie jungen Uftien 3*/2% Sioibenben entfalten finb. Slui 
biefen gefe^lidjen ©infchränfungen bei Slbjugi barf fo roenig 
ali aui bem gefetjgeberifdjen ©runb, ber jur gulaffung bei 
Slbjugi geführt bat/ eine weitere mit bem Wortlaut bei @e= 
fetjei nicht »erträgliche Verfügung bei Stbjugi abgeleitet 
roerben. Ser 2lrt. 16 bei ©efe^ei, roelcher bie ben roirt* 
fcbaftlicben SSerhältniffen unb Vebürfniffen ber natürlichen 
ißerfonen ihrem Wefen nad) entfpredjenbe @infommenbefteue= 
rung aud) für juriftifcbe ^erfonen burcf)$ufüt)ren hat unb 
babei fünftlicher Veftimmungen nicht entbehren tann, roilt, 
roie fid) aui ber gaffung „ali fteuerbarei ©infommen g e 1= 
t e n" ergibt, burchgreifenbe ber burd)fd)nittlid)en ©eftaltung 
ber 93erhältniffe angepafite Vorfchriften geben unb bamit für 
bie einjelnen gälte eine unter Umftänben fdjroierige ein ©in= 
bringen in bie inneren Verhältniffe bei ©efd)äftibetriebi er* 
forbernbe ^Berechnung auifd)liefjen. Vei ber Sluilegung 
berartiger gefetjlicher Vorfchnften ift ein gehalten an bem 
Wortlaut bei ©efe^ei befonberi geboten (oergl. aud) @nt= 
fcheibungen bei preufjifct)en Oberoerroaltungigerichti in ©taati* 
fteuerfachen 23b. 1 ©. 99 ff.; ’ißreu^. 2luif.=2lnroeifung oom 
5. Sluguft 1891 21 rt. 27 Sir. 2 unb oom 25. 3uli 1906 


Digitized by Google 



94 ©ntfcfjeibungen bc§ aScrtualtimgSgerirfjts^of«. 

2trt. 28 9Zt. 5, % u i ft i n g , ©inZommenfteuergefetj, 7. 2luf= 
löge 1907 <5. 308 unb 534). 

3. Unter bent ©efamteinZommen ber 93efdjroerbefül)rerin 
befinbet fid) ein Anteil berfetben an bem 9Zeingeroinn ber 
93anZZommanbite 3. R. u. ©ie. in $f.; ber betrag biefei 
2lnteili, ber nacf) 2lrt. 8 3-1 ber roiirtt. ©inZommenfteuer 
nidjt unterliegt, ift non Der 33efd)roerbefül)rerin in ber ©teuer» 
erZlcirung mit 93 750 9)Z. angegeben unb im 93eanftanbungi= 
nerfa^ren auf 85 637 2JZ. Ijerabgefetjt roorbett. S)ai ©teuer» 
foflegium forootjt, ali bie angefodjtene ©ntfdjeibung fyaben 
fiel) in ^Berichtigung bei SBerfaljteni ber ®infd)ät}ungiZom= 
miffton auf ben ©tanbpunZt geftellt, baff ber 3 % ige Slbjug 
nur für bai auf Württemberg entfaüenbe 2lZtienZapital ju 
mad)en fei, roobei biefer Seit bei 2IZtienZapitali nad) bem 
SSerljältnii bei gefamten ©inZommeni ju bem auf Württem» 
berg entfaüenben ©infommen ermittelt mürbe; bagegen oer» 
langt bie Sefdjmerbefüljrerin unter 93ejugnal)me auf ein Ur» 
teil bei 33erroaltungigerid)tif)ofi oom 13. 3uni 1906 (oer» 
öffentlid)t in ben 3af)tbüd)ern ber mürtt. 3Zed)tipflege 93b. 18 
©. 254 ff.), baff ber 2lbjug oon bem nollen 9lftienfapital 
beredjnet merbe. 3n bem ermähnten Urteil, beffen ©runb» 
fätje ber 93erroaltungigerid)til)of in roeiteren fallen feitfyer 
angemenbet t)at, ift auigefübrt: Stad) 2Crt. 16 9lbf. 3 bei 
©efet^ei mache ber |)öd)ftbetrag bei 2lbjugi 3% bei einge» 
jaulten SIZtienZapitali aui; meber l)ier nod) fonftmo im ®e» 
fet) finbe fid) eine ißorfdjrift ober eine 2lnbeutung in ber 
9Zid)tung, baff, roenn eine SIZtiengefellfdiaft auilcinbifdjei ©in» 
fommen im ©inne bei 2lrt. 8 3-1 beziehe, bet Slbjug nur 
uon einem Seil bei eingebauten 'Zlftienfapitali ju bered)nen 
fei. 3n jmeiter Sinie frage ei fid), an roetdfem ©inZomtnen 
biefer Slbjug ju machen fei, ob, roenn eine SlZtiengefellfdjaft 
aud) auilänbifdjei nad) 9lrt. 8 3-1 fteuerfreiei ©inZommen 
be^ietje an bem ©efamteinZommen, fo bafj auf bai inlänbi- 
fd)e ber roürtt. ©inZommenfteuer allein unterliegenbe ©in» 
Zommen nur ein oerljältniimäfjiger Seil bei 91bjugi ent» 
fallen roürbe, ober auifd)liefjlid) an bem fteuerbaren inlän» 


Digitized by Google 



®infonimenfteuerpftid)t bet 2Iftiengef«ttfcf)afteu. 95 

bifdjen ©infommen. Vad) bet au!brücflid)en unb Haren 
SSorfcfjrift bei Slrt. 16 Slbf. 3 fei ber ganje Slbpg aul* 
fchliefjlid) p machen „an bem fp*»ad) ftd) beredpenben 
fteuerbaren ©infommen", b. h- an bem ©infommen, 
ba! fid) bei Stnwenbung ber Vorfchriften bei Slrt. 16 Slbf. 1 
unb 2 all fteuerbar ergibt. $abe eine SlftiengefeHfdfaft 
ihren ©it) in SBürttemberg, fo fei nur Slrt. 16 Slbf. 1 an* 
proenben. 28ie hier bie Verweifung anf Slrt. 8 3 . 1 bar* 
tue, bleibe ba! ©infommen einer Slftiengefetlfdpft au! bem 
außerhalb SBürttemberg! gelegenen ©runb* unb ©ebäube* 
bef©, foroie au! bett bort betriebenen ©eroerben, »on ber 
©infommenfteuer aulgenommen, gehöre alfo nicht p bem 
„hiernach fiel) beredpenben fteuerbaren ©infommen". 
©et Slbpg bürfe alfo nad) bem beftiminten einer anberen 
Slullegung nid)t fähigen SBortlaut ber mafjgebenben gefetj- 
liehen Vorfdpift im oollen betrag an bem aul inlänbifchen 
Duellen gewonnenen unb baher ber ©infommenfteuer unter* 
liegenben ©infommen gemacht werben. Slud) aul bem .ßweefe 
bei ©efetjel fönne eine Verteilung bei Slbpg! auf ba! in* 
länbifche unb aulwärtige ©infommen nid)t gefolgert werben. 

Sin biefer Slullegung hält ber Verwaltunglgeridjtlhof 
auch im »orliegenben $alle feft; nad) feiner Ueberjeugung 
finb bie fachlichen ©rünbe, auf welche fid; biefe Slullegung 
ftütst, burd) bal SBiberftreben einzelner ©teuerbehörben, fid) 
biefer Slullegung anpfcf)Iiefjen unb burd) bie Vegrünbung 
ber angefochtenen ©ntfdjeibung nicht erfd)üttert. 

©ie ©teuerbehörben fuefjen auf einem jweifadjen SBege 
p bet Verteilung bei Slbpg! auf ba! inlänbifdje unb aul* 
wärtige ©infommen ber Slftiengefettfdpften mit bem ©it) in 
SBürttemberg p gelangen, Qn bein Formular ber ©infom* 
menfteuererflärung für SlftiengefeEfcfpften werben biefe an* 
gewiefen, ben Slbpg p beredpen bi! pm $öd)ftbetrag »on 
3% „bei ganjen bejiehunglweife bei aufSBürt* 
temberg entfallenben ©eil! bei eingephlten 
Slftienfapitall". Unflat ift hier pnächft, unter welchen Vor* 
aulfetpngen bal Slftienfapital „auf SBürttemberg entfällt". 


Digitized by Google 



96 ©nlfcfjeibuitgeu heg SBertoaltung8gerid)t8ljof8. 

matt roirb biel unterteilen fönnen, roenn bal Slftienfapital 
im 23efih oon roürttembergifchen Slftionären fid) befinbet 
ober roenn el in SBürttemberg arbeitet, su bem in SBürt» 
temberg oerroenbeten SBetriebSfapital gehört. ®ie ©teuer» 
bewürben finb nun aber nach Sage ber roürttembergifchen 
©efetjgebung nicht imftanbe, bal 3“ tr cffen biefer ißoraul» 
fetjungen juoerläffig feftjufteEen ; benn gernäfj Slrt. 45 Slbf. 4 
unb Slrt. 46 2tbf. 4 ©infommenfteuergefeh fmb bie Slftien» 
gefeEfdjaften nid)t oerpftid)tet, ben ©teuerbeljörben über bie 
ißerfonen, bie im 93efi^e ihrel Slftienfapitall finb, unb über 
bie Slrt ber SSerroenbung biefe§ Kapitals Slulfunft ju geben 
unb nach Slrt. 44 Slbf. 7 bürfen ben Steuerpflichtigen roei» 
tere all bie in Slrt. 46 oorgefdjriebenen Slngaben toeber in 
bem gormular ber ©teuererflärung noch in ber Slufforberung 
noch in anberen allgemeinen ©rlaffen angefonnen roerben. 
3ubem ift eine 2lftieugefeüfd)aft, bie roie bie SBefdjroerbe» 
führerin neben einem Slftienfapital oon 24 StiEionen 2 Jl. 
mit einem Obligationenfapital oon runb 26 SlMionen 2E. 
arbeitet, gar nicht in ber Sage, im einzelnen anjugeben, roo 
bal Slftienfapital unb mo bal Obligationenfapital bem 93e= 
triebe geroibmet ift. Slbgefeljen oon biefen ©rroägungen ift 
burchfchlagenb bie unjtoeibeutige Sßorfchrift bei ®efehe3, roo» 
nach ber $öd)ftbetrag bei Slbjugl oon bem eingejaht» 
ten Slftienfapital fchlechtroeg ohne jebe roeitere Unterfchei» 
bung berechnet roerben barf; ju bem eingejahlten Slftien« 
fapital aber gehört unftreitig auch berjenige $eil bei Slftien« 
fapitall, ber fid) im S3efihe aulroärtiger Slftionäre befinbet 
ober außerhalb SBürttembergl in einem geroerblichen betriebe 
ober in ©runbftücfen angelegt ift. ®er 2Beg, ben bal gor« 
mular ber ©teuererflärung gehen roitl, ift fonüt im ©efetje 
nid)t begrünbet. 

Stuf einem anberen SBege fucht bie 23egrünbung ber 
angefochtenen ©ntfdjeibung ju benifelben giele ju gelangen, 
©ie geht oon ber jutreffenben Sinnahme aul, ber Slrt. 16 
Slbf. 1 oerlange offenbar, bafj junädjft bal ©efamteinfom» 
men ohne üiücfficht barauf, ob el in» ober aullänbifchen 


Digitized by Google 



©iiifommeitfteueiljflicfjt ber IHftieitgefeUfcfiaften. 97 

Urfprung? fei, feftgeftellt roerbe, ba an bem fjienacf) fid) be» 
redjnenben ©etrag ber quotatio auf ba? 2lu?lanb entfallenbe 
Seil ber Ueberfcfyüffe au?gefd)ieben toetbe unb fätjrt bann 
fort: „23eftef)t fonad) Uebereinftimmung bariiber, bafj unter 
bent fteuerbaren ©infommen im ©inne be? 2lrt. 16 2lbf. 1 
junädjft ba? gefamte an fid) fteuerbare ©infommen ju oer» 
fielen ift otjne iRüdfidjt barauf, roo ftef) bie ba? ©efamt» 
ergebni? fyerftellenben Ücitigfeiten oolljogen haben, fo liegt 
e? nahe unb ift mit bem SBortlaut rootjl oereinbar, aud) un= 
ter bem „hienaef) ftef) bered)nenben fteuerbaren ©infommen" 
in 2Ibf. 3 eben biefeS ©efamteintommen ju oerftetjen". 2)iefe 
2lu?führungen oermag ber 33enoaltung?gericht?hof al? ju» 
treffenb unb mit bem SBortlaut be? ©efetje? oereinbar nicht 
anjuerfenneit. darüber, bafs unter bem fteuerbaren ©in» 
tommen im ©inne be? 2lrt. 16 3Ibf. 1 ba? gefamte 
au§ bem Qinlanb unb 2lu?lattb fliefjenbe ©intommen ju oer» 
fteben ift, beftef)t feine Uebereinftimmung ; ber iBertoaltung?» 
gerid)t?hof ift oietmefyr ber 9lnfid)t, bafj biefe 2lnnaf)me ganj 
beftimmt unb flar burdf ben iffiortiaut be? ©efetje? au?ge» 
fd)toffen roirb ; benn 2lrt. 16 3lbf. 1 fdjreibt oor, bafj bei 
ber f^eftfe^ung be? Umfang? be§ in SBürttemberg fteuerbaren 
©infommen? bie 3Sorfcf)rift in 2lrt. 8 3 . 1 p beachten ift 
unb nad) biefer 33orfd)rift ift oon ber roürttembergifchen ©in» 
fommenfteuer, bie allein in Setradjt fommt, „au?gefd)loffen 
ba? ©infominen au? bent außerhalb SBürttemberg? gelegenen 
©runb» unb ©ebäubebefitj fomie au? ben bort betriebenen 
©enterben". s Jiur toenn man in fötifjacfjtung ber ^inroeifung 
be? 2lrt. 16 2lbf. 1 auf 2lrt. 8 3- 1 biefe 33eftimmung nicht 
berftcffidjtigt, fann man ju ber SUnnaljme fommen, baff ba? 
fteuerbare ©infommen im ©inne be? 2lrt. 16 9lbf. 1 iben» 
tifd) ift mit bem ©efamteintommen. Söenbet man ben 2lrt. 8 
3- 1 an, fo ift auf bet ©runblage be? junäcfjft erhobenen 
©efamteintommen? bet 2lnteil ber au?tänbifd)en ©rtrag?» 
quellen an ben ©efamtüberfdjüffen al§ nidjt ber roürttem» 
bergifdjen ©infomntenfteuer unterliegenb au?jufd)eiben ; roa? 
bann übrig bleibt, bilbet ba? fteuerbare ©infommen im ©inne 
^a^rbü^fr btr fflürtttmb. XX. 1. 7 


Digitized by Google 



98 


®ntfd)eibungen beS akrmaltungägeridüäfjof?. 


ber 2lrt. 8 3-1 unb 16 2lbf. 1. äBenn bcr älrt. 16 2lbf. 1 au§= 
brüdEIirf) bic 2lnn>enbung be§ 2Irt. 83-1 »erlangt, unb bie (entere 
Seftimmung au§länbifd)e ©rträge für fteuerfrei erflärt, fo fön* 
neu biefe ©rträge unmöglid) ju bem fteuerbaren ©infommen im 
Sinne be§ 9Irt. 16 9lbf. 1 gehören. Slud) in 9lrt. 16 2lbf. 3 fann 
bei bem tjienacf) ficf) beredptenben fteuerbaren ©infom* 
men nur an ba$ in äßürttemberg fteuerbare ©infommen ge= 
badjt roerben ; ber Slbfat} 3 betätigt bamit bie 2lu§fd)lief}ung 
ber au§länbifd)en ©eroinnanteile non bemjenigen ©infom» 
menSbetrag, an roetdjem ber Slbjug ju machen ift. 3m Un= 
terfdjiebe ju bem roürttembergifdjen ©infommenfteuergefet} 
finbet ficf) in bem preujjifdjen (früher § 16, jet}t § 15) feine 
Seftimmung barüber, bafj ber Slbjug an bem in ^reufjen 
fteuerbaren ©infommen uorjunehmen ift; für bie preufjifd)e 
ä$rafi§ unb 9tecf)tfprechung beftefjt baher fein gefet}lid)e3 
^inbernii, im äBegc ber Auslegung ju oerlangen, bajj ber 
3lbjug an bem ©efamteinfommen einfchlieflid) be3 au§län» 
bifcfjen gemalt roirb. 

3)er 2lrt. 3 9tbf. 2 @infommenfteuer»©efet), auf ben bie 
angefocfjtene ©ntfdjeibung nebenbei Sejug nimmt, fann auch 
bei einer ftreng mörtlidjen 9lu§legung auf ben oorliegenben 
galt, in bem bie ©infommenfteuerpflidjt einer in äBürttem* 
berg fe^^aften 2lftiengefeUfd)aft in $rage fteht, feine 9ln* 
roenbung finben. 9iad) 2lrt. 2 ©ingang unterliegen Slftien» 
gefellfchaften, roenn fte in äßürttemberg ihren Si$ hufon» 
ber allgemeinen ©infommenfteuerpflidjt im Sinne be§ 9lrt. 1 ; 
mit biefer ift aber bie fubfibiäre unb befchränfte ©infommen» 
fteuerpflicht be§ 2lrt. 3 nicht nereinbar; fie fommt auch «ach 
bem äßortlaut be§ 2lrt. 3 ©ingang für 2lftiengefellfd)aften 
nur jur älnroenbung ohne ätücfficht auf äBohnfit}, b. h- roenn 
fie ihren Sit} nid)t in äBürttemberg h<d>en. 

III. £infict)tlich ber älbfdjreibung auf ba§ |>au§ $ . . .* 
ftrafje Dir. 72 in St. im Setrage non 50000 91 1 . hat bie 
Sefdjroerbeführerin in glaubhafter äBeife bargetan, bajj e§ 
ftch babei nicht um eine @ntnal)me au§ bem Qahre^geroinn 
jur Serbefferung ober ©rroeiterung be§ ©efd)äft§ ober jur 


Digitized by Google 



Umfa|}fteuerpfüd)t bei 2 luäfüfjrung bon Sauarbeiten :c. 99 

33ilbung eines roirltichen 9ieferoefonb§, überhaupt nicht um 
eine 23ermögen§oermehrung , fonbern um einen 2luSgleid)= 
pofien jur richtigen 5)eroertung be§ unter ben SIftiDen ber 
SBilanj mit einem betrage »oit 352 650 371. 53 $f. einge= 
ftellten Kaufes ^onbelt; fovreft märe e§ geroefen, biefe 3lb= 
fdjreibung oon ben SIftiuen abjujiehen ober unter bie ißafft= 
oen ber Silanj aufjuneljmen, rcoburdj ftch ber SatjreSgeminn 
ebenfalls um 50 000 9Jt. oerminbert ^ätte (oergl. 9t e tj m , 
Silanjen ber Slftiengefeüfchaften ©. 46, 501). 3üt bie @in= 
fommenfteuerpflicht biefeö Betrags ift aber nicht bie formale 
Söeljanblung in ber Silanj, fonbern bie roirtfchaftlidje SBe= 
beutung ber uon ber ©eneraloerfammlung befdjloffenen 3lb= 
fdjreibung entfdjeibenb ; bie formale Seljanblung in ber öi= 
lang fdjafft nur eine SSermutung, bie burdj roeitere 2)arle= 
gungen ber Söefdjroerbeführerin entfräftet merben fann (oergl. 
5 ui ft i n g, ©infommenfteuergefetj, 7. Sluflage 1907, ©. 277). 
3m »orliegenben $alle hat ber 93erroaltung§gerid)t§t)of burcfj 
bie SluSfütjrungen ber Söefdjmetbeführerin bie Ueberjeugung 
geroonnen, bafj mit bem 2lbgug ber 50 000 üft. oon bem 
SatjreSgeroinn nidjt eine nactj 2lrt. 16 2lbf. 1 fteuerpflicfjtige 
®enoenbung beS ©eroinnS, fonbern eine richtigere 93eroertung 
eines ©runbftüctS ber 9lftiengefeUfdjaft begroecft roorben ift. 
35amit entfällt bie ©teuerpflichtigfeit biefeS Setrag§. 

Urteil oom 25. ©eptbr./’2. Oftbr. 1907 in ber DtedjtS- 

befdjroetbefadje ber SBiirtt. . . . 33anf in St. 

11 . 

Untra^lienerpflidjt bei Unsfnljruttg uon Uanarbeiten 
auf einem verkauften ©rnnbjlürk uar helfen Ütnflajfnng 
bnrrij beit JJerkimfer. 

2lu§ ben ©rünben: 

infolge ber SSerjögerung ber 3luflaffung t>at fidj bie 
Sachlage etmaS anberS geftaltet, als in bem $auf= unb $8au= 
afforboertrag norgefehen mar, inbem ber Unternehmer beS 
SauroerfS einen roenn auch nicht bebeutenbeu Üeil bet Sau= 

7* 


Digitized by Google 



100 ©ntfdjeibutiflm bc§ 28trtoaItintg8gertd)t3l)of§. 

arbeiten au§gefübrt bat, fotange er nod) ©igentümer be3 
©runb unb SobenS mar. Sa ber beginn ber Sauarbeiten, 
roie anjunebmen ift, im beiberfeitigen ©inoerftänbniS erfolgt 
ift, fo bat auf biefe SBeife ein Seit be3 9Berfoertrag§ fid) 
ftitlfdjroeigenb in einen ÜBerftieferungSoertrag (S@S. § 651 
9tbf. 1 Sab 1) uerroanbett, roobei bet 9JtangeI ber gefebticben 
gorm (SOS. § 313) burd) bie nadjberige Sluflaffung unb 
bie (Eintragung in ba§ ©runbbud) geheilt roorben ift. Sie 
Steuerpftid)t au§ biefem 2Berflieferung§oertrag ift gemäfj 
Umfabfteuer=®efeb 2trt. 1 2tbf. 1, 2lrt. 6 Stbf. 1 $iff. 1 
II. galt mit ber (Eintragung in ba§ ©runbbud) eingetreten. 
Ser SBert ber bi§ jur Utuflaffung au§gefübrten Sauarbeiten 
unb fomit auch ba§ pertragSmäfjige ©ntgelt für biefelben ift 
in Uebereinftimniung mit ber non bem Sertreter ber jjinanj* 
bebörbe al§ richtig jugegebenen (Einräumung be$ Sefcbroerbe* 
fübrer§ auf 1000 SDR. anjunebmen, fo bafi aud) au§ biefem 
Setrag gemäfj Strt. 3 2tbf. 1 3*ff- 1 be§ Umfabfteuer=®e= 
fetje§ bie Umfabfteuer ju entrichten ift, unb jroar mit 12 SDR. 
für ben Staat, 8 SDR. für bie ©emeinbe St. 

Urteil oom 25. Sept./2. Oft. 1907 in ber 9ied)t§be= 
fdjroerbef. be§ SäcfermeifterS £. Scb- in St. 

12 . 

•Darf bas ©risbanftaiut ueränbedidje ©rbänbe^b» 
fliuibe fnlalfeti ? 

Sie bürgerlichen Kollegien ber Stabtgemeinbe St. haben 
im ^afammenbang mit ber ^eftftellung be§ Stabtbauptan§ 
für bie ©emanbe ©., St. unb S. am 30. SDRai/ 19. $uni 1902, 
am 22. Qanuat/5. ÜJiärj 1903 unb am 28. SDtai, 25. Quni 
1903 u. a. befdjtoffen, für ben einen Seftanbteil be§ be* 
jeiebneten Sf Qne§ bitbenben S . . . roeg folgenbe ortibau* 
ftatutarifebe Sorfcbrift aufjuftellen : „Sie Slbftänbe ber 

Sorbergebäube oon ben beiberfeitigen ©igentum^grenjen haben 
jufammen minbeften§ 7 m ju betragen, ft'einer ber Slbftänbe 
barf fleiner als 2 m fein. Sterben mehrere ©ebäube auf 


Digitized by Google 



2)arf ba§ OrtSbauftatut Berätibcrlicbe ©ebäubeabftänbe gulaffcn? 101 

einem ©runbftüct erbaut, fo tjaben bie 2lbftänbe ber ben 
beiberfeitigen ©igenturnggrenjen junächft liegenben ©ebäube 
oon biefen ©renjen je minbeften§ 2 m ju betragen. ®ie 
Summe ber Slbftänbe ber auf bem ©runbftücf ju erftetlenben 
SSorbergebäube unter ftc£) unb non ben ©igentumSgrenjen 
mufj minbeften§ fo otel mal 7 m betragen, at§ 33orber= 
gebäube errietet roerben. deiner ber ©ebäubeabftänbe barf 
weniger al§ 4 m betragen." 

®ie gegen biefe Öeftimmungen fidt) roenbenbe ©infpradje 
be§ ootmaligen 9iatfchreiber§, jetzigen StabtpflegerS g. in ©., 
beffen ©hefrau ©igentömerin be§ an bet 9torbfeite be§ 
@...roeg§ gelegenen ®runbftüd§ 9tr. 2829/1 ift, mürbe 
oon ben ©emeinbefottegien al§ unbegrünbet abgeroiefen. 35ie 
Sefchlüffe ber bürgerlichen Kollegien mürben burct) SRinifteriat* 
entfdjeibung oom 20. Dezember 1906 unter 3urütfroeifung 
ber ©inroenbungen be§ $. genehmigt, ©egen biefe ©nt= 
fdjeibung, bie ihm am 13. 3uli 1907 eröffnet reorben ift, 
hat g. am 24. $uli rechtzeitig unb formrichtig bie fRecht§= 
befchmerbe an ben Sgl. 33erroaltung§gericht§h<>f erhoben mit 
bem Antrag, bie 33orfd)riften, foroeit fie in nachbarlichen 
Serhältniffen angeroenbet roerben foUen, aufzuheben. 

®er 3Serroaltung§gerid)t§hof h a * &ie StechtSbefdjroerbe 
mit folgenber 93egrünbung abgeroiefen: 

9Rach 5lrt. 13 be§ @efet$e§ oom 16. ^Dezember 1876 
über bie 5ßerroaltung§red)t§pflege erforbert bie Anfechtung 
einer 33erfügung be§ Sgl. 9Rinifterium§ be§ Innern, burch 
bie ein 0rt§bauftatut genehmigt roirb, ben 9tachroei§, bajj 
bie gefehlten $8orau§fet$ungen für ba§ Statut mangeln 
unb bafj ber R3efd)roerbeführer hiedurch in feinem '-8aured)t 
oerle^t ober mit einer ihm nicht obüegenben 93erbinblid)feit 
belaftet ift. 3m oorliegenben $üll ift biefer s Jtad)roei§ nicht 
erbradjt, ber öefdjroerbe fann baher eine golge nicht gegeben 
roerben. 

$er Öefchroerbeführet behauptet, in feinem $8aured)t 
oerletjt unb mit einer ihm nicht obliegenben Slerbinblichfeit 
belaftet ju fein, roeil er burch bie angefochtenen Sßorfd>riften 


Digitized by Google 



102 @ntf(f)eibuitgen beä SOertucilhiug$gtrid)t§f)of!?. 

als Sefißer eines Keinen, nur für ein einziges äGßoßnßauS 
auSreicßenben SaugrunbfttidtS genötigt toerbe, einen namhaften 
Seit beS ©ebäubeabftanbS, ben nach Stecht unb Siltigteit 
ber Eigentümer be§ antiegenben ©runbftüdfS tragen foltte, 
auf ficß ju nehmen. 9tun ift ber aucf) in ißrem SBortlaut 
Kar jum v üuSbruct gefontmene Sinn bet angefochtenen Se* 
ftimmungen tein anberer als ber, baß jeber Sauluftige ge* 
hatten fein fott, auf ben beiben ©eiten eines jebett oon ihm 
äu erbauenben ©ebäubeS auf eigenem ©ruttb unb Soben ju= 
fammen 7 m uniiberbaut §u taffen unb eS gilt biefer ©runb» 
faß gleichermaßen für fotcße ©runbftücfe, auf beneit ein, roie 
für fotcfje, auf betten mehrere ©ebäube erftetlt roerben föttnen. 
3Bie oiel uon biefen 7 m ber Sautuftige auf ber einen ober 
ber anbern ©eite feines ©ebäubeS frei taffen mitl, ftettt bie 
Sorfcßrift mit ber Einfcßränfung in fein Ermeffen, baß er 
feinenfatlS näßer atS 2 m mit bem ©ebäube att bie ©renje 
rüden barf unb jtoar gilt biefer Sftinbeftabftanb für jeben 
Stngrenjer, fo baß ficß ber oorgefcßriebene ©ebäubeabftanb, 
menn beibe 9tacßbarn oon bem Sftitibeftmaß ©ebraucß macßett, 
auf 4 m oerringert. @S roirb alfo baburcß, baß ber %Hß= 
bar bis auf 2 m an bie ©renje baut, ber ©runbftüctSeigen» 
tümer nicht ettoa genötigt, nunmehr feinerfeits burcß Siegen* 
taffen oon 5 m ben ülbftanb oon 7 m ßerjuftellen. @S fteßt 
oiefmeßr oöltig ju feinem Setieben, oßne jebe baupolizeiliche 
ÜHücfficht auf bie üftachbargtenje unter Seacßtung beS SJtinbeß* 
abftanbS oon 2 m bie oon ihm frei ju laffenben 7 m nach 
feinem Setieben auf ben beiben ©eiten feines ©ebäubeS ju 
©erteilen. ES ift bentnacß nicht erfinblich, inwiefern ber Se* 
fcßtoerbefüßrer atS Sefißer eines ©runbftüdtS, auf bem er 
nur ein ©ebäube erfteUeti fann, burd) bie angefochtenen Sor* 
fcßriften bann in feinem Sauredjt befcßränK ober mit einer 
Serbinblicßfeit ju ©unften eines anbern betaftet toerben foü, 
wenn feine 9tacßbartt in ber Sage finb, meßt ©ebäube auf 
ißren ©runbftüdten ju erftetlen unb auf beiben ©eiten bis 
auf 2 m an feine ©rettjen ju bauen. iKidjtig ift atterbingS, baß 
in fotd)en gälten ber ©ebäubeabftanb auf einer ©eite bis 


Digitized by Google 



$arf ba? DrtSbauftatut öeräiiberlidjc öiebäubeobftänb« julaffeu? 103 

auf 4 m herabfinfett fann, ruährenb ber ©efitjer be§ größeren 
©runbftücfs tu eitere Mftänbe jtuifdf)en feinen ©ebäuben ein» 
galten fann. Mein ba letzteres nirfjt ju Saften be£ Heineren 
©runbftücfS gefcßieht, an beffen ©erbinblicßfeit burch bie bem 
größeren ©runbbefi^er eingeräumte größere ©etuegungSfrei» 
beit nichts geänbert tuirb, fann ein ©ingriff in baS S^ec^t 
be§ ©efdjtuerbeführerS fiierin nid)t erblicft tuerben. @S ift 
uieUeirfjt möglich, baß ben Qntereffen ber Heineren ©runbbe» 
f©er mit ber angefochtenen ©orfcfjrift nid)t in bemfelben 
2ftaße gebient roirb, roie benen ber größeren, ©ine bloße 
Qntereffenoerletjung reicht aber für bie ©egrünbung ber 
9ied)tSbefchtoerbe nicht auS. 

Mer auch bie ©ehauptung beS ©efd)tuerbeführerS, eS 
ermangeln bie genehmigten ortSbauftatutarifchen ©orfdjriften 
ber gefetjlichen ©orauSfetjungen, ift unbegrünbet. ®ie ©au» 
orbttung befdjränft fid) barauf, in 2Irt. 28 9lbf. 1 über ©e» 
bäubeabftänbe ben allgemeinen ©runbfatj aufjuftellen, baß 
jeber ©au fo angelegt tuerben muß, baß im §alle eines 
©ranbeS für bie gcuerlöfch» unb OtettungSanftalten ber er» 
forberlicfje Munt gegeben ift. Slußerbem erHärt fte in 
5lrt. 28 2lbf. 2 für bie ©ntfernung ber ©ebäube uoneinanber 
nur bie ©eftintmungen ber Hirt. 9, 30 unb 39 Hlbf. 2 unb 
bie ©orfdjriften über bie ©auart ber ©ebäube (Hirt. 37, 40, 
41, 43) für maßgebenb, um in Hirt. 28 2lbf. 3 eS im übrigen 
ben OrtSbauftatuten uorjubehalten , außer im fjalle beS 
Hirt. 30 2lbf. 1, inforoeit, als allgemeine polizeiliche SRücfficf)ten 
eS erforbern, in ©ejiehung auf bie ©ebäubeabftänbe unb 
bereu ©röße roeitere ©eftimntitngen ju treffen, bie ba§ in 
biefent ©efeh uorgefd)riebene 9Jtaß überfd)reiten. hiernach 
ift ben DrtSbauftatuten für ihre ©eftintmungen über @e= 
bäubeabftänbe ber roeitefte Spielraum gelaffett unb eS ift 
bem ©efet* in feiner SBeife ju entnehmen, baß fie für alle 
©auten ober auch nur für bie in beftimmt abgegrenjten Orts» 
teilen ober Straßen unb Straßenftrecfen nur gleid)mäßige 
ober ohne tueitereS feft beftimmte Mftänbe uorfchreiben 
müßten. @S ftet>t im ©egenteil nichts im SBege, baß fie. 


Digitized by Google 



104 @ntfd)eibungen be§ ©er»a(tuiig8geri(f)t«§of8. 

foroeit allgemeine polizeiliche SRücfficljten e§ erforbem unb 
ber ©runbfah be§ 2lrt. 28 2lbf. 1 nicht entgegenfte^t unb 
weiterhin bie befonberen 33eftimmungen be§ 2lrt. 28 2lbf. 2 
nicht berührt werben, wechfelnbe ©ebäubeabftänbe oorfchreiben 
ober julaffen unb auf beren Slnwenbung ber ©elbftbeftimmung 
ber ©runbbefitjer einen geioiffen Sinflufc einräumen fönnen. 
Da nun bie angefochtenen 93eftimmungen rceber gegen s 3trt. 28 
2lbf. 1, noch gegen 5lrt. 28 9lbf. 2 ©O. oerftofjen, auch er* 
löbliche polizeiliche 91ücEftcf)ten für biefelben geltenb gemacht 
werben, fo finb bie gefehlten Sßorau§fe^ungen für fie ge* 
geben unb ihre ®enef»migung ift bemnad) feitewS be3 Ägl. 
9)ünifterium§ be§ Innern mit 9?ed)t erfolgt. 

SBenn ber ®efd)n>erbefüt)rer meiter bemängelt, 0rt§bau* 
ftatuten bürfen nid}t bei ober au§ Slntafj ber geftftedung 
oon ©tabtbauplänen für einzelne Ortsteile erlaffen werben, 
nne bie§ im oorliegenben $ a b gefdjefyen ift, fo f'ann er fid) 
l)iebei in feiner SBeife auf ba§ in 2lrt. 3 330. geregelte ge* 
fe^lidje Verfahren für (Errichtung ober 3Ibänberung oon Ort§* 
bauftatuten ftü^en. 

Entgegen ben Ausführungen beS ®ef<hmetbeführerS ift 
fobann nod) feftjuftellen, bafj bie angefochtenen ortsbau* 
ftatutarifdjen öeftimmungen rein baupolijeilidjen OnljaltS 
ftnb unb, roie fid) übrigens oon felbft oerfteht, jeber (Sin* 
flufjnatjme auf nachbarredjtlidje Sßer^ältniffe entbehren. 

Urteil uom 16. Oftobev 1907 in ber DiedjtSbefchwevbef. 

beS ©tabtpfl. @. 3- in @. 

13. 

Unter welchen IJornnsrehnngen tritt bei ber 3®n»öö= 
enieignnttg nn bie stelle ber Cigentumsiibertrnflnng 
eine ®igentnmsberdjränkung? 

3ur ortSbauplanmäfjigen Durchführung ber SBera* unb 
ber ©chühenftrafee in ©t. in ihrem Verlauf norböftlich bet 
Äreujungsftelle beiber ©tragen hoben bie bürgerlichen £ol* 
legien ber Stabt ©t. am 10./12. SJlai 1906 ben Eintrag auf 


Digitized by Google 



Unter toeldjen 58orauSfefeungeit tritt bei ber 3wona§cnteignung ?c. 105 

jroangiroeife Abtretung bcr ben ©rbett be§ SB. £. 33. unb 
feiner oerftorbenen ©hefrau 9Jt. in ©t. gehörigen, jur |>et* 
fteliung ber genannten ©trafjen erforberlidjen unb au§ bem 
Sageplan uom 9Jtai 1905 erftcfjtlidjen ©runbftücf§flächen ge* 
fteüt. ®a§ Sgl. SJtinifterium be§ Innern h at mit ©rlafj 
uom 29. 2Rai 1907 auf ©runb be§ Slrt. 46 3iff. 3 unb 
be§ Slrt. 23 be§ ©efeijeS uom 20. ®ejember 1888, betreffenb 
bie 3roang§enteignung oon ©runbfiiicfen unb uon Stecfjten 
an ©runbftücfen, ®ntfd)eibung baf)in getroffen, bafs jur Slu§* 
fühtung be§ bejeidjneten, im S’ageplan bargeftellten Unter* 
nehmend bie Abtretung mehrerer, nach ißarjellennummer unb 
glädjengehalt in ber ©ntidjeibung einjeln aufgeführter ©runb* 
ftiicfSteile ber S3.fd)en ©rben notroenbig fei. 

©egen biefe am 5. $uni 1907 jugeftellte @ntfcf)eibung 
hat bie ©tabtgemeinbe ©t. mittels eine§ am 17. Quni 1907 
bei bem Sgl. SJlinifterium be§ Innern eingefommenen ©d)rift* 
fat}e§ Siefchroerbe erhoben unb jur S3egrünbung auSgefül>rt, 
e§ fei in ber angefochtenen ©ntfeheibung unter Berufung auf 
Slrt. 1 5 Stbf. 2 beS .3roang3enteignung§gefel3e3 bie Slbtretung, 
genauer bie ©ntjiehung beS ©igentuml anbei- für bie 
Stühmauern unb 33öfcf)ungen erforberlid)en 
3 1 ä ch e für notroenbig crflärt roorben, obrooljl bie ©tabt* 
gemeinbe in erfter Sinie nicht foroof)( bie ©ntjiehung, al§ 
»ielmehr nur eine entfprecfyenbe Stefdjränfung b e § 
@igentum§ t)infid)tli<±) biefer ^läctje beantragt habe. 

$er 9iecf)t§befchroerbe rourbe ber ©rfolg oerfagt aue> 
folgenben ©rünben: 

®ie 3 u läffigfeit ber SSefdjroerbe au§ Slrt. 25 Slbf. 1 in 
SBerbinbung mit Slrt. 23 Slbf. 2 be§ ^^attg^enteigrmngS» 
gefe^cS unterliegt feinem Siebenten; bie Skfctyroerbe ift auch 
rechtzeitig unb otbnungSmäfjig erhoben, fadjlid) aber erfcheint 
ba§ Verlangen bet S3efd)roerbeführerin nicht gerechtfertigt. 

91ach Slnfidjt ber ©tabtgemeinbe hätte bie aufjuevlegenbe 
©igentum§befd)ränfung bezüglich ber für Stützmauern unb 
33öfchungen erforberlichen ©runbflächen bahin ju gehen, bafj 
ber ©igentümer uerpflid)tet roürbe, 1. ju bulben, bajj auf 


Digitized by Google 



106 ©ntfdjeibunflen be8 8krtt>altung?flericf)t?I)ofg. 

biefen ^fäcfjen jum S^edt ber |jerftcllung ber ort#bauplan= 
mäßigen Strafen unb öffentlichen ‘‘fBlätje nach ©fafjgabe ber 
oorgelegten ißläne unb ©rofile ©tühmauern unb ©öfcfjungen 
angelegt roerben ; 2. nad) ^fertigftellung ber ©tragen, öffent* 
liehen ^Slä^e, Stützmauern unb ©öfdjungen ftd) foldjer ©er= 
änberungen an feinen ©runbftücten ju enthalten, ruelche ge* 
eignet mären, ben ©eftanb ber angrenjenben ©tragen unb 
öffentlichen ©lätje unb ben öffentlichen ©erfeljr auf ihnen 
ju gefährben. 

@§ !ann nun bahingeftellt bleiben, ob mit einer bloßen 
©igentumSb efdjränf'ung biefe# Inhalts bem Unternehmen, 
ju beffen ©ermirftichung ba§ 3mang§enteignung§oerfahren 
beftimmt ift, auch nurflid) in auSreidjenber SBeife gebient 
märe unb ob anbererfeit# eine jmecfentfprechenbe $urd}= 
führung be# Unternehmen# bei blofjer ©efcf)ränfung be# 
©igentum# an ben in Siebe fteljenben flächen — 00 m mirt* 
frfjaftlidjen ©rfolg au# betrachtet — für ben (Eigentümer 
nicht tatfäd)lid) einer @igentum#entjiehung gleichfäme, fo bafc 
fchon au# biefem ®e|'id)t#punft an ©teile ber ©igentum#* 
befdjränfung bie oollftänbige ©igentumSübertragung geboten 
fein fönnte. ©enn jebenfafl# ift bie angefochtene ©ntfdjeibung 
au# bem ©runb gerechtfertigt, roeil fie, auf 2trt. 15 9lbf. 2 
be# 3mang§enteignungSgefeheS geftü^t, bem auSbrücflichen 
Verlangen ber ©runbeigentümer auf @igentum#übertragung 
ber betreffenben ©runbftücfsteile an bie Unternehmerin in 
ber (Erwägung ftattgegeben hat/ bafj jene ©runbftücfsflächeti 
burd) bie oon ber ©efdpoerbeführerin in# Sluge gefaxte 
bauernbe ©efchränfimg in einer ©Seife belaftet mürben, bafj 
fie nach ih rer bisherigen ©eftimmung nicht mehr jmecfent* 
fprechenb benützt werben tonnten. 

$war ift hiegegen oon ber ©tabtgemeinbe eingewenbet 
worben, oon ber bauernben ©efdjränfung werbe nidjt ba§ 
©runbftüd, fonbern nur ein oerfdjwinbenb Heiner ©eil bei* 
felbeit betroffen, unb auch biefer nidjt fo, bajj er nic^t nach 
feiner bisherigen ©eftimmung jroecfentfprechenb benützt werben 
fönnte. ©iefer Sluffaffung fann aber weber nach ber einen 


Digitized by Google 


Unter melden SSorauSfefeungeti tritt Bei her 3®ang?enteigmmg k. 107 

nodt) nach ber anbetn ©eite beigetreten roerben. Ser 93er» 
roaltungSgericßtSfiof ift oielmefjr, roaS junädjft ben teueren 
©inroanb onbetangt, in Uebereinftimmung mit bet SRinifterial» 
entfcßeibung unb ber ißr pgrunb liegenben gutachtlichen 
Sleußerung be§ tecßnifchen SRinifterialreferenten ber lieber» 
jeugung, baß in ber Sat im goß einer ©igentumSbeßhränfung, 
aud) roenn biefe nur ben non ber S3efcf)roerbefübrerin ge» 
roünfcßten, oben roiebergegebenen Inhalt t)ätte, für eine jroecf» 
entfpredjenbe SBeiterbenüßung ber $u ©tüßmauern unb 
S3öfcßungen benötigten, feitßer als SBeinberg bejiehungSroeife 
SIcferlanb oerroenbeten ©runbfläd)en nach i^rer bisherigen 
S3eftimmung feine SRöglidjfeit mehr beftiinbe. SBenn man 
aud) banon abfieht, baß überall ba, roo bie 9Rauerfläcf)en (ein» 
fd)ließlid) ber Steppen) ju Sage treten, roo alfo eine @rb» 
fd)id)te garnicßt norhanben ift, Äulturpftanjen nict)t fort» 
Eommen fönnen unb baff beSßalb an biefen ©teilen eine lanb» 
roirtfd)aftliche 93enüßung irgenb roelcßer Slrt töllig auige» 
fcßloffen ift, fo finb oor allem bie 93öfd)ungen ausweislich 
be§ bem Unternehmen ju ©runb gelegten fßlaneS burchroeg 
fo fteil, baß fie als SBeinberg unb Slcfer, alfo auf bie feit» 
herige, roefentlid) flachere ©elänbeneigungen erforbernbe Slrt 
nicht mehr benüßt roerben fönnten, jumal aud) bie für folcfje 
Äulturarten unerläßliche Slufloderung beS 53obenS nicht mehr 
norgenommen roerben fönnte, ohne baß babutd) ©rbruifcßungen 
ju befürchten unb fo ber öeftanb ber S3öfd)ungen einfcßließlich 
ber ©traßen unb ber anfcßließenben ©runöftüdSteile erheblich 
gefährbet roäre. 

Slber auch ber roeitere ©inroanb, eS roerbe nur ein oer» 
fcßroinbenb fleiner Seil beS ben ©.fcßen ©tben gehörigen 
©runbftüdS non ber bauernben Skfcßränfung betroffen unb 
eS treffe auS biefem ©eficßtSpunft bie Seftimmung in Slrt. 15 
Slbf. 2 beS 3roangSenteignungSgefeßeS nicht ju, ift hinfällig. 

©egenteil ergibt fcßon ein flüchtiger S3Iid auf ben bem 
Unternehmen ju ©runbe liegenben Sageplan, baß ein feßr 
beträchtlicher S3rucf)teil ber ©efamtfläcße für Slöfcßungen unb 
©tüßmauern erforberlid) roitb. Zubern erfcßeint bie Sin» 


Digitized by Google 



108 (Sntfcfieibungen bes 21ertoattung§geridjt®f)of8. 

roenbung be§ 2lrt. 15 2lbf. 2 aucf) in einem galle, roo, roie 
hier, nicht ba§ gonje, fonbern nur ein Seil be§ ©runbftücfS 
bejiehungSroeife je ein Seil mehrerer felbftänbiger ©runb» 
ftücfe mit einer bauernben 'Bejdjränfung belüftet roerbett fotl,fd)on 
nach allgemeinen 3lecht§regeln unbebenflid), roie benn auch 
bie ^eranjiel)ung be§ 2lrt. 11 9lbf. 4 unb 2lbf. 5 ©at) 1 
be§ ©efe^eS, beffen finngemäfje 9fnroenbung auf bie neben 
ber ©igentumSentjiehung möglichen ©nteignungSfälle gemäfj 
2lrt. 15 2lbf. 1 feinem Stnftanb unterliegt, ju ganj bemfelben 
©rgebniS fuhren roürbe. 

SScrh- ber Kammer ber 5lbg. 1886/88 I. 93eil.93b., 
1. 3fbt. ©. 395; 2. 2lbt. ©. 657. 

|)at hienach bie angefod)tene ©ntfdjeibung bie Stufet* 
legung einer b auernb en S3efd)ränfung an ben ju tBöfchungen 
unb ©tittonauern erforb erlichen ®runbffäcf)en mit Stecht ab* 
gelehnt, fo fcheibet bamit bie non ber §8efchroerbeführerin 
gleichfalls ermähnte, inbeffen non ihr fetbft nid)t ernftlich 
roeitcr oerfolgte SJtöglidjfeit einer nuroorübergehenben 
©igentumSbefchränfung non fetbft au§. Stuf bie gegen eine 
foldje Auflage gemäjj Slrt. 4 Slbf. 2 beS 3n>ang3enteignungS= 
gefe^eS fprechenben ©rünbe braucht barum hi er nicht einge* 
gangen ju roerben. 

Urteil oom 16. Oftober 1907 in ber SSefchroerbefache 
ber ©tabtgemeinbe ©t. 

14. 

Hei ber @inhinnntrn|ienerrrklärnng bnrf ein geroerb» 
lidjer Herlnft bes iJorjuljrs nicht abgererhnet roerben, 
roenn ber als (Shtelle in Hetrndjt hamtnenbe ©eroerbe* 
betrieb bei Hegitttt bes Htenerjaljrs nidjt meljr be= 
(tanben Ijat. 

I. Ser Söefchroerbefiihrer hat in feinet ©infommenfteuer* 
erflärung für ba§ Steuerjahr 1906 unter $iff. IV, 4 beS 
JafftonSformularS ben betrag oon 3000 SJtf. an bem ©e= 
famtbetrag bei fteuerbaren QahreSeinfommenS mit ber 33e* 


Digitized by Google 



58ei ber ©inFommenfteuertrflänmg barf «in geioevblidjer Söerluft k- 109 

grünbung in Slbjug gebracht, bafj biefer SBetrag einen im 
©pätfommer 1905 beim .£jopfenhanbel erlittenen SSerluft bat* 
ftelle. ©orootjl bie ©infchähungSfommiffion, al§ ba§ Ägl. 
©teuerfollegium unb auf weiter erhobene Sefchwerbe auch 
ba§ Ägl. ^inansminifterium hoben, letzteres mit ©ntfcfjeibung 
oom 26. Sluguft 1907, bie 3lbjug§fäf)igfeit biefe§ 93etrag§ 
oemeint. Sluf bie am 28. Sluguft jugeftellte Sllinifterialent* 
Reibung hat ftrf) 3W . . . mit einer am 9. ©eptember einge* 
fommenen ©ingabe an ben Ägl. S3ermaltung§gericht3bof ge* 
roenbet, in welcher jwar nicht auSbrücflich gefagt ift, bafj 
er bie Ned)t§bef<hmerbe erheben wolle, welche aber bod) anberer* 
feit§ bie ©rllärung enthält, bafj er um „Nachprüfung" ber 
genannten ©ntfcheibung be§ Ägl. 5inanjminifterium§ bitte 
unb fo in Sßerbinbung mit ihrem übrigen ^nt)att bie Slb* 
|”tcht, 53efd)werbe ju erheben, genügenb beutlid) erlernten lägt. 
Sie für bie ©inlegung ber Ned)t§befd)merbe oorgefchriebene 
5orm unb grift erfdjeint tjienad) gewahrt. 

II. Ser Ned)t§befd)werbe tann aber au§ fad)lid)en 
©rünben eine ?5otge nicht gegeben werben. Ser 93efd)werbe= 
führet war für ba§ ©teuerfahr 1905, innerhalb beffen ber 
angemelbete SSerluft oon 3000 SRI. fid) ergeben hatte, al§ 
^opfenhänbler jur ©ewerbefteuer eingefchätjt; auch war ber 
©rtrag au§ bem |jopfenhanbel bei ^Berechnung feine§ fteuer* 
baren Qahreäeinfommen§ für bie ©infommenfteueroeranlagung 
pro 1905 mit ju berüdfidjtigen. Slm 26. Qanuar 1906 aber 
hat ftch ber öefchwerbeführer feiner eigenen Darlegung ju* 
folge oon ber ©ewerbefteuer mit ber ©rflärung, bafj er feit 
$erbft 1905 feinen |jopfenhanbel eingeftellt habe, abgemelbet 
unb war bentjufolge gemäfj SIrt. 100 Slbf. 2 beS ©efetjeä 
oom 28. Slptil 1873/8. Sluguft 1903, betr. bie ©runb*, ©e* 
bäube* unb ©ewerbefteuer nur bi§ ©nbe be§ ©teuerjal)r§ 
1905 jur ©ewerbefteuer heranjujiehen. ©3 beftanb ^ienarf) 
ju Slnfang be3 mit bem 1. Slpril 1906 beginnenben ©teuer* 
jal)r§ 1906 biefer ©ewerbebetrieb ($opfenbanbel), welchen 
bie angefochtene ©ntfdjeiöung jutreffenb al§ felbftänbige für 
ftch beftehenbe Slrt einer 6infommen3quelIe im ©inn oon 


Digitized by Google 



110 ©ntfdjeibungen bei SSerroaUuiig§gericf)t8t)of$. 

2lrt. 6 3'ff 2 be§ ©infommenfteuergefetjeS aufgefafjt t)at — 
©öj, ©infommenfteuer ©. 77, ißiftoriuS ju 2lrt. 10 2lnm. 5 
be§ ©infommenfteuergefetjeS, 2. 2lufl. <3. 69 — , nid)t mel)r ; 
e§ formte barum aber aud), ba nacf) 2lrt. 10 2lbf. 2 beS 
©infommenfteuergefetjeS baS93eftel)en einer ber nad) 
21 r t. 6 baf. fteuerbarenSinfommenSqueltenju 
beginn b e S ©teuerjal)re§ b i c notroenbige 
SSorauSfetjung für bie 23ered)nung eines 
fteuerbaren 3af)re§einfommen§ bitbet, fein @r= 
trag au§ jenem ©eroerbebetrieb, ©eroinn foroenig als üßet= 
luft, bei ber ©infommenfteueroeranlagung be§ 23efd)toerbe= 
fütjrerS für baS ©teuerjaljr 1906 mefjr in f^rage fotnmen. 
Ser non bem S3efd)roerbefül)rer jum 2lbjug angemelbete ®er= 
luftpoften oon 3000 9Jif. f)ätte bei ber geftftettung beS fteuer* 
baren FaljreSeinfonrmenS auf 1. 2lpril 1906 nur bann 33e- 
rücffid)tigung finben formen, roenn bie Quelle, ber biefer 
SBerluft entfprang, — baS im |)opfenf)anbel beftetjenbe $anbel§= 
geroerbe — am 1. 2lprit 1906 nod) beftanben t)ätte ; ba§ 
©egenteil baoon ift aber auf ©runb ber 2lngaben beS $e= 
fdpoerbefüljrerS felbft feftgeftellt. 

Ser ©rurtbfat), baf) ber bei einer einzelnen @mfommen§> 
quelle fic^ ergebenbe 93erluft — baS Sefte^en biefer Quelle 
an bem für bie SSeranlagung mafigebenben Sage oorauSge- 
fet)t — oon ben ©rträgniffen ber übrigen ©infommenSquellen 
in 2lb}ug su bringen ift, ift aud) für baS ©ebiet ber 
preufjifdjen ©infommenfteuer in ißrayis unb 5Red)tfpred)ung 
anerfannt. 

Fuifting, Komm. j. ißreufj. ©infommenfteuergefet), 

7. 2lufl. ju § 6 3iff. 4 lit. b unb c (©. 62). 

©in Unterfdjieb jruifdjen ber roürttembergifcfyen unb 
preufjifdjen ©efe^gebung in biefem ißunft befielt nur info- 
fern, al§ im roürttembergifdjen ©infommenfteuergefet) biefer 
«©ebanfe in 2lrt. 91 $iff. 6 <ju oergl. aud) 2lrt. 46 3iff. 3) 
auSbrüdlid) ©rrociljnurrg gefunben Ijat, roäbrerrb ißreufjen il)n 
unter 2krjicf)t auf eine befonbere gefe^lidje Formulierung 
unmittelbar auS bem ©infommenSbegriff felbft ableitet. 


Digitized by Google 



35aS Sinlommen einer in SBüvitemberg fejjf)- 9iftiengefellfct)afi k. 111 

•3u oergt. 2tnweifung pm ^ r e u fj. ©infommen* 
fteuergefet} oom 25. Qjuti 1906, 2(rt. 33 giff. lb; 
©öj, ©infommenfteuergefeh ©. 107/108. 

3ur Begrünbung ber 2tbpgSföhigfeit oon Berluften auS 
einem oor beginn b e S ©teuerjja^rS a u f g e * 
gebenen Betriebe mürbe e§ auSbrücflicher ©efet>eS» 
oovfcbjrift bebürfen (guifting a. a. O.); eine fotrfje ift auch 
für SBürttemberg nirgenbS gegeben. 2Bot|t aber ift baS 
©egenteil auS bem Söortlaut ber angeführten ©efetjeSbe» 
ftimmung in 2(rt. 91 3iff. 6 unb 3lrt. 46 $iff. 3 p ent» 
nehmen, fofern bort gefagt ift, bafj bei ©rmittetung beS 
fteuerbaren ©infommenS non ben ©innahmen in 2tbpg p 
bringen fei ber Berluft, roe(d)er bei Berechnung b e S 
©infommenS a u § einer einzelnen 2t rt non 
©infommenSquellen ftcf) ergeben hat. Bei ber ©infommenS» 
berechnung fdheibet aber nach bem oben ©efagten in ©emäfj» 
heit be§ 2lrt. 6 in Berbinbung mit 2lrt. 10 2tbf. 1 unb 2 
beS ©infontmenfteuergefeheS baSjenige ©infommen, roetcheS 
einer bei Beginn beS ©teuerjahrS gar nicht mehr oorhanbenen 
©infommenSquelle entfprungen ift, für bie ©infommenfteuer» 
netanlagung biefeS Jahres oon oornherein auS, fobafj auch 
für ben 2tbpg eines etroaigen BerluftS auS fotcher Duette 
fein Baum übrig bteibt. 

Urteil oom 2. Oftober 1907 in ber ©infommenfteuer» 

StechtSbefcfjrcerbefache beS 21. Bi. in Bt. 


15. 

Bas ©inkömmen einer in Württemberg feßhoften 
BktiengefeUfd)aft ans Anteilen an einer auswärtigen 
©efeUfrijaft mit befdjräukter ijuftnng nntertiegt ber 
württemb. @inkammen(tener. 

2luS ben ©rünben: 

3)em Stnfprud) ber Befchroerbeführerin auf fyreilaffung 
beS Betrags oon 300000 Btf. oon ber ©infommenfteuer faun 


Digitized by Google 



112 ©nifdjeibungen beS S3erh>altimg8gerid)t§I)of3. 

eine ^otge nicfjt gegeben werben. ®te unter ber girma 
31. ©dj. befteßenbe, in 33 . . . feßßafte ©efellfdfjaft mit be= 
fcßränfter Haftung ift bie felbftänbige gnßaberin be§ non 
itjr betriebenen ©eroerbeS unb be§ biefem (Seroerbebetrieb 
geroibmeten Kapitals, ju bcm audf) bie t>on ber 33efd)roerbe» 
führerin behufs ©rroerbung ißrer ©efellfdjaftSanteile einge» 
legten ©elbbeträge unb SBerlagSunternehmungen gehören ; 
biefer auf fßreußen befcßränfte ©eroerbebetrieb mit bem ißm 
geroibmeten 33etriebSfapital unterliegt auSfcfjließlid) ber 33e» 
fteuerung burcß ißreußen. 9tid)t ju biefem 33etrieb§fapital 
gehören bie 3lnteile, roeldje ber in SBürttemberg feßßaften 
33efcf)roerbefüE)rerin auf ©tunb itjrer ©inlagen an bem 93er» 
mögen ber unter ber girm 31. ©d). erridjteten ©efellfd)aft 
mit befdjränfter Haftung jufteljen; foroeit au§ ben gefdjäft» 
licken Ueberfdjüffen ber ©efellfcßaft mit befdjränfter Haftung 
auf bie in ben £änben ber 33efd)roerbefüt)rerin befinblicßen 
©efetlfdjaftSanteilc ©eroinnbeträge entfallen, liegt ©infommen 
einer in SBürttemberg bomijilierten juriftifdjen ißerfon nor, 
ba§ entroeber in ©emäßtjeit be§ Slrt. 14 3lbf. 1 $iff. 2 be§ 
@infommenfteuer»©efetje§ als ^apitateinfommen anjufeßen 
ift ober, foferne bie fraglichen ©efeUfdjaftSanteile jum ge» 
roerbtichen 33etriebSfapUal ber 33efdjroerbefül)rerin ju rechnen 
ftnb, gemäß Slbf. 4 beS angeführten 3trtifetS als ©infommen 
auS bem ©eroerbebetrieb ber 53efchroerbefüf)terin ju gelten 
hat. Ob baS fragliche ©infommen ju ber einen ober ju ber 
anberen Slrt oon ©infommen gehört, braucht im oorliegenben 
(Streitfälle nicht entfdjieben ju roerben, ba hier lebiglidj über 
bie ©infommenfteuerpflicht ber Sefdjroerbeführeritt geftritten 
roirb unb baS in biefer 93ejief)ung ftreitige ©infommen in 
bem einen, roie in bem anbern gälte nach 2lrt. 6 beS ©in» 
fommenfteuer=©efehe§ gleichmäßig ber ©infommenfteuer unter» 
liegt. UeörigenS teilt Per 93erroaltungSgerid)tShof bie oom 
ginanäminifterium in beffen ©ntfdjeibung oom 13. guli 1906 
eingehenb begrünbete 31nfid)t, baß bie in grage fteßenben 
©eroinnanteile ber 93efd)roerbeführerin auf ©tunb ber maß» 
gebenben üBorfchriften ber roürttembergifd)en ©teuergefeße 


Digitized by Google 



3um SBegriff ber ©nflabe je. 113 

jeroeilS fteuer(id) al§ geroerbliche @inEommen§teile ju be= 
tjanbetn ftnb. 

3ft nad) bem SJluggeführten ber ber Sefd)n>erbefühverin 
im ^ahre 1905 au§ bem Setriebe beS Sd).fd)en ©enterbet 
jugefloffene ©eroinnanteil oon 300 000 ÜJiE. ein fetbftänbiger 
au§ ihrer ^Beteiligung an einer ©efeüfdjaft mit befdjränfter 
Haftung h er tül)renbet ©infommen^beftanbteit bet Sefchroerbe» 
führerin, fo ergibt ftd) bie fRed)tmä^igfeit feiner Seijietjung 
jur roürttembergifd)en ©intommenfteuer au§ 2lrt. 2 unb 6 
be§ @inEommenfteuer=©efehe3. ®er Umftanb, baff bie Se= 
fd)tt>erbeführerin eine ^^eignieberlaffung in S . . . unterteilt, 
ift für biefe Steuerpflid)t ohne @rhebtid)Eeit; biefe 3«>eig= 
nieberlaffung hat mit bem ©eroinnanteil an bem Sd).fchen 
©efdjäft nichts ju fc^affen ; bie in SSürttemberg bomijitierte 
Sefchroerbeführerin h Q t an ih rcm roürttembergifchen Sitje 
bie ^Beteiligung an ber ©efeüfdjaft mit befdjränEter Haftung 
befdjloffen unb burcbgefüljrt unb nimmt oon biefem fBlittel* 
punEt ihrer gefdjäftlicben SätigEeit au§ auch ihre 9ted)te unb 
Pflichten all ©efeüfdjaftSmitglieb mahr. 

Urteil oom 18. September 1907 in ber ©inEommen* 
fteuer=9ied)t§befd)n>erbefacbe berU., 2). SerlagSgefeüfd). :c. 
in St. 


16. 

Jntn begriff ber ©nklaue iw Suntte bea $ri. 3 bea 
Jlagbgefeijea uom 27. (Dktuber 1855. 

91u§ ben ©rilnben: 

21rt. 3 be§ $agbgefet}e$, auf ben ber Kläger feinen 2ln= 
fprud) grünbet, beftimmt : „3ft ein einzelnes ober fmb mehrere 
jufammen nicht mehr als 50 SJtorgen haltenbc ©runbftüde 
oon einem ober mehreren nad) 2lrt. 2 3lbf. 1 jufammen* 
hängenben ©runbftütfen eingefdjloffen, fo fteht bem Sefttjer 
ber jufammenhängenben ©runbfläche, unb roo eS mehrere 
bergleidjen 3lngrenjer ftnb, bem Sefitjer ber größeren fläche 
baS SRect)t jur 2luSübuitg ber $agb auf biefett ©nElaoen 

3a$rbü($«r l»r SBürttcmb. Se^täpfltge. XX. 1. S 


Digitized by Google 



114 (Sntfdjeibungeit be« SScrttjaltungSgertcfjtg^of«. 

gegen ©ntridjtung eine§ ^3ad)tfct)i(Iing§ an ben ©runbeigen» 
türner ju". Von ben VorauSfetjungen biefer Veftimmung 
trifft im ootliegenben ffall bie ju, baf? bie ftrittigen ©runb» 
ftücfe 1044 unb 1045/3 weber einjeltt, noch jufammen baS 
SDiafj oon 50 Viorgen (= runb 15 ha) erreichen, oielmehr 
mit bem weiter in Vetracht tommenben ©runbftücf 1045/4 
jufammen nur annähernb 2 ha meffen. dagegen trifft nicht 
ju, roie fdjon ber Unterrichtet bargelegt hat, bafj bie frag» 
liehen ©runbftücfe oon einem ober mehreren nach 2lrt. 2 
3lbf. 1 ^agbgefeheS jufantmenhängenben ©runbftücfen ein» 
gefdjloffen ftnb. $>aS ^agbgebiet beS Klägers ift jwat ein 
fotcheS nach Slrt. 2 Slbf. 1 QagbgefetfeS jufammenhängenbeS 
©runbftücf. @S fchliefjt aber bie fraglichen ©runbftücfe je 
nur auf 3 Seiten ein. SJtit feiner oierten ©eite ftöfjt 1044 
auf mehrere nicht unter Slrt. 2 Slbf. 1 faüenbe ©runbftücfe 
ber ÜJtarfung ©. 1045/3 junächft auf 1045/4, fobann aber 
burcf) beffen Vermittlung ebenfalls auf mehrere nicht unter 
Slrt. 2 Slbf. 1 fallenbe ©runbftücfe ber Sftarfung @. ®a 
nun unter „eingefchloffen fein" forooht nach bem SBortfinn, 
als nach bem Inhalt beS 2lrt. 3 nichts anbereS oerftanben 
fein fann, als ein „umfchloffen fein" oon allen ©eiten, 
eine Sluffaffung, gegen welche auch auS ben ©efetfeSoor» 
arbeiten *) nichts ju entnehmen ift, ein folcheS „©infchliefjen" 
aber für baS ^jagbgebiet beS Klägers im Verhältnis ju ben 
©runbftücfen 1044 unb 1045/3 unb 4 nicht uorliegt, fo et» 
gibt fich ohne weiteres, bafj Slrt. 3 auf bie fraglichen ©runb» 
ftücfe nicht anwenbbar ift. 

SBenn ber Kläger fjiegegen einwenbet, eS fönne, ba ber 
©runbfatj beS SJtarfungSgebietS als ^agbbejirf gelte, nur 
ber 3 u f ta nb majjgebenb fein, wie et auf ber 9Jlarfung SB. 
beftehe unb eS feien bie fraglichen ©runbftücfe auf biefer 
ganj oom ©taatSwalb umfchloffen, fo fann für biefe ©e» 
fetjeSauSlegung, wie ber VerroaltungSgerichtSfjof fief) fch»n 

*) S8evf)aiiblungen ber Stammer ber Slbgeorbneten 1854/55, I. ©eil.« 
®b., 1 . Slbt. ©eite 222 ff., 2. 2lbt. ©. 703; II. Vrot.söb. ©. 1498 ff., 
inbbefonbeve S. 1512 ff. 


Digitized by Google 



3unt 33egiiff ber Snflaue ac. 


115 


in bem Urteil oom 17. 9looember 1890 in ber 33erufung§= 
fache ber $gl. ©taatsfinanjoernmltung gegen bie ©emeinbe 
91., 031. 91., bie 3lu§übung beS QagbrechtS auf ©nflaoen 
betreffenb, auSgefprocfjen hat, roeber in 3lrt. 3 nod) fonft im 
$agbgefet$ ein 5lnhalt§punft gefunben roorben. $n 9lrt. 3 
ftnb bie tatfäcf)lichen Sage= unb 9Jlaf?oerhältniffe ber ©runb= 
flächen ohne jebe 9lüdffid)tnahme auf SDlarfungSgrenjen für 
mafjgebenb erflärt unb in 3lrt. 2 $iff. 1 ift für ben ju* 
fammenhängenben ©runbbejitj oon mehr als 50 9Jlorgen 
auSbrücflid) erflärt, baff aftarfungSgrenjen als ben,3ufammen* 
hang nicht unterbrechenb angefehen roerben follen. 9luch au§ 
3lrt. 4 lägt ficf) bie flägerifdhe 9luffaffung nicht abteiten, ba 
biefer in bie burd) 3lrt. 3 getroffene Siegelung be§ ^agb= 
rechts auf ben ©nflaoen nicht eingreift. 

Urteil oom 16. Oftober 1907 in ber S3eruf.=Sad)e be§ 

3% 33. in U. gegen ben gtht. o. <3.=©chm. in U. 


8 * 


Digitized by Google 



116 


III. 

^bljanMtntg. 

(Brörtmtttgeu ?«m rljdtrijfn ©üterrfdjt. 

9tecf)t®amoaIt Dr. S d) t f o I b , Ulm. 

1. ®te redjtlidje ©atur be§ ebemänntid»en 
©erroaltung§red)t3. 

1. ®ie recf)tlid)e ©atur be§ ebemännlicben ©erroaltungS* 
red)t§ oermögen mir nidjt au§ bent ^Begriff ber ©erroaltung 
ju entroideln, fonbern oielmebr au§ bcn gefet}lid)en ©ot* 
fdjriften, bie für bie ebemännlicbe ©erroaltung befteben, alfo 
namentlid) auS ben §§ 1373—1380 53©©.; biefe 93orf<±)rif* 
ten ftnb, tote roir fagen bürfen, bie causa ber ebemännlicben 
©erroaltung. ©erroaltung übt ber ©eamte, ber ©orftanb 
einer 2lftiengefeüfd)aft, ber ©ormunb, ber @b emQn n; Det5 
fdjieben je nach bem Inhalt ber mafjgebenben ©efetje ober 
©ertrage; ber ©eamte, ber ©orftanb ber juriftifdjen ©erfon 
als SBillenSorgan, ber ffiorntunb als gefe^lidjer ©ertreter, 
ber ©tjemann roeber als Organ, nod) als ©ertreter, fonbern, 
roie roir feben roerben, in eigenem ©ed)t, auf eigenen ©a* 
men, nach SJlafjgabe ber ihm oom ©efet} beftimmten familiero 
rechtlichen Stellung. 

2. 3m erften ©ntrourf jum S©©. ruhte bie etjemänn* 
lidje ©erroaltung auf bem ©edjtSinftitut ber ©ertretung: 
©alb banbeit ber ©tann „im ©amen ber 3rau" fraft @e= 
fetjeS § 1318, balb Ijanbelt er für fie mit ihrer ©olimacbt 
§§ 1319, 1320 (beS ©ntrourfS), alfo immer in ©ertretung 


Digitized by Google 



Sdjefolb: (Erörterungen gum efjeticfjen @üterrecf)t. 117 

ber grau. gm ©efet) felbft nimmt er bie 9ted)t§f)anbtungen 
be§ § 1376 nidft (roie bei § 1318 be§ ©ntrourfS) „im 
Vatnen ber grau", alfo in eigenem Flamen oor; unb 
nirgenb§ ift mel»r non Vollmacht bie Stebe, fonbern nur non 
„guftimmung". Statt bafj ber SJtann nad) bem ©ntrourf at§ 
beoollmäcbtigter ober gefetjlidfjer Vertreter ber grau fjanbelte, 
banbett er nacf) bem V©V. in eigenem Siamen, entroeber 
frei ober mit guftimmung ber grau, fei mit freimütiger, 
fei e§ mit furrogierter guftimmung. 

3. ®ie Siegelung be§ V ©V. (in §§ 1373 ff.) ift bie 
richtige Sogif au§ bem ©runbfat) ber oollen ©efd)äft§fäl)ig= 
feit, bie ber grau aud) im ©ebiete be§ ehelichen ©üterted)t§ 
jutommt. gut Vertretung eine§ ®efd)äft§fäl)igen bebarf id) 
Vollmacht be§felben; gefetgtidje Vertretung eineä ®efd^äft§* 
fähigen gibt e3 nur in gefe^lidjen 2tu§nat)nigfällen. ©olcfje 
fmb gegeben in § 1910 (2lbroefent)eit3pfteger), in §§ 1906 ff. 
(Vad)lafjpfleger), unb §§ 1189, 1270 ff. — ©. ©aupp=Stein I 
ju § 53. — ©in gall ber gefet)lid)en SteUoertretung mar e§ 
aud), roenn nad) § 1318 be§ I. @ntrourf§ ber Vtann im 
Vanten ber grau Ijanbelte; unb ein galt ber gefetjlidjen 
©teüoertretung ift e§, menn bie grau nad) § 1450 bei ben 
fog. -Jiotfällen „im Staaten be§ Vtanne§" ju Ijanbeln fic^ 
entfd)liefjt. gn ben §§ 1373 ff. ftel)t fein SBort baoon, baff 
bet 2)tann befugt märe, im Vamett ber grau, alfo al§ itjr 
gefetüidjer Vertreter ju fyanbeln ; e§ feljlt jebe gefetüidje Ve= 
ftimmung, bie ein fold)e§ ejjeptionelle§ ^anbeln in ge= 
fetglidfer Vertretung ber (gefd)äft3fäl)igen) grau ftatuieren 
mürbe. 

4. ,3uftimmung unb Vollmacht ftnb jtoei grunboerfdjie» 
bene Vegriffe: Votlmadjt ift ba§ 9ied)t3gefd)äft, oermöge 
beffen ber A für ben B tjanbett, beffen 9ted)t§gefd)äft oor* 
nimmt, beffen ißroiefj fütjrt; guftimmung bagegen ift bie 
jum 9ted)t§gefd)äft, jur $roie§füt)rung be§ B binptretenbe 
©rflärung be§ A, oermöge beten B befugt ift, fein 9ted)tS» 
gefdjäft gültig, bejro. mit oolter SBirtfamfeit ootjuneljmen, 
oermöge beren B ju feinem ißrojeffe fac^lirf) legitimiert roirb. 


Digitized by Google 



118 


Slbljanblung. 


bejn>. bai in feinem ißrojef} ergeljenbe Urteil gegen A roirft: 
£>er Sftann oerfügt über eingebrachtei ©ut ber grau mit 
ihrer 3 u f*i mmun 9 § 1375, bie grau über folchei mit 3«= 
ftimmung bei ÜDlannei; ftimmt ber 2Rann bem ißrojefj bet 
grau ju, fo ift bai Urteil bem SJtann gegenüber roirffam 
§ 1400 n. f. f. 2lber immer hanbelt ber eine Seil, alfo 
namentlich ber SRann infolge ber guftimmung, j n eigenem 
Flamen, er ooÜjieht fein fRechtigefchäft, nicht bai ber grau, 
er führt feinen ^ßrojefj, nicht ben ber grau ; benn nie* 
mali roirb Vertretungimacht burch .3u|timmung begrünbet, 
fonbern nur burch Vollmacht. 3Ber fagt, bafj bie guftim* 
mung bet grau ali Vollmacht gelten mürbe (fo Sßlancf n. 6 
ju § 1380), mißachtet ben Haren gefehlten begriff ber 3u* 
ftimmung (§ 182) nic£)t toeniger ali wenn er fagt, bafj in 
ber 3uftimmung Voümacht enthalten fei. 

5. ÜJlicht nur aui bem ©runbfah ber ©efefjäftifähigfeit 
ber ©hefrau unb aui bem richtig erlannten begriff ber 
ftimmung folgt ei, bafj ber 9Rann nicht befugt ift, ohne Voll* 
macht im Flamen ber grau ju hanbeln, fonbern ei folgt 
biei auch aui ber Vorfchrift, bafj ber 9Rann nicht befugt 
fei, bie grau burch !Red)tigefchäfte ju oerpflichten § 1375. 
©ine folche Verpflichtung ber grau entftebt ja immer bann, 
roenn berSRann in ihrem SRarnen, alfo ali ihr Vertretet (giltig) 
hanbelt; bai liegt auf ber $anb bei Verpflid)tungigefchäf* 
ten, aber er oerpflichtet fie auch bei Verfügungen; hier haftet 
bie grau, roenn ber SRann fich einer Slrglift ober gahrläfftg* 
feit fchulbig macht, fte haftet aui ©oiftion, fie haftet für 
3uficherungen unb heimliche SRängel u. f. f. ^ienarf) oer* 
ftöfjt bie herrfchenbe Sehre, bie (roie $lan<f unb ©taubinger) 
ben 9JJann ermächtigt, bie Venoaltung bei eingebrachten 
©uti ber grau in ihrem Vamen ju führen, alfo namentlich 
auch bie SRechtigefdjäfte bei § 1376 in ihrem Flamen oor* 
junehmen, ganj offenbar gegen bie ©runbbeftinrmung bei 
§ 1375; ei märe ja nach biefer Sehre ber SJlann in ber 
Sage, (eben Ülugenblicf SRed)tigefchäfte oorjunehmen, burch 
bie er bie grau oerpflichtet, alfo ju tun, roai ihm burd) 


Digitized by Google 



Sdicfolb: ©rßrterungen äum tfjelidjtn ®ütcrred)t. 119 

auSbrü<flid)e Vorfchrift beS ©efet^eS oerboten ift. 

6. 9tad) § 1379 fann bie 3uftimmung ber grau ju 
9?ed)tSgefd)äften beS ManneS gerichtlich erfe£t werben. $er 
3uftimmung ber Stau, ber freiwilligen ober gerichtlich für* 
rogierten, bebarf ber Mann ju Verfügungen (§ 1375). gft 
aber 3uftimmung ihrem begriff nad) nicf)t Verfd)affung oon 
VertretungSmad)t, fo fann fie natürlich auch nicht in bent 
Sinn furrogiert werben, baf) ber Mann Verfügungen im 
Vamen ber grau oornehmen bürfte: mit ber 3 u ftimmung 
ber grau oerfügt ber Mann giltig über eingebracf)teS ©ut 
unter feinem tarnen. 3“ Verpfüd)tungSgefcf)äften bebarf 
ber Mann im gefehlidjen ©üterredjt niemals ber 3uftimmung 
ber grau; namentlich ift aud) giltig, wenn ftd) ber Mann 
ju Verfügungen über baS eingebrad)te ©ut oerpflid)tet. SBill 
man nun aber gleichwohl Surrogierung ber 3 u ftimmung 
aud) ju Verpflid)tungSgefd)äften beS ManneS anuehmen (wie 
j. V. Vtantf n. 1 ju § 1379), fo fann bieS nur ben Sinn 
haben, bah ber Mann nad) § 1379 bie gerichtliche ©rmäd)' 
tigung jum $anbeln im 9tamen ber grau folle erwirfen 
fönnen. ®iefe Sinnahme wiberfpridjt aber, wie wir gefetjen, 
fowohl betn richtigen Vegriff ber 3 u ftimmung, als aud) na* 
mentlich ber Vorfchrift beS § 1375: $er Mann würbe ja 
auf bem Umweg beS § 1379 baju gelangen, bie grau oer= 
pflichten ju bürfen, waS ihm bod) nach bem flaren ©runb* 
jah beS § 1375 ju tun nidjt geftattet ift. — So fommen 
wir jum ©rgebniS, bah ber Mann bie (Ermächtigung beS 
§ 1379 nur erwirfen fann ju Verfügungen, bie er in eige* 
nem 9tamen oornebmen fann. 

7. 2)er ©runbfat) beS § 1375 weift uns barauf bin» 
ba§ ber grau auS ber Verwaltung beS ManneS Verpflich- 
tungen nidjt erwachfen foüen. liefet 3mecf beS ©efetjeS 
wäre oereitelt, wenn ber Mann befugt wäre, bie Verwaltung 
im Flamen ber grau ju führen, alfo bie einjelnen 9ied)tS= 
gefdjäfte ber Verwaliung in ihrem Flamen oorjunehmen. ®r 
bebarf aber biefer VefugtiiS aud) gar nicht, um bie Ver* 
waltung in befriebigenber Orbnung ju führen : biefern 3mede 


Digitized by Google 



120 


Slb&anblung. 


genügt e§, bafj bie 3uftimmung ber grau p Verfügungen 
über il)r eingebrachteS ©ut erfetjt werben fann (§ 1379). 
gaffen wir bie widjtigfte 9Jlafjreget einer Verwaltung in§ 
Sluge, bafj närnlid) ©etb aufjunetjmen ift, fo ift mit folget 
in ber Siegel bie Stufgabe »erbunben, bem SarlebenSgläubi* 
ger Sicherheiten p gewähren; biefe gewährt ber Vtann au§ 
bem eingebradjten ©ut ber grau burd) |h)potbef ober Vfanb 
ober anbere Verfügung entroeber mit ihrer freiroitligen 3 Us 
ftimmung ober, nad)bem foldje burd) ba§ ©erid)t erfe^t wor- 
ben ift; biefe Verfügungen trifft er in eigenem Stamen, roie 
er aud) nur fid) felbft perfönlid) oerpftid)tet. greitid) haftet 
bann bie grau felbft nid)t perfönlid). Slüein ba§ ift e§ ja 
eben, ruooor biefelbe nad) bem ©efet) gefdjü^t fein foll; ihr 
eingebradjteS ©ut foll pr Verfügung fielen, nidjt fie felbft 
p perfönlidjer Haftung genötigt fein. 

8. SluS bem Vi§t)erigen ergibt fid) bie Veantroortung 
oon ©injelfragen : 2lnfptüd)e in betreff eingebracfjten ©utS 
mad)t ber SJtann in eigenem Siamen gettenb, pr ©eltenb* 
madjung im Siamen ber grau bebarf er ihrer Vollmacht, 
3uftimmung ber grau erfetjt ober enthalt nicht Vollmacht, 
ein ©rmerbSgefdjäft ber grau führt ber ÜDiann auf ihren 
Siameit, mit ihrer girma nur mit ihrer Vollmacht (bep. 
©enebmigung .£)®V. § 22); 3uftimmung genügt nid)t, unb 
e§ ift alfo au§gefd)loffen, bafj ber SJtann bie 3uftimmung 
erroirfen tonnte, ein @rmetb§gefd)äft im Slawen ber grau 
p betreiben. @. t)iep 9t@. Vanb 59 ©. 25 ff.; wirb itim 
Votlmadjt nicht erteilt, fo gilt für bie Verwaltung ber Ver* 
mögenSgegenftänbe, bie bi§ bal)in oon ber grau in einem 
@rwerb§gefd)äft pfammengefafjt waren, nichts befonbereS. 
'Ser Vtann nimmt Vefijj oon ben einjelnen ©ad)en unb 
übt feine gefe^Udjen Vefugniffe nad) ben Vorfcbtiften beS 
©efefceS §§ 1373 ff. auS. 2)ie hanbelSred)tlid)e Vewilligung 
bet girmenfüf)rung bat mit ber 3 u fri mmun 9 beS ehelichen 
©üterredjtS gar nichts p tun; oon einer gerichtlichen ©ur* 
rogation biefer 3uftimmung fann nicht bie Siebe fein; f. 
wieber V®. 59 cit. 


Digitized by Google 



©djefolb: Qcrörtcrungen juni eljelidjen (Mtnredjt. 121 

9. ®a§ ehemänntidje Verroaltung§red)t ift, rote roit bar« 
jutun oerfuchten, ba§ in ber familienrechtlichen (Stellung beS 
2)tanne§ begrünbete Stecht, bie in ben §§ 1373 ff. bezeichne« 
ten 9fJec^t§t)anblungen in eigenem fftamen oorjunebmen, alfo 
namentlid) bie einzelnen Sachen in Vefib ju nehmen uttb in 
ben in § 1376 oerjeichneten fällen frei, im übrigen mit ber 
freiroiüigen ober furrogierten ßuftimmung bet 3 rau ä u oer« 
fügen; alles in Ausübung eigenen 9ted)t§ unb im eigenen 
9tamen, immer fo, bajj nur ba§ eingebrad)te ©ut, nictjt bie 
grau perfönlicf) ju haften h Q t. gn unferem Sanbe§red)t ift 
bie Stellung be§ 9JJanne§ ganj ähnlich aufgefajjt roorben, 
f. Sang, perfonenredjt, § 49 fttr. 6; ob ber Sltann mit 3u= 
ftimmung ber grau in eigenem Manien ober im fJtamen ber 
grau ju hanbetn hatte, ift nicht erörtert roorben: ber roich« 
tigfte 2lnlafj ju biefer (Erörterung, nämlich ba§ 9ied)t§inftitut 
ber gerichtlichen Surrogation ber guftimmung fehlte« ba e§ 
in SBürttemberg eine „(Ergänzung be§ Sonfenfes" (Sang cit. 
a. (E.) nicht gab. 

2. Heber bie Vefugniffe ber grau in 9t o t« 
fällen § 1401. § 1450. 

SBettn ber 9Jtann burch Äranfheit ober 9lbroefenf)eit oer« 
hinbert ift, feiner grau bie 3aftimmung ju Verfügungen 
über ihr eingebrachteS ©ut ju erteilen, bejro. bie auf ba§ 
©efamtgut bezüglichen 9ted)t§gefd)äfte oorjunchmen ober 'pro« 
jeffe ju führen, fo ift, roenn ©efatjr beim Verjug ift, bie grau 
befugt, bie Verfügungen oorjunehmen, bejro. bie @efamtgut§« 
gefdjäfte unb ©efamtgutSprojeffe felbft ju erlebigen. § 1401. 
§ 1450. 3)iefe VefugniS ber grau ift roeber in § 1401 bei 
bem gefehlten ©üterftanb, noch in § 1450 bei ber allge« 
meinen ©ütergemeinfchaft non einer (erfe^ten) guftimmung 
beS Vormunbfchaft§gerid)t§ abhängig gemacht, gür ben 
§ 1450 ift neuerbingS (g.g. 1907 9tr. 13 S. 777) bie grage 
angeregt roorben, ob nid)t bie Vorfdjrift beS § 1447, roo 
bem SDHantt aud) in Notfällen bie Anrufung be§ Vortnunb« 
fchaftSgeridjtS auferlegt ift, auf ben § 1450 (analog) anju« 


Digitized by Google 



122 


Sibfianblung. 


menben fei: ba nach bent § 1447 ber 2Rann ©efamtguts* 
oerfügungen, ju roeldjen er nad) bent ©efet) ber ßuftimmung 
ber grau bebürfe, in Notfällen nur mit ber gerichtlich erfe^ten 
3uftimmung bergrau oornehmen lönne, märe eSbod) fonberbar, 
rnenn bie grau in ben fftotfällen, alles ohne fffHtroirfung be§ 
VormunbfchaftSgerid)tS oornehmen bürfte. Mein eS roirb 
biefe greiheit ber grau nicht ju beanftanben fein: ©djon 
ber SBortlaut beS ©efetjeS ift ju flar unb ju beftimmt, um 
einer anbern als ber roörtlichen 2luSlegung fRaum ju geben, 
©obann ift ju unterfd)eiben : entfdjließt fich bie grau, im 
ÜRamen beS 2RanneS, alfo als Vertreterin beSfelben tätig $u 
fein, fo müßte oont ©ericht bie Vollmacht jur Vertretung 
beS SRanneS furrogiert roerben, unb eine ©urrogierung oon 
Vollmacht ift im ©efet) nicht befannt; entfd)ließt fich aber 
bie grau, in eigenem Siamen ju hnnbeln, f° märe rooht 
baran ju benfen, baß ihre bei Stotfällen in 5?raft tretenbe 
VerroattungSniadjt in Sinfehung beS ©efanitgutS oon ber 
furrogierten ^nftimmung beS SRanneS abhängig märe; allein 
baS ©efeh ha* nun einmal baS ganze gnftitut ber gerid)t* 
lidjen ©urrogation ber .ßuftimtnung nur im .ßufantinenhang 
mit ber ehemännlichen Vermattung, als ein s Jtebeninftitut ju 
biefent 9ied)tsinftitut geregelt: Valb ift bie ^uftimmutig be* 
ftimrnt, bie bem VerroaltungSrecht gefegten ©chrattfen ju be= 
feitigen: § 1379. 1447, halb ift fte beftimmt, bie grau gegen 
eine engherzige ©eltenbmadjung beS VerroaltungSreditS ju 
frühen. § 1402. dagegen ift bie ©rfetjung ber ,3uftitn= 
mutig beS VorntunbfdjaTtSgerichtS nirgettbS in 3 u fomnten* 
hang gebracht mit ber VerroaltungSmacht ber grau, roeber 
in Slbftdjt auf ihr eitigebradjteS ©ut (§ 1401), noch in Ve* 
jug auf baS ©efamtgut (§ 1450). ©3 fönttett alfo toohl 

bie jttr ^Regelung ber VerroaltungSmacht beS 9RattneS be* 
ftimmten geglichen Vorfchnften nicht auf ben befonberen 
galt beS § 1450 angetoenbet merbett ; ittSbefonbere folgt auS 
bem ©ebanlett beS ©efefteS, baß bie grau gegen ben 3Riß* 
brauch beS VerroaltungSredttS gefdßißt fein müffe, nicht, baß 
aud) ber SJJann eines foldjett ©djutjes gegen bie grau be» 


Digitized by Google 



©efjefotb: ©rörterungen gurn e^elidjen ©ülerredjt. 123 

bürfte ; jumal bet ÜUlanti bet Slnmenbung be§ § 1450 burd) 
93eftellung eine! 93eooHmäd)tigten oorjubeugen oermag. Safc 
§ 1447 auf § 1450 nid)t anjuroenben ift, ift offenbar aud) 
bie 2lnfxd)t be! Dberften £.©. für Samern: 3« feinem Ur* 
teil oom 11. Oftober 1902 ‘) prüft e!, ob bie materiellen 
93otau!febungen eine! Sfotfall! oorliegen; mürbe e! ber 
SDteinung geroefen fein, bafj bie grau, beoor fte ißrojefj* 
flage erhob, bie .3uftimmung be! S3ormunbfd)aft§gerid)t§ 
hätte ermirfen miiffen, fo hätte e! bie grau raegen man* 
gelnber ©adjlegitimation abgeroiefen. 

3. ®er ©runbfab ber 3Iffre§jenj beim © e» 

famtgut b e ! e b e t i d) e n © ü t e r r e cb t § 2 ). 

S)a! ©efamtgut im ehelichen ©üterrecf)t gilt al! 93er* 
mögen jur gefamten .gjanb. 9llle einseinen @efamtgut!gegen* 
ftänbe finb nicht im SJtiteigentum pro rata, fonbern im ©e* 
famteigentum. gebeut einseinen beteiligten, alfo jebent ber 
beiben ©Regatten, foroie bem Ueberlebenben unb ben ft'in» 
bern (bei ber fortgefe^ten ©ütergemeinfcfjaft) fteljt ein Siecht 
auf ba! gefamte 93ermögen su, befcbränft nur burd) bie 
Äonfurrenj ber 3ied|te be! anbern unb befd)ränft nur, fo* 
meit unb folange biefe anbern Siechte befteben. — (Stirbt bei 
allgemeiner ©ütergemeinfdjaft ein @b e 9 atte * °^ ne 2U> 9 
fömmlinge ba finb, fo verfällt ba! ©efamtgut nid)t in jroei 
Seite, fo bafj ber eine Seil bem Ueberlebenben, ber anbere 
gemeinfdjaftlid) it)in unb ben ©rben jufiele, fonbern ba! ©e= 
famtgut bleibt befteben unb 91ad)Iafj ift ber 9lnteil be! 93er* 
ftorbenen am ©efamtgut § 1482; ftirbt bei fortgefebter ©ü» 
tergemeinfcbaft ein 9lbfömmling, ohne 9lbfömmlinge ju bi>'= 
terlaffen, fo mädjft fein 9lnteil ben übrigen Slbfömmlingen, 
bejm. bem überlebenben ©begatten an: £)a! ©efamtgut!» 
eigentunt be! tebteren roirb jum Silleineigentum § 1490. 
93erjid)tet ein Slbfönimling, fo finbet ba!felbe Slnroadjfen 
ftatt § 1491 2lbf. 4. — gnbem nun aber nach gnbalt ber 

*) ©eufjevtä 9trcf)i» 93b. 58 9tr. 81. 

*) Sögt, bieju 9t@- 65 91r. 58. 


Digitized by Google 



124 


Slbljanblung. 


§§ 1490 unb 1491 9lnroacf)fen (SlffreSjenj) ftattfxnbet, ob 
ein 2luSfcheiben burch Sob ober burch Verjidjt erfolgt, fo 
ift bie Slnroenbung beS 2lffre§ienjprinjip§ auf alle gälte, 
freiroiüigen unb unfreiroiüigen SluSfcheibenS gerechtfertigt. 
Ser roid)tigfte ift ber beS § 1502 : SBenn bie fortgefe^te 
©ütergemeinfchaft anberS als burch Urteil aufgehoben n>irb, 
jum ©eifpiel burd) einfeitige ©rflärung beS Ueberlebenben 
ober beffen SBieberoerheiratung, fo hat ber übetlebenbe ®he= 
gatte baS Stecht, baS ©efamtgut ganj ober in einjelnen Sei« 
len gegen ©rfat} beS SöertS ju übernehmen ; er tut eS burch 
eine einfache ©rflärung, unb bie ©rflärung hat bie golge, 
bafj ber Ueberlebenbe Meineigentümer roirb unb bagegen 
bie Verpflichtung hat, ben äöert beS ©efamtgutS in bie M§« 
einanbetfehungSmaffe einjuroerfen. ©ine Uebergabe, Mf* 
laffung inSbefonbere fommt nicht in grage, ba ja bet Ueber« 
lebenbe baS Specht auf baS ©anje — beS ©efamtgutS ober 
ber einjelnen ©egenftänbe fdjon hat unb biefeS fein 9tecf)t 
lebiglich oon ber ©djranfe beS fonfurrierenben 9ted)teS bet 
Mfömmlinge }u befreien ift. 91icf)t anberS ift bie ©adje ju 
betrachten, roenn nach § 1477 ein ©begatte fich entfd)liefjt, 
einjelne ©egenftänbe ju übernehmen: überall finbet SlftreS« 
jenj ftatt, unb nicht mehr bnnbelt eS fich um eine Ueber« 
gäbe, Uebertragung, Mftaffung. 

©efamtgutSoerhältniffe beftehen auch bei ber ©efetlfchaft 
be§ bürgerlichen SiechtS, bei ber offenen |)anbelSgefeüfchaft 
unb Äommanbitgefeüfchaft unb beim Verhältnis ber 3Jiit= 
erben. Unter ben Vorfd)riften über bie ©efetlfchaft beS 
©@©. finben mir SlEfreSjenj auSbrücflich oorgefchrieben in 
§ 738; fie finbet hienad) ftatt, roenn ein ©efeüfchafter auS« 
fcheibet. Sie Vorfcbrift beS § 738 ©@©. finbet aber nach 
<£)©©. § 142 aud) Mroenbung unb tritt ^ienarf) auch 2lf 5 
freSjenj ein, roenn bei ber auS jroei ©erfonen beftehenben 
offenen .gmnbelSgefeüfcbaft ein ©efeüfchafter unter MSfchlufj 
beS anbern baS ©efchäft übernimmt: SaS ©efchäft roirb 
auS ©efamteigentum jum aüeinigen ©igentum beS Ueber« 
nehmetiben. £>©©. § 142. Unb unbebenflid) nehmen roir 


Digitized by Google 



©djefolb: (Erörterungen jum eljelicfien ©üterrecfjt. 125 

Slffregjenj auch in bcm Stoße an, roenn nach ben §§ 140, 
141 $©93. beim 2lu§fd)Iuf3 eine§ ®efeHfd)after§ bie übrigen 
©efeüfchafter bie ©efellfcfjaft unter ftd) fortfeijen; aud) $ier 
wirb ba§ SJermögen, ba§ bi§fjer Vermögen ber ©efeüfchafter 
A, B, C, D roar, mit 2lu§fd)lufj be§ D jum Vermögen be§ 
A, B, C, mit SluSfdjlufj be§ C jum Vermögen be§ A unb 
B unb fo fort, ©ine befonber§ roidjtige Stolge ber 2l£fre§= 
jenj ift, bafj bie Sluflaffung megfäUt: roenn oon mehreren 
Slbfömmlingen einer au§fd)eibet, fo leuchtet ein, bafj nicht 
uon einer Sluflaffung bie Siebe fein fann, ebenforoenig, roenn 
bie mehreren ©efeHfdjafter fxc$ entfdjliefjen, bie ©efellfdjaft, 
bie aud) ©runbftücfe befi^t, fortjufe^en. ©oll e3 anber§ 
fein, roenn alle Slbfömmlinge au§fd)eiben unb ber überfebenbe 
©begatte bie £iegenfd>aft allein betjält ober roenn oon jroei 
©efellfdjaftetn ber eine ba§ ©efcfjäft, in roeldjem fid) aud) 
©runbbefttj befinbet, allein übernehmen roifl, ober roenn ber 
überlebenbe ©begatte erflärt, ©efamtgut allein ju überneh* 
men? immer oerroanbelt fid) ©efamtgut in ber $anb be§ 
einen fraft 3lffre§jenj in fein Silleineigentum. 

betrachten roir noch befonberä ben § 1502 S3©93., fo 
ift bie ©ntroicflung ber ©ad)e f olgenbe : ber Ueberlebenbe 
erflärt, ba§ ©efamtgut ober etroa nur bie Siegenfdjaft um 
ben 2Bert übernehmen ju roollen. ®iefe ©rflärung ift fein 
Slngebot an bie Slbfömmlinge, fonbern eine einfeitige (em* 
pfang§bebürftige) 2BiUen§erflärung. 3h tc SBirfung ift oon 
einer Slnnaljmeerflärung ober einer ©inigung über ben SBert 
nicht abhängig, ©iner Sinnahme bebarf e§ nicht unb bie 
^eftflellung be§ 2Berte§, foroie ein Streit barüber mag nach 5 
träglid) jur ©rlebigung gebracht roerben. 3)ie Uebernahme 
erfolgt auch nicht $ug um 3 U S gegen SBertSerfat) ; bie Slb= 
tömmlinge fönnen nicht bie Uebergabe oon ber borleiftung 
be§ 2Bert§ abhängig machen; benn erften§ bebarf e§ gar 
nidjt ber Uebergabe eine§ @egenftanb§, an roeldjem ber 
Ueberlebenbe ein Siedjt auf§ ©anje fdjon hat, unb jroeiten§ 
ift ber ©egenroert gar nicht an bie Slbfömmlinge ju leiften, 
fonbern er roirb einfach al§ 9iedjnung§poften in ben Slm§ 5 


Digitized by Google 



126 


SIbljanblung. 


einanberfet(ung§plan eingeftellt, ltnb erft bie Schlußrechnung 
jeigt, wa§ ber Ueberlebenbe ju jahlen, n)a§ bie 2Ib!ömmlinge 
ju beanfpruchett haben. Sticht 3lftre§jens, fonbern eine Slrt 
Unioerfalnachfolge finbet bei ber gufion non SlftiengefeH» 
frfjaften ftatt. H©83. §§ 305 ff. 

4. ©d)aben§erfat 5 anfprud)ber@l)efrau wegen 
Körpern erletjung. 

$er ©chabenSetfah be§ am Körper 93erlet>ten ift geregelt 
im 93©83. §§ 823, 833, 842, 843, 845, 847, im Haftpflicht» 
gefet$ (21rt. 42 ®©j93©58.) unb in ben UnfalloerfichetungS» 
gefe^en. 3)er ©d)aben§erfat 5 anfpruch auf ©runb be§ 83©33. 
geht auf ©rfat* aller 9tad)teile, welche bie Hanbhmg für 
ben ©rroerb ober ba§ gortfomnten be§ 93erlet}ten herbeiführt, 
in§befonbere allen $Bermögen§nad)teil§, ber au§ einer 2luf= 
hebung ober 93erminberung ber @rwerb§fähigfeit heroorgeljt, 
ferner auf ©rfatj be§ fog. ibealen ©chabenS (©chmerjenä» 
gelb) unb enblich ift, wenn ber 93erletjte fraft ®efehe§ einem 
dritten jur Seiftung oon 2)ienften in beffen $au§ unb ® c '- 
roerbe oerpflidjtet mar, bem dritten für bie entgehenbeit 
®ienfte ©rfatj ju leiften. Stach bem Haftpflichtgefet? (2lrt. 42 
@©S83®33.) ift bem Sßerletjten nur ber au§ ber 2luf» 
hebung ober SDtinberung ber SlrbeitSfähigfeit erroachfenbe 
33ermögen§fd)aben juerftatten; e§ entfällt ber@rfatjbe§ ibealen 
©chaben§ fowie ber ©chabenSerfatj an ben dritten, bem ber 
Sterletjte ju ®ienften oerpflidjtet mar. Stad) unfern Un= 
falloerfid)etung§gefet}en ift jroat auch „©<haben§erfat5" ju 
leiften, im ©runbe ift aber SorauSfetjung ber bem 83er» 
lebten au§gefet}ten Stenten nicht ein eingetretener unb be» 
ftehenber ©chaben, fonbern bie $atfad)e, baß eine SJtinbe» 
rung ber ©rwerbSfähigfeit eingetreten ift, für ftd) allein unb 
ohne 9tad)wei§, baß ber Skrletjte einen 93ermögen§fchaben 
leibet. Qft e§ eine @h e f*au, bie ©dhabenSerfatjanfprüche 
wegen Äörperoerlehung erhebt, fo finben wir, bah fidj ^ rc 
Infprüche au§ bem 33©83., fowie au§ bem Haftpflid)tgefeh 
oerfchieben geftalten, je nachbem fie in biefem ober jenem 


Digitized by Google 



©djefolb: Grörterungen 311111 eftelidjeu ©iiterredjt. 127 

©üterftanbe lebt. — Sebt fie im gefeßlicßen ©üterftanb, fo 
ift e§ regelmäßig ber 2Jtann, ber ben ©ermögenfcßaben leibet: 
ißm ift bie grau nad) § 1356 jur |)ilfeleiftung im ßäuilicben 
unb geroerblicßen ©efcßäfte oerpflicßtet, er genießt bie grücßte 
ißrer Sätigfeit in feinem -£)auißalt, feinem ©eroerbe; alfo 
ift inforoeit, ali bie grau infolge Slufßebung ober 9Jtinberung 
ißrer ©rroerbifäßigfeit aufßört, bem 2J)anne im täglichen 
©rroerbe ©eßilfin ju fein, nur biefer ber ©efcßäbigte. Uro 
berührt bleibt ber Slnfprucß ber grau auf ©rfaß bei ©cßabeni 
roegen allgemeiner ©cßmälerung ißrei gortfommeni unb @r* 
roerbi unb auf ©rfaß bei ibealen ©cßabeni, jebocß bei einem 
^jaftpflicßtfall nur bann, roenn ficß neben ber Shtroenbung 
bei .gjaftpflicßtgefeßei aud) bie bei 58®©. (§ 823) reißt* 
fertigt. — Sebt bie grau in allgemeiner ©üteigemeinfcßaft 
ober in ©rrungenfcßaftigemeinfdjaft unb fällt ßienacß aud) 
ißr ßäuilicßer unb geroerbticßer ©rroerb im ©inn bei § 1356 
in bai ©efamtgut (§ 1438), fo erleibet bie grau felbft 
©cßaben, roenn infolge ber Äörperoerleßung ißr ©rroerb ftdE; 
minbert; ber ©cßaben ift ein gemeinfamer beiber ffißegatten; 
beibe ergeben 5Hnfprücße, beren Sluigleicßung unb Verteilung 
in ben fonfreten ©erßältniffen bei einseinen galli ißren 
äftaßftab finben muß. ©efteßt ©ütertrennung, fo geßt ber 
grau felbft ein ©rroerb »erloren, ben fie ja für fid) gemacßt 
ßätte; foroeit jebocß ber 2ftann oon ber grau einen ©eitrag 
jur ©eftreitung bei eßelicßen ülufroanbi bezogen ßatte, ift 
aud) er ber teilroeife ©efcßäbigte, unb roieber fonfurrieren 
bie nad) Sage bei einzelnen galli auijugleicßenben 2lnfprücße 
uon 2Jtann unb grau. — 3um gefeßlicßen ©üterftanb jro 
rücfjufeßren, fo fann ei aud) ßier gefcßeßen, baß infolge 
ber Sluifcßaltung ber grau aui ber gemeinfcßaftlidjen ßäui* 
ließen unb geroerblicßen 3Tätigfeit eine allgemeine ©cßmälerung 
ber Sebenifüßrung unb ßieraui eine unmittelbare ©cßäbigung 
ber grau refultiert unb baß bann aud) ßier fonfurrierenbe 
Slnfprücße auijugleicßen ftnb. 

9?@. 63 S. 195, 64, ©. 323. 

©rleibet bie grau einen geroerblicßen ober lanbroirt« 


Digitized by Google 



128 


Slbfjanblung. 


fd)aftlid)en Unfall, fo roirb il)t bie gefetjlidje Diente nad) bem 
DJlafj ber eingetretenen ®rroerb3unfähigfeit gemährt, o^rte 
bafj unterfud)t roirb, ob fie roirllid) Schaben leibet ober 
nicht unb ob namentlich ber eingetretene Schaben fie ober 
ben SDlann trifft. $er eheliche ©üterftanb übt einen ®in= 
flufj nicf)t. 

Dlacf) ben Unfalloerficherung§«©efehen gehen bie 2ln« 
fprüdje be§ 93erlet)ten gegen dritte fofort nach ihrer @nt« 
ftehung auf bie 93eruf§genoffenfd)aft im Umfang ihrer ge» 
fetjlidjen @ntfd)äbigung§pflicf)t über. Unfatlüerf.«©efeh für 
lanb« unb forftroirtfchaftliche Arbeiter § 151. @3 gehen alfo 
über bie in ber ißerfon be§ 93erlet}ten nad) bem 93©93., fo» 
roie nad) bem ßaftpflichtgefet) erroad)fenen 2lnfprüd)e, au3= 
genommen rool)l ber t)öcf)ft perfönlid)e Slnfprud) auf Schmer» 
jen§getb, nid)t aber finbet ein Uebergang berjenigen ftatt, 
bie nicht bem 93erletjten, alfo in concreto ber Stau, fonbem 
einem ^Dritten, alfo bem ©bemann juftehen. — 3)ie ©eltenb» 
madjung be§ 91nfprud)§ auf Sd)mersen§getb burch ben 93er» 
letzten felbft roirb nicht ju beanftanben fein. S. s }3 1 a n d 
Dir. 6 ju § 847. 

•3ft e§ ein 93etrieb§unternehmer, ber oon ber 93eruf§» 
genoffenfdjaft in Slnfprud) genommen roirb, fo roirb nicht 
ber bem 93erlei)ten erroachfene, fraft ©efetjeg auf bie ©enoffen» 
fchaft übergegangene SdjabenSerfütjanfprud), fonbem unmit» 
telbar ber ©rfat) ber oon ber ©enoffenfchaft gemachten Stuf» 
rocnb ungen geltenb gemacht, unb h^r fommt bie grage, ob 
bie grau felbft befdjäbigt ift ober ber DJlamt, nicht jur ®r= 
örterung. 

Ueber ben .ßeilpunft, in roeldjem bie Slnfpriidje gegen 
®ritte auf bie 93eruf§genoffenfcf)aft übergehen, herrfdjt Streit. 
— S)ie ©ntfdjeibung be§ Dl®. 60, Dir. 49 unb 50 ift neue« 
ftenS oom 02®. Stuttgart reprobiert unb baran feftgchal» 
ten roorben, bafj ber Uebergang erft ftattfinbe in bem .3eit= 
punft, in roelchem bie 6ntfchciöigung§pflid)t feftftehe. SBürtt. 
g. 19, S. 50 aud) 51. ®ie ©ntfcheibung be§ 02®. erregt 
ba§ grofje 93ebenfen, bafj e§ einer 93erficherung§gefellfchaft 


Digitized by Google 



© d) e f o I b : Srörfcnmgen jum ef)ditf)«it ©üterredjt- 129 

möglich roäre, burcf) rafdje Sßerftänbigung mit bem geriet* 3 
ten bcn Uebergang ber 2tnfprüd)e besjclben auf bie 93eruf§= 
genoffenfd)aft ju oereiteln; fic oeranlafjt, bafj bet Sßerletjte 
fid) abfinben läjjt, beoor ba§ genoffenfchaftlühe geftfetjungS* 
uerfatjren beginnt ; bie Ibfinbung märe gütig unb ber gefeh* 
lidje gorberungSübergang oereitelt. 2)atin aber möchten mir 
bem 02®. beitreten, bafi ber dritte, ber fid) mit bem ißerletjten 
abfinbet, bieg gütig tut, roenn er jraat ben ben gorberungS-- 
Übergang begrünbenben Satbeftanb fennt, aber feine Kennt* 
ni§ baoon f)at, bajj ber Uebergang roirEtid) erfolgt ift, alfo 
namentlich, roenn er jenen Satb eftanb fennt, aber feine Kennt* 
ni§ hat uon ben eintägigen 93orfd>riften ber Unfalloerfxdje* 
rungigefetje. — Qnbeffen hat fich $ßland 3. Slufl. n. 5 ju 
§ 412 gleichfalls bahin auSgefprocfjen, bafj, roenn ber ©d)ulb* 
ner bie 2atfad)en fenne, bie ben Uebergang einer gorberung 
fraft ©efetjeS beroirfen, bieg ber Kenntnis oon ber s 3lbtre= 
tung gleichjuadjten fei. 

(gortf. folgt.) 


aabrbOtbtr bft üüdrtlfmb. !Xcrtt«t>fi C8 c. XX. i. 


9 


Digitized by Google 



130 


giterarifdjc feigen. 

$ie 3/4. Auflage be? fdjon tnebrfad) angejieigteH © t a u b i 11 g e t ftben 
ftomntentar? jnm 8@8. (Dgl. 2ßürtt3- 19 ©. 256) id)Teitet rüftig Bor< 
wärt? ; bi? ®nbe 1907 finb erfdjienen btc iöearbeitungen be? 'Mg. £ei(? 
bi? § 123, be? Sachenrecht? bi? § 1164, bt? gamilienredjt? bi? 1588, 
fo bafc ju erwarten ift, bnfj am ©cblufj be? laufenben 3a^r? biefer treffe 
lidje Sßegtneifer für bie Bielnerfdjlungenen Sßfabe be? 5S@93- noHenbet 
noriiegen wirb. 

58<m 3K a q e r » 'Jt e i ? , lVi)rbud] be? <1 antiliem mtb ®rbrcd)t?, ift 
ber erfte sSanb: Familien unb 2)ormunbfd)aft?red)t umfaffenb, inBierter 
nermebrter Nuflage, bearbeitet non D2@3t. $r. §aiblen erfdjienen 
(Stuttgart, ftoblbommcr, 10 3Hf., geb. 11 2flf. 20 $f.). $er neue ®e= 
arbeiter war für biefc Slufgabe al? £ef)rer an bem nom St. Ouftigmini^ 
fterium eingerichteten ftaatlidjen ltnterrid)t?fur? befonber? berufen unb 
bat fie burd) teilweife Neubearbeitung einjelner Sehren (in?befonbere bei 
Sarfteltung ber ©üierftänbe) unb forgfältiger söerücfficbtigung ber SHecf)tS= 
lebre unb Necbtfprecbung in einer SBeife gelöft , bie ba? ®ud) ju einem 
Bielbenüfcten $ilf?mittcl für bie SPraji? machen Wirb. $er frühere „praf= 
tifebe Xeil" foll in abgefonberter ^Bearbeitung erfdjeiuen. 

2B. St o b I b o m m e r ? ©efe<?e?falenber ift — jum ißrei? uon 1 3JH. 
— auch für ba? 3ai)t 1908, bearbeitet Bon ben Oberfetretären Ströbtw 
f e I b unb 2B a a ? erfebienen : ugl. 3Bürtt3- 19 ©• 257. 8f- 


Digitized by Google 



131 


I. 

(ßntfdjriimmjen örs ©bfrlmtksgerirljts. 

A. in © i o i l f a df e n. 


19 . 

ffoenbignug bcs gunaljnmtrrjugs brs ©länüigers. 

Qn bcn 

© r ü n b e n 

eine§ SöefdjluffeS ift gefagt: 

liebet bie SSeenbigung beS SlnnahmeuerjugS beS ©läu= 
bigerS gibt baS S3©33. feine auSbrücflidjen Sßorfdjriften. Stach 
§ 304 33©33. fann bet ©djulbner im gall folgen 3lnnal)me= 
oerjugS ©tfat) bet SDtehraufroenbungen »erlangen, bie et 
für baS erfotglofe Slngebot, forme für bie Slufbemahrung 
unb ©rhaltung beS gefcfjulbeten ©egenftanbS machen mufjte. 
hieraus folgt aber nicht, bafj bet ©laubiger in allen 
fällen, rcenn er ftd) nachträglich jur Sinnahme ber ge* 
fchulbeten Seiftung bereit erflärt, jugleid) ©rfafc ber beneid)» 
neten Auslagen a n b i e t e n mufj, um feinen SSerjug ju be* 
enbigen ; inSbefonbere bann ift ein berartigeS Slnerbieten nicht 
erforberlich, menn, mie im oorliegenben galt, mutmajjlich 
feine foldje SBtehraufroenbungen entftanben ftnb; in folgen 
fällen ift ber Slnnahmeoerjug fdjon mit Slbgabe ber ©rflä* 
rung, bafj ber ©laubiger jur Sinnahme ber Seiftung beS 
@d)ulbnerS bereit fei, als geheilt ju betrauten, eS bleibt 
bem ©chutbner überlaffen, bie Seiftung nur $ug um $ug 

go^rbili^tr ber ffitlrtumb. 9ie#tS|>fIe>ie. XX. 2. 10 


Digitized by Google 



132 


Siitfdjeibimgeu bc8 DbtrlaubeSgtrtdjt?. 


gegen (Srfatj ctroaiger 9)iefjraufu>cnbungen ber bejeicfjneten 
21 rt anjubieten '). 

93efcfjl. be§ II. (£S. nom 19. 3uni i. S. ^Sorfjftettcr g. 
93enj. 


20 . 

§teljt rs betr Uermrigentng ber Jtrrtragserfüllnng 
gleitfr, wenn eine rinjelne IlertrngsbeJHntntuug ntdjt 
eittgeljalten ober bte uerfntgsmäfjige iTeifimtg non 
einer unjnlöfpgen 0ebtngnng abhängig geninrtjt «Jtrb? 

hierüber fagen bie 

® r ii n b e 

eine§ ©erufungSurteilS : 

93efl. meint — unb bie ift if>nt hierin beigetreten — , 
es fjabe feiner ^riftfefcung beburft, tu eil Sfl. feinerfeits ernft* 
lief) bie (Srfütlung beS Vertrags nerroeigert fjabe. Mein 
eine Verweigerung ber ©rfüllung in bent fjier in 3rage fom* 
menbeit Sinn liegt nur ttor, wenn ber Scfjulbner bie gefcfjut* 
bete (|jaupt*)Seiftung überhaupt 5 u gewähren be* 
ftimmt unb ernftlicfj ablefjnt (inbem er j. 53. geltenb madjt, 
ber Vertrag fei nicfjtig, bie (SrfüHung fei ifjrn urnnöglicfj u. 
bergl.), nidf)t aber fcfjon bann, roenn er eine einjelne 93er* 
tragSbeftimmung nicfjt einfjält, am allermenigften bann, wenn 
in einem folgen Jatl Zweifel barüber befteljen fönnen, ob 
baS Vorgefjen be§ ScfjulbnerS berechtigt ift ober nicfjt. 

3 m oorliegenben ^yalt fjat nun 511. feitteSwegS fiel) über* 
fjaupt geweigert, beni Vefl. nod) ferner Vier ju liefern, er 
fjat oielmefjr nur — feit 9Jlät} 1906 — o fj n e SEö i b e r* 
f p r u cf) b e § 53 e f f. bie Uebung eingefjaften, Vier nur ge* 
gen fofortige Varjafjlung ju liefern; er fjat am 20. unb 
ebenfo mieber am 29. 3uli 1906 Vier geliefert, aud) ohne 
bafj fofortige 3af)Iung erfolgte. SBenn er bajwifcfjen am 
24. 3«li fein Vier geliefert unb bent Velin. fjat fagen laffen, 

') Sßgt. © t a ii b i n g t r : Sfomm. gum 33®i8. (2. ?tuüoge) ©b. 2, a 
Jlitm. 5 gu § 293. 


Digitized by Google 



A. iu ©iuilfacfjeu. 


133 


SBefl. evfjattc fein 93ier, bi§ bie Sdfulb uott 189 501. 68 ißf. 
iejabtt fei, unb befomme ©ier nur gegen bare SBejablung, 
fo oerftiejj e§ unter ben gefcfjilberten 93erbältniffen f e i t e n § 
b e «S 8 e f t. gegen £reu unb ©tauben, trenn er ftd) fofort oom 
Vertrag Io§macben roottte, ohne juuor bent ftt. gegenüber 
ben — bi§f)er ron ibm nicht eingenommenen — Stanbpunft 
gettenb ju machen: ftt. fei ju folgern Vergeben nicht be» 
recfjtigt. 

®a§ fR®. bat atterbingS einmal 1 ) auägefprochen, ber 
ernftlidben ©rfültungSoerroeigerung ftetje ber Satt gleich, „wenn 
ber fäumige SBertragSteit bie 8croirfung feiner Seiftung oott 
ganj unjuläffigen 8ebingungen abhängig macht". Ob biefent 
Sab beijutreten märe, ift böcbft fraglirf) 2 ) ; f ebenfalls tä|t 
er ficf> nur für Sätte anerfennen, in beneit ber fäumige Scf)ulb> 
ner bureb 2lufftctlung ber betr. Sebingung fid) ganj ftar unb 
offenfiebttid) außerhalb be§ fRabmenS be§ Vertrags ftettt, 
nicht aber bann, roenn — raie im »ortiegenben Satt — ber 
©chutbner an einer ohne SBiberfprucb beä anbern £eil§ ein» 
geführten, oon biefem — tuie ber ©egner annebmen fann — 
ftitlfcbmeigenb gutgebeifjenen Uebung feftbalten ju motten er» 
ftärt, bie oictteicht bem urfprüngtidjen 33ertrag§inbalt jumi* 
bertäuft, oietteid)t aber auch gemäfj § 321 8©ö. gerechtfer» 
tigt mar, roorauf bie Satfache binbeuten fönnte, bajj 93efl. 
im ©egenfat} su feinem anfänglichen Verhalten fpäter mit 
SBejabtung be§ 93ier§ im Stücfftanb geblieben mar. 

Urt. be§ III. ©S. u. 14. 2Rai 1907 i. S. SBibmaier 

g. Zappler. 

21 . 

Jfartbrltanb rittes iliernbnaijnteurrtrags, türmt bas 
©rfdjäft ber Ulranrrri, »an ber bas Bier ju brtieJjen 
ift, anf ritte anbere Uranerri über gegangen ift? 

$er S3eftagte batte ficb ber Stuttgarter 8rauereigefett» 
*) 33®. 1903 SJeif. <3. 139 nr. 305. 

*) Sgl. j. 93. Stau bi itger: Stonun. 5 . 330)93. — 2 . 9(uff. -- 
9(nm. 4, d a. ©. 311 § 326. 

10 * 


Digitized by Google 



134 ©ntfdjribuitflen bcS JDberlanbcSflcricfit«. 

fcfjaft gegenüber oerpflihiet, baS Vier für feine SBirtfhnften 
roätjrenb geroiffer 3eit, au§fcf)Iie§Itcf) non ifjr ju bejiehen. 
«Räubern fief) bie genannte ©efeHfhaft aufgelöft hatte unb 
it>r Vermögen als ganjeS auf bie flagenbe Vrauereigefellfchaft 
übergegangen war, erachtete Vefl. bie ermähnte Verpflichtung 
für erlofhen. Stuf Silage ber Silin. Ijat ihn aber baS OS®, 
für fchulbig erflärt, ba§ Vier für feine SBirtfdjaften mährenb 
ber norgefehenen 3eit non ber Silin, ju beziehen. 

® r ü n b e : 

Senn aud) bie «Stuttgarter Vrauereigefetlfhaft unb ihre 
Viererjeugung aufgehört hat fo ift barum noch nicht unter 
allen Umftänben ber Schluff gerechtfertigt, baf? bie non bem 
Vefl. oertragSmähig übernommene Verpflichtung jum Vier= 
bepg ebenfalls aufgehört haben ntüffe. Säre allerbingS 
biefe Verpflichtung barauf befhränft geroefen, nur in ben 
^Räumen ber «Stuttgarter Vrauereigefellfchaft non biefer felbft 
hergeftetlteS unb non bort auS geliefertes Vier ju beziehen, 
fo märe ber Veflagte ju nichts mehr oerpflichtet. 9ti<htS 
rechtfertigt jeboch eine fo enge SluSlegung. ($S fpricht nichts 
bafilr, ba| ber ®efl. Slbfchlufe beS Vertrags ein ^nter* 
effe baran gehabt hätte, gerabe folcheS Vier ju beziehen. Sfer 
Vertrag enthalt feinerlei Veftimmungen über ©igenfhaften, 
bie baS Vier haben müffe, unb eS ift auch leine Siebe ba= 
non, bah baS non ber (Stuttgarter Vrauereigefellfchaft ge= 
braute Vier befonbere ©igenfhaften gehabt habe, auf bie eS 
bem Vefl. unb feinen Stunben angefommen märe. ©benfo» 
wenig ift anjunehmen, bah ber Ve!l. auf bie Stah&arfhaft 
jwifhen feinen Sir tf haften unb ber Vrauerei ein befonbereS 
©emicht gelegt habe, ba für bie Verforgung ber am P«M5 
roohnenben Stunben bie ©ntfernung innerhalb ber ©tabt= 
grenjen faunt non erheblicher Vebeutung fein fann unb jebeti- 
fallS nicht ertennbar gemacht mar, bah ber Vefl. l)infid)tlid) 
ber Slrt unb Seife ber Vierlieferungen, inSbefonbere ihrer 
#ciufigfeit, befonbere Vebürfniffe unb Sünfche habe. ©S ift 
hienah fein 3rc>eifel, bah fih ber Vefl., roenn etwa bie 
Stuttgarter Vrauereigefellfhaft bie Vierbrauerei ber Älin. 


Digitized by Google 



A. tu (5iüi(facfieu. 


135 


erroorben, unb ben betrieb ihrer fpeslacher Vrauerei aufge» 
geben hätte, auch mit Vier aus bem engtifcfjen ©arten hätte 
jufrieben geben müffen unb oon feinem Vertrag mit ber 
(Stuttgarter 93rauereig ef eUf d>af t nicht loS gefommen märe. 
3Iber audh ber SBechfet in ber ißerfon feines VertragSgegnerS 
mar ohne ©influh auf feine Verpflichtung. SieS erhebt 
barauS, bah bie mit bem Vertrag oom 28. Sejember 1897 
gefchaffenen Vect)te unb Pflichten nichts an fich höben, roaS 
für eine unlösliche Verfnüpfung mit ber ißerfon eines ber 
Vertragsfdjliehenben fpräche. $ür ben Velin, hobelte eS 
fich nicht etroa barum, in freier Verfolgung feiner Sinter eff en 
eine SBaht jroifchen ihm mehr ober meniger jufagenben 
Vrauereien ju treffen. SieS geigt fidl) inSbefonbere baran, 
bah er nicht auSfchlieplich für feine eigene V cr f on - fonbem 
jugleich für Pächter oerfügte, unb bah ben Vertrag nicht 
auS freien ©tüden einging, fonbern meit er bamit ber ©tutt= 
garter Vrauereigefellfchaft, bie ihm feine Vrauerei abgelauft 
hatte, eine mit biefem Äaufgefdfäft jufammenhüngenbe ©egem 
leiftung ju machen hotte. 3n gleicfjer SBeife hätte er fich 
mohl jeber anberen Vierbrauerei gegenüber oerbinblid) ge= 
macht, bie ihm fein Vrauereigefdjäft abgelauft hätte. Vod) 
oiel meniger lagen bei bem anberen Vertragsteil, ber ©tutt= 
garter Vrauereigefellfchaft, Verhältniffe not, bie bie Einnahme 
juliehen, eS habe fich für fte nur um ben ©rroerb eines höchft 
perfönlichen VecfjtS gehanbelt. ©ie erftrebte, inbem fxe ben 
©igentümer jroeier SBirtfdjaften mit ber Verpflichtung be- 
lastete, fich mit ber Sedung beS VierbebarfS biefer 2Birt= 
fchaften auf bie Sauer oon 12 Qahren ju binben, einen Ver* 
mögenSoorteil, rcie er in inbuftrielten Vetrieben üblich unb 
ftatthaft ift 1 ), unb hat bamit ein Vermögensrecht erroorben, 
baS mie jebeS anbere Vermögensrecht oeräuhetlicf) ift, menn 
nicht burch befonbere llmftänbe bie Veräufserlichleit auSge* 
fchloffen mirb. ©olche llmftänbe lagen aber hier nicht oor 
unb bie Älin. behauptet bafjer mit Ved)t, bah mit bem Ver= 

’) Sfflürtts. 11 ©. 10; 91®. 03 ©. 390. 


Digitized by Google 



136 


(Sutfdjcibimgtu beä Dberlaubeäflevid()tä. 


mögen bet Stuttgarter 33rauereigefellfd)aft, baä fie uad) 
§§ 306, 303, 304 $©33. übernommen bat, auch ber Sin» 
fprud) an ben 39efln., biä ©nbe 1909 fidt) mit ber Sedung 
beä bei 33etrieb feiner beiben 2Birtfcf)aften jum SSBalbetf unb 
Kelter fid) ergebenben 33ierbebarfs an eine beftimmte 33rauerei 
ju batten, auf fie übergegangen ift. 

Urt. beä I. ©©. t)om 14. Suni 1907 i. ©. $o!j g. 

9Bürt. $obenj. 33rauereigefellfd)aft. 

Sie SReoifion beä 33efl. ift jurüefgeroiefen morben. 

22 . 

Pnk^mtg von Urrtragspflidjicn bes ©wmufdjulb» 
ittrs burdj brn ftonkuräuenunlter. 

Ser fpäter in Konfurä Derfallene 2lrd)iteft ©. bat uotu 
Kl. ©runbftücfe getauft unb babei »ereinbart, bafj er einer 
33anf für ein 33aubarleben oon 66000 93t. ben 33orrang oor 
ber bem Kt. für ben Sieftfaufpreiä oon 165000 93t. beroü» 
ligten 33u<bb9POtbef einräumen bürfe. Ser 33anf mürbe 
fobann an erfter ©teile eine ©idjerungäbppotbe! für ein Sar» 
leben oon 66000 93t. beroilligt, rcooon aber nur 49 000 93t. 
jur Sluäjablung gelangten. 3b** Sorberung nebft $ppo» 
tbef trat bie 33ant an ben 9tebeninteroenienten 33. unb 
biefer trat fie an feinen ©cbmiegeroater 3- ab. 33atb bar» 
auf mürbe über baä 33ermögen beä ©. baä Konfuräoerfab= 
ven eröffnet. Ser Konfuräoerroatter oereinbarte nun mit 
3., baff biefer gegen 33efriebigung einer bem 33. gegen ©. 
juftebenben Sorberung im 33etrag oon 714 3 3t. bie 33ormer= 
futtg löfeben lief), bie jur ©icberung beä 3lnfprud)ä ber 33anf 
auf Söfcbung ihrer $ppotbef eingetragen mar, menn unb fo» 
meit fie fid) mit bem ©igentum in einer s f3erfon oereinigen 
mürbe. Sarauf mürbe ein Seilbetrag oon 17000 93t. alä 
©runbfebulb für ©. eingetragen. 33ei ber 3»oangäüerfteige» 
rung ber ©runbftüde mürbe eineä bem Kl. um 70400 931. 
jugefebtagen auf bem bie 9ieftfaufpreiäbppotbe! beä Klä. in 
$öbe oon 14000 93t. rubte. Sin ben 70400 93t. blieb bie 
erfte $ppotbef mit 49 000 93t. gemäfj § 91 Slbf. 2 3®®- 


Dlgitized by Googli 



A. in Giuilfacfjen. 


137 


befielen, 7000 59t. f)at Stl. besagt, ben 3tefi l)at er junäcfjft 
ju jaulen oermeigert, aber fpäter bil auf 2714 501. bejaht. 

5Ötit ber Silage t)at ftl. beantragt, feftjufteüen, bafj er 
nicf)t uerpflidjtet fei, an bie Slonfurlmaffe bei ©. eine roei» 
tere ^afllung ju teiften, unb biefe jur 3urücfäaf)lung einel 
geroiffen Setragl an itjn ju oerurteilen, inbem er geltenb 
mactjte: biejweite — if)m juftefjenbe — ^qpotfjef oon 1400021t. 
nebft 3 ‘tifen f e i üor ber @igentümcrf)i)pot^e£ ju berücffid)» 
tigen, weit er nad) bem jroifd^en it)tn unb <5. gefdjloffenen 
Sßertrage nur jugunften bei Saubarletjenl ber Sanf, um 
eine Sebauung bei ©runbftüdl ju ermöglichen, nid)t aud) 
jugunften einer ©igentümerbppotbef in ben jweiten 5Rang 
fjabe jurüdtreten füllen. Sie Serabrebung ber Seil. mit 3 - 
»erfiofje gegen Sreu unb ©tauben, fei nichtig. Sur cf) bie 
Serücffid)tigung ber ©igentümertjppottjef not ber feinigen 
werbe bie Stonturlmaffe auf feine Soften ungerechtfertigt be» 
reichert. Qm Serufungloerfabren mürbe ber Silage ent» 
fprod)en. 

Qn ben 

© r il n b e n 

[teilt bal ®erid)t juuäcfjft all Sertraglmillcn bei Stil. unb 
bei ©. bei 2lulftettung ber Urfunbe »om 8. 5Rooember 1904 
feft, baff bie Sarlefjenlhripotbe! bei Stil, nur inforoeit hinter 
bie Saugelberbppothef jurücftreten füllte, all bal Saubar» 
leben jur $erftellung bei ©ebäubel uerroenbet mürbe. ®o» 
bann rcirb fortgefabren : 

Qür ben gegenwärtigen 5Hed)tlftreit fommt bie Serein» 
barung, bie ber St'onfurloermalter mit 3 - getroffen t)at, ma^ 
gebenb in Setradjt. ©I fte£>t feft, bafs otjne biefe Serein» 
barung 3 - ®on bem auf if>n übergegangenen 5Red)t, bie 
©igentümerbppotbef löfeben ju laffen, ©ebraucb gemalt t)ätte, 
um für feinen ©djmiegerfobn, ben 9tebeninteroenienten, in 
bem 3” J onglüerfteigerung§Derfabren einen Seit ber britten 
fjjppotbef ju retten. Sie 2lnotbnung bei 3 TOan S §ÖCV f* e iS e= 
rungloerfabren! ftanb bem nicf)t im 9Beg. ©I märe bann 
ber Ät. in biefem Verfahren oollftänbig befriebigt worben. 


Digitized by Google 



138 


6ntfcf)eibimgen be8 DbtrlanbeägeridjtS. 


infolge ber Vereinbarung oerjid)tete $. auf bie Söfdjung 
ber @igentümerf)t)pothet unb fo fanb biefe bet ber Verteilung 
beS .SroangSperfteigerungSerlöfeS Verücfftchtigung. 9hm er* 
hielt ber Sl. oon bem @rlöS ftatt Des ganjen Vetrag§ feiner 
gorberung nur 2714 2JL SD et non bem Veil. jugegebene 
3roed ber Vereinbarung mar, bie ®ifferenj jroifchen ber 
britten unb jroeiten ßqpotfjef für bie SonfurSgläubiget ju 
erhalten, im roirtfd)aftlicf)en (Sffeft bie jrceite unb britte 
^ppothef ju oertaufdjen unb bie Gcigentümerhppothel oor 
bie leitete ju ftellen. 

®iefe Vereinbarurtg oerle^t nun bie oben feftgefe^te 
Vertrag§pflid)t, bafj feitenS beS SäuferS bie Qrigentümerhppo» 
thef nicht jum 9iad)teil bes Verläufers unb jum Vorteil bes 
Käufers benü^t merben barf. Söäre bie ®igentümerf)ripo= 
thet auf ©runb ber Vormerlung gelöfdjt roorben, fo märe 
ber bem VertragSmillen ber SaufSparteien entfpredjenbe $u= 
ftanb eingetreten, bajj bie |jppothef beS SIS. unmittelbar 
hinter ber Vaugelbhppothel itjre binglidje Vefriebigung er= 
langte. Vlieb aber bie ©igentümerhppothef eingetragen, fo 
mar ber Säufer oerpjTidjtet, entroeber feinerfeitS bie 2öfd)ung 
Ijerbeijufüljren ober {ebenfalls ben auf bie ©igentümerhppo» 
tljel fallenben Vetrag bem Qntjaber ber jmeiten $ppott)et in» 
foroeit, als eS ju beffen Vefriebigung notroenbig mar, ju 
überlaffen. 

®iefe VertragSpflidjten beS ®etneinfd»ulbnerS burfte 
ber SonlurSoerroalter nid)t unbeachtet laffen. Silit ber 
Eröffnung beS Verfahrens lam bem SonlurSoermalter nad) 
§ 6 SO. bie SluSübung beS 9tecf)tS ju, baS jur SonfurS» 
maffe gehörige Vermögen beS ©emeinfd)ulbnerS ju Dermal» 
teil unb über baSfelbe su oerfügett. @r ift berjenige geroorben, 
melier innerhalb biefeS VermaltungS» unb VerfügungSredjts 
auch hinftdjtlich ber VertragSoerhältniffe, in benen ber @e= 
meinfdjulbner ftetjt, Siechte unb ^3fticf>ten rcahrjunehmen hat. 
®ieS ergibt fich auS ber Stellung be§ SonfurSoermalterS, 
roie biefe aud) rechtlid) aufjufaffen fein mag, unb roirb burch 
bie Siegelung, meidje ber jmeite Sitel beS erften Vud)S ber 


Dlgitized by Googl« 



A. tu ©ioilfacfjeii. 


139 


Ä0. in betreff ber ©rfüllung ber Siecbtlgefhäfte gegeben bat, 
beftätigt. ®er Äonfurloerroatter bjat baber, foroeit hm nicht 
aulbrücflid) anberel geftattet ift, fth ben gefdjtoffenen 33er= 
trägen gemäfs ju o erb alten unb bie Vertrag lpflid)ten ju er= 
füllen. 2)ie in Siebe ftetjenbc SJereinborung bat ber befl. 
Äonfurloerroatter oermöge be§ oon hm auljuübenben 23er= 
roaltung§= unb SBerfügunglrehtl abjufhliejjen oermod)t. ®r 
bat bamit beftetjenbe 5BertragspfIid)ten oerlebt. Sine uner* 
laubte £anblung im ©inn ber §§ 823 unb 826 58®93. liegt 
nicht oor. Ob im ©inn bei 93ertraglred)tl ein fhulbbaftel, 
junt ©djabenlerfab oerpflid)tenbel Verhalten anjunebmen 
märe, fann babin geftellt bleiben, ^ebenfalls barf ber Älä= 
ger eine Seiftung, bie er infolge bei oertraglroibrigen 93er= 
battenl ju machen batte, auf ©rurtb bei Sertragl unb als 
eine auf feine Äoften ohne rechtlichen ©runb eingetretene 
^Bereicherung ber Äonfurlmaffe nadj § 59 3- 1 unb 3 Ä0. 
jurücfforbern unb, fo roeit eine Seiftung nicht gemacht ift, 
biefe oertoeigern. 

Ser Äl. fann nicht barauf oerroiefen merben fein Siedjt 
all Äonfurlforberung geltenb ju machen. 2lUerbingl märe, 
loentx infolge einer Sätigfeit bei ©emeinfhulbnerl felbft ober 
ohne eine folhe bie gleiche bingliche Siedjtllage eingetreten 
märe, ber Ät., bent an fth nur obligatorifhe Slnfprühe jur 
©eite fteben, unter Umftänben genötigt geioefen, feine Sichte 
all Äonfurlforberung ju oerfolgen. @1 mar nun aber ber 
tatfählih* Verlauf eben ber, bafj bal oertraglrcibrige Gin= 
greifen bei Äonfurloerioalterl ber Äonfurlmaffe ben ftreh 
tigen betrag jugefübrt unb ben beftrittenen Slnfpruh uer= 
fhafft bat, roäbrenb ohne biefel ©ingreifen ber Ät. im 
3mangloerfabren oolle SBefriebigung erlangt hätte. 

Stuf bie 2lnfprühe bei Äll. ift el ohne ©influfj, bafj 
ber Äonfurloenoalter oerfprohen bat, aul bem auf bie ©i= 
gentümerbppotbef entfallenben betrag oon 17 000 s Ji. bie 
aulgefallene ^orberung bei Siebeninteroenienten ju befriebigen. 
©oroeit bie Äonfurlmaffe ben ihr sugeroiefencn betrag nid)t 
erhält unb bal SBejahlte bem Ät. beraulgebett mufj, ift ber 


Digitized by Google 



140 


©iitfrfjcibuitgeu be-3 CberlaubeSgei'idjt?. 


bei ber Vereinbarung mit 3- bejroecfte ©rfolg nicht eingetre« 
ten unb ber HonturSoerroalter ift nicf)t oerpflidjtet unb nic^t 
in bet Sage, ben oereinbarten betrag aus einem Srroetb bet 
HonfutSmaffe an ben Stebeninteroenienten ab juf übten. Ser 
testete ift roegen feines Ausfalls auf bie Vefriebigung in 
bet Steibe ber HonfurSgläubiger angeroiefen, mie bieS auch 
ohne bie Vereinbarung bet ffall geroefen märe. Ob er 21m 
fprud) auf ben Vetrag bat, um ben bie ©igentümerbppotbef 
bie gorbetung beS HlägerS überfteigt, ift hier nicht ju unter« 
fucbcn. Ser HonfurSmaffe mirb infolge ber 2lnfprücbe beS 
HlS. feine meitere unb größere Saft auf erlegt; obnebin mürbe 
bieS baratt nichts änbern, bajj baS uom Hl. Veanfprucf)te 
ber üötaffe ohne VedjtSgrunb unb auf feine Höften jufiele. 

Urt. beS I. ©.<3. o. 13. $uni 1906 i. <3. ©djmibtfche 

HonfurSmaffe g. SJtaper. 

Sie Veoifton gegen biefeS Urteil ift jurüctgeroiefen 
morben. 


23. 

Merpfüdjtung jur Jaljlung bes &aufpmfrs aus einem 
anferijtbareu Itrdjisgrfdjäft troij erfolgter Undtgemäjjr 
ber gehäuften £indjcu? 

Hl. bat eine ^orberung ber 3Jlutter beS Vefln. an bie« 
fen au§ ©runbftücfSfauf pfänbeit unb ficb jum (Sinjug über* 
meifen laffen. Ser Verfauf mürbe oon einem anberen 
©laubiger ber Vtutter auS § 3 3iff. 2 2lnf.©ef. angefod)* 
ten. 3m Sauf beS 2lnfed)tungSproseffeS h«t Vefl. feiner 9Jtut= 
ter bie erfauften ©runbftücfe prücfgegeben, roogegen fte auf 
Vejablung beS (noch nicht entrichteten) HaufpreifeS oerjichtete. 
Ser Slnfecbtungsprojeß mürbe barauf oon beffen Parteien 
ohne Urteil für erlebigt crflärt. 

Sie Hlage beS HlS. auf Vejat)lung beS HaufpreifeS ift 
abgemiefen morben. 

© r ü n b e : 

Surcb bie ißfänbuug unb Uebermeifung jur ©injiehung ma« 


Digitized by Google 



A. in (Jiuilfacfieit. 


141 


ren bie Sfaufpreisforberungen grunbfä^ticf) bec freien Ber* 
fügung ber SRutter unb beS Befln. entjogen, bie gorberun= 
gen fonnten burefj ein Bed)tSgefd)äft nur mit 3uftimmung 
beS ÄIS. als BfanbgtäubigerS aufgehoben merben, oergl. 
(SPD. §§ 829, 804 B®B. §§ 1276, 135 »). 

©leidjmoht fann ftd) ber Befl. gegenüber bem Äl. auf 
bie Siücfgemähr oom 2. 9Jlai berufen. 

3Bäre ber Befl. (ohne oorgängige ^Jfänbung) im Ber* 
lauf beS 2tnfed)tungSpro$effeS oerurteilt morben, bie ©runb* 
ftücfe als noch jum Berntögen ber 9Jtutter ober jur $onfurS* 
maffe gehörig surücfjugeroäijren, oergt. 2lnf.©. § 7, 13; $0. 
§ 37 2lbf. 1, fo märe ber 2lnfprud) ber SRutter auf SBejaf)* 
lung be§ SaufpreifeS roeggefailen. Ob ftrf) bieS auS ben 
Borfchriften beS 93©53 § 434 ff. ergibt, braucht nid)t näher 
unterfudjt ju merben, roeil bie ©runbfätje ber ungered)tfer* 
tigten Bereicherung auSreicf)en. 

2)aS 2lnfed)tungSgefet5 unb bie 5fonfurSorbnung taffen 
gleicherroeife erfennen, oergt. 2lnf@. § 8, $0. § 38, 39, bafj 
baS anfechtbare 9ted)tSgefchäft fein gegen ein gefehlidjeS Ber* 
bot ober gegen bie guten (Sitten oerftojjenbeS unb beSfjatb 9 ** 
mäh B@B. § 134, 138 nichtiges 9ied)tSgefchäft fein fott 2 ). 
®em ©inne ber beiben Berfäufe oom 27. unb 29. Of* 
tober 1904 mürbe eS nun feineSfallS entfprecfjen, baf? ber 
Käufer, nad)bem er roegen eines bem Bertrag anhaftenben 
StiangetS bie ©runbftücfe ber Berfäuferin jurüefgegeben hätte, 
aud) noch ben Kaufpreis jahten mühte. hierin läge eine 
unbillige ©djäbigung beS Käufers ju ©unften ber Berfäu* 
ferin. @ S läfjt fid) aber auch feine ©efeheSoorfd)rift finben, 
in beren ©inn eS läge, bah ber Käufer, ber bie ©ad)e roe* 
gen mangelhaften BeräufjerungSgefd)äftS bent Berfäufer su* 
rücfgibt, beinfelben BertragSgegner mit ber Zahlung beS 
KaufpreifeS oerhaftet bleiben fotlc. |jienad) fällt burch bie 
Siücfgeroähr an ben Berfäufer ber red)tlid)e ©runb für bie 


') @aup|)«©tciu Gsjjß. § 829 IV 3 . \ I)iut« 9tote 47 . 
*) Slergf. Di®. 50 3. 230. 


Digitized by Google 



142 


©iitfdjeibuiifltit bes D&crlanbeSgevidjtS. 


3a^Iung beS 5?aufpreifeS im ©inne beS 23093. § 812 2lbf. 11 
©at) 2 (erftcr 3 ?all) weg unb bcr ffäufer fann ber 2 lnforbe= 
rung beS SBerfäuferS ben Otnwanb entgegenftellen, er mürbe 
fich burd) ben Kaufpreis ungerechtfertigt bereichern '). 

$iefelben folgen, wie im galt eines Urteils — baS ja 
nicht fonftitutio, fonbem nur beflaratorifd) märe — müffen 
aber eintreten, wenn ber Käufer bem Urteil burd) freiwillige 
Siucfgemähr junorfommt. 

3 m oorliegenben galt ift feftjuftellen, baf? bie beiben 
SBevfäufe anfechtbar waren. (®ieS wirb bargelegt unb fobann 
fortgef ähren:) @S befteht barüber fein Zweifel, bafs ber 23efl. 
in einem 2lnfed)tungSproje| niemals hätte ben ^Beweis er= 
bringen fönnen, bah *h m fine 3lbficf)t ber 9Jlutter, ihre ©lau= 
biger $u .benachteiligen, nicht befannt war. 

2lm 2. 9Jlai 1905 hatten bie ©.fchen Orben fd)on bie 
2lnfed)tungSflage erhoben unb bie SfonfurSeröffnung ftanb 
beoor. ®er 93efl. entfprach hienach ganj ber 2lbfid)t bes 
3lnfed)tungSgefeheS unb ber Ä'onfurSorbnung babutch, bah 
er bie (SrunbftücEe in baS Vermögen ber SJiutter jurücfbrachte 
unb fie fo bem 3ugriff beS ©läubigerS ober beS 5tonfurs-- 
nermalterS freiftetlte 2 ). 'Hier 511., bet feine Siechte auS ben 
beiben anfechtbaren Verträgen ableitet, muh ben geraffenen 
©adjoerhalt anerfennen, weit ber ©achoerhalt auf einen 
SDiangel jurücfjuführen ift, ber ben Verträgen fchon oon 2ln= 
fang an anhaftete. 

Urt. beS III. 0©. uom 1 . $uni 1907 j, <g. SCßeil g. 

$örmann. 

24. 

Hat ein lebeuslnnglirfj ungeteilter Ifehrer au einer 
$Jriuatleljran)tnlt Hnfprttdj baranf, Unterricht erteilen 
?n biirfrn, Jalung iljm nicht in (5rmnhh*ii ber Bähung 
ber Hitjtuli gehiinbigt werben kann? 

®er $ 1 . ift — wie als erwiefen angefehen würbe — bei 

*) SJergl. Säger, ©läubigeraufedjhtng § 8 Stnm. 7. 

*) 23evgl. SR®. 14 ©. 811; 37 6. 97 (100). 


Digitized by Google 



A. in Sibilfadjen. 


143 


bem R. Ronferoatorium für SRufif in Stuttgart auf 2eben§» 
jeit angeftettt ; bie Honorare ber fief»rer biefcr Slnftatt ro erben 
nad) üDtafjgabe ber non ihnen ju erteilenben Stunben berechnet, 
einem auf SebenSjeit angeftellten Sefjrer fann hur au§ be= 
ftimmten ©tünben gefünbigt roerben, roenn beffen „entfdjiebene 
Unfäfjigfeit, fein 2Imt fortjufü^ren" feftgefteUt ift. Sem RI. 
ift gefünbigt morben, er ^at aber biefe Rünbigung für uro 
gerechtfertigt eracfjtet unb gegen ba§ Ronferoatorium Rtage 
erhoben mit bem Antrag auf Qeftfteltung be§ Qortbeftef)en§ 
be§ Sienftoerf)ältniffe§ jroifdjen ben Parteien, auf Seja^Iung 
geroiffer Beträge, fobann aber aud), bie befl. Slnftalt für 
fcfjulbig su erHäten, ifjnt je bei beginn eine§ Sd)uljaf|t3 eine 
geroiffe Qafjl oon Sdjülem jujuroeifen unb in öffentlichen 
93efanntmacf)ungen bei Aufführung ber am Ronferoatorium 
tätigen Setjrer feine Nennung nicht ju untertaffen. Qm 93 e» 
rufungSoerfatjren mürben biefe letztgenannten Anträge, roät) s 
renb ben erftgenannten entfprodjen mürbe, abgeroiefen au3 
fotgenben 

©rünben: 

Sticht gerechtfertigt ift ber erfte Rtagantrag, roomit Rt. 
("nicht etma bie Qeftftetlung, baß et auf ein geroiffe^ Honorar 
Anfprud) hat, fonbern) bie Qeftftetlung oertangt, bafj 93eft. 
ihn bei ftef) Unterricht erteilen taffen, ihm eine beftimmte Aro 
Saht Schüler juteiten müffe. Qm Qroeifet ift ber Sienfttjerr 
3 ur Annahme ber Sienfte nicht oerpftichtet, aud) roenn ber 
Sienftoerpftichtete an beren Seiftung ein Qntereffe hat ; ber 
Sienftfjerr hat nur jebenfatti bie oertragSmäfjige Sßergütung 
ju gemähten. läfjt fid) nun nicht annehmen, baf) eine 
Anftalt roie bie 93efl. fid) einem 2ef)rer gegenüber auf beffen 
SebenSjeit — fotang nicht auf beffen Seite eine „entfdjiebene 
Unfäf)igfeit" in bem oben 1 ) erörterten Sinn uorliegt — »er* 
pflichten füllte, ihn Unterricht erteilen ju taffen : e§ fann — 
mie bie 93efl. mit Siecht geltenb macf)t — oorfommen, bafj 
ein foldjer Sefjrer ben allmäfjlid) fiel) önbernben unb fteigerro 

*) Sem nicht abgebrudfteii Seil bev ©viinbe. 


Digitized by Google 



144 


ffintfdjeibungen bc8 D&ertanbe8gerid)tS. 


ben Slnforberungen, bic an ben Unterricht in einer folgen 
2Inftalt geftetlt werben, nid)t met)r in augreidjenbem Erab 
ju genügen oermag, ohne bafj eine „entfdjiebene Unfähig- 
fett" feinerfeitg ficf) feftfteüen läßt. $n einem folgen gatte 
mürbe aber bie Slnftalt an ihrem 9iuf unb fd)liefjltd) aud) 
an ihren Einnahmen Einbuße ju leiben ©cfaijr laufen, falls 
fie einen folgen £et)rer ju befct)äftigen fortfahren müßte. Ob 
aber ein berartiger galt gegeben ift ober nid)t, bag ju ent» 
fd)eiben fann nicht ber 9iid)ter berufen fein, e§ mu| ba§ oiel» 
mehr bent Ermeffen ber leitenben Organe ber Slnftalt über» 
laffen bleiben. Eg mag rooljl fein, bafj ber S?l. ein gntereffe 
baran tjat, alg Seljrer an ber beflagten Slnftalt tätig fein 
ju bürfen; aber eg läjjt fictj in Ermanglung ganj unjroei» 
heutiger einfdjlägiget 9Sertrag§» ober ©a^ungg=33eftimmungen 
nicht anneljmen, bafj Sefl. ju folcljer $8efcf)äftigung be§ 
S!tg. oerpflidjtet fein füllte unb ihrer 93erpftid)tung nid)t burd) 
33ejal)lung eineg entfpredjenben ^onorarg genügen mürbe, 
üftufj aber $8efl. ben Äl. nicht befcfjäftigen, fo ift fie aud) 
nicht oerpflichtet, ihn alg Seljrer an ber 2lnftalt in ihren 
öffentlichen SSefanntmadjungen aufjuführen. 

Urt. beg III. E. <3. t>om 14. 9Jlai 1907 i. ©. Sßinfler 
g. Sfonferoatorium. 


25. 

^edjtsuerljältnis ftuifdjen einer ©lga]Trij«ic}ter unb bent 
Stettin für ftrankettpfleger innen; ^nsfdjlng bes^edjts» 
rnegs gegen eine turnt Perwaltmtgsnnsfdjng nerfügte 
®ntla)fnng. 

$lin. mar oon bem beflagten „SBerein für Sfranfenpflege» 
rinnen" (einer jurift. ißerfon) alg Olgafdjroefter aufgenommen 
unb in biefer Stellung 15 gahre tätig, darauf mürbe fte 
oom Sßerroaltunggaugfdjuf entlaffen auf ©runb ber in ben 
Slufna^tnebebingungen enthaltenen Seftimmung über bie Ent» 
laffung: „bag Sliutterbaug behält fid) oor, eine Scfjroefter mal)» 
renb ber Sehr» unb ißrobejeit wegen förperlicf)er ober geiftiger 


Digitized by Google 



A. in Giuilfadjett. 


145 


Untüchtigfeit ober wegen 2ftangel3 ber erforberlidjen ©ßarafrer* 
eigenfcßaften, wegen be§ leiteten aud) nad; ber ißrobejeit, 
jeberjeit wiebec ju entlaßen. " Sßre Silage auf $eftfteHung, 
baß biefe ©ntlaffung unbegrünbet fei unb fie bcm ißerbanb 
ber Dlgafcßweftern nod) angeßöre, ift abgewiefen worben. 

© r ö n b e : 

®a§ 9tecßt§üerhältni3 ift nad) ben Sebingungen al§ 
$ienftuertrag äwifcßen bem „SSerein für ftranfenpflegerin- 
nen" unb ber einzelnen Äranfenpflegerin, Olgafcßwefter, alfo 
jmifdjen bem befragten herein unb ber Sin. anjufeßen. ©§ 
wirb bie Seiftung ber SHenfte einer Sranfenpflegerin äuge* 
fagt gegen eine Vergütung, bie jwar nirf)t al§ 93eloßnung 
oerabreicßt wirb, aber in ©ewäßrung oon Soft, SBoßnung, 
Sleibung, £afd)engelb unb in lebenslänglicher 23erforgung 
aud) für ben SaU be§ 9lufßören§ ber $ienftfäßigfeit befiehl. 
Slußerbem ergibt fid), baß auch bie Slusbilbung al§ eine 
©egenleiftung gilt, für bie unter Umftänben ©ntfcßäbigung 
bei bem 2lu§tritt ju geben ift. 

®iefer SDienftoertrag ift afrerbingS ein folcßer befonberer 
2lrt, wie bie§ auch in ber rechtlichen ©eftaltung, fo burd) 
ba§ fehlen einer eigentlichen ©elbbeloßnung uub burd) bie 
regelmäßig lebenslänglidje ®auer be§ 93erf)ältniffe§, jum 2lu§* 
brucf fommt. ®ie ®efonberß eit berußt auf ber 
©runbtage oon einer nicht restlichen unb nicht wirtfcßaft* 
ließen 2lrt: bem höhnen gwecf ber pflege oon Sran* 
fen unter möglicßft oollftänbiger Eingabe ber eigenen ^3er* 
fönlicßfeit au§ Seweggriinben be§ d)riftlicl)en ©lauben§ 
eoangelifcßen $8efenntniffe§. Somit ift eine weitgeßenbe Unter* 
orbnung ber einjetnen ©d)mefter unter ben ßößeren .8n)ecf unb 
bie äußere Seitung feiner Surchfüßrung, eine 33erpflid)tung 
ju aufopfember 21rbeit, ju oielfadjer ©ntfagung, ju ftreng 
fittlicßem, ju ftrdjlicßem Verhalten unb ju willigem ©eßorfam 
übernommen junächft {ebenfalls nid)t als red)tltc^e SSerpflicß* 
tung, fonbern als eine innerliche mit ber Eingabe an ben 
höheren ,3wecf notwenbig oerbuttbene ^fließt. ©S ift ßienaeß 
oor allem bie gäßigfeit jur Erfüllung biefer ^flicßten für 


Digitized by Google 



146 


gntftfjeibungeu be® 0berlanbe8fleri<f)t8. 


bie Ausübung beS ßranfenfchroefternberufS erfotberlicf) unb 
fic erfctjeint als äußere unb innere digenfdjaft, förperlid^e, 
geiftige, ftttliche £ücf)tigfeit, digenfdjaften, bie teilmeife auch 
ab§ dharaftereigenfd)aften bezeichnet ro erben fönnen. ds 
hanbelt fid) im allgemeinen um ein grunbfätjtich bauernbeS 
befonbereS SßertrauenS* unb $ingebungS = 23erl)ältniS. ®ie 
rechtliche deftaltung, bie folgen Werfen entfpredjen foll, 
hat nur foroeit ju gelten, als zur dinfilgung beS 
23erl)ältniffeS in baS SRechtS* unb SBirt f a f tS = 
leben erforberlidj ift. immerhin finb junädjft bie oben 
angeführten äRerfmale feftjuftetlen, bie baS Sßorliegen eines 
$ienftoertragS im ©inne beS § 611 ff. 23®23. ergeben. 

dS fjanbelt fid) bei bem fogen. „23erbanb ber Olga» 
fchroeftern" nidjt um einen 23er ein ober „um einen 23 e< 
ftanbteil beS 23ereittS für Äranf enpftegerinnen " . 3)ie 23er= 
binbung jroifdjen ben einzelnen Olgafcfjroeftern ift nach ben 
23ebingungen unb ben ©atjungen beS beftagten 23ereinS feine 
redjtlidje, fie ftefjcn blofj im gleidjen IRechtSoerhältniS jum 
23erein für Äranfenpflegerinnen unb finb burcf) bie tatfäd) 3 
licken Umftänbe foroie ben gemeinfamen höheren ,8roecf ner= 
bunben, fo baf} ein 23erbanb uon nicht rechtlicher 2lrt uor» 
liegt, bem audj eine feierliche 2lufnaf)me in ben ©djroeftem= 
oerbanb entfpridjt, bie für bie einzelne Äranfenfdjroefter uon 
red)tlid)er 23ebeutung ift als 23eginn beS enbgültigen ®ienft* 
oerhältniffeS. immerhin liegt eine ©eftaltung beS bezeichnten 
2>ienftoerhältniffe§ uor, bie ben ^Beziehungen ber 23ereinSmit> 
glieber ju ihrem 23erein ähnlich ift, toie fpäter auszuführen 
fein roirb. 

2ßenn in ben 23ebingungen baS „SRutterhauS" fdjeinbar 
als ^Rechtsträger ber IDienftberechtigung bezeichnet ift, fo ergibt 
fiel) bod) auS 3iff. I ber 23ebingungen, foiuie aus § 1 unb 
§ 4 bet ©aijung, baff baS „SRutterljauS" bem 23erein für 
Uranfenpflegerinnen, bem beflagten 23erein, gehört unb biefer 
ber Präger ber bem „äRutterhauS" bilblid) beigelegten iHechte 
unb Pflichten ift. Um eine Stiftung, in beren ©enufj bie 
©d)iueftern etiua eintreten mürben, hanbelt eS fich nidjt. 2lucfj 


Digitized by Google 



A. in 6iuiI)od)tit. 


147 


§ 5 ber ©ereinSfabung ergibt nur ein 9tecf)t§uerf)äUni§ beS 
Vereins für Äranfenpflegerinnen ju bem bort genannten 
©erforgungsfonbS, nicht ein folcbeS ber Stranfenfcbroeftern. 
UebrigenS ^anbelt eS fid> aud) nid)t um eine Älage auf 
©tiftungSgenut, für bie gegenüber öffentlich red)tlid)en ©tif* 
tungen baS 3i»it9crtcf)t nid)t juftänbig märe. Qm ooriiegenben 
Qall fragt eS fid) inSbefonbere, roelcbe rechtlichen 93 e = 
ftimmungen über bie ©ntlaffung oon Äranfen* 
fd)roeftern aus bem 3)ienftoerbältniS gelten. Stach 
§ 626 93093. hätte ber herein j ebenfalls baS iHecfjt (rote 
aud) bie einzelne tlranfenfdjroefter), ohne ©inhaltung einer 
ÄünbigungSfrift ju fünbigen, roenn ein roid)tiger ©runb oor= 
liegt, mobei nod) § 628 93033. in 93etrad)t tarne. Qm Qall 
beS ©eftreitenS märe bas 93 or liegen beS roid)tigen ©runbeS 
jroeifelloS ber geridjtlidjen ^tüfung im 9ied)tSftreit ju unter* 
ftellen. 9Benn nun in ben ©ebingungen ber „Mangel ber 
erforberlidjen ©f)araltereigenfd)aften" als ©runb ber 2luf* 
bebung beS fonft bauemben < 35ienftoerbältniffeS oertragSmätig 
feftgelegt märe, etroa in ©efdjränfung beS ©ereinS auf biefen 
einen mistigen ©runb, fo märe baoon auSjugeben, bat im 
s Jted)tSftreit baS Qutreffen biefeS 2lufbebungSgrunbeS, falls 
beftritten, ju beroeifett unb oom ©erid)t ju prüfen märe, roie 
fonft bie ©orauSfetjungen ber ©ecnbigung ober beS ©ntftebenS 
oon 9ted)tSoerbältniffen. @S fönnte aud) ein ©ebürfniS, biefe 
©eite beS ©erbältniffeS redjtlicb ju geftalten unb ber geriet)!* 
lieben Prüfung ju unterteilen, barauS entnommen roerben, 
bat für bie entlaffene ftranfenfdjroefter ber ©erluft ber lebenS* 
länglichen ©erforgung in Qrage ftebt. 

®ie ©ebingungen, um berett Qiff. X 2lbf. 2 eS fic£> banbeit, 
finb nun oor allem nicht burcbauS ©ertragSbeftimmungen beS 
bejeidjneten 3)ienftoertragS, fonbern betreffen aud) bie er* 
roäbnten anberen ©eiten beS ©erbältniffeS. Sie Qaffung beS 
2lbf. 2 oon Qiff. X, bat („baS Mutterhaus" b. b-) ber ©er* 
ein ficb „oorbebält" . . . . „ju entlaffen" roegen Mangels 
ber erforberlicben OböraCtereigenfcfjaften, fann auch babin 
oerftanben roerben, bat b^t ber ©runb beS ©ereinS ange* 

%af)vbüd}cx b*r SBiirttemb. 9ie$ttyf(ege. XX 2. 11 


Digitized by Google 



148 


@ntfcf)eibiiitfjeu bei Cbeilaubeägeridjtl. 


füf>rt ift, aul bem er entläßt, bei beffen 2lnttai)me er biefe 
Gcntfdjeibung all eine if)nt oorbehaltene trifft, unb ber 2lul» 
bruct „oorbetjält" fprid)t für biefe Auslegung, ©obann ftefjt 
bie Veftimmung bei 2lbf. 2 non .ßiff. X über bie ©ntlaffung 
enbgüttig aufgenommener ©cfjroeftern, um bie el fid) tiier 
hanbelt, im engften äußeren 3ufamment)ang mit ber für Sehr» 
unb s J5tobefcf)weftern gegebenen, fie ift nicht nur in einem 
©aß unb inforoeit in gleicher Söeife gegeben, fonbern all bie» 
felbe gegeben, bie angeführten SBorte über ben ©ntlaffungl» 
grunb beziehen fict) jugleid) auf bie eine unb bie anbere 2lrt 
oott Sranfenfd)meftem. Süt bal Sehr» unb i)3robe»Verhältni§ 
muf) nun aber bem herein bie ©ntfdjeibung über förperlidje 
unb geiftige £üd)tigfeit unb über ba§ Vorhanbenfein ber 
erforbetlidjen <£h“^afteretgenfcf)aften all eine mafjgebenbe unb 
enbgüttige freiftehen. ©I ift jroar in 3'ff- IV eine Prüfung 
burd) ©achoerftänbige, aber felbftoerftänblid) mit ma^gebenber 
@ntfd)eibung bei Veteinl unb ohne gericl)tlid)e Nachprüfung 
oorgefehen unb el fann auch unmöglich ber ©inn ber Ve= 
ftimmungen fein, baß über bie gortbauer bei ®ienftoerl)ält» 
niffel einer ißrobefdjroefter unb ihre Aufnahme all eigentliche 
©d)mefter im Streitfall burd) geridjtlidjel Verfahren unb 
burd) Veweilaufnahme über förperlid)e, geiftige unb fittlidje 
£üd)tigfeit entfliehen merben folle, fcfjon ber ^Begriff ber 
ißrobe fpridjt bagegen, $nfoweit müffen alfo biefe Vefthn» 
mungen bahin oerfianben werben, baß all Veftanbteil bei 
Vertrag! über bie ’&ienftleiftung ber Sehr» unb $robefd)roeftern 
nidjt bie Vereinbarung anjufehen ift, wenn ber angeführte 
©runb oorliege, bürfe Aufhebung bei Verhältniffel eintreten, 
fonbern ber Vorbehalt bei Vereinl, über bie ©ntlaffung ber 
Sehr» unb ißrobefchroeftern burd) feine SBitlenläußerung ju 
entfcheiben, fo baß nur etroa bie Swmrichtigfeit unb ber 
Inhalt biefer SBillenläußerung oom @erid)t nachjuprüfett 
märe, wenn et beanftanbet wirb, mal aber hi« nicht ber 
Sali ift. 2>ie angegebenen ©rüube ber ©ntlaffung enthalten 
in biefem Sali nur bie ©runbfäße, nad) benen fid) ju ridjten 
ber Verein nicht gegen außen oerpflichtet ift, fonbern im 


Digitized by Google 



A. in (Siüilfncfien. 


149 


Qnnern, iitlbefonbere bie Vertretung gegenüber bem Verein 
gehalten ift. £ncnad) mürbe bie Veftimmung über bie ©rünbe 
ber ©ntlaffung eher ber Vereinlfahung angeboren. 2lber e! 
finb auch nod) anbere fahunglartige Veftanbteile in ben Ve» 
bingungen enthalten unb e! fann immerhin al! Veftanbteil 
bei Vertrag! angefehen merben, bafj bie bejeid)neten ©rünbe 
at! foldje ber ©ntlaffung angegeben merben müffen. 

®ah nun bie Veftimmung über bie ©nttaffung rcegen 
Mangel! ber erforbertichen ©haraftereigenf «haften ben Sinn, 
ben fte nad) bem eben Slulgeführten für bie Sehr» unb ißrobe» 
fdjroeftern hat auc h für bie eigentlichen Slranfenfchmeftern 
hat, bafür fpridjt ber bereit! angeführte Umftanb, bah bie 
Veftimmung nicht blofj gteid) lautet, fonbern eine unb bie» 
felbe gemeinfchaftliche ift, bie nicht rooht ba! einemal al! 
Vertraglbeftimmung, ba! anbermal nicht al! foldje gemeint 
fein lann. 2lud) au! ber Vergleichung mit ber Veftimmung 
be! 2lbf. 1 oon 3‘ff- X unb ber giff. XI ergibt fid) nidjt! 
anbere!. 2luch h‘ er bringt bie £atfad)e ber ©ntlaffung ober 
be! 2Iu!tritt! oljne guftimmung be! Verein! bie Verpflicf)» 
tung ber 3iff- XI jur ©ntftehung, ohne baf} im gall be! 
gerichtlichen 'Verfahren! nadjjuprüfen märe, ob bie ©ntlaffung!» 
grünbe jutreffen, ober eine Verfügung ber guftimmung jum 
ttlultritt gerechtfertigt ift. @! tonnte auch geltenb gemacht 
merben, bah burch biefe Veftimmungen bie hier auljulegen 
ftnb, gar nicht ba! 9ied)t!oerhältni! geregelt merben folle, 
fonbern nur bie inneren Slngetegenheiten be! ermahnten Ver* 
trauenloerhältniffel, unb bah be!f>alb für bie 2lufhebung 
be! ©ienftoerhältniffe! bie allgemeinen Veftimmungen be! 
§ 626 V@V. jur Slnmenbuttg fontmen. 2lber bie! ift nicht 
anjunehmen, ba bie Veftimmungen, roie oben aulgeführt, bie 
Voraulfehungen eine! ®ienftoerhältniffel ergeben unb im 
ßufammenhang bamit in ,3iff. X 2lbf. 1 unb ,3iff. XI un» 
jroeifelhaft red)tlid)e ©eftaltungen be! Verhältniffe! oorge» 
nommen finb, auch ^ er Inhalt ber hi^' auljulegenben Ve= 
ftimmungen inforaeit, all fte bilfjer al! Vertraglbeftanbteil 
angenommen finb, red)tlid)er 9lrt ift. 


Digitized by Google 



150 


6utfd)cibuiigctt be8 06trlaubeSgericf)t8. 


Auch bie 2lrt beS in 3iff. X 2lbf. 2 angeführten ©runbeS 
„erforberlidje ©haraftereigenfchaften" ift forootjt ber »ertragt 
mäßigen ffeftftellung als ber gerichtlichen Nachprüfung fdjroer 
zugänglich. 

©ntfdjeibenb tritt aber ju alten biefen ©rroägungen bin* 
5 U bie oben erörterte ©runblage be§ ganjen VertjältniffeS 
mit ihrem gleichfalls nicht bem Ned)tSgebiet angehörigen @r= 
forbemiS oon Verpflichtungen unb $äl)igfeiten jur (Erfüllung. 
®iefe ©runblage erforbert ihrem ausgeführten SBefen nach 
ein Necfjt beS Vereins, nach eigen« enbgültiger ©ntfdjeibung 
bie Ungeeigneten ju entfernen unb eS ift nad) allbem anju* 
nehmen, baß ftd) ber herein biefeS Ned)t in ber Veftimmung 
3iff. X 2lbf. 2 oorbeljatten hat. SDabei ift in ber Vegren* 
jung auf ben angeführten ©ntlaffungSgrunb jurn AuSbrucf 
gefommen, roaS auch bie ermähnte ©runblage mit fid) bringt, 
bafj ber Verein fid) felbft eine rceitgehenbe Vefcfjränfung auf» 
erlegt unb nur in ben äujjerften fällen oon ber VefugniS 
©ebraud) madjt. Aber bieS ift auch hier, roie für Sehr* unb 
ißrobefchroeftern bemerft, eine innere Angelegenheit beS be= 
ftagten Vereins. Nach aufjen unb fo auch im Verhältnis 
ju bem ®ienftoerpflid)teten erfdieint ber Verein ju mehr nidjt 
oerpflichtet, als ba§ eine ©ntfd)eibung beS Vereins, alfo 
fatjungSgemäf) beS VermaltungSauSfchuffeS, gegeben unb etroa 
ber bejeidhnete ©runb ber ©ntlaffung, ber für ben Verein 
beftimmenb mar, im ©inflang mit giff. X Abf. 2 ber Ve= 
bingungen angeführt mirb. ®ieS unb mehr nicht ift Veftanb* 
teil beS VertragSoerhättniffeS in biefer Nietung unb ©egen« 
ftanb eines möglichen NedjtSftreitS, ift aber im oortiegenben 
?fatl nicht beanftanbet. <3o geftaltet fich biefeS befonbere 
SDienft* unb VertrauenSoerhältniS jmifchen bem beflagten 
Verein unb ben Olgafd)meftern ähnlich bem Verhältnis eines 
Vereins ju feinen SNitgliebern, ber über ben AuSfdjluf? oon 
Nlitgliebern felbft ju entfeheiben hat oermöge eigener burch 
§§ 32, 40 V@V. freigelaffener Veftimmung. dagegen ift bie 
AuSfdjliefjung auS einer ©rroerbS« ober 2Birtfd)aftSgenoffen* 
fefjaft fein ähnlicher rechtlidjer Vorgang, roie fich aus ber 


Digitized by Google 



A. in 6ibilfad)tn. 151 

»öllig Betriebenen ©runblage nach ben früheren ©rörterungen 
ergibt ’). 

©I t»anbelt firf) hier, roie bemerft, um ben Umfang unb 
Qntjalt non ©ertraglbeftimmungen, ber, roie gefdjehen, burcf) ’ 
Stilllegung gemäf? § 157 93©©. ju ermittetn ift. ©I ift 
anjunet)men, unb jroat itad) ben aulgeführten Umftänben, 
baff uon beiben Seiten in biefem Sinn ba! ©erhältni! ein* 
gegangen ift, inlbefonbere aud) uon Seiten bet ^ienftoer* 
pflichteten ein ©erjicfjt auf richterliche Nachprüfung in Untere 
orbnung unter ben höheren 3roed »orliegt. 

@1 fönnte ftch barunt hunbeln, ob bal (Entgelt, ba! für eine 
lange unb aufreibenbe 3)ienftleiftung fonft in ber leben!* 
länglichen ©erforgmtg (3iff. V) gemährt rcirb, nicht mie nach 
§ 628 ©@©. in beftimmten Fällen, hier > n anberer F°rm, 
etroa in ber einer Slbfinbung, ju geroähren ift. ©iner folgen 
Sinnahme roiberfpridjt aber ber gufammenhang ber ©ebing* 
ungeit, ber bei ber bejeichneten auf ben äufjerften tfall be= 
fchränften ©ntlaffung ein oölliges 2tu!fd)eiben ohne ©efthn* 
mung einer ©ntfdjäbigung oerfieht inelmet)r bie Slulbilbung 
jutn ©eruf ber Äranfenpflegerin unb ben bühnen Unter* 
halt all eine ©egenleiftung einftellt, bie bei ber ©ntlaffung, 
ber Sehr* unb ©robe)cf)roeftern roenigftenl, nach 3'ff- XI ber 
©ebingungen teilroeife jurücfjuoergüten ift. Uebrigenl tuäre 
ba! „oertraglroibrige ©erhalten" bei § 628 ©@©. burch bie 
Satfadje ber ©ntlaffung aul bem bejeichneten ©runb nach 
bern früher aulgeführten Sinn biefer ©eftimmung gegeben. 

Slud) einfchtiejilich biefer Folgerungen, bie eine ftarfe 
roirtfcf)aftlid)e Slulnü^ung ergeben, oerftofjen bie angeführten 
©eftimmungen nid)t etroa im Sinn bei § 138 ©@©. gegen 
bie guten Sitten, ba bie frei gewählte Unterorbnung unter 
ben höheren 3roed all bie! ju rechtfertigen geeignet ift. 

Urt. bei I ©S. oom 26. Slpril 1907 i. S. 2Böm g. 

©erein für Kranfenpflegerinneti. 


*) 3u ugl. Dl®. S8b. 57 ®. 155. 


Digitized by Google 



152 


dutfdjeibuugen bc§ £>6erlanbe8gevidjt8. 


26. 

£ä%t ftdj sine gaftmtg bes grtmtgebrrs für Puter» 
laflmtg ber pttmelbnng jur Jlnöalibemjrrftriieritng mtf 
§ 823 gbr. 2 JKSp. ober attf ben Ptenjtnerirag ftitijen? 

Min. f>at it)rcn 2lnfprucf), ben 93eHn. für fcfjulbig ju 
erflären, ifjr eine jährliche Diente für bie ®auer ihre! Seben! 
ju bejal)Ien, auf bie Behauptung geftütjt: Befl. fjabc fcfyulb» 
fjaft unterlaffen, fte reebtjeitig jur 2llter!= unb Qnoalibität!» 
nerfidjenmg anjumelben ; in golge bauen fei fte be! 2ln= 
fpruct)§ auf $nualibenrente uerluftig gegangen, ber if)r anbern» 
fall# jet^t juftänbe. 

2lu! ben 

©rünben 

be! Berufunglurteil! : 

©in fcf)ulbf)after Berftofj gegen ein ©cfyutjgefet} i. <3. 
be! § 823 kbf. 2 B©B. fällt bent Befl. nidjt jur Saft (ein 
folcger Sßerftofj tuäre übrigen! erft feit 1. Januar 1900 möglicf)). 
Slllerbing! war, tuie bie ©M mit 9te(f)t angenommen gat, 
bie Min. oerfict)erung§pflicf)tig unb ber Seil, gätte fte, roie 
ber I. ©©. biefe! 02©. in bem Urt. o. 1. ’&ej. 1905 i. 
©. ©djulj g. ©d)nabel auSgefüfjrt fjat, jur Berftcberung an» 
melben füllen (ugl. § 148 2lbf. 1 unb § 179 Qno.»23.»©. u. 
13. QuÜ 1899). Slber im ©egenfatj ju bem ermähnten 
Urteil be! I. ©©. nimmt ber erfennenbe Senat an, bafj 
bie einfcglägigert ©efet$e!beftimmungen fein „©ebubgefetf' i. 
©. be! § 823 2lbf. 2 B@B. barftellen. Merbing! ftnb bie 
fojialpolitifd)en ©efetje ©efetye bie für „Slnbere" in beftimmten 
Dticbtungen ^ü^forge treffen; e! läfjt fid) auch fagen, fte 
bejtuecfen ben „<Sd)u^" Dlnberer gegen bie folgen geroiffer 
©reigniffe ober Umftänbe (Matt f beit, 2llter, Unfall, ©rroerb!» 
unfätjigfeit). 2BiU man aber nicf)t ju einer ungemeffenen 
SluSbefjnung be! 23 e griffe eine! ©cbutjgefetje! fommen, roie 
fie bem ©efetjgeber mutmafjlicf) fern gelegen b a t fo nwfj 
man, bem näcbftliegenben ©inn bei SBorte! „©dfut}'' ent» 
fpredjenb unter ©efetyen, bie ben ©ebut* eine! 2lnbertt be» 


Digitized by Googli 



A. in SiDÜiadjen. 


153 


jroecfen, f o 1 cf) e oecftei)en, bic jro e cf § Verhinberung be§ 
©intritts fcfjäbigenber ©teigtiiffe Seftimmungen 
treffen (j. 33. Unfaltoerhütung§r>orfchriften, jiuilrecf)tlid)e Ver= 
bote roie ba§ in § 909 33©33. enthaltene, ©trafgefetje, fofern 
fie non ben ftrafbaren |)anblungen abhalten füllen u. brgl.); 
anbernfatfö roären fd)lie§ltd) alle ober bod) bie meiften prioat* 
rechtlichen ober jinilproseffualenOefe^eäbeftimmungen „Schuh' 
gefehe" (fofern fie j. 33. ben „©d)uh" be§ ©laubiger^ gegen 
bie folgen ber Nichterfüllung einer Verbinblichfeit bei ©cfjutb* 
neri bejroecfen u. brgl.). Auch roollen bie Verftdjerungä* 
gefetje ben öebienfteten nicht bem $ienfth errn gegen* 
über frühen; ei ift aber jur Anroenbung bei § 823 Abf. 2 
33®33. roefentlicf), ba| gerabe bie Nechte gefcf)äbigt roerben, 
bie in ben Kreii bei ©chuhe§ einbejogen roerben 1 ). ®ie 
Vorfcf)riften über Anmelbung ber Verfid)erungspflid)tigen, roie 
fie j. 93. bie roürtt. gefetjlichen unb ftatutarifchen 93eftim» 
mungen enthalten, unb bie einfehtägigen ©trafbeftimmungen 
ftnb nur Orbnungioorfchriften, feine ©efetse jurn ©djuh ber 
iu nerfid)emben Arbeitnehmer gegen bie Arbeitgeber 2 ). 

2)er gioilfammer ift barin beijupflidjten, ba| eine Älage 
ber norliegenben Art auf ben ®ienftoertrag ber Parteien 
nicht ohne roeiterei geftütjt roerben fann, roie biei bai Di®, 
in ftänbiger Rechtsprechung annimmt 8 ). Allein felbftoerftänb* 
lieh fann ber ®ienftf)err bem Sebienfteten gegenüber bie 33er* 
pflichtung, ihn jur Verftdjerung anjumelben, mit ber ABirfung 
übernehmen, baf) ihn bie ^Nichterfüllung biefer Verpflichtung 
fchabenierfahpflichtig macht. (Sine fotdje Verpflichtung hätte 
aber Vefl. übernommen, falli er, roie Sflin. behauptet, auf 
ihre ©rflärung: roa§ bie Verftd)eruttg anlange, fo müffe Vefl. 
bie3 beffer roiffen, erroibert hätte: er beforge alles. $ie£* 
falls mu§te er ftch erfunbigen, ob bie Sflin. inoalibenoer» 
ficfjerungSpflichtig fei, unb roentt er — roie er getan fjaben 

*) S3gl. Stoljler, Sefjrb. b. b. 9t. Söb. 2 2lbt. 1 § 192 II, 2 - 
3- 532 — bei 9tote 1 unb 2. 

l ) aSgl. SH®. 63 nr. 13. 

*) SBergl. lieucftenä 9t@. 63 nr. 13. 


Digitized by Google 



154 


<£ntfrf)eibjingen beä Obertanbeägericfjts. 


will — fid) hierüber bei bem (hiefiir juftänbigen) ©nwohner* 
melbeamt unter richtiger unb oollftänbiger 2ln* 
gäbe ber ©erhältniffe 9lu§funft erbeten tjättc, tüäre fie 
ihm baf)in geworben, bafj Hlin. oerficf)erung§pflid)tig fei. Jie 
erwähnte unter ©b gefteüte ©ehauptung bet Hlin. ift batjer 
erheblich- 

Urt. be§ UI. ©S. o. 12. Mebruar 1907 i. S. Sltbinger 
g. Oppenheimer. 


27. 

jhtr Auslegung bts § 353 £}($&. 

HI. hat gegen bie ©efl. auf ©ejahtung be§ Haufpreifes 
oon SBaren nebft 3infen geflagt ; er hat im Sauf be§ 9ted)t3= 
ftreite§ eingeräumt, baft bie SBaren nod) nid)t geliefert feien, 
fonbern bei ihm jur ©erfiigung ber ©efln. lagern unb hat 
feinen SIntrag barauf gerichtet, baff bie ©efl. gegen Gcmpfang 
ber Söaren ben geforberten ©etrag nebft »om 23. 

Quni 1906 an ju jahten habe. J)ie ©efl. hat ben SInfprud) 
mit ber ©efd)ränfung anerfannt, baff fie nur fchulbig fei, 
bie fpauptfumme binnen breifjig Jagen nad) richtiger Siefe* 
rung mit 3% 2tbjug per (Sheet ju jahlen, inbem fie geltenb 
machte, fie habe fid) nicht geweigert, bie SBaren anjunehnten 
unb ju bejahlen, fonbern nur bagegen oerwahrt, baff fie bie 
Söaren bejahten folle, ehe fie fie gefehen habe. 

Jie 3iafenforberung bes Ht§. ift abgewiefen worben. 

3lu§ ben 

© r ü n b e n : 

©ne ©erbinblichfeit ber ©etln. 3™fen ju bejahten, ift 
jur 3«it überhaupt nicht begrünbet. 

©ne foldje ©erbinblid)feit würbe allerbingS nicht einen 
©erjug ber ©etln. in ber 3°htung be§ HaufpreifeS ooraus» 
fegen, benn nad) § 353 be§ $($©3. finb Haufleute unter» 
einanber berechtigt, für ihre Minderungen au § beiberfeitigen 
.jpanbel3gefd)äften 3' Il fen «am Jage ber fjälligfeit an ju 
forbern. (SS fommt alfo nid)t barauf an, ob bie ©efl. in 


Digitized by Google 



A. in ©totlfadjen. 


155 


einer bem ©efetje entfpredjenben SBeife gemahnt roorben ift, 
fonbern eS genügt, wenn bie KaufpreiSforberung im ©inne 
beS § 353 beS $©S3. fällig roar. 

9?un mag fein, bafj bie ^JäUigfeit im engeren ©inne 
fd)on bann als eingetreten anjufelfen ift, roenn bie für bie 
Seiftung beftimmte 3eit im ©inne öe§ § 271 beS 23©S3. ge= 
fonunen ift, unb bafj bie ©inrebe beS nichterfüllten Vertrags 
nid)t fdjott an fid) bie f^äUigfeit auSfd)liefjt. Slber baS ©r= 
forberniS ber gätligfeit in § 353 bes 93©33. ift in weiterem 
©inne ju oerftehen. Ob eine gorberung als fällig im ©inne 
biefeS ©efet)eS anjufehen ift, t)ängt non ber Statur beS be* 
treffenben StechtSuerhältniffeS unb ber barauS hergeleiteten 
©inroenbungen beS ©djutbnerS unb anbererfeitS oon bem 
3wecf ber ©efeheSbeftimmungen ab. .£nenad) ift bei ben 
einzelnen ©chulboerhältniffen 511 nnterfuchen, ob bie ©nt* 
ftehung einer 3inSoerbinblid)feit im ©inne beS ©efetjeS liegt. 
Sie ^ätligfeit ber gorberung unb bamit bie 93orauSfet)ung 
ber 3inSpflid)t tarnt fehlen, auch wenn ber ©laubiger an 
ftth berechtigt ift, bie gorberung burd) Klage geltenb p 
inadjen. 

®S ergibt fid) auS bem 3wecf ber SJeftimmung beS 
§ 353 beS .£j@33S., bafj eine 3in§pflid)t beS Käufers erft 
non bem 3eitpunft an befteht, mo ber Käufer tatfädjlid) in 
ber Sage ift, bem Verträge gentäf) über bie SBare p ner= 
fügen, mag bie SeiftungS&eit im ©inne beS §271 beS 23©S3. 
für ben SJerfäufer aud) fdjon früher eingetreten fein. Senn 
bie .ßinSpflicht, bie bem Käufer burd) § 353 auferlegt ift, 
beruht auf ber Sinnahme, baff ber Käufer nom Sage ber 
gälligfeit beS KaufpreifeS an in ber Sage fei, bie getaufte 
SBare nutjbringcnb ju nerroenben. 9)tit 9tücf|'id)t hierauf ift 
eS gerechtfertigt erfd)ienen, bie Stufung beS gefdjulbeten 
Kaufpreisbetrages bem Skrfäufer unb nicht — neben ber 
Stufung ber SBare — bem Käufer pfommen p laffen. ®S 
fomrnt alfo barauf an, ob bie S3efl. im Skrpge ber Sin« 
nähme ift. SBenn bieS ber galt ift, fann ber Kl. gemäfi 
§ 322 Slbf. 1 unb 3 in Skrbinbung mit § 274 Slbf. 2 bcS 


Digitized by Google 



156 


(Sntfdjeibungen bea OberlanbeägericfjtS. 


58©©. feinen 2lnfprucf) auf 3kf)lung be§ Äaufpreifei ohne 
©eroirfung bet llebergabe bet 2Bare im ©ege bet 3roang§* 
ootlftrecfung oerfolgen. Ser St. fann gemäjj § 756 bet ®5ßO. 
aud) nod) unmittelbar not Ausführung bet groangSoolb 
ftrecfung bet 93eftn. bie SBare burd) ben ©erid)t3oolljieher 
anbieten taffen, um bie ©efl. in ben ©eräug bet Annahme 
p fetjen, aber folange ein Annahmeoerpg bet ©efln. nicht 
begrünbet ift, lann ber St. feine 3infen bem Kaufpreis 
forbern, ba bie ©efl. oother nicht in ber Sage ift, über bie 
3Bare ju oerfügen unb bat) er berechtigt ift, bie 3of)lung beS 
SaufpreifeS ju oenoeigern. (©§ roirb bann au§gefüf)rt, bafj 
©efl. fid) nid)t in Amtahtneoerjug befinbe.) 

Urt. be§ I. ©S. oom 10. äftai 1907 i. S. Sornblum 
g. Sigle. 


28. 

Pcrpfliditung ?ur llebrrnaljme uan Anteilen einet 
©. nt. b. #. biefet ©cfellftfjafi gegenüber; JFarnt’ 
bebürfttgkeit einer cinfrijlflgtgen ^ereinbnrnttg. 

Sl. mar oon bet „Setecta, ©efellfchaft für 5|3atentoer* 
roaltung nt. b. als „©epräfentant" angefteUt; babei 
mar beftimmt: „fperr S. übernimmt 5 Anteile ä 2Jlf. 1000 
bet Selecta jum 5J3rei§ oon äftf. 5000, zahlbar 9Hf. 2000 
in Afjepten per 30. 3 uni 1905, 9Jlf. 3000 in Afjepten per 
10. Oftobet 1905. Sie auf biefe Anteile fallenben jeroeiligen 
bitanjmäfjigen ©eroinne fallen .jpertn S. ju.“ 

3tüedS ©rfüllung ber ©ertragSbeftimmung über bie (fo= 
fortige) Uebernaf)me non 5 Anteilen gab ber Sir. ber ®e= 
fellfcfjaft nod) am Sage beS ©ertrag§abfd)luffeS 2 2Becf)fet= 
afjepte, eines über 2000 9)if., jatitbar am 30. $uni 1905, 
unb eine§ über 3000 -Ulf., zahlbar am 10. Oftober 1905. 

©rftereS löfte ber St. jur ©erfalljeit ein. ©alb barauf 
löfte fid) baS 31nftellungSoerf) ältniS beS StrS., bie ©efl. 
meigerte fid) aber, bem ©erlangen beS SlrS. entfpred)enb, 
ihm ben bejahten Afjeptbetrag prütfjuerftatten, oerlangte 


Digitized by Google 



A. in Sioilfacfjen. 


157 


oielntefjr ton it)m, er fotle als ©egenleiftung für bie t>on 
ifjm bejahten 2000 SKf., an bem ®efcf)äftSanteil beS ©e= 
fcf)äftSfül)rerS ber „©electa", einen in 2 2lnteilfcf)einen 
jum Nominalbetrag ton je 1000 2JU. oerbrieften Seil über* 
nehmen. Kl. melbete nun in bem injroifdjen auSgebrodjenen 
KonfurS über baS Vermögen ber ©electa feinen Slnfptud) 
auf $urücferftattung ber 2000 9Jtf. an unb erfjob, als feine 
(forberung beftritten mürbe, Klage auf geftfteUung biefer 
Sortierung. ©S mürbe nad) ber Klage erfannt. 

2luS ben 

© r ü n b e n : 

©in obligatorifd) oerbinblidjer Vertrag, ber ben Kl. ter= 
pflichtet tjätte, bie if)m tont @efd)äft§füf)rer $. als ©rfüllung 
angebotenen Srennftüde feines ©cfdjäftSanteils als ©rfüllung 
anjunefymen, ift roegen Nicf)tbeobad)tung ber gefehlten tor= 
getriebenen gorrn überhaupt nid)t juftanbe gefommen. 

®afj bie Slbrebe megen Ueberna^me ton 5 ©efd)äftS= 
anteiten fid) auf „fabulierte" ober „abanbonnierte" ©efdjäfts* 
anteile bezogen bjabe, b. I). auf @efd)äftSanteile, meld)e auf 
bem in ben §§ 21 , 23 , 27 , 28 be§ ©ef. betr. bie ©mb<£>. 
bejeidjneten Söege ber SßerfügungSgeroalt ber ©efeüfdjaft 
anfyeimgefallen rcaren, behauptet feine ber Parteien; eS 
braudjt babjer nicfjt meiter unterfucfjt ju roerben, ob ber — 
nur unter ber befonberen 33orau§fet}ung beS § 23 , 2lbf. 1, 
©atj 2 bejro. beS § 27 , 2lbf. 2 , ©atj 2 beS ©ef. jugelaffene 
— freiljänbige SCerfauf folcfjer Anteile an bie in § 15 beS 
©ef. torgefd)riebene Sotm gebunben geroefen märe ‘j. 

3Son biefem Sali eines unter bie §§ 23 , 27 beS ©efetjeS 
fallenben 93erfaufS abgefefjen, Ijätte nad) ber ton ©taub 1 ) 
(in § 15 2lnm. 15 feines Kommentars) tertretenen, tom 
9feid)Sgericf)t aber 2 ) surücfgemiefenen 2lnfid)t bie .ßuläffigfeit 


*) 2ßaö ton ©taub in feinem Kommentar ju bem@ef. § 15 2lnm.42 
o e r n e i n t , tom 9tei<f)8gerid)t aber in (Sntfcf). löb. 50 ©. 49 unten unb 
32B. 1907 @. 371 nr. 21 b a f) i n g e ft e 1 1 1 gelaffen wirb. 

*) 3n ben bei ©taub eingefiifjrtcit Srfeuntniffen, aufjerbent aber 
in 5K®. 57 ©. 10 f. unb in 32B. t. 1905 ©. 92 nr. 43. 


Digitized by Google 



158 


Gntfcfjetbimgcn bc2 ObcrlanbeSgeridjtS. 


eüte§ formfreiett binbenben Vertrags über bie Slbnahme ber 
Anteile nocf) in Jrage tommen fönnen, roenn burd) ben 33er' 
trag nur eine Pflicht beS einen SeilS jur 2lbn ahnte, 
nid)t aud) ein biefer Pflicht entfpred)enbeS 9t e cf) t beSfelben 
auf Abtretung ber @efd)äftSanteile hätte begrünbet roet= 
ben follen. 'Stafj aber aud) biefer (oom Vefl. felbft überbies 
nid)t behauptete) StaU oorliegenb nicht jutrifft, ergibt fid) — 
ganj abgefetjen bauen, bajj ein .ftauf non @efcf)äft§anteilen, 
bei welchem nur ein 9ied)t be§ VerfäuferS auf 2lbnal)me, 
nidjt jugleid) ein 9ied)t be§ Käufers auf Verfdjaffung ber 
Slnteile begrünbet mürbe, fcfjon red)tSbegrifflid) unbenfbav 
ift (ogl. § 438 V©V.) — auS bem Sd)lufjfatj ber Vertrags» 
urfunbe, mo bem $1. auSbrücflid) baS 5Herf>t eingeräumt ift, 
innerhalb $ahre§frift bie Abtretung nodh meiterer Slnteite ju 
oerlangen. @3 braucht baljer ju ber oorhin ermähnten 2ln= 
ficht Staubs hier feine Stellung genommen ju roerben. 

Ebenfo fann bahin geftellt bleiben, ob eine unb roetdje 
obligatorifd)e Verbinblid)feit erjeugt morbeti märe burd) eine 
Vereinbarung, in welcher bie ©efellfd)aft Setecta bie 33er» 
pflidjtung, bem SUr. 5 EefdjäftSanteile ju oerfchaffen, nur 
in bem Sinn übernommen hätte, bajj fte ihm — ohne 
b a fj iofort eineobligatorifd)eVerpflid)tung 
jur Slbnahme unb Abtretung ber 2lnteile 
hätte begrünbet roerben follen — nad) Umfrage 
im ÄreiS ihrer ©efedfefjafter burch Vejeid)nung ber jur 2lb- 
tretung oon Anteilen bereiten ißerfonen nur ©elegenbeit 
hätte bieten follen, fich mit biefen erft über bie Slbtretung 
bet Slnteile ju einigen. 2lud) biefer Statt lag nad) Qn= 
halt ber VertragSurfunbe unb nad) bem Vorbringen ber 
Parteien nicht oor : barnad) füllte oielmehr bie Verpflichtung 
jur Abtretung beji». jur 2lbnahme ber @efd)äftSanteile, roie 
aud) bie Verpflid)tung beS StlS. jur Entrichtung be§ Ent» 
geltS für bie Slnteile unmittelbar burd) ben ®er = 
tragSabfdjlufj oom 7. Quni 1905 begrünbet roerben 
— nad) ber Behauptung beS Befln. allerbingS mit ber Vlafi» 
gabe, bafj es t)infirf)tlid) ber Erfüllung be§ (angeblich) 


Digitized by Google 



A. iit ßi»ilfacf)en. 


159 


fofort entftanbenen obtigatorifd)en 2lnfprud)i, alfo fjinfirfjtlid) 
be§ Volljugi bcr bingttcfjen Abtretung, in bie SB a f) l ber 
©efellfchaft ©electa hätte gefteüt fein follen, ob fie bie 2ln= 
teile felbft erft oon einem ober mehreren ©efeUfctjaftern er* 
roorben unb fie bann bem $?lr. abtreten ober ob fie bie 3ln= 
teile oon einem ihrer ©efetlfchafter (nach ©inholung feine! 
©inoerftänbniffei) b i r e f 1 an ben tlr. abtreten taffen roollte. 

mag sroeifethaft fein, ob ficf) ber Ätr. mit biefer ju» 
(etjt ermähnten 2tuilegung bei Vertrag! hätte jufrieben geben 
muffen, ob er nicht oielmehr (ba Anteile einer ®. m. b. £. 
feine marftgängigen unb furifätjigen SBertiobjefte finb, bei 
benen bie Verfon bei f eiterigen 2lnteitiinhaberi unb beffen 
nähere 9fe^tibejief)ungen jur ©efellfchaft oöllig gleichgültig 
mären) im 3roeifel hätte erroarten fönnen, bafj bie ©efetl* 
fchaft ©electa ihm 'Anteile abtrete, roelche fie unter ben — 
eine geroiffe ©arantie für ben innem SBert ber Slnteite bieten* 
ben — Vorauifehungen bei § 33 bei ®ef. betr. bie ©. m. b.$. 
f e 1 b ft erroorben habe ober noch erroerben merbe. 

Mein auch menn man in biefem ißunft ber 2lnfid)t bei 
Vefl. beitreten rootlte, märe gteichmoht bie ©ntftetjung einer 
obligatorifchen Verpflichtung bei ftlri. jur Slbnahme ber 
5 Anteile ju oerneinen. 

®iei ift junächft oollftänbig jroeifelloi, menn man bie 
eine ber beiben — nach 2lnficf)t bei Vefln. in bie SBahl bcr 
©efellfchaft ©electa geftetlten — Stlternatioen ini Sluge fafjt, 
nämlich bie, baff bie ©efellfchaft oon irgenb einem ihrer 
©efellfchafter 5 Slnteile habe ertoerben unb biefe bann auf 
ben Äl. habe übertragen foltert. ®enn hier hätte ei ftd) 
barum gehanbelt, baff bie ©efellfchaft fid) in bem Vertrag 
uerpflichtet hätte, bie ©efellfdjafterrechte, roelche fie felbft burd) 
ben ©rroerb ber Slnteite ihrer ©efellfdjafter erroerben roürbe, 
auf ben Älr. ju übertragen 1 ). 35af} bie ©ittgehung biefer 
Verpflichtung redjtigültig nur unter ^Beobachtung ber in § 15 
bei @ef. betr. bie ©. m. b. .£>. oorgefdjriebenen fyarm erfot* 


’) 33gl. Staub § 38 Statu. 14 ff. 


Digitized by Google 



160 


(Sntfdjeibimgen b e8 iD&erlanbeSgeridjtS. 


gen tonnte, ift in bet oom befl. JtonfurSoerroalter felbft an» 
geführten (Sntfcf). be§ 91®. ausbrüdlid) ausgefprodjen 1 ). 
S3gt. aufferbem Staub § 15 Sinnt. 42. 

Slberaud) wenn man baS Schwergewicht auf bic jweite 
nach SluSfübrung beS SSefln. in bie 9öat)t ber ©efeEfdjaft 
geftetlte SlUernatioe legt, fann man ju einem anbem @rgeb= 
niS nidjt gelangen. Sann banbeite eS fid) barum, bafj bie 
®efellfd)aft Selecta entmeber mit © r m ä d) t i g u n g eines 
ihrer ©efeflfdbafter (beS ©efcbäftSfübrerS) — aber nid)t in 
beffen 9t am en — bie formell burd) biefen ihren (beim 93er= 
tragSabfdjlufj nod) nicht genannten) ©efeEfcbafter ju beroir» 
fenbe Abtretung eines ©efdjäftSanteilS bejw. — was bin» 
fid)tlid) ber gormbebürftigfeit gleid)bebeutenb ift 2 ) — bes 
Seils eines ©efdjäftSanteilS jufagte, ober baff fte biefe 
Abtretung in ©rroartung ber nachträglichen @ e n e b m i= 
g u n g jenes ©efeEfdjafterS nerfprad) (§ 185 S3©S3). Sas 
ift nun aber gerabe ber in ber ©ntfd). beS 9t®. »om 10. Qa» 
nuar 1906 3 ) bebanbelte §aE. Ser ertennenbe Senat bat unter 
Billigung ber in biefer reid)Sgerid)ttid)en ©ntfdjeibung aus» 
gefprod)enett 9ted)tSauffaffung angenommen, bafj in einem 
foldjen 5aE, ba nach § 182 2lbf. 2 beS S3®S3. foroobl bie 
uorberige ©inroiEigung als aud) bie nachträgliche ©ettebmi» 
gung beS eigentlichen SlnteilSinbaberS formlos erfolgen fann, 
als gernäf) § 15 beS ©ef. betr. bie ©. m. b. .£>. f o r m b e» 
b ü r f t i g ber jenige SS ertrag anjufeben fei, in welchem bie 
Abtretung beS (fremben) ©efcbäftSanteilS jugefagt roirb. Ser 
Senat bat hiebei als auSfcblaggebenb ben fcbon in ber reidjs» 
gerichtlichen ©ntfdjeibung b^uorgebobenen ©eftdbtSpunft 
angefebcn, ba| eS unmöglid) im Sinn beS ©efefceS gelegen 
geroefen fein fann, bie SSerciufjerung f r e m b e r ©efcbäfts» 
anteile gegenüber ber 93eräu§erung eigener ©efcbäftSati» 
teile burd) gormfreibeit ju begünftigen. ©ine gegenteilige 
Sluffaffung mürbe ju bem unhaltbaren ©rgebniS führen, bah 

') 32B. ü. 1907 ©. 370 9tr. 21. 

2 ) SSgl- ©taub § 15 Slum. 20 u. 91®. 43 ©. 138. 

3 ) a«itgeteilt im „atedjt" bou 1906 @p. 387 Dir. 1007. 


Digitized by Googl 



A. iit Gibtlfacfjeit. 


161 


ber in ben ®efe4je§motioen au§gefprocf)ene Qroed be§ § 15 
be§ ©efetje§, ben fpelutatioen fpanbet mit ©efdjäft^anteiten 
unb ben 2Bed)fet ber ©efetlfdjafter ju erfdfmeren '), otjne 
weitere^ oereitett nnb bie Qormoorfdjrift bes § 15 ohne 
©cfjroierigfeit umgangen werben fönnte; benn eS märe ja 
bann ben 93egrünbem einer ©. m. b. $. unb überhaupt ben 
Inhabern oon ©efdjäftSanteiten einer foldjen 0efeltfd)aft, 
inSbefonbete aber ben fetbft mit einer größeren ©tammein-- 
lage an ber ©efetlfdfaft beteiligten ®efd)äft§füt)rem jeberjeit 
möglich, it}re ©efdjäftSanteite ober SrennftücEe berfetben burd) 
dritte ober burd) bie ©efeltfcfyaft fetbft bejw. in beren 9ta= 
men jum 93 er tauf auSjubieten ober ausbieten ju taffen unb 
biejenigen, bie fid) ju einem Äauf bereit finben, fd)on burd) 
einen formlofen (oon bem beauftragten dritten ober ber 
©efettfdjaft in eigenem 9tamen, aber für 9ted)nung beS ©e= 
fd)äftsanteilSint)aberS gefd)toffenen) 93ertrag in o b t i g a= 
torifd) binbenber 2Ö e i f e jur 2tbnat)me ju oer= 
pftidjten. 

Urt. be§ III. ©8. oom 25. Quni 1907 i. ©. ©electa 

gegen Snepper. 


29. 

Iterftrijcrung für frentbe itedjnmtg -). 

2)ie 93eft. fjat jebenfallS feit 1889 itjre 9Berfmeifter bei 
ber attgemeinen 93erfid)erung§aftiengefetlfd)aft tßiftoria ju 
Berlin gegen ^Betriebsunfälle oerfid)ert unb f)at bie jät)rtid)e 
Prämie mit 49 2Jt. 60 i)3f. ftetS fetbft bejatjlt. Qm Qafjre 
1901 t)at fie t)infid)ttid) be§ bamatS bei if)t angefteltten 9Berf= 
meifterS 9t. mit ber „93iftoria" einen neuen 93erfid)erungS= 
oertrag abgefd)loffen. Heber benfetben mürbe am 25. 9to= 
oember 1901 bie ^otice 9tr. 198858 auSgeftellt, nad) roet» 
d)er 9t. für ben Qatt beS £obeS mit ber Summe oon 5000 93t., 

*) Sgl. 9t®. S8b. 50 ©. 45; 23b. 57 61, ©taub § 15 9lnm. 6, 

auch bie fdjon nneberfjolt angeführte (Sntfcf). 328. 1907 @. 370. 

*) »gl. 5Sürtt3. 14 ©• 294. 


Digitized by Google 



162 


Gmtfcfjeibuiigeit be« DberlanbeSgeridjtl. 


fär beit gall bet bauernbetx Qnoatibität mit einer aui bet 
Summe non lOOOO DJt. ju beredjnenben Diente unb für ben 
Sali oorübergebenber Arbeitiunfäbigfeit mit ber Summe non 
5 DJt. für ben Sag uerftrfjert mürbe. @i mürbe »ereinbart, 
bafi ei bem gnbaber ber 93efl. im gälte bei Sienftauitritti 
bei Di. freiftetjen folte, bie ©erfid)erung auf ben Sienftnad)» 
fotger bei Di. ju übertragen. ©eint Sienfteintritt bei Äli. 
ift bie ©erficberung auf ihn übertragen rootben. 

Sie Sefl. bat in ber golge roegett einei Unfatti bei 
$Ii. uon ber „©iftoria" 1400 DJl. auibejablt erhalten. DJlit 
ber Ätage tjat ÄI. bieoon einen Seilbetrag uon 900 DJi. ge» 
forbert, ben it)m bai ©erufungigeridjt juerfannt t)nt. 

Aui ben 

© r ü n b e it : 

@i banbeit ftd) im oorüegenben galt in ber £)auptjad)e 
um b i e grage, ob bie ©efl. mit bem oon ibr abgefcbloffenen 
©erfidjerungioertrag — roie fie behauptet — f i d) gegen ben 
Sdjaben oerfidbern mollte, melier ibr f e l b ft aui einem 
Unfall ibrei jeroeiligen DBerfmeifteri etroa entfteben merbe, 
ober ob fie, roie 511. behauptet, eine ©erficberung im gute r= 
effe ibrei jeroeiligen Döerfmeifteri genommen 
bat. Setjterenfalli liegt eine fog. „©erficberung für frembe 
Diedjnung" oor, bie oon bem betr. ©etriebiunternebmer, ob» 
roobl er ein frembei gntereffe oerficbert, in gültiger 
Söeife abgefcbloffen roerben tann 1 ). 

Dlegelmäfjig gebt nun, roenn ein Arbeitgeber feine 
Arbeiter gegen Unfälle oerficbert, bie Abfidjt ber ©eteitigten 
babin, bap bie Seiftung bei ©erfid)ereri bem burcb ben Unfall 
©etroffenen ju ©ute fonttnett folt 2 ). @i ift auch im See» 
r e d) t , bai bie ©erficberung für frembe D?ed)nung gefe^lirf) 
geregelt bat, oergt. .£>©©. §§ 781 — 783, 822, 883, Dt@ef©L 


*) IBgl. ©brcnberg, SJerfufj.iHedjt 18. 1 ®. 189, 2 e tu i S , 2eljr» 
bud) be8 33erficf)ermtg§recf)tS S. 124 ff., § e 1 1 roi g , Verträge auf 2ei» 
ftung an dritte ©. 541 ff., 3 b e r t n g 8 3 a fj r b. S8b. 30 ©. 427 ff. 

2) Sgl. bie 18 e g r ü n b u n g }U ben ©iittoürfen eine? ©efeßeS über 
ben SerficbentttgSDerhag. ©uitentagfcbe Sud)f)anblung 1906 ©. 171. 


Digitized by Google 



A. in Gioilfadjen. 


163 


oon 1897 ©. 404, 430, bei biefer 2lrt bet ©erfidjerung fogar 
ein birefte§9led)t be§ ©erficfjerten gegen ben ©erfidjerer 
feftgefetjt, roie weiter in ben Entwürfen eine§ ©efetjei über 
ben ©erficf)erung§oertrag (ogl. 9tegierung§oorlage 
§§ 74—79, 170, 9ieicf)3tag§uorlage ij§ 74—80, 176) 
©eftimmungen baf)in oorgefeljen finb, bafj bie Sterte au§ 
bein ©erftdjerungSoertrag (unter geroiffeit ©efcfyränfungen) 
bern b e t r. ©erfidjerten juftetjen füllen. 

®anad) ift fd)on an fid) eine geroiffe ©ermutung bafür 
gegeben, bafj aucf) im oorliegenben {fall bie ©erftdjerung 
bem betr. oerftdjerten SEBerfmeifter 511 ©ute fommen füllte, 
unb e§ bebürfte ganj gewichtiger ©rünbe, utn ba§ ©egenteil 
anjuneljmen. ©olcfje liegen aber nidjt oor. 

2 lu§ ben©ertrag§bebingungen fann nicf)t, roie 
ber befl. ©ertreter ausgefüljrt f)at, entnommen roerben, bafj 
ber 2 lnfprud) bem ©etriebSunternefjmer juftefjen füllte. 2 tn 
roen bie 3 a ^ un 3 uon ber ©erfidjerungSgefellfcfyaft geleiftet 
roerben mufj, ift in ben ©erfidjerungibebingungen bireft 
n i d) t gefagt. SBenn e§ aber j. ©. in $iff. 55 f)eifjt, bafj 
bie 3 al)lungen nad) 9Bal)lbe§©erfid)erten bei ber 
.gjauptfaffe in ©erlin ober am ©itje il)re§ ©eneralagenten 
geleiftet roerben, fo fpricf)t bie§ etjer bafür, bafj bie 3 af)(ung 
aud) bem ©erfidjerten jufontmen füllte, llebrigenä roirb, 
roie fid) au§ ben $iff. 7—12 ergibt, in ben ©ebingungen 
nid)t einmal ftreng jroifdjcn bem „©erfidjetten" unb bem 
„©erfid)erung§nef)mer" unterfdjieben, benn in biefen Ziffern 
ift halb ber eine, halb ber anbere 9lu§brucf für b i e f e l b e 
©erfon gebraud)t. 2 lud) au§ bem 2 lu§brucf „ber ül n= 
fprud)erf)ebenbe'' fann nicfyti gefolgert roerben, au§ 
Ziffer 20 c bet ©ebingungen fcf>eint Ijeroorjugeljen, bafj biefer 
ülusbrucf be§ljalb fo allgemein gewählt ift, bamit oon ifim 
aud) bie © r b e n be§ ©erfidjerten umfaßt roerben. 2 lud) bie 
weiteren, uon bem befl. ©ertreter angejogenen ©eftimmungen 
ergeben n i cf) t § bafür, bafj im oorliegenben fyall ber 
Slrbeitgeber berjenige fein füllte, bem bie $af)lungen ber ®e- 

ber SJflrtttmb. JHecfct^pflcje- XX. S. 12 


Digitized by Google 



164 Sntfcfjeibuttfltn be® Oberlattbesgeridjt®. 

feüfrfjaft ju ©ute ju fommen haben. 

dagegen fpridjt bie 2 lrt uttb SBeife, roie bie bet @e= 
feüfcfjaft nach ©intritt einel Unfalll obliegenben Stiftungen 
feftgefet)t finb, auf bal ©ntfcfjicbenfte bafür, baß biefe Sei* 
ftungen einen bem nerfidjertenStnge ft eilten ju= 
fommenben 9lulgleicf) feinet Scf)abenl barftellen follen. S)enn 
biefe Seiftungen entfprecfjen ben formen, roeld)e biefer Sd)a* 
ben im ©inseinen annehmen fann, el foll für ben gall bei 
Job! (alfo bei SBegfaUl ber $lrbeitlfraft j u g l e i d) mit 
bem Seben) eine 5tapitalfumme, für ben galt bei uölligen 
SBegfalll ber 2 lrbeitlfraft ohne gleichseitigen SBegfatl bei 
Sebenl eine lebenllängiidje SRente unb für ben gall 
öorübergetienber 2 Irbeitlunfäl)igfeit eine nad) bem täglichen 
2 lrbeitluerbienft bemeffene t ft g 1 i cf) e ©ntfcf)äbigung gemährt 
roerben. 

^ätte bagegen bie Seit, ifjten (Schaben oerfidjern 
roollen, fo hätte ber Vertrag e n t ro e b e r Seftimmungen für 
ben gall ber |>aftpflid)t ber $ 8 efln. enthalten ober aber 
eine beftimmte Summe f eftfetjen müffen, bil 5 u meid) er 
bie $ 8 efl. gegen ihren Schaben »erfidjert merbe. 2 )enn 
ber Schaben, ber für bie Söeflagte in 33etrad)t fommt, 
beftetjt entroeber baritt, baf) fie auf ©runb ihrer $aft* 
Pflicht ju einer Seiftung he^«ngesogen roirb, ober aber in 
einer beftimmten Summe, um roeldje fie an ihrem SBermögen 
burch ben Unfall gefd)äbigt mirb. 9t ad) ber 2trt aber, roie 
bie Seiftungen ber 33erfid)erunglgefeUfd)aft beftimmt finb, 
mürben fid), menn bie Söefl. für ihren Schaben hätte »er* 
fid)ert roerben roollen, ber Schaben unb bie Seiftungen ber 
©efellfcfjaft feinelroegl aulgleichen unb becfen. Vielmehr 
mürbe häufig unb gerabe in ben fdjroerften gälten, bem gall 
bei Sobel bei 3lngeftellten, für bie Seil, ein © e ro i n n 
heraulfommen, fofern fie let)terenfatll, audh roenn fie für bie 
golgen bei Unfalll nicht aufsufommen hätte, bod) bie Summe 
oon 5000 9Jt. erhalten roiirbe. 3>ielfattl roürbe ber gaU 
einer SSettaffefurans oorliegen, el roäre biel gerabesu eine 
u n f i 1 1 1 i d) e Seftimmung. ©I fann aber roeber bei ber 


Digitized by Google 



A. in ©iöilfadjen. 


165 


©efl., noch bei ber ©erfidjerungSgefellfchaft unterteilt roer= 
ben, bafj fie einen unftttlichen ©ertrag abgefcfjloffen haben. 

demgegenüber fann baS, was gegen obige 2tuffaffung 
auSgeführt worben ift, nicf)t erheblich inS ©ewidjt fallen, 
der $ a u p t e i n u> a tt b ber ©efl., fie habe bem Äl. oom 
©eftehen bes ©erficherungSoertragS feine föenntniS gegeben, 
fällt in fic^ jufammen, ba ber Qeuge S. felbft bezeugt bat, 
ber ÄL b fl be non bem ©erfidjerungSantrag StenntniS erhal* 
ten, er habe benfelben fogar felbft unterzeichnet. s Jlid)t fticb= 
baltig ift fobann bie ©eljauptung, bafj ©efl. ihren Schaben 
habe uerficbern roollen, gebe barauS beraor, bafj f i e jeweils 
bie Prämien bezahlt habe, die Summe oon 49 2Jt. 60 Sßf. 
jährlich, um welche eS ficb hier banbeit, fpielt in einer großen 
gabrif unb zumal bei Slngeftellten, bie eine leitenbe unb be* 
aufficbtigenbe Stellung befleiben, feine 9tolle. Sie fann febr 
wol)l als 9lebenleiftung ber ©efl. neben bem ©ehalt beS 
SBerfmeifterS aufgefafjt werben, ba ©efl. baoon auSgeben 
fonnte, bafj, wenn fie ihrem jeweiligen SBerfmeifter ben s Jle= 
benoorteil einer ©crficberung gewähre, fie um fo leichter eine 
taugliche ijSerfönlidjfeit befommen werbe unb bafj ber ©etr. 
beSbalb um fo länger, auch mit einem niebrigeren ©ebalt, 
bei ihr bleiben werbe. 

die oom Unterrichter angeführte ©ntfcfjeibung bes 9teid)S= 
gericfjtS *) fann hieh^r nicht oerwertet werben. 3« bem bort 
entfd)iebenen gall war im ©ertrag auSbrücflicb oorge= 
fehen, ba§ bie ©erficherungSnehmerin, nicht ber britte 
© e r f i d) e r t e , bejugSbered)tigt fein folle, auch hat in bie= 
fern galt bie ©erficherungSnehmerin ben ©etrag nicht für 
f i d) behalten, fonbern ihn ju ©unften ber St' i n b e r b e S 
© e r f i d) e r t e n oerwenbet. 

Qm übrigen aber haben baS ©eichSgericht unb baS 9teid)= 
oberlanbeSgeridjt in berartigen gälten mehrfach einen 2tn= 
fprud) ber oerficherten Slngeftellten auf bie betr. ©eträge 
anerfannt unb bemfelben jur ©eltung oerholfen 2 ). 

>) 32B. 1905 210 « 

*) »fll. «0$. 23. 162/163 ; 9t@. 9. 314 ff. 12. 317; 19. 81, Dßl. 

12 * 


Digitized by Google 



166 


ffintfd)«ibungen beS DberlanbeSgeridjtS. 


SOBetin fid) cnblirf) ©efl. nod) auf baS 3eugniS beS 
jehigen ©eneralagenten bet Sßiftoria $. bafür beruft, bafj 
nad) bem ©ertragSfchlufj oorangegangenen münblidjen unb 
fdjrifttidjen ©rflärungen bet ©inn bet ©erfid)crung bet uon 
bet ©efl. behauptete fei, fo ift bemgegem'iber barauf 
toetfeu, bafj nicht bie fubjeftioe 2luffaffung beS ©eneralagem 
ten, fonbetn bet auS bem ©ertragSinljalt unb ben llmftän» 
ben fid) ergebenbe ©inn mafjgebenb ift. 

■fpienacf) ift jet)t fcfjon etroiefen, bafj n i d) t bet $all bet 
©erfidjerung eigenen ©cfjabenS, fonbetn betjenige einet eigent-- 
lid)en „©erficherung für ftembe 9ted)nung‘' oorliegt. 2Beld)eS 
9ted)tSoerl)ältniS nun in einem galt bet testeten 2lrt gegeben 
ift, ob e§ fich um einen ©ertrag übet eine S e i ft u n g an 
einen dritten (§§ 328 ff. ©@©.) h ar *belt *), ober ob 2 ) 
ber ©erftcherungSnehmer f ebenfalls hinfül)tlich bet 9t echte 
au§ bem ©ertrag als bi rettet ©telloertreter 
h a n b e 1 1 , unb ob — roaS baS innere ©erf)ättniS jroi= 
fdjen ©erfichetungSnehmet unb ©erfictjertem betrifft — fp er 
bie ©runbfötje ber auftraglofen ©efcfjäftSführung, beS 2luf= 
tragS ober bet ungerechtfertigten ©ereicherung plats greifen, 
best». ob etwa eine ftillfdjroeigenb erfolgte SJtobififation bet 
©eftitnmungen beS ®ienftoertragS oorliegt, braucht hiev nicht 
entfliehen ju roerben. ®enn entroeber liegt baS ©er* 
fpredjen auf Seiftung an einen ©ritten oor, bann hat 5fl. 
baburch, bafj er nach ber SluSjahlung ber ©umme oon 14003)1. 
burd) bie ©erfid)erungSgefellfd)aft unb in StenntniS biefer 
Zahlung feinen Slnfprud) gegenüber ber ©efl. geltenb macht, 
bie StuSjahlung an bie ©efl. genehmigt unb biefe haftet ihm, 
weil fie burch bie Zahlung auf feine Soften ungerechtfertigt 

auch 0. SB e i n r i d) in ber 3«itfct)rift für 5Berfid)erungSn>iffenfchaft 2?. II 
346 ff. unb Sieljbein 23®23. ®b. II @.215. Siehe aud) ©rome, 
Stiftern 83. II 846 Siote 3, mofelbft auSgefüfjrt ift, ber @ruubfa|}, bie 
Sdjabenäoerfidjerutig foüe jit feinem ©eroinu führen, habe ben ©harafter 
einer j ra i n g e it b e n 'Jiedjtiuorfchrift. 

*) 2Bie ä e nt i 8 a. a. 0. S- 129 u. b. SB e i n r i ch a. a. C. ©. 346 
annehmeu. 

2 ) SBie Ghrettberg, SJerfidjerungSrecht @. 191 will. 


Digitized by Google 



A. in ßibilfadjen. 


167 


bereichert ift, ober aber hatte bie 53 e f I. nach Inhalt beS 
BertragS ein Stecht, bie betr. Summe einjujiehen, bann mufi 
bie Befl. als f r a f t 3t u f t r a g S gern. § 667 B©B. jur 
Verausgabe ber Summe oerpflichtet erachtet merben, benn 
bann unterliegt e§ feinem Bebenfen, anjunehmen, bap burch 
Unterzeichnung beS BerftcherungSantragS feitenS beS SflS. unb 
burch Söeitergabe beSfelben burch bie Befl. jroifd)en ben 
Parteien ein SluftragSoerhältniS juftanbe gefönt* 
men ift, fraft beffen bie Befl. jur Verausgabe ber eingejo* 
genen Summe an ben Sfl. oerpflichtet ift. gn beiben gälten 
ift alfo bie Befl. jur Verausgabe be§ ©mpfangenen oer* 
bunben. 

Urt. beS II. ®S. oorn 18. Slpril 1907 i. S. Bracfmann 
g. V° ner - 


30. 

Unter tBElrijrn Poransleinmgeu ift bas Auftreten eines 
ifeiftenbrndjs als ein „Ifetrtebsnnfall“ anjnfeljrn? 

Vorüber fagen bie 

©rünbe 

eines flagabroeifenben Beruf ungSurteilS : 

$afj bet begriff beS Betriebsunfalls im Sinne beS 
Slrt. 1 beS roürtt. ©efetjeS betr. bie Unfatlfürforge für Be* 
amte oorn 23. 3)ejember 1902 (Beg.=Bt. S. 589) fein anberer 
ift als im ©ebiet ber teichSrecf)tlichen UnfatloerftdjerungS* 
gefehgebung, inSbefonbere beS 9t@ef. oom 18. guni 1901 
(9J0BI. S. 211) ergibt fich aus ber ben Stanben oorge* 
legten Begrünbung beS ©ntrourfS beS genannten SanbeS* 
gefetjeS ’)• 

9tad) biefen ©runbfätjen ift im allgemeinen baoon auS* 
jugehen, bajj baS Auftreten eines £eiftenbrud)§, b. h- *>aS 
StuStreten eines JeilS ber ©ingeioeibe burch bie Bruchpforte 
beS SeiftenfanalS, nicht nur gegenüber bem guftanb eines 

') 25erf). b. St. b. 2lbg. 1901/02, 3. S3eit.<8b., Sficit. 142 S. 298. 


Digitized by Google 



168 ©ntfcbeibungen beS OberlcmbeSgericbtS. 

oötlig gefunben, fonbem aud) bentjenigen eine§ bi§ babin 
fdjon mit ©rucbanlage belüfteten SJlenfdjen eine bie @twetb§» 
fäljigteit minbernbe plötzliche ©erfcblimmerung be§ ©efamt» 
befinbenS Ij^oorbringt 1 ). @§ fann f)ienad) feinenfaltS ba§ 
©efte^en bet @ntfd)äbigung§pflid)t mit bem .frinmeiS bar» 
auf nerneint werben, baß Ät. fcßon »or bem @reigni§ 
oom 15. Slpril 1904, bem er bie ©ntfteßung be§ ©rucߧ ju» 
fcßteibt, mit einer ©rud) an läge behaftet gewefen fei. ©ad) 
bem gegenwärtigen ©tanb ber ärztlichen SBiffenfcßaft fdjeint 
im ©egenteil barüber fein ^weifet ju beftefjen, baß ba§ ©or» 
banbenfein einer ©rucbanlage gerabe bie notwenbige Sor» 
auSfeßung eine§ geroaltfam entftanbenen ©rud)§ bilbet 2 ). 
@§ ift bemgemäß in allen fällen, in benen e§ ftcb um einen 
©rud) al§ Unfallsfolge b an ^elt, barnit ju rechnen, baß fcbon 
oor bem erftmaligen 2lu§tritt be§ ©rud)§ eine ©rucbanlage 
al§ mituerurfacbenber Umftanb oorbanben geroefen ift. (2)ie 
2lnfid)t, baß bei ©orbanbenfein oon ©rucbanlage ba§ @r» 
eignis, ba§ jum ©efteben be§ ©rucbs geführt habe, nur bie 
©eranlaffung, nicht bie Urfacße be§ ©rud)3 barftelle, ift fcfjott 
in bem Urteil be§ 9t®. uom 16. ©ooember 1881 3 ) al§ um 
jutreffenb bejeidjnet worben.) 

fragt ftcb aisbann, unter welchen Umftänben ba§ 
©ntfteben eines ©rudjS au§ ber ©rucbanlage als ©etriebS» 
Unfall anjufeben ift. Um bie§ annebmen ju fönnen, muh 
— bem ©egriff be§ „Unfalls" entfprecbenb — juoörberft 
ber Satbeftanb oorliegen, baß ber ©rucbauStritt als ein 
jeitlid) beftimmteS, in plö^licfjer ©ntroicflung ft<b üottjiebenbeS 
(Ereignis erfolgt ift 4 ). ferner fontrnt in ber oorliegeitben 
grage febr wefentlich bie ©rfabrungStatfad)e in ©etrarfjt, baß 
bei oorbanbener ©rucbanlage infolge beS ungünftigen ©in» 
fluffeS regelmäßiger fcbwerer törperlicber Slrbeit bie ©ruh» 

') c&nnbbud) ber llitfattoerfidjenuig, berauSgegeben oon SKitgltebern 
beb iHeiÄboerfidjerimgbomts nad) ben Sitten biefer SBebörbe 2. Slufl. 81. 

*) Sigl- S u r cf b a x b t im SBürtt. äRebiä- ftorrefponbenjblatt 1904. 

8 ) 9t@. 6 ©. 8.* 

4 ) ^aubbiid) a. a. D. 


Digitized by Googl 



A. in Gxoilfacfjen. 


169 


pfortc ftcß alltnäßlicß ju erweitern pflegt, fo baß fcf)tic§lirf) 
oft ein geringer Stnftoß, wie j. 53. Stiefen, .gmften, ^reffen 
beim ©tußlgang genügt, um ben Brucß austreten ju taffen, 
©oroeit atfo bie mit bet regelmäßigen Berufsarbeit unoer» 
meibticß oerfnüpfte förperlidje Stnftrengung jur allmäßligen 
©rweiterung ber Brucßpforte unb fobann — mie eS feßr 
ßäufig oorfommt — fdjtießlicß jum SluStreten be§ BrucßS 
füßrt, ftellt ficß ber entftanbene Brucß bar als eine burcß bie 
regelmäßigen, oorauSfeßbaren ©cßäblüßfeiten beS Betriebs 
entftanbene „gewerbliche ^ranfßeit." Um ben Brucß als 
Betriebsunfall erfcßeinen ju laffen, muß bemgemäß — 
oßne Bütfficßt auf bie 1 ) f^rage, ob bie auS betriebSge» 
mäßen $uftänben unb ^anbluugen ficß ergebenben fcßäb» 
ließen Gcreigniffe grunbfäßließ als Betriebsunfälle auSjufcßeibett 
haben — weiterhin oerlangt werben, baß eine außergewöhn» 
Iid)e, über ben Staßmen ber regelmäßigen Betriebsarbeit 
ßinauSgeßenbe Stnftrengung naeßgewiefen werbe, unb jwar 
muß, ba bie allmäßlige (Sntfteßung beS BrucßS auS ber 
Brucßanlage bie Siegel, bie „gewaltfame" Güntfteßung bie 
weitaus feltene SluSnaßme bitbet, ein möglicßft jwingenber 
BacßroeiS bafür oertangt werben, baß ber BrucßauStritt 
plößließ unb als unmittelbare golge eines nicßt=betriebS» 
übließen (SreigniffeS eingetreten ift 2 ), wobei allerbingS ju be= 
aeßten ift, baß aueß eine an fieß jur gewößnlicßen Betriebs» 
arbeit gehörige Berricßtung infolge befonberS ungünftiger 
Umftänbe beS (SinjetfallS eine übermäßige Stnftrengung unb 
bamit baS ptößließe, gewaltfame .gteroortreten eines BrucßS 
auSjulöfen im ftanbe fein fann 3 ). 

Born ärjtlicßen ©tanbpunlt auS wirb ßiebei noeß be> 


*) 3n SU®. 44 @. 253 ff. erörterte (u. Derneinte). 
s ) Sögt, £anbbud) a. a. D. unb bie bei gudjöberger, ©ntfdjei» 
bungen beS 9t©.8 10. Seit: UnfattDerfidjcrimgSgefe&e, bearbeitet Don 
3- ft e ib e I ©. 41. 42 jufainmengefteHten ©runbfäße beS SteidjSDerfidje» 
rungäamt«. 

3 ) SSgl. baö bei 3 n d) 8 b e r g e r @.42 9ibf.3 unb baö Don ® utd» 
fjarbt @. 19 augefüßrte Söeifpiel. 


Digitized by Google 



170 


(Siitfcfieibungen bei Dberlaubeggencfjtg. 


fonberl barauf Ijingetoiefen, bafj ber Seroeil für bal Sor* 
liegen einel ben Srucfjaultritt jum Unfall ftempelnben (Sr* 
eigniffel nicfjt all geflirrt angenommen roerben fann, wenn 
fiel) nicfjt fofort fjeftige, faum erträgliche Scfjmerjen eingefteUt 
fjaben, rooburefj ber betroffene jur 3lulfetjung ber 3lrbeit 
nnb jur allbalbigen 3lnrufung ärjtlicfjer £>ilfe beftimmt roor* 
ben ift 1 ). 

Urt. bei I. ©©. oom 14. Quni 1907 i. <5. Bieter g. 

$ilful. 


31. 

1. Pie ift ?n »erfahren, wenn ber Itmoalt brs Ringers 
feine penaUmärfjiigung nirijt gemäß § 80 Jtbf. 2 ©p©. 

nariumueifen uerntng? 

2. PJeldjes Pedjtsmitiel ift juläffig gegen ein ben ftn* 
malt einer Partei in bie Mafien nerfäüenbes Urteil? 

(Sine (Sioilfantmer fjatte, roeil bem flifefjen. 3lmoalt 3)r. 
©. eine gericfjtlitfj ober notariell beglaubigte Sollmadjt, beren 
Vorlegung ber ©egner oerlangt fjatte, feljlte, erfannt: „9121. 
$r. ©. roirb oon Serljanblung ber Sacfje als Vertreter bei 
Stlrl. unter SerfäUung in bie Stoffen jurüefgennefen." 9131. 
(Dr. ©. legte gegen biefel Urteil Berufung ein, mit bem 31m 
trag, bie getroffene Stoftenentfcfjeibung abjuänbern ober auf* 
jufjeben, baneben aber auefj fofortige Sefdjroerbe. 

(Dal OS®, fjat erfannt: 

„(Dal Urteil ber ©. St. mirb jum Setreff ber Stoffen* 
entfdjeibung, nämlicfj jum Setreff ber Serfällung bei 9131. 
(Dr. ©. in bie Stoffen, aufgeljoben. (Die Stoffen ber Senifung 
fallen bem Sefln. jur Saft.“ 

© r ü n b e : 

(Dal angefodjtene Urteil erfefjeint roeber materiell noefj 
formell gerechtfertigt. (Der Sertreter bei Sefl. in I. ^nftanj 
fjatte einen 31ntrag auf eine ben 9tedjtlftreit erlebigenbe 6nt* 

*) ^anbbudj S. 31, SBuiffljarbt ®. 24. 26. 


Digitized by Google 



A. in (SioilfadfieH. 


171 


fdjeibung, närnlid) einen Antrag auf 2lbweifung ber Silage 
angebrachter SJtafjen ober non bet Snftanj obet auf Cent» 
binbung bes SBefln. non ber Silage nid)t geftellt, nielmef)r 
nur bie ©inlaffung pr ©aefje nenneigert unb bie Beglaubigung 
ber Bollmadjt beS SH2t. ®r. ®. nerlangt; alfo fonnte eine 
bie ©acfye erlebigenbe ©ntfcfjeibung aud) nid)t erlaffen werben. 
35aS angefod)tene Urteil will aber ben9ted)tSftreitoöllig 
erlebigen unb jwar burd) ben 2luSfprud), bafj 9121. ©. non 
ber Berljanblung ber ©adje als Vertreter beS Stls. prücf* 
gewiefen werbe; biefer 2luSfprucf) foll nad) ben ©rtinben bie 
Bebeutung haben, baf) für ben SU. eine gültige Silage über* 
Ijaupt nidjt erhoben fei, bafj alfo ben SH. ba§ ganje Ber* 
fahren nichts angelje, — woraus folgt, baf) bie bem 9ied)tS* 
anwatt ©. pgefd)iebeneit Sloften bie if)m — bem 9t2I. @. — 
erwacf)fenen unb bie Sloften beS Be Ein. fein füllen. 

$er 2tuSfprucf), bafj 9121. ©. non ber Bertvetung ber 
©adje prüdgewiefen werbe, ift jebocf) feine bie ©adje er* 
lebigenbe ©ntfdjeibung, oielmeljt lebiglid) eine projefileitenbe 
@ntfd)eibung, welche richtiger SBeife burd) Befd)lufj erfolgen 
mufjte *). 

©nblid) fonnte, aud) wenn in Berfolg eines geteilten 
ÜlntragS bie richtige ©ntfdjeibung pr ©ad)e — Sllagab* 
weifung angebrachter SUtafien — erlaffen worben wäre, eine 
Berurteilung beS 9121. ©. in bie Sloften nicht erfolgen, weil 
bet für eine fßartei auftretenbe 9121. nur in ben norliegenb 
nid)t in Stage fte^enben Säßm beS § 89 2lbf. 1 ©at) 3 uub 
beS § 102 ©fß0. in Sloften oerfällt werben fann 2 ), nielmetjr 
wäre ber Äl., welcher an fiel) burd) 9121. @. laut ber, wenn 
aud) nicht richtig beglaubigten, Bollmad)t orbnungSmäjjig 
oertreten war 3 ), in bie Sloften p nerurteilen gemefen. 

*) 25aS 02®. Hamburg bat bte »on i^nx in ber @ntfcf)eibung tiom 
2. 3uli 1900 (®iugban I ®. 449) betätigte unrichtige Sluffaffung felbft 
luieber im Urteil »om 13. 3uni 1904 (DJtugban IX ®. 57) öerlaffen. 

*) Sögt, ftatt alte« weiteren Dt®, in 33B. 1901 S. 834 (IV. Senat 
11. Dtoöember 1901) unb in Dl®. 53 S. 67 (III. Senat 21. Dloöember 
1902). 

8 ) Dl®. S8b. 51 S- 99, 58b. 30 S. 401. 


Digitized by Google 



172 ®ntfdjeibitngen be8 0berIanbeSgerid)t3. 

2luS bem ©argeiegten ergibt fid) bie 2lufbebung bet jefft 
angefodjtenen $oftenentfd)eibung, — wäbrenb auf ben im 
g egenw artigen Verfahren n i cf) t angefochtenen, 
übrigens materiell begrünbeten weiteren Seit beS Urteils 
oom 18. Slooetnbet 1904 — nämlich auf ben 2luSfprud), bafj 
9121. ®. oon ber Verbanblung ber ©ad)e jurüefgewiefen werbe, 
— nid)t weiter einjugeben ift; biefer SluSfprud) bleibt oiel» 
mehr in ber unnötigen, jebod) unfd)äbtid)en ^ornt eines 
redjtSfräftigen Urteils befielen, unb eS ift ba§ Verfahren 
I. Qnftanj entfpredjenb weiterpfütjren. 

Vetreffenb bie grage, weites ber beiben eingelegten 
9ted)tSmittet pläffig ift, ob bie fofortige Vefcbwerbe ober bie 
Berufung, fo fönnen bie (Erwägungen beS Urteils be§ in. 
(£©. beS 91®. oom 21. 9tooember 1902 1 ), welchen ©aupp» 
(Stein 2 ) folgt, wenigftenS für ben oorliegenben galt als über» 
jeugenbe nicht eradjtet werben 3 ), oietmebr mufj oorliegenb 
wenigftenS bie Berufung für baS juläffige 9te<htSmittel 
erachtet werben. 

9Jad) ber 9Sorgef<f)id)te ber Slbfä^e 2 unb 3 beS § 99 
® s f?0. J ) ftef)t 2lbf. 3 mit 9lbf. 1 in untrennbarem 3uf an ' 5 
menbang; beibe ruhen auf berfelben ©runblage, nämlich ber 
VorauSfetpng ber Slnfecfjtbarfeit ber -£>auptentf<beibung, fei 
eS, bafj biefe ergangen ift, fei eS, b a fj f i e ergangen 
fein würbe; 3lbf. 3 fann atfo nicht einfdjlagen, wo 
Ülbf. 1 unanwenbbar ift, alfo nicht, wo ein dritter, 
gegen ben eine ®ntfd)eibung jur fi a u p t f a d)e 
nicht ergeben fann, in bie H'often oerurteilt ift 5 ); 
bie Verurteilung eines ©ritten in bie üoften beruht auf 


») 3t®. 53 S. 68 ff. 

*) 3n ber 6./7. Stuft. I 0. 252. 

3 ) Sie ©iitfdfeibung be8 9t®. in 3®. 1901 0. 834 gibt für bte 
3ulaffung ber 33efd)n>erbe feine ©riinbe an. 

4 ) 23gt. 2Bürtt3. S»b. 16 0.302, 3t®. (2Jereiuigte ©iöilfenate) SSb. 57 
0. 310 ff. unb 93b. 46 6. 349. 

8 )@o®aupp = Stein in ben früheren Auflagen unb für bie 
llnanmcnbbarfeit an® 9Ibf. 3 auf Sritte fogar 9t®. 53 69 felbft. 


Digitized by Google 



A. in Gioilfadjen. 


173 


einer oötlig anberen 93afi§, als bie Verurteilung ber fprojefj* 
partei in bie Soften, nur bie festere ift materiell eine @nt= 
fdjeibung jur $auptfad)e, nur mit ber ©infcfjränfung, bafj 
bie SBirfung ftd) allein auf bie Soften erftreeft 1 ); für ben 
©ritten aber ift bie ibm auferlegte Softenlaft bie einzig 
mögliche |iauptfad)e, — alfo an fidj ebenfomenig einfad) 
ober non untergeorbneter Vebeutung mie jebe anbere belie* 
bige .fpauptfadje 2 ). 

©ie ©efafyr eine§ 2Biberfprud)§ jmifdjen jmeitinftanj* 
lieber ©ntfcfyeibung über biefe Verurteilung einesS ©ritten 
in bie Soften unb erftinftanjlidjer ©ntfdjeibung jur .gjaupt* 
facf)e ift gar nid)t gegeben; bem ©ritten gegenüber fann 
uon einer burd) 2lbf. 3 auSpfüllenben Süde — U e b r i g* 
bleiben einer Softenentfdjeibung infolge anbei- weit U 
ger ©rlebigung ber -£>auptfad)e — nicfjt ge* 
fprocfyen werben; ebenfomenig fann »orliegenb baoon bie 
Siebe fein, baff materieller ©egner be§ 9ÜU. ©. ber Släger 
fei 3 ): $R2t. ©. mad)t nidjt entfernt geltenb, baff nid)t i^m fon* 
bern bem Släger bie Soften aufjuerlegen feien, fonbern er 
mad)t geltenb, bajj eine Sofienentfcfjeibung überhaupt 
n t cf) t fjabe ergeben bitrfen, unb er ift aud) burd) bie an* 
gefod)tene Sofienentfcfjeibung nid)t bem Stäger, fonbern lebig* 
lief) bem Veflagten gegenüber für foftenpflidjtig erflärt wor* 
ben: ©egner be§ 9i2l. @. im gegenwärtigen Verfahren ift alfo 
nur ber Veflagte, nid)t ber mit Siedjt gar nidjt getabene 
Släger, unb wa§ biefe§ <Streitoerl)äItni§ jwifdjen bem 9121. ©. 
unb bem Vefl. anlangt, fo f)at biefeS nicf)t erft jefct burd) 
bie Berufung begonnen 4 ), fonbern eben burd) ba§ nacf) fon* 
trabiftorifefjer Vertjanblung ergangene fontrabiftorifdje Urteil 

>) So 'S®. 57 ©. 814. 

*) S5a3 91®. 3)b. 46 ©. 318 erblicft mit 9ied)t fogar in bem 2lu8= 
fprud), baf? bie $?auptfacfje erlebigt fei, eine G n t f d) e i b u n g jur 
£auptfad)e, außer wenn b e i b e £eile erttären, bie £auptfadje 
fei erlebigt. 

*) S@. 53 ©. 68. 

*) 9t@. 53 @. 68. 


Digitized by Google 



174 


©utfcfieibungen be? ObcrlaubeSgeridjts. 


uom 18. SIoDember 1904, um beffen 23efeitigung e§ fid) ge* 
rabe ßanbelt; für bie 2t rt biefer 33efeitigung tann bie 2lna* 
logie ber §§ 380, 390, 102 (EißD. 1 ) nicßt in 23etrad)t tom* 
men, benn b o r t ßanbett e§ fid) um Äoftenentfdjeibungen in 
33 e f cf) I u | form, beren 2lnfecßtung alfo n a t ü r l i cf) nur 
burcf) SBefdßroerbe, nicfjt burd) 93erufung mögticf) ift; fßer 
aber f)anbett eä fid) um ein fontrabiftorifdje§ Urteil, roelcßcS 
regelmäßig burcf) Berufung angefodjten roerben fann unb 
muß 2 ): ßier bie 33erufung ju oerfagen unb ben ©ritten 
auf ein 9ted)t§mittel, beffen Gcrlebigung oßne münbücße 
ißerßanblung möglid) ift, ju »erroeifen, fann burd) 2lna= 
logie au§ §§ 380, 390, 102 (EißO. unb burcf) Soäreißung 
be§ 2lbf. 3 be3 § 99 (EißO. au§ feinem natürlichen unb au§= 
brüdlid) geroollten 3ufammenf)ange nicßt genügenb gerecßt* 
fertigt roerben. 

■Jtacf) bem 2lu§gefüßrten roar in bem anberroeiten, ge* 
trennten Verfaßten bie 23efd)roerbe mit Äoftenfolge al§ un* 
juläffig ju uerroerfen, ßier bagegen ber Berufung al§ einer 
jutäffigen unb begrünbeten ftattjugeben. ©er Söeflagte roar 
in bie Soften ber Berufung $u oerfällen, ba er ber einzige 
unb unterliegenbe ©egner be§ 9t2I. ©. ift. 

Urt. be§ II. (E<5. oom 23. äftärj 1905 in <5. ®etß g. 

SBürtßle. 

*) SH®. 53 ©. 70. 

2 ) 9t®. in SeuPJ. 33b. 47 @. 106/107. 


Digitized by Google 



175 


B. in ©traffacßen. 

4. 

Perauftaliuitej «an &£titnlosi$efeüftticifUn. 

91id)t feiten ift berjeit bie Berurteilung non au§roärtigen 
SoSßänbtera unb Sotterieuntemeßmern, reelle fieß mit ber 
©rünbung oon fog. ©erienlo§gefellfd)aften, auef) fog. Staats* 
anleßenSloSoeteinigungen fotoie mit ber 2lnmerbung »on B?it* 
gliebern ju folcßen befaffen unb ßiebei als Setter ber 33er* 
einigung regelmäßig ©ruppen non 100 Steitneßmern für bie 
Beteiligung an 12 auf ben ^nßaber lautenben, ftaatlicß ga= 
rantierten ©cßutboerfcßreibungen au§ B*ämienanleißen bejro. 
an 12 im Sauf eines ©pieljaßreS ftattfinbenben SoSjießungen 
folcßer Obligationen unter luSgabe fog. BtitgliebSauSroeife 
bilben unb ben Slnlauf ber betreffenben 2tnleßenSlofe für bie 
Bereinigung oolljießen. ®ie Berurteilung erfolgt geroößnlicß 
in ©emäßßeit beS 2lrt. 7 3iff. 3 a 2lbf. 1 unb 3 beS Bol- 
©t®. auf ©runb ber ^eftftellung, baß ber Seiter ber Ber* 
einigung bie 2lnleßenSlofe in eigenem tarnen unb junäcßft 
für fid), nießt im Barnen ber SoSgefetlfcßaft ober für biefe 
ertoorben, unb baß er ßernaeß in eigennüßiger SBeife bureß 
^erftüdfefung beS 2lnfcßaffungSroerte§ unb ©rßößung beS 
Teilbetrags aliquote Anteile an biefen papieren pm fäuf* 
ließen miteigenfümlicßen ©rroerb brüten Berfonen angeboten, 
babureß ein feßr einträgliches Untemeßmergefcßäft mit ben 
oon ißnt altein erworbenen 2lnleßen3lofen getrieben ßabe. 
Gben biefe tfeftftellung erfdßeint aber juroeilen etroaS getün* 
fielt, unb bietet bann öem 9ieoifion§cmgriff einen breiten 


Digitized by Google 



176 


(Sntfcfjetbungen btS Dberlanbe«geri<f)t8. 


fRaum mit ber Behauptung, e§ Ijanblc ftcf) um im beutfdjen 
9Jeirf) jugelaffene £ofe, bie ©djlufjnoten übet bereu Stnfauf 
feien oon ben BanfierS auf bie Bereinigung aulgeftetlt, bie 
£ofe aber für leitete erroorben unb bie SRitglieber hätten 
an benfelben (Sigentum jur gefamten .fjanb erlangt, ber Sin» 
gef tagte f)abe fomit feine „Sinterte" angeboten. 

$n folgen fällen läge für ben $nftanjrichter bie Sin» 
roenbung ber ©trafoorfdjrift bes Slbf. 2 bes jitierten Slrt. 7 
$iff. 3 a häufig nätjer unb fie mürbe für bie eine Berurtei» 
lung tragenbe geftftetlung fielet roeniger ©d)roierigfeiten 
bieten. Slad) berfelben trifft bie gleiche ©träfe benjenigen, 
melier a(§ SRittelSperfon geroerbSmäfjig ben Slnfauf unb 
Berfauf oon foldjen Sinterten, Slbfcf)nitten sc. (b. h- anberen 
al§ ben non ber juftänbigen roürttembergifdjen Bewürbe ge» 
neljmigten Sinterten ober Slbfdjnitten non Sofen ju öffentlichen 
£otterien bejro. Sin teilen oon ^nlfaberpapieren mit Prämien 
im ©inn be§ iR©ef. oom 8. Quni 1879 ober ißromeffen ju 
foldjen) beförbert. 

$er ©traffenat t»at fürjlid) in einem bie iReoifion gegen 
eine berartige Berurteilung au§ Slrt. 7 $. 3 a 2lbf. 1, 3 
jurüdroeifenben Urteil ausgeführt : Berfet)It ift bie Beljaup» 
tung ber fReoifton, bie fraglichen £ofe feien im beutfdjen 
IReid) nicht oerboten unb eine gegenteilige ffeftftellung »om 
Borrichter nidht getroffen, benn ba§ angefodjtene Urteil geht 
auSbrücflid) baoon au3, baff bie einzelnen oom Singeft. für 
bie Bereinigung angefdjafften £ofe gernäf) bent 9?©ef. oom 
8. Quni 1871 betr. bie ^tthaberpapiere mit Prämien jum 
börfenmäfjigen fpanbel im beutfehen 9ieicf) mohl jugetaffen 
fein fönnen, aber nicht biefe ganjen ungeteilten £ofe, fonbem 
nur 5t n t e i l e oon ilpten habe ber Slngefl. angeboten unb 
bap biefe in SBürttemberg nicht jugelaffen finb, ift feftge» 
fteüt. 9Rit ber sur Slnroenbung gebradjten ©trafbeftimmung 
be§ Slrt. 7 3- 3a fßol.©t@. follte unb roollte ber Unfug mit 
bem in SBürttemberg eingebrungetten Raubet mit Slnteil» 
fdjeinen an Sotterielofen, fpejietl mit ber SluSgabe oon Sin» 
teilen foldjer Slnlehenstofe ober Qnhaberpapiere mit Prämien, 


Digitized by Google 



B. in ©traffadjeu. 


177 


wie fie oorliegenb in Q3ctrad)t fomnten, getroffen werben unb 
biefe ©trafbeftimmung ftefjt aud) feinelroegl in SBiberfprud) 
mit berjettigen in § 6 bei 5R©ef. oom 8. Quni 1871, fofern 
bal 9ieid)lgefet) bie 2lulgabe unb ben ßanbel mit Qnfjaber» 
papieren mit Prämien, roeldie innerhalb bei 9teicf)l nicf)t 
jugelaffen finb, jurn ©egenftanb fjat unb unter ©träfe ftellt, 
roätjrenb ber Stbf. 3 bei 21rt. 7 3. 3 a ben fpanbel mit 
Anteilen oon im 9teid) jugelaffenen Qnfjaberpapieren mit 
Prämien »erbietet, alfo eine gaitj anbere SJtaterie regelt. 

®er ©inwanb bei Stngeft., er habe bie Sofe nidjt für 
ftd) fonbem für bie SSereinigung erworben, fct>eiterte an ber 
gegenteiligen, oom S3orricf)ter aul betn ganzen ©efdjäftlbe» 
trieb unb bem tatfädjlicfyen Sßerlauf bei angeblichen Äom» 
pagniefpietl entnommenen unb ot)ne erfidjtlidjen 9ied)tlirrtum 
getroffenen fjeftftetlung. 9tad) biefer f>at ber Stngefl. in 
SBirtlidjfeit nidfjt ein juläffigel fog. ft'ompagniefpiel geleitet, 
fonbern einen für it)n fetjr einträglichen .^anbet mit Anteilen 
oon Qnljaberpapieren mit ißrämien betrieben, bie er all ganje 
für ftd) erworben, bann in Ülbfdjnitte ^erlegt unb biefe bem 
ißublifum jum $?auf angeboten t)at, bie oon ifjm gefüffent* 
lid) geltenb gemachte ©igenfchaft bei fog. $ompagniefpiell 
foUte nur bie Umgebung ber erwähnten ©trafoorfdjrift be= 
wirfen. 

©benfowenig oermag ber Sftangel einel ©onbergefe^el 
in SBürttemberg, wie ein foldjel in SBraunfdjweig unb Sübed 
gegenüber berartigen Soloereinigungen erlaffen worben ift, 
ben Stngeflagten oor ©träfe ju fcfyütjen, ba nad) ben tat» 
fäd)lid)en unb red)t(id) bebenfenfreien Bestellungen bei 33 e= 
rufunglgerid)tl bie 33oraulfe^ungen jur 2lnwenbung ber 
©trafoorfdjrift bei 2lrt. 7 3iff- 3 a 2tbf. 1, 3 tßol.St.©. 
all gegeben ju erad)ten finb. ^iebei mag inbefj nod) barauf 
t)ingewiefen werben, bafj nad) 2lbf. 2 biefer ©trafoorfdjrift 
aud) bie gewerblmäfjige Organifation oon 
fog. Äompagniefpielen unter biefelbe fällt. ®al 
Äompagniefpiel felbft, wobei eine iOiebrljeit oon ißerfonen 
jum gemeinfamen ©piel einer 2lnjal)l oon ihnen $u 9)tit= 


Digitized by Google 



178 


©ntfdjeibimgen be3 D6erIanbeSgericf)t8. 


eigentum erworbener Sofe jufammentritt, ift alterbingS nicf)t 
oerboten, bagegen fotten bie Beauftragten fotcfjer ©efettfdjaf* 
ten, wenn fie bie gewerbsmäßigen 93 e r a n ft a 1 1 e r 
beS Spiels finb, nad) ber übereinftimmenb unb auSbrücftid) 
ertlärten Stbftdjt beS ©efetjgeberS nad) 2tbf. 2 nunmehr jur 
Beftrafung gebracht werben, weiter fie oor ©rtaß beS 2trt. 7 
Qiff. 3 a in ber 9tooette oom 4. Quti 1898 entgangen finb, 
ogt. SRotioe ju biefem Strafgefeß, Bert). 9lbg. $. 1896/7 Beil. 
131 S. 294, Hommber. ber II. u. I. 5?. t)ieju, baf. Beit. 
224 S. 477, I. Ä.Beil. XIX S. 3. 

Urt. beS StraffenatS oont 25. 9too. 1907 in ber Straf» 
fad)e gegen @. in wegen unerlaubten SoSoertriebS. 

5. 

3$as ijl unter grltantmt im *?intte ber It©ew©. tut 
llnterfdjieb uon einer Wärterin ?n »erfteljen? 

9tuS ben ©rüttben : 

Sie Stngeflagte ift geprüfte ^ebamme unb tjat fid) a(S 
fotdje jur 2tuSübung biefeS Berufes im Qabre 1876 in D. 
niebergetaffen. Qm $erft 1904 würbe fie oom Sd)wurgerid)t 
§. wegen eines BergefjenS ber Beihilfe jur oerfudjten 2lb* 
treibung redjtSfräftig ju Strafe oerurteitt. Surd) ©ntfcßei» 
bung ber juftättbigen ÄreiSregierung würbe if)r bie Befugnis 
Sum Betriebe beS ^ebammengewerbeS entjogen unb jugteid) 
baS ibr im Qafjre 1876 auSgeftettte QeugniS über bie an 
ber SanbeSfjebammenfdjute erftanbene Prüfung für ungüttig 
erflärt. Sie oon ber Stngettagten biegegen eingereidjte s J{ed)tS» 
befcbwerbe würbe oon bem BerwattungSgericbtSbof ats un» 
begrünbet jurücfgewiefen. 

Sie 3lngeflagte ift nun in ber nacßgefotgten Qeit oon 
21prit 1906 bis 2luguft 1906 bei neun ©ntbinbungen auf 
9Ö3unfd) unb Beftettung ber 9Böcbnerinnen tätig gewefen unb 
bat bei biefen Grntbinbungen Unterfudjungen swecfS Qeftftet» 
tung ber Sage beS ftinbeS ober beS Qortfd)ritte§ beS ©eburtS» 
atteS, bas Stützen beS SammeS wäßrenb ber ©eburt, baS 


Digitized by Google 



B. in ©traffadieii. 


179 


Unterbinben ber 9kbelfct)nur unb baS 3)urd)fd)neiben ber= 
felbett oorgenonunen, aucf) behufs (Entfernung bet Nachgeburt 
^pilfe geleiftet. Sie ift in biefet SBBeife tätig gewefen, um 
burcf) Verwertung itjver Arbeitskraft pm Unterbatt ißrer 
gamilie beijutragen, unb fie bat in ben einjetnen Ratten für 
ihre Jätigfeit eine (Entlohnung erhalten, bie fid) im Nahmen 
ber ©ebüßrenorbnung für bie gebammen (Neg.Bt. non 1899 
S. 274 ff.) beroegt. 2)ie Angeflagte bat in fämtticben fällen 
mit ben beteiligten perfonen oerabrebet, baff ju ben ©ebur» 
ten außer ihr felbft ein beftimmter Slrjt beigejogen werben 
falle, ber bie eigentlichen ^ebammenbienfte ju leiften hätte; 
fie bat aber uoit uornberein nicht nur bamit redfnen müffen, 
bah biefet* im SlugenblidE ber ©eburt nicht immer jur Stelle 
fein unb auch nid)t bie 3«it haben werbe, nad) ber ©eburt 
noch länger bei ber (Entbunbenen ju Derweilen, fonbern fte 
ift überhaupt beftrebt gewefen, mit Umgehung beS ©efeßeS 
trab ber (Entstehung beS prüfungSjeugniffeS baS fpebammew 
gewerbe auSjuüben, unb fie hat lebiglid) in biefer 2lbfid)t 
bie Bejeidjnung als SBärterin angenommen unb bie 3^= 
jiehung eines SlrjteS oeranlaßt. Stuf ©runb biefer JeftfteHung 
ift fie wegen Vergehens gegen § 147 3- 1 9t@ew£). ju 
Strafe oerurteilt worben. ‘Jiie hingegen eingelegte Sieoifion 
rügt unrichtige Slnwenbung beS materiellen Strafrechts auf 
biefeS SacfjDcrhältniS, nämlich unrichtige Auslegung beS Be- 
griffs „gewerbsmäßige Ausübung beS fpebammenbienfteS" 
unb macht beS näheren geltenb: $ie Straffammer h®f>« 
außer acht getaffen, baß bie Stngeflagte fich ftets bewußt 
gewefen fei, baß bie Vergütung beS jugleid) mit ihr bei ben 
(Entbinbungen tätig gewefenen 2lrjteS an bem ihr jugebacf)= 
ten Sohne abgehe; auS ber oon ihr ihren Pflegebefohlenen 
gegenüber getanen Sleußerung, fie bürfe alles tun, nur nicht 
abnabeln, gehe heroor, baß fie fid) in einem tatfäcf)lid)en 
3rrtum über bie ©renje p>ifd)en gebammen» unb SBärteriw 
nenbienfte befitnben habe; wenn fie biefe nach 'h rer Slnfidjt 
allein entfcßeibenbe Jätigteit auSbrüdlid) ableßne, fo oer= 
weife fie ihre Klientel gerabe barauf, baß fie p ben eigent= 

3alj£btt<$er btt BflrUeml). SHc4>t*jjfIege. XX. 2. 13 


Digitized by Google 



180 


(Siitfctjeibungen beS DberlanbeSgeridjt«. 


liehen $ebebienften eine anbere Äraft fjolen fotte, unb bah 
il)r ber eigentliche .fjebebienft als fold)er nicht entlohnt ioer= 
ben bürfe; e§ fei nicht feftgefteüt, baff fie bamit gerechnet 
habe, eS iterbe ber Slrjt nicht fommen unb fie baher felbft 
ben eigentlichen f)ebebienft teiften ntüffen, unb eS fei nicht 
feftgefteüt, bah f' c bie Slbftcht ober auch uur ^ en eventuellen 
©orfah gehabt habe, üiefür eine entfprechenbe Belohnung ju 
befotnmen; enblich fpreche auch ^er Umftanb, bah h e ju ben 
©eburten feine ©erätfehaften mitgebracht habe, für baS 5ef) s 
len biefer 21bfid)t. 

®er Segriff „Hebamme" ift roeber in ber 9feich§gemerbe= 
orbnung nod) fonft einem ©efetje ausbrücflid) beftimmt. Unter 
einer Hebamme ift eine grauenSperfon ju oerftehen, bie oer* 
möge einer burch befonbere 21uSbilbung ermorbenen ©ach- 
funbe berufSmäfjig ©ebährenben bei ber ©ntbinbung .jpilfe 
leiftet, roährenb als Äinbbettnmrterinnen ^rauensperfonen 
erfdfeinen, bie oermöge ihre§ ©erufeS a n l ä h l i d) einer 
©ntbinbung jugejogen werben, um ber ©d)toangeren ober 
©ntbunbenen fpilfe ju leiften, inSbefonbere um bie ©ntburn 
bene unb baS oon ihr geborene Äinb ju oerpflegen. 3Jtit 
bem 2lfte ber ©ntbinbung hat bie Särterin an fich nichts 
ju tun, ebenfomenig toie bie Hebamme mit bet ©ehanblung 
ber ©ntbunbenen, nachbem ber ©eburtSaft oorüber unb eine 
bie befonbere ©adjfunbe ber Hebamme oerlangenbe ©ef)anb= 
lung ber ©ntbunbenen nicht mehr erforberlich ift. 2Ius biefer 
©egriffSbeftimmung läht fich tnbeffen eine fd)arfe Slbgrenjung 
ber Sätigfeit einer Hebamme unb ber Jätigfeit einer SBär- 
terin nicht entnehmen unb im praftifchen Seben gehen bie 
Jätigfeiten beiber ©erufSarten häufig in einanber über, ©ine 
©ärterin, bie in ©rmanglung einer Hebamme einer oon ber 
©eburt Ueberrafhten fpilfe leiftet, roirb baburd) nod) nicht 
ju einer Hebamme. Unb eine Hebamme, bie eine ©ntbun* 
bene behanbelt, auch «>enn eine befonbere ©ehanblung ber= 
felben nicht mehr erforberlich ift, hanbelt jtoeifelloS innerhalb 
ihres ©erufeS als fpebamme; letjtereS ift anetlannt in ber 
©ebiihrenorbnung für gebammen, in ber (ogl. 9teg©l. oon 


Digitized by Google 



B. in ©traffadjeii. 


181 


1899 ©. 306) „für bie 23eforgung ber ÜÖtutter unb be3 Äin= 
be3 oon ber jweiten SBodje an wo ei »erlangt wirb" (nicht : 
„wo ei erforberlid) ift") eine ©ebübr angefe^t ift. 2Jta§= 
gebenb ift bie ted^nifd)e 2lu§bilbung ber Hebamme, foroie bafj 
gerabe mit SRücfficht auf biefe ted)nifd)e 2lu§bitbung bie 
Sienfte ber |)ebamme »erlangt unb »on biefer aud) gemährt 
werben. @ntfd)eibenb für bie ffrrage, ob bie Slngeflagte bag 
©ewerbe einer Hebamme au§geübt l)at, ift alfo neben ber 
objeftioen ©eite, ber 9lrt it)rer ßitfeleiftung bei ben einzelnen 
©ntbinbungen, aud) bie fubjeftioe ©eite, nämlid) bie ©rwä* 
gung, ob bie Slngeflagte bie feitenS be§ $ublifum§ »on ihr 
beanfprudjten $ienfte mit SKücffictjt auf ihre befonbere 2lu i-- 
bilbung al§ .^ebamme gewähren wollte unb gewährt hat. 

Unter biefen ®eficf)t§punften betrachtet läfit bie auf bie 
erwähnten $:eftftellungen gegrünbete Annahme bes angefod)= 
tenen Urteilet, bie StngeEIagte habe ben felbftänbigen betrieb 
b ei ^ebammengewerbeS ohne bie oorfchriftSmäfjige ©enef)* 
migung unternommen, Vergehen gegen § 147 3iff. 1 ber 
9teicf)3gewerbeorbnung »gl. mit § 30 91bf. 2 unb § 53 2Ibf. 2 
baf. weber hinfidjtlid) be§ objeftiuen noch be§ fubjeftioen 
2atbeftanb§ einen 9ted)t§irrtum erfennen unb ei fönnen bie 
»on ber SJteoifton t)icgegen gerichteten Eingriffe feinen ©rfolg 
haben. 

Unjutreffenb ift junächft, bafj fich bie Slngeflagte, wenn 
fie bie ©renje jwifcf)en $ebammen= unb SBärterinnenbienfte 
nicht richtig »evftanben, in einem tatfädjlichen Irrtum be» 
funben habe, $ft fte in ber £at ber irrigen SJteinung ge* 
wefen, bie oon ihr bei ben in $rage fteljenben ©ntbinbungen 
gewährten -fpilfeleiftungen ftelten fich al§ SBärterinnenbienfte 
bar, bie ben £atbeftanb be§ § 147 ß. 1 ber 9teid)§gewerbe= 
orbnung nicht &u begrünben »ermögen, fo fann fie bie§ »or 
©träfe nicht fd)üt)en, ba ei ficf) lebiglicf) um einen Irrtum 
über ben Inhalt, ben Umfang unb bie ©ebeutung bei be* 
treffenben ©trafgefetje§ ^anbeln würbe. 3a ugl. 9i@®. 93b. 
37 ©. 389. 

Unerheblich ift fobann, — ganj abgefefjen baoon, bafj 

13* 


Digitized by Google 



182 


@tttfd)eibtmgcn b«8 DbtrlanbeSgeridjtä. 


biefem Angriff bie tatfäcfjlidje Bestellung bcr ©traffammer 
entgegenftcf)t, — in roelchet SBeife, mit roelchen ©elbbeträgen 
bie Slngeflagte für ihre Sfemühungen in ben einzelnen gälten 
entlohnt toorben ift. 3 ut 3lnnal)me eines SJergef)enS nad) 
§ 147 3 . 1 bev 9i®eroO. genügt e§, baß bie Slngeflagte 
eine fortgefetjte, auf irgenb melden ©rroerb gerichtete £ätig= 
feit als .ffebamme entfaltet hat. 

Unertiebli<h ift ferner, ob bei ben ©ntbinbungen, bei 
benen bie Slngeflagte tätig geroefen ift, bie 3 u i*«hung eines 
SlrjteS jeroeilS oerabrebet roorben ift. 3u einer ©ntbinbung 
fönnen oerfchiebene gebammen zugleich jugejogen, eS fann 
neben ber .pebammenbilfe auch ärztliche -Dilfe in Slnfprud) 
genommen roerben; bie in ihrer ©igenfdjaft als gebammen 
jugejogenen B^auenSperfonen üben fd)on burch ba§ Slnroob 5 
nen bei ber ©ntbinbung ihren 93eruf als gebammen au§ 
unb fie tun bieS auch bann, menn fie bei ber ©eburt eine 
eigentliche fiebammenbienftleiftung, ja eine aftioe ßilfeleiftung 
überhaupt nidjt uorjunehmen haben. 

Oh«® Gelang ift enblich, ob bie Slngeflagte ju ben ©e= 
bürten $ebanimengerätfchaften mitgebracf)t hat. SBenn bie 
Steoifion auS bein Mangel biefet ©erätfchaften auf ein fehlen 
beS ^nm § 147 3- 1 ber SiöeroO. erforderlichen 93orfahe§ 
fdjliepen roill, fo richtet fidf biefer Eingriff lebiglirf) gegen bie 
binfichttich beS fubjettioen JatbeftanbeS oon ber ©traffammer 
getroffenen tatfächlichen Bestellungen unb fann baher feine 
Beachtung finbeti. 3m übrigen hat in objef’tioer fpinfidjt 
bie ©traffammer jutreffenb angenommen, bafj bie oon ber 
Slngeflagten bei ben einzelnen Gcntbinbungen gemährten ^ilfe* 
leiftungen als eigentliche, ben geprüften gebammen obliegenbe 
geburt§l)ilfli<h e itätigfeiten anjufehen finb. 

Urteil in Straff enats 00 m 10. Quni 1907 in ber ©traf* 
fadje gegen SB. ©t. oon Oe. megen SSergehen g. b. ©e= 
merbeorbnung. 


Digitized by Google 



B. in ©traffacßen. 183 

6 . 

Pi« ptrafbarkeii eines puioinobillenkers wegen fnßr= 
läfftger ftörperuerlrijnug unk wegen Perfeßlnng gegen 
Me minikerinluerfjignng, betreffenk kett Perkeßr ntii 
Pröftfaijr?fngen. Pas iß unter geftkloITenen ©rts= 
teilen ?n ner)teljen? 

SluS ben 

©rünben: 

®aS angefoeßtene Urteil ftetlt feft, ber Singet!, tjabe 
burcß Uat)rtäffigfeit bie Sörperoerleßung ber 9 $aßte alten 
@. 53. in oerurfaeßt, wobei er ju ber Slufmerffamfeit, bie 
er auS ben Slugen feßte, oermöge feines SBerufS befonberS 
oerpflicßtet gewefen fei. Sem gegenüber rügt bie Dieoifion 
unrichtige Slnwenbung beS § 230 ©t©53. 

3US bie eine gaßrläffigfeit beS Singet!, entßaltenbe 
^anblung, burdj weldje bie ft'örperoerleßuttg oerurfaeßt 
würbe, bezeichnet baS Urteil bie oom Slngefl. als genfer 
eines Kraftfaß rjeugS bei ber ©infahrt in ben Ort $. einge= 
ßaltene angeblicß übermäßige ffaßrgefdjwinbigfeit. 

3unäcßft laffett bie $eftftetlungen über bie Sage ber Un= 
fatlftelte feinen Zweifel barüber, baß biefelbe fieß, wie baS 
Urteil annimmt, innerhalb beS gefcßloffetten SöoßnbeäirfS 
beS Orts fi>. befinbet. @S fann baßin gefteüt bleiben, welcße 53e= 
beutung in biefer ffinfießt bem Umftanb jufommt, baß bie 
llnfallftelle fiel) ortSeinwärtS oon berjenigen ©teile ber ©traße 
befinbet, an ber bie Ortstafel angebracht ift. Senn feßon 
bie ^eftftellung, baß bie beiben Raufer, jwifeßen benen bie 
Unfallftelle gelegen ift, Käufer beS Orts feien, erfeßeint 
auSreicßenb, bie bejeießnete Slnnaßme ju rechtfertigen, ba ßie= 
mit mit genügenber Seutlidjfeit gefagt ift, baß bie Raufer 
einen Seil beS Orts £». bilben, alfo ju bem gefcßloffenen 
SBoßnbejirf biefeS Orts geßören. Sin biefer 3ugeßörigfeit 
änbert aueß bet Umftanb nichts, baß, wie bie Sieoifton ßer= 
oorßebt, bie erwaßnten Raufer fieß nießt gerabe, fonbern 
feßräg gegenüberfteßen unb baß bie auf jeher ©traßenfeite 


Digitized by Google 



184 


©ntfdjcibungen b tS DberlanbesgeridjtS. 


folgenben näcßften Raufer beS DrtS ficß jeweils nicßt um 
mittelbar anfcßiießen, fonbem burcf) bajwifcßen liegenbe ©är= 
ten getrennt finb, ba für bett begriff ber 3uget)örigfeit bet 
Käufer ju bem gefdjtoffenen äBoßnbejirf bie (gefdjloffene ober 
nidjt gefcßtoffene) 53aum eife gänjlid) unertjeblict» ift. 

SJlit 9tecßt ftet)t baS Urteil aber aud) eine „rafenbe" 
ober bocß minbeftenS 20 Ärn. in ber Stunbe betragenbe 
Saßrgefcßwinbigfeit, toie fte nach ben tatfärfjlicfjen Seftfteb 
tungen ber 2lngefl. an ber UnfatlfteUe einßielt, als eine für 
bie Saßrt innerhalb eines gefdjtoffenen 2BoßnbejirfS ü b e r= 
mäßige ©efcßwinbigfeit an. ®aS Urteil get»t babei, toie 
bie allgemein lautenbe fJcftfteUung, ber 2lngefl. ßabe als 
möglicße ^olge feines SaßrenS bie ißerleßung oon üttenfcßen, 
inSbefonbere oon Äinbern, oorßerfeßen fönnen, jeigt, oon 
ber ricßtigen Slnfcßauung auS, baß innerhalb bewoßnter 33e- 
jirfe im (Segenfaß ju außerhalb fotcßer gelegenen freien 
Straßenftrecfen wegen bet unmittelbaren 9t äße bewoßnter 
©ebäube ein oermeßrter Sßerfeßr oon SDtenfcßen, namentlid) 
aucß ein 23erfeßr oon Stinbern, auf ber Straße ftattfinbe, 
baß ßieburcß eine erßößte ©efaßr ber 33erleßnng oon 5Jtew 
fcßen, fpejiell oon Äinbern, burcf) auf ber Straße faßrenbe 
Äraftfaßrjeuge ßerbeigefüßrt roerbe, unb baß ftcß auS biefer 
Sacßlage für ben Senfer eines einen SBoßnbejirE burcßfafp 
renbetx ÄraftfaßrjcugS bie ißerpflicßtung ju oorficßtigem 
Saßren, inSbefonbere jur (Sinßattung einer fo mäßigen Saßt 5 
gefcßroinbigfeit ergebe, baß 3Ser(eßungen oon SJlenfcßen burd) 
recßtjeitigeS Ulnßalten beS SaßrjeugS oermieben toerben fön- 
nen. SBenn auf ©runb biefer ©rwägung ba§ Urteil bie ge-- 
nannte Saßrgefcßminbigfeit als eine übermäßige b. ß. als 
eine folcße anfteßt, bei ber bie bejeicßnete ©efaßr nicßt oer< 
mieben rourbe, fo fann aucß bem nur beigepflicßtet werben, 
fließt weniger ift ber in ber Seftftettung, baß ber ©oben ber 
Straße jur $eit beS Unfalls infolge leießten ScßneefallS 
fcßlitpfrig getoefen fei, entßaltene fpinweiS barauf für jutreß 
fenb ju eradjten, baß bie feftgeftellte Saßrgefdjwinbigfeit eine 
übermäßige tiocß befonberS beSßalb gewefett fei, weil bureß 


Digitized by Google 



B. in Straffenden. 


185 


bie genannte S8obenbefcf)affenJ)cit bie fdjon aus bet Qtoh* 5 
gefchroinbigfeit als j otefjer folgettbe @rfcf)roerung rechtzeitigen 
SlnfjaltenS nod) oerftärft roorben fei. Stuf bie Urfarfje, aus 
ber bie ^o^^sefdjroinbigteit au bet Unfaltftette eine über-- 
mäffige roar, fommt eS babei nid)t an. @§ beburfte habet 
auch einet Stört etung batüber nicht, ob biefe Urfacfje batin 
gelegen roar, baff bet Stngefl., naebbem er juoor auf freier 
Streife mit einer ©efd)roinbigfeit non 50 Äm. in bet Stunbe 
gefahren mar, ben ©aShebel «ft 80—100 Vteter oor ben 
erften Käufern beS Orts fd}to§. 

Ob baS nach bem Vorftehenben in genügenber SBeife als 
gefabrbringenb gefennjeichnete Verhalten bes Stngeftagten ju-- 
gleid) eineilebertretung ber pofitioenVorfd)riften ber auf ©runb 
beS § 366 Sir. 10 St©V. jum 3roecf ber Slufredjthaltung 
ber Sicherheit auf ben öffentlichen Straffen erlaffenen Sötini* 
fteriatoerfiigung oom 13. 3iuli 1906 enthielt, fönnte, ba bie 
Verurteilung bes Stngefl. nur roegen Vergehens gegen § 230 
St©V., nicht auch roegen einer bamit jufammentreffenben 
Uebertretung im Sinn ber gebachten Veftimmungen auSge= 
fprodjen ift, an fid) bahingefteEt bleiben. @S unterliegt aber 
auch feinem Vebenfen, ber Sluffaffung bes angefochtenen ltr= 
teils jebenfaHS inforoeit beijutreten, als eS ben £atbeftanb 
einer Uebertretung ber Vorfdjrift beS § 17 3lbf.2 jit. 9Siinifte= 
riatoerfögung für gegeben erachtet. Stach tiefer Vorfchrift 
barf bie Sahrgefchroinbigfeit oon Kraftfahrzeugen bei ber 
f^ahrt innerhalb „gefd)loffener Ortsteile'' baS 3«tma§ oon 
etwa 15 Km. in ber Stunbe nicht überfdjreiten. ®aff eine 
gahtgefchroinbigfeit oon etroa 20 Km. in ber Stunbe, roie 
fie für erroiefen erachtet ift, eine nicht unerhebliche lieber^ 
fchreitung biefeS SJtinbeftjeitmafseS enthielt, ift ohne SBeitereS 
erfichttid). @3 ift aber auch nicht zu bezweifeln, bah unter 
ben „gefdjloffenetx Ortsteilen" ber Verfügung nichts anbereS 
oerftanben ift, als gefchtoffene, b. h- für fid) ein jufammen* 
hängenbeS ©anjeS bilbenbe Seile eines SBohnbejirfS. 2>ie 
Verfügung geht alfo nod) weiter, als bie hi«or bcjeidjnete 
Sluffaffung, inbem fie auef) für % eile eines Orts, bie unter 


Digitized by Google 



186 


<£ntfd)eibungen bcS OberlanbcSgeridjtS. 


ftd) unb oßne SKücfftdjt auf ihren Zufatnmenßang mit ben 
übrigen Crtsteilen einen jufammenßängenben SBoßnbejirf 
bilben, bie (Einhaltung einer ermäßigten ^aßrgefcßwinbigfeit 
»orfcßreibt. $iei ergibt al§ felbftoerftänblicß, baß bie Vor» 
fcßrift ber Verfügung aucß ba Slnwenbung finben muß, roo 
ei fiel), mie uorlicgenb, um eine innerhalb einei ein heit» 
ließen Crtiwoßnbejirfi gelegene Straßenftrecfe ßanbelt. 

Zweifelhaft fann bagegen fein, ob bie tatfäcßlicßen $eß 5 
fteüungen aucß für bie weitere Einnahme bei Urteili aus» 
reichen, baß bie 5<*hrweife bei Slngefl. aucß eine Verfehlung 
gegen bie Vorfcßriften in 2lbf. 3 ber Verfügung enthalten 
habe. '■Denn wenn hier bem ßenfer bei Äraftfaßrjeugi jur 
■»Pflicht gemacht ift, ba, wo bie SBirffamfeit ber Vremfen 
burd) bie Scßlüpfrigfeit bei SBegi in ffrage geftellt ift, lang» 
fam unb fo oorfießtig ju faßren, baß bai ffaßrjeug nötigen» 
faUi fofort unb jebenfalli auf eine Sßegftrecfe oon ßöcßfteni 
5 Vtetern jum galten gebracht werben lann, fo erfeßeint, 
jumal ba bie Vorfcßrift nid)t auf bie 5 a ßrt innerhalb ge» 
fcßloffenet Crtiteile befeßränft ift, unb im 3ufammenßalt 
mit ben übrigen gleicßgeftellten fällen bei 2lbf. 3 bie 2tui» 
legung wenigfteni möglich, baß bie Verfügung nießt eine all» 
gemeine, auf größere (Entfernungen fieß erftreefenbe Scßlüpfrig» 
feit bei Söegi, wie fie bureß Scßneefatl ßerbeigefüßrt wirb, 
fonbern nur einjelne feßlüpfrige Stellen bei im 
übrigen unbeßinbert faßrbaren SBegi im 3luge ßat, unb baß 
fie bezüglich folcßer Stellen eine fo ßoeßgrabige Sdjliipfrig» 
feit erforbert, baß wegen berfelbett bie ©efaßr bei Verfageni 
ber SBirfung ber Vremfen befteßt. Vei biefer Auslegung 
aber würbe bie bloße geftftellung, baß bie Straße feßtüpfrig 
gewefen unb baß bai gaßrjeug erft 10 — 15 Vleter naeß bem 
9ln$ießen ber Vremfen jum Steßen gefommen fei, jur 3ln» 
naßme einer Vcrfeßlung gegen bie Vorfcßrift bei 2lbf. 3 
beißalb nießt genügen, weil ße im ^inblicf auf bie juoor 
getroffene $eftftellung einer feßon an fieß b. ß. oßne Vücfficßt 
auf bie Vobenbefcßaffenßeit übermäßigen gaßtgefdjwinbigfeit 
nießt mit Sicßerßeit erfennen läßt, inwieweit in berScßlüpfrig» 


Digitized by Google 



B. in ©traffacfjen. 


187 


feit bei 2Begi ber ©runb ber Unmöglicßfeit rechtzeitigen Sin» 
ßatteni erblicft roirb. ©iner ©ntfcßeibung ber ^rage, ob 
aucß eine Uebertretung i. ©. b. 2lbf. 3 bei § 17 oorliegt, 
bebarf ei nacß bem ©efagten jebocß nicht, ba aud) ohne eine 
folche bie 2lnnaßme einer mit 9tücffid)t auf bie $8obenbe= 
fcßaffenßeit befonberi übermäßigen 5 a ^ r 9 e f ( i)n j tnbigEeit 
berechtigt ift. 

3)aß ber Slngefl. oermöge feinei Sebenialteri unb feiner 
©rfaßrung ali berufimäßigen Senferi oon Straftfaßrjeugen 
ali mögliche 5otge feinei tatfäcßlicß eingeßattenen übermäßi* 
gen unb batum pflirfjtmibrigen gaßrgefeßroinbigfeit bie 93er= 
letjung oon 9Jtenfcßen, inibefonbere oon $inbern, ßabe oor* 
ßerfeßen fönnen, ift roieberum einroanbfrei feftgeftellt, ba nicht 
p bejroeifeln ift, baß bie ßeroorgeßobenen ©igenfeßaften ben 
Sfngefl. befähigten, bei 2lnroenbung pftießtmäßiger Sorgfalt 
bie aui feinem üßerßalten broßenbe ©efäßrbung Slnberer p 
erfennen. SRacß biefer ^eftftellung erfeßeint aber and) bie 
Slnnaßme bei Urteili, baß bie pr Urfacße ber S?örperoer= 
leßung geworbene ©inßaltung ber übermäßigen $aßrgefcßroin= 
bigfeit bem 2lngeft. pr ^ah rläff igfeit anpreeßnen fei, 
gerechtfertigt. ®enn für biefe 2tnnaßme genügt ei, baß, wie 
feftgeftellt, ber Slngefl. ali mögliche golge feinei an fteß 
pfließtroibrigen unb überbiei gegen bie auibrüefließe S3orfcßrift 
bei § 17 2lbf. 2 ber SDhnifteriatoerfügung oerftoßenben 33er= 
hatten© im allgemeinen oorßerfeßen tonnte, baß 3Jtenfcßen, 
inibefonbere ftinber, oerleßt roerben fönnten. fließt erfor= 
berlicß ift, baß er gerabe biejenige fonfrete ©eftaltung bei 
©intritti einer Störperoerleßung oorßerfeßen fonnte, roie fie 
tatfäcßlicß erfolgte. @i fann beißalb aud) baßingefteüt blei* 
ben, ob nicht fogat ©runb p ber Slnnaßme geroefen märe, 
baß gerabe bai tatfäcßlicß betätigte SSerßalten ber 58. oom 
Slngefl. ali möglicß infofern oorßergefeßen roerben fonnte, 
ali er roaßmaßm, baß bie ißferbe bei entgegenfommenben 
'-B.fcßen SBageni unrußig rourben unb gegen ben gußfteig 
brängten, unb ali fid) für ißn ßieraui bei pfließtmäßiger 
Ueberlegung ber ©ebanfe naße gelegt ßätte, baß bie $8., um 


Digitized by Google 



188 


®ntfrf)eibungcn be§ OberlanbeSgeridjtS. 


ftd) ber ißr namentlich uon bcn erben broßenben ©efaßr 
ju entließen, ben Bußfteig neriaffen unb fo in bie Baßrbaßn 
bes StutomobilS gelangen fönne. ÄeinenfaüS erfcßeint unter 
biefen llmftänben bie Meinung ber Sieoifion begrünbet, baß 
baS 5Berßalten ber 58. als ein außer jeber 58erecßnung be= 
grünbeter unb barum nirf)t in ben ^reiS pflicßtmäßiger 5Bor= 
ftellungen bes SIngefl. fallenber 3ufall anjufeßen gewefen fei. 

$a baS Urteil bie Baßrweife beS SIngefl. als faßrläfftg 
gerabe mit IRücfficßt auf bie örtlichen 58erßältniffe unb bie 
93obenbefdt>affent)eit anßcßt, unb nur annimmt, baß biefelbe 
gleichseitig gegen bie 5Borfcßriften ber meßrgenannten ÜRini* 
fterialoerfügung oerftoßen habe, fo entbehrt aucß ber oon 
ber IReoifion auSgefprocßene 33erbad)t jebeS SlnßaltS, baS 
Urteil halte bie Boßooeife beS SIngefl. für fahrläffig oßne 
SRücfficht auf bie fonfreten Umftänbe unb bloß beSßalb, weil 
fie gegen bie Verfügung oerftoßen habe. 

®aS Urteil oerfennt nic£)t, baß ju ber Gentfteßung beS 
Unfalls außer ber Baßrläffigfeit beS Singeft. aud) baS 
eigene, gleichfalls für fahrläffig ju eracßtenbe 5Berßatten 
ber 58. mitgewirft habe. @S hält aber ben urfädßlicßen $u= 
fammenßang jroifdjen ber Bdßrläfftgfeit bes SIngefl. unb ber 
ein getretenen Slörperoerleßung unb bamit bie 58etfcßulbung 
beS SIngefl. für ßieburcß nicht aufgeßoben. Slud) biefe 2tuf- 
faffung fann nicßt als rechtsirrtümlich eradjtet werben. ®enn 
mit ber auf bie SluSfagen oon Slugenjeugen gegrünbeten f^eft- 
ftetlung, baß bie 58. beinahe oor bem Slutomobil oorbeige-- 
fommen märe, oßne erfaßt ju werben, unb baß ihre 5Ber= 
leßung oermieben worben wäre, wenn ber SIngefl., wie pflicßt= 
mäßig, weniger rafd) gefahren wäre, fpricßt baS Urteil in 
unjweibeutiger SGßeife aus, baß eS bie übermäßige ffabrge* 
fcßwinbigfeit, alfo bie gaßrläfftgfeit beS SIngefl., als bie 
oo Ile Urfacße beS eingetretenen ©rfolgS ber Slörperoerleßung 
anfeße. ®iefe Slnfcßauung felbft erfcßeint als burcß bie tat= 
fäcßlicßen Bestellungen gerechtfertigt. Sann aber wirb bie 
58erantwortlicßfeit beS SIngefl. für bie feiner B a ^ r ' 

(äffigfeit babureß nicht auSgefcßtoffen, baß ju bem (Eintritt 


Digitized by Google 



B. in «Stroffadjen. 


189 


be§ GcrfolgS ba§ eigene Verhalten ber 33., alfo ein roeiterer, 
an ftd) nicht uom SIngefl. ju oertretenber llmftanb mitroirfte. 

Gcbenfo tsergeblicf) erfdjeint ber 93erfud) ber 9teoifion, 
bie 2tnnaf)ine eine§ urfäd)lid)en .ßufammenhangS jroi* 
fdjen ber f5at)rtäffigfeit be§ Slngeft. unb ber eingetretenen 
Äörpernerte^ung burd) ben .fnnroeiä barauf ju befeitigen, baft 
wenn bie in § 18 ber 9Jtinifterialoerfügung norgefdjriebenen 
SEBarnungSjeichen, bie nad) ber 2lnnaf)me be3 Urteil, ohne 
bafj ben Stngefl. bie 93erantroortlid)feit bafür treffen mürbe, 
nicht abgegeben roorben feien, abgegeben worben mären, mög= 
lieber SEBeife bie 33. ben fjufjfteig nid)t oerlaffen ^ätte unb 
fo ber Unfall nicht eingetreten märe, — eine (Srroägung, bie 
naef) bem ©runbfat}: in dubio pro reo jur SSerneinung ber 
©chulbfrage t)ätte führen müffen. ®enn abgefeben baoon, 
bafj biefe 33egrünbung mit ber eigenen 33ehauptung be3 2ln* 
gefl., e§ feien 3Barnung§äeid)en gegeben roorben, nid)t oer= 
einbar ift, fo fprid)t bas Urteil auSbrtlcflid) au§: e§ fei nicht 
ficfjer, ob ber Unfall nicht and) bei Abgabe ber SBarnungi» 
jeidjen eingetreten märe. 3)iefe Grrroägung aber gehört, mie 
gerabe bie Berufung auf ben ©nmbfatj: in dubio pro reo 
jeigt, in ba§ ®ebiet tatfächlid)er SBürbigung, ift alfo in ber 
9?eoifion§inftans nid)t nadjjuprüfen. 

Urt. be§ ©traffenat§ uont 31. JQuli 1907 gegen ©Ijauffeuv 

9t. 2. in megen fafjrläffiger Störperoerlefcung. 


Digitized by Google 



190 


II. 

töntfrijctirnngcit tes JJcrroaltungggeridjtsljofs. 

17. 

Verfügungen ber Vernmltung&behörben auf <35rmtb bes 
Urt. 3 Vbf. 2 bes Pafrergefefeea unterliegen «irijt ber 

© r ü n b e : 

Bad) 9lrt. 13 91 bf. 2 bei Berroaltunglrechtlpflegegefehel 
ift bie Bechtlbefdjroerbe bann aulgefcf)loffen, roenn unb fo= 
roeit bie Berroaltunglbehörben burdf bal ©efeg nad) ihrem 
©rmeffen ju nerfilgen ermächtigt ftnb. $iel trifft für bie 
angefod)tene Verfügung ju. ®er für ihre Beurteilung mafp 
gebenbe 2lrt. 3 9lbf. 2 bei SBaffergefegel beftimmt: „®l ift 
jebod) bie ^örberung ober ^Begleitung x>on SBaffer burcf) bie 
Berroaltunglbehörbe ju unterfagen ober ju befd)ränfen unb 
bie Befeitigung ber hiefür getroffenen Beranftaltungen anju» 
orbnen, roenn unb foroeit burd) eine foldje Beränberung bei 
beftefjenben .ßuftanbes ein erheblidjel öffentliche^ Qntereffe 
»erlegt roirb. ®al Borhanbenfein einel erheblichen öffent* 
liehen ^ntereffcl an ber Unterfagung ober Befdjräitfung fann 
inlbefonbere bann angenommen roerben, roenn ber SBaffer» 
ftanb eines öffentlichen ©eroäfferl fo fehr beeinträchtigt roirb, 
bah hieburd) SBaffemugunglberechtigte in bem ihnen feit 
langer $eit juftehenben SBafferbejug in beträchtlichem Blajjc 
all gefdjäbigt erfcheinen". |)ienach fteht el foroohl im all» 


Digitized by Google 



S3erfögungeit ber 2$erh)alhing8&ef)örbeit 2 C. 191 

gemeinen, al§ auch in bent befonberen, oon ben Vefdjtoerbe* 
führern geltenb gemachten galt ber ©chäbigung non SBaffer* 
nutzungsberechtigten jum ©rmeffen ber Vertualtungsbehörbe, 
ob ein erhebliches öffentliches Qntereffe oortiegt, baS if>r ©in* 
fcfjreiten ju ©unften beS ©efdjäbigten bebingt. ©ie fann baS 
Vorliegen eines folgen unb bamit it>re Verpflichtung 3 \unt 
©infcfjreiten nad) ben Umftänben beS Gin^elfnlls als gegeben 
erachten, fie mujj e§ ober nid)t. ©ie hat oiclmehr frei barüber 
ju entfdfeiben, ob fie bie Vertagung ober Vefd)ränfung ber 
Ableitung für geboten erachtet ober nid)t. ©S finb in 2lrt. 3 
2lbf. 2 jtoar beftimmte red)tlicf)e unb farf)lid)e VorauSfehungen 
für bie 3utäffigfeit beS ©infdjreitenS gegeben, fo: ^örberung 
ober ^Begleitung oon ©runbtoaffer, Vrumtenioaffer ober oon 
SÖaffer auS einer ^rioatqueUe, bieburd) oerurfad)te Veein* 
trädjtigung be§ SßafferftanbS eines öffentlichen ©etoäfferS, 
beträct)tlirf)e ©djäbigung oon VBaffernufzungSberechtigten in 
bem ihnen feit langer 3eit juftehenben VBafferbejug, eS fehlt 
aber an folgen VorauSfetgmgen für bie Verpflichtung jum 
@infd)reiten unb eS entfällt bamit bie SJlöglidffeit ber »er* 
roaltung§rid)terlid)en Nachprüfung einer baS ©infdjreiten ab* 
lehnenben Verfügung ber Vertualtungsbehörbe. 

Vegrünbung junt ©ntmurf be§ VerioattungSrechtS* 
pflegegefetjeS bei $ o h l, ©. 54 ff.; © a r io e p, öffent* 
lirfjeS 9fecf)t, ©. 79, ©. 115 ff.; ©öj, VertoaltungS* 
redjtSpflege, ©. 99 ff. 

SDiefe 3tuffafftmg finbet auch bent rechtlichen Stufbau 
beS 2trt. 3 2lbf. 2 ihre Veftätigung. ®ie Vorfd>rift beS Slrt. 3 
2Tbf. 2 ftellt fid) bar als bie ©inräuntung ber VefugniS an 
bie Vertualtungsbehörbe, au§ ©rünben beS öffentlichen 28of)tS 
burch polizeiliche Verfügung in baS bürgerlid)*red)tliche ©igen* 
tum einjugreifett. ®er freien bürgerlich-rechtlichen Verfügung^* 
macht beS ©runbeigentitmerS über baS SBaffet einer ißrioat* 
quelle gegenüber merben nicht etroa dritten bürgerlich* ober 
öffentlich=red)tliche 3lnfptü<he eingeräumt, fraft bereu fie im 
$alle ihrer ©cfjäbigung bie Verfügungsmacht beS ©igeittümerS 
über fein ©igentum einjufchränfett befugt toärett, fottbern es 


Digitized by Google 



192 


©ntfdjcibimgeu be8 S3ertoaltmig8gericf)t8f)0f8. 


mirb lebiglicf) ber 't)ßoÜ 5 eibel>örbe int allgemeinen Stufen bie 
©infdjränfung biefer 93erfügungSmacf)t oorbehalten. hieran 
änbert fid) aud) baburd) nichts, bafj in 2(rt. 3 2lbf. 2 ©at* 2 
al§ 5aH, in bem bie SBerroaltungSbehörbe baS ißorhanben» 
fein eines öffentlichen QntereffeS an bet Unterfagung ober 
23efd)ränfung ber SBafferabteitung annehmen fann, ber ber 
©djäbigung oon SBaffernuhungSberechtigten nnb jroat unter 
Umftänben auch eines (Sinjelnett aufgeführt ift. $nbem ba§ 
©efet) biefen ffall befonberS beroorbebt, ftellt eS nur bie 
9Jtöglid)feit beS 23orgehenS feitenS ber ißolijeibebörbe gegen» 
über bem Quelleneigentümer aufjer .ßroeifel, gibt aber bem 
3Baffernuhungsbered)tigten feinen Slnfprud) gegenüber bem 
©igentümer ober ber ißolijei auf Serürffuhtigung, überläfjt 
bie Sinnahme beS SJorbanbenfeinS eines öffentlidjen $nter» 
effeS unb bamit bie ber 23orauSfet}ung beS polizeilichen ©in» 
greifenS oielmebr ganz bem ©rmeffen ber SerroaltungSbe» 
hörbe. 

@S geht bieS aud) aus ber ©ntftehungSgefchichte beS 
2lrt. 3 heroor. Schon nach früherem Stecht mar eine bürgerlich» 
rechtliche 23efd)ränfung beS ©runbeigentümerS t>inficf)tlid} ber 
©rfcbliefjung oon Duellen ober ber 23enüt)ung beftehenber 
Quellen nicht gegeben. 

SBürtt. Slrdjio 23b. XIV, ©. 251; Sang, ©acf)en= 
recht 23b. I ©. 104, 106; Stieb er, SBaffergefetj 2lnm. 2, 
I ju 2lrt. 3 ; Roller, SOßaffergefet) Slnmerf. 5 ju 2lrt. 3. 
dagegen mürbe oon ben 23ermaltungSbehörben auf ©runb 
beS in ber SBauorbnmtg oom 6. Dftober 1872 aufrecht er» 
hattenen jroeiten Titels ber alten 23auorbnung oom 2. Januar 
1655 „oon 23runnen" baS Stecht in Slnfprud) genommen unb 
auSgeübt, ben ©runbeigentümem bie Slnlage eines 23runnen§ 
ober bie ©rfdjlieffung einer Quelle oon tßolijeiroegen ju 
unterfagen, roenn fjieburcf) ein öffentliches Qntereffe oerletp 
mürbe. 

2B ü r 1 1. 21 r d) i o a. a. 0. ; 21 nt t S b l a 1 1 b e S 
SSt i n. beS Innern 1877, ©. 205 ; Sang a. a. C- 
©. 137; Stieb er unb fallet a. a. O. 


Digitized by Google 



23erfügimgen bet $ertoaltimg8bef)örben tc. 


193 


.£>inftd)tlid) feines bürgerlic^=rcd)tlid;en Inhalts ift biefer 
9ied)tsjuftanb burd) Slrt. 3 bes SDBaff ergefe^eä unter au§= 
brüd(id>er ^eruortjebung be§ 9iecht§ be§ @runbeigentümer§ 
jur Slbleitung be§ burd) Quellen gewonnenen ÜBaffersS be= 
ftätigt worben. 

9JI a n b r t) , SEBürtt. $rioatred)t I ©. 191 ; lieber 
a. a. D. Sinnt. 3; Raiter a. a. O. 

•gjinfichtlid) feinei öffentlid)»red)tlid)en ^nt)alt§ ift barouf 
binjuweifen, bap ba§ frühere Sied)t fid) nur auf bie ffälle 
ber Slnlegung einess ©runnenS ober ber (Srfdjtiefjung einer 
Quelle befdjränfte. darüber binauSgcbenb jog ber 2Baffer= 
gefepentwurf oon 1899 auch bie ^Begleitung oon SBaffer auö 
fcf)on erfd)loffenen Quellen in ben 5lrei§ feiner Siegelung. 
@r fab oor, e§ tönne biefe üBegleitung bann unterfagt 
werben, wenn burd) fie ein erhebliche^ öffentliche^ Qntereffe 
oerlept werbe, wa§ inSbefoitbere bann jutreffe, wenn ein 
großer Krei§ oon SEBaffernupungssberechtigten in beträchtlichem 
ÜJlafj al§ gefd)äbigt erfdjeine. ©omohl ber ©egrünbung be3 
@ntwurf§, 

©erf). ber Kammer ber ©tanbe§berm 1899/1900 ©eil. 
33b. ©. 81 ff. ; lieber a. a. O. ©. 57 ff., 
als bem ©erid)te ber Kommiffton ber Kammer ber ©tanbeS* 
berrn 

©erp. ber Kammer ber ©tanbe§berrn 1899/1900 ©eil. 
©b. ©. 661/662 ; St i e b e r a. a. O. ©.60 ff., 
ift ju entnehmen, baff bie ©orfcprift bie ©olijeibebörben jwar 
unter beftimmten ©orau§fepungen berechtigen wollte, jum 
©cpupe öffentlicher ^ntereffen baS (Eigentum ju befdjränfen, 
bap fie aber bie {frage, ob uttb inwieweit bie ©olijeibepörbe 
oon biefem Siecht ©ebraucp machen will, bem freien ©rmeffen 
überläjjt. 

SEßäbrenb ber ©ntwurf als ©orauSfepung be§ ®infd)reU 
tenS ber ißolijeibehörbe bie ©chäbigung eines großen KreifeS 
oon SBaffernupungSberechtigten oerlangte, machten in ber 
Kommiffton ber Kammer ber Slbgeorbneten bie beiben ©e* 
rid)terftatter geltenb, e§ follte bas ®infd)reiten ber ©olijei- 


Digitized by Google 



194 


@ntfd)tibungen bc8 SBertoaItung«gericf)t8f)of8. 


beljörbe aud) bei @cf)äbigung nur einei einzelnen Baffer-- 
nuhung§berecf)tigten nict)t non Domfyerein im ©efeh fclbft 
au§gefd)loffen unb fein Bortlaut beä£>atb baljin geänbert 
roerben : „.Qinibefonbere fönnen bieje Slnorbnwtgen bann ge= 
troffen roerben, roenn SBaffernuijungsberedjtigte in beträd)t= 
lidjem Baffe all gefcfjäbigt erfdjeinen." 3)ie Sericfjterftatter 
bemerften hieju, ba im ©efet) nid)t roof)l auigefprodjen roer= 
ben fönne unb fotle, baf) aud) bei einer beträchtlichen ©d)ä-- 
bigung ©itijelner ftet§ ein erhebliche^ öffentliche» ^ntereffe 
al§ oerleht anpfeljen fei, fo fei bie Prüfung ber ffrage ber 
SSerletpng eines» erheblichen öffentlichen QntereffeS bei ber 
oorgefdjlagenen 2lu3bel)nung be» @d)ui)e3 auf einzelne 
Baffemutjungiberechtigte in allen fällen bem pflichtgemäßen 
©rmeffen ber juftänbigen 23erroaltung3bef)örbe ju unterftellen. 
3n ber Sommiffion rourbe jebod) ber ©d)uh einzelner Baffer-- 
nuhungiberedjtigter abgelehnt unb ben Slnfdjauungen ber 
53ericf)terftatter nur inforoeit Siechnung getragen, ali an ©teile 
einei großen $?reife§ ©efdjäbigter gefegt rourbe ein „größerer" 
Slreii 

Sßerh- ber Kammer ber 2tbg. 1899/1900 53eil. S3b. 3 
©. 877 ff.; 9ti eb er a. a. D. @. 66 ff., inöbefonbere 
©. 76/77. 

23ei ber Beratung bei 2lrt. 3 in ber 2lbgeorbnetero 
fammer 

23erl). ber Kammer ber 2lbg. 5. ißrot. 53b. ©. 3010 ff., 
91 i e b e r a. a. 0. ©. 81, 

fanben biefe Einträge aber leine Sinnahme. @8 rourbe ein 
roeitergehenber ©cf)ut) ^Dritter gegenüber ber 23erfügung8ge< 
roalt ber ©igentünter über Quellen geroünfdjt unb Slrt. 3 bei* 
halb an bie ftommiffion jurüefoerroiefen. ®iefe beantragte 
hierauf, in 2lbf. 2 bei 2trt. 3 ber SSeramltungibehörbe burd) 
bie Raffung : „@i ift jebod) ju unterfagen ober ju befchränfen“ 
bie Unterfagung ober SJefdjräntung ber SBafferförberung ober 
Begleitung nicht bloß ju geftatten, fonbem oorjufdjreiben, 
roenn burd) bie fförberung ober Begleitung ein erhebliche^ 
öffentliche^ ^ntereffe uerletjt roerbe. 2118 foldjei, ba8 oon 


Digitized by Google 



SSerfiigungcn ber äBtrtoalhmgSbtljdrben :c. 195 

bet 93erroaltungSbef)örbe gefdjüht roerben müffe, fei inSbe* 
fonbete aud) bie burd) bie ^Beeinträchtigung beS SBafferftanbeS 
eine§ öffentlichen ©eroäfferS erfotgenbe beträci)tticf)e ©d)äbü 
gung non äßaffernuhungSberedjtigten in bem ihnen feit langet 
3eit suftehenben SBafferbejug ober oon ©runbeigentümern, 
b. h- fl ud) nur eines biefer gntereffenten ju erflätett. Sie 
SDJinberheit ber Hommiffion beantragte bagegen ju bem Slbf. 2 
eine Raffung, nach ber äroar im gälte ber 23erlet)ung eines 
erheblichen öffentlichen gntereffeS bie Unterfagung ober s -8e= 
fdjränfung ber SBegleitung ebenfalls ftetS ftattftnben follte 
(„@S ift jebod) ju unterfagen ober ju befchränfen"), aber bei 
ber im übrigen roie in bem Eintrag ber Äommiffionsmehrheit 
berücffichtigten ©djäbigung ber 2Baffernut}ung§bered)tigten eine 
93erlet)ung eines erheblid)cn öffentlidjen gntereffeS nur follte 
angenommen roerben fönneit, nicht angenommen roerben muffen. 
9ti e b e r , a. a. 0. ©. 82/83. 

23ei ber SBefchlufjfaffung in ber 2lbgeorbnetenfammer, 
Sßerh. ber Hammer ber Slbg. 1899/1900 5. s Zßrot. 33b. 

©. 3079 ff., 3104 ff. ; 9t i e b e r a. a. 0. ©. 83 ff., 
fiegte ber letztere ©tanbpunft unb eS erhielt bentnadj ber 
3lrt. 3 2lbf. 2 ben jetzigen, eingangs angeführten SBortlaut, 
ben bie Kammer ber ©tanbeSherrn in allen Seilen genehmigte, 
ißerh- ber Hammer ber ©tanbeSherrn 1900 'fjrot. 

©. 1032; 9tieber a. a. 0. ©. 85/87. 

Sie Hammer ber ©tanbeSherrn ging hiebei baoon auS, 
bie 2lnorbnung beS öefetjeS, baff bie görberung ober 3Beg= 
leitung »on SBaffer buid) bie äkrroaltungSbehörbe unterfagt 
merben müffe, roenn ein erhebliches öffentliches gntereffe uer= 
letjt fei, fei im roefentlidjen eine formale. Senn bie S3er= 
roaltungSbehörbe roerbe, roenn fie bei SBerletjung eines öffent= 
liehen gntereffeS ju beffen ©djutj befugt fei, eine fold)c ©d)äbi= 
gung aud) in ber Ütegel oerhinbem müffen, aud) ftehe bie 
©ntfdjeibung ber grage, ob ein erhebliches öffentliches gn* 
tereffe als oerletjt ju erachten fei, im ©rmeffen ber SBerroat» 
tungSbehörbe unb eS fönne biefe, roenn bei bem ©egeniiber- 

^a^rbili^et bet ffiilrttemb. SHe^Upfiegc. XX. 2. 14 


Digitized by Google 



196 ©ntfcfjcibungeii beä 58ersualtuitg§gericf)töfjof3. 

ftctjen mehrfacher als öffentlidjer anjuerfennenber $ntereffen 
beit für bie 3ulaffung fpredjenbeit überroiegenbe Bebeutung 
jufomme, ba§ Borliegen einer Berle^ung öffentlicher $n= 
tereffen Derneinen. 

3u 2trt. 3 2tbf. 2 ©at) 2 mürbe fobann auSbrücflid) 
bemerft, er enthalte gegenüber bent (Sntrourf infofern eine 
Slenberung, als nad) feinem SBortlaut aud) bie beträchtliche 
©djäbigung eirtesS einzelnen 2Baffernut>ung§berechtigten jur 
2Innaf)me ber Berle^ung eines erheblichen öffentlichen Qn» 
tereffeS fotle führen fönnen, nicht aber, toie bie Btehrheit ber 
Äommiffion ber Slbgeorbnetenl'ammer bei ber roieberholten 
'Beratung norgefchlagen hatte, führen müffe. 

©tanb nad) all’bent bie 3u*üätroeifung beS Berlangens 
ber Befd)roerbefüf)rer nad) ©infdjränfung ber non ber ©tabt» 
genieinbe 2. geübten SBafferableitung auS ber dufferen 
Sängenbadjquelle im freien ©rmeffen ber BerroaltungSbe» 
hörbe, fo mar bie erhobene Bcfchmerbe als unftatthaft ab- 
juroeifen, roie gefdjehen. ®er Ä. ©eheime Bat hat unter ber 
^errfdjaft beS früheren 9ted)tS allerbingS in mehreren fällen 
ein @infprad)e= unb Befcf)roerbere<f)t ber Bertreter angeblich 
gefährbeter öffentlicher Qntereffen (j. B. be§ ©emeinberats 
bei ©emeinbebrunnen) als juläffig üorauSgefetjt. 

SEBütt. Strdjio Bb. XIV ©. 257. 

@3 fotl hier nicht unterfudjt merben, inroiemeit bieS für 
baS frühere Becf)t in ben bamalS jur ©ntfdjeibung gelangten 
fällen gerechtfertigt mar. ®er BerroattungSgerichtShof hält 
nad) ben oorftetjenben SluSfüljrungen bei bem geltenben Stecht 
unb für ben oorliegenben $all bie BechtSbefdjmerbe jeben* 
fall§ für auSgefdjloffen. 

Bon biefem ©tanbpunfte auS tonnte ein näheres ©in» 
gehen auf bie Begrünbung beS angefochtenen BefdjeibeS beS 
$. SJtinifteriumS beS Innern unterbleiben. ®enn auch bann, 
roenn entgegen ber Sinnahme beS 5?. SJtinifteriumS beS 3n= 
nern in ber 2luSbehnung ber 2Bafferleitung auf baS rechte 
Bagolbufer eine Beränberung beS beftehenben 3uftanbeS ju 
erblicfen märe, märe bie für ein ©ittfdjreiten ber Bermal» 


Digitized by Google 



Siiib 23aufonbS unb StultfoftenfonbS k . 197 

tungSbeljörbe ju ©unften ber 93efd)merbeführer majjgebenbe 
93orau§fet;ung ber 9lnnahme ber Serlefcung eines* erheblichen 
öffentlichen $ntereffe3 nach n>ie oor bem freien ©rmeffen an« 
heimgeftellt unb e§ würbe bentgemafj auch bann an einer 
gefetjlidjen ©runblage für eine oerwaltung§richterliche 91adp 
Prüfung ber angefochtenen Verfügung fehlen. 

Urteil oom 27. 9tooember 1907 in ber 9ted)t§befd)werbe= 
fache be§ ÜDtüllerS $aoib .£). unb bes* Sägmerfbefit)er§ 
3lb. 9Ö. in £. 


18. 


Snttb Hanfonbs itni> üultko|ifttfonbs, bie als üUilofungs« 
kapituliert für hirdjlidjr #aula|ictt mtb ftulibebürfnilfe 
in bie gerwaltmtg einer ^irdjengemeittbe gekommen 
k«b, kapital(leuerpfliihttg? 


2)ie Srage mürbe bejaht mit folgenber 93egrünbung: 

Streitig ift nur bie etwaige Äapitalfteuerbefreiung 
ber 99aufonb§ unb Äultfoftenfonb§, bie al3 SlblöfungStapi« 
talien für firchlid)e 83aulaften unb ftultbebürfniffe in bie 93er« 
roaltung ber eoangelifdjen Sirdjengemeinbe |>. gekommen finb. 
'Sei ber @ntfd)cibung hierüber fann eine erneute Prüfung ber 
(frage unterbleiben, ob al§ Stiftungen für gotteSbienftlidie 
3mede im Sinne be§ 9lrt. 6 $iff. 8 be3 Äapitalfteuergefetjeö 
oom 8. Sluguft 1903 blojj ^wectoermögen mit eigener 9ied)t§= 
fähigleit ju gelten haben. $enn welche Stellung aud) ju 
biefer Stage einjunehmen ift, {ebenfalls erfdjeinen nach ber 
Slnfidjt be§ 9$ern>altung§gerichtShof3 jene 2lblöfung§fapitalien 
nicht al§ Stiftungen, für bie auf ©runb ber angeführten 
©efet}esbeftimmung Steuerfreiheit beanfprud)t werben barf. 

Sdjon in einem Urteil oom 30. Januar 1907 (SBürtt. 
Sahrb. 19. 93b. S. 240) hat ber 93erwaltung§gerid)t§hof er« 
fannt, bafj bie in 9lrt. 6 3'ff- 8 bcs ÄapitalfteuergefetjeS oor» 
gefehene Steuerbefreiung ftd) nur auf@injelftiftungen 
mit beftimmten gmedett, bagegen nidjt auf ba§ 0rt§fird)en= 


oermögen im allgemeinen bejietje, wie entfpred)enb nach bem 

14* 


Digitized by Google 



198 Sntfrfieibmigen beS akrrodtimg»gericf)täfjof£. 

im ©inoerftönbniS mit bcnt ©uang. Konfiftorium ergangenen 
©rlafj beS K. SteuerfollegiumS, Abteilung für birefte Steuern, 
nom 30. -Jtooember 1905 $iff. H, 4 (Amtsblatt ©eite 
150) aud) bie in 2lrt. 6 $iff. 7 beS KapitalfteuergefetjeS für 
bie Dotationen ber örtlichen KircfjenfteHen ber eoangeUfdjen 
Kircfje beftimmte ©teuerbefreiung auf bas ©infommen aus 
bem Vermögen ber Kircfjengemeinben feine Slmoenbung finbe. 
2ln biefer SluSlegung beS ©efetjeS ift feftjufjalten. ©ie er» 
gibt ftcf) auS bem SBortlaut unb inneren 3ufammenl)ang be§= 
felben, ba für bie 3iff. 8 beS 2lrt. 6 im ©egenfat) ju ber 
SluSbrucfSroeife in Ziffer 7 ftatt bet allgemeineren Sejeid)» 
nung ber „gonb§" bie fpegiellere ber „Stiftungen" geroäf)lt 
ift unb ba oor allem bie in 2lrt. 3, I, 1 be§ Kapitalfteuer-- 
gefetjeS feftgefetjte ©teuerpflidjt ber recf)t§fät)igen Körper» 
fdjaften beS öffentlichen 9ted)tS, bie anerfanntermajjen aud) 
bie Kircfjengemeinben treffen foll, für biefe nafjeju ganj ohne 
3nt)alt märe, roenn bas im ro ef entlief) en ben gotteSbienftlicfjen 
3roecfen bienenbe unb mit ihren (Erträgen für fie jur 23er» 
menbung gelangenbe CrtSfirdjenoermögen oon ber Vefteue» 
rung ausgenommen fein mürbe, ^jieju fommt noch, bafj 
bei ben lanbftänbifdjen Verbanblungen, auS benen bie 23e= 
ftimmung ber $iffer 8 f)eroorging, auSbrücflicf) unb im all» 
gemeinen, allerbingS mit befonberer ^Betonung für bie 23e» 
beutung ber SBorte „gotteSbienftliche 3roecfe", auf bie Kirchen» 
gemeinbegefetse oom 14. Quni 1887 als bie ben begriff ber 
firdjlidjen Stiftungen für bie 3mecfe beS ©otteSbienfteS feft» 
legenben ©efetje fjingeroiefen mürbe. 9lamentlicf) mar eS in 
ben Sitzungen ber Kammer ber ©tanbeSljerren oom 21. 2)lai 
1898 unb oom 12. Dezember 1902, mo ju bem mit 2trt. 6 
3iff. 8 beS KapitatfteuergefetjeS übereinftimmenben 2lrt. 8 
$iff. 9 beS ©infommenfteuergefe^eS oom 8. Sluguft 1903 ber 
Vertreter ber Regierung erflärte: 

„Dafj mir ben begriff ber Stiftungen für gotteS» 
bienftlidje Qwede nach Maßgabe ber ©efe^e, betr. bie 
Vertretung ber eoangelifdjen bejro. fatf)olifd^en Kirchen» 
gemeinben, oom 3ahre 1887 auSlegen, monad) bie Stif» 


Digitized by Google 



@tnb SScmfonbs uttb ffultfoftenfonbB :c. 


199 


lungert für gotteäbienftliche 3>»ecfe umfaffen bie Stiftungen 
jur ©eftreitung ber Äultfoften, fobann ben fämtlicfjen 2luf* 
wanb für bie 9lbf)altung be§ ©otte§bienfte§ unb in§be= 
fonbere ben tircfjlidjen ©auaufroanb. 3n biefer ©efd)tän= 
fung auf bie Stiftungen ju ben eigenttidjen gotteSbienft* 
licken 3n>etfen, bie in ber öffentlichen ©erwaltung be§ 
Äird)enftiftung§» ober be§ £ird)engemeinberat§ ftetjen, haben 
wir (fd)on früher) feinen SBiberfprud) erhoben .... ®iefer 
Stanbpunft wirb oon unferer Seite auch je^t noch feft= 
gehalten," 

unb ber ©eridjterftatter ber Kammer fid) ähnlich unter ©e= 
pgnaf)tne auf bie, wie erwähnt, oorauägegangene Sleufjerung 
baf)in au§fprad): 

„®§ ift bamalS jur Sprache gefommen, bafj ber © e = 
griff ber Stiftungen für gotte§bienftlid)e 3n>ecfe nad) 
ben ©efetjen oom 14. $uni 1887, betr. bie ©ertretung ber 
eoangelifdjen bejro. fatf)olifd)en Äircfjengemeinben aufgelegt 
werben fotl, fo baß bie Stiftungen für gotte§bienftlid)e 
3roecfe umfaffen bie Stiftungen jur ©eftreitung ber 5?ult* 
foften, fobann ben fämtüchen 2lufroanb für bie Stbfjaltung 
be§ ©ottesbienfteä unb in§befonbere ben fird)lid)en ©au= 
aufroanb." (©erf). ber Kammer ber Stierten oon 1898 
II. ©rot. ©b. S. 796, oon 1902 I. ©rot. ©b. S. 457.) 
Ss f)aben aber ba§ ©oang. ftirdjengemeinbegefeß unb ba§ 
Jlatf). ©farrgemeinbegefeß oom 14. Quni 1887 bie fird)Ud)en 
Stiftungen al§ fogenannte ©injelftiftungen fd)arf oon bem 
Ort§fird)enoermögen unterfcfpeben (oergl. 2lrt. 30 biä 32, 
53, 55 2lbf. 1, Strt. 62 2lbf. 1 3iff- 1 be§ ©oang. Siirchen* 
gemeinbegefet}e§ unb 2lrt. 20 bi3 24, 26, 32 2tbf. 1 3iff- 1 
beS 5fatl). ©farrgemeinbegefe^e§). 

s Jiun finb weiterhin bie in ber ©erroattung bes Äird)en= 
gemeinberatä ftefjenben 2lblöfung§fapitalien für firdjliche 
©autaften unb JMtbebürfniffe nicht alä ©injelftiftungen 
gegenüber bem Drt§fird)enoermögen ju betrachten, roie fie 
aucl) in ben angeführten 5firchengemeinbegefet}en au§brücflicf) 
getrennt oon ben ©injelftiftungen gehalten werben (oergl. 


Digitized by Google 



200 Sntfdjeibungen bee S?emaltimg8flend)täl)of3. 

Strt. 53 $iff. 1 unb 2 bei ©oattg. Kirchengemeinbegefehes 
unb 2trt. 21 3iff. 1 unb 2 bei Katf). ^ßfarrgemetnbegefe^ei). 
$ene Kapitalien, fpejiell biejenigen bei oorliegenben ffallei, 
roeld)e ficf) auf bie Slblöfung non Kompleylaften puicffütjren, 
erfcheinen nach itjrer ©ntftehung nidt)t ali Stiftungen. Schon 
bie in Seiftungen für bie Kirche beftetjenben Kompleytaften, 
gefd)id)tlid) aui ber Stiftung einei Klofteri, ber Qinforpo* 
ration einer Pfarrei an bai Klofter unb ber fpäteren Sluf= 
Hebung beifelben unter ©injiehung feinei Sermögeni f)eroor= 
gegangen, rourselten in bem allgemeinen ©runbfat), bafj ber 
©enuf) bei Sermögeni einer Kirche ju it)rer Unterhaltung 
»erpflidjte (oergl. ißerataneber, Kird)enred)t 3. Stuft. S. 
911/912, 9tegfd)er, SBürtt. ißrioatrecht III. Sb. S. 472 ff. 
unb Sang, SBürtt. Sachenrecht 2. Slufl. Seil II S. 88); fte 
ftellten alfo nicht ftiftungimäffige Sluflagen bar, bie bann 
oon ber Slblöfung auibrücElid) auigefd)loffen roorben ftnb 
(©efet) oom 19. Slprit 18(55 Slrt. 1 Slbf. 2 lit. a. unb bie 
^janbauigabe non Steinbeil t)ieju S. 77 ff.). Sie Slblöfung 
felbft fobann mar ein entgeltlicher Slft, mit bem fid) 
bie teiftungipflidjtige Staatifinanjoerroaltung non ihren 
Saften gegen Sluibejahlung non Slbfinbungifapitatien an 
ben Seiftungiberedjtigten befreite, ©ine Stiftung aber, fo 
meit im übrigen ber Segriff gefaxt roerben mag, bebarf ju 
ihrer ©ntftehung einei in einer Sermögenijuroenbung, unter 
Sebenben in einer Sermögeniabtretung, ohne ©egen* 
l e i ft u n g fid) ootljiehenben unb bie Setroenbung ber aus* 
gefonberten Sermögenimaffe ju beftimmten 3roecfen anorb* 
nenben Stiftungiafti, ber atlerbingi namentlich in ©rrnang* 
lung ooit 9lad)roeifen burd) bai .ßerfommen erfet)t roerben 
fann (oergl. Slrt. 30 3iffer 1 bei ©oang. Kird)engemeinbe= 
gefehei). So roäre bie Sinnahme oöllig hattto§, bafj etroa 
mit ben Slblöfungifapitalien felbftänbige 3roecfoermögen fid» 
gebilbet hätten; oielmehr ift ei ohne roeiterei in ber Sach- 
lage begrünbet, bafj bie Kapitalien an bie roenn auch S uv 
3eit ber Slblöfung noch nicht organifierte Kirchengemeinbe 
übergegangen ftnb, welche nad) ben Sorfdjriften bei öffent= 


Digitized by Google 



©inb iöatifonbs unb Stultlofteufonba :c. 


201 


lidjen 9icdE)ts gut Unterhaltung bet Kirche unb be§ ®otte§* 
bienfteS berufen ift unb früher gegenüber ber ju Seiftungen 
für bie Sürdhe oerpflidjteten Staat§finangoerwaltung al§ 
leiftung§bered)tigt angefehen werben mufjte. Slud) blofj bie 
befonbere Sluftage einer beftimmten Verwenbung, bie mit 
ber SluSfolge ber 2lbfinbung§fapitatien oetbunben worben 
wäre, barf für bie Stbtöfung ber Äomplejlaften nidjt unterteilt 
werben. 3“ einer folgen hätte bem Seiftung§pftichtigen 
jebe Vefugni3 gefehlt, überbie§ wäre fie gegenftanb§lo§ ge» 
wefen, ba bie 3lblöfung§fapitalien fd)on auf ©runb gefets= 
lid)er Veftimmung ben gleidjen 3weden bienen füllen, benen 
bie abgelöften Seiftungen gewibmet waren (SIrt. 8 Slbf. 3 
be# ©efetjeg oom 19. Slprit 1865), unb nod) baju biefe 
3mecfe, bie Unterhaltung ber Äirdje unb bie Veftreitung ber 
Sultfoften, fid) oollfommen mit wefentlichen Stufgaben bedien, 
bie ber Äirchengemeinbe ohnehin rechtlich obliegen. $ie 
einzige ©igentümlichteit ber Slblöfungsfapitalien im Vergleich 
mit bem fonftigen Crtsfirdjenoermögen befteht barin, bah 
ihre bauernbe ©rhaltung, Vermehrung unb gmecfentfpred)enbe 
Verwenbung burd) befonbere bie Verwaltung unb Sluffidjt 
regelttbe Vorfchriften gefiebert ift (oergl. auch bei Steinheil, 
eoang. ßirdjengefebe <B. 501, bie Vorschriften für bie Ver» 
mögen§oerwaltung ac. ber euangelifc^en $ird)engenteinben 
§ 45 unb SBeinheimer, Verwaltung ber öffentlidjen Stif» 
tungen S. 166). 3)iefe ©igenheit teilen bie SlblöfungSfapi» 
talien mit ben befonberen $onb3, namentlich ben ineift einen 
^auptbeftanbteil be3 Ort§Krd)enoermögen§ bilbenben Vau» 
fonb§, foweit foldje für beftimmte, bodh in ben orbentlichen 
SlufgabenlreiS ber Kirchen gemeinbe fallenbe 3wecfe burd) 
ben Äircbengemeinberat fetbft oon bem fonftigen 0rt3fird)en= 
oermögen abgefonbert werben, wobei aber bie 9lbficf)t einer 
für bie ©ntftehung einer Stiftung notwenbigen Vermögend 
entäufjerung webet ueranlafjt ift, nocf) oollenb§ oerfolgt 
ober auSgeführt werben foll, foitbern lebiglid) eine Ver» 
wattung§einrid)tung bejwecft ioirb (oergl. Slrt. 62 Slbf. 1 
$iff. 1 d be3 ©oang. $!ird)engemeinbegefehe3 unb bie Vor» 


Digitized by Google 



202 ©ntfdjeibungcn bcS SSerwaltungägericfüSbof«. 

fünften für bie 93ermögen#oerroa{tung a. a. 0. § 1 2lbf. 2, 
§ 6, 8 unb § 62 9lbf. 2). 

Sinb fomit bie 3lblöfung#fapitalien rechtlich nicf)t al# 
©injelftiftungen, fonbern als Seile be# allgemeinen Drt#= 
firchenoennögen# ju betrachten, fo tonnte hieran ber ltm= 
ftanb nicht# cinbern, baf? etroa bei ben lanbftänbifchen 33er= 
hanblungen einzelne $ammermitglieber in bem 33eftreben, 
bie Slnfainmlung oon Mitteln jum Sau gotte#bienftlid)er 
©ebäube möglichft ju erleichtern, ade $onb# für Äircf)en= 
bauten, alfo auch bie htefür beftimmten 2lblöfung#fapitalien, 
al§ Stiftungen aufgefajjt unb barnad) für bie Steuerbe- 
freiung be# Slrt. 6 Ziff- 8 be# Äapitatfteuergefehe# in Sin» 
fpracf) genommen hätten. 2lu#brücflich ift bie# übrigen# 
jebenfall# nicht gefchehen; oielmehr mu| e# bahingeftellt 
bleiben, ob bei ber in Steuerungen ber fraglichen Slrt für 
Kirchenbaufonb# oerlangten Steuerfreiheit nicht roenigften# 
in erfter Sinie nur an folche ffronb# gebacht toorben ift, bie 
roirflid) burd) Stiftungen, etroa aud) mittel# Sammlungen 
in fleineren ober größeren Greifen, entftehen unb fid) all* 
mählid) au# bem Zinsertrag ber geftifteten ©elber, nach 
Umftänben in Sßerbinbung mit roeiteren ftiftung#artigen 3«* 
roenbungen, oermehren. Slnbererfeit# trifft für bie S3e* 
fteuerung ber 2lblöfung#fapitalien ein ähnlicher gefetjgebe* 
rifd)er ©runb ju, roie nad) Slrt. 6 Ziff- 12 be# Äapital* 
fteuergefetje# unb nach bem gleidffautenben Slrtifel 8 Ziff- 13 
be# ©intommenfteuergefehe# im ©egenfatj ju ber Steuerbe- 
freiung ber auf ber '•ßrioatroohltätigfeit beruhenben Stiftungen 
für inilbe Z^ede für bie ©efteuerung ber Stiftungen, bie 
ber öffentlichen Slrmenunterftütjung ober fonftigen Z "Jeden 
ber öffentlichen 2Bot)ltätigfeit geroibmet finb (oergl. © ö }, 
©infommenfteuergefet) Seite 100). Senn roährenb bie fteuer= 
freien ©injelftiftungen für gotte#bienftliche Zn>ede ihrer be= 
iottberen Seftimmung entfprechenb nad) bem 2lu#mafj ihrer 
©rträge eine ganj fpejietle, bie Äirchengemeinbe bei ©rfüllung 
ihrer Stufgaben in feiner SBeife entlaftenbe SBerroenbung 
finben fönnen, roenn auch nicht müffen, bienen bie SlblöfungS* 


Digitized by Google 



$aS Kapital* imb Ginfomntenfteiiergefefe 2 c. 203 

fapitalien auSfcfjliefilich ^öebürfniffcit, bie uon ber 
Kirchengemeinbe unter allen Umftänben jufolge öffentlict|= 
recf)tlirf)er 93erpflic£)timg ju beliebigen finb. $>ie ©teuerbe* 
freiung ber AblöfungSfapitalien fcf)tief?t bafjer eine Seoor* 
jugung ber mit ihnen auSgeftatteten Kirchengemeinben in* 
fofern in ftcf), als bie folctjer Kapitalien entbefirenben 
Kirchengemeinben genötigt ftnb, für bie Aufbringung beS 
anberSwo burd) bie AblöfungSfapitalien gebecften 33auauf= 
wanbS entroeber baS ber (StaatSbefteuerung unterliegenbe 
OrtSfird)enuermögen ju »erbrausen ober Umlagen ju ergeben, 
f>inftcf)tlid^ beren bie leiftungSpflichtigen Kirchengemeinbe* 
genoffen fein 9ied)t auf einen entfpredjenben Abjug bei 93e* 
meffung ber StaatSfteuer haben. 

Urteil ootn 13. -Jtooember 1907 in ber Kapitalfteuer* 

9fed)t§befd)roerbefad)e ber eoangel. Kircfjengemeinbe $. 

19. 

las Snpiial* uub bas (ginkatmncnlienergefe^ gewährt 
nicht beu Stiftungen überhaupt, funbrrn nur ben 
Stiftungen utit felbftänbiger Uedjteperfönliriiheit unter 

beftintmien Poronsfe^nngen Steuerfreiheit. 

®ie ©rünbe befagen : 

I. 33on bem KirchenftiftungSrat 9t. werben mit bem 
örtlichen Kirchenoermögen mehrere ju befonberen gwecfen 
beftimmte $onbS oerroaltet. Auf 1. April 1906 ift baS 
3inSeinfomnten auS allen bei ber Kirchenpflege oerruatteten 
ffonbs mit bem ©efamtbetrag oon 1065 cM 60 ^ ange* 
geben roorben, nämlich 

1. auS bem allgemeinen StiftungSfonbS 

mit 245 cM — 

2. auS bem UnterhaltungSbaufonbS mit 89 „ — „ 

3. auS bem ÜteubaufonbS mit .... 4 „ — „ 

4. aus bem 5°^ P 238 Jahrestags» 

ftiftungen mit 662 „ 60 „ 

5. auS fünf weiteren 5onbS pr Anfchaf* 


Digitized by Google 



204 (Sntfdjeibuugeu be 8 äkrh>aUun 08 gericf)t$l)of«. 

fung von Sferjen, jur Unterhaltung 
eines QelbfreujeS, jur Unterhaltung 
be§ einigen 2id)t§, jur Slnfdjaffung 
non ©üdjern für arme Hinbet mit . 65 cM — ^ 

jufammen — [• 1065 cM 60 

Unter Berufung auf 2lrt. 6 3iff- 8 be§ Hapitalfteuer- 
gefeites» norn 3. 2luguft 1903 hat bie Hirdjenpflege SR. für 
biefen betrag iJrei£)eit non ber Hapitatfteuer beanfprucbt. 
Sag St ©teuerfollegium hat jeborf) mit @rla§ nont 9. Qan. 
1907 bie fämtlichen angeführten 3in3 er träge für fapitat- 
fteuevppirfjtig erflärt unb bas Ä. t^inanäminifterium hat am 
22. SERärj 1907 bie bagegen erhobene SBefdjmerbe jurücfge- 
roiefen. (Segen bie am 13. 2lpril 1907 jugeftellte SUlinifterial* 
entfdjeibung fiat bie fatholifdje Hivchenpflege recf)tjeitig unb 
orbnunggmäfjig bie SRedjtSbefcfjroerbe an ben St ©erroal- 
tung§gerid)t§t)of eingelegt unb bie Befreiung non ber bean- 
ftanbeten Sfapitalfteuer unter Aufhebung ber angefochtenen 
(Sntfcfieibung beantragt. 

II. Ser 9ie<ht§befd)n>erbe fann eine Qolge nicht ge- 
geben roerben. Sie 23efd)n>erbeführerin macht geltenb, baß 
eS fich im nortiegenben Qalle nicht um ortäfird)lid)e§ 33er- 
mögen im allgemeinen, fonbern um eine SRcihe non ©injel- 
ftiftungen für gotteSbienftlidje 3medfe hanble unb bafj biefe 
alte unter bie 3iffer 8 be3 2Irt. 6 be§ Hapitalfteuergefeheg 
falten. 9JUt bem Segriff einer (Stiftung fann man einen 
roeiteren ober einen engeren Sinn oerbinben. Qm ineiteren, 
im geroöhnlidjen Sieben üblichen ©inn, nerfteht man unter 
(Stiftung jebe ju einem beftimmten bauentben 3*^ecf allge- 
meiner 2trt ausgefonberte $Bermögen§maffe, ohne 9iücffid)t 
barauf, ob biefem ÜBermögen felbftänbige 9Red)t§fähigfeit $u- 
fommt ober ob e§ einer anberen prinatredjtlidjen ober öffent- 
lidj red)t(td)en juriftifdjen ißerfon iibenniefen wirb; in einem 
engeren fpejififd) juriftifd)en ©inn bagegen begreift bie 
Stiftung nur foldje 'SermögenSmaffeit in fid), bie eine felb- 
ftänbige juviftifche s ^erfönlicf)feit bilben; eine berartige 


Digitized by Google 



Kapital- tmb baS @iit(ommtnfte»ergefe(j jc. 205 

Stiftung im engeren Sinn fann fowof)t nad) ben ©orfcfjriften 
be3 bürgerlichen ®efet)bud)§ (§ 80) al§ nad) ben ©eftim» 
mungen be§ früheren württembergifcf)en ©ecf)t§ für bie Stege! 
nur unter ©litwirfung ber Staatsgewalt entfielen in ber 
SBeife, bafj auf ben Antrag be§ Stifters ber König nad) 
einem oon bem juftänbigen Sieffortminifter erftatteten ®ut= 
actjten bie ©enehmigung erteilt (»erg!, iß l a n cf , Kommentar 
jum 33.©.©. 2. Stuft. 1. ©. S. 115/6, Sang, ©erfonen» 
red)t S. 153 ff.). SBetdjen Sinn baS ©efetj über bie 
fatf)olijd)en ©farrgemeinbeit mit bem SluSbrucf „Stiftungen" 
oerbinbet, fann t)ier batjingeftettt bleiben ; für bie SBürbigung 
ber oorliegenben ^ragc ift au§fd)tie^tidE) mafjgebenb ber 
Sprachgebrauch beS KapitalfteuergefetjeS, ber jufammenfätlt 
mit bem be£ 6infommenfteuergefet)eS. SBenn nun ber 3lrt. 3 
beS Kapitatfteuergefet 3 eS unb ber Slrt. 2 beS ©infommen» 
fteuergefe^eS für fteuerpflid)tig erftären „bie juriftifdjen 
©erfonen jeber Slrt, inSbefonbere bie red)tSfäl)igen Stiftungen" 
unb außerhalb bes KreifeS ber juriftifdjen ©erfonen au§= 
fdjliefjlid) „©erfonenoereine oon nicht gefd)loffener s Dtit= 
glieberjatjt", fo ergibt fid) auS biefer Slnorbnung dar, bafj 
oon ben beiben Stcuergefetjen als fetbftänbige Präger einer 
Steuerpflicht nur bie Stiftungen im engeren Sinn, bie mit 
fetbftänbiger 9techtSperfönlid)feit auSgeftatteten ©ermögenS» 
maffen anerfannt werben. Stucf) bie lanbftänbifchen ©er» 
hanblungen über bie angeführten ©eftimmungen ber Steuer» 
gefe^e taffen hierüber feinen ^weifet. Söenn bann bie 
Steuergefetje auS befonberen ©rünben in Slrt. 6 bejro. 8 
einzelnen ber grunbfätjtid) für fteuerpflidjtig erftärten ©erfonen 
unb ©egenftänben Steuerfreiheit im allgemeinen ober unter 
beftimmten ©orauSfetjungen jugeftehen unb roenn hiebei in 
mehreren Ziffern biefer Strtifet bie Stiftungen genannt 
werben, fo ntufj nad) allgemeinen SluSlegungSregeln ange» 
nommen werben, bafj bie ©efetje hier mit biefent SluSbrucf 
benfelben Sinn oerbinben, wie bei bem ootangegangenen 
grunblegenben Slrtifel. 3» einer gegenteiligen Sinnahme 
fehlt jeber SlnhaltSpunft. ^iernad) beziehen fid) bie Steuer» 


Digitized by Google 



206 (Sntfc&ribungen btS SkmaltuitqSgeriditSliofS. 

befreiungen beS Kapital» unb ©infomntenfteuergefeheS a u § * 
f d) l i e jj l i d) auf Stiftungen mit felbftänbiger 
9ied)tSperfönlid)feit. 

^afj aber ben in grage ftetjenben SermögenSteilen oom 
Staate bie 9tecf)te einer juriftifdjen ^ßerfon »erliefen morben 
mären, behauptet bie 33efcf)merbefüt)rerin felbft nicf)t; baS 
©egenteil ergibt fid) teils auS ber 9fatur biefer f^onbS, teils 
au§ ihrem geringfügigen Kapitalbetrag. S)er allgemeine 
StiftungSfonbS unb ber UnterhaltungSbaufonbS bienen mit 
ihren ©rträgen notmenbigen Söebiirfniffen ber ißfarrgemeinben 
unb bilben fo ben Kern beS DrtSfirchenoermögenS ; ber Um» 
ftanb, bafj biefe $ottbS auS -Smoeifungen ©injelner mit 
auSbriicflicher 3n>ecfbeftimmung entftanben finb, fann an 
ihrer 3ugehörigfeit jutn CrtSfird)enoermögen nidjtS änbern; 
bem OrtSfirchenoermögen als folgern fommt, roie ber 33er- 
roaltungSgerid)tShof in anberen fällen fd)on entfdjieben h“h 
eine befonbere felbftänbige 9ted)tSperfönlic^feit nidjt $u; feine 
$erroaltung unb ©rhaltung ift gefiebert burd) bie ber s $farr= 
gemeinbe bejiehungSroeife ber Kirdjenpflege juftehenbe 9ted)tS= 
fähigfeit. 

9lud) bie QahrtagSftiftungen ermangeln nach ber nuifp 
gebenben fatholifchen Sluffaffung ber felbftänbigen &ied)tS= 
perfönlid)feit; fie finb, mie jutreffenb in ber angefochtenen 
©ntfdjeibung h eiü0l ' 9 e hoben ift, Kapitaljuroenbungen an 
eine Kirchen» ober Stiftungspflege unter ber Auflage, für 
eine oerftorbene 5ßerfon auf beftimmte ober unbeftimmte 3«* 
eine ftille SJfeffe ober ein feierliches ^a^rtagSamt abjuhalten; 
fie tragen fomit recf)tlict> ben ©h ata ^ er öon ©djenfungen, 
bie mit einer Auflage oerfnitpft ftnb. 3« ber Verfügung 
beS bifdjöflichen OrbinariatS oom 9. ®ejember 1901, be= 
treffenb bie SJiefjftiftungen fpejieü QahrtagSftiftungen ift 
auSbrücflid) benterft, bafj biefe Stiftungen fortan bem CrtS» 
fird)enuermögen jufallen unb bafj ber KirchenftiftungSrat 
unter beftimmten 23orauSfet$ungen oerpflichtet fei, folcfje 
Stiftungen anjunehmen unb für beren ©rfüllung Sorge ju 
tragen (oergl. Kiene, KatholifdjeS jßfarrgemeinbegefeh, 


Digitized by Google 



Kapital« unb ba§ GHnlommeufteuevgefe& 2 c. 207 

S. 82, 93, 101 ff.). Bei ben übrigen in Betracßt fommettben 
5onb£ mit eigener -Sroecfbeftimmung fann fcßon roegen bet 
©eringfügigfeit ifjreS Kapitalbetrags an bie Berleißung ber 
Bedjte ber juriftifcßen ißerfönlicßfeit nirf)t gebadet merben. 

©ine folcße ift aucß für bie fänttlicßen bejeicßneten 8bnb§ 
nicßt erforberticf), ba burcß beren 2lnfcßluß an ba£ Orts« 
fircßenoermögeit unb ‘bie bamit gegebene Berroaltung bei 
KircßenftiftungSratS bie bauernbe ©rßaltung unbbeftimmungS« 
gemäße Berroenbung auSreidßenb ficßergeftellt roirb. Unb 
roenn biefe goribS infolge ißrer Bereinigung mit bem 
OrtSfircßenoermögen ber Botroenbigfeit entßeben, ficß bie 
mit Umftänblicßfeit unb Koften »erbunbenen Bedßte einer 
juriftifdjen B cr f on SU erroerben, fo fann feine Unbiüigfeit 
barin gefunben merben, baß fie in einer Bejießung bei ber 
Beranlagung jur Kapitatfteuer jufolge ber Borfcfjrift bes 
©efeßeS ungünftiger beßanbelt merben, als bie mit BecßtS« 
fäßigfeit auSgeftatteten Stiftungen. 

©ie in $rage ftefjenben gonbS finb großenteils feit 
ißrer Uebermeifung an bie Kirdjenpflege mit äluflagen be= 
laftet, meldje bie freie Berfügung übet ißre ©rträge auS« 
fdjließen; bie Berroaltung biefer JonbS feitenS beS Kircßen« 
ftiftungSratS befteßt baßer ßauptfäcßlicß barin, baß biefe 
Beßörbe für bie ben Auflagen entfprecßenbe Berroenbung 
ber ©rträge, für bie gemiffenßafte ©rfütlung ber auf biefen 
gonbS laftenben Berbinblicfjfeiten Sorge trägt. SBäßrenb 
aber ba£ ©infommenfteuergefetj in 2frt. 9 Ziffer I, 4 bei 
ber Beranlagung jur ©infommenfteuer ben 2fbjug berartiger 
bauernber Saften oon ben ©innaßmen gutäßt, ift bei ber 
Beranlagung jur Kapitalfteuer gemäß ber auSbrücflicßen 
Borfcßrift in 2lrt. 8 2lbf. 1 beS KapitatfteuergefeßeS als 
fteuerbarer Betrag ber »olle QaßreSertrag ber Kapitale oßne 
Slbjug oon Sdßulbjinfen unb Saften anjufeßen. ©ie 2lb= 
jugSfäßigfeit ber auf ben gonbS ßaftenben Saften ift bem« 
gemäß für bie Kapitalfteuer auSgefcßloffen. 

Urteil »om 12. Quni 1907 in ber Kapitalfteuer«9iecßtS« 
befcßroerbefacße ber fatßol. Kitcßenpflege in s Ji. 


Digitized by Google 



208 (Sntfrfjribungen be8 a3crtt>aItimgSgerid)ta^of8. 

20 . 

Bctr 30n|f|lnb bes gtrt. 7 pbj\ 2 btr ©tmeinbeorbnnng 
ift flttdj für bie rrfimnlige Grtttteilmtg ber ©emeinben 
entftbeibritb. 

$ie ©rünbe bef eigen: 

I. $ie Stabtgemeinbe 2t. batte nad) ben ©rgebniffen 
ber 93olfljählungen am 1. $5ejember 1900: 9058 unb am 
1. SDejember 1905: 10442 ©imoobner; bei ber 23erufl= unb 
23etriebljählung am 12. ^iuni 1907 fobann mürben in ber 
genannten ©emeinbe 10 630 ©imoohner gejähtt. ©emäfj bem 
©efetje oom 21. 9Jtai 1891, betreffenb bie Sßermaltung ber 
©emeinben ec. 2lrt. 18 ogl. mit ber 23ollpgloerfügung baju 
§ 14 gehört 2t. bermaten ju ben größeren Stabtgemeinben 
im Sinne ber 2Irt. 18 ff. bei gebauten ©efe^el. 

«mit allgemeinem ©rlafi an bie ft. ftreisregierungen unb 
ft. Oberämter oom 23. September 1907 orbnete bal ft. 5Jti» 
nifterium bei Qnnem jum Smecf bei Sßoüjug§ ber ©emeinbe» 
ovbnung oom 28. Quli 1906 an, bafj alSbalb bie ©inteüung 
fcimtlidjer ©emeinben feftgefteüt merbe, mie fie ftcb nach 
2lrt. 7 2tbf. 1 ber ©0. mit Söirfung oom 1. $e$ember 1907 
an ergebe, unb bafi btebei bal ©rgebnil ber jroei lebten 
allgemeinen 93olfljäf)tungen oom 1. 2>ejember 1900 unb 
oom 1. ®ejember 1905 mafjgebenb fei. ®ementfpred)enb 
machte, nadjbent bie ft. ftreilregiermtg in ©droangen ben 
2lnfprud) ber Stabtgemeinbe 21. auf 2lnerfennung all mitt« 
lere Stabt im Sinne ber ©O. burd) ©rlaf oom 26. Sep» 
tember 1907 abgelebnt hatte, bal ft. Oberamt 21. in ber 
ftocherjeitung, bem 2lmtl* unb 2lnjeigeblatt für ben Ober» 
amtlbejirf 21., unter bem 1. Oftober 1907 eine neue oom 
1. Siesember 1907 an in 2Birfung tretenbe ftlaffeneinteilung 
ber ©emeinben bei Oberamtlbejirfl 21. befannt, in ber bie 
Stabtgemeinbe 21. all jur erften ftlaffe ber fleinerett Stäbte 
(2lrt. 7 2lbf. 1 ber ©0.) gehörig aufgeführt ift. äöegen 
biefer ©inreihuttg erhoben bie bürgerlichen ftoßegien oon 21. 
©efchmerbe, bie oon ber ft. ftreilregierung bem ft. üftinifte» 


Digitized by Google 



$er üRajjftab be$ 2lrt. 7 9lbf. 2 ber ©emetnbeorbmmfj 2 c. 209 

rium beS Qnnevn oorgelegt unb oon letzterem am 15. Otto» 
ber 1907 abgeroiefen mürbe, ©egen bie ©ntfcßeibung beS 
ÜJtinifteriumS f>at nun baS Stabtfdjultheißenamt 21. im 91a* 
men unb 2luftrag beS bortigen ©emeinberatS mittels eines 
bei bem SßcrioattungSgerid)tSf)of am 19. Oftober 1907 
eingefommenen ScßriftfaheS recßtjeitig unb orbnungSmäßig 
9ted)tSbefd)merbe eingelegt. 

II. ®ie 3 u töffigfeit ber 9Ie<htSbefd)roerbe als folcfje ift 
nicht ju beanftanben. 0bmof)l au§ 21rt. 7 ber ©O. für bie 
einzelne ©emeinbe an fid) fein VedjtSanfprud) auf eine be- 
stimmte ©inteilung in eine ber gefe^lid) oerfcfjiebenen ©e* 
meinbegattungen abgeleitet merben fann, folgt bod) auS ben 
an bie ©inteilung fid) fnüpfenben rechtlichen Sßirfungen, baß 
fie unter Umftänben bie betreffenbe ©emeinbe mit einer ihr 
nid)t obliegenbcn Verbinblidjfeit belaftet unb fjienad) bie 
©runblage für eine lRed)tSbefd)roerbe gibt, ©ine berartige 
9Jlöglid)feit läßt fid) im gegenroärtigen galt nid)t oon oorn* 
herein beftreiten. $ie oon ber (Stabt 21. für fid) geltenb 
gemalte ©igenfdjaft einer mittleren Stabt mürbe nacf) 2lrt. 
190 2lbf. 1 3iffer 2 ber ©O., roie eS bereits nad) 2lrt. 25 
ber VerroaltungSttooelle oom 21. Wai 1891 gefd)ief)t, ben 
Vorjug begründen, baß fie bei ber Veräußerung unb bhtg* 
lidjen Velaftung oon ©runbeigentum ober biefem gleirfjju» 
acfjtenben fRedjten erft im 5«lle eines ben Vetrag oon 10 000 SOI. 
überfteigenben 2BertS bie ©enehmigung ber VegierungSbe* 
f)örbe einjußolen f)ätte, roährenb bieS oon ben fleineren 
Stabten fd)on für einen niebrigeren Vßertbetrag geforbert 
roirb. ®a nun nad) 9fr. 72 beS Tarifs jum 2ttlg. Sportel* 
gefetj oom 28. ©ejember 1899 bie ©emeinben für bie ©e= 
neßmigung jur Veräußerung oon ©runbftücfen unb Veal* 
rechten Sporteln ju entrichten haben, ift bie ©emeinbeeintei* 
lung oon ©influß auf ben Umfang, in bem eine Velaftung 
mit Sporteln eintreten barf. 

III. dagegen fann bie angefodjtene ©ntfdjeibung beS 
Ä. IRinifteriuinS beS Innern nid)t für redjtlid) unbegriinbet 
erachtet merben unb ift beSßalb ber 5Red)tSbcfd)merbe bet 


Digitized by Google 



210 


®ntfrf)eibuitgeii be? 5Bert»altungSflerid)t8f)of$- 


©rfolg ju oerfagen. 

®te in bet @0. beftimtnte ©emeinbeeinteilung roeidjt 
in mannigfachen Bejahungen oon bem bisherigen 9?ed)t ab. 
®ieS gilt aud) für bie fogenannten mittleren Stabte, ob* 
gleich fd)on feither für bie Stabtgemeinben non mehr als 
10000 ©inroohnern rechtliche Befonberheiten beftanben haben. 
$enn bie ©emeinbeeinteilung empfängt ihren $nf)alt erft 
burch bie an fte fiefj anfchlicfjenben rechtlichen folgen, unb 
biefe finb naef) ber ©O. im Vergleich mit bem bisherigen 
9ted)t erheblich uerfd)ieben. SBährenb in ber @0., roie feit* 
her, bie Slnftellung befolbeter ©emeinberatSmitglieber unb be= 
fonberer ißolijeibeamten ben ©emeinben oon mehr als 10000 
©inroohnem oorbehalten roirb, ftellt fte einerfeitS in ber 3u* 
läffigfeit ber 2lufftellung mehrerer ©emeinbepfleger, in ber 
Befeitigung allgemeiner 9lad)roal)len unb in ber Stattbaftig* 
feit ber Vornahme ber ©emeinberoahlen in mehreren Dtäum* 
lichfeiten ben in biefett fünften bisher prioilegierten größeren 
Stabten bie Heineren ©emeinben gleich unb fdjafft fte an* 
bererfeitS jal)lreid)e neue S9ef onberljeiten für bie mittleren 
unb großen Stabte, unter benen als bie roid)tigften baS Sßer* 
fahren nad) bem ©runbfatj ber DerhaltniSmäfjigen Vertretung 
ber äßahler bei ben SBahlen ju ben ©enteinbefollegien unb 
ber Uebergang ber StaatSauffidjt über bie ©emeinbeuerroal* 
tung an bie SreiSregierung heroorjuheben finb. ®ie 9lner* 
fennung einer ©enteinbe als mittlere Stabt hat fomit nad) 
ber @0. eine roefentlid) anbere rechtliche Bebeutung, als bie 
bisherige @inreif)ung unter bie größeren Stabtgemeinben. 

9Bie bie ©inteilung felbft, fo finb auch bie VorauSfetp 
ungen für bie ©inteilung in ber @0. oerfchieben oom bis* 
herigen 9ted)t geregelt, ©ine gefet}lid)e Vorfdjrift über bie 
Berechnung ber für bie ©inmeifung in eine ©emeinbefategorie 
ju »erlangettben BeoölferungSjahl befteht feither nicht. 9tur 
auf bem VerorbnungSroeg ift im allgemeinen beftimmt, bah 
bie erforberlidje BeoölferungSjahl eine nachhaltige fein müffe, 
unb ift bezüglich ber größeren Stabtgemeinben befonberS an* 
georbnet, baß baS jeroeilS amtlich befanntgegebene ©rgebniS 


Digitized by Google 



Ser SDiajji'tab bc3 2(rt. 7 21bf. 2 her (SScmctiibcorbmmg je. 211 

ber neueften S8o(f3$äf)lung ntaßgebenb fei (ogl. SSerfüguug 
be§ 9JHnifterium3 bc§ Innern oom 14. 2lpril 1829 unb SBott» 
SugSuerfügung biefe§ 9Jtinifterium§ jur 3)erwaltung3not>elle 
oom 18. iHooember 1891 § 14 bet ^leifchhauer, SSerwaltung 
ber ©emetnben ©. 310 unb 288). 2lttber§ bie 050., welche 
eine einheitliche unb bern ©rmeffen ber 23erwaltutig entrüefte 
s Jiorm treffen loitl unb baher in Slrt. 7 Slbf. 2 Sat) 1 beftimmt: 
„SJtaßgebenb für bie jeweilige ©inteilung ber ©emeinben 
ift ba§ ©rgebnis! ber jwei leßt oorattgegangenen allgemeinen 
3äf)lungen ber ort^anwefenben Söeuölferung." 

$aß f)iebei bie ©0. unter allgemeinen .Bähungen ^, cr «y e . 
oölferung nur bie in gleichmäßigen gerieben fxrf) wieber* 
hotenben SBolfSjählungcn cerftefjt, ift nach ber ©ntftef)ung§* 
gefd)id)te unb bem 3n>ecf ber fraglichen 2lnorbnung nicht ju 
bezweifeln. ®a§ fefjon feither aufgeftellte ©rforbernig ber 
'Itachhaltigfeit ber jeweils in s 43etracf)t fommenbeit S3eoöl= 
ferurtgSjahl foll in ber ©O. nicht abgefd)mäd)t, foitbent 
im ©egenteil gefiebert, erweitert unb für alle gäUe gleich’ 
mäßig feftgefetjt roerben; e3 ift begfjalb eine ber nur uttregel* 
mäfeig jur Ausführung gelangenben, möglicf)erweife furj nad) 
58olfS}äl)lungen erfolgenben 33eruf3= unb 93etrieb§iählungeu 
ber orbentlidjen SBolfSjählung nicht gleid) ju achten. 2>iefe 
Sluffaffung ift auch, nue angenommen werben barf, im ©e= 
feß geniigenb jum Ausbrud gebrad)t, fofertt fich eine '-Berufs* 
unb 33etrieb3jählung ihrer prinjipalen 3 1 * )e ^^) tun 9 nad) 
nicht als allgemeine 3ät)lung ber Söeuölferung barftellt. 

©emäfj Art. 241 ber @0. ift fdjott oor bem 1. 2)e= 
jember 1907, als bem normalen Anfangstag für bie 2Birt= 
famfeit ber ©O., bie 3 a fK her Üttitglieber beS ©emeinberatS 
feftjufehen. 3» biefem 3n>ecf muß aber für jebe ©enteiitbe 
bie gefebtid) für bie Ober* unb Untergrenje jener 3nh* mafj* 
gebenbe ©inteilung flargeftellt «unb, foweit bie ooni bi§f)cvi= 
gen 9ted)t abweidjenben 2Sorfd)riften in Art. 7 ber @0. t)tesu 
nötigen, entfprechenb geänbevt werben. ®a biefe Aenberuu* 
gen erft am 1. ®ejember 1907 in Kraft treten füllen, fann 
bie oor biefem 3 e itpuuft, jebori) in ©emäßfjeit ber 3)or= 

tcr Siiilntnub. WMbUpflejt. XX. i. 15 


/ 


Digitized by Google 



212 (Sntfdjeibunfltn beS aieriualtiingageridjläliof«. 

fdjriften ber ©O. p treffenbe ©inleitung nid)t burd) ben 
Umftanb geljinbert werben, baß fie nid)t auSbrücflid) in einer 
UebergangSbeftimmung oorgefeßen ift. 2lllerbingS ift bei bem 
Strange! einet UebergangSbeftimmung 510 ar in bem jweiten 
©aß non 2lrt. 7 2lbf. 2 ber $eitpunft beS (Eintritts einer 
2 !enberung ber ©emeinbeeinteilung für ben $all einer SSet= 
fdjiebung ber 23eoölferungSpl)l beftimmt worben, nicht aber 
baSfelbe für ben Uebergang 00 m bisherigen pm neuen 9ied)t 
gefd)ef)en. ©ofern inbeffett ber gebadjte Uebergang unerläß» 
lidje 2 lenberungen ber ©emeinbeeinteilung forbert unb als 
.Qeitpunft für ben ©intritt folcßer ülenberungen ber Sag beS 
QnfrafttretenS ber ©O. überhaupt fid) oon fetbft barbietet, 
burfte in biefer Siidjtung eine befonbere SSorfdjrift als ent» 
behrlid) unterbleiben. Sagegen ergibt ber ganjs aftgemein ge» 
faßte erfte ©aß uon 2lrt. 7 2lbf. 2 nad) feinem SBortlaut, 
mit bem nad) ber ptreffenben Sarlegung in bet angefod)» 
tenen 3Jlinifteriatentfd)eibung bie ©efeßeSmaterialien minbe* 
ftenS nidjt im SBibetfprud) ftehen, baß aud) für bie fragliche 
e r ft 11 t a l i g e (Einteilung ber ©enteinben ber ©runbfaß pr 
Slnwenbung p fommen t)at, wonach baS ©rgebniS ber jwei 
leßtoorangegangenen 93olfSphlungen maßgebenb ift. SieS 
ftimmt mit ber gefeßgeberifchen 2 lbficf)t überein, bie bei bem 
erwähnten ©runbfaß aber baf)in geht, eine gleichmäßige S 8 e= 
hanblung ber ©emeinben p fidjern. @S wäre bemnach nidjt 
p rechtfertigen, wenn beifpielSweife für bie ©inreißung einer 
©emeinbe in bie burd) bie ©O. neu gefcßaffene Kategorie 
ber großen ©täbte bie erforberlicfje oon mehr al§ 

50000 ©inwohnern bei ber erftmaligen ©inteilung nur auf 
ber ©runblage ber leßten 93oIfSpl)lung unb fpäter nach 9ftaß» 
gäbe ber jwei leßten 33olfSphlungen berechnet würbe. .ßwei» 
fei erheben fich allerbingS, wenn eS fich, wie im gegenwärti» 
gen fyall, barum hanbett, ob eine ©emeinbe, bie nach ben 
bisherigen 23eftimmungen fd)on als größere ©tabtgemeinbe 
oon mehr als 10 000 ©inwohnern anerfannt ift, jeßt pfolge 
beS ntebrbefprochenen ©runbfaßeS nidjt ben mittleren 
©täbten ber @0., fonbern ben Heineren ©täbten pgeteilt 


Digitized by Google 



Ser SDiajjftaf 1 be 8 SIrt. 7 9(bf. 2 bcr Öenieiitbeorbmnig k- 213 

werben fott. @1 hefje fiel) Ijiegegen etwa einwenben, bafj eS 
nid)t im Sinne beS ©efetjeS liegen fönne, bereit# erworbene 
Siechte wieber aufjufjeben, bafj oielmefjr eine fefjon beftefjenbe 
©inteilung fo lange fortjubauern Ijabe, bis jwei 93olfSjäh» 
lungen ein ^erabfinfen ber Seoölferuitg auf ober unter bie 
3al)l oon lOOOO ©inwohnern ergeben. ^ebodj wären biefe 
©inmänbe nid)t als ftid)tjaltig ju betrachten, ©in ©ingriff 
in erworbene Siechte fönnte nur barin gefunben werben, baff 
gegenüber einer jurjeit als größere ©tabtgemeinbe behart« 
beiten ©emeinbe burch bie S3erfehung unter bie Heineren 
Stabte bie feitherige 23efd)ränfung ber ftaatlidjen ®eauffid)= 
tigung ber ©emeinbeoerwaltung wieber befeitigt würbe. 211U 
ein ber ©runbfatj ber ©elbftoerwaltung ber ©emeinbe oerleiht 
im allgemeinen fein fubjeHioes Sied)t, wie jet^t mittelbar burch 
bie ben oermaltungSgerid)tlid)en ©dp© näher umgrenjenben 
33orfd)riften in 2lrt. 195 2lbf. 2 oerbunben mit 2lrt. 8 2lbf. 1 ber 
©0. anerfannt ift (oergl. auch ®öj, 23erwaltungSred)tSpflege 
©. 281). 2)ie Berufung auf eine fd)on beftehenbe ©inteilung 
fobann wäre be#hol£) hinfällig, weil nad) bem früher 2luS* 
geführten bie ©inteilung unter bie mittleren ©täbte ber ©O. 
einen anberen Qnhalt h°h bie ©inreihung unter bie 
größeren ©tabtgemeinben ber ißerwaltungSnooelle oom 21. 
9Jlai 1891, fo bafj bie erftere fid) nidjt als einfache ffort« 
fefcung ber letzteren auffaffen läfjt. 

.jpienad) erfcäjeint bie ©inreihung ber ©tabt 21. unter 
bie Heineren ©täbte ber ©0. (2lrt. 7 2lbf. 1 C) als redjtlic^ 
begrünbet. SBenn barauS für bie genannte ©emeinbe un« 
leugbar eine gewiffe |>ärte h«toorgeht, fo mufj fie als not» 
wenbige f^olge beS bejüglid) ber mafjgebenben 23eoölferungS« 
sahl in ber ©O. aufgeftellten feften unb allgemein burch« 
greifenben ©runbfafceS lp n 9 enomm en werben. UebrigenS 
fteht, waS roenigftenS bie eingangs berührte größere 93e* 
laftung mit ©portcln betrifft, jur ÜJlilberung jener £>ärte ber 
©eg beS ©portelnad)laffeS offen. 

Urteil oom 30. Oftober 1907 in ber SiechtSbefchwerbef. 
ber ©tabtgemeinbe 21. 

15 * 


Digitized by Google 



214 


(Siilfdjeibuitgen be3 33ernHi[tuiig§0erid()tef)of$. 


21 . 

©rbnnngsmäßige ilerirctnug einer ÜTetlgetnetnlir. Ju-- 
Jltinbigkeit ber Pernjaltungsgeridjte ?ttr (gntfekeibiuig 
über pnfprürfje auf SJetlnaljme an ©emeittbemtimitgen. 
PurmtsrEüttngeu für btt urrmflünttgsgeridjilidje ftlnge. 

© r ünb e: 

I. Qn bet am 20. Januar 1906 bei ber K. Regierung 
be£ QagftfreifeS eingefommenen Klage fjaben bie Kläger ben 
Eintrag geftellt, bie Veflagte fei fcfjulbig anjuerfennen, baß 
ben Klägern al§ Vürgern ber £eilgemeinbe ®t. Slnfprud) 
auf je ein Neuntel an ben ©emeinbenugungen juftefje, unb 
fjabe bie Koften bes Vedjtsftreitä ju tragen. 

Ü)iit Urteil uoin 17. 2>ejember 1906, au§ beffen Ve> 
grünbung fid) ber ®ad)uerl)alt im einjelnen ergibt, f)at bie 
K. Kreis>regierung bie Klage „au§ bem formellen ©runb be§ 
ÜJlangel§ eine3 Vefcf)luffe§ ber gefegmäjjigen Vertretung ber 
politifcfjen Seilgemeinbe St." foftenfäHig abgeroiefen. ©egen 
biefe§ Urteil Ijaben bie Kläger recfjtgeitig unb orbnungämäjjig 
bie Berufung an ben K. Vermaltung§gericf)t§I)of eingelegt 
unb in ber münblidjen Verljanblung ifjren in erfter Qnftanj 
geftellten Slntrag mieberf)olt ; eoentuell mürbe beantragt, baß 
ifjnen ba§ Vecfjt auf Vlitgenufj an ben ©emeinbenugungen 
überhaupt, oline quotenmeife 2lu§fcf)eibung if)re§ 2tnteil§, ju= 
gefprocljen merbe. ®er Vertreter ber Veflagten Ijat bem= 
gegenüber bie foftenfällige gurücfroeifung ber Verufung be- 
antragt. 

II. 2)ie beflagte Jeilgemeinbe mar im ganzen erftin- 
ftanpicfjen Verfahren — entfprecfjenb bem Crtsftatut unb 
gemäfj 2lrt. 8 2lbf. 5 be§ ©efeges» uom 17. September 1853 
betreffenb bie Verfjältniffe ber jufammengefegten ©emeiitben 
(Veg.=Vl. ®. 389) in Verbinbung mit 2lrt. 13 2lbf. 1 be» 
©emeinbeangef)örigfeit3gefege3 uom 16. Quni 1885 (Veg.= 
VI. ©. 257) — burcf) bie ©efamtfjeit i l) r e r ft i m m- 
berechtigten Vürger uertreten. ®er Legitimation 
biefe3 gefegiidjett Vertreter^ für ben gegenmärtigen 2iecf)t= 


Digitized by Google 



CrbmuigSmäBige iliertretimg einer STeifgemeiube k . 215 

ftreit fielen aber Vebenlen entgegen. 2ltterbing§ fommt 
normatermeifc auf ©runb ber angeführten Veftimmungen bie 
Vertretung ber mit eigener juriftifdjer $ßerföntid)feit au§ge= 
ftatteten $eitgemeinbe ©t. nad) aufjen ebenfo roie bie Ver- 
mattung ihrer örtlichen Angelegenheiten (an ©teile be§ an* 
bermärt§ hieju berufenen, in ©t. aber nicht eingefetjten Seil» 
gemeinberatS) ber ©efamtheit ber ftimmberedjtigten Vürger — 
ber Xeilgemeinbeoerfammtung (ju »ergl. Art. 175 3tbf. 3 
ber neuen ©emeinbeorbnung) — ju. 9hm beftetjt aber bie» 
fe§ Vertretungsorgan nad) bem Veridjt be§ ©d)uttf)eifjenamt§ 
ber ©efamtgemeinbe S- • • auS inSgefamt jmötf (ober unter 
■jpinjurechnung be§ h* e & e i anfd)einenb aufjet Veredjnung ge* 
btiebenen Anwalts ©d). • .) au§ breijehn ©emeinbebürgern. 
Von biefen fdjieben für bie Veratung unb Vefdjtufjfaffung 
be§ oorliegenben ©egenftanbs bei entfprechenber Anroenbung 
be§ Art. 17 Abf. 3 be§ ©efet)e§ oom 6. Quli 1849 betr. 
einige Abänberungett unb ©rgänjungen bet ©emeinbeorbnung 
(9teg.»Vt. ©. 277) bie brei Stöger, roeld)e fämttid) jur gabt 
ber ftimmberedjtigten Seitgemeinbebürger gehören, ohne mei» 
tereS au§, ba fie ja ber Seitgemeinbe als Partei gegenüber» 
traten, atfo am ©egenftanb ber Veratung perföntid) interef» 
fiert roaren. @S fdjiebeit aber roeiter au§ bie fteben — bejm. 
ba einer ber Stöger, Q. ©d)., aud) unter ben .£)of hefigem 
genannt ift, — bie oerbteibenben fed)§ fogenannten |jofbe» 
fttjer, b. h- biejenigen Vürger ber Seitgemeinbe, roeldje in 
ihrer ®igenfd)aft als ©igentümer beftimmter ©runbftücfe in 
©t. . . baS auSfchliefjliche, angebtid) feit unoorbenflid)er Seit 
beftetjenbe 9tecf)t auf bie ben ©egenftanb ber Stage bilben» 
ben ©emeinbenu^ungen oerntöge prioatredjttidjer 5£itet für 
fid) in Anfprud) nehmen. Senn ber Anfprud) ber Stöger 
gegen bie Üeitgemeinbe auf 9Jhtgenufj an ben uon ihnen 
behaupteten perfönlichen ©emeinbenubungen im ©imt »ott 
Art. 20 beS ©emeinbeangehörigteitSgefebeS berührt fid) un= 
mittelbar unb berart mit ben ©onberintereffen biefer .jpof» 
befiber, bafj er, menn er begrünbet märe, bie Anfpriidje ber 
teueren bireft gefährben, ja auSfdjtiejjen mürbe. @S ergibt 


Digitized by Google 



216 (Jntfdjeibuiigeu bc« aicviualtuitgSgeridjt^fjof«'. 

fid) f)ierau§, bafj bie orbentlidje Bertretung bet Seilgemeinbe, 
bie ©efamttjeit bet ftimtnberedjtigten 'Bürger, wegen entgegen» 
fiefjenber ^ßrioatintereffen einer foldjen 2lnjal)l SHitglieber, 
bafj bie übrigen feinen gültigen Befdjlufj (bJlefjrbeitSbefdjluß, 
ju beffen ©üttigfeit bie 2lnroefenl)eit oon meljr al§ ber |>älfte 
ber Seilgemeinbeoerfammlung erforberlicf) ifi, — oergl. 2lrt. 17 
2lbf. 5 unb 7 be§ oorljin genannten ©efetje§ oom 6. ^uü 1849 
— ) mef)t faffett fonnten, aufjer ftanbe war, in biefer ©acfye 
bie Jeilgemeinbe ju oertreten. f)ätte bemgemäjj für ben 
oorliegettben gall b a § 0 b e r a m t bie 9ted)te unb ißflidjten 
ber oert)inberten $eilgemeinbeoerfammlung (nad) 9tücffprad)e 
mit ben nidjt beteiligten ©emeinbebütgern) auSjuüben gehabt. 
2lrt. 20 be3 ©efetjeS uom 6. $uli 1849; oergl. auef) 
bie ganj gleichartige Regelung in ber neuen ©emeinbeorb» 
nung 2lrt. 175 2lbf. 3 in Berbinbung mit 2lrt. 43. 

2)ies> ift in bem bisherigen Berfahren nidjt beachtet toor» 
ben. 2>ie ^olge baoon ift an ficf> bie 9licf)tigfeit aller oorauS» 
gegangenen ^rojePanblungen ; allein biefe DUdjtigfeit ift Ijeil» 
bar — ju ugl. tomm. uon @aupp»©tein jur ,3ioilptojef}orb» 
nung § 56 2lnm. I ff. — unb fte ift im uorliegenben <$all ge» 
heilt, ber Üfftanget in ber Segitimation be§ gefetjlidjen BertreterS 
ber Beflagten baburd) befeitigt morben, bajj ber roa^re ge» 
fehlidje Bertreter ber Beflagten, ba§ Oberamt Ä. . ., auf 
bie in ber BerufungSinftanj feitenS beS @erid)t§ unter ffrift» 
beftimmung ergangene Anfrage bie feitfyetige B r ü 5 e f 5 f ü f)= 
r u n g ber $eilgemeinbe ©t. . . genehmigt l) a t. 

III. ©treit befteljt jtoifdjen ben Bleien barüber, ob 
in ©t. . . perfönlicfje ©emeinbenutjungen im ©inn beS 3lrt.20 
beS ©emeinbeangehörigfeitSgefetjcS (SBalbnutjungen) beftehen 
ober ob biefe blutjungen prioatredjtlidjer 2lrt firtb, b. t). 2lu§» 
flufj oon Bealgemeinberedjten ober realgemeinbered)tSartigen, 
jebenfalls auf prioatredjtlidjer ©ruublage rutjenben Berecf)ti» 
gütigen im ©inn oon 2trt. 50 unb 51 beS reoib. Bürger» 
redjtSgefetjeS uom 4. ®ejember 1833. 

©rftereS behaupten bie Kläger, letjtereS ift bie ©inroeit» 
bung ber Beflagten. ^^fofern erhebt fid) junädjft bie gleich' 


Digitized by Google 



Crbnuiiggnmfeige Söertretmig einer ^etlgcmeiitbc je. 217 

fad! oon SlmtSroegen ju prüfenbe Qrage nach her Quläffigfeit 
beS S3erroattungSred)tSroegS für beit anhängigen StecfjtSftreit. 

2)ie 23ermaltungSgerid)te ftttb nacf) 2trt. 10 Qiff. 5 
beS üßerroaltungöred)tSpflegegefet)eS in ber Raffung beS 
©efetjeS über bie ©emeinbeangef)örigfeit uotn 16. Quni 1885 
(2lrt. 62 2tbj. 5) juftänbig für bie ®ert)anblung unb @nt= 
Reibung oon Streitigfeiten über Slitfprüdje auf Teilnahme 
an ben ©emeinbenutjuttgen, foroeit fie n i cf) t p r i o a t = 
r e cf) t f i cf) e r Statur fittb. Qm ©inflang bamit roeift 
Slrt. 45 beS ©efe^eS uom 28. Stooember 1900, betreffenb 
bie Stblöfung ber Stealgemeinberecfjte unb ähnlicher Stecfjte, 
Streitigfeiten über 93eftef)en, Umfang unb rechtliche Statur 
uon Siealgemeinberechten ober ähnlichen SiechtSoerhältniffen 
ben bürgerlichen ©ericfjten ju. Slutt liegt im oorliegenben Qatle bie 
Sache fo, bafj bie flägerifdje unb bie beflagtifcfje Sacfjbarftellung 
gar nicfjt neben eiitattber beftehen föttnen, bie Bejahung beS oon 
ben Klägern behaupteten SatbeftanbS oielmehr ganj oon felbft 
bie Unmöglichfeit beS SBeiterbeftehenS beS oon ber ©eflagten 
einreberoeife geltenb gemachten SiechtSoerhältniffeS bebeuten 
mürbe. Sltlein auch hie* fnnn, mie allgemein unb grunbfätj* 
lieh, nur bie objeftioeöefd) affenheit b e S oon 
ben Klägern erhobenen SlnfprucfjS ben SluS* 
fdjlag geben bei ber ©ntfd)eibung hinfid)tlid) ber ©ericf)tS* 
barfeit. Siefer ^Infprucf) aber ift unbeftreitbar ein bent öf= 
fentlichen Stechte angehöriger : ®ie Kläger beanfprudjen ben 
SJtitgenufj an perfönlichen ©emeinbenutjungen mit ber 93e= 
grünbung, bafj ihnen in ihrer ©igenfdjaft als Bürgern ber 
politifdjen Jeilgemeinbe St. . . ein gefet)tid)eS Slnrecfjt auf 
Teilnahme an jenen Stufungen jufomme. Ob biefer 2ln= 
fprud) materiell fid) als begrünbet ermeift ober nidjt, jeben= 
falls rourjelt er im öffentlichen, heute nod) gültigen Stedjte 
(Slrt. 20 ff. beS ©emeinbeangehörigfeitSgefeheS) unb ift ba= 
rum oott ben 58erroaltungSgericf)ten jur ©ntfd)eibung ju 
bringen, obroohl möglidjertoeife burd) folcfje @ntfd)eibung bie 
oon bet ©eflagten entgegengesetzten prioatred)tlid)en Stufungen 
mitbetroffen implicite oerneint mürben. 


Digitized by Google 



218 ©iitfdjeibmtflcu be$ 3?«riuflltimg§gcrid)t*()of«. 

93ergl. ©öj, 35erroattung§vcc£)tspfIege ®. 74/75 unb bie 
bortigeu 3itotc (nant. ©ad), 3ioil4Sroj.=9led)t ©. 107). 

Sie 3uläffigfeit be§ $8erwaltungsred)t§weg§ ftet)t fonad) 
nu|et 3iueifet. Sie oon bet 5)eflagten in erfter jQlnftans 
erhobene, im $8erufung§uerfahrcn nid)t mehr ausbriicftid) 
geltenb gemad)te Ginrebe bet „llnjuftänbigfeit be§ angeru* 
fenen 93ermaltung§gerid)t§" ift unbegriinbet. 

IV. Sagegen ift einer weiteren ^rojehuorauSfetjung, bie 
erfiittt fein muff, benot einer materiellen Prüfung unb Gnt» 
fdjeibung be§ Stlaganfprud)§ näher getreten roerben fann, 
im oorliegenben $all ni<f)t ©eniige getan. 

s IIad) 2lrt. 10 3iff- 5 9lbf. 2 be§ 93erroaltung§red)ts= 
pflegegefej)e§ ift bie Silage auf Seitnahme an ben öffentlich’ 
rechtlichen ©emeinbenut)ungen binnen eine§ 2)Ionat§ oon 
Gröffnung b c § gemeinberätlichen 33 e f cf) l u f f e § , 
tu e l cf) e r ben ©egenftanb ber21nfed)tung b i l « 
bet, gegen bie ©emeittbebehörbe bei bent SBerroaltung§ge’ 
rid)t einjureid)en, wibrigenfaltä ba§ 9iedt>t ju biefer 21nfed)= 
tung uerloren gel)t. Somit ift nicht blofj eine 2lu§fcf)luhfrift 
für bie Silagerhebuttg beftimmt, fonbern jugleid) jum 2htS’ 
brudl gebracht, bah oor Betretung be§ StlagewegS bie Gnt’ 
fchlieputtg ber ©emeinbeoertretung bezüglich ber beanfprud)= 
ten Seilnahnte an ben ©emeinbenuhungen feiten§ bc§ SIlägers 
eingeholt unb il)nt eröffnet fein muffe. <|§ ergibt fid) ba* 
rau§, bah eine unter Nichtbeachtung biefer ffiorfdjrift norher 
(oor Gröffnung bes Sefdjluffes ber ©enteinbebehörbe) er= 
hobene Silage al§ jur 3^it unjuläffig, unb jwar uon 2lmts= 
wegen abjuweifen ift. 2lu§ biefem ©efid)tspunft ift fdjon 
bas ©erid)t erfter Qnftanj jur Sllagabweifung — ohne ®ad)= 
entfeheibung — gelangt. 

Nun berufen fid) jwar bemgegenüber bie SIläger barauf, 
bie 23eflagte habe am 27. 'Sejentber 1905 (Ginteidjung ber 
Silage 20. Januar 1906) auf Slorftellung ber SIläger be« 
fd)loffen, ben 2lnfprud) ber SIläger abjuweifen. $n ©ahr* 
heit ift, wie fid) aus bem 23erid)t be§ ®d)uttheihcnamt§ 3- • • 
oom 27. gebruar 1906 ergibt, feiten§ ber Seilgenteinbe St. . • 


Digitized by Google 



SMc gefeflidjen 3?orau«fegmifleti für ba§ ®ei!iei»ben>al)lred)t jc. 219 

ein Vefd)luh in biefer Sad)e überhaupt nicht gefafjt roorben ; 
oiclmehr mürbe — mann? ift nicht näher erhoben — ben 
Klägern non ben „.jpofbefihcrn", b. h- oott benjenigen ©e= 
meinbebürgern, roeldje au§ prioatrechttid)em ©runbe bie in 
^ebe ftcljenbcn ©emeinbeni©ungen für fid) in 21nfprud) 
nehmen, münbtid) gefagt: „mir behaupten uttfer alte§ 9ied)t, 
baf? bie Stützungen ber ©emeinbe btofj auf 7 Seile oerteilt 
werben, roie bi§b>er, roie mir unfere .f)ofgüter übernommen 
haben." Somit tritt Har ju Sage, bofj ein Vefdjluh ber 
gefehlten Vertretung ber Seilgemeinbe gar nid)t juftanbe 
gefommen ift. 2Ibgefef)en baoon, bafj jebenfallS leine Ve* 
fdjlufj eröffnung im Sinne be§ genannten 2trt. 10 3iff- 5 
21bf. 2 V9I©. oorliegen mürbe — bentt eine btofj münb» 
lid)e SJlitteilung ift feine ©röffnung im Sinne be§ ©efetzees 
unb fann eine folcfje nid)t erfetzen — , haben bie $ofbefitjer 
bei jener 2Iu§funft erfichtlid) nur in SBahmehmung ihrer 
eigenen Qntereffen gehanbelt. Sie hätten aber jubem, ob» 
roohl fic anfd)einenb bie ÜOtehrjaf)! ber ftimmberedjtigten 
Viirger ber Seilgemeinbe bilben, al§ gefetzlidje Vertretung 
für biefe gar nid)t hanbeltt fönnen, benn baS orbentlidje tegel* 
mäßige Vertretungsorgan ber Seilgemeinbe, bie Seilgemeinbe» 
oerfatnmlung, mar roie für ben ^ro^efj felber, fo auch für 
ben bem ißrojefjoerfahren oorangehenben Vorbefdjeib im Sinn 
beS 2lrt. 10 3iff. 5 2Ibf. 2 nach bent oben unter II 21u§* 
geführten überhaupt nicht oertretungSfähig. 

Urteil oont 13. Stooember 1907 in ber Veruf.=Sad)e 
be§ 3of>. Sdjm. jc. in St. gegen bie Seilgemeinbe St. 

22 . 

jBic gcfrhlidlfii itörnitof>jm lt S fK für bas (Srntrinbe» 
mnljlrftht kirnt«« bnrdj Prrtriigc brr bririligtrn &e- 
ntfinbrn uidjt geimkert merken. 

21 u § ben ©rüttben: 

Sie Vefdjroerbeführer haben nach 2trt. 13 2lbf. 1 bes 
©efetzeS über bie VerroaltungSred)t§pflege oont 16. Sejern* 
ber 1876 barjutun, bah f ie burd) bie angefod)tene @ntfd)ci» 


Digitized by Google 



220 


©uifdjeibuiigeu beS S8emaItuiig8gerid)tSf)of£- 


bung in einem ihnen juftehenben 9iecf)t »erlebt fmb. 2>iefer 
9lacf)it>ei§ ift nidjt erbracht. 9tad) 2lrt. 12 2lbf. 1 be§ ©c= 
meinbeangehörigfeit§gefehe§ oom 16. £juni 1885 finb nur 
folcfje ^Bürger jur 2eilnal)me an ben ©emeinbetoahlen be= 
recfjtigt, bie im ©etneinbebejirf wohnen ober in @rmange= 
lung biefer BorauSfetjung in ber ©emeinbe mit ©taat^fteuer 
au3 ©runbeigentum, ©ebäuben ober ©ewerben im üHinbeft* 
betrag oon 25 9Jt. oerantagt finb. Unbeftrittenerniapen 
trifft bei ben Befchwerbeführern weber bie eine nod) bie atu 
bete biefer Borausfehuttgen ju. 

©in Vertrag swifchen ber ©tabtgemeinbe ffreubenftabt 
unb ber ©enteinbe Baier§bromt über bie fünftigen SJlunijU 
paloerhältniffe oon fyrieöridjätat oom 24. $uli 1837, auf 
ben firf) bie Befcf)merbeführer jur Begrünbung if)te§ 91nfprucb§ 
berufen, beftimmt atlerbing3 in § 8 : „Die öffentlichen 2Baf)l* 
redjte werben oon ben Bewohnern ju 5ricbrich§tal ba au§= 
geübt, wo ihnen ba§ Bürgerrecht jufteht." 2)iefe Beftimmung 
ftelft im Sßiberfprud) mit bem gettenben öffentlidjen i)ied)t, 
unb entbehrt, ba ba§ öffentliche 9ted)t burd) Verträge oon 
©injelperfonen unb körperfdjaften nur infoioeit, al3 ^ie§u 
eine ©rmächtigung erteilt ift, abgeänbert werben fann, ber 
rechtlichen SBirffamfeit, wie ficf) fcfjon au§ ber bie SBohnfteuer 
betreffenben ©ntfcheibung be§ k. Berwaltung§gertcf)t§hof3 
oom 30. 9flai 1906 ergibt. 

Urteil oom 22. Januar 1908 in ber 9fecf)t3befchwerbef. 
be§ ©. ©I. u. ©en. in ^riebrichätal. 

23. 

begriff ber Stiftungen für tnilbe jluirthe im Sinne 
ber Stenergefeite. 

2> i e ©rünbe befugen: 

I. 2er am 8. Oftober 1904 in ©t. oerftorbene ßeinrid) 
2h. hat in feinem 2eftament ootn 28. ÜJJai 1903 eine Stif= 
tung, bie ben s Jtamen „2lbrahant unb Henriette 2h . . . er= 
«Stiftung" tragen foll, al3 Unioerfalerbin eingefeht. 2)urcf) 
königliche ©ntfdjliefjung oom 27. ©eptember 1905 (oergl. 


Digitized by Google 



iBtflriff ber Stiftungen für milbe 3“>ccfe k- 221 

9teg. 4 3l. ©. 226) f)at bie Stiftung bie nachgefudfte ©enehmU 
gung ermatten unb bamit nach § 80 beS bürgerlichen ©e* 
fetsbuct)S bie 5Hecf)t§fäf)igfeit erlangt. ©emäß ben ben 93e= 
ftimmungen beS $eftamentS entfprecffenben Soßungen t)at 
bie Stiftung ihren Siß in St. $aS 9teinerträgniS beS 
StiftungSfapitalS fotl jur ©rjiehung unb 2tuSbilbung be= 
bürftiger unb toürbiger iSraelitifcfjer junger Seute beiderlei 
©efdjtechtS bienen, roeldje entroeber felbft ioürttembergijd)e 
Staatsangehörige ftnb ober beren ©Item feit minbeftenS 
10 fahren ihren Söohnfiß in SGßürttemberg haben. Qn erfter 
Sinie follen fotcfje junge Seute für bie Dtegel im Hilter oon 10 
bi§ 25 Rafften berütffid)tigt roerben, toeldfe ein £anbioerf, 
tedfnifdfeS ©enterbe ober ein Kunfigeioerbe erternen roollen. 
©in Üeit beS SteinerträgniffeS, jebod) nicfft mehr atS ein 
Viertel beSfelben lann 51 t anberen wohltätigen 3roeden, übri= 
genS mit befchränfung auf mürttembergifche QSraeliten 
unb mürttembergifche iSraelitifche ©emeinben oermenbet roer* 
ben, inSbefonbere jur Unterftüßung roohttätiger inlänbifdjer 
®emeinbe=®inrid)tungen, oon fraitfen ober älteren 'ißerfonen, 
bei roeldjen eine babefur ober ßofpitalbehanblung erforber= 
Iirf) ober ein ©rljolungSaufenthalt notroenbig ift (§ 1). Sie 
gerichtliche unb außergerichtliche Vertretung ber Stiftung 
unb beren Vermattung liegt bem Kurator ob, als roetcher 
jur $eit IRechtSanroalt Sr. 91. in St. beftellt ift (§ 2). 
Ueber bie Vermenbung ber Steinerträgniffe befdjließt ein 
befonberer StiftungSrat, ber aus bem Kurator unb jroei oon 
ber iSraelitifdfen 0ber£ircf)enbehörbe je auf bie Sauer oon 5 
fahren auS ihrer SDlitte 51 t ernennenben 9Jlitgliebern befteht 
(§ 7). Sie UnterftüßungSbeiträge follen in ber IRegel nicht 
toeniger als 100 9Jt. unb nicht mehr als 500 9K. für baS 
$at)X betragen (§ 8 ). Sie bemerber haben ben 9lad)meiS 
für ihre roürttemb. StaatSangehörigfeit ober ben 10 jährigen 
SBohnfitj ihrer ©Itern in äBürttemberg unb ein amtliches 
Zeugnis über ihre bebürftigfeit unb ihren Seumunb oorju* 
legen unb ben oon ihnen gemähten beruf anjugeben (§ 9). 
$ür baS Stcuerjahr 1906 hat ber Kurator ber Stiftung 


Digitized by Google 



222 ©utfdjcibungeit beS i*ermaltimg8gcrid)t-jf)of$. 

beren ftapitaleinfommen mit 7596 SRarf beregnet, fytenon 
feien für Stiftungljroecfe 6880 SRarf unb jroar für 2ful= 
bitbung unb ©rjiehung junger Seute 5250 SOiarf unb 
für SBohltätigfeitljroecfe 1630 SRarf im Sorjahr aulge= 
geben morben ; für biefe Setrage mürbe Steuerfreiheit bean= 
fprudjt unb nur für ben fReft uon 715 SR. bie ©teuerpflid)t 
anerfannt. $ur ftapitalfteuer mürbe bie Stiftung mit bem 
»offen Setrag »on 7595 SR. oerantagt; bei ber Seranlagung 
$ur ©infommenfteuer bagegen hat bie ©infdjähunglfommif* 
fiott »on bem 3infenertrage ben Setrag »on 1630 SR. unb 
aufjerbem für bie ftaatficEje ftapitalfteuerentricf)tung 120 SR. 
in Ülbjug gebracht unb nur bie Summe »on 5845 9R. für 
einfommenfteuerpflid)tig ertlärt. $)er fjiegegen »on bem Kura- 
tor erhobenen Sefchmerbe hat bie Sefchroerbefommiffton I bei 
ft. ©teuerfolfegiuml, Slbteilung für birefte Steuern, mit ber 
©ntfcfjeibung »om 8. Oftober 1907 infomeit ftattgegeben, 
baff ber fapitaffteuerpffid)tige ©rtrag auf bie Summe »on 
5965 SR. hera&gefeht mürbe, im übrigen aber mürbe bie 
Sefchmerbe all unbegrünbet abgeroiefen. Slud) bie meitere 
an bal ft. ginanjminifterium gerichtete Sefchmerbe rourbe 
»on biefem mit ber ©ntfcfjeibung »om 18. Stooember 1907 
all unbegrünbet abgeroiefen. ©egen bie SRinifterialentfche» 
bung hat ber Sertreter ber Stiftung rechtzeitig unb orb> 
nunglmäfjig bie 9ted)tlbefd)roerbe an ben ft. Serroaftungl= 
geridjtlhof eingelegt unb hiebei ben 9fntrag geftellt, ben fteuer= 
baren Setrag für bie ©infomntenfteuer unb für bie ftapital* 
fteuer je um 5250 SR. 511 ermäßigen. 

II. Stad) Slrt. 8 3iff. 13 bei ©infommenfteuergefetsel 
»om 8. Sluguft 1903 fmb »on ber ©infommenfteuer befreit 
bie auf ifkiuatroohltätigfeit benthenben Stiftungen für mifbe 
3mecfe in Sfnfehung beljenigett ©infontmenl, roeldjel ju 
ben 3t»ecfen ber Söohltätigfeit roirflid) »erroenbet roirb; in 
bemfelben Umfange läfjt Slrt. 6 $iff. 12 bei ftapitalfteuer» 
gefehel »om 8. Sluguft 1903 bei ben bejeidjneten Stiftungen 
bie ftapitaljinfen »on ber ftapitaffteuer frei. Streitig ift nun 
im »orfiegenben gaffe allein bie grage, ob bie Slulgaben 


Digitized by Google 



begriff bcr Stiftungen für milbe 3roecfe Je. 223 

ber Stiftung für bic Slulbilbung unb ©rjiefjung junger 
Seute im ©efamtbetrag non 5250 3 Jt. eine SSerinenbuttg für 
milbe ober inof)ltätige 3roecfe im Sinne ber beiben Steuer« 
gefetje borftetlen. ®ie SBejdpnerbefüljrerin bejaht biefe Jrage 
unb beanfprucfjt bemgemäfj für beit betrag oon 5250 9ft. 
Jreifjeit non ber ©infommenfteuer unb non ber $apitalfteuer; 
bie angefodjtene ©ntfdjeibung bagegen oerneint biefe grage: 
mie fid) au§ ber ©ntftef)ung§gefd)id)te be§ ©efetjeä ergebe, 
feien unter bett auf ber s f3rinatiool)ltätigfeit beruljenben Stif« 
tungen für milbe ^toecfe nirfjt bie frommen Stiftungen 
be§ gemeinen 9ted)t§ ju oerftefien; ju ben milben 3 roe f 5 
fen im Sinne ber ©efetje gehören nicf)t gemeinnützige 
3roecfe, inSbefonbere iniffenfcfjaftlidje, religiöfe, fünftlerifcfje 
©ilbungl«, ©rjieliungl« unb Äunftjroerfe ; ein milber 3tnecf 
fei nur ju unterftellen bei ber Unterftüßung 1) i l f 3 b e ö ü r f = 
t i g e t ißerfonen jum 3roecte ber fiinberung äußerer ober 
fittlirfjer 9iot burd) einen 2lft ber 9iäd)ftenliebe; bie in $rage 
ftefjenben Stiftung§au3gaben bienen aber in erfter Siitie ju 
©rjiel)ung3= unb 9lu3bilbung3jinecfen, moran burd) ben Um« 
ftanb nid)t§ geänbert inerbe, baf) fie nur bebürftigen 
QSraelitett jugut fommeti fallen. 

2Ba§ junädift ben SBortlaut ber ntafjgebenben gefetzlidjett 
23orfd)riften betrifft, fo fällt nad) bereu 'Raffung ber begriff 
„milbe 3rc> e( &'' iufammen mit bent begriff „tooliltätige 
3mecfe" ; ber erftere an fiel) einer näheren 93efthnmung unb 
fidjeren Söegrenjuitg fdjroer jugänglidje 2lu§brud barf batjer 
au3 ber jineiten heutigeren S3ejeid)uung feine 3lu§legung 
geioinnen. S8e i ber Beratung bes ©infomnienfteuergefetzeä 
in ber Sitzung ber Kammer ber Slbgeorbneten nom ll.Quni 1897 
tjat ber 9tegierung3fommiffar Sdjneiber of)ne Söiberfprud) 
ju fittben, au^gefütjrt : „28ir gefjen banon au3, bafj unter 
milben ßmerfett lebiglicf) bie Unterftütjung liilfsbebürftiger 
“ißerfonen ju nerftefjen ift. @3 muß fid) ber 3™ecf rid)ten 
auf bie Sinberung äußerer 9tot burd) einen 2Ut ber 9täd)« 
ftenliebe. ©I folleti alfo tnegfallett alle blofj gemeinnützigen 
3mecfe, bie religiöfen, miffenfcfjaftlicfjen, fünftlerifdjen, päba« 


Digitized by Google 



224 ©ntfcfjeibimflcit bcs SienualtuixgSgertdjtsbof«. 

gogifrfjett, BilbungS* unb Kunftjwetfe, 3wecfe für Kirchen* 
bauteti u. f. m. $iefe würben wir nicht unter bic ruitben 
3wecfe einreihen, fonbem teuere waren ju bekrönten auf 
bie SJiilberung bes SofeS f>ilf§bcbürftigcr ^erfonen burd) 
Betätigung ber 91äd)ftenliebe". 

3n ber ©itpng ber ©rften Kammer turnt 21. 9ftai 1898 
würbe baju feitenS bes Berichterftatters bemerft: „darüber 
waS unter „milben ^werfen" ju oerftehen ift, b fl ben fid) bie 
9iegierungSoertreter im jenfeitigen fpaufe auSgefprodjen. 3b« 
Kontmiffion tritt biefer Sluffaffung im allgemeinen bei, mödjte 
jebod) bemerfen, baff aud) bie Sinberung f i 1 1 1 i d) e r 9tot, 
nicht bloß äußerer 9iot, ju ben „milben ^nuden" ju jäßlen ift“. 

3nt Königreich ©achfett, wo nacf) § 6 $iff. 10 beS 
©infommenfteuergefeßeS bie wohltätigen .gwetfen bienenben 
Stiftungen oon ber ©teuer befreit finb, geht ber BerwaltungS* 
gerid)tShof in gleichbleibeitber 9techtfprcd)ung baoon aus, 
baß als wohltätig im ©intte beS ©efetjeS „baS SBirfen bes* 
fettigen ju bejeicßnen ift, ber ohne gefet)lid)e ober oertrags* 
mäßige Verpflichtung wirtfd)aftlid) Bebrängten materielle 
.£>ilfe bringt". (Bergl. ©ntfcheibungen Bb. 2 ©eite 245 ff. 
Bb. 3 ©. 113, Bb. 8 ©. 77); inSbefonbere f)at biefer ®e* 
richtshof in einem Urteil uom 20. 9Jlärj 1902 bei einer 
Stiftung, nad) beren ©tatut auS bem Dieinertrag beS Ber» 
mögend t)ilf§bebürftige, unoerheiratete unb unbefcholtene 
grauen aus! gebilbeten ©tänben je nad) bem ©rabe ihrer 
Bebürftigf'eit burd) ©ewäßrung oon dienten oon jährlich 300 
bis 600 9)1. ju unterftütjen ftnb, bie ©rfüHung eines wof)b 
tätigen 3wedfS nttb in golge baoon bie ©teuerbefreiung an* 
erfamtt (©ntfd). Bb. 2 ©. 245—247). 

3n Breußen finb bie „milben Stiftungen" nach § 24 
lit. h unb i beS Kommunalabgabengefetjes oom 14. 3uli 1893 
oon ber ©emeinbegrunbfteuer befreit. 3 n einem Urteil oom 
7. 9Jtai 1897 fommt baS s f3reußifd)e DberoenoaltungSgericht 
nad) eingehenber ©rörterung bes Begriffs ber milben ©tif* 
tungen unb unter Berücfftd)tigung jweier ©rfenntniffe bes 
9{eichögevicf)tS oom 22. ®ejember 1890 unb uom 16. 1>ejent* 


Digitized by Google 



23cgriff ber Stiftungen für mitbe 3> uc <f c *c. 225 

ber 1891, toonacß für ben Gßarafter einer milben Stiftung 
ber llmftanb maßgebenb fein fott, baß if>r Qtoecf auf, fei eS 
oollftänbige fei es aucß nur teiltoeife Unterftüßung ßitfSbe» 
bürftiger Sßetfonen gerichtet fei, 51 t bent ©rgebniS: „unter 
milben Stiftungen fönnen nur beranftaltungen oerftatiben 
toerben, bie moßltätige Qtoecfe im roeiteften Sinne beS 2Bor» 
teS ju oerfolgen beftimmt finb ; begriffsmäßig ift babei nicßt 
auSgefcßloffen, baß bie Qutoenbungen einer Stiftung auct) 
begüterten jugute fornmen, unb baß fie ficf> auf anbere atS 
rein förpertidje Sacßett rid)ten" (oergt. ©ntfcßeibungen bb. 32 
3. 165—174). — Unb in einem Urteil oorn 21 . Januar 1899 
ift auSgefüßrt: „SBettn ber borberrid)ter baoott auSgeßt, 
baß eine Stnftatt als mitbe Stiftung angefeßen toerben muß, 
fofern ißr .£>aupt}toecf auf bie Unterftüßung ßitfSbebürftiger 
berfonett burcß unentgeltticße Quntenbungen gerietet ift, fo 
beßnbet er fidj mit biefer begriffSbefiimmuttg im ©inftange 
mit ber biSßerigen becßtfprecßung. QnbeS ift ßierbei barauf 
ßinjutoeifen, baß baS OberoerroattungSgericßt bereits ju toie» 
berßotten SOlaten auSgefprocßeti ßat, bie ^itfSbebürftigfeit 
müffe nid)t nottoenbig in materieller 9tot ißren ©runb ßabett" 
(Gcntfcßeibungen bb. 34 S. 116). 

Qm oortiegenben Qalte bienen bie bejügtid) ber Steuer» 
pfticßt beftrittenen StiftungSerträgniffe in erfter Sittie n i cß t 
gemein ttüßigen Qroecten, fie finb nicßt baju be= 
ftimmt, ba§ rcürttembergifcße bitbungS» unb ©rjießungStoe» 
fen jif ßeben unb ju förbern ; oietmeßr fott mit biefett @r* 
trägniffen roürbigen jungen QSraetiten beibcrtei ©efcßtecßtS, 
bie entroeber fetbft ober in ber ißerfon ber ju ißrem Unter» 
ßalt berpfticßteten auSreußenber 9JtitteI ermangeln, eine ißr 
5ortfommenftcßernbe(£r$ießungunb SluSbilbnngermögtidßtroer» 
ben. ®a fämtlicße bemerber für biefe Unterftüßungen faß» 
ungSgemäß ein amtlicßeS QeugniS über ißre b e b ü r f t i g» 
feit oorjutegen ßabett, bejtoecfen bie StiftungSerträgniffe 
unjioeifelßaft bie Unterftüßung ßitfSbebiirftigeriper» 
f 0 n e n jum Qtoecfe ber Sinberung ißrer beengten Sage burcß 
einen 3tft ber ÜJtäcßftentiebe. SJtit ber berteitung biefer Stif» 


Digitized by Google 



226 ©ntf^cibungcii bcS öamÜMtgagcncfüSfjofä- 

tungSerträgniffe mirb fonad) fomof)! ttad) betn SBortlaut als 
nacf) bet 31bfid)t be§ ©efetjeä ein mitbet ober moljltätiger 
3ioed erfüllt ; bie gefetjticfje 93orfrf)rift mürbe ju eng au§ge= 
legt, roenn man fie auf bie Unterftütjung fotdjer s ^5erfo= 
tten befdjränlen roollte, melcfje al<> arm ober bebürftig im 
Sinne be§ ©efetyes über ben Unterftüt}ung§mof)nfi§ 511 gelten 
fjaben. 

III. Sluf ©runb ber oorftefjenben ©rmägungen ergibt 
fid), bafj bie StiftungSjinfe, fomeit fie im ©efamtbetrage 
oon 5250 im 23orjaf)t jur 3lu§bilbung unb ©rjiet)ung 
junger Seute werroenbet roorben finb, auf 1. Slprit 1906 fo= 
roof)l oon ber ©infommenfteuer al§ oon ber Slapitalfteuer 
frei ju taffen finb. 

Urteil 00m 8. Januar 1908 in ber ©inlommen* unb 
$Uipitatfteuer=9ied)t§befd)merbefad)e ber 31. u. fp. 2:1). . . er= 
Stiftung in St. 


24. 

auf Imtnlmujrlii bet einer getlbebnuMmtg 
im pusittni». 

2) i e © r ü n b e b e f a g e n : 

I. 2)er 33eflagte ift üllitglieb ber t'lägerifdjen Siraufen-- 
faffe unb f)at oon biefer für bie 3eit oont 21. Slpril bil 
26. Sliai 1907, roäfjrenb er bef)uf§ Teilung einer s Jieroen= 
entjünbung auf ärjttid)e3 3tnraten eine33abefur in 33. (Sdjroeijl 
burdjmad)te, ba§ ftatutenmäfjige Äranfengelb beanfprudjt. 
2)er ft'affenoorftanb letjnte ben Slnfprud) ab, roeil ber 33e= 
flagte fid) of)ne ©rlaubniä ber Saffe außerhalb beS Äaffen* 
be$irf§, jubem aujjerf)alb beä beutfdjen 9ieicf)§ begeben 
f)abe; baburd), bafj er bie 33abereife angetreten t)abe, of)ne 
juoor bei bet Klägerin fief) franf ju melben unb bereu 
SBeifungen abjuroarten, l)abc er jeben Slnfprudj auf Unter* 
ftütjung burd) bie Äaffe oermirft. 

2>er al3 31ufficf)tsbel)örbe angerufene ©emeinberat S. . ., 
Slbteilung für innere unb öfonomifdje SSerroaltung, entfdjieb 


Digitized by Google 



Slnfprud) auf Jtraiifciigclb Bei einer .Oeilbcljanblimg j m 9(u8Ianb. 227 

ju ©unften bei ©eflagten, roorauf bic Klägerin bei ber K. 
Kreilregierung in 2. . . all 93erroaltunglgerid)t I. ^nftanj 
Klage erfjob mit bern 2lntrag, ber 23eflagte habe anjuerfen* 
nen, bafj ifjm ein 2lnfprud) auf Kranfengelb für bie 3eit 
oom 21. Slpril bil 26. SJlai 1907 niefjt juftelje, unb bie 
Koften bei 9ted)tlftreitl p tragen. 2TMt Urteil oom 25. Sep= 
tember 1907, aul beffen 23egrünbung firf> ber Sad)oerf)alt 
im einzelnen ergibt, f»at bie K. Kreilregierung bie Klage all 
unbegrünbet foftenpflicfjtig abgemiefen. ©egen biefel am 
8. ©ftober pgeftellte Urteil t»at bie Klägerin unter SBieber* 
Rötung ifjre! erftinftanjlidjen Slntragl rerfjtjeitig unb orb* 
nunglmäfjig bie ^Berufung eingelegt. 2>cr 23eflagte 23eru= 
funglbeflagte hat in feiner Sernebntlaffung, ohne einen form* 
lidien Slntrag p ftellen, bern Klagantrag, im roefentlid)en 
unter 2Bieberf)olung feinel bisherigen SJorbringenl, 2Biber= 
fpruef) entgegengefe^t. 

II. $)ie ®ntfd)eibung befdjränft fid) im oorliegenben 
galle auf bie ffrage, ob ber 33eflagte feinel Slnfprud)! auf 
Kranfengelb gegen bie Kaffe, bei ber er unftreitig jur $eit 
feiner ©rfranfung oerfidjerunglpflidjtigel iOtitglieb gern eien 
ift, baburd) oertuftig gegangen ift, bafj er, ohne ber Klägerin 
5 uoor eine SJHtteilung p madjen, ficfj pr Leitung feiner 
Kranfbeit auf ben 9tat bei 2lrjtel oon feinem 2lrbeit!= unb 
2Bol)ttort roeg nad) $. . . in ber ©cfjroeij begab. 9Iid)t 
baruni banbeit el fid), ob ber 23eflagte nad) 2age ber S)inge 
oon ber flägerifdjen Kaffe bie oolle Kranfenunterftütpng, 
alfo neben bern Kranfengelb, inlbefonbere nad) § 6 3iff. 1 
K23©. unb § 13 3iff. 1 unb 2 ber Statuten auef) freie 
ärjtlidje ©ebanblung, 2lrpei unb fonftige Heilmittel h“Ue 
forbem fönnen ; benn fein ©efueb ging oon 2lnfang an nur 
barauf, bafj ihm bal ftatutarifebe Kranfengelb für bie 
genannte 3 e it beroilligt mürbe. 9lur biefel ift im Streit. 
Qnfomeit mufj aber bern Unterrichtet beigetreten roerbeu, 
roenn er aulfüt)rt, bafj bie Klägerin belroegen, roeit Söeflagter 
itjr oon feiner ©rfranfung nicht bie oorgefchriebene älnjeige 
gemad)t, nid)t oor feinem 2lbgang in bie söabefur ihre 9Bei= 

SWjrbiicfcrt btt SBiUtttnib. XX. 2. 16 


Digitized by Google 



228 Ciitfdjeibuiiflen fccS SöeriDaltimßSgeridjtiftofa. 

fungcn eingebolt, oietmebr feinen 3lufentbalt3ort itadf) ein* 
getretener Gcrfranfung frei gewählt tjatte, pr fßerweigerung 
be§ KranfengetbS nod) nid)t befugt toar. ®enn nad) bem 
KranfenoerftcberungSgefet) fann bie ©ewäbrung be§ Fronten* 
gelb§ an feine weitere 33orau§fetpng gefnüpft werben, al§ 
bie, baff bie ®rwerb3unfäf)igfeit einwanbfrei erwiefen wirb; 
auch bie Statuten ber Klägerin fpben hieran nicfjtg geänbert 
unb nid)t§ änbern fönnen. 2)ie autonome ^Regelung, insbe* 
fonbere bie Sinfdjränfung ber Kaffenleiftungen, welche narf) 
g 26 a $33®. burd) bas Kaffenftatut oorgenommen wer* 
ben fann, berührt gälle wie ben f)ier uortiegenben nid)t. 
$n 9lbf. 1 unb 2lbf. 2 3iff. 2 be§ g 26 a finb biejenigen 
gälte, in welchen eine Skrfagung be§ ÄranfengelbS 
pläffig ift, erfd)öpfenb aufgefübrt; bie 3iff- 2 b oon 2lbf. 2 
be§ § 26 a bagegen, welche bie Ablehnung gewiffer Kranfen* 
unterftiitjungsfoften burd) bie Kranfenfaffen uorfiet)t, banbeit 
nur uon ben ff o ft e n ber e i l b e b a n b l u n g , aber 
gerabe n i d) t coiii Kranfengelb. ^»ienacb fann bei 
einer nad) eigenem ©rmeffen, gegen bie iBorfdjriften be§ Waffen* 
ftatut§ eingeleiteten Kurbebanblung jwar nid)t ber ©rfat) 
non Koftcn ber ärjtlidjen 33ebanblung einfd)Iiejflicb ber £eil* 
mittel, wohl aber ba§ Kranfengelb geforbert werben, fofern 
nur ber 33erfid)erte ben ^Beweist für feine (Srwerbsunfäbigfeit 
p erbringen uermag. 2Ba§ aber biefen letzteren fßunft an* 
belangt, fo ftebt für ben norliegenben gaU feft, baff ber 
SBeflagtc infolge Kranfbeit wäbrenb ber fraglichen geh er* 
werblunfäbig gewefen ift. $ie Klägerin fclbft b°f gegen bie 
©d)lüffigfeit ber pm 33ewei§ biefer £atfad)e norgelegten 
ärgtlicfjen $eugniffe be§ Dr. ©. . . in ©. . . unb be§ Dr. ©t. 
in 18. eine Gcinwenbung nicht erhoben ; au§ ihnen ergibt ftd), 
baft bie in ÜUernenentpnbung beftebenbe ©rfranfung bes 
s 8ef'lagten beftanben fm^/ «13 biefer fidj auf Anraten Des 
Dr. ©. . . pr Teilung nad) ■ • begab, unb bafj bie 33abe* 
für, wäbrenb ber er an ber ®rwerbsmöglid)feit gehinbert 
war, oom 21. 2lpril bis 26. SRai gebauert b<d- 

2>er Slnfpruch bes 3feflagten auf Kranfengelb war bemnad) 


Digitized by Google 



ytnfpvud) auf Kranfengelb bei einer $eilbcf)anblimg im ftuMaub. 229 

begrünbet unb et bleibt begrünbet, aud) roenn ©eflagter bie fta» 
tutarifd)en©orfd)riftenin©ejug aufKranfenmelbung unbKran» 
fenauffid)t nid)t eingehalten tjat (§ 242Ibf. 4 u. 6 be! (Statut!). 
35ie ^Nichtbeachtung biefer ©orfchriften mag gemäß § 26 2lbf. 2 
3iff. 2a K©@. Orbnung!ftrafen n ad) fid) jietjen unb ift 
im (Statut bet Klägerin (§ 24 letjt. 2Ibf.) auch roivftid) un= 
ter ©träfe gefteUt, aber ben ©erluft bes traft ©efeße! fdjon 
an bie £atjad)e ber @rroetb!unfäl)igfeit gefnüpften Krauten» 
gelbanfprudj! fann fie nicht jur tjofge haben. 

®aß ber ©rfüllung!ort jiuar nid)t für alte au! ber 
Kranfenunterftüßung!pflid)t fid) ergebenben Seiftungen ber 
Kranfenfaffe, roof)l aber für ba! Kranfengelb ber Kaffenbe» 
jirf, im oorliegenben alfo ®. • • ift, f'ann ber Klägerin 
zugegeben werben; aber e! ift ja aud) oom ©eflagten nid)t! 
anbere! geforbert, at! baß bie Klägerin in ©. . . biefe ©elb- 
teiftung erfüllen fo((. 

®aß enbtid) ber $inroei! auf bie ©eftintmungen in 
§ 28 2lbf. 2 unb 8 57 a 2lbf. 3 K©@., auf roeldje bie 
Klägerin jur ©tüße ihrer Klagebehauptung ©ejug genom» 
men tjat, fef)lgef)t, ift fctjon in bem angefochtenen Urteil ju» 
treffenb au!gefüljrt, roie benn überhaupt bie Sinnahme, baß 
ba! Kranfengelb bann, wenn roie hier ba! ertranfte Kaffen» 
mitglieb fid) in! 21 u ! I a n b begibt, in SBegfall fomnte, 
ber gefe^tichen ©runblage entbehrt. Sa! Slufenttialt nehmen 
außerhalb be! Kaffenbejirf! — gleichgültig roo — ift ebenfo 
roie bie ©eßanblung burd) einen anberen al! ben oon ber 
Kaffe jugelaffenen Slrjt für ba! ©eftehen be! 21 n f p r u d) § 
auf Kr antengelb, roofern nur bie oben ermähnte roe» 
fentlidje ©orau!jetjung jutrifft, ohne ©elang. 

Ser hier nertretene ©tanbpunft becft fich burdjau! mit 
ber fonftigen 9ied)tfpred)ung ju biefer Jrage: oergl. Urteil 
be! bapr. ©erroaltung!gerid)t!l)of! oom 27. 9iooember 1899, 
©eger, ©ntfd). ©b. 20 ©. 201 ; Urteile be! babijd)en ©er» 
roaltung!gerid)t!hof! oom 3. Slpril 1900, 23. Sejember 1902 
unb 8. Sejember 1903, Dieger, ©ntfd). ©b. 20, ©. 447; 
©b. 24 ©. 88; ©b. 25 ©. 259. ©ief)e aud) -£>al)n, Kran» 

iß* 


Digitized by Google 



230 


©ntfdjeibunoen bcä 2krroattuugfgericf)täf)ofg. 


lenoerfid)erungSgefeb, 5. 2Iuflage ju § 5 2Innt. 2c unb § 6a 
3lnm. 7 a— c <&. 71 unb 98 ff., foruie bie bortigen gitate. 

III. ®em SluSgefübrten jufotge roar bie Berufung gegen 
ba! Urteil ber K. KreiSregierung, roe!d)e§ bie Silage mit Dted)t 
abgeroiefen fjat, al! unbegrüitbet jurücfjumeifen. 

Urteil oom 8. Januar 1908 in ber 93eruf.=©ad)e ber 
OrtSfranfenlaffe bet £>anbel!geirerbe u. f. n>. in @t. gegen 
ben Kaufmann Karl <3. in @t. 

25. 

Unfv^nri) auf ^rnnhritflelb neben bent Unlpnulj auf 
Unfallrente. 

$ie ©rünbe befagen: 

I. ®er 33eflagte ©erufungSbeflagte, unbeftrittenermafjen 
Kaffenniitglieb ber Klägerin 33erufuug!flägeriu, roelcbe ftatu= 
tengeinäfj auf 26 3ßod)en Kranfenunterftübung ju gemähten 
bat, oerungliidte am 19. Januar 1907 im forftroirtfd)aftlid)en 
betrieb ber Stabtgemeinbe 33. unb mar an ben {folgen be! 
Unfall! mef)t al! 26 2Bod)en oollftänbig erroerbSunfäbig. 
$ie Klägerin fam if>rer UnterftübungSpflicbt mäbrenb ber 
erften 13 9Bod)en anftanbSlo! nach, fetjte auch nad) 2lblauf 
ber 13. 3Bod)e, b. b- uom 22. 3lpril 1907 an, bie Kranfem 
unterftütjung an ben ^öef tagten junädjft fort, um fte inbeffen 
mit bern 18. 9Kai 1907 einjuftellen, baoon auSgebenb, bafj 
nunmehr bie gleichfalls unterftütjungSpflicbtige 33erufung!ge= 
noffenfd)aft bie gürforge für ben 33ellagten übernehme. 5)ie 
letztere, bie lanbroirtfchaftliche 33eruf!genoffenfcbaft für ben 
SSBürtt. DIecfarfreiS, bat fid) jmar ihrer 33erpftidf)tung, für 
ben 33eflagten gemäfj § 8 be! UnfalloerficberungSgefebe! 
für 2attb= unb {forftroirtfd)aft oom 30. Quni 1900 oom 33e-- 
ginn ber 14. Söocbe nad) ©intritt be! Unfall!, alfo oom 
22. 2tprit 1907 Ccntfcbäbigung ju leifien, nid)t entjogen, allein 
bie {feftftellung ber Unfallrente ift erft am 27. Quli 1907, 
alfo nad) 2lblauf ber mit bent 22. $uli enbigenben 26. 3öod)e 
erfolgt, fobafs aud) bie SluSbejablung ber Diente — abgcfeben 


Digitized by Google 



Stufprud) auf SJranfeiigdb neben bem Jtnfprncf) auf Unfallrente. 231 

»on einem bem 93eflagten am 20. Quni burd) ben ißorfitjen» 
ben bei ©enoffenfdjaftloorftanbl augeroiefenen 93orfd)ufc »oit 
30 — innerhalb bei .ßeitrauml »on bev 14. bil 26. 2Bocf)e 

nid)t möglid) mar. 

Ser 93eflagte, roelcfyer auf biefe SBeife nad) bem 18. 9Hat 
tatfäd)licf} oljne Llnterftütjung geblieben rcar, erljob am 
17. Qult 1907 bei ber Klägerin 9lnfprucf) auf 5<>rtbejal)lung 
bei Kranfengelbl bil juni Slblauf ber 26. 3Bod)e, rourbe 
aber abgeroiefen, toorauf er am 23. J^uti bie ©ntfcfjeibung 
bei K. Oberamtl 33. all ber 2luffid)tlbel)örbe ber Klägerin 
anrief. Stefel erlief? am 30. Sluguft 1907 ben 93efcf)eib, 
baf? Klägerin »erpflidjtet fei, bem 93eftagten aud) für bie 3eit 
»om ^Beginn ber 14. bil 2lblauf ber 26. Söodje bal 
ftatutarifcfje Kranfengelb ju bejaljlen — mit ber 23egrünbung, 
el erfcfyeine für bie burd) Unfall erfranften Kaffenmitglieber 
ber SBejug »on Kranfengelb bil jur 26. 9Bod)e neben ber 
»on ber 14. SBocfje an ju jablenben Unfallrente gefetjlid) 
i»ol)l juläfiig unb el fei bie 3tnnaf)me ber Klägerin, all ob 
»on ber 14. 2Bod)e ab bie Unfalloerfidjerung aulfcfylieftlicf) 
einjutreten fjabe, unbegrünbet. 

atunmefjr erf)ob bie Klägerin unterm 25. September 1907 
bei ber K. Kreilregierung in Subroiglburg all SBenoaltung!» 
geriet I. Qnftanj gegen ben 93erlet)ten Klage mit bem 3ln= 
trag, ju erfennen, bie Klägerin fei nid>t »erpflid)tet, bem 
Steflagten aud) für bie 3eit »om 93eginn ber 14. bil jum 
Ulblauf ber 26. 9Bod)e, »om 3. Sag feiner mit ©rroerblun* 
fät)igfeit »erbunbenen ©rfranfung ab, b. t). »om 22. 9lpri( 
bil 22. Quli 1907 bal ftatutarifdje Kranfengelb ju bejahten. 
9Jlit Urteil »om 23. Oftober 1907, auf beffen 3int)alt hier 
Stejug genommen roerben fann, miel bie K. Kreilregierung 
bie Klage all unbegrünbet ab, im iuefentlid)en aul ber @r- 
roägung, bie Kranfenfaffe fei infolange all ber Sterlette 
nid)t in ben ©enuf? ber Unfallrente eingefetjt geroefen fei, 
jur ©eioäljrung bei ftatutenmäpigen Kranfengelbl uerp ftid)= 
tet geroefen; in ben ©enuf? ber Unfallrente fjabe ber 93er= 
lette nur burd) ben Dfentenfeftftellunglbefdieib, roie Klägerin 


Digitized by Google 



232 ffiitlfrfjeibmigen bcS 33ern>altmigS0eriif)t&f)of*- 

fyabe roiffen müffen, eingefetjt roerben fönnen; ein foldjer 
23efd)eib fei oor Slblauf ber 26. 5JBocf>e gar nidjt ergangen, 
mit (Einteilung ber Äaffenleiftungen oor biefem .3eitpunft 
tjabe bemgemäfj Klägerin pflidjtroibrig gefjanbelt, fte fjätte 
iljr flaffenmitglieb im oorliegenben unter allen Umftän= 
ben bis einfcfjliefelid) ber 26. SBodje unterftüt^en müffen. 

©egen biefeS am 4. Rooembet 1907 jugeftetlte Urteil 
f)at bie Klägerin recfjtjeitig unb orbnungSmäfjig bie Berufung 
eingelegt. Ofjne mef)r ju beftreiten, baff an fid) if>re $ür* 
forgepf!id)t bem SJeflagten gegenüber auf uolle 26 2ßocf)en 
gegangen märe, rnadjt fie f)ier geltenb, baf$ ba bie 23erufS= 
genoffenfd)aft tatfäcfylid) bie Unfallrente längft auSbeja^lt 
fiabe unb ber 33eflagte b e i b e S , Äranfengelb unb Rente, 
unmöglid) nebeneinanber beanfprudjen fönne, {ebenfalls nur 
bie Sifferenj jroifdjen bem (fföfyeren) ^ranfengelb unb ber 
(niebrigeren) Rente je^t nod) oon it>r geforbert roerben fönne. 
Sementfprecf)enb fjat fie if)ren 2lntrag gegenüber bem ur= 
fptünglicfyen Älageanfprud) nunmehr baf)in eingefdjränft : eS 
folle erfannt roerben, baf? fte nid)t uerpfUd)tet fei, bem $e= 
flagten SÖerufungSbeftagten aud) für bie 3eit uorn beginn 
ber 14. bis jum 2lblauf ber 26. äBodje »om 3. Sage feinet 
mit ®rroerbSunfäf)igfeit uevbunbenen ©rfranfuttg ab b. t). 
oont 22. Ülpril bis 22. ^uli 1907 neben ber Unfallrente bas 
trolle ftatutenmäfjige Äranfengelb, oielmefjr nur bie Sifferenj 
jroifdjen biefem unb ber Unfallrentc ju bejat)(en. Ser 23 1 - 
flagte 33erufungSbeflagte f>at um foftenfällige 3urüdfn)etfung 
ber Berufung gebeten. 

Sas ftatutenmäf ige Äranfengelb für bie 3eit uont 22.2lpril 
bi§ 22. ffuli (bie jroeiten 13 SBodjen) beträgt 136 SR. 50 s ßf., 
roouon SUägerin unbeftrittenermafjen an Krantenunterftütjung 
bis 18. SRai 1907 ben betrag oon 40 SR. 50 Sßf. an ben 
93eflagten bejat)lt f>at. Sie Unfallrente für ben gleichen 
Zeitraum (22. Sflpril bis 22. ffuli) beläuft fid) bei monatlid) 
31 SR. 15 Sßf. auf bie «Summe oon 93 SR. 45 Sßf. 

II. 1. SRit intern SerufungSantrag fiat bie Klägerin 
ifjven früheren ©tanbpunft, bafj nid)t fie felbft, fonbent bie 


Digitized by Google 



Slnfpnid) auf Sfranftngdb neben beni Slnfprud) auf UufaKrente. 233 

©erufdgenoffenfdjaft au§fd)tie^Iicf) roätjrenb ber 14.— 26. 
SBodje nad) bem Unfall für ben ©eflagten einjutreten gehabt 
tjabe, fte bedfyalb an ben ©eflagten minbeftend »am 18. SJtai 
ab, an roeldjem Sage fie if)te föranfenunterftütjung ju (Sun» 
ften bed ©eflagten eingefteüt fjatte, fein rceiteted Sfranfen* 
gelb mefyr ju jagten fcfjulbig fei, felbft oertaffen. Siefer 
©tanbpunft roar naef) Sage bed ©efet^ed in ber Sat unljalt» 
bar. §ür bie ^älle bed gleidjjeitigen 3ufammentreffen§ non 
Unterftütjungdanfprücfjen, bie einmal aud bem Sfranfenoer» 
ficfyerungdgefet) gegen bie Sfranfenf affen unb fobann auf 
©runb ber Unfatloerfid)erungdgefet)e gegen bie ©erufdgenoffen» 
fcfyaften fyergeleitet roerben fönnen, beftimmt ber mit § 25 bed 
©eroerbesUnfalluerficfyerungdgefetjed übereinftimmenbe § 30 
Slbf. 1 bed für ben oorliegenben $all mafjgebenben Unfall» 
oerficf)erungdgefet)ed für Sanb» unb Qforftroirtfdjaft (9t@©l. 
1900 ©. 403 ff.), bafj bie ©erpflid)tung ber eingefdjriebenen 
•jpilfdf affen, foroie ber fonftigen Ä'ranfenf affen u. f. ro., ben 
oon Unfällen betroffenen Arbeitern . . . Unterftütjungen ju 
geroäfiren, burd) biefed ©efet) n i cf) t berührt rairb. Sin 
biefer ©orfcfytift ift burd) bie Stooelle jum Ätanfenoetfidje» 
rungggefet) oom 25. SJlai 1903, insbefonbere burd) bie neue 
©eftimmung, bafj bie Äranfenunterftüt)ung im ber ®r* 
roerbdunfäl)igfeit erft mit bem Slblauf ber 26., nidjt wie bid» 
f)er fcfyon bet 13. SBodje nad) bem ©eginn bed Äranfengelb» 
bejugd enbigen foll, nichts geänbert morben. Sie Sftanfen» 
faffe fonnte alfo if)re Unterftütjung nicf)t aud bem ©runb 
oerroeigern, weil aud) bie ©erufdgenoffenfdjaft für ben 
gleichen Zeitraum (14. bid 26. 9Bod)e) unterftüt)ungd= 
ppid)tig mar. greilid) barf aud jener ©eftimmung (§ 25 
®U©@., § 30 Sanbro. U©@.) nicf)t gefolgert roerben, bafj 
ber ©erlebte feine Slnfprüdje gegen beibe ©erfidjerungdträger 
unoerfürjt geltenb machen fönne. @in gleicf)$eitiged, neben 
einanber fjerlaufenbed ©ingreifen oon ßranfenfaffe unb 
©erufdgenoffenfdjaft ift nad) ©ntftefjung unb Sinn jener 
©efetjedbeftimmung nid)t gewollt. Sie ©eftimmung befagt 
nuv, ba| bie ©erpflidjtung einer Kranfenfaffe burd) bie 


Digitized by Google 



234 Gntfdieibuuflen bei iöevloaltuugigeridjtiOofi. 

gleichzeitig beftefjenbe Verpflichtung ber Vcruflgcnoffenfd)aft 
nod) nicl)t beseitigt toirb, oielntehr oorlciufig — gegen fpätere 
©rfatjgeroährung burd) bie Veruflgenoffenfchaft — befielen 
bleibt, biä bie letztere tatfädflid) bie ihr obtiegenben Seiftungen 
bem Verlebten gegenüber erfüllt, bafl aber anbererfeitl oom 
Qeitpunft ber tatfäd)lid)en ©ewährung ber Unfallrente an 
bie Sratifenlaffe oott SBeiterzafflung bes Kranfengelbl an 
ben Verlebten befreit toirb. 

©o bie in Siteratur unb 9ied)tfpred)ung überwiegenb 
oertretene Sfleinung ; ju uergl. fpafln in Slrbeiteroerforgung 
Qaljrgang 1906 ©. 301 ff., fpaljn, Slnflang zum Kranfen» 
uerficherungigefeb 3. Slufl., Sinnt. ju § 25 ©UV®. ©. 410; 
oon Sßoebtfe, llnfalloerficherungsgefeb § 25 Sinnt. 1, 5. Slufl. 
©. 267 ; Ofterriett) in 2lrb.=Verf. Qaflrgang 1907 ©. 91 ; 
ferner ©ntfcheibungen in Slrb.» Versorgung, Qahrg. 1906 
©. 337 (Sanbgericffl Vocf)um oom 20. Januar 1906) ; 1906 
©. 421 (£anfeat. Oberlanbelgericflt oom 2.®ezentber 1905); 

1906 ©. 491 (©ädjf. 0b.=Verw.»©erid)t oom 5. Quli 1905); 

1907 ©. 58 (Sanbgetid)t Hamburg oont 6. Oltober 1906); 
1907 ©. 122 ($anfeat. 0berlattbes>gerid)t oom 15. ®ej. 1906). 

Qm oorliegenben Qatl nun fonnte bie Unterftützungs» 
Pflicht ber Klägerin, toietoolfl fie gegenüber ber Verpflichtung 
ber Veruf§genoffenfd)aft über bie 13. SBocfle hinauf nur als 
bie oorläufige unb aulhilfStoeife oom ©efeb gebacflt ift, oor 
Slblauf ber 26. SBocfle um beSwillen nicht aufhören, toeil 
bie Verufggenoffenfdjaft oor biefer Qeit bie tatfädfliche Qiir» 
forge für ben Vef'lagten noch gar nid)t übernommen hatte. 
©3 mag zugegeben werben, bafl bal Vegreifen ber lanbtu. 
Veruflgenoffenfchaft in biefetn fyall fid) ungewöhnlich lang 
hinaulgezogen hat. Slllein mal aud) bie ©rünbe für biefe 
fpäte Sientenfeftftellung unb »Slnweifung unb beren ettoaige 
Qotgen im Verhältnis jwifchen Kranfenlaffe unb Verufl» 
genoffenfchaft fein mögen — oergl. hiezu $ahn in Slrb.» 
Versorgung 1906 ©. 305 — , bem Verlebten gegen» 
über, in beffen Qntereffe anerfanntermaflen jene Qortbauer 
ber Verpflichtung ber Kranfenlaffen aud) bei einer parallel 


Digitized by Googli 



äufprud) auf ftrantcngclb neben bem ülnfprud) auf Unfallrente. 235 

laufenbcti IXnterftü^ung§pfIirf)t ber ©erufSgenoffenfdjaften über 
bie 13. ÜBodje hinaus unb erforderlichenfalls bis jur 26. 
•JBodje eingeführt worben ift, mufjte fid) für bie Klägerin 
auS ber Satfadje, bafj bie ©erufSgenoffenfcfjaft bis pm 21b* 
lauf ber 26. SQBod>e mit ihrer gürforge für bett ©etlagten 
in ber $at ttod) nicht cingetreten war, bie unabweisbare 
Verpflichtung ergeben, auf bie ganje $auer ber sweiten 13 
2Bodjen bem ©etlagten ihre Unterftütpng p gewähren, wo* 
gegen fie itjrerfeitS für biefe 21ufwenbungen über bie 13. 
SBodje hinauf non ber ©erufSgenoffetifdjaft nach 9Rajjgabe 
beS § 30 2lbf. 2 ff. £anbw. Unf.*Verf.*©ef. (§ 25 @ew.* 
llnf.©erf.©ef.) @rfatj beanfprucfjen tonnte. 

£>ätte bie Klägerin in biefer äßeife bem ©efetj genügt, 
fo hätte fie nach bem 21usgeführten an ft'ranfengelb für bie 
3eit oont 22. 2lprit bis 22. guli ben ©etrag oon 136.50 9R. 
(einfdjliefjlich ber ooti ihr bis 18. 9Rai aufgewenbeten 40.50 ÜR.) 
p uerauSgaben unb bafür als 6rfat> oon ber ©etufSgenof* 
fenfdjaft im SBege ber fRentenübermeifung gemäfj § 30 2lbf. 4 
ßanbw. UV®, bie Hälfte oon brei 9RonatSraten, b. h- 
ben ©etrag oon 46 9)1. 73 iJJfg. p beanfprudjen gehabt. 

2. Statt beffett hot bie Klägerin am 18. ÜRai — toie 
fie nunmehr fetbft anerfennt — unbegrünbeterroeife bie gort* 
reidjung beS ÜrantengelbS an ben ©etlagten eingeftetlt; ber 
Veflagte hot oon ba ab Shantengelb nicht mehr befommen, 
bagegen ift ihm, freilich erft nad) 21blauf ber 26. Viodje, p= 
folge ©efdjeibS oom 27. guli bie Unfnllrente jugebilligt unb 
— oon ber 3urüctbet)altung beS UeberweifungSbetragS bis 
pm VuStrag beS gegenwärtigen 9ted)tSftreitS abgefehen — 
auSbephlt worben. 21uS biefer letzteren Satfadje leitet bie 
ftlägerin bie golgerung ab, baff, weil grunbfätjlid) bem Ver* 
lebten nicht beibe 2lnfprüd)e neben eittanber, fonberti nur ber 
eine ober ber anbere pftefjcn, er hödjftenS nod) oott ihr 
ben bie iRente überfteigenben ©etrag bcS KranfengelbS für 
bie jweiten 13 äöodjen forbern fönne, unb fie hot infoweit 
ben 21nfprud) beS ©eflagten auSbrüdlid) anerfatmt. 

21llein biefer 9Reittung fann nicht beigetreten werben. 


Digitized by Google 



236 (Sntfcfjtibungen beS SHerroaltungSgeridjti&fjof?. 

©s ift jroar richtig, roie fid) bieg au§ bem früher ©efagten 
ergibt, bafj ein Unfalloertehter nicht beibe 2Infprücf)e — gegen 
Kranfenfaffe unb Veruflgenoffenfchaft — oom Stblauf ber 
13. SBodje an in oollem Umfang, fumulatio geltenb machen 
fann; nirf)t richtig aber ift, bafj er immer unb in allen gäl» 
len nur entroeber Unfallrente ober Kranfengelb, unb alfo 
im günftigften galt nur basijenige, ma§ ben fjötjeren ^Betrag 
au§macf)t (t)ier ba§ Kranfengelb), nach Sage be§ ®efet)e§ 
füllte forbern fönnen. Vielmehr beftefjt in 2lnfel)ung ber 
bem Verlebten jufomntenben @ntfd)äbigung ein bebeutfamer 
llnterfd)ieb, je nadjbem bie VerufSgenoffenfdjaft fofort mit 
Veginn ber 14. 2Bod)e mit ihrer Unterftütjung eingreift ober 
bieg erft in einem fpäteren 3 e itP un ft/ menn aud) mit 2ßir= 
fung oon ber 14. SBodje ab gefcfjietjt. $m elfteren 
beftef)t fein 3roeifeI, bafj ber Verlebte nur bie Unfallrente 
erljält unb nid)t aud) nod) bie Unterftütjung ber Kranfenfaffe 
in 2lnfprud) nehmen barf, felbft bann nicht, roenn ba§ Kran-- 
fengelb f)ö^er märe all bie Diente. ($u oergl. $at)n, 2lrb.» 
Verforgung 1906 <3. 305; ferner Slrb.Verf. 1906 @.421; 
1907 <3. 58 unb 122; $al)n, Kommentar jurn Ktanfenoerf.* 
@ef. 5. 2(ufl., 2lnt)ang ju § 25 ©UV®. 2lnm. 2 2lbf. 1 
(3. 434). SlnberS aber bann, menn bie Seiftung ber Ve* 
ruf§genoffenfd)aft aus irgenb einem ©runbe fid) oerjögert. 
®ann bleibt ja bie Verpflichtung ber Kranfenfaffe oorbehalt* 
lieh ifjreg @rftattung3anfprud)§ beftefjen, bi§ bie Verufäge» 
noffenfehaft ihrer Sürforgepflicf)t auch toirflicf) nad)fommt, 
unb ba nad) § 30 (2lbf. 4 unb 5) Sanb. UnfVerf@ef. (§ 25 
©UnfVerf©ef.) ber ©rfatjanfprud) ber Kaffe an bie ©enof= 
fenfehaft ber Unfatlrente feineSroegS gleichfommt, oielmehr 
grunbfählid) befdjränft ift — au§gefprod)enermafjen ju bem 
■3roecf, au§ Schonung für ben Verlebten biefem nicht bie 
gaitje Unfallrente ju entjieljen (oergl. SBoebtfe a. a. £}. 3. 272) 
— , fo fann eS fid) mie im oorliegenben Sali ergeben, baß 
ber @rftattung§anfprud) ber Kranfenfaffe bie oon ihr für 
bie Uuterftüßung nach ber 13. SBodje gemachten Dlufroenbum 
gen nicht beeft, mithin ber Verlebte im ganjen mehr erhält 


Digitized by Google 



SInfpnid) auf Stratifengclb neben bem Slnfprnd) auf llufallrente. 237 

al§ bie 9tente (.£>at)n a. a. O. @. 304/05 ; auef) 2lrb.3krforgung 
1907 ©. 675/76, Urteil be§ ißr. 5?ammergericf)tä oom 8. Quni 
1907). ®er burcl) bie 9)entenüberroeifung nid)t gebeette 9teft 
be§ $ranfengelb§ fommt bie§fa(l§ nietjt bet 53eruf§gen offen» 
fcfjaft, fonbetn bem Seriellen ju. 9tur in $öt)e be§ @r* 
ftattung§anfprucf)3 fielen bemgemäfj bie Siaffe nnb bie 93e» 
ruf3genoffenfd)aft bem ® erlebten «l§ (Sefamtidjulbner gegen» 
über: ber jur Ueberroeifung beftimmte Stententeil allein bil= 
bet ben betrag, ber nur einmal, nicf)t hoppelt bem '-Beriet}» 
ten gewährt $u werben brauet, unb nur inforoeit ift ber @a^ 
richtig, bafj bie 3at)lung be§ einen ®d)ulbner§ ben anbern 
befreit, ($u oergl. Urteil be§ $anfeat. £)berlanbe§gerid)t§ 
oom 2. ^ejembet 1905, 2trb. '-Besorgung 1906 @. 421/22; 
Urt. be§ ©äcfjf. Oberoerroalt.©erid)t!§ oom 5. $uli 1905. 
2lrb.93erforgung 1906 S. 491/92; unrichtig bagegen 2lrb.» 
®erforgung 1906 @. 314 (Sanbgeridjt SOtagbeburg oom 19. 
ÜJtärj 1906); ebenbafelbft 1907 ©. 486 (SRagiftrat granf» 
furt a./SDt. 19. $uni 1907). 

güt ben oorliegenben $all ergibt fi<±> f)ierau§, bafj ber 
33erletjte Unfallentfdjäbigung roäfjrenb be§ geitraumä jroifdjeu 
ber 13. unb 26. 2Bod)e nirfjt blofj in ßöfje ber 9tente unb 
aud) nidjt nur in ^ötje be§ 5?ranfengelb3 ju beanfprudjen t>at, 
fonbern über bie iHente f)inau§ nod) inforoeit, ab§ ber @r= 
ftattungianfprud) ber Äranfenfaffe hinter bem oon iljr ju 
geroäljrenben S^rantengelb jurücfbleibt ; m. a. SBorten: bem 
SBetlagten muff neben bem ganjen Äranteugelb nod) bie 
hälftige ®reimonat§»9tente jutommen. 

SBcire ber @rftattung§anfprud) gleid) ber ganjen Un= 
fallrente für ben in fyrage fteljenben Zeitraum, bann aller» 
bing§ befäme ber Serielle in SBirflidjfeit nur ben '-Betrag 
be§ Stranfengelb§ al§ ©ntfdjabigung, unb in biefem ^all 
t)ätte bie Äranfenfaffe, bie ifyrer gefe^lidjen iBerpflidjtung 
nicf)t redjtjeitig ©enüge geteiftet l)at, im SnbergebniS nur 
ben ^Betrag ju bejahen, um roeldjen ba§ Stranfengelb f)öf)er 
ift al§ bie diente, ba fie ja bann bie ganje Stente für ba§ 
oon il)r ju bejaljlenbe Stranfengelb erfetjt oerlangett tonnte. 


Digitized by Google 



238 Gntfcficibungeu be-3 ä!enuciIümgagericf)tsf>of3- 

2)a nun aber, roie gegeigt, bas oon ber Hranfenfaffe „im 
58ebarfSfalT' gemäfj § 30 Sanbro. 1U8®. ju zatjlenbe Stran= 
fengelb nirf)t mit ber ganzen Unfaltrente, fonbern — roenig= 
ftenS in gälten ber oorliegenben Slrt nach 2tbf. 4 bafelbft — 
nur mit ber .fpätfte oon brei SftonatSbeträgen ber Diente er= 
fet)t roirb, fo ift bie golge, bafj bet Sierleljte neben bem 
rücfftänbigen Hranfengelb nod) ben non ber Dientenübermei-- 
fung nid)t getroffenen Dientenbetrag, b. i. bie hälftige Diente, 
erteilt. 

SBürbe bie 5ttägerin ihrem Stntrag entfpred)enb nur auf 
bie 2>iffetenj jroifd)en Hranfengetb unb Unfaltrente oerpf[id)= 
tet, fo mürbe ber Skflagte rceniger befommen, als er bei 
rechtzeitigem, pflkhtntäfjigem ©intreten ber Klägerin erhalten 
hätte: benn nicht bie Differenz grr>ifd)en Hranfengelb unb 
ganzer Diente, fonbern bie Differenz zroifdjen Hranfengelb 
unb ber hälftigen Diente ift eS, rcaS nadh bem SluSgeführten 
ber Söeflagte ber gefehlten 93orfchrift gemäfj oon ber ftlä* 
gerin beanfprudjen tonnte. SJiit Died)t bemerft in biefer 
Beziehung bie HreiSregierung, baff, roenn entfprechenb bem 
Eintrag ber Klägerin Haffen, rcetd)e ihrer gefe^lidjen unb 
ftatutarifdjen Pflicht nicht nachgefommen finb, oon beten 
nachträglicher Erfüllung aud) nur teitmeife befreit mürben, 
bamit gerabezu eine Prämie auf eine folcfje gefeijmibrige |>anb= 
lungSroeife gefegt märe. 

33ie aus ffiorftehenbem fidh ergebenbe Sluffaffung bes 
H. 33ermaltungSgerid)tShofS fteht im ©inflang u. a. mit bem 
bereits angeführten Urteil beS H. fäd)f. Dberüermaltungs* 
gericf)tS oom 5. Qiili 1905 (Strb.Skrf. 1906 ©. 491; Dieger 
Gcntfcf). Sb. 26 ®. 422), menn bort auSgeführt ift, bafj fo-- 
roeit ber ©rftattungSanfpruch bet&ranfen* 
taffe reicht, ber 58erfid)erte nach bem SBitlen bes ©e= 
fetjgeberS nid)t Diente unb Htanfengelb, fonbern nur bas 
eine ober baS anbere erhalten folle (oergl. auch 2lrb.9Serf. 
1906, ©. 421 unb Dfterrieth a. a. £>. 1907 <3. 91/92). da- 
gegen fantt ber anbenoärtS oertretenen Sinnahme, als rnerbe 
bie Hranfenfaffe infomeit als bie Diente ben 5Be= 


Digitized by Google 



2Bie linterfdjeibet ficf) ber felbftänbige Unternehmer ?c. 239 

trag be» Kranfengelbi erreicht, oon eigener Seiftung befreit 
(oergl. SlrbVerforgung 1906 <3. 314, auch toohl 1907 ©. 487 
unb 1902 ©. 727; Sieger 1903 ©. 106 — trot* richtiger 
©runbtenbenj ! — oergl. auch neuefteni ^atjn 5. Slufl. a. a. 
O. 21nm. 2 Slbf. 2 ju § 25 ©UV®. ©. 435), aui ben oben 
bargetegten ©ritnben nicht beigetreten werben. 

Urteil oom 8. Januar 1908 in ber Ver.=Sad)e ber Ve* 
jirfsfranfenfaffe 58. gegen ben SRauret unb .gjoljhauer 
<$r. Vr. in V. 


26. 

Pi« mtt«rrdjeii*ßt |tdj ber felblUittbigc Unternehmer 
uon bern krankeHuerrithrrnngspflidjtigen iTöljnarbeiier? 
©eljört bas ®ntriitbeu non ^tamntljalj ?ntit forftmirt* 
rdjaftiidjen ober jutu gctuerblidjett betrieb? 

Qn ben ©riinben ift auigeführt: 

I. SRit Urteil oom 4. Oftober 1907, atti beffen 33e- 
grünbung fitf) ber ©adjoerhalt im einjelnen ergibt, fiat bie 
Kreisregierung in Veutlingen «(§ Verroaltungigericht erfter 
Qnftanj ben Kläger Vevufungsf läget mit ber erhobenen 
Klage, mit toeld)er er oon ber beflagten Kaffe bie Summe 
oon 177 SR. 80 Vf- a(§ Kranfenunterftühung forberte, foften» 
fällig abgeroiefen. ®er eingeflagte betrag fetjt fid) im ein* 
jelnen folgenbermaffen jufammen: 

1) Uebernahme ber Koften ber Verpflegung im Kranten* 


häufe ju fR. mit 99 SR. 50 Vf- 

2) ©rfatj ber Auslagen für ein 8mh* 3 

roerf oon 91. nach @. mit 13 SR. — Vf- 

3) Siedjnung bei praftifdjen Slrjtei 

Dr. 58. in SB. mit 14 SR. — Vf- 

4) Kranfengelb für 57 Jage ü 90 Vf- 51 SR. 30 Vf. 


jufammen 177 SR. 80 Vf- 

©egen ba§ am 9. Oftober ihm jugeftellte Urteil ber K. 
Kteiiregierung hot ber Kläger rechtzeitig unb orbnung§mäf?ig 
bie Berufung eingelegt unb im Verufung§fd)riftfah, ohne 


Digitized by Google 



240 (Sntfdjeibungeu bcS SöcnuciltimflSgericbtSbofs. 

einen beftimmten Antrag ju [teilen, fein erftinftanjlicheS Vor* 
bringen im roefentlidjen raieberholt. $>ie Veflagte Veru* 
fungSbeflagte t)nt bemgegenüber, gleidjfallS unter Vejug* 
nähme auf it)r früheres Vorbringen unb unter Berufung 
auf bie ©rünbe beS angefochtenen Urteils, ben Antrag ge» 
[teilt, ben Kläger VerufungSfläger mit feiner Klage abju* 
ioeifen. $n ber ntünblid)en Verfjanbluftg hat ber allein er* 
fd)icnetie Vertreter ber Veflagten ben ebengenannten Slntrag 
mieberholt. 

II. 3)er Anfpruch beS Klägers ift begrünbet, toettn er 
ju ber 3eü, fr« er an ben folgen beS erlittenen Unfalls er* 
t'ranfte unb ermerbSunfäfiig mürbe, oerfid)erung§pflid)tigeS 
SJfitgtieb ber beflagten Kranfenfaffe gemefen ift. 3Die ©nt* 
fcheibung biefer ff-rage l)ängt baoon ab, ob Kläger bamalS 
ju ben in ber gabrif ber fyirma V. u. Gie. gegen Soljn ober 
©efjatt befdjäftigten ißerfonen gehörte, beren Vefchäftigung 
nirijt burd) bie Vatur ihres ©egenftanbS ober im oorauS 
burd) ben ArbeitSoertrag auf einen 3eitraunt oon toeniger 
als einer SBodje befchränlt gemefen ift (§ 2 beS Kaffenfia* 
tutS). letzterer ^injtdjt ift aufjer Streit, bafj eine jeit* 
liehe Vefchränfung ber genannten Art bei ber Jätigfeit, mäh' 
renb roctcher Kläger ben Unfall erlitt, nicht beftanb. 3Bäf)= 
renb aber ber Kläger behauptet, bafj er ju ben im Sabril* 
betrieb ber $irma 5R. u. Gie. befchäftigten Arbeitern jur 3 e *l 
feiner Grfranfutig gehört h a & c / infofern er jufamnien mit 
brei anbern Arbeitern, barunter bem Sauer 9R., baS .jpolj* 
fd)älen im Auftrag ber genannten $irma beforgt hoöe, roirb 
oon ber Veflagten beftritten, bafj ein oerfid)erungSpflid)tigeS 
SlrbeitSoerhältniS jmifd)ett ber fjirma unb bem Kläger über* 
haupt beftanben höbe, unb geltenb gemacht, baS Schälen 
(Gntrinben) beS £jotjeS hoöe bie fyirnia bem Sauer 2Jl. in 
G. als fetbftänbigem Unternehmer übertragen. Ob unb meld)c 
Seute biefer ju bem ©efdjäft beigejogen h fl fo/ berühre bie 
fyirma nicht; bem 3R. höbe eoentuell bie Vflich* obgelegen, 
für bie Verfidjerung ber jur Ausführung beS übernommenen 
Auftrags oon ihm angeftellten Arbeiter ju forgen. $aburch. 


Digitized by Google 



SBie imterfdjeibet fid) bcr fetbftäubige Unternehmer it. 241 

baff 3U. auf ben oertragSmäffig ihm allein aus bent Unter* 
nehmen sufommenben Unternehmergewinn oerjicfjtet unb ben 
empfangenen 2 lfforblof)n mit feinen Hilfsarbeitern gleid)* 
mäfjig geteilt h°be, fiabe er nicht aufgehört, bet gtrma ge* 
genüber felbftänbiger Unternehmer ju fein. SBare bie gftma 
als Arbeitgeberin beS Klägers im Sinn beS Sranfenoerfid)e* 
rungSgefetjeS ju betrachten, fo hätte fie fidj ber Berfid)erungS* 
Pflicht leicht baburd) entjiehen fönnen, baf? fie burch $eran= 
jiehung ber erforberlid)en Anjahl uon ßilföfräften im uor* 
auS bie Sauer ber Befcf)äftigung auf ben 3eitraum uon 
weniger al§ einer SBodje befdjränft hätte. Qtt jweiter Sinie 
hat bie Beflagte, geftii^t auf bie @ntfd)eibung§grünbe beS 
angefodjteneu Urteils, bem filagantrag bie Behauptung ent* 
gegengefetjt, bie Sätigfeit, bei weldjer ber Kläger oerun* 
glüdte, fei feine gewerbüdje, fonbern eine forftwirtfd)afttid)e, 
unb eS fei auS biefem ©runbe bie Berficf)erungSpflid)t beS 
filägerS gegenüber ber beflagten Saffe ju uemeinen, wogegen 
ber Stöger ausführte, bie forftwirtfcfjaftlidjc, b. h- auf bie 
©ewinnung beS ßoljeS gerichtete Arbeit fei abgefdjloffen ge* 
wefen, als im Auftrag beS ^jolsfäuferS bie ©ntrinbung oor* 
genommen worben fei, bie le^tere Sätigfeit habe fdjon einen 
Seil ber oon ber fyirma u. ©ie betriebenen ^oljoerarbei* 
tung gebilbet, fei alfo ben 511 m gabrifbetrieb ber girma ge* 
hörigen Arbeiten pjurechnen. 

III. Sie J-irma B. u. Sie. h fl t burd) ihren Vertreter 
— wie fdjon im SJtärj 1905 — fo aud) wieber im Frühjahr 
190G baS ©djälen beS oon ihr in ben baprifdfen ©emeinben 
SB. unb SB. getauften StammholjeS an ben Vorarbeiter 
ütaoer 2)1. in ®. im SBege beS SlfforbS übertragen. Ob aud) 
im 1906, ähnlich wie baS $af)r juoor, ein fchrift* 

lieber Bertrag, nid)t blof? eine miinblidje Berabrebung jwi* 
fdjen ber $irma B. u. ©ie. unb 3JI. juftanbe gefommen ift, 
ift mit Sicherheit nid)t erhoben worben; ein fd)riftlid)er Ber* 
trag fonnte jebenfallS nicht ju ben Alten gebracht werben. 
©S befteht aber Uebereinftimmung j?wifd)en ben Parteien 
barüber, baf? für bie Ausführung ber Arbeit im Frühjahr 


Digitized by Google 



242 ©ntfdjtibungen bcS 93er»raltmi0«gcricf)t§^of«. 

1906 im roefentlidjen (oon einer 2lenberung im 2lfforbpreis 
abgefehen) gan$ biefelben SertragSberebungen roie früher 
getroffen mürben. SJaroad) hatte 9R. baS (Sntrinben (©cf)ä* 
len ober 9teppeln unb ^utjen) ber 356,58 geftmeter Stamm* 
holj im 21fforb gegen einen Lohn oon 42 ißf. pro cbm |rol$= 
maffe, ohne 9tinbe gemeffen, übernommen; bie Arbeiten muf= 
ten binnen einer beftimmten fyrift (2 SBodjen) beenbet fein, 
bei ^Nichterfüllung ber Sebingungen, inSbefonbere oerfpäteter 
2Irbeit, f)atte ber Slfforbant fid) einer, übrigens geringfügigen 
Konuentionalftrafe (20 9R.) ju unterroerfen unb für entftan* 
benen ©djaben aufjufommen. *3)ie burd) baS ©cfjälen ber 
©täntme geroonnene 91ut)rinbe ging in baS Eigentum beS 
ÜlfforbnehmerS ÜR. über. 

1. Sei biefer Sachlage ift junäcf)ft barüber fein 

fei, bafj ber oerunglücfte K. nur bann als im Setrieb ber 
girrna 9t. u. Sie. befcf)äftigt angefehen merben fann, 
menn ber „Slfforbant" 9R. felbft, ber if)n jur Slrbeit 
beigejogen f)atte, ju jener girma im Serf)ältniS eines »er* 
fidjerungSpflidjtigen Arbeiters ftanb. 3)enn nur bann ift 
9iaum für bie Ülnnaljme, bafj aud) ber Kläger, microotjl er 
äufjerlid) betrautet jum SetriebSunterneljmer, bem Slrbeitgc* 
ber beS 9R., in feiner Sejieljung ftanb, für Dtedjnung ber 
girma 9t. u. (Sie. unb in beren Setrieb burd) bie ÜRittelS* 
perfon beS 9R. ^inburd), mithin gleichfalls in ber Stellung 
eines nerftd)erungSpflid)tigen Lohnarbeiters befd)äftigt gerne* 
fen märe. 2Benn hingegen 9R. ber 3fama 9t. u. (Sie. als 
felbftänbiger Unternehmer gegenüberftanb, roie bie Seflagte 
behauptet, fo mag baS Serf)ältniS jroifd)en ihm unb bem 
Kläger als ein SohnarbeitSoerhältniS ober roie immer auch 
aufjufaffen fein, jebenfalls ift in foldjem ffall bie Sinnahme 
eines SetriebSoerhältniffeS jroifchen bem Kläger unb 
ber fyirma 9t. u. (Sie., baS allein bie ©runblage für bie 
SerficherungSpflidjt beS Klägers gegenüber ber Seflagten 
unb bannt bie SorauSfetjung für beit Ktaganfprud) bilben 
fönnte, auSgefchloffeit. 

2. 5ür bie $rage nun, ob biefeS Slfforbuntemehmen 


Digitized by Google 



SBie uiiterfdjeibet fic^ bcr fclbftänbigc Unternefimcr jc. 243 

bei 9)7., bal er unter Söei^iefjung bei ßlägerl unb jweier 
weiterer |)ilflperfonen aulfüßrte, all £oßnarbeit ober aber 
all felbftänbige dnoerbltätigfeit anjufeßen ift, fann aul bem 
Stranfenoerfießerunglgefeß felber eine flare, Zweifel abfcßnei» 
benbe 99egrifflbeftimmung nicf)t entnommen werben, $n Ue= 
bereinftimmung mit ber ßerrfeßenben 9Jieinung ift aber 511= 
itäcßft baoon auljugeßen, baß ber Umfianb, baß bie $irma 
91. felbft unb 9)7. ifjr 23erßältnil unter bem ©eficßtlpunft 
einel Afforboertragl angefeßen, beit 9)7. aulbrücflicß all 
Afforbanten bejeicßnet ßaben, nicßt entfcfjcibenb ift unb baß 
inlbefonbere ein Afforbant all folcßer, auch wenn er Arbeiter 
oon fieß aul einftellt, entläßt unb entloßut, barum nocf) fei» 
uelwegl bem Setrieblunterneßmer (Afforbgeber) in wirt» 
fcf)aftlicf>er Selbftänbigfeit gegenüberfteßt, ja baß im Zweifel 
ber Afforbant woßl eßer all Arbeitneßmer, benn all wirf» 
lieber, felbftänbiger Arbeitgeber anjufeßen ift. @1 ift weiter» 
l)in bem in Siteratur unb 97ecßtfprecßung ganj ilberwiegenb 
feftgebaltenen ©runbfaß bei§utreten, baß naeß Sinn unb 
©eift bei Sfranfenoerficßerunglgefeßel für bie Unterfdjeibung 
jwifeßen Soßnarbeiter» unb Unterneßmerftellung im einzelnen 
^alle nicßt nur unb nießt in erfter Sinie formal prioatreeßt» 
ließe, fottbent ßauptfäcßlid) bie wirtfcßaftlicßen unb tatfäcß» 
ließen ©eficßtlpunfte bett Aulfcßlag geben müffen, baß bem» 
naeß bie gorm bei jioilrecßtlicßen üßertragloerßältniffel 
jwifeßen ber $irma 97. u. Sie. unb 9)7. feinelwegl maßge» 
benb unb inlbefonbere troß bei im oorliegenben gdll abge» 
f eßloffenen Söerfoertragl für 9J7. ein Arbeitloerßältnil jur 
fyirma begrünbet worben fein fann. (3u oergl. |>aßn, St ran» 
fenoerficßerungl»@efeß, 3. Aufl. ju § 1 9lote la (©. 24) unb 
§ 38 97ote lb (©. 196). ©eßiefer, Stranfenoerfiißerunglge» 
feß, 2. Aufl. 186 — 187; 97ofin, 97ed)t ber Arbeiteroerfieße» 
rung, II. 93b. ©. 42 unb 51. Arbeiteroerforgung 99b. XXIII 
<S. 375; XXIV, 56; aud) bie Anleitung bei 97eicßloerfieße= 
runglamtl »om 6. iJejember 1905 ju bem (infoweit mit 
bem Äranfenoerfteßerunglgefeß fieß bedenben) ^noalibettoer» 
fießerunglgefeß inlbefonbere 3iff. 28, 29, 31, 32). 

3a$r&il($rr btt Bilrttcmb. St^tSpfltflt. XX. S. 17 


Digitized by Google 



244 ©iitfdjeibmigcii beä S 8 cv!un[Imig«gerid)täf)of 2 . 

3n Anwenbung biefer ©runbfätje auf ben gegenwärtig 
gen gall ift bet 5t Verwaltungsgerichtshof in Uebereinftiin* 
mung mit bem, was fchon baS 5?. Oberamt 9teuenbürg 
in feinem Vorbefcßeib nont 20. ^juli 1907 auSgefüt»rt hat, 
bei näherer SBürbigung aller einjelnen Umftänbe ju ber 
rechtlichen Ueberjeugung gelangt, baß ÜR. bei Ausführung 
ber IwljentrinbungSarbeiten nicht als felbftänbiger Unterlief) 5 
mer angefehen merben fann, nielmehr in bem Verhältnis 
eines nerficherungSpflicf)tigen Arbeiters ju ber girma A. 
u. Sie. im «Sinne beS $ranfen»erficherungSgefet}eS unb ber 
Statuten ber Veflagteu geftanben hat. dafür fpricßt fd)on 
biefojiale Stellung, melche 9R. einnimmt: er ift ein Sölbner, 
welcher in ber $eit, bie ihm bie Vewirtfcßaftung feines Solb-- 
anmefenS übrig läßt, neben Heineren fogenannten Alforbar* 
beiten regelmäßig als ^oljmacher unb daglößner arbeitet 
unb fich bemgemäß fcßon an unb für fid) feineSwegS über 
ben Stanb beS SoßnarbeiterS erhebt. ©S fommt aber ßinju 
bie Art ber non ihm übernommenen Arbeit, bei beren Aus= 
füfjrung er fich mit feinen ©etiilfen nollftänbig auf eine Stufe 
ftellte unb non Anfang bis ju ©itbe beS ©efdjäftS felbft mit’ 
arbeitete. damit hängt aufs engfte jufammen, baß er aus 
ber Vergütung, bie er non ber Afforbgeberin in ©eftalt beS 
AftorblohnS erhielt, einen llnternehmergeminn — inofern 
ein foldjer in nennenswertem Vetrag überhaupt hätte gejogen 
werben f'önnen — nid)t crjielen wollte unb nicht erjielt hat, 
inbem er unbeftrittenermaßen ben Sohnbetrag gleichmäßig 
unter fid) unb bie non ihm heratigejogenen SRitarbeiter, 
barunter ben Kläger, nerteilte; unb eS erhellt hieraus jugleid), 
wie wenig 9R. felbft fid) biefen ©ehilfen gegenüber in ber 
Stellung eines wirtfd)aftlid) fetbftänbigen Arbeitgebers fühlte, 
wie er nielmeßr offenftdjtlich fich famt feinen 2ttitarbeitem 
lebiglid) als bie Arbeiter ber afforbgebenben 5>rma anfah, 
für beren Rechnung unb Rußen bie Veßhäftigung ftattfanb. 
demgegenüber lann bem Umftanb, baß 2R. feine .ßilfSar* 
beiter fich felbft auSfudjen unb auch bie ArbeitSjeiten — in» 
nerßalb ber nertragSmäßig einjufjaltenben SieferungSfrift — 


Digitized by Google 



SBie unterfdieibet ficf) ber felbftänbige Unternehmer je- 245 

frei roäblett fonnte, eine Erf)eblid)feit nicht beigemeffen roer» 
ben ; auef) ift eS mit ber ©tellung be§ 9Jf. als eines roirt» 
fefjafttid) unfelbftänbigen Sohnarbeiters ganj rooht oerein» 
bar, jubem burd) bie meite Entfernung beS SlrbeitSplatjeS 
oom ©iß beS Unternehmens ber auftraggebenben gtrrna ge» 
nügenb erftärt, baß eine Seaufficßtigung ber SlrbeitSauSfüß» 
rung feitenS beffen, bem bie Slrbeit jugut fommen foUte, im 
oorliegenben $alle nicht ftattgefunben f>at (SRofin a. a. O. 
@. 33 ff.). 

9iad) attebem ift ber SUforbant SDR. nid)t felbft Unter» 
neßnter, fonbern nur bie roirtfdjaftlid) abhängige, unfelbftän» 
bige UTiittetsperfon geroefen, burd) roelcße feine ©eßitfen unb 
fo auch ber Mager in ben ®ienft ber Jirma SR. u. Eie. 
traten. (33gl. Anleitung beS 9feid)§öerfid)erungSamt3, ,3iff. 31 
unb 32, 2lmtl. 9lad)rid)ten beS sieicf)3oerftcherung§amt3 1900 
S. 831 unb 1904 ©. 524; Steger, Entfdjeibungen, ^aßr» 
gang 1900, Seil. ©. 88; 1904 Seil. ©. 67.) 

'Sie $irma SR. u. Eie. toat l)ienad) bie Slrbeitgeberin beS 
MägerS unb ebenbarunt bie beflagte Sfaffe jur Seiftung ber 
ftranfenunterftüßung an ftd) oerpflid)tet. 

3. ©teichroohl f)at ba§ ®erid)t I. Qnftanj ben Magan» 
fprucf) be§t)alb für unbegrünbet erftärt, roeit bie oom Kläger 
auSgeiibte Jätigfeit, baS Entrinben beS ©tammholseS, nid)t 
all eine jum Setrieb ber girmaSt. u. Eie. ge» 
hörige, oielmehr auf Verrichtung beS |rol$e3 in ben für ben 
SranSport geeigneten guftanb gerichtete, bemnad) f o r ft » 
roirtfchaftlicße £ätigfeit angefeßen roerben müffe. 3Die 
ÄreiSregterung ift hiebei oon ber Erroägung auSgegangen, 
baß bie 5 ra 9 e » inroieroeit bie im SBatbe oorftuneßmenben 
Slrbeiten nod) bem gorftroirtfcßaftSbettieb jujureeßnen finb, 
für baS ©eltungSgebiet beS MranfenDerficßerungSgefetjeS ein» 
heitlich unb gleichmäßig entfehieben roerben müffe; auf bie 
lanbeSüblicße Slrt ber Slufbereitung beS VoljeS feitenS beS 
äBalbbefißerS bürfe hiebei feine Stücfficßt genommen roerben. 
Stad) ber SRecßtfprecßung beS 9teicf)3=Serfid)erungSamte§ unb 
beS ^3veuf?ifcf)cn OberoerroaltungSgericßtS müffe bie 3utidß* 

17* 


Digitized by Google 



246 ©ntfcfjeibuugen bei Sßerwaltunglgeriditäfiofl. 

tung beS .£ro4eS für bie Slbfuhr unb bie $eranfchaffung beS» 
felbett an bie 2Cbfut>vfteUe noch als Seit beS gorftroirtfchafts» 
betriebet bejeicfjnet unb bemgemäjj baS (Sntrinben bet ge» 
fällten .fpoljftämme im SBalbe oor beten Slbfuhr nod) in ben 
Stabmeu bet forftroirtfdjaftlidjen Sätigfeit einbejogen roerben. 

liefet Sluffaffung fann jebocf) nid)t beigetteten roetben. 
3lud) roenn man annimmt, bafj bie foftroirtfd)aftlid)e SIrbeit 
als bie auf (Seroinnung gebrauchsfähigen 4)otjeS gerichtete 
Jätigfeit ihren 2lbfcf)luß erft mit ber Fällung unb -Jperricf)» 
tung beS ^oljeS jum 3*®ccEe beS 5ßerfaufS finbet, unb ba| 
eS hiebei unerheblich ift, ob biefe Sätigfeit oon bem SBalb» 
befitjer bejro. SSerfäufet ober im Stuftrag be§ Käufers beS 
-fpolseS ftattfinbet, fo ift bamit über bie grage, ob baS @nt» 
rinben jum^errichten beSßoljeS inoerfaufS» 
ober Derbrau d)Smäf)igen 3 u ft a n b noch gehört 
ober nicht mehr gehört, nod) nichts entfchieben. ®ie $rage, 
roenn bie auf 3uvid)tung beS |>oljeS in oerfaufSfähigen 3“= 
ftanb gerid)tete, fogenannte 5Beroalbred)tungStätigfeit als ab» 
gefchloffen ju gelten h«t, hat in ber Sied)tfpred)ung — ge» 
rabe aud) mit 58ejug auf baS Schälen, Sntrinben beS £>ol» 
jeS — leine einheitliche Söfung erfahren (ju oergl. hierüber 
^ahn a. a. D. S. 45 46 ; Sieger, Sntfcfjeibungen 58b. XXVI 
S. 231 unb 232 unb bie bort in ben Slnmerfungen aufge» 
führten 50orentfcf)eibungen ; Slrbeiteroerforgung 58b. XVIII, 
139). ®iefe Srage fann roof)l überhaupt nicht für alle Sin» 
jelfälle ein für allemal entfchieben roerben, oielmehr muf bei 
58eftimmung unb Slbgrenjung jenes 58egriffeS ben tatfächlichen 
5ßerhältniffen beS einzelnen gatleS unb ben örtlichen (Sepflo» 
genheiten ber gebührenbe Sinflufj eingeräumt roerben (Sieger, 
58b. XVIII, S. 350). Slun liegt im oorliegenben pralle 
nach bentjenigen, roaS feitenS ber Parteien oorgetragen unb 
unroiberfprochen geblieben ift, bie Sache fo, bafj in bem in 
Siebe fiehenben 3BaIbgebiet, roie überhaupt in S3apem, — 
entgegen ber Uebung in anberen ^orften — baS Stammhol} 
unentrinbet oerfauft roirb, bie Sntrinbung nicht Slufgabe beS 
5£BalbbefiherS bejro. 5ßerfäuferS ift, baß jubem ber 5ßerfäufer 


Digitized by Google 



2Bic mitevfdicibet fid) ber felbftciitbige Unternehmer je. 247 


baS oon ber girma $R. u. Sie. getaufte £>olj ootit SätlungS* 
ptatj weg bereits an einen 2tbfuf)rroeg hatte Derbringen taffen. 
Saft unter biefen Umftänben bie Sntrinbung nidjt mehr 511 
ber auf Verrichtung beS ^>otje§ in »erfaufsfätjigen 3uftaitb 
gerichteten Sätigteit gehörte, atfo nicht mehr als forft= 
roirtfchafttiche Strbeit angefehen werben tann, fteht aufjer 
3weifet. ®ie Sntrinbung bitbete oielntehr eine bem ©emerbe* 
betrieb ber ^irma fK. u. Sie., ber ^jotjoerarbeitung bienenbe, 
biefe eintcitenbe Jätigteit, für bie eS rechttid) betrachtet gleich 5 
gültig war, ob fie — aus ©riinben ber Vereinfachung unb 
beS bittigeren Transports — noch im SBatbe ober fdjon auf 
bem Sagerplat} ber fyirma oorgenommen würbe (Sieger, 
a. a. O. <S. 350). 

IV. ^ienad) ift ber Kläger ju ber $eit, atS er bei bem 
SntrinbungSgefdjäft oerungtüdte, unb erwerbsunfähig würbe, 
ein im ^abrifbetrieb ber ^rirma 91. u. Sie befdjäftigter 2tr= 
beiter unb bemgemäfj oerficberungSpftid)tigeS SJiitglieb ber 
Veftagten gewefen. Sr hat atfo mit ©runb Stnfprud) auf 
Krantenunterftütjung oon feiten ber Vettagten erhoben; ba 
ber eingeftagte Vetrag oon ber Veftagten ber |iöbe nad) 
nicht beftritten, aud) gemäfj §§ 4 unb 5 beS Statuts nicht 
ju beanftanben ift, fo war unter 2tbänberung beS angefocf)= 
tenen UrteitS bem Klageantrag entfpred)enb ju erfennen. 

Urteil 0011 t 18. Tejember 1907 in ber 93eruf.=Sad)e beS 
Vorarbeiters ©. K. in S. in Vatjern gegen bie gabrif!ran= 
fenfaffe ber fyinna 9i. u. Sie. in V- 031. 91. 


Digitized by Google 



248 


III. 

3lb|j«nMun0. 

{Erörterungen jum (Snierredjt. 

9ted)t»amualt Dr. 8 d) e f o 1 b , Ulm. 

5. (SrroerbSgefdjäft bet ©t)efrau93oEbet)alt§= 

gut? 

$a§ 0berIanbe§gerid)t ®reöben t>at in einem Urteil oom 
27. ganuar 1904 au§gefprocf)en, bafj ba§ Skrmögen, bas 
}u einem non ber grau eingebracfjten unb non ifjr fortbe= 
triebenen ©rroerbSgefdjäft gehört, ju i^rem 33orbef)alt§gut 
fade. ®iefe§ Urteil roirb uon ®ernburg gebilligt; 33- 1905, 
©. 9, 2lbf. 3; entfpric^t e§ ja bod) bem, roa§ SDemburg unb 
oor itjrn ^adjenburg unb Düringer geteert Ratten. 

®a§ iHeid)§gerid)t t>at ftd), n>ot)l im $re3bener gall, 
33b. 59, ©. 29 ff. 1 ) bal)in au§gefprod)en, baff bie ®ernburgfcf)e 
2et)re jmar lebigtid) ben Sebürfniffen bei» 9ted)t§r>erfet)r§ 
unb ben Slnforberungen ber ©illigfeit entfpredje unb bafj, 
roenn aud) biefe 2el)re nid)t au3 bem § 1366 ju begrünben 
fei, bod) ju prüfen toäre, ob biefelbe nid)t au§ anberen 33e= 
ftimmungen be§ ©efetjeä ju rechtfertigen fei. 35abei befdjränft 
aber ba§ iHeid)§gerid)t feine Steigerung auf ba3 oom 2J}ann 
beroilligte GrrroerbSgefcbäft, — fei e§, bafj ber ü)lann 
ben gortbetrieb eine§ beigebradjten Q5m>erbs>gefd)äft3 beroillige, 
fei e3, bafj er ber grau Vermögen jum fetbftänbigen S3e= 
trieb eine§ ©rrcerb^gefd)äftä überlaffe. — 2lu§ ber 93efcf)rän= 
fung bes 9ieid)3gerid)t3 auf ba§ beroilligte @rroerb§gefcf)äft 
läßt fiel) oielleidjt ber <3d)lufj sieben, ba§ ba§ fRö. anbeu-- 

1) $ad Urteil ift pi-aeside ©ntbrob fiitftniibcn. 


Digitized by Google 



3 cf) e f o I b : ßrörtetuugcu jum etjelidjcn @iiterred)t. 249 

ten ujottte, baß bie Rechtfertigung ber ®ernburgfd)en Sehre 
au§ bem § 1405, ber t>om bereinigten GcrmerbSgefchäft han* 
beit, $u geminnen fei. 2Sie nun foll ba§ gefdjeßen? etwa 
fo : infolge ber jurn @rroerb§gefchäft erteilten (Sinroitligung 
fei ber grau eine fo oollftänbige RerroattungS* unb Rer= 
fügung§mad)t über ba§ jum CSriuerbägefcfjäft geßörenbe '-8er« 
mögen eingeräumt, baff neben folget für ba§ eßemännlidje 
2krroaltung§red)t ein Raum nicf)t mehr fei ; roo aber biefe§ 
jurücftrete, ba entftefje 33orbel)a(tsgut. ©. aud) 33- 1905, 
©. 739. 3ßir meinen aber, e§ liegen gorberungen ber 93iüig= 
feit unb Söebürfniffe ber Red)t§fid)erheit für bie 21nnat)me ber 
2)ernburgfd)en Sefjre nicht uor, roa§ bie folgenbe ^Betrachtung 
jeigen möge: 

1. SBenn in ber J^eorie bei ber Seßanblung be§ Recf)t§* 
inftitutS bes @rroerb§gefd)äft3 ber <$f)efrau eine geroiffe Un= 
fid)erheit t>erootrtritt, fo fdjeint un§ tjiefür bie Urfadje barin 
ju liegen, baß man bei ber 93ef)anblung biefe§ RecßtSinfti* 
tut§ nacf) Red)t§regeln gefucßt hat, bie ber eigentümlichen 
Ratur be§ Red)t3inftitut§ ©enüge tun füllten, ftatt baß man 
einfad) bie richtige ülnroenbung ber Rorfcfjriften be§ 23©$8. 
§ 1373 ff. auf ba§ RecßtSinftitut be§ @rroerb§gefchäft§ ber 
öhefrau $u finben fud)te. — £ut man ba§ letztere, fo jeigt 
fiel), baß biefe S3orfd)rifteu auch für ba§ ®rmerb§gefd)äft 
ber grau oötüg auäreidjenb finb. 9Ran unterfd)eibe: 

a) SBenn bie grau ba§ ®rroerbsgefd)äft felbft betreibt 
unb ber SJtann feine Gcinroüligung gibt, fo ift ber grau eine 
fold)e Summe meitgehenber Red)t§befugniffe eingeräumt, baß 
au3 bem betrieb ber grau unb bem 93erfet>r mit if)r Rechte 
unfid)erheiten nicht brohen; bie einzige Urfadje einer folchen 
märe bie, baß bet SOtann berechtigt märe, jeben Slugenblicf 
mit feiner eigenen 93ermaltung§mad)t einjugreifen. 5)a§ 
faun er nach ber herrfcßenben 9Jleinung; mir möchten bie ab= 
meichenbe 31nfid)t, bie mir im 2lrd)3^ 91, ©. 154 geltenb 
gemacht haben, nid)t aufgeben: e§ fommt ber Riann, glau-- 
ben mir, mit fid) felbft in SBiberfprud), roenn er heute 
ber grau geftattet, ißr jum eingebrachteu ©ut get)örenbe§ 


Digitized by Google 



250 


2 l 6 f)aiiblun 0 . 


SBermögen mit ooller 9Jtad)tbefugni§ ju oertoalten, unb am 
anbevn Jag roieber felbft über foldjes Vermögen oerfügen 
null. 

b) SBirb ba§ @rtoerb§gefd)äft nid)t oon ber grau unb, 
toa§ bem gleich ift, aud) nid)t oom beoollmädjtigten ©be= 
mann betrieben, fo ift ein @noerb§gefcbäft ber grau itu 
redjtlidjeit ©intt nid)t ba; bie 93ermögen§gegenftcinbe, bie 
burd) ben SBillen ber grau ju einem nürtfdjaftUcfyen mtb 
rechtlichen ©anjen 3 ufantmengefaf?t mären, geben al§ ein* 
Seine 93ermögensgegenftcinbe in bie Sßenoaltung be§ 9Jtanne§ 
über: er nimmt bie einjelnen ©adjen in 93eftt}, er oer= 
fügt barüber nach SJtafjgabe ber §§ 1376, 1379, f. oben 
©. 120. 9cid)t3 änbert baran ber Umftanb, bafj biefeö 
Vermögen oor ber ©he ju einem ©rioerb§gefcf)äft gebient 
I)at. 

c) SluSgefdjloffen ift, bafj ber 9Jlann ba§ oon ber grau 
beigebradjte ©noerb§gefd)äft otjne ihre 93ollmad)t au§ eigener 
9Jkd)t aber mit furrogierter guftimmung im 9t amen ber 
grau betreibt. 2>ie§ folgt aus unfern ©rörterungen ju 1, 
©. 116 ff. 

©ben bie falfdje Slnnabme, baß ber SJtann befugt fei, 
ba3 ©noerb§gefd)äft ber ©befrau au f ttjren 9iamen ju füfc 
ren, ift bie Quelle oieler Unflarbeit unb 9ted)t§unfid)ert)cit. 
Umgefebrt ift bie grau burcb ba§ iüenoaltungsredjt bes 
SftanneS getjinbert, ein ©noerbsgefd)äft mit ben biesu ge= 
hörigen, oott ibr eingebrad)ten ©egenftänben gegen ben SBilten 
be§ 2Jlanne§ fortsubetreiben; ber 9)tann ift ja befugt, biefe 
©egenftänbe: gabrif, Staufbau3, SÖaren in feinen Söefit}, gor= 
berungen in feine 93enoaltung ju nehmen. 

2. ©§ fommt befonberS un§, bie mir in ben ebemali* 
gen ©ebieten ber @rrungenfd)aft§gemeinfd)aft leben, unbillig 
oor, baff bie grüßte ber Jätigfeit unb be§ 9krmögen§ ber 
grau in ber Dtegel bem Sftann allein jufallen (§ 1356, 
§§ 1383 ff.). Jiefe Unbilligteit ift aber im ©runb bie gleiche, 
ob eine grau einen Raufen SBertpayiere in bie ©be bringt, 
ober eine gabrif, ober einen Stauflaben, ober ein fianbgut. 


Digitized by Google 



©cfjefolb: Srdrtmmgen jum cfjeticficn ©üterredjt. 251 


©erben foldje @rmerbSgefcf)äfte, wie Wernburg letjrt, Sorbe» 
haltSgut ber §rau, fo fann umgefehrt hieraus bie größte 
Unbilligfeit entfielen ; ber ©ann ift oom betrieb uitb 9?u^en 
beS ®efd)äfteS auSgefd)loffen; er mirb jurit Wiener feiner 
^rau. ©irb aber gar in ber ^Bewilligung beS ©rwerbSge» 
fd)äftS ber SiechtSgrunb für ©ntftebung non SorbehaltSgut 
gefimben, fo fragen n)ir: ift eS nicf)t genug, baff ber ©ann 
mit biefer ^Bewilligung ber $rau bie reidjfte ©etegenheit er» 
öffnet, oermittelft be§ ©rroerbSgefchäftS für firfj ju erroerben, 
foü aud) biefeS felbft nod) jum SorbehaltSgut werben? 

@o fdjwanfen bie ©ebanfett ber Silligfeü f)in unb tjer: 
maffgebenb ift baS ©efetj, baS je nad) ber ©eftalt ber $älle 
ber Silügfeit entfpredjen ober wiberfpredjen mag. 

3>a§ 9teid)Sgerid)t macht in feinem oben angeführten 
Urteil ©. 31 in ber ©Ute nod) bie bebeutfamc Semerfung, 
„wenn ber ©ann in bie unoercinberte <yortfet)ung beS Se» 
triebS willigte, fo würben ißm o i e 1 1 e i d) t bie auS §§ 1376, 
1377, 1380 fid) ergebenben SHedjte jufteljen". Sin id) nicht 
oielleicht im Siecht, in biefen ©orten eine Slnnäherung ju 
meiner oben entwidfelten Sinnahme ju finben, baff, wenn unb 
folange ber ©ann ber $rau ben betrieb eines ©rwerbSge» 
fd)äft§ geftattet, er nid)t befugt ift, in biefen Setrieb einju» 
greifen, bie ©aren ber gabrif felbft ju oerfaufen, baS Se» 
triebSfapital an ftd) ju nehmen, bie jum ©rwerbSgefdjäft ge» 
hörigen ^rojeffe felbft ju führen. Grifft bas ju, fo oolljiel)t 
fid) ber ©efd)äftSbetrieb ber ^niu in aller (Sicherheit unb 
man h<U nid)t nötig, baS Sermögen felbft jum SorbehaltS» 
gut su machen. 

freilich bleibt übrig, bah ber ©ann befugt ift, bie Se» 
wiUigung jeberjeit ju wiberrufen — ob jeberjeit ober nur 
SU paffenber 3eit? — , es liegt barin, bah er bie einseinen 
©ebäube, ©aren u. f. f. wieber in feinen Scfit) nehmen barf; 
unbefd)abet ber SefugniS ber 3*au, mit eigenen ©itteln 
baS ©rwerbSgefdjäft fortsufetjen. Slber biefe ©ad)tbefugniS 
fann in ebenfooiel fallen oom ehelidjen Qntereffe geboten, 
als ihm fd)äblid) fein: nimmt ber ©ann feine Sewilligung 


Digitized by Google 



252 


?lbl)üublung. 


aul SRutwillen ober Soweit jurücf, fo müffen wir bie 3 t““ 
bebauern, wirb aber oon ber 3 ra “ leidjtftnnig geiuirtfdjaftet, 
fo wäre ber 9Jianu in übler Sage, wenn ihm oerfagt wäre, 
bal aSermögen ber 3*au, bal (nach ®ernburg) 33orbehalts- 
gut geworben wäre, in eigene ükrwaltung juriicfjunehmen. 
@o mag el bei ben flaren 23eftimmungen bei ©efetjel blei= 
bett, bie baljin gehen, bafj bal Vermögen ber 3 *au, aud) 
bal xurn @rmerblgefd)äft gehörige, jum eingebrachten ©ute 
wirb, bafj ber 3 t““ jufällt, mal fie burd) ein ©rroerblge* 
fdjäft oerbient, unb bafj bal urfprünglid)e Vermögen bei 
®rmerblgefd)äftl, auch wenn ber ÜJtann ben 3 ortbetrieb be= 
willigt, nid)t aufhört eingebrad)tel ©ut 51 t fein. 

©egen bie 23illigfeitlerroägungen ber ^ernburgfchen 
Sehre mag auch noch auf ben Inhalt bei 9i©.Urteil§, ©ntfd). 
53b. 64 , ©. 323 hingewiefen werben: wenn eine 3tau, bie 
fich mit Skalen ©elb oerbient, einen SJtann heiratet, bet 9J?a= 
ler ift, unb wenn fie nun ihre eigene $unft in ben 3)ienft 
bei fDtannel ftellt, wenn fie in feinem ©efd)äftl= unb £ünft= 
betriebe hilft, ift el ba 00 m $ernburgfd)en ©tanbpunft aus 
nid)t eine gtofje Unbiltigteit, bafj bie 3 rücf)te ber beiberfeiti’ 
gen 2 lrbeit bem ÜJtann allein jufommen? Ülber fie fommen 
ihm xu, obfchon oielleicht bie Sunft ber 3 rau hod) über bcc 
bei 9Jtanne! fteht. 

6 . Dtedjtlwirfung bei im Di e dj 1 1 ft r e i t ber 
3rau ergangenen Urteitl gegen ben 2R a n n. 

SBemt ber SKann einem obligatorifchen 9techtlgefd)äft 
ber 3 rau juftimmt, fo ift biefel 9ied)tlgefd)äft „in 2 tnfebung 
bei eingebrad)ten ©utl bem SRann gegenüber mirfjam", 
§ 1390 . 3)a! bebeutet: ®ie 33erbinblid)feit ber 3rau aus 
biefem tHed)tlgefd)äft ift eine foldje, für bie bal eingebracfjte 
©ut haftet; fie ift eine älollfchulb. Stimmt ber 9Jlann bem 
91ed)tlftreit ber 3tau ju, fo ift bal Urteil ihm gegenüber „in 
Slnfehung bei eingebrachten ©utl wirffam". § 1400 . — 2Bo= 
rin befteht biefe SCBirffamfeit, befteht aud) fie barin, baß bie 
im Urteil feftgeftellte Schult) ber 3'tau eine ®oUfchulb wirb? 


Digitized by Google 



S dj e f o l b : (Svörterungen gimt efjelicfjen (Mtcrrcdjt. 253 


®er gleidje 5Bortlaut : „roirffam gegenüber bem 9Jtann in 
2lnfeljung beS eingebradjten ©utS" fdjeint ju jagen, ba| in* 
folge ber 3uftimmung beS 9)tanneS, roie bort auS bem 216= 
fcfjluf? beS StecfjtSgefdjäftS, fo Ijier auS bem Urteil, eine 33oll* 
fcf)ulb entfielen foll. Unb lieft man tjieju ben § 1412, ber 
fagt, bafj für bie Äoften eineö 9tedjtSftreitS ber $rau baS 
eingebradjte ©ut auefj bann f»afte, roenn baS Urteil bem SJtann 
gegenüber in 2lnfefjung beS eingebradjten ©utS nidjt roirtfam 
ift, fo liegt bie ©djlujjfolgerung nalje, bafj im $all beS roirf* 
fanten Urteile, alfo roenn ber SJtann bem 9fedjtsftreit ju* 
ftimmte, baS eingebradjte ©ut nidjt nur für bie Soften, fon* 
bern audj für bie .fjauptfdjulb t)aften, biefe alfo eine 93oll* 
fcfjulb fein füllte. @S ift aber biefe ganje Folgerung e con- 
trario fdjon logifdj feine jroingenbe: ®ie SBirfung eines 
Urteile ift eine anbere, als bie eines 9tedjtSgefcfjäftS. ®iefeS 
erjeugt eine 93erbinblidjfeit, jenes nidjt; bie SEBirffamfeit eines 
Urteils erfcfjöpft fidj im heutigen 9tecfjt in ber ©inrebe ber 
9iedjtSfraft; eS beftefjt feine äBirfung, mit bem erften ©nt* 
rourf beS 23@33. § 191 ju reben, barin, bafj baS recfjtS* 
fräftig 3uerfannte nidjt mefjr befiritten, baS recfjtSfräftig 
Slberfannte nidjt meljr geltenb gemadjt roerben fann. — 2 )ie 
UrteilSroirfung „in Stnfefjung beS eingebradjten ©utS" ift 
alfo bie, bafj bem ©bemann bie exc. rei judicatae entgegen* 
ftet)t, roenn er einen Slnfprudj beS eingebradjten ©utS, mit 
bem bie ^rau redjtSfrnftig abgeroiefen rourbe, oon neuem 
geltenb machen roill, unb bafj iljm bie replica rei jud. be= 
gegnet, roenn er gegenüber bem dritten, ber einen gegen bie 
jyrau recfjtSfräftig juerfannten Slnfptudj in baS eingebradjte 
©ut geltenb madjt, ben 9tedjtSbeftanb beS 2lnfprudjS felbft 
beftreiten roill. Cb ber gegen bie grau feftgeftellte Slnfprudj 
ein folcfjer ift, für ben baS eingebradjte ©ut fjaftet, ob bie 
entfpredjenbe Sdjulb eine 23ollfdjulb ift, barüber ift im ^ro* 
jefj gegen ben SJtann auf $ulbung ber ßroangSoollftrecfung 
©fJ3C. § 739 511 uerljanbeltt unb $u entfdjeiben. 9t©. 59, 
<S. 234. 3freilidj fann man einroenben, nidjt barauf fomrne 
es an, bie redjtlicfje Statur jeber UrteilSroirfung ju beftim* 


Digitized by Google 



254 


3l6f)anblimg. 


men, fonbem barauf, ob nicfyt im Sinn bei ©efetjei bie 
3 u ft i m m u n g bei ÜDfannei beim 9ted)tiftreit gevabe fo 
mirfe, mie beim Vecf)tigefd)äft, fo b aff im $alle bet 3uftim= 
mung bie burd) bai Urteil in ben Streit gejogene Sdjulb 
$ur 93ottfcf)uIb mürbe. Mein bajj ei loirfticf) auf bie ri cf)= 
tige Veftimmung ber Urteillroirfung anfommt, ergibt ficb 
mit Sicfjerfjeit aui ben Vorarbeiten bei S@S3. — ®er erfte 
©ntmurf fpricfjt in § 1312 3iff- 1 »on SSerbinblidjfeiten 
ber fyrau aui 9tecf)tigefd)äften unb Urteilen; beibe feien 
nid)t ©t)eguti»erbinblid)feiten, roenn 9ted)t§gefcf»öft ober tlr* 
teil bem üJiattn gegenüber in Mfeljung bei ©fieguti unroirh 
farn feien. Sßie natje lag fyier ber Sdjlufj, bafj bie Ver= 
binblicfjfeiten beiber Slrt im gegenteiligen Stotfe, alfo na= 
mentlid) bie Urteitlfcfjulben im fjM ber Urteilimirfung @be- 
gutifdptlben fein füllten! Sillein ganj im ©egenteil fagen 
bie Sdtotioe jitm § 1303 (IV S. 233 2lbf. 1 a. ©.), baß 
über bie ©igenfdjaft ber ©fjegutifdjulb im Sßrojefj gegen ben 
SÖtann ju entfd)eibcn fei. $al 3rrefüf)renbe bei Sluibrurfl 
„SSerbinblidffeiten aui Urteilen" mürbe in ber $ommiffioni= 
beratung jur Sprache gebracht, ba ja bod) ,.burd) ein Ur* 
teil nientali eine 93erbinblid)feit begrünbet, fonbem nur eine 
foldje feftgeftellt roerbe“. Unb bai ©efetj felbft (§§ 1400, 
1412) seigt nun (mit Sßeglaffung ber Vejeidjnung : Verbind 
lidjfeiten aui Urteilen) eine oöllig negatioe Raffung : ei fagt 
nur, bafj unb raiemeit ein Urteil roirffam fei; roai pofitin 
bie Sßirfung bei Urteili fei, ift nad) anbern 9ted)tifät)en 
beftimmen. Qnibefonbere ift ber Sinn bei § 1412 Slbf. 2 
bat)in ju ptäjifteren, baft, ob bai Urteil in bai eingebracbte 
©ut mirffnm fei ober nid)t, für bie SSrojefjfoften foldjei ftetl 
Ijafte; meld)ei nun aber bie Sßirfung bei roirffanten Urteili 
fein foll, bariiber ift hier nidjti gefagt. @i fontmt alfo 
lebiglid) barauf an, bie Sßirfung bei Urteili aui ben 9te= 
geln bei materiellen ^rojef)red)ti ju beftimmen; unb hier* 
nad) ift Sßirfung bei Urteili nid)t metjr a. jud. unb exc. rei 
judicatae, fonbem lebiglid) bie ledere. — Veftefjt allgemeine 
©ütergemeinfdiaft, fo bebeutet bie Sßirfung bei Urteili „ge= 


Digitized by Google 



©cfjefolb: (Erörterungen jum efjelidjen (Sütcrrecfjt. 255 

genüber bem ©efamtgut" balfelbe rote beim gefeilteren ©ü» 
terftanb, nur bafj f)ier ba§ ©efamtgut an bie ©teile beS ein* 
gebrachten ©uts tritt : ®er SDtann fann nicht ben Slnfprucf), 
für ben ber dritte gegen bie grau ein gegenüber bem ©e= 
famtgut roirffameS Urteil erlangt hat bem 9ted)tSbeftanbe 
nach beftreiten unb er fann nid)t ben ber grau j. 8. im 
gall beS § 1450 aberfannten 2lnfprud) non neuem geltenb 
machen. 

35a3 gegen bie grau ergangene Urteil fann roeber in 
baS eingebrachte @ut noch in baS ©efamtgut oollftrecft wer* 
ben, ohne baff ein Urteil gegen ben SJiann auf ®ulbung 
(§ 739) ober auf Seiftung (§ 740) hinjufommt. — 2lu§nahm§* 
roeife ift baS gegen bie ©rroerbSfrau ergangene Urteil in 
baS eingebrachte ©ut unb in baS ©efamtgut ootlftrecfbar 
{§ 741). $ie3 ift aber feine erweiterte Sßirfung ber 9techt§= 
fraft beS Urteile, fonbertt eine golge baoon, baff bei bet 
3roang§oollftrecfung gegen bie ©rroerbSfrau baS eingebrachte 
©ut foroie ba§ ©efamtgut bem ©laubiger ber grau gegen= 
über als SSermögen ber grau, als ju ihrer .groangSooll* 
ftrecfungSmaffe gehörig behanbelt roirb. 3lber bie Urteilt 
roitfung befchränft fid) auch hier, roenn eS jurn 'firo^eß jroi* 
fcfjen bem dritten unb bem SJtanne fomntt, auf bie exc. rei 
jud., wogegen alle anbern gragen: ob ber SBiberfprud) beS 
ÜJlanneS roirffam im ©üterredftSregifter eingetragen, ob ber 
nidjt eingetragene SBiberfprud) bem dritten fonftroie befannt 
roar, ob baS SledjtSgefchäft, auS bem eine ftrittige 33erbinb= 
lichfeit entftanb, bejro. ber ißrojefj felbft jum ©efdjäftSbetrieb 
ber grau gehörten, ob ber SJtann feine befonbere 3uftim* 
mung baju gegeben habe, burdjauS im ißrojefj jroifdjen bem 
3ftann unb bem ^Dritten ju entfd)eiben ftnb. 2lud) beim 
§ 741 ift bie ißerfon, gegen bie fid) bie groangSoollftrecfung 
ridjtet (exequendus), auSfd)liejjlid) bie grau; jur 3roangS= 
oollftrecfung gegen ben 9)tann bebarf es eines (SDulbungS* 
ober SeiftungS*) Urteils gegen ihn. SSBentt gelehrt roirb, bafj 
bem dritten, ber ein Urteil gegen bie ©rroerbSfrau erroirft 
hat, eine Älage auf bie ©rteilung ber 93ollftrecfungSf(aufel 


Digitized by Google 



256 


SHbfjanblmtg. 


gegen ben Vtann juftetje (©aupp=Stein, § 741, III a. 6.), 
jo roiberfprid)t bas ber rechtlichen Statur ber Urteil§roirfung; 
ba§ roäre a. judicati, roa§ e§ im heutigen )Ked)te nidjt mehr 
gibt. So ift auch beim Urteil gegen bie ©rroerbSfrau ma* 
terieüe Urteil§roirfung allein bie exc. rei jud. — ®ie befon* 
bere Vorjchrift be§ § 741 ift eine reine ißrojefjüorfdjrift. — 
SBelcfje SBirfuttgen fie auf bie Verteilung ber VeroeiSlaft 
äujfert, ift fjier nirfjt ju erörtern. 

7. $ i e gerichtliche Veurfunbung b e i m S e i * 
lunggoerfahren. ©5r®. §§ 91, 93, 99. 
s 23o im V@V. Veurfunbung oon 9ted)t§gefchäften oor* 
gefchrieben ift, ba ift beren ©iltigfeit oon bem Vollzug ber 
Veurfunbung abhängig, fo s- V. bei ben Verträgen §§ 313, 
873 unb ben famitienred)ttichen ©rflärungen unb Verein* 
barungen ber §§ 1434, 1491, 1501 u. f. f. ©ans im ©egen* 
teil finb im fßroseffrecht bie proje|red)tli^en Verfügungen, 
toie Slnerfenntniffe, Verjidjte, Vergleiche für ftd) giltig unb 
ift nicht ihre ©iltigfeit baoon abhängig, baff fie im Vwto* 
toll feftgeftellt (atfo oerurfunbet) rcerben (®)ßO. §§ 159 bis 
165). — S)a§ @f@. fd)reibt bei ber Regelung be§ Sei* 
lung§oerfahren§ in ben §§ 91, 93, 95 (99) Veurfunbung 
oor; es! ift eine llrfunbe aufsuridjten, alfo nad) §§ 167 ff. 
ju oerfahven, roenn ein einseiner ^Beteiligter einen Vorfdjlag 
SU Vwlofoll geben will, ober bie einseinen Veteiligten, bie 
nicht oollsählig erfd)ienen finb, oorläufige Vereinbarungen 
treffen, ober roenn fid) ein Streitpunft erhebt, baneben aber 
über unftrittige fünfte Vereinbarungen jnftanbe gefommen 
finb. — S)ie Vorfdjrift be§ ©efetseä, baff eine Veurfunbung 
oorsunehmen fei, ift an ben Seilung§rid)ter gerichtet, fie ift 
nicht al§ eine gorm bes 9tecf)t3gefd)äft§ bezeichnet unb nichts 
bered)tigt s« ber Einnahme, baff bie ©iltigfeit ber Partei* 
erflärungen unb Vereinbarungen oon ber Veurfunbung ab* 
hängig fein foll. 2)iefe Ved)t3gefd)äfte ber Veteiligten 
gelten ober fönnen gelten, ohne bah bie Veurfunbung hin* 
jufommt. 2>ic Veurfunbung h«t bie Vebeutung jeber llr* 


Digitized by Google 



<Scf>efoIb: (Srörteruugen jum efjclic^eu ©ütcrredjt. 257 

funbc, bßj fie für bie ©rflärungen ber Parteien Crbnung 
unb Veroeiö fcfjaffen foll. Unb fie hat in beit gäUen §§ 91 
93 nod) bie befonbere Vebeutung, bah fie bie nötige ©runb* 
tage für ben Fortgang be§ SfontumasialoerfahrenS ift; um 
gegen bie Ülbmefenben mit ber 2lnbrof)ung ber VerfäumniS* 
folgen oorgetjen p fönnen, bebarf e§ einer Urfunbe über 
bie ©rflärungen unb Vereinbarungen ber erfd)ienenen Ve= 
teitigten. SBürbett bie ©rflärungen unb Vereinbarungen ber 
^Beteiligten p ihrer ©iltigfeit ber Veurfunbung im Sinne 
ber §§ 167 ff. ©f®. bebürfen, fo mürbe fotgemeife eine 
üöllig abgefdjloffene mit Veurfunbung unb Veftätiguug »er* 
fetiene 21u§einanberfetpng in allen ihren Seilen nichtig fein, 
menn in ber Veurfunbung eine mefentlicfje Vorfdjrift j. V. 
bie Vejeidjnung ber Veteiligten nicht beachtet märe. 

©ine anbere fjrage ift, ob bie ©rflärungen unb Ver* 
einbarungen ber Veteiligten unbebingt ober präfumtio fo p 
betrachten feien, bah fie nur abgegeben gelten unter ber 
VorauSfetpng, bafj bie Veurfunbung pm Volljug fommt. 
Sie 3Bid)tigfeit biefer f^rage erhellt befottber§ bann, menn 
ein Veteiligter burd) bie Verroeigeruttg ber Unterfchrift bie 
Veurfunbung uereitelt. @3 liegt hier bie Sache nid)t fo, 
roie j. V. menn bei ben Verhanblungen über einen unter 
§ 313 V©V. faltenben Vertrag troh flarem 2lbfd)tuh aber 
münblid)en Verebungen ein Veteiligter burd) Vermeigerung 
ber Unterfd)rift ben ganjen Vertrag uereitelt. — Unfer 
fyall liegt, fage id), nid)t fo, mie bei § 313, roeil ja 
bie Veurfunbung nid)t formale Vebingung ber ©iltigfeit 
ber ©rflärungen unb Vereinbarungen ber Veteiligten ift. 
Sonbern e£ fragt fid) nur, ob bie Veteiligten alle ihre 
©rflärungen nur unter ber Vorau§fetpng abgeben, alfo 
alle biefe ©rflärungen grunbfählid) unter ber Vorauf 
fetpng ftehen, bah fcbtiefjlid) ba§ 'j3rotofotl aud) non allen 
Veteiligten unterjeidjnet roirb. 3Bir finb ber SReinung, bah 
ftch meber aus ber Sluffaffung bes £eben§, noch ou§ bem 
Sinn unb ©eift be§ @efehe§ eine foldje allgemein geltenbe 
s f>räfumtion rechtfertigt, fonbern bah ftetS eine Satfrage oor* 


Digitized by Google 



258 


Slbbanblung. 


liegt. Vtag fein, baff öie beteiligten in ber 21nnaljme uer» 
fjanbeln, baff aüeS erft mit bei' Unterfcfjrift in Straft treten 
foll, eS fann aber auch fein, baff biefelben Schritt für Schritt 
binbenbe Vereinbarungen feft machen wollen unb baff fie 
es nicht als VorauSfehung, foitbern als felbfioerftänblidje 
Jolge betrauten, baff Untcrfcfjrift unb beurfunbung nach» 
folgen. So mögen bie beteiligten in folgenber Sache ge» 
bacf)t unb oerljanbett haben: ®er Söitwer 31. lebt in fort» 
gefegter ©ütergemeinfchaft mit 2 Stinbern b. u. 6. ; megeit 
Streitigfeiten oerftänbigen ftcf) bie beteiligten, bie fortge» 
fetzte ©ütergemeinfchaft aufjulöfen unb beantragen behufs 
ber StuSeinanberfetjung beS ©efamiguts baS teilungS» 
richterliche Verfahren. 3u Slnfang ber Verhanblung erflärt 
ber SBitwer, baff er fich entfdjloffen habe, bie jum ©efamt» 
gut gefjörenbe Siegenfdjaft gegen ©rfat} beS SBerteS ju über» 
nehmen (§ 1502), eS wirb ber 9Bert gefügt unb uon ben 
beteiligten bie Schätjung anerfannt unb hienacf) oom 
Seilung§ricf)ter, ohne baß fich weitere Streitigfeiten erbeben, 
baS bwtofoll fertig geftellt; wie eS jur Unterjeichnung 
fommt, erflärt ©iner ber beteiligten, baff er bie Unterfcbrift 
oerroeigere, weil ibm ber 91nfd)lag ber ©üter ju niebrig fei, 
unb baff er h*«aadj bie ganje Verhanblung nicht gelten 
laffe. 2Bir meinen, bie ©rflärung beS 2Bitwer§, bie ©runb» 
ftiicfc ju übernehmen, trat fofort in SBirffamfeit, fie erfolgte 
ohne erfichtlichen Vorbehalt, ebenfo gilt ohne roeitereS bie 
uon allen beteiligten anerfannte Schätzung; jene ©rflärung 
unb bicfe Vereinbarung finb enbgiltige; bet SeilungSrichter 
freilich ift genötigt, baS Verfahren auSjufetjen, bie beur» 
funbung ift oereitelt, bie beftätigung fann nicht erteilt 
werben, ben beteiligten mangelt ber Vorteil einer beftä» 
tigten 3luSeinanberfehung ; aber bie ©rflärungen unb Ver« 
einbarungen ber beteiligten waren unb bleiben giftig unb 
bie Silage gegen ben wiberfprecfjenben beteiligten geht ein» 
fach au f Seftftellung ber ©iltigfeit ber im Sauf ber Sei» 
lungSuerhanblung erfolgten ©rflärungen unb Vereinbarungen 
unb inSbefonbere barauf, bah — f. oben ©rört. ©• 123 f. 


Digitized by Google 



<5 d) c f o I b : ©rörtenmgcH 311 m efjelidjeu ©iiterrcdjt. 259 

infolge ber « 011 t SBitroer anägefprochenen ©ntfdjliefjnng, bie 
©rnnbftücfc ju übernehmen, — infolge biefer einfeitigcit, 
empfang§bebürftigen 2Billen§erflärung, — biefc ©runbftücle 
(fraft 2tff're§jenj unb ot)ne 2tuflaffung) in ba§ SlUeineigen* 
tnnt be§ 2Bitroer§ übevgegangen feien. So, in folgern Um* 
fang ift bie Älage begrünbet, roenn erfid)t(id) ift, bafi bie 
beteiligten itjre ©rflärnngen enbgültig nnb otjne borbehalt 
nnb borau§fehung abgegeben haben. 2lnb. 3lnfid)t, Qofef, 
Kommentar jum ©3®. S. 2217, fomie be§ £©. Ulm in 
ber *}3S. 9)t. g. St. — 9Rag bie $rage weiter geprüft 
werben. 


ber S8flrtfrm&. XX. 2 . 


18 


Digitized by Google 



260 


giteranfdje |ln;cigen. 

Xa i <Staat8rc<f)t beS ftöttigrcid)« SßMirttemberg. Sion Dr. Sfarl 
© ö i (Tübingen, 3- ©• 3). 9Rohr, gef). 12, gcb. 14 31)!.). EaS belannte 
litib allgemein gefehlte SBerf bcS f Dr. 2. ©aupp, bcffeit britte Stuflage 
fdjoit bon ©eh.=9?at Dr. b. ©03 beforgt iborben ift, erfdjeiut (nennt in 
neuer ©eftalt, bie bebiugt ift burd) bie „tiefeingreifenben Stenberungen, 
bie bie ©rimblagen bes iuiirtt. @taatSrcd)t8 in ben 3«f)ren 1906—7 burd) 
bie SSerfaffu ugSrebifioit, bie S8e3irfs= unb ©eineiubeorbuuug uub bie 9to= 
belle jum SBeamteugefetj" erlitten haben. Eer Eejt ift bemeutfpredjenb 
um naheju 100 ©eiten angetoachfen. SRidjt nur beSfjalb, tueil fein Äon= 
furretiätuert befletjt, fonbcru and) feiner auerfanuten inneren Slorjügc 
lucgcn tuirb bas SBerf jebent unentbehrlid) fein, ber fid) mit bem öffeut« 
lieben Ülerfjt SBiirttembergS 31t befaffen bat. 

Sion ber B./4. Sluflage beS ©taubiuger fdjeu SommcntnrS sum 
S9©®. (oben ©. 130) ift injtbifdjen ber elfte, britte uub bierte S3anb 
(Mg. Ecil, @adjcn=, uub tfamiiienredjt, 687, 974 u. 1472 ©.) botlftänbig 
erfdjieuen, bon 23b. 2 u. 4 je eine 2ieferung, fo baft fid) mit Sicherheit 
erluarten Iäfjt, baff ber SJkaftifer bis ©nbe beS 3af)rS mit biefem auf 
ber $öf)c ber 3cit ftcfjenbeu SHüftgcng berfel)en fein loirb. 

©inen fcl)r braudjbaren „$anb=ßommentar jnm »©31." bot ©e* 
ridjtSaffeffor 58. ÜB o I f in ÜSerbinbung mit einigen Sßraftiferu heranSge« 
geben (.ftalle, SBud)hanbluug beS SBaifenhaufeS, geb. 14 3Jlf.). 93ei jebem 
§ beS S8®SB. fiub in iibcrfidjtlidjer ft-orrn bie aus ber SRed)tfpred)ung 
(bis 15. 3uli 1907) fid) ergebeubeu 9lcd)tSfä()e uub SlmoeubungSfäße an» 
geführt (3. SB. bei § 254 unter 3*ff- 1— -8 allgemeinere ©übe, in 3'ff- 9 
„©injelueS* unter ^erborljebung ber ©cblagmorte — loie „©latteis", 
„©trafjenoerfcbr" — in alpbabctifdjer Drbnung), eS fehlen aber 3. SB. 
bei § 326 bie Gittfdjcibungen beS SR®, über bie ijolgcn pofitiuer 23er* 
tragsberletjnngeu. 

©ine georbnete 3>ifammeufterimtg ber in 3eitfd)riftcit unb ©amm« 
Inngcii enthaltenen ©ntfdjeibungen aus ber 3eit feit ©nbe 1906, bie baS 
umfangreiche ©ebiet ber 9trbeiteroerfid)trnug betreffen, bietet ber ein« 
fd)lägige SBb. (J uon 2Baruet)er8 ^a^rbttd) ber ©ntfdjcibnttgcn 


Digitized by Google 



Siterarifdje Steigen. 


261 


(Scipjig 3908, SKofjberg, $i'eis 4 ®f.), ber ein gern £>ettiifeteS Hilfsmittel 
bei (Sntfdjeibung ber uid)t felteiteit einftfilägigen 9ted)tSftreitigfeiten bilbe» 
toirb. (Sine bernrtige 3*ifammenfteHung foll fiinftig alljäf)rlid) erfdjeineit. 

„®a§ gefoulte luiirtt. £aiibcSpri»atred)t im Slnfdjlufj att bie einseinen 
§§ bes S3©58., HffiS., ber 3B©., beS g®@., ber ®93D. unb beS 3lu5B®. 
fljftematifd) bargefteHt unter befonberer iöerüdfidjtiguug ber SBerorbnungen, 
»erffigungen unb ber fRetbtfpredmng" »on Dr. ffarl S d) n e t b l e r , 
£91. (Stuttgart, tfotjlljammer ; 7 3Kf. 50 Sßf.) ift eine fef)r fleifjige unb 
grünblidje 3ufammenfteHung aller im ©ebiet ber angeführten ©efefees» 
tuerfc bcftehcnben lanbe§reditlid;en Söeftimmuugeu unb ber bajit ergau» 
geuen ©iitfd)eibungen unb ber einfdjlägigen Siteratur. ©ine felbftänbigc 
fbftematifehe ©arftetluiig ber einseinen Sehren ift nid)t gegeben unb nicht 
beabficfjtigt; mol)! aber finb mit Stücffidjt auf bas praltifdje SBebürfniS 
2:eilc bc§ öffentlichen SiedjtS cinbesogen, tuie 3mangSenteignung, fteuev» 
Derficherung, gfelbbereinigung. SPf- 


Digitized by Google 



263 


I. 

(ßirtfdjriiwngeit tes ©twlmtöesgmrijts. 

A. in (E i u i l f a d) e n. 

32. 

jfngdäffujlmt beim Hloiorrniifaljrcu. 

®er SH. ift am 26. 2lpril 1906 2lbenb§ etroa um 8 Ufjr 
ju SubroigSburg baburd) oerungtücft, bafj ba§ SUiotorbreirab 
bei 99cft., auf beffen fog. Sorftedft^e bev SH. ^lag genommen 
fjatte unb bai ber Söefl. burcf) Slnfdjieben in Söeroegutig 
fegte, ali bet letztere beim SBerfucfje, aufjufpringen ju gaÜ 
fam, führerlos mit bem SH. roeiter lief unb auf einen 33aum 
aufrannte. $er SH. ift hierbei aui bem SBagen gefcfyleubert 
unb fo fcfjmer oertegt morben, baf) if)m ber rechte Unter» 
fdfienfel unter bem SHiie abgenommen raerben mufjte. ©eil. 
ift jum @rfag bei gefamten bem SH. burcf) ben Unfall er» 
roacfjfenen ©djabeni oerurteilt morben. 

2Iui ben 

© r ü n b e n 

bei SBerufungiurteili : 

SDer Unfall bei SHi. mürbe, roie in tatfäd)lid)er .£)inficf)t 
ali enoiefen anjunef)men ift, baburd) fjerbeigefüfjrt, bajj ber 
®e!l. beim 2lnfd)ieben bei 2Jtotorrabi, beffen ,$ünbung ein» 
geftellt mar, auf ber fcfjmugigen unb baljer fcfylüpfrigen Strafte 
ju Sali gefommen ift, giebei bie Senfftange loilaffen tnuftte, 
unb baft nunmehr bai fütjverlofe SHab burd) bie Straft bei 

Cia^tbüi^r b(c Sffiilrtttmb. iHtcbtäpflf jt, XX. S. 19 


Digitized by Google 



264 ©ntfdjeibungen beS Dberlanbe8gericf)t8. 

SJlotorS getrieben raeitergerannt unb an einem Saum aufge* 
prallt ift; t»iebei famt bem Sefln. nicfjt miberlegt merben, 
bafj er nad) ber Sefd)affenheit ber ©trafje unb mit 9tücf* 
ftdjt auf bie ©d)mere beS ÜDtotorrabS mit befeuern 93orfted= 
roagen nid)t in ber Sage mar, ben Sftotor burd) 2lntreten 
beS 9tabS in £ätigfeit ju fe^en. 

(Sine ga^rlafftgfeit beS Sefln. ift hiernach nur bann 
feftjuftetlen, memi gefagt merben !ann, bafj ein 9Jiotorrab= 
faljrer, ber ein mit einem befehlen Sorftecfroagen oetfehenes 
ÜÖbtorrab auf einer fdjlüpfrigen Strafe burd) 3tn s 
fd)ieben in ©ang ju fetten fud)t, bie im Serfefjr erforberlidje 
Sorgfalt aufjer acht läfjt. 2)ieS ift aber ju bejahen. Sin 
berartigeS SJiotorrab ift nad) feiner ganzen Sefd)affenbeit 
al§ ein gahrjeug anjufeljen, baS jur Herbeiführung einer 
©efährbung beS ÄörperS unb ber ©efunbheit befonberS ge* 
eignet ift; in ganj befonberem Sftafje aber erfdjeint biejcnige 
sßerfott gefährbet, bie in bem Sorftedmagen $la$ nimmt, 
ba ihr jebe ÜDJögtidjfeit einet ©inroirlung auf bie Seitung 
unb ben ©ang beS DiabS oerfagt unb ba ein Serfud), ftch 
mährenb ber g-ahrt oon bem ©iije ju entfernen, mit grofjer 
©efahr oerbunben ift. derjenige, metcfjer einen Slnberen 
jur Senü^ung beS SorftedmagenS ueranlafjt, führt hierburd) 
biefe ganj befonbere ©efährbung beS ÄörperS unb ber ®e* 
funbheit beS SUnberen herbei; er mu fc baher für »erpflichtet 
erachtet merben, bei Sebienung beS gahrjeugS in befonberS 
norfichtiger SBeife ju SBerfe ju gehen, menn er ftd) ben Sor» 
murf erfparen will, bafj er bie im Serlehr erforberlidje 
©orgfalt aufjer acht getaffen h<*be. Stoch bem ©utachten 
beS Ingenieurs SDt. bringt baS 2lnfd)ieben eines 9tabS eine 
geroiffe ©efahr für bie auf bem 93orftedfit) befinbliche sßerfon 
um beSmillen mit fid), meil bem fahret unter Umftänben 
nach bem Slnfdjieben ber Sluffprung auf feinen ©i$ mifj= 
lingen lann, unb eS ift bieS auch bei 400 gah r Proben oiel* 
lei^t jmeimal oorgefommen, mährenb 20% ber Wahrer ihr 
9tob überhaupt nid)t burch 2lnfd)ieben, fonbern burd) baS 
ungefährliche Slntreten in ©ang feljen. daraus geht heroor 


Digitized by Google 



A. in &it)iifad)tit. 


265 


bafj mit betn 2lnfd)ieben be§ 9tab§ eine gefieigerte @efäl)r= 
bung bet in bem Borftedroagen fitjenben ißerfon oerbunben 
ift, unb bafj e£ fid) bei bem 2lnfd)ieben nicf)t um eine bei 
ben SUiotorrabfatjrern feftftefjenbe Uebung banbeit, auf welche 
bei Beurteilung be§ SRafjeS bet im Betfefjr erforberlid)en 
(Sorgfalt Dtüdfidjt ju nehmen rcäte. Safj biefe§ 2lnfd)ieben 
be§ 9tab§ polizeilich nicfjt oerboten ift unb bei ben (übrigens 
mit unbefe^ten Borftedroagen oorgenommenen) Saugroben 
oon ben amtlich befteltten ©adperftänbigen nicht beanftanbet 
roirb, ift unerheblich, ba ein Btotorrabfabrer, roie audt) oom 
9teicb§gerid)t fcfjon mehrfach anerfannt mürbe, jum 3 roef fe 
bet Berbütung oon Scheiben jut Beobachtung eines auct) 
über bie Befolgung oon Bolijeioorfd^riften f)inau§get)enben 
©tabeS oon Sorgfalt oerpflicfjtet ift. gm oorüegenben gälte 
ift nun bie mit bem 2lnfd)ieben beS 9tabS an fich oerbunbene 
©efafjr nod) babutd) erhöbt roorben, bafj bie Strafe fdjmutjig 
unb fcblüpfrig mar, unb bafj tjierburcf) bet 2luffprung beS 
Betln. auf ben gabrerfitj nach erfolgtem 3lnfd)ieben in ganz 
erheblicher Söeife erfdjroert roorben ift. gnbem ber Bell, 
trot} biefer ungünftigen Bobenbefdjaffentjeit ben Berfud) ge= 
macht l»at, baS Dtab burd) Slnfdjieben in ©ang ju fetjen, 
bat er nicht mit bemjenigen befonberS Ijotjen ©rab oon Bor= 
fidjt gebanbelt, ber nad) ber ganzen ©adjlage geboten ge= 
roefen roäre; er fjat baber bie im Berfel)r erforbertidje Sorg» 
falt aufjer ad)t gelaffen. Sie Behauptung beS Befln., er 
habe baS IRab nicht auf anbere Söeife in ©ang fahren 
lönnen, ift nicf)t ju beachten, ba für it)n leine Berpfliditung 
beftanb, ben M. zu ber galjrt mitjunel)men, unb er bie gafjrt 
ebenfogut hätte unterlaffen lönnen. 

©in mitroirfenbeS eigenes Berfdjulben beS 5tl§. lommt 
nicht in grage. Sie 5lnroenbung be§ § 254 B@B. |at zur 
BorauSfetjung, bafj ein Berfdjutben beS ©efdjäbigten oor* 
liegt, unb bafj biefeS Berfdjulben bei ber ©ntftebung beS 
SchabenS mitgeroirlt Ijat. Sarin, bafj ber Ät. überhaupt 
in bem Borftedroagen tpiat) genommen hat, lann roobt eine 
Unoorfidjtigleit aber nicht ein Berfdjutben gefunben werben, 

19 * 


Digitized by Google 



266 ©ntfdjeibungtn bc8 0berI<utbtSgerid)t3- 

jumal ba bem $ 1 . nicht nad)iuroeifen ift, bafj er bie mit 
bem 9lnfd)ieben be§ 9tabe§ oerbunbene ©efafjr gefannt unb 
biejenigen Umftänbe, roelche im oorliegenben gälte bie ©efahr 
erhöbt haben, erfannt habe- 

Urt. be§ I. ©@. o. 24. 2JIai 1907 i. ©. $epb g. Sloften* 

baber. 

®ie fReoifion gegen biefe§ Urteil ift jurücfgemiefen 
morben. 

33. 

iraJjriiintgheit beim Itergfdjlittrnfaljrrn. 

S)ie Silin., meldje am 19. ganuar 1904 baburch oerun* 
glücft ift, baf* — roährenb fte mit bem (hinter ihr fitjenben) 
SSefln. auf einem 93ergfd)litten bie ©teige beim fog. £a}jeb 
rourm oon ber geuerbacfjer -gieibe gegen Stuttgart hinter* 
fuhr — ber ©dritten gegen einen neben bem 2 Beg ftehenben 
$oljpfoften anprallte unb bie Silin, felbft mit aller SQSucht 
gegen biefen Pfaffen gefcfjleubert mürbe, nimmt ben 93efl. 
auf ©rfatj be§ ihr infolge biefe§ Unfalles ermachfetten 
©d)aben§ mit ber 93egrünbung in Stnfpruch, baf) ber öe= 
flagte bei ber — unbeftrittenermafjen oon ihm übernom* 
menen — Senfung be§ ©erlittene bie im SJerfehr erforber* 
liehe Sorgfalt aufjer ad)t gelaffen unb hieburcf) bie bei bem 
Unfall eingetretene 9Serletjung be§ SlörperS unb ber ©efunb* 
heit ber Silin, oerurfacht habe. 

.gm 93erufung§oerfal)ren ift ber Sllaganfpruch bem ©runb 
nad) für gerechtfertigt erflärt morben. 

2 luS ben 

©rünben: 

2 )em ©ericht I. gnftanj ift barin beijutreten, bafj eine 
Haftung be§ 93efln. a u § Vertrag (bei melier unter 
Umftänben bie 93eroei§regel be§ § 282 93©$}. bem 93efl. 
gegenüber jur 9lnroenbung ju bringen märe) nic^t in grage 
fommt — mie bieS ja auch oon ber Silin, gar nid)t geltenb 
gemacht ift — , bah »ielntehr bie Haftung beSfelben nur auj 
eine unerlaubte $anblung im ©inn be§ § 823 $)®53. ge* 


Digitized by Google 



A. in ©iuilfarfuit. 


267 


ftüpt roerben fann, utib jioar, ba bie »erlepung eines Sd)uh« 
gefepeS (§ 823 2lbf. 2 »©».) fooiel erfid)tlich nid^t et« 
folgt ift, nur barauf, bap et burdj 2lufjerachttaffung ber im 
»erfehr erforberlidjen Sorgfalt, alfo burd) fyal)rläfftgfeit, bie 
Äörperoerletjung ber 5Uin. fjerbeigefüfjrt höbe (§ 823 2lbf. 1 
SB®».). 

Sine folcfje gafjrläffigfeit ift nun allerbingS bem »efl. 
gegenüber t) o n ber $ l i n. j u b e io e i f e n ; aber bei »e« 
urteilung ber fyrage, ob biefer »eroeiS als geführt angefehen 
roerben fann, barf bie an bie »eroeiSlaft bet Sflin. ju ftellenbe 
ütnforberung nid)t überfpannt roerben. »ei »ead)tung beS 
©runbfatjeS ber freien »eroeiSroürbigung (§ 286 ber SSß0.) 
ift oielmefyr namentlich aud) bie allgemeine SebenS« 
e r f a h r u n g ju berücffidjtigen. 

äBollte man in allen fällen, in roeld)en jemanb auf 
nidf)t uollftänbig aufgeflärte SOßeife oerlept roorben ift, an 
bie »eroeiSlaft beS »erlebten fo ftrenge Inforberungen ftellen, 
roie eS baS ©erid)t I. Qnftanz int oorliegenben gall getan 
hat, fo roürbe ber »erlebte oielfad), inSbefonbere, roeitn ftd) 
ber in f^oge fommenbe »organg mit großer Schnelligfeit 
abgefpielt tjat, nicht zu feinem $)ied)te toinmen, roeil eS in 
folgen fällen bem »erlebten meift unmöglich fein roirb, bie 
©injelheiten beS »erlaufS ju fdjilbem unb bie einzelnen 
fmnblungett ober Unterlaffuugen, bei roeldjen ber bie »er« 
letjung ^»erbeiführenbe bie im »erfehr erforberlidje Sorgfalt 
auper ad)t gelaffen hoben foll, näher ju bezeichnen. Sehnt 
in einem berartigen gall ber Jäter (roie eS im gegenwärtigen 
9ted)tSftreit ber »efl. getan hot) unter »erufung auf bie 
»eroeiSlaft beS ©egnerS jebe nähere ©rtlärung über bie 
eigentliche Urfache beS eingetretenen Unfalls ab, fo ift bamit 
bem »erlebten, roenn bie ©efamtumftänbe auch noch fo 
jroiugenb auf ein » e r f ch u l b e n beS JäterS als Urfache 
beS Unfalls tpnbeuten, bod) meift bie SUlöglidfifeit abge« 
fdinitten, biefeS »erfdjulben in fonfreterSöeife näher 
Zu bezeichnen. 

®ieS zeigt ficf) befonberS augenfällig bei ben auS ber 


Digitized by Google 



268 Siilfdjeibuugeu b«8 ObevlanbeSfleticEjtg. 

©ntfernung jugefügten Verlegungen, inlbefonbere bei © d) u fj= 
oerleijungen. 48 er beifpielltoetfe non einem anbera, 
ben er juoor gar nicht beobachtet f)at, roeil er (etroa in einem 
SBalb) feinem Vücf burcf) ©ebüfd) u. brgl. »erborgen mar, 
plö^licf) angefdjoffen roitb, roirb nicht in bet Sage fein, anju* 
geben, ob ber atibere etma burcf) nadjläffigel fragen bei 
ungefidjerten ©etoebrl, burd) Slbgabe eine! fcf)ted)t gejietten 
©d)uffel ober burcf) SIbgabe eine! gut gejielten ©djuffel auf 
ein infolge oon 9iacf)läffigfeit nirf)t richtig erfanntel $iel 
ober burd) irgenb roefd)e fonftige ^abrläffigfeit bie 93er= 
le^ung oerurfacfjt h at - ©leicbtoobl mirb man, menn ben 
Umftänben nad) eine o o r f ä b l i d) e Äörperoerlebung aul* 
gefdiloffen ober nid)t erroeillid) ift, nach allgemeiner Sebenl* 
erfabrung minbeftenl infolange, all ber ©d)übe feinerfeitl 
nicht einmal barjutun o e r f u d) t , bafj ber ©d)uf) 
burd) befonbere, oon ibm nicht ju oertretenbe Umftäube aul* 
gelöft ober abgelenft roorben fei, baoon aulgeben bürfen, 
baff bie Verlegung burcb unoorftcbtige! hantieren bei ©d)üben 
mit feinem ©eroebr oerurfadbt roorben fei, roeil eben nad) 
ber (Erfahrung bei täglichen Sebenl ein ©d)üt)e, roetdjer mit 
ber im Verfebr erforberlicben ©orgfalt mit feinem ©eroebr 
umgebt, einen anbern nicht anjufcbiefjen pflegt unb roeil bei* 
balb fdjon bie $atfad)e bei 2lnfd)ief)enl an fid) jufammen* 
genommen mit ber9iid)tanfübtung irgenb 
roelcber jur ®ntfd)ulbigung bei © d) il b e n 
bienen ber Umftänbe barauf binbeutet unb bie Ver* 
mutung begrünbet, baff ber ©d)itbe bei ber |janbbabung 
bei ©eroebrl i r g e n b ro i e bie im Verfebr erforberlicbe 
©orgfalt auffet ad)t gelaffen b«t>«- 

2Bie ber ©cbütje fein ©eroebr, rnufj aber auch ber 
Senfer irgenb einel gabrjeug! biefel in ber SBeife in ber 
©eroatt hoben, bah e! nicht burd) 2lbroeid)ung oon ber ge* 
wollten Üiicbtung anbere — fei el bie Qnfafien felbft, fei 
el begegnenbe ober fonft in bie 9iäbe bei fffabrjeugl fom* 
menbe fßerfonen — in ©efabr unb ju ©cbaben bringt. Ver* 
liert ber Senfer bie $errfd)aft über bal gabrjeug, fo liegt 


Digitized by Google 



A. in Giuüfncfieit. 


269 


hierin geroiß nicht ft e t § ein SSerfcßuIben (roie bie ÄUn. 
unter Berufung auf bie ©ntfcfjeibung J ) be3 1. (Senate biefe§ 
DS®. oom 17 . äftärj 1905 geltenb machen roitt), fo roenig, 
roie bemjenigen, ber eine Sdjußroaffe in ber $anb tiält, 
j e b e r gegen feinen SBillen lolgegangene Sd)uß all 33er* 
fd)ulben angerechnet roerben fann. 9lacE) allgemeiner Sebetil* 
etfahrung barf aber jebenfalll bann, roenn ber Senfer bei 
^afjrjeugl f e l b ft gar leine IHedjenfdjaft barüber ju geben 
oermag, auf ro e l d) e SB e i f e er bie ^perrfdjaft über bal 
gahtjeug oerloren fjabe, ober roenn er bie Slngabe ber ißm 
bie 93et>errfd)ung bei ^mhi'äeug^ unmöglich madfenben Um* 
ftänbe ab lehnt, beim s )}id)tüorliegen befonberer, ben 
Senfer entfd)ulbigenber Umftänbe angenommen roerben, baß 
biefer bie ©eroalt über bal gafjrjeug f d) u l b h a f t oer* 
loren ^abe; benit roer bal fjahrjeug roirtlid) in ber SBeife, 
roie el oom Senfer oerlangt roerben muß, in ber ©eroalt 
hat, bem fönnen ©ingriffe, burd) roeldje ihm biefe ©eroalt 
gegen feinen SSBillen entjogen roirb, nach bem 
gewöhnlichen Sauf ber ®inge nicht oerborgen bleiben; el ift 
alfo, roenn er felbft foldje ©ingriffe, bie feine Sdjulblofigfeit 
barjutun oermödjten, nicfjt anführt, bie Einnahme geregt» 
fertigt, baß er entroeber ber Senfung bei gahrjeugl nicht 
bie erforberlidt)e Slufnierffamfeit unb Sorgfalt jugeroenbet 
habe ober baß er ficß felbft beroußt fei, bie $errfd)aft in* 
folge oon Umftänben oerloren ju ßaben, bie er nacß allge* 
meinet iöerfehrlauffaffung ju oertreten ßat. üflit ber bloßen 
2Jt ö g t i d) f e i t , baß ißm bie £>errfd)aft burcß u n b e* 
f a n n t e — oon ißm felbft nicht angeführte — Umftänbe 
oßne fein iöerfdjutben entzogen roorben fei, braucht in einem 
foldjen $all uic^t gerechnet ju roerben; benn roo ber ganje 
Verlauf ber Sache bei gugrunblegung ber ©rfahruitgen bei 
täglichen Sebetil auf ein fchulbßaftel 33erhalten ber in 3ln= 
fprud) genommenen ißerfonen hinroeift, barf, folange ber in 
2lnfprud) ©enommene nicht feinerfeitl bartut, baß ber ein* 


‘) 3n S. ftomptl g. Speibel 28ürtt 3- Sb. 18 ®. 16 ff. 



270 


©nt{d)eibuiigen beS DberlanbeSgeridjtS. 


getretene Unfall burcf) ba§ ®ajwifd)entreten befonberer, oom 
geroöt)ntid)cn Sauf ber 2>inge abweidjenber Vorfommniffe 
herbeigeführt worben fei, nad) freier VeweiSwürbigung fein 
Verfchulben auch ohne ben Stadjweis ber einzelnen, itjm jur 
Saft fallenben fctjulb^aften $aitblungen ober Unterlaffungen 
als feftftehenb angenommen werben 1 ). SBenbet man in 
biefem ©inn ben ©runbfat) ber freien VeweiSwürbigung auf 
ben tiier jur @ntfd)eibung ftehenben galt an, fo ergibt fid) 
bie $aftbarfeit beS Söeftn. für ben ber Silin. jugeftofjenen 
Unfall ohne weiteret auS beS Vefln. eigenen ©inräumungen. 
@r hatte — einerlei, ob bie ©inlabung jum Schlittenfahren 
im allgemeinen »on ihm ober einem feiner Slameraben au§= 
gegangen war — nad) feinem eigenen Vorbringen jebenfallS 
für bie 3af)rt, bei welcher bie Silin, ihre Verlegungen er* 
litt, bie Senfung beS ©drittens übernommen. @r behauptet 
felbfi nicht, bafj nad) auSbrücflicf)em ober ftillfdjweigenbem — 
au§ ber Vevfeljrsübung fid) ergebenben — Uebereinfominen 
aucf) bie Silin. fid) an ber Senfung irgenbwie, fei eS aucf) 
nur burd) Vremfen ober burcf) befonbereS 2lct)tgeben auf bie 
Fahrbahn uitb ^inweife auf jeweilige Unebenheiten unb 
Strümmungen berfelben, habe beteiligen follen. 9lad) feiner 
S)arftellung war bie Silin. fd)led)thiit bie ©in gefabene; 
auch als folche hätte bie Silin, natürlich «ach ben ©eboten 
ber gewöhnlichen Sorgfalt ben Vefln. auf .jpinberniffe in ber 
Fahrbahn, bie ihr auffielen unb bie nach tt) rer Slnjtdjt ber 
Vefl. überfah, aufmerffam machen müffen, aber es war nicht 
ihre $flid)t, auf folcfje ^inberniffe befonberS aufjumerfen. 
9Bie hiafithtlid) ber ©efdjwinbigfeit ber Ual)rt, hatte oiel= 
mehr ber Vefl. auch f)infic^tlid; ber Fahrtrichtung unb hi" 5 
fichtlid) ber Vead)tung ber Vefdjaffenfjeit ber Fahrbahn als 
alleiniger Senf er auch bie alleinige Verantwortung ju tragen; 
bie Silin, hatte fid) in allen biefen fRicfjtungen ganj feiner 

') SBgl. Dt®. ®b. 12 S. 190/191; 3®. u. 1906. 8. 847 9)r. 26; 
9ted)tfpr. ber Cli®. Öb. 9 8 . 36 ur. 4a; 2Biirtt3. S3b. 18 8. 320 f.; 
mid) baS ©rfcimtniS biefeä Senats üom 29. Dejcmber 1906 i. 8. SJlaO 
tfjeiS g. SDiartin. 


Digitized by Google 



A. in Sioiliadjen. 


271 


Senfung anoertraut. (Sine Reifung ber SSerantwortung 
für bie Senfung (welche allerbingS bie golge t)aben müjjte, 
bafj bie Silin, mangels einer Slufftärung barüber, ob ber 
eingetretene Unfall auf einen oon ihr ober oom Sfefln. be» 
gangenen SenfungSfehler juriicfjuführen ift, ben S3efln. für 
bie folgen beS Unfalls nid)t haftbar machen fönnte) ift alfo 
oom eigenen Stanbpunft beS 93efln. aus nicht anjunehmen. 
3Bie ber Skfl. meiter jugibt, ift bie Serletjung ber Silin, 
baburch t)crbciflef«f)rt worben, bafj er (S3efl.) roährenb bet 
gahrt bie £>errfcf)aft über ben (Schlitten oerlor unb infolge 
beffen ben Slnprall gegen ben abfeitS ber Fahrbahn ftct)en= 
ben sßfoften nid)t mehr ju halbem oermod)te. ©ap ihm bie 
•£>errfc£)aft über ben Schlitten burch irgenbroelcheS a u p e r» 
gewöhnliche, nid)t oorauSjufehenbe SlorfommniS (alfo 
etwa burch eigenes ungefchicfteS Verhalten ber Silin, ober 
burd) böswillige (Sinwirfung eines ©ritten) entjogen worben 
fei, fann ber S3efl., ber bieS wiffen müfjte, felbft nicf)t be* 
haupten. (Sr beruft fid) nur auf bie üft ö g l i <h f e i t , baff 
ein Stein in ber Fahrbahn gelegen fein unb ben Schlitten 
auS ber gewollten Stiftung abgelenft h^en fönnte. (Sin 
im SBeg liegcnber Stein aber gehört bei einer Schlittenfahrt 
auf einem beni öffentlichen 93erfel)r bienenben SBeg burchauS 
nicht ju ben ©ingen, mit weldjen ber Sd)littenfaf)rer nicht 
ju rechnen unb auf welche er bei ber Senfung beS Schlittens 
feine 9iücffid)t ju nehmen hätte. SBirb bie Schlittenfahrt — 
wie im oorüegenben galt — nach Sonnenuntergang auSge* 
führt, fo ift in biefer $infid)t hoppelte ißorftcfjt geboten. 
Stad) ber Erfahrung beS täglichen SebenS laffen ftd) aber 
bei Slnwenbung folcher gebotener S3orfid)t, inSbefonbere 
bei nicht ju rafdjem fahren, bie ©efafjren, bie ein im SBeg 
liegenber Stein ber $ahrt ju bereiten oermag, auch S ur 
Slachtjeit oermeiben. Schon ber Umftanb, bafj ber S3efl. 
gar nicht fidjer anjugeben oermag, ob wirflich ein in ber 
Fahrbahn befinblicheS £>inberniS, wie j. SS. ein Stein, bie 
Slblenfung feines Schlittens oerurfadjt h Q t beutet barauf 
hin, bap er bie Fahrbahn nicht mit ber erforberlichen Sorg» 


Digitized by Google 



272 


diitfrijeibimgeit be8 Obertanbe§gerift)t«- 


fatt beobachtet hat. Ueberfjaupt aber ift bet ber gegebenen 
Sachlage faunt eine anbere Utfadße beS eingetretenen Unfalls 
benfbar, als baß ber ©efl. (tootauf fct)on bet heftige 2 ln= 
prall beS Sd)littenS tjinroeift) ben Schlitten burch ©erfäu» 
ntung orbnungSmäßiger ©perrmaßregeln eine übermäßige 
©efcßroinbigfeit annehmen ließ unb baburd) eine richtige 
Senfung unmöglich machte ober baß er ber ©efcßaffenßeit 
ber ^ahrbaßn mcßt bie erforberlicße ©eacßtung fcßenfte ober 
baß er in b e i b e n Dichtungen (unb o i e 1 1 e i cß t aud) 
nod) baburd), baß er troß mcßt genügenber ©rfaßrung bie 
Senfung beS ScßlittenS übernahm) gegen bie im ©erfeßr 
erforberlictjc Sorgfalt oerftieß. Unter folcßen Umftänben 
!ann ber JUin., roelcße — o o r bem ©efl. fißenb — beffen 
Verhalten roährenb ber ^ah^t gar nicht genügettb beobachten 
fonnte, nict>t aud) nod) ber DacßroeiS einer e i n 5 e l n e n 
fd)ulbf)aften $anblung ober Unterlaffung beS ©efln. juge* 
mutet roerben; eS genügt, baß ber ganje Sacßoerßalt ben 
allgemeinen Schluß rechtfertigt, baß bie ©erleßung ber $lin. 
burd) ©erfcßulbeit beS ©efln. oerurfacßt fei. 

D i d) t beijutreten ift ber 2lnnaßme beS ©ericßtS I. ^n* 
ftanj, bie Älin. habe „im oorauS bie eigene ©erantroortung 
für einen etroaigen, auS ben ©efaßren ber Schlittenfahrt 
entftehenben fd)äblid)en ©rfolg übernommen" unb (ben @r* 
folg?) „im »orauS gebilligt". 33ei einem allgemein als 
SBagniS anerfannten Unternehmen j. 58. bei einer als ( a» 
roinen* ober fteinfallgefährlich befannten ©ergtour mag eS 
felbftoerftänblich fein, baß fein Teilnehmer ben Seiter beS 
Unternehmens für ben Schaben oerantroorttid) machen fann, 
ber ißm auS ber ©erroirflicßung ber oorher befannten, felbft 
bei größter ©orficßt nicßt ju oernteibenben ©efaßren erroäcfjft. 
Ter geroößnlicße Sport beS ©ergfcßlittenfahrenS, roie er in 
ber Umgebung uon Stuttgart geübt roirb, fann aber ju ben 
an fid) fd)ott eine ©efaßr für Seib ober Seben in fid) ber= 
genben Unternehmungen nicht gerechnet roerben; erfaßrungS* 
gemäß pflegt feine Ausübung felbft an ben fteileren Rängen 
bei ©eobacßtung ber erforberlicßen Sorgfalt oßne Scßaben 


Digitized by Google 



A. in Siöilfadjeu. 


273 


abjulaufen. 

2lud) bcr oon mehreren ©eiten für ben gaü bev Siet» 
Haftung (§ 833 93 ®©.) aufgefteUte, neuerbingl aud) com 
4. ©io.»@enat bei Di®. in einet @ntfd)eibung oom 18. SJlärj 
1907 *) gebilligte ©runbfat), baf) bei einer mit |)ilfe oon 
©ferben aulgeführten Jahrt, SU roefcf)er ber ©igentümer ber 
©ferbe unb bei f^utjrroerf^ einen Slnbern eingelaben, „ein 
bem ©iUigfeitlgebot entfprecf)enbel Uebereinfommen" all 
oorliegenb angenommen werben tnüffe bei ^nhaltl, bajj 
„jeher Teilnehmer an ber gahrt ben aul ber ©erwitflichung 
ber gemeinfamen ©efaljr if)m etwa entftetjenben ©d)aben 
allein tragen müffe", fann — ganj abgefehen oon bcr grage, 
ob bem ©runbfat) für ben (ein ©erfd)ulben bei Tier» 
balterl nid)t ooraulfetjenber) ^all ber Haftung aul § 833 
93 ©©. beijutreten wäre — jebenfalll für ben oorliegenben, 
nad) § 823 93 @ 93 . ju beurteilenben $aU nicht all burct)= 
greifenb anerfannt werben, ©ertraglbejiehungen, 
wie fie in ber angeführten reid^§gerid)tlicf)en ©ntfcheibung 
unterfteUt ftnb, entftanben nad) bem oben ju ©ingang ©e= 
merften ^wifdjen ben Parteien burcf) bie gemeinfd)aftlid)e 
Schlittenfahrt überhaupt nicht. ©I fann bähet aud) oon 
einem im ooraul f unb gegebenen oertraglmäfjigen 
© e r j i d) t ber Älin. auf ©rfat) bei ihr aul fdjulbhaftem 
©erhalten bei ©efl. etwa erwachfenben ©d)abenl feine Diebe 
fein. 9lid)t einmal wo 2 ©erfonen ftcf) ju einer unter ihrer 
beiberfeitigen Senfung auljuführenbcn ©ergfd)litten» 
fahrt Bereinigen, fann eine ftillfchweigenbe ©ereinbarung ber 
beiben ©erfonen, bafj feine oon ihnen aul einer etwaigen 
gahrläfftgfeit ber anbern einen ©chabenlerfatjanfprud) ab» 
leiten bürfe, unterfteUt werben, um fo weniger in einem $aU, 
wie bem oorliegenben, wo bie eine ©erfon ftd) ganj bet 
Senfung ber anbern anoertraut hat. 

©in eigenes ©erfdjulben ber $lin. an bem Un» 
faU (§ 254 2lbf. 1 ©©©.) ift oon bem beweilpflid)tigen 

>) 32B. o. 1907 ©. 308 nr. 9. 


Digitized by Google 



274 (Sntfdjeibunfleu bcä 0&erIanbe»gericf)t«. 

Slefln. nicht bargelegt. (Sinen ©ingriff berfelben in feine 
Senfung I)at er, nrie fcfjon ermähnt, nicfjt behauptet. ®arin 
allein aber, baß bie $Uin. (fdjließlidj wenigsten!) gegen bie 
Studwaljl ber fteileren ffafjrftrecfe unb baß fie wäljrenb ber 
$ahrt aud) gegen bie oom $8efln. eingefjaltene ©efdjwinbig» 
feit feinen SBiberfprudj erhoben f>at, fann ein SJlituerfdjulben 
nidjt gefunben werben. (Sd ift (Srfahrungdtatfadje, baß ge» 
wanbte unb geübte Sdjlittenfahrer bei gehöriger 23eobadjtung 
ber ffafyrbafjn ©glitten aucf) auf fteiler Strecfe unb 
in fdjnetter {fahrt nocf> richtig ju lenfen oerftefjen. ®er 93eft. 
felbft bejeidjnet ftdj ald geübten Sdjlittenfaf)rer. ®ie Älin. 
brauste alfo in bem ftarfen — nach ber eigenen Kenntnis 
bed ©eridjtd übrigend nicfjt außergewöhnlichen — ©efätl ber 
gafjrftrecfe unb in ber Sdjnetligfeit ber {fahrt felbft bei ber 
ßerrfdjenben abenblidjen ®unfeltjeit nod) nidjt ohne weitere! 
eine ©efahr ju erblicfen, fie burfte fid) oielmehr, nacfjbem 
fich ber — wie fie annehmen mußte — ißt an (Erfahrung 
überlegene Sefl. einmal jur Senfung erboten hatte, barauf 
oertaffen, baß er ben ©dritten auch unter ben nunmehr ge» 
gebenen fcfjwierigen SCerhältniffen unb bei fdjneller ffafjrt 
r i ch t i g teufen werbe, ©obatb aber ber Schlitten einmal 
eine übermäßige, eine richtige Senfung audf d£j li eßenbe 
Sdjnelligfeit angenommen hatte, wäre aud) ein Sßiberfprucfj 
ber Sflin. werttod gewefen, ber — übrigend offenbar unbe» 
beutenbe — 2lnprall, ben ber ©djlitten bei einer oorher» 
gehenben (oon ber Ätin. mit S. audgeführten) {fahrt erlitten 
haben foll, ließ bie $lin. höc^fteuS erwarten, baß ber $8efl. 
mit um fo größerer Sorgfalt faßten werbe. 

Urt. bed in. (SS. o. 9. Quli 1907 i. S. Äobel g. 

ißfalger. 

34. 

(Erfüllungsort für bie perpflidjtnng jnr SJeJleünns 
einer Jfttpotljeh? 

$1. h<d fei« in <S., S@®ejirf (Sltwangen, gelegene! 2ln» 
wefen an ben bamal! im S©5kjirf Ulm anfäffigen 33eff. 


Digitized by Google 



Ä. tu (Siuilfacfjen. 


275 


oerfauft; babci tjat fid) 33eft. uerpflidjtet, jebevjeit auf 33er= 
langen be§ fit§. füc ben fiauffdjillingSreft eine fippottjef ju 
beftelien. Stuf 33eftetlung biefer ^ppottjef tjat fit. beim 2®. 
©ttroangen Mage erfjoben. Sag 02®. tjat bie $uftänbig= 
feit biefe§ 2®. für begrünbet angefetjen au§ folgenben 
® rünben: 

Sie SSerpflicfjtung be§ $3efln., feine 93erbinblidjfeit jur 
^jppotljefbeftellung in ®. ju erfüllen, ergiebt fid) au§ ber 
Statur be§ <3djutboert)ättniffe§. SBenn ber $)eft., roie bet 
fit. behauptet unb forbert, non ficf) au§ bie ©intragung ber 
fpppottjef su beroirfen tjat, fo fann er bie§ nur babutdj 
bemerfftelligen, bafj er bie ©intragung felbft bei bem ®runb= 
budjamt @. beantragt. @in fotdjer Slntrag, ber, »on bem 
ißaffinbeteitigten i. < 5 . beg § 19 ©330. gefteüt, gugleict) bie 
©intragunggberoitligung enthält, ift ein redjtggefdjäftlidjer 
2lft *), ber bem ® r u n b b u d) a m t gegenüber oursu* 
nehmen ift. 2etjtere§ fann gefdjetjen burd) ©rftärung oor 
bem ©runbbudjamt felbft. Saf; bann, menn bie non bem 
fit. gettenb gemachte 33erbinbticf)feit beg 33efl. biefen tjiesu 
nerpflidjten mürbe, bie 33erbinblidjfeit in @., nemtidj nor 
bem ©runbbudjamt b a f e l b ft gu erfüllen märe, bebarf 
feiner roeiteren ©rörterung. Stun behauptet bet fit. aber 
eine 33erpflidjtung beg 33eftn. sur ©rftärung bei Stntragg 
oor bem ©runbbudjamt felbft nicfjt, ba er oortragen läfjt, 
ber Söeft. fjabe nidjt nötig, perföntid) nor bem ©runbbudj- 
amt su erfdjeinen. Ser fit. fpridjt melmefjr bem 33efl. ba§ 
Stedjt s»/ bie ©intragung non feinem Söotjnfitj aug tjerbei» 
Sufütjren. Mein aucfj b i e f e SBerpflidjtung fann nur i n @. 
erfüllt merben. Senn ber sw 33emirfung ber ©intragung 
ber ^ppottjef erforberlicfje Stntrag beg 33eftn. auf ©intragung 
roirb biegfallg nadj § 130 33©$}. als eine SBiltengerflärung, 
bie bem ©runbbudjamt gegenüber absugeben ift, crft in bem 
3eitpunft roirffam, in metcfjem fte bem ©runbbudjamt sugetjt 2 ). 

*) aUfll. Z u r ti a u = ö r ft e r SMegenfcfjaftSredjt 2. Stuft, iöb. 2 
137; 3t®. ®b. 54 ©. 384. 

s ) ®ßl. 3t33t- ®b. 3 @. 165, £urnau = 0rörfter Siegciifct)aftä= 


Digitized by Google 



276 


©itt[d£)eibmtgeu bc3 Dberlanbeggericfjt«. 


Ob bet ©efl., toenn bet geltenb gemachte Älaganfprud), 
betreffenb bie ©eftellung ber |ppothef, begrünbet ift, feinet 
Verpflichtung genügt, wenn er einen f o r m l o f e n dein* 
tragungSantrag ftellt ober ob er gehalten ift, bie ©intragS* 
beioilligung ober ben biefe enthaltenen bp>. erfetjenben 3tn* 
trag (ogl. § 30 @©0.) gemäfj § 29 @©0. in einer öffent* 
liehen ober roenigftenS öffentlich beglaubigten Urfunbe p er* 
f'lären, ift für bie grage be§ ©rfüllungSortS gleichgültig, ba 
in beiben fallen bie Sßirffamfeit ber ©rfüllung erft mit 
beten (Eingang bei bem ©runbbuchamt eintritt, bie Verpflid)* 
tung be§ ©eftn. atfo feineSfallS » o r biefern ©ingang, alfo 
inSbefonbere nicht fdjon mit ber 21 b f e n b u n g be§ ben 
2lntrag enthaltenben ®djriftftücf§ an feinem SBolporte er* 
füllt ift, wobei man e§ bahin geftellt taffen tann, ob bie 
Verpflichtung pr ©eroirfung ber ©intragung nicht erft mit 
bem Vollpg ber grunbbuchamtlidjen ©intragung pr o o 1 l* 
ft ä n b i g e n ©rfüllung gelangt J ). 

©§ fann übrigens nicht jweifelf)aft fein, baff ber $1., 
roentt ber in biefern ©rojeff oon ihm erhobene 2lnfpruch betr. 
bie ©eftellung ber $ppothef materiell p Stecht befteht, oon 
bem ©efl. bie Stellung eines ber ffformoorfchrift ber §§ 29, 
30 @©0. entfprechenben b. h- eines in öffentlicher ober 
öffentlich beglaubigter Urfunbe erftärten 2lntrag§ oerlangen 
fann. SDenn wenngleich bie §§ 29, 30 ©©O. nur Orb* 
n u n g S oorfchriften enthalten, fo ift baS ©runbbuchamt bei 
Vichtbeobachtung berfelben hoch berechtigt, ben ©intragungS* 
antrag prücfpweifen. $ft aber ber ©efl. oerpflichtet, bie 
©intragung ber -gippothef p beroirfen, fo muff er ben 2ln* 
trag auf biefe ©intragung in einer gotm anbringen, auf 
©runb beten baS ©runbbuchamt, nötigenfalls im SBege ber 
©efcf) werbe, pr ©intragung gepmngen ioerben fann *). 


red)t SSb. 2. ©. 175 9Jr. 3, ogl. auef) ©eterfen*9tcmele Stomm. 
i. (SSpD. § 29 Sinnt. 13, 32B. oon 1896 @. 410 SRr. 5, ©e uff 3t 
Söb. 44 Sßr. 9-11. 

>) »gl. 02®. »b. 13 ©. 75. 

»gl. Surnau.görfier lc ©. 176-179. 


Digitized by Google 



A. in 6iui(facf)eii. 


277 


2lber Qud) roenn man bcn SSlagantrag al§ bal)in ge= 
ftetlt ju betrachten hätte, 53ef[. folte oerurteilt roerben, bem 
SSI. eine bie ©eroilligung ber Eintragung ber ^>gpott)ef au§= 
fpredjenbe Erflärung auSjuhänbigen, märe ba§ £©. EH= 
roangen nad) § 29 Ei)30. juftänbig. SBenn ein foldjer 2ln= 
fprucf) bem SSI. juftünbe, fo märe ber ©eil. üerpflictjtet, bem 
SSI. eine Eintragungäberoilligung ju übergeben, auf ©runb 
beten berfelbe bie (Eintragung ber |>ppothef erjroingen fönnte. 
®er ©efl. jelbft geht baoon au§, bafj ber SSI. mit ber SSlage 
non ihm biejenige Erflärung verlange, roelche jur binglidjen 
Einigung über bie |)t)pothefenbeftetlung gemäfj § 873 ©@©. 
erforberlich fei; er ift aber ber Meinung, bafj, ba jur ©ültig* 
feit biefer Erflärung rneber überhaupt eine 3;orm uorge* 
fehrieben fei noch eine fotrfje, bie nur an einem beftimmten 
Ort erfüllt roerben fönnte, unb ba auch ber ©ertrag felbft 
eine ©eftimmung (sc. über ben Erfüllung§ort) nicht enthalte, 
roeber auö ber ®i§pofition ber Parteien noch au§ ben Um* 
ftanben ein ©chtuf} auf ben Ort ber (Erfüllung gejogen roer* 
ben fönne unb bemgemafj ber ©eff. an feinem 2Bol»nfih ju 
erfüllen habe, rooju, aud) roenn ber ©efl. jene (Erflärung in 
öffentlicher ober öffentlichbeglaubigter Urfunbe abjugeben 
hätte, nicht roeiter erforberlich fei, al§ bafj er ben SSI. in 
ben ©taub fetje, feinerfeitä bie Eintragung ber £>ppotf)ef 
in ba§ ©runbbuch ju erlangen. E§ ift nun aber flar, bafj, 
roenn ber fil. — auf ©runb be§ ©ertrag§ oom 8. 3uli 1905 
ber, foroeit er fid) auf bie |)t)pothef bejiet)t, ftd) al§ einen 
burch ba§ ©erlangen be§ SS13. poteftatio bebingten obliga* 
torifchen ©ertrag auf fünftige ©eftellung einer ^ppothef, 
nid)t fchon al§ eine bebingte ©intgung über bie Eintragung 
einer folchen barftellt — oon bem ©efln. bie 9Iu§hänbtgung 
einer EintragungSberoilligung forbern fann, ber ©efl. »er* 
pflichtet ift, ihm eine ©eroilligung ju behänbigen, bie bem 
SSI. ba§ unanfechtbare ©echt auf bie Eintragung »erlebt. 
®iefe§ ©ecf)t erlangt ber SSI. aber nur burd) bie förperlicfje 
Uebergabe einer in öffentlicher ober öffentlich beglaubigter 
Urfunbe niebergelegten ©eroilligung§erflärung. Solange bie 


Digitized by Google 



278 


6ntf<f)tibiiitgeu beS £>6«rIa»beSgerid)t§. 


SBemitligung in ben $änben be§ $affi»beteiligten bleibt, ift 
fie ohne SBirfung. ©ie erlangt eine foldtje erft burdj bie 
tatfädjlic^e förperlidje Sefitjübertragung ber fie uerbriefenben 
Urfunbe an ben ^Berechtigten unb ift erft »on biefem geit» 
punft an unroiberruflid), ba mit ber 2lu3f)änbigung — unb 
ber mit berfelben gegebenen 2lnnat)me — ber GcintragungS» 
beroilligung, bie ©inigung i. ©. be§ § 873 2lbf. 2 
juftanbe gefommen ift 1 ). 

1>ie förpertidje Uebergabe ber bie @intragung§bemilligung 
enthaltenben Urfunbe liegt alfo im Nahmen ber 33erpflic^* 
tung be§ SBefln. unb e§ ift ba^er letztere nod) nicht erfüllt 
mit bem geitpunft, in roelchem ber SBefl. bie Urfunbe »on 
feinem SBohnort a b f e n b e t. Ob nun bie Uebergabe an 
ben SEI. in ©. ober an feinem jetzigen SBohnort 31. — nur 
biefe beiben Orte fönnen in betracht fommen — ju erfolgen 
hätte, ift gleichgültig; benn auch ber jehige SBohnfih be§ $13. 
ift innerhalb be§ 2©33. ©Uroangen gelegen. 

Urt. be§ II. ©@. »om 21. 9to». 1907 i. ©. $red) g. 

ßimmermann. 


35. 

Pirb ber ttt Unkenntnis ber J^rbrrmtgspfänbnng 
?ni)icnbe, Prittrdjnibner babnrrij »an feiner §djnlb 

befreit ? 

$urd) einen am 4. Quli 1905 jugeftellten 93efcf)lu{? be§ 
91®. SDIarienburg mürbe eine bem bortigen ißf erbet) ätiblet $. 
gegen bie in Stuttgart anfäffige 33efl. jufteljenbe gorberung 
jugunften be§ SU§. gepfänbet. 9lm 19. Quiti mar ber ©he* 
frau be§ QnhaberS ber beflagten ffrirma eine oont SU. an 
letjtere gerichtete $8enad)rid)iigung i. ©. be§ § 845 SißC. 
jugefteUt rcorben; am gleid)en £ag mürbe biefer Sdjriftfatj 

’) Sgl. Sb tau d Stornm. j. S©S. § 873 Sinnt. III 2d, 2; »ritau« 
3?örfter, £iegenfd)cift#red)t Sb. 1 6. 111, D 6 ent e cf 9teid)3grimb> 
biicfjrecttt Sb. 1 <§. 255, 262, 696, 720, 721 6SIS®. Sb. 5 ©. 528, 
9t®. 54 @. 384. 


Digitized by Google 



A. in Ciuilfadien. 


279 


in SJlarienburg, roo fid) bamalS bcr Anhaber ber 23efln. be= 
fanb bent 33. jugeftellt. s 2lm fetben Sag, nad) biefen .beiben 
Aufteilungen, bejahte ber Qnfjaber ber 23elln. feine ©djulb 
an 93. 2luf bie Klage beS Kl§., ber biefe A°hlung ihm 
gegenüber für unroirffam angefeljen iüiffen wollte, ift auf 
einen ®ib be§ Anhaben ber 93efln. bariiber erfannt, baff 
er jur ber Achtung nid)t — roie St. behauptete — uon 
ber Aufteilung be§ 23enadhrid)tigung3fd)reiben§ an 23. Kennt» 
ni§ gehabt hübe. 

© r ü n b e : 

®a§ 23erufungSgerid)t »ermag ber in ber Siteratur roie 
in ben Kommentaren jur ©ißO. ') übermiegenb oertretenen, 
oon bem 02®. Hamburg in einem Urteil nom 5. Auli 
1905 2 ) geteilten unb auch DOn bem ©erid)t I. Anftanj an» 
genommenen 2lnfid)t nid)t fid) an^ufchliefjen, baft ber 3d)Ut) 
be§ guten ©laubens, roie foldfer gemäff § 1275, ogl. mit 
§ 407 9lbf. 1 93@23. nad) ber 23eftellung eines oertragSrnäffigen 
JorberungSpfanbredjtS bem gutgläubig an ben ißfanbfdjulb« 
ner jahlenben ©djulbner ju ©tatten fommt, bei ber $or» 
berungSpfänbung bem ®rittfcf)ulbner ju »erfagen unb bafj 
für bie befreienbe Kraft einer nach Aufteilung beS ißfcinbungS» 
befd)tuffe§ an ben £)rittfd)ulbner (§ 829 2lbf. 3 ©i|30.) ge» 
fdjehenen A a hlung bie Kenntnis beS ©djulbnerS oon ber 
9?fanbung ber §orberung unerheblid), ber 2lft ber Aufteilung 
auSfchliefflid) mafjgebenb fei. 

9tid)t cntfdjeibenb für biefe fyrage ift, bafj nach § 829 
2lbf. 3 ©ißO. bie ^Sfänbung mit ber Aufteilung an ben 
Srittfcf)ulbner „bis beroirft anjufehen" ift. Senn bamit ift 
nur gefagt, baff bie ber fyorberungSpfänbung eigentümlidjen 
rechtlichen Söirfungen, iitSbefonbere alfo bie ©ntftehung beS 
cioilredjtlidjen ißfanbredjtS (f. unten) an eben biefen A^it= 
punft gefuüpft finb, roäbrenb an biefer ©teile beS ©efetjeS 

') S3ßl. Sc ii ff. 9. 3üift. Slum. 4 b. a. ju § 829 (S2JC. imb bie 
bort Stugef ubrteii. 

*) ©euff2t. 61 nr. 70. 

^|atir6ü<ter b«r -Bllrttrmb. XX. 3. 20 


Digitized by Google 



280 


©ntfdjeibungtn btZ CberlanbeSgericfjtä. 


nid)t barüber entfdjieben werben foütc uitb nicht baräber ent= 
fd)teben ift, welches biefe SBirfungen fmb unb ob burd) ben 
Slft ber gufteüung ber 2>rittfd)ulbner aufier Stanb gefegt 
wirb, eine mit 53efreiungSfraft au§geftattete Seiftung an ben 
®cbulbner*©läubiger ju beroirfen, eine fjftage, bie ber Statur 
ber Sache nad) erft aufgeroorfen werben fann, wenn feftflebt, 
baf? bie fßfcinbung ber ffarberung — eben gemäfl $ 829 
Slbf. 3 — juftanbe gefommen ift. SBollte man fiienad) bie 
grage nach ber SBirfung einer n a cf) ber 3uftellung erfolgten 
3at)lung beS $rittfchulbnerS an ben ®chulbner=©lciubiger 
auS § 829 Slbf. 3 entfcf)eiben, fo mürbe bamit biefer @e-- 
fe^esifteüe eine über ihren SBortlaut hinauSgehenbe S3ebeutung 
gegeben werben, was nur bann als gerechtfertigt angefefjen 
werben bürfte, wenn auS fonftigen gefetjlichen ißotrfcfjriften, 
fei eS beS fBrojefj* fei eS beS bürgerlichen StedjtS ein allge= 
meiner ©runbfalg b e S Inhalts fid) herleiten liefje, bap bie 
3 u ft e 1 1 u n g eines gerid)tlid)en 2)efretS, inSbefonbere eines 
ritterlichen 93eräufjerungSüerbotS unb ebenfo auch beS 5or> 
berungSpfänbungSbefd)luffeS, ber Kenntnis oon helfen 
Inhalt gleichpftellen ober m. a. SB., baff non ber 3uftellung 
ab bie Kenntnis beS 3 u ft e ü un 9§ cm PfdngerS fingiert 
werbe. Slllein ein ©runbfatg »on foldjer Tragweite — 
meldjer freilich Dün ben Kommentatoren ber ©'ißD. ’) als 
geltenb unterftellt ju werben fcheint, fann als allgemein 
geltenber webet nach ben ©eftimmungen ber ©pO. noch 
nach benjenigen beS bürgerlichen StechtS anerfannt werben. 
SlUerbingS befiehl ein ©runbfatg foldjen Inhalts in ber ©'}>£• 
infoweit, als eS fi<h um bie 3uftellung oon gerichtlichen 
Sitten ober oon ißarteifchriftfähen h an belt, rooburch Slot» 
friften in ©ang gefegt werben ; inbeffett liegt biefe SBirfung 
ber 3ufteüung rein auf projeffualent ©ebiet unb eS ift 
gerabe hi«/ roie ber öerufungSfläger mit Stecht henwrhebt, 


l ) Unb ebenfo oon SS I a n cf floimn. gum SS®®. 3. Slufl. Sinnt. 5 
gu § 407 Slnm. 3 gu § 1070, jomie oon ©taubinger, 2. Stuft. 
Slnm. 4 gu § 407. 


Digitized by Google 



A. in ßiBiliacfjen. 


281 


burd) befonbere ©djutjmittel, bcn ©infprucf) unb bie äöieber* 
einfetjung in ben »origen ©tanb, bie SOlöglidjEeit geboten, 
entftanbene Verfäumniffe in ißrer Sßirfung roieber ju be= 
feitigen. SBeitere Veftimmungen ber ©V0. über bie be= 
jeicfjnete SBirfung ber Aufteilung laffen fiel) nicf)t auffinben. 
SIber aud) auS bem V@V. läßt fid) jener ©runbfatj nid)t 
Verleiten. Unjutreffenb ift eS, roenn bie gegenteilige SInfidjt ') 
auf ben § 132 2lbf. 1 V@V. geftütjt roerben mit!; benn 
baS „Augeßen" erfolgt oßne Vüdfidjt auf bie tatfäcfjlidje 
Kenntnis; nur in ben gefeßlid) beftimmten fällen ift bem 
Augeßen einer ©rftärung bie SBirfung beigelegt, melcße an 
fid) nur mit ber Kenntnis »erbunben märe (§ 130 2tbf. 1 
V©V. 2 ), unb roenn baßer nad) § 132 Slbf. 1 eine burd) 
Vermittlung beS ©ericßtS»ol4ießerS jugeftellte SBillenSer* 
flärung als „jugegangen" gilt, folgt ßierauS meber im atl= 
gemeinen noeß für bie Aufteilung im ©ebiet beS ©i»ilpro= 
jeffeS, baß burd) bie Aufteilung bie Kenntnis erfeßt roerbe. 

©ine fe£)r erßeblicße Vebeutung für bie jjrage fdjeint 
ben 9Jtoti»en ju bem oon ben VeräußerungSoerboten ßanbeht* 
ben § 107 beS I. ©ntmurfS (jeßt § 135 V©V.) 8 ) jufommen 
ju müffen. $ier mirb eS abgeletjnt, für bie fyälle ber unter* 
fagten Veräußerung einer fjorberung eine allgemeine @cßuß= 
beftimmung jugunften beS in UnfenntniS beS Verbots Ieiften= 
ben ScßulbnerS in baS ©efeß aufjuneßmen, unb eS glauben 
bie SKotioe für bie auf ricßterlicßer Ütnorbnung berußenben 
VeräußerungScerbote auf ben „naeß bem Aufammenßang auS 
§§ 815, 810, 808, 730 ©$0." — j e $ t §§ 936, 930, 928, 
829 — „fid) ergebenben ©runbfaß, baß bie SBirffamteit beS 
Verbots gegenüber bem 2>rittfcßulbner »on ber Aufteilung 
abßänge", »ermeifen ju fönnen, roobei auSbrüdlid) ber <5cßuß 
beS gutgläubigen ©cßulbnerS, ber V. »on ber ©rfaßju* 
ftetlung ober als ©rbe »on ber Aufteilung an ben ©rblaffer 

*) <5 e u f f. Stomm. a. a. D. 

*) Sß l a n <f SSorbem. I. 2 jum Xitel „SßiUeitsserflärimg" ®. 246 ber 
britteu Stuflage. 

») ®b. 1 214. 

20 * 


Digitized by Google 



282 


®ntfd)«ibungeu be§ ObcrlanbeagericfitS. 


feine ÄenntniS befommen t)at, abgelebt roirb. dagegen 
fommt nun in ©etracht, bah nicfjt erfid)tlich ift, wie auS ben 
oon ben 9Jtotioen angeführten (unb ben fonftigen) 9Sot= 
fcfjriften ber @>$0. in ihrer feigen Raffung, ber non ben 
Sttotioen oorauSgefetjte ©runbfat} gefunben roerben folltc. 
UeberbieS fprid)t troh biefeS ber S^otioe bie über* 

roiegenbe Meinung ! ) auf ©runb beS § 135 Abf. 2 93©©. 
ftd) für bie Anroenbbarfeit be§ § 407 in ben jum Anroem 
bungSgebiet ber §§ 135 , 136 93®93. gefjörenben Sötten aus. 
&§ liegt alfo bie @ad)e {ebenfalls nirfjt fo, bah auS ben 
93eftimmungen ber §§ 135 , 136 93®©., roelche ben oon ben 
SRotioen oorauSgefetjten ©runbfatj in feiner SBeife 
jum AuSbrucf bringen, biefer ©runbfah entnommen roerben 
fönnte. 

©nblicf) ift eS Ijiebjer ohne Gelang, roenn in § 392 93®?!. 
ber ©runbfah aufgefteUt roirb, baff nad) gefihehener 93e= 
fchtagnahme eine Aufrechnung beS ©cljulbnerS mit ©egero 
forberungen gegen ben urfprünglichen ©laubiger nicht mehr 
jugelaffen roirb 2 ). S)enn roenn hi« bie Aufrechnung fd)on 
oom Augenblicf ber .3uftetlung ber 93efd)lagnahmeoerfügung 
für unjuläffig erflärt roirb, fo ergibt ftc£) hieraus bie iHed)ts= 
folge, bah ber @d)ulbner eben feine ©egenforberuitg be= 
hält, ©r bebarf baf)er beS gefe^lid^crt ©dptgeS nicht in 
bemfelben SJtahe, roie berjenige, roeld)er burd) bie gefdjehene 
Zahlung SkrmögenSmittel geopfert h at - @in allgemeine? 
ißrinjip lä^t ficf> jebenfallS auS § 392 93©93. foroenig ab* 
leiten, als bie§ auf ©runb ber unten noch ju befprechenbeit 
§§ 1070 Abf. 2 (»gl. mit §§ 1275 , 1217 Abf. 1 ) unb 2129 
Abf. 2 mögüd) ift. 

3)er <Sd)uh beS gutgläubigen ©dplbnerS gegen bie 
nachteiligen folgen einer Seiftung an ben urfprünglichen 
©laubiger bei ©läubigerroechfel muh ein bem 9!®93. 

') S|3 1 a it cf 3. 2l«ft. älittti. 5 p § 135; $ernburg, SürgcrI. 
Stedjt § 124 9tnm. 5, % i f cf) c r = $ e n l e , §anbau8gabe 10. Stuft. Slnm. 4 
p § 407 — a. 9t. Staubinger 2. Stuft. 3tff. 3 p § 135. 

*) <S t a u b i u g e r 2tnm. 1 p § 392. 


Digitized by Google 



A. in (Siuilfadjen. 


283 


allgemein jugtuttbe liegenbeS ^rinjtp angefetjen roerben. 
liefet ©runbfat) befielt nid)t nur nad) § 407 93@93. bei 
uertragSmäfjiger Slbtretung bet 5 or berung (©effton) unb 
nad) § 412 bei Uebertragung einet fjorbetung fraft ©efetjeS, 
l'onbern er gilt aucf) (nad) § 1070 2lbf. 1) bei ber ©in* 
räumung eines 9iief)braud)S unb enblid) bei ber 93eftellung 
eine§ oertragSmäfjigen ißfanbredjtS an einer gorberung 
(§ 1275). ^nforoeit ber § 1275 93®93. beim oer= 
tragSmäffigen Iß f a n b r e d) t ben <S d) u 1) b e S 
gutgläubigenSd)ulbnerS b e j ro e d t , i ft biefe 
93eftimmung auf ben$rittfd)ulbner b e i $ o r= 
berungSpfänbung bireft anroenbbar, roie fid) 
auS folgenbem ergibt. 

9tad) ben 93eftintmungen beS § 803 2lbf. 1 Sat) 1, 
S 804 2lbf. 1 unb § 829 2lbf. 3 ©ißD. entfielt burd) bie 
'ßfänbung einer gorberung ein jioilrecfjtlidjeS ißfanbredjt an 
berfelben. SBätjrenb bie ©ntfteljung beS IßfänbungSpfanb* 
rechts unb bie Diealifierung biefeS 9ied)tS, foroie baS 93er* 
bältniS ber übrigen ©laubiger unter ftd) (§ 804 9lbf. 2) 
burd) bie ^rojefjorbnung geregelt ift, finbet im übrigen eine 
ftillfdjroeigenbe 93ejugnal)me ber ©iß©. auf bie SBorfdfriften 
be§ bürgerlichen 9ied)t§ ftatt, fo bafj bie materiellen 2Bir* 
fungen beS ißf änbungS=ißfanbted)tS — eben roeil eS iß f a it b* 
r e d) t ift — biefelben finb, roie eines burd) 9ted)tSgefd)aft 
beftellten ißfanbrecf)tS, jebod) mit bem 93orbef)alt foldjer 3lb* 
roeidiungen, roeldje auS ber ©iß©. felbft unb auS ber eigen* 
artigen s Jlatur beS ißfänbungSpfanbredjtS abgeleitet roerben 
müffen *). SetjtereS ift j. 93. ber roenn eS ftd) barum 
banbeit, bafj jugunften eines ©läubigerS frembe, im ®eroal)r* 
fam beS <3d)ulbnerS befinblidje, <Sad)en in UnfenntniS non 
bem fremben ©igentum gepfänbet roorben fmb: — h* cr 
fönnen bie für baS 93ertragSpfanbred)t geltenben 93orfd)riften 
über ben gutgläubigen ©rroetb beS ißfanbredjtS beShalb 

•) 33g I. ®aupp*Stein 6./7. Stuft. 3?em. III ju § 804, SScm. IV 
'Hbf. 2 ju § 829. 


Digitized by Google 



284 


Sutfdjeibimgen be§ Dbevlaube«gerid)t3. 


ttidjt angeroanbt roerben, roeit fie auf bem bet }roang§n> eifern 
(Eingriff nicf)t geltenben ©runbfat) „£>anb rcatjre fpanb" be= 
rutjen l ). 

@§ fragt fief) nun, ob etroa ©rünbe fotdjer 2lrt aud) 
für bie -Jtidjtanroenbbarfeit ber für ba§ oertragämäfjige 
*ßfanbred)t an gorberungen beftetjenben ©runbfätje auf ba§ 
ißfänbung§pfanbrecf)t an gorberungen inforoeit befielen, als 
e§ fid) um ben ©d)ut) be§ guten ©taubenS be§ ®rittftf)ulb* 
nerS tjanbelt, roelcfjer in Un!enntni§ ber gefd)ef)enen ©fein» 
bung an ben ®läubiger=©d)ulbner bejatjlt t)at. ®te§ ift 
aber fd)Ied)tt)in ju »erneinen. ©rünbe fotdjer 9Irt taffen ftd) 
in eher aus ber ©ißO. — fofern in biefer ber ©runbfat) 
fingierter ftenntniS bei ©rfatjjuftetlung al§ attgemeiner nicf)t 
beftetjt — nod) au§ bem ©@93. — beffen ©ntftetjungSge* 
fct)id)te atterbing§ 9lnt)att§punfte bafür an bie .fpanb gibt, 
bafj bie ©erfaffer be§ erften ©ntrourfS biefer im ©efetj fetber 
nict)t jum Stuöbrucf gefommenen 2tnfid)t gefolgt finb — noef) 
enblid) aus bem SBefen be§ ißfänbung§pfanbred)t3 abteiten. 
3Jlit festerem ift ber ©dfut) be§ guten ©tauben§ be§ ®ritt= 
fdjutbnerS burdjauS oerträgtid). 9Bie fetjr bie§ ber galt, 
geigt gerabe bie oon ben ©egnern ber t)ier oertretenen SJtei* 
nung für fid) oerroertete @ntftet)ung§gefcf)id)te. 
3m I. ©ntrourf nämlid) mar bie Uebertragung burct) geridjt* 
lid)e Ueberroeifung in alten ©ejiefjungen, fo aud) t)infid)ttid) 
be§ in § 304 be§ I. ©ntrourfS (= § 407 93©©.) feftgefetjten 
©runbfatjeS ber oertragSmäfiigen Abtretung gleidjgeftellt, 
toobei auSbrüdtid) gefagt mar (§ 794 2(bf. 3), bafi bie 
Uebertragung burd) Ueberroeifung im SBege ber 3roang§= 
oottftreefung mit $uftettung Ueberroeifung§befd)luffes an 
ben S)rittfd)ulbner erfolge; t)ierau§ folgt, baff irgenb roeldje 
inneren, bem äBefen ber ©ad)e ju entnetjmenben ©rünbe 
gegen eine fotd)e ©teidjfteltung nietjt befielen. 

MerbingS rourbe infolge @ingreifen§ ber Äommiffion 


‘) 9t®. 26 S. 101, ®aupp = 6 teilt 23em. II 311 § 804 unb bie 
bovt angef. (Siitfd). 


Digitized by Google 



A. in (Jiöilfacfien. 


285 


bei ber II. ßefung bei ©ntmurfi bai ©efet) infofern anberi 
geftaltet, ali in § 398 ©@©. nicht mehr — wie in bem 
bicfer ©efetjeifteEe neben § 293 b. @. jugrunbe liegenben 
§ 294 — bie Uebertragung burd) Uebermeifung im ©eg ber 
gmangiooEftredung ali ber oertragimäfjigen Abtretung 
gleichwertige Uebertragungiart ermähnt wirb, ali ferner 
§ 407 ©©33. — abroeicheub oon § 304 bei I. ©ntmurfi, 
roorin bie „Uebertragung" ali baijenige ©reignii bezeichnet 
mar, beffen ftenntnii ben Schi© bei gutgläubig ßeiftenben 
auifchliefjen foEte — nunmehr non ber „21 b t r e t u n g" 
fpricht. ®iefe 2lbänberung beruhte auf ber 2lnnahme einei 
in ber Slommiffion gefteüten 2lntragi, wonach h^tcr § 304 
bei I. ©ntmurfi ali § 304 a fotgenbe ©eftimmung einge= 
fdjaltet werben foEte: 

„3ft bie Uebertragung burd) gerid)tlid)e 2lnorbnung er= 
folgt, fo tritt in ben $äEen ber §§ 303, 304 (jetst §§ 406, 
407) an bie (Stelle bei $eitpunfti, in weldjem ber ©djulb* 
ner oon ber Uebertragung .fenntnii erhalten hat, berjenige 
^eitpunft, in welchem ihnt ber UebermeifungSbefchlufj ju= 
gefteEt worben ift (ober in welchem bie Uebertragung 
ftattgefunben hat)", 
wobei erwogen würbe: 

ei fei bei einer auf gerid)ttid)er 2lnorbnung beruhenbett 
Uebertragung ber fforberung aui bem gleichen ©runbe ge= 
boten, in ben gäEen ber §§ 303, 304 (bei I. ©ntmurfi) — 
ftatt auf bie fenntnii bei <3d)ulbneri oon ber Uebertra» 
gung — auf bie ^afteEung bei Uebermeifungibefd)luffei 
abjufteEen, aui welchem bie Äommiffion bie entfprechenbe 
©eftimmung bei § 286 (= § 392 ©©©.) einem 2lbänbe= 
rungiantrag gegenüber aufrecht erhalten habe. 

2lui ben ©erhanblungen ber Äommiffion ju § 286 bei 
©ntmurfi ift h'awieberum ju entnehmen, bafi ein 2lntrag, 
bei ©efchlagnahme einer gorberung bie 2lufred)nung aud) 
bann nod) jujulaffen, wenn bai ^ahtungioerbot jmar juge= 
fteEt worben war, ber (Sdjulbner aber hieroon feine 5lennt= 
nii gehabt hatte — abgelehnt worben ift, „nur um 


Digitized by Google 



286 6 ntfd)eibuii 0 en beä ObetlanbesSgendjtÄ. 

in Uebereinftinimutig ntit ben iBorfdjriften bet GpO. ju 
bleiben" *). 

35er fRebaftiouSfommiffion tourbe eS iiberlaffen, ob bet 
©ebanfe beS ju § 304 geteilten unb angenommenen Eintrags 
burd) eine befonbere 33orfcf)cift ober burd) eine entfpredjenbe 
Formulierung beS §§ 303 unb 304 junt SluSbrucf ju bringen 
fei *). 

Sie auf ©runb biefer 93efd)lüffe oon her 9IebattionS= 
fommiffion bem II. ©ntrourf gegebene Raffung tourbe in 
ben fpäteren ^Beratungen bet Kontmiffion 3 ) gebilligt. 2lüeS 
bieS beroeift jioar, bafj bie II. Kontmiffion eine gefehlte 
Seftimmung beS Anhalts, bafj bei Uebertragung einer For= 
berung burd) gerid)tlid)e tUnorbnung ber 2lft ber Aufteilung 
bie Äenntniä erfe^en folle, ju treffen beabfid)tigte. Mein 
eS tarnt nicht anerfannt roerben, baf) biefe 2lbfid)t in bem 
auS fid) felbft auSjulegenben ©eiet) 4 j, junt Msbruct getont» 
tnen ift unb gefet)lid)e Kraft erlangt hat. SBentt § 407 58©$. 
in feiner fettigen Foffuttg bie gerid)tlicf)e ForberungSiiber» 
tragung nicht ermähnt unb § 412 auf bie Uebertragung einer 
Forberuug traft ©efetjeS unter anberen aud) bie ÜBor» 
fdjrift beS § 4o7 für anroenbbar erflärt, ohne fjierbei and) 
bie richterliche Uebertragung ju nennen, fo folgt barauS nur 
fooiel, bafj ber F^U beS ©läubigenoechfelS burd) gerichtliche 
Uebertragung in ben jitierten Paragraphen eben nicht ge» 
regelt i ft unb baß baher baS für f i e geltenbe an einer 
anbertt Stelle beS bürgerlichen ober beS projefjgefetjeS ju 
fuchett ift. 

äöetdjeS aber bie mafjgebenben ©efetjeSftellen finb unb 
maS fie über bie F™g« be§ gutgläubigen 3)rittfd)ulbnerS bei 
FotberungSpfänbung ergeben, ift oben unter Aiff. 1- -■ b“ 1 ’ 
gelegt. $aS bort auS bem ©efetje felbft gewonnene Gr» 
gebniS läßt fid) nicht burd) ©rmägungen befeitigen, roelche 

*) 31 d) i 1 1 c d » <B p a f) n , 'ßrotofoüe 33b. I S. 393 ogl. 373. 

s ) 2a|. S. 393. 

’) 3t d) i (I e i » <S p a f) it 33b. II ©. 473. 

4 ) 33 a d) , (Simtprojcßrcdjt 33b. 1 § 20. 


Digitized by Google 



A. in öroiliadjeti. 


287 


in einem geroiffen ©tabium ber gefetjgeberifchen Vorarbeiten 
oon ben Verfaffern bei ©efetgbuchl in '-Betracht gejogen 
roorben finb, fofem biefe ©rroäguttgen in ber enbgültigen 
©eftaltung bei ©efet)el einen genügenben Hulbrucf nicht ge» 
funben tjaben. ®et 3ufammenhatt ber §§ 803, 804, 829 
©ißO. mit § 1275 V©'B. ergibt nun a6er bie 
ber ©ettenbniadjung bei guten ©laubenl trotg gefd)etjener 
3uftellung, ba ein allgemeiner ©runbfatj bei gnljaltl, baß 
bei gerichtlichen ®efreten ber 2lft ber 3ufteHung bie Hennt» 
nil erfetje, ftcf) nicht erroeifen läßt. ®af)inftehen mag, ob 
für bie gälte ber HuffteHung einel Verwalter! für bie ge» 
pfänbcte ober im ^Nießbrauch ftehenbe gorberung bei ber 
Verlegung ber Siechte bei ©igentümer! ober ©chulbnerl 
burch ben Sließbraucher ober s fBfanbgläubiger (nach §§ 1275, 
1217 Hbf. 2, 1070 Hbf. 2 V©V.) unb ebetifo im galt bei 
§ 2129 Hbf. 2 V©V. angenommen roerben müßte, baß in 
biefen befonberen gälten (oon benen übrigenl aul ber ©nt» 
ftehunglgefchichte ‘) nur fooiel fic£> entnehmen läßt, baß fie 
ihren gefetjgeberifchen ©runb ebenfall! in bem Veftreben bei 
Sdjußel bei guten ©laubenl finben), bie 3uftetlung bei 
©equeftrationlbefdjluffe! ber roirflitfjen Kenntnil gleicßgefeht 
fei 2 ). SDenn auf biefe befonberl geregelten unb eigenartig 
geftalteten gälte allein fann unmöglich ein ©runbfatj auf» 
gebaut roerben, welcher, roenn er beftünbe, oon einer über 
biefe gälte roeit hiaaulteichenben Tragweite roäre. S)ie für 
bie hier erörterte grage maßgebenben, eben erörterten @e= 
fetjelftellen führen ju ben Sionfequenjen nid)t, welche aul 
ben §§ 1070 'Hbf. 2, 1217 Hbf. 2, 2129 Hbf. 2 für biefe 
gälle, je nachbent man ben SBortlaut aullegt, allenfall! fid) 
ergeben lönnten. 

3Bal im Vorfteßenben über bie SBirlung ber 3uftellung 
einer gorberunglpfänbung aulgeführt roorben ift, muß in 
berfelben SÖeife auch gelten, roenn el ftch um bie 3uftellung 


') $ a i b 1 e n , Hlaterialieu Hanb 2 ®. 286. 
*) Sfll. Hl a u cf Hem. 3 gu § 1070. 


Digitized by Google 



288 


©Htfdjeibuugcit be« OberIanbe8getid)t3. 


ber ^Benachrichtigung uon einet beuorftehenben 3°tberung§= 
pfänbung (§ 845 ©SßO.) t>anbelt. 

Urt. be§ I. ©@. u. 18. Oft. 1907 i. @. Söbftein g. 
©erber. 

36. 

1. Uilbri btc gemäß § 800 ©$©. erfolgte lltttermerfnng 
nnter bie foforttge Jmangsoollllredtung einen (gereff= 
lirfjen) Üeßmtbieil ber betreffenben fpjpothrk? 

2. ilnslegnng bes § 1164 $©13. 

Ser 2(rcf)iteft ©. bat uom SBiirtt. Ärebitueretn ein ner- 
jinSticbes Marleben uon 34000 2Jlf. erbalten unb hieffk 
eine ^ppotbef beftellt, tuobei er fid) für ben $©1 ber 91icf>t* 
erfütlung feiner Verbinblichfeiten ber fofortigen 3mang§uoll* 
ftrecfung in fein gefamte§ Vermögen unb jroar „hinfid)tt<ch 
be§ uerpfänbeten ©runbftücf£ jugleid) für jeben fiinftigen 
©igentümer besfelben" unterroarf, mas im ©runbbud) einge- 
tragen mürbe. Sa§ ©runbftiicf gelangte burd) eine Steiße 
uon Veräußerungen an ben KI. . ©. mußte eine ginSjahlung 
mit 644 9Jtf. an ben Strebituerein machen, bie uertrag§= 
mäßig bem 21. obgelegen märe, ber ba§ ©runbftücf uon ©. 
gefauft hat. Sauon au§geßenb, baß ju bem Vetrag uon 
644 9Jtf. bie ^ppotßef auf ißn übergegangen fei, bat ®. 
biefen £»)pothefenanfprud) an ben Vefl. abgetreten, ber fid) 
geftü^t auf biefe Abtretung unb bie in§ ©runbbud) einge* 
tragene Untermerfung unter fofortige 3mang§uollftrecfung 
für ben Setrag uon 644 9Jtf. gemäß § 799 ugl. mit § 727 
©230. eine uottftredbare 2lu3fertigung gegen ben 511. erteilen 
ließ, ©egen bie 3uläffigfeit biefer .ßroangSoollftrecfung er- 
hob Stl. Silage, ber im Verufung§uerfal)ren entsprochen mürbe. 

© r ii n b e: 

Ser Äl. beftreitet mit 9ted)t, baß bie bei ©rteilung ber 
Vollftrecfung§flaufel uom 25. Januar 1907 al3 bemiefen 
angenommenen Vorau§fet)ungen für bie ©rteilung ber Slau-- 
fei mirflid) norgelegen haben. Sie tiad) Qnhatt ber Sllam 
fei uom feigen Vefl. uorgelegten öffentlichen ober öffentlich 


Digitized by Google 



A. in ©iüilfadjcu. 


289 


beglaubigten Urfunben mögen im 3ufammenbalt mit bem 
Inhalt beg ©runbbud)g genügt haben, um bem bie SUaufel 
crteilenben ©eamten bie Ueberjeugung ju oerfcbaffen, bafi bie 
urfprünglidj bem SBürtt. Ärebitoerein juftetjenbe Jpijpotfjef 
jum Teilbetrag oon 644,01 9Jif. gemäfj § 1164 ©@©. at§ 
fog. ©rfatjhbpottief auf ben perfönlidjen @d)ulbner be§ fprjpo» 
tljetbarleheng <B. übergegangen fei, bafj ber jetzige ©efl. 
biefe @rfa^l)i)pott)e! non S. burd) Abtretung erworben habe 
unb bafj bag jet)t im ©efit) unb ©igentum beg $ä§. befinb» 
lidje ©runbftücf aud) für biefe 6rfat)hbpotbef hafte. SJJit 
Unrecht aber bat ber ©eamte angenommen, bafj bie non 
<5. in ber ITrfunbe nont 15. ^uni 1904 gemäjj § 794 .ßiff. 5 
unb § 800 ber ©©C. erflärte Unterwerfung unter bie fo» 
fortige ^wanggooüftredung aud) ju gunften ber erwähnten 
©rfatjbopotbef bejw. 51t gunften ber biefer ©rfahbbpothef 
ju ©runb liegenben $ 0 r b erung eine SSirfung äußern 
fönne. 

2öenn bem ^ppotbefgtäubiger gemäf? ber foeben er» 
wähnten ©eftimmung beg § 800 ber ©©€>. ein ©ottftretfungg» 
redjt gegenüber bem jeweiligen ©igentiimer beg ©runbftütfg 
eingeräumt worben ift, bitbet biefeg ©ollftretfunggred)t nom 
Slugenblicf feiner ©egriinbung an nid) t einen gefet)Iid) eit ©e» 
ftanbteil ber fpppotbef, ber ohne weiteret alle Sd)irffale 
ber t ^i)pothef ju teilen hatte, eg enthält oielmehr nid)t§ 
anbere§, alg eine red)tggefd)äftlicbe ©rweiterung 
beg Inhalts ber £>t)pot bef '). 

9tun ift eg fdjon gefehlid) auggefdjloffen, bafj ber per» 
föntidje ©cfjulbner einer .fjppotbef, ehe überhaupt feftftetjt, 
ob er jentalg eine ©rfatjbbpotbef i. ©• beg § 1164 ffl©©. 
erwerben werbe, ben Qnbalt einer foldjen, fünftig mög» 
lidjerroeife entftebenben £h)potbef jurn ooraug burd) ©er» 
trag mit bem |n)potbefgtäubiger mit Söirfung gegen 
bie jeweiligen fünftigen ©igentümer beg bbPatbefbelafteten 

’) $gt. Sßrot. ber ftommiffiott für bie 2. Sefung beg (Sutimirfg beS 
23@33. 23b. 6 @. 720 2im'e 3 big 4 (Don oben). 


Digitized by Google 



290 


(Äntfdjeibuixfleu beS Dberlanbebgeridjtä. 


©runbftücfS red)tSgefd)äftlid) erweitern fönntc. s Jtur foroeit 
feine Stellung als „Sdjulbner" in 33etrad)t fommt, fann 
er, wie fid) au§ ber 93orfcf)rift be§ § 794 3iff- 5 ber E'j3£. 
ergibt, bie9fed)te fein eö ©läubigerS babutcf) erweitern, 
bafj er biefem baS 9ted)t einräumt, alSbalb oljne Erwirfung 
eines Urteils, SJollfirecfungSbefeljlS u. f. w. mit 3n>angSnolb 
ftrecfuug gegen if)n oorjugefyen. 3ft er |jt)p otfyef jdjulbner 
unb jugleid) Eigentümer beS tjppotljefbelafteten ©runbftüdS, 
fo fann er feinem ©laubiger eine foldje Erweiterung feiner 
9tecf)te gcmäfj § 800 ber EißD. aucf) mit SEBirfung gegen 
bie jeweiligen fünft igen Eigentümer beS ©runbftücfS be» 
willigen. ®a»on aber, bafj er für ben etwaigen fyall beS 
fünftigen Erwerbs einer Erfai}f)ppotfief i. S. beS § 1104 
93@$8. aucf) feine eigenen @läubigerred)te burd) „Untere 
werfung unter bie fofortige 3n>angSoollftrecfung" erweitern 
fönne (unb jwar lebiglid) baburcf), bafj er feinem -|öi)potl)ef= 
gläubiger eine oollfirecfbare Urfunbe i. S. ber §§ 794 
3iff- ö/ 800 ber E s ß0. auSfolgt unb bie Unterwerfung 
unter bie 3n>angSoollftrecfung im ©rnnbbucf) eintragen 
läfjt), ift im ©efet) nirgenbS bie Siebe; eS fann baS offen» 
bar aud) auS bem Sinn beS ©efe^eS nid)t entnommen 
werben. Eine ju gunften einer n o cf) gar nid)t befielen» 
ben, oieltnefjr nur als fünftig möglid) in Sfedjnung genom» 
menen Erfat)l) 9 potf)ef wirfenbe Untenoerfung unter bie fofortige 
3wangSoollftrecfung wäre aud) redjtlicf) um fo weniger 
möglid), als bie Unterwerfung unter bie fofortige 3n>angS* 
ooüftrccfung ') begriffSgemäjj einen gegenwärtigen — 
wenn aud) bebingten ober betagten — Slnfprucf) oorauS» 
fetjt unb jwar einen Slttfprucf), welcher — wie § 794 3*ff- 5 
ber EißC. auSbrüdlid) beftimmt — bie 3 a ^ un 9 einer be= 
ftimmten ©elbfumme ober bie fieiftung einer beftimmten 
Cuantität anberer oertretbarer Sachen ober Sßertpapiere 
jum ©egenftanb l)at, — eine SöorauSfetjung, bie bei einer 

*) 3Sie ©eiiffert in ber 3 e 't|ä)r- für beutfcbcu (Siö.SJkoj. Sb. 16 
S>. 453 unb 05 a u p p = @ t e i u in feinem Koniin. 5 . ÖSD. § 794 ju 
9tr. 52 fjeroorljebt- 


Digitized by Google 



A. in (Sioilfarfjcn. 


291 


nod) gar nicht eyiftenten @rfa^ppotf)e!, über beren ©riftenz 
unb Setrag fpäter jroifcben ben ^Beteiligten nod) bie erbeb* 
ticfjften Differenzen entfteben fönnen, offenbar in feiner £)in= 
fid)t zutrifft. 

8mr ben oorliegenben gall laßt aber überbieS ber ^n= 
halt ber oollftrecfbaren Urfunbe oorn 15. 3uni 1904 aud) 
gar feinen Zweifel barüber, bajj ber red)t§gefd)äftlid)e SBiQe 
beS 8. nid)t barauf gerietet mar, ba§ bppotbcfbelaftete 
Slnmefen aud) ju ©unften einer if)m fünftig etwa anfallen* 
ben ©rfa^rjpotbef i. 8. bei § 1164 S@S. ber fofortigen 
■3wang§oollftrecfung ju untenoerfen, benn — abgefeben ba* 
oon, bajj 8. jur 3eit ber SttuSftellung ber Urfunbe ohne 
^weifet bie fünftige ©ntftebung einer foldjen ©rfatzbppotbef 
nod) gar nid)t in Rechnung genommen l)at — ift in ber 
Urfunbe bie Unterwerfung unter bie fofortige gmangSooll* 
ftrecfung nur für ben f$:all ber 9ticbterfüllung ber ibm 
(bem 8.) gegenüber bem Sfrebitoerein Obliegenheit Serbinb* 
Iid)feit erflärt. Diefer f^all ift f)irtfid)tlid) ber 644 2Hf., 
wegen beren Äf. gegen ben Sefl. als jetzigen ©runbftiicfs* 
eigentümer mit ,3 ro ang3oollftrecfung oorgeben will, n i d) t 
gegeben: 8. bat ja bie 644.01 9Jlf. 3infen an ben ßrebit* 
oerein bezahlt, er bat alfo feine 93erbinblid)feit gegenüber 
bem Ärcbitoerein erfüllt. 9luf biefen tatfäcblicb ber ©nt* 
ftebung feiner ©rfatzbppotbef zu ©runb liegenben $aH be> 
Zieht fid) alfo bie oon ihm erflärte Unterwerfung unter bie 
•3mang§oollftrecfung ohnehin nid)t. 

93on biefem Stanbpunft au§ braud)t an fid) auf bie 
in ben @ntfd)eibung§grünben be§ angefochtenen Urteils be* 
rührte, in ber 9ted)t§lehre beftrittene 5rage, ob im ^aü beS 
§ 1164 S©S. infoweit, als ber perfönliche 8d)ulbner ben 
©laubiger befriebigt, bie bem letzteren jzufteftenbc ^forbe* 
rung fraft ©efetje§ auf ben erfteren übergehe unb als fort= 
befteben fingiert werbe ober ob ber perfönliche Scfjulbner 
bie 4 ? 9 Pothef al§ eine mit einer ffaröerung nicht oerfniipfte 
(pppotbef (alfo als @runbfd)ulb) erwerbe ober ob enbliri) bie 
^»ppothef oon ihrem Uebergang auf ben perfönlidjen 8d)ulb* 


Digitized by Google 



292 


©nt)cf)eibutigen beS Obtvlanbeggeridjti. 


ner an al§ eine für bie ©rfatjforberung be§ le^teren l)aftenbe 
non nun an mit biefer Qorbetung oerfnüpfte ^ppottjef an» 
jufetjen fei, niefjt weiter eingegangen ju werben. Qmmerhin 
mag aber barauf fyingeroiefen roerben, bafj für bie le h te re, 
auef) in ber Siteratur iiberwiegenb oertretene 2tnnat)me neben 
bem Qnhalt unb bem ganjett ©tjftent be^ ©efetjei felbft 
namentlich auef) bie Sluffaffung fprid)t, welche in ber bem 
9tei<f)§tag uorgelegten 3)etiffd)rift oertreten roirb unb welche 
fpäter bei ben 3>erf)anblungen bei 9teid)itagi oon feiner 
©eite einen äBiberfptud) erfahren f>at. 

Qn bem oorn iHedjt ber ©djulboerhältniffe hunbeln» 
ben 2. $8ud) bei 33©33. ift a(i allgemeiner ©runbfat) auf» 
geftellt (ugl. § 362 93©93.), baff mit ber ©ewirfung ber ge» 
fdjulbeten Seiftung an ben ©läubiger bai ©djulboer^ältni» 
erlifdjt. 2>afj »on biefem ©runbfatj für ben f)ier in 
Qrage ftehenben Qad eine 2lu§nat)me tjabe gemacht roer« 
ben wollen, ift webet an irgenb einer ©teile bei genannten 
2. SJudjei auigefprodjen, noch ift ei ber jur ©rörterung 
ftehenben Seftimmung bei § 1164 5)©23. ju entnehmen. 
Qm ©egenteit läfjt bie 23egrünbung, welche bie 35enffcf)rift 
jum 93©$8. (auf ©. 150/151) für bie letjtere Ißorfdjrift gibt, 
feinen Qweifel barüber, bafj auch fie baoon auigeht, baf) 
bie Sefriebigung bei ©läubigeri burd) ben perfönlidjett 
©djulbner aud) in bem in 9tebe ftehenben galt ber allgemei» 
nen EKegel entfpredjenb bai © r t ö f d) e n ber Qorberung 
bei ©läubigeri jur Qolge habe: benn fie nimmt auibrücf» 
lid) auf ben § 1146 2lbf. 1 ©a$ 2 ber bem 9teicf)itag ge» 
madjten ©efe^eioorlage b. h- auf ben jetzigen § 1163 2lbf. 1 
©at$ 2 bei ©efetjei Sejug, welcher gerabe ben Qall bei 
©rlöfdjeni ber perfönlidjen Qorberung befjanbelt. Unter 
93epgnahme barauf, bafj nadj ber angeführten SSorfdjrift 
jufolge bei ©rlöfdjeni ber Qorberuttg an fid) bie ^jppotbef 
bem ©igentümer jufatlen müfjte, führt nun aber bie 2)enf» 
fcfjrift weiter aui: biefei ©rgebnii würbe ber ÖiUigfeit nicht 
entfpredjen, benn in bem (bei ber 33orfd)rift bei § 1164 
unterteilten) galt, bafj ber £> 9 potheffd)ulbner unb urfprüng» 


Digitized by Google 



A. in Gtöilfadjen. 


293 


liehe Eigentümer bei ^pottjefbetafteten ©runbftücfl gegen» 
über einem feiner 93efihnad)folger einen Stnfprud) barauf ge» 
habt ^abe, bafj biefer an feiner ©teile ben ^ippottjef» 
gläubiger befriebige, mürbe bie SSerle^ung biefer Sefriebi» 
gunglpflid)t bem pflid)troibrig Ijanbelnben ©runbftiicfleigen» 
tümer ober feinem 9iecht!nad)folger bei 2lnmenbung bei 
©runbfatje! bei § 1163 2Ibf. 1 ©at) 2 bei 93©33. ja noch 
einen Vorteil bringen. Für 23ermeibung biefel unbilligen 
©rgebniffe! erfdjeine el erforbertict) , „baff bie burd) bie 
Seiftung bei perfönlidjen §ppot^cffd)ulbnerl frei geroorbene 
^ppottjef bem ©ct)ulbner jur Sicherung feine! ©rfat)» 
anfprucf)! sufatle". — |)ierau! erhellt, bafj nach ber 2lb= 
fidjt ber gefetjgebenben FaRoren, bie auch in bem üßortlaut 
bei 1. ©atje! bei § 1164 t)inreid)enben 2lu!brucf gefunben 
bat, ber ermähnte ©rfatjanfpruch bei ©d)ulbnevl all bie» 
jenige F°rberung angefetjen roerben füllte, für melche ba! 
belüftete ©runbftütf nunmehr jugunften bei neuen -£jppo< 
ttjefgläubigerl gemäjj § 1113 93©S8. ju tjaften habe. 2luf 
biefe nunmehr bie ©runblage ber |jt)pothef bei urfprüng» 
liehen ©d)utbner! bilbenbe Jorberung ift aber offenbar bal 
afjefforifdje 9ted)t, roelchel burd) bie Unterroerfung bei ©dhulb» 
nerl unter bie fofortige Froanglootlftrecfung ju ©unften ber 
urfprünglid) beftehenben, jetjt aber erlofchenen gorberung bei 
.£>ppotf)elgläubiger! begrünbet mürbe, nicht übergegangen. 

2lu! allem 2lulgefüt)rten ergibt fich, bafj ber SU. mit 
9ied)t ben Slulfprud) ber Unjuläffigfeit ber 
ftreefung au! ber bem 33eR. ju Unrecht erteilten 93oltftredung!* 
Raufet begehrt. Siefer Slulfprud) ift aber nicht in bie Form 
eine! Feftftellunglurteitl ju Reiben, vielmehr ift — ber 
Formulierung bei § 775 Fiff. 1 ber ©jßD. entfpredjenb — 
bie FroanglooEftrecfung aul ber erteilten SUaufel für un-- 
juläffig ju erRären '). 

Urt. bei III. ©.©. oom 5. 9Ioo. 1907 i. ©. Funginger 

gegen ©peifer. 


*) 58fll. ®aitpp»®tein ©SßD. § 768 ju Dir. 3. 


Digitized by Google 



294 


©ntfdjeibnngen btis DberlanbeSgeridjtS. 


37. 

Jur länslegung bes § 93 €$©. 
hierüber ift in ben 

§vünbcn 

einei SerufungSurteitS gefagt : 

Sie erhobene Berufung ift nad) § 99 Stbf. 2 @$0. jw 
läffig. Sie erfdjeint and), otjne baff e§ einer weiteren 93e= 
weiSaufnafyme bebarf, at§ begrünbet. 

Sie $eft. beftreitet ihre 93erpftid)tung jur Koftentragung 
unter Berufung anf bie 93eftimmung be§ § 93 ß>fSO. 

$Bon ben gefetpidjen StorauSfet^ungen, unter nietdien 
biefer § auSnafymSweife — unter Stbweicfyung non ber 
attgemeinen Siegel be§ § 91 GißO. — eine SSerurteitung bei 
mit feinem Slnfprud) burd)bringenben $t§. in bie Äoften be§ 
9ted)tSftreit§ jutäfjt, liegt nun unbeftrittenennafjen uttb um 
beftreitbar jebenfalls b i e cor, bap bie Seit, ben con ber 
Klin. erhobenen Stnfprud) „fofort" b. t). atSbalb bei ber 
erften, jur Sadje ftattfinbenben münblidjen 93erf)anbtung, 
nämtid) bei ber SSertjanblung com 22. Sejember 1906 a m 
e r f a n n t t»at. SltterbingS waren cor biefer S3ert)anblung 
cont 22. Sejember 1906, wie bie Sitten ergeben, in ber 
Sactje bereits mehrere Sermine angeftanben, ot>ne bag in 
benfetben, ein — bie Sfeft. projeffual binbenbei — 2tner= 
fenntnii (weldjeS gemäfj § 160 Stbf. 2 3<ff- 1 @ißO. t)ätte 
ju s }kotofoll feftgefteltt werben müffen) abgelegt worben wäre. 
Sas tiinbert aber nidjt, ba§ — erft über ein tjalbci ^aljr 
nad) ber 5?tagert)ebung abgelegte — SInertenntnii cont 
22. Sejember 1906 nod) at§ ein „fofortigei" im Sinn bes 
©efetjei gelten ju taffen, ba nad) $nt)alt ber cortiegenben 
ijirotofotte in ben bein Termin com 22. Sejember 1906 
corausgetienben Serminen com 23. Quni, 20. Oftober unb 
24. Stocember 1906 je nur über ben Stntrag auf ©eftiiw 
mung eines anbern SerminS certjanbelt worben war unb 
ba in 9tecf)t§lef)re unb 9ted)tfpred)ung (jur 3eit wenigftenS) 


Digitized by Google 



A. in Giuil|acf)cii. 


295 


©inoerftäubniS barüber befteht, baff baS in § 93 ß>}30. er* 
roähnte 2lnerfenntniS, um bem ©efetj ju genügen, nid)t 
früher abgelegt ju «»erben braud)t, als bis ber Stl. feiner* 
feitS gemäft § 137 2lbf. 1 b. S^O. burd) (Stellung feines 
SllagantragS bie Berhanblungen jur (Sache eingeleitet bat. 
2lbgefef)en t)ierr»on ift non ber Silin, felbft im BerufungS* 
oerfabren eingeräumt morben, baff ber Befl. fd)on im erften, 
auf bie Silage anberaumten Termin ooni 23. Quni 1906 — 
menn aud) itid)t in ber ff-orm eines eigentlichen 2lnerfennt* 
niffeS — il)re Söereitfdjaft, beit erhobenen Sllaganfprud) ohne 
gerid)tlid)C @ntfd)eibuug ju bcfriebigen, fuubgegebeu hotte. 

©er Slnfprud) auf bie in § 93 norgefehene 

Berurteilung ber Sllagpartei in bie Sloften beS $Red)tSftreitS 
ftiinbe ber Befln. aber nur ju, menn aud) bie jmeite, in 
bem § beftimmte BorauSfctjung juträfe, baff fte (bie Befl.) 
feine Beranlaffung jur Stlagerbebung gegeben hotte. 

©S fann feine Siebe baoon fein, baff ber Befln. bie 
BeroeiSlaft für bie n e g a t i o e ©atfadje, baff fie fei n e 
Beranlaffung gur Sllagerhebung gegeben höbe, obliege. 2öie 
bie Begrünbung beS ©efe^e§ l ) auSbrücflid) hetoorljebt, ift 
es »ielmehr Obliegenheit beS SllrS. (hier ber Silin.), falls 
ber bcff. ©eil fid) auf ben § 93 ©BO. beruft, feinerfeitS 
bie tatfäd)lid)en Behauptungen aufjuftellen (unb erforber* 
©ebenfalls ju bemeifen), auS beuen fid) ergeben foll, baft 
ihm burd) baS Verhalten beS Befln. Beranlaffung jur Sllag* 
erhebung gegeben morben fei 3 ). 

(Um biefe Bel)auptungS= unb BemeiSpfticbt beS SllS. 
jum SlitSbrucf gu bringen, hätte ber § allerbingS mohl rief)* 
tiger umgefef)rt gefaxt merben füllen: „SBenn ber Befl. ben 
Slnfprud) fofort anerfennt, fo falten bem Sllr. bie B V0 5 e & 4 
foften jur Saft, falls nicfjt ber Befl. burch fein Bertolten 
jur Sllagerhebung Beranlaffung gegeben hot" ober „eS märe 


') 113/114 Jpnbu 9)lntevialien »3b. 1. ©. 199. 

! ) SBflI. and) 9t t i n cf e G'flO. § 93 »Bem. I a. G. imb 9)1 e 1 ) e r in 
»nfdj’s 3eit|d)i\ f. btfd). GB- öb. 7 @. 293 oben. 

^abrbilAtr btt SBilrttcmb. SHec^t«pP«fle. XX. 8 21 


Digitized by Google 



296 (SntfcfKibungtn beS Dberlanbelgeridjtl. 

beim, bafj ber Söeft. jur Ktagertjebung ©erantaffung ge-- 
gebett tjat"). 

Sür bie Stage aber, ob ber Ktr. uot Gcrlangung bei 
ptojeffualen Knerfenntniffel bei Söefln. ©erantaffung gut 
Ktagertjebung tjatte, fann nid)t, wie früfjet oon einem Seil 
ber Kommentatoren, namentlich oon ©aupp, angenommen 
mürbe, lebigtid) auf bie ber Ktagjuftetlung ooraulgetjenbe 
$eit ©ewidjt gelegt werben. ©I mufj oietmetjr, fott tüd)t bie 
©efetjelanmenbung ju gaitj unbefriebigenben, ©cfjifanen bei 
©efln. bcgünftigenben ©rgebniffett führen, bie in S ra 3 e 
ftetjenbe ©efetjelbeftimmung — mal mit ifjrent SBortlaut 
burcfjaul nidjt unoereinbar ift — batjin aulgetegt werben, 
baf?, fobatb ein ben ©efl. projeffuat binbenbel „fofortigel 
3lnerfenntnil‘‘ i. S. bei § 93 ©©O. oorliegt, unter ©erüd= 
fid)tigung bei gefamten, auch bei matjrenb bei ©ro* 
jeffel beobad)teten ©ertjattenl bei ©efln. weiter nod) geprüft 
werben fott, ob ber ©eft., efje er bern Ktaganfprud) burd) 
fein 3tnerfenntnil aulbrücfticf) ftattgab, bem Ktr. nidf)t etwa 
©ruub ju ber 3(nnaf)me gegeben tjabe, bafi er otjne gerid)t= 
Iid)e Jpitfe nict»t ju feiner ©efriebigung gelangen werbe, fo 
baff ber Ktr., fofern er nidjt bereitl Klage erhoben gehabt, 
bod) nacfjträgtid; ttorf) jur Klagertjebung oeranlajjt gewefen 
wäre 1 ). 

Urt. bei III. ©.©. ooni 1. Oft. 1907 i. ®. Sieber 

gegen Sraub. 

') Sgl. in biefem Sinn jept © a n p p (£510. 8./9. Stuft. § 93 nadi 
Kr. 27; Sßeterfen § 93 ju Kr. 10; Seuffert ©SD. § 93 

58cm. 1; auef) bie uoit © e r t cid) in Sofcb’4 Beitfdjr. f. btfdj. 658- Sb. 20 
S. 155 girierten non © e r l a d) atlerbingl unter Serufuug auf bie 
frühere 2tnfid)t © a u p p’S befämpften Sd)riftfteHer (2Ö a dy unb 
28 i Im o tu 3 f p * 8e u i); ferner 28iirtt3. S8b. 16 ©.313, Kedpfpr. 
b. 08®. Sb. 5 S. 40, Sb. 9 S. 64 unter Kr. 6 lifr. g. 


Digitized by Google 



297 


B. $ n S t r a f f a d) e n. 

7. 

$0ns gfljört ?itr Cöültitjhi’it einer JInijbharie? 

2(uS ben ©riinben: 

2)er Slngeflagte ift «Jpoljfjänbler unb rool)nt in 5- Ober» 
amt 2lm 30. Sbpril 1907 »erlangte unb erhielt er ooti 
bern Oberamt ft. eine ^agbtarte für bie 3?»! oom 1. Slpril 
1907 bis 31. SJtärj 1908, bie entfprecbenb feinem ntüub» 
tiefjen Vorbringen für „Start Scbntibt, j5°rftget)ilfe, roobn» 
baft in Sdj." ausgeftellt mar. $e»t Oberamt ft. machte er 
hiebei abfidftlid) über feinen 'Beruf unb feinen ÜBobnort 
falfdje Eingaben, um 9fad)forfcbungen über feine s |>erfönlid)» 
feit ju oerbinbern; aud) manbte er fief) an biefe Bebörbe 
unb nicht an baS in erfter Sinie für SluSfteUung einer 3agb» 
farte bejügtid) feiner Sßerfon juftänbige Oberamt (Ü., roeil 
er annabm, bafs er oott bem lederen mit 'Jiücffidft auf feine 
Borftrafen eine Qagbfarte nidjt erbalten hätte. 3m Befijfe 
biefer 3agbfarte, bie er bei ficb trug, jagte ber Slngeflagte 
anfangs 3uni b. 3. im ^agbgebiet feines BruberS g. 8. 
auf SRarfung B. Oberamt @. $ie Borftrafen beS Singe» 
flagten, auf bie baS angefodjtene Urteil Bejug nimmt, be» 
flehen, mie auS ben Siften bei'uorgebt, in je einmaliger Be* 
ftrafung megen fforftbiebftablS, 3agboergebenS, unbefugten 
SragenS einer Uniform, QagenS am Sonntag unb unbe» 
fugten Betretens eines ftemben 3agbgebteteS foroie jmei* 
maliger Beftrafung megen Beleibtgung. 

®aS Straffammerurteil bat eine Uebertretung beS Sin» 

21 * 


Digitized by Google 



298 


®ntfc()eibmi8en bcS O&erlanbcggcvicfitS. 


geflagten gegen 2lrt. 17 Q. 1 be§ Qagbgefetyei vom 27. Cf= 
tobet 1855 in Verbinbung mit 9lrt. 39 3 - 1 Slbf. 1 u. 3 
be§ IßotijeiftrafgefeheS angenommen, foferne bet Slngeflagte 
bie 3agb au§geiibt habe, ohne eine .^agbfarte gelöft ju 
haben. 

'Jiie SReoifton behauptet unrichtige 2lnroenbung be§ 
2lrt. 17 3- 1 be3 3agbgefehe§, ba bet Slngeflagte eine 3agb-- 
farte gelöft habe, unb beantragt unter Aufhebung be§ ©traf* 
fammerurteile§ ben 2lngeflagten freijufpredjen. 

®ie ©traffammer bat auSgefüljrt : 35er Slngeflagte habe 
firf) burch irreführenbe Angaben über feine Sßetfon bie 3agb= 
farte bei bem Oberamt g. erfd)lid)en, eine folrfje Qagbfarte 
fei aber feine im ©inne be§ 2lrt. 17 3 - 1 be§ ^agbgefe^e#; 
biefeS ©efeh f^reibe au§ polijeilidfen ©riinben unb im 
Qntereffe einer georbneten QagbauSübung ber bie Qagbfarte 
au§fteUenben Veljörbe eine Prüfung ber $ßerfönlicf)feit be» 
um bie Verleihung 9fad)fud)enben in ber Dichtung nor, ob 
nid)t Vebenfen gentäfj 2lrt. 8 unb 9 be3 3agbgefet>e§ gegen 
bie Verleihung beftehen, jur ®rreid)ung biefe§ gefe^licfjert 
3mecfe§ fei aber erforberlicf), baf? biefe Veljörbe in bie Sage 
gefegt merbe, ju beurteilen, ob fein gefet}lid)e§ ^inbernii 
ber 2lu§ftellung ber Qagbfarte entgegenftehe, unb baju ge- 
höre oor allem, baff fie über bie ißerfon be§ ©efuchftellers 
im Klaren fei; barau§ ergebe fich, baf} irreführenbe Hingaben 
be§ ©efuchftellers über feine *ßerfon bem ©efetje roiberftreiten 
unb geeignet feien, eine auf foldjer ©runblage auSgeftellte 
3agbfarte ungültig ju machen, unb baf} bie 3agbau§übung 
mit einer foldjeu Karte ebenfo unjuläffig fei mie etroa mit 
einer oon einer au§länbifd)en Vehörbe au§gefteüten ober 
einer oerjährten, mit anbem Söorten, baf} nur berjenige jur 
Slulübung ber ^agb berechtigt fei, ber eine gültige 3agb- 
farte gelöft habe. 

liefen SluSführungen, bie roeber in bem SBortlaut ber 
in §rage fommenben Veftimmungen be§ 3agbgefet>e§ nodt 
in beffen ©ntftet)ung8gefd)ichte noch > n allgemeinen 9Jecht§» 
grnnbfähen eine Vegrünbung finben fönnen, nerntag nicht 


Digitized by Google 



B. in <2troffad)en. 


299 


beigetreten ju roerben. 

3lad) 2lrt. 17 $. 1 bei $agbgefetsel in SSerbinbung 
mit 2lrt. 7 baf. unterliegt ber ©eftrafung, roer bie $agb 
aulübt, otjne für feine ißerfon für bal taufenbe ©tatljafjr 
eine ^agbfarte gelöft ju tjaben. $er Slngeflagte bat am 
30. Slpril b. auf betn Oberamt 5- eine Qagbfarte ge* 

löft; er t)at fjiebei jt»ar feinen ©eruf unb feinen SEBo^nort 
unrichtig angegeben, bie ifjm aulgeftellte Starte ift aber 
trotjbem eine uon iljm für feine ißerfon gelöfte $agbfarte. 

$n 2Irt. 8 bei ^yagbgefe^eö ift beftimmt, in roeldjen 
fällen bie 2lulftellung »on Qagbfartcn »erroeigert merben 
muf. $n ber s fkrfon bei älngeflagten lag ein foldjer 
(jroingenber) ©erroeigerunglgrunb nicfjt »or; er ift jroar 
roegen $agb»ergebenl einmal beftraft, ber genannte 2lrt. in 
©erbinbung mit 3lrt. 3 bei ©efetjel »om 1. £$uni 1853 
fetjt aber ©eftrafung roegen roiebertjolten Qagbfre»ell »oraul 
unb bie ©eftrafung bei 2lngeflagten roegen Qagbübertre* 
tungen fommt nicht in ©etracbt, ba fie eine ©eftrafung roegen 
3agbfre»ell im Sinne bei ©efetjel »om 1. Qutti 1853 nicf)t 
barftellt. $er 2lrt. 9 bei Qagbgefetjel jäfjlt bie ©rünbe 
auf, aul benen bie 2lulfteüung einer ^agbfarte »erroeigert 
roerben f a n n ; in ber v B er f ün Slngetlagten roar ein 
foldjer ©erroeigerunglgrunb boppelt gegeben, ba er forool)t 
roegen Qagbüergebenl als roegen ^orftbtebftafjlg, alfo roie 
2lrt. 9 3- 2 d erlangt, roegen $agb* ober ^oljfreuell be* 
ftraft roorben ift. 5)er 2lrt. 10 bei ^agbgefebel enthält 
fobann bie ©orfdjrift, bafj bie ©rteilung »on Qagbfarten 
burd) bal Oberamt unb jroar bei Qnlänbern in ber lieget 
burd) bal Oberamt bei SBobnortl bei ©ittftellerl ju ge= 
fcfjefjen fjabe. 9iad) biefen ©eftimmungen roäre roobt ber 
2lngeflagte, roenn er bem Oberamt $. feinen SBoljnort richtig 
angegeben f)ätte, mit feinem ©efudje um ©rteilung einer 
Qagbfarte an bal Oberamt ©. »erroiefen roorben — ju 
ogl. Slmtlblatt bei Sftinifteriuml bei Innern »on 1904 
S. 510 — unb el batte if>nt mit 9iiidfid)t auf feine ©or= 
ftrafen bie 2tulffellung einer Qagbfarte überhaupt »erroeigert 


Digitized by Google 



300 


@ntfrf|cibmiflcit b e$ DbevImibe8ßend)tS. 


roerben fönnen. Slotroenbig n>ar aber roeber bas eine noch 
baS anbere. 35as Dberaint tjätte oielmelir bem 2lnge= 
flagten eine Qagbfarte auSftellen fönnen, aucf) roenn e§ 
feinen äßotjnort unb feine SJorftrafen gefannf hätte. ®ie in 
grage ftef)enbe $agbfarte ift l)i e » a( h bem Slngeflagten non 
bem Oberamt g. in gefe^lic^ jutäffiger SBeife innerhalb ber 
3uftänbigfeit biefer SBehörbe erteilt roorben. (5§ liegt alfo 
eine gültige Qagbfarte »or unb hieran roirb nichts geänbert, 
mag nun ba§ Oberamt %. unter 9Ud)tbead)tung ber ihm 
obliegenben ißrüfung§pflid)t bie Qagbfarte erteilt ober mag 
ber Slngeflagte bie genannte 23el)örbe burch irreführenbe 2ln- 
gaben jur SluSftetlung ber ^agbfarte oeranlafit hohen. $ie 
Sinnahme ber Straffammer, bie oon bem Slngeflagten er* 
fd)lid)ene Qagbfarte fei feine gültige Qagbfarte im Sinne 
beS Slrt. 17 3 - 1 be§ ^agbgcfe^eS, erfdfeint hienacf) als 
eine irrige. 

Sine inbirefte '-Betätigung finbet bie§ im ^agbgefehe 
felbft. “Der Slrt. 11 bafelbft beftimmt, bah eine Sagbfarte 
ohne SRücferftattung ber Sportel eingejogen merben müffe 
ober fönne, roenn nad) ber SluSftellung gegen ben Inhaber 
berfelben einer ber in 2lrt. 8 unb 9 ausgeführten ©rünbe 
eintrete; eine 23eftinimung barüber ift aber im 3agbgefet)e 
nicht enthalten, menn ein 5Bermeigerung§grunb nad) Slrt. 8 
ober 9 baf. fd)on pr 3^it ber SluSftetlung ber ^agbfarte 
oorlag, uon ber ausfteüenöen ©ehörbe aber nid)t gefannt 
ober nid)t beachtet roorben ift. Slus bem ^ef)len einer hierauf 
bejüglid)en 23eftimmung muff roohl ber Schluff gesogen roer« 
ben, bah in einem foldjen fyalle bie 3urücfnahtne ber 3agb> 
farte gefetjlid) nicfjt ptäffig ift, bie $agbfarte oietmehr, unb 
jroar aud) beim 23orhanbenfein eines jroingenben 23erroeige> 
rungSgrunbes, erft mit Slblauf be§ @tatSjal)reS ihre ©iiltig* 
feit uerliert. 

23gl, 23ofd)er 3 c itfd)r. 23b. 45 S. 181. 

3)em 2luSgefül)vten pfolge roar baS angefodjtene Ur» 
teil, baS auf unrid)tiger Slnroenbung bei 3lrt. 17 3-1 bes 
QagbgefeheS beruht, aufpljeben; jugleid) roar nad) § 394 


Digitized by Google 



B. iu ©trflfiadjeit. 


301 


2lbf. 1 ©t$0. auf Qreifprecfeuna bei 9(ngeflagten unb lieber* 
nafeme ber Höften aller Qnftanjen auf bie St. ©taatlfaffe ju 
erfennen. 

Urt. bei ©traffenat! o. 11. ®ej. 1907 gegen St. ©d). 

in roegen Uebertretung bei Qagbgefefeel. 

8 . 

JUann iibt ber |3nubagi|t iirjtlidje geilhnnbr mts? 

$Uns ißt unter lefetmr ?n uerfteljen? 

2Iu! ben ©rünben : 

®er in ©. roofenfeafte Slngeflagte gibt fid) all SJanbagift 
bort unter anberem mit ber .öerftellung unb beni Verlauf 
oon SBrucfebänbern ab, er befifet aufeerfealb feinel SBofenortl 
feine geroerblicfee SJtieberlaffung, and) feinen 3öanbergeroerbe= 
fcfeein unb ift jur 3luliibung ber ßeilfunbe nidjt approbiert. 
Qm SOtärj 1907 erliefe er in ber Ölleitung folgenbe 9ln= 
jeige: „Qür ®rucfeleibenbe. ©idtjere ^ilfe. ©röfeter ©d)Ufe. 
®fcelfior=©pejiat= s Qrud)bänber unb 93rucfetragbeutel. ©rfolg* 
rekfefte 33efeanbtung felbft ber fd)toerften 93riicfee" — folgt 
bie Siamenlunterfcferift bei Slngeflagten mit Eingabe bei 
3Bofenort! unb bem 5>ermerf, bafe er am 19. SJtärj 1 0‘/ 2 
bil 12 Ufer in ©d). im £nrfd)en, 2—4 Ufer in £. im ©oft- 
feof jum Safenfeof für feine bilfeerigen Hunben toieber ju 
fpredjen fein raerbe. 9ln biefem Sage fam er tiad) £., be= 
fudjte bort sunäd)ft einen Hutiben, unterfucfete beffen 33 rud) 
unb gab ifent bann ben 9f at, fein Sörucfebanb mefer ju tragen ; 
in ber 53afenfeofroirtfd)aft, roofein er fid) feiner öffentlidjen 
Slnfunbigung entfpred)enb feernad) begab, rourbe er oon bem 
mit einem 33rucfeleiben bcfeafteten Qeugen H., ber ein oon 
anberer ©eite bezogene! 33rudfebanb trug, in ber Hoffnung 
aufgefuefet, bafe ifettt ber Slngefl. ein geeignetere! 33rucfebanb 
liefern fönne. Siefer befid)tigte nun ba! 33rud)banb bei 
3eugen unb orientierte fiefe über bie 33efd)affenfeeit feine! 
Srucfeel, roelcfeen er als ein ÜDtittelbing jroifd)en Seiftenbrucfe 
unb ©cfeenfelbrud) erfannt feabeit roill; er erflärte bem beugen, 


Digitized by Google 



302 


(Sntfdjdbuiigeii bei Dberlaiibclgeric()t3. 


et müffe ein aitbereS Brucßbanb fjaben, baS bie Brudjpforte 
oerfdjließe unb naßm fobann baS Biaß ju bent uont beugen 
befteUten Brucßbanb ; bie Beftetlung würbe jebod) wieber 
jurüefgenommen als ein Schuhmann gegen beit Slngeflagten 
einfdjritt; eine Besaßlung für bie Beratung würbe weber 
geleiftet noef) geforbert. Brucßbänber hat ber 2lngeflagte 
auf feiner ©efcßäftSreife ,nid)t mit fiel; geführt, fonbent nur 
einige Grfaßteile für fotdje, aud) hat er babei feine Bruch» 
bänber feitgeboten. 

2)aS ^Berufungsgericht hat in ber feftgefteUten Jätig» 
feit beS Sfngeffagten bie bewußt gewerbsmäßige SluSübung 
ber ^eilbeßanblung ooti Brucßleibenben unb bamit bie 2lus= 
Übung ber .fpeilfunbe gefefjen unb beSßalb auf ©runb ber 
oben erwähnten ©efeßeSbeftimmungen mit ber gteidjjeitigen 
weiteren Seftftellung, baß bie jur Stburteitung fteßenbe $anb» 
lung feine ^uwiberßanblung gegen ein Steuergefeß enthalte, 
auf Strafe erfannt. 3>ie ßiegegen eingelegte Beoifion beS 
■Jlngeflagten behauptet in erfter Siitie eine irrtümliche s 2luS= 
legung unb Stnwenbung ber in Betracht fommenben Bor» 
fdjriften ber ©ewerbeorbmittg, jurnal eine Berfennung beS 
Begriffs Ausübung ber |jeilfunbe. 2)iefe Büge ift jeboch 
nicht begrünbet. 

®er § 56 a 3iff. 1 ber ©ew.O., eingeführt burch bie 
Booelle oom 1. ^uli 1883, unterfagt bie SluSübung ber 
^Öeilfunbe mittels ©ewerbebetriebS im Umßerjiehen, in wel» 
eher Slrt, in welchem Umfang unb unter welchem Sitel immer 
fie betrieben wirb, allen benjenigen s ^erfonen, wetd)e für bie 
.fpeilfunbe nicht approbiert fiitb unb ju biefen ^erfonen ge» 
hört unftreitig ber Slngeflagte. Unter Ausübung ber 
$> e i l f u n b e ift bie eine befonbere ärjtlidje 5ad)feuntniS 
uorauSfeßenbe Stätigfeit ju oerftehen, weldje auf bie Reifung 
unb Sinberung non Sh'anfßeiten bei Bienfdjen ober Sieren 
gleidjgiiltig ob feitenS eines ftubierten 3lrjteS ober eines fog. 
Ä'urpfufdjerS geridjtet ift; hierunter fallen aud) biejenigen 
.Jpanblungen, weld)e bie Teilung unb fiinberung ber Sfranf» 
heilen oorbereiten füllen, wie bie förperlicße llnterfudjuug 


Digitized by Google 



B. iit Stvnfiacfjeii. 


303 


öe§ Fronten unb bie fjeftfteüung ob unb roeldje Sranft)eit 
oorüegt (®iagnofe), mie anberfeit§, ba bie Aufgabe be§ Arjt3 
nid)t blofj in Sefeitigung fonbern aud) in ber 5JJilberung 
ber oorfjanbenen Seiben unb Scfpnerjen beftef/t, bie Seftim* 
inung beffeti, ioa§ jur Teilung ober Sinberung foroie aud) 
jur 58erf)ütung bet Serfdjlimmerung oon fokfjen geeignet ift, 
jene Aufgabe mit umfaßt. Anberfeitö fdjeibet biejenige 
iätigfcit au§, metdje anläjjlid) ber ärjttidjen Ausübung bet 
.jpeilfunbe bei bet ftranfenbebanbtung oon fog. |jeilget)ilfen 
unb ftranfenpftegerinnen oorgenommeu ju roetben pflegt unb 
welche, menn fie aud) gemiffe befonbere ßenntniffe unb ted)= 
nifcfje ^ertigfeiten oorausfeljt, bod) mefjr untergeorbneter 
unb tjanbroerfämäftiger Statur ift. ®ie ©renje jroifdjen 
beiben Jätigfeiten genau feftjuftetlen, fann im ©injelfaü 
fdpoierig unb nicfjt otjne weiteres für jebermamt gegeben 
fein; bie ©ntfcfjeibung bet grage erforbett eine eingefjenbe 
Prüfung unb ^eftftellung , roetdje Sätigfeit im einjelnen 
gegenüber einer tränten ober ()ilfefud)enben ißerfoit entmicfelt 
mürbe unb wa3 a(3 bie 3Bilten§rid)tung auf beiben Seiten 
ju erfennen ift. @3 merbeti babei ber Stanb ber ärjt(id)eu 
Sßiffenfdjaft, bie Scfpoierigfeit unb Sebeutung ber fpejieüen 
Jätigfeit fomie bie ntebr ober roeniger roiffenfdjaftlidjen 
Heuntniffe, roelrijc bie fadjgemäjje Sornabme berfelben be* 
bingt unb roofjl aud) bie etfafyrungSgemäjje Anfdjauung unb 
Uebung im täglichen Seben mit in Setracfjt ju jietjen fein. 
93g(. bie Serfibt. be3 9teid)3tag3 1882/3 Ant. 9tr. 5, 206, 
Srot. Sb. III S. 1704 bi3 1803, Sb. IV 2680/81 ; 
St eng lein, 9tebengefet)e, 9toten ju § 56a ©eto.D.; 
S d) i cf e r baf. 9tote 2 ; Sanbmann baf. 91. 3, ju § 6 
©eto.O. 9f ote 14. 

9tnbe(angeub bie fjier in 5 ra Ö e ftefjenbe Zeitig feit 
be3 S anbagifte it, fo fann bet iHeoifion unbebenflid) ju* 
gegeben merben, baf) bet Sanbagift at3 /panbioerfer anjufetjen 
ift unb bafj bie Anfertigung roie aud) ber Serfauf oon 
Srucf)bänbern — ba3 tyeilbieten oon Srudjbcinbem im Um* 
berjietjen ift burd) bie 9tooe(le oom 30. Quui 1900 in § 56 


Digitized by Google 



304 


(Siitfdjeibimgtu be« Dberlunbebflerict)t3. 


$iff. 9 ©ew.0. oerboten — , ebenfo auct) baS bloße 9lw 
meffen unb Slnpaffen be§ ©rud)banbeS, n>eit bieS nur eine 
untergeorbnete, rneßr tnecßaitifcße unb ßaubwerfsmäßige $ätig-- 
feit oorauSfeßt, nid)t unter ben begriff SluSübung ber fcieil* 
funbe fällt. 11m nun ein ©rud)banb rtdjtig unb jmecfmäßig 
anmeffen unb anpaffen ju fönnett, ift gattj naturgemäß nicßt 
bloß ein Steffen beS ÄörperumfangeS fonbcrn aucf) eine ört* 
ließe ©eßdjtigung unb eine Unterfucßung beS ©rucßeS naeß 
feiner Sage unb ©eftaltung erforberlicß; bieS füßrt folge* 
ridjtig ju ber weiteren Slnnaßme, baß infomeit ber ©anbagift 
fid) auf eben biefc Sätigfeit befeßränft, biefe aueß nießt als 
2lu§übung ber fteilfunbe auf juf affen ift. 38enn unb fomeit 
er aber bar über ßinauSgeßt unb eine llnterfucßung ba< 
ßin oornimmt, ob ber Patient an einem ©rueß ober an einer 
anberen ftranfßeitSform j. ©. einer ©efcßwulft leibet, ob 
iiberßaupt ein ©rueß oorßanben ift ober nid)t, unb roelcßer befon= 
beren 31 rt berfelbe ift, ferner ob iiberßaupt ein ©rudjbanb ju 
tragen oöer nod) weiter ju gebraueßen ift unb enblid), welcße 
befonbere Slrt oon ©rueßbanb jur Sinbcrung ber ©eßmerjen 
unb jur ©erßütung einer ©erfeßlimmetung beS Seihend ge= 
eignet ift, bann fällt feine Jätigfeit begriff§gemäß fowie 
aud) naeß bent auSgefprodjeiteu gweef beS ©efeßeS in ba§ 
©ebiet ber |)eilfunbe. 2)enn bie förpertieße Unterfuißung 
eine# ,£>ilfefucßenben in einer biefer Diidjtungen, bie auf 
©runb foldjer Unterfudjung erfolgenbe SHatSerteilung unb 
©eftimmung über baS ©orßanbenfeiit eines ©rucßeS unb bie 
Strt ber ju tragenben ©rudjbanbage ift jweifelloS Sacße beS 
SlrjteS unb greift über baS beni ©anbagiften jufommenbe 
ßanbwcrtStnäßige, nur eine Unterfucßung beS ©rucßeS nad) 
Sage unb ©eftaltung erforbentbe med)anifcße 3lnmeffen unb 
3lnpaffen beS ©rud)banbeS ßinauS. ®ieS ift in ben 2Jlotioen 
jur ©ewerbeorbttungSnooelle oom 30. $uni 1900 ju 3iff. 9 
beS § 56, welcßen im SlommiffionSberidjt fowie in ber 
Dieid)StagSuerßanblung oßtte jeben SBiberfprud) beigepfließtet 
würbe, unjweibeutig auSgefprod)en worben. ’&afclbft ift 
auSgefüßrt: „$er ©ert'auf oon ©rueßbänbern im Umßerjießcn 


Digitized by Google 



B. in ©traffadjen. 


305 


mürbe bann unbebenflid) fein, menn bet Sanbagtft fie nad) 
Anleitung unb SQBeifung be§ 2trjtes oerabreid)te, ba§ an 
einen unthersiehenben Sanbagiften fid) roenbenbe ißubtifum tue 
bie§ jebod) in ber Sieget ohne oorfjerigen Beirat eine§ 
2lrjte§ unb ermatte oon bem Sanbagiften menn nid)t bie 
£yeftftellung be§ Srucf)e§, fo bod) bie Seftimmung be§ ge* 
eigneten Srud)banbe§ unb Belehrung übet Slnlegen unb 
fragen beweiben; berartige SJiafjnahmen greifen 
aber in ba£ ©ebiet bet 4peitfunbe hinüber, melcf)e 
nad) § 56 a 3- 1 oon ißerfonen, roetdje für biefelbe nicht 
approbiert ftnb, nid)t au§geübt roetben biirfe" ; 9Sert). Sieid)3t. 
1898/1900 2Inl. Sb. II Sir. 165 ©. 1239, 2lnl. Sb. IIT 
Sir. 393 ©. 2472, ißrot. Sb. II ©. 1851—1909, Sb. IV 
©. 2976. 

$n bem au§gefüt)rten ©intte ift nun aber aucf) bie 
angefochtene ©ntfdjeibung ergangen unb begrünbet. ®a§ 
Serufung§gerid)t hat au§gefüt)rt : ®er Slngefl. habe Sruch* 
teibenbe aufgefudjt unb beraten; roenn ber Sanbagift auf 
©runb feiner Unterfudhung be§ Srudjö in burd)au§ felb* 
ftänbiger SBeife firf) barüber fd)lüffig mache, ob überhaupt 
ein Srudjbanb unb bejahenbenfall§ roetdje Slrt oon Sruch* 
bänbern im ©injelfall anjuroenben ober roeiter jn gebrauchen 
unb ob überhaupt ein Srud)banb meiter ju tragen ift, um 
bem Patienten fein Seiben ju erleidjtern ober ihn möglicher* 
roeife ganj baoon ju befreien, fo beftehe fein ßroeifel, bafj 
ber Sanbagift fich auf ben ©tanbpunft be$ 2lrjte§ fteüe unb 
in Sejiehung auf bie oon ihm beratenen Srudjleibenben 
beroufjtermafjen bie ^eitfunbe auSübe; eben bie§ habe ber 
Slngeflagte im |yaü $. foioie gegenüber bem juoor in S. 
befudjten ungenannten Äunben betätigt, ^n biefeit 9lu§* 
fiihrungen ift eine red)t§irrtümlid)e Slnroenbung bc§ ©efe^eS 
nirgenb§ erfid)t(id) unb ma§ ber 2tngef'lagte in feiner Sie* 
oifionäbegrünbung bagegen einioenbet, beruht teils auf nicht 
oerftanbener SluSlegung gefet}licber Seftimmungen, teils liegt 
cS auf bem bem SteoifionSangriff entjogenen ©ebiet ber 
SeroeiSroürbigung unb rein tatfäd)tid)eu Seftftellung. ®ie 


Digitized by Google 



306 


(Siitfdjeibimgcu bcä £>berlaube$(jevicf)t$. 


etwaige SJteinung beS Angeflagten aber, feine Sätigfeit falle 
nicf)t unter ben begriff ber Ausübung ber |)eilfunbe, wäre 
lebiglid) ein Irrtum über bie Auslegung unb Tragweite be§ 
©trafgefeßeS, auf ben fid) ber Angeklagte nach § 59 ©t@B. 
mit ©rfotg nidjt berufen fann. 

Verboten ift bie Ausübung ber |feilfunbe burd) nicfjt 
approbierte ißerfonen nur als ©ewerbebetrieb im Um* 
hersieh en. Auch bie in biefer Bicßtung oon ber Sieoifion 
oorgebracßte Bemängelung beS BerufungSurteilS geht fehl. 
Bad) § 55 ©ew.O. liegt ber ©ewerbebetrieb im Umhersießen 
bann oor, wenn bie Ausübung in eigener ißerfon außerhalb 
beS ©emeinbebesirfS beS SBoßnortS ober ber biefem gleich* 
geftellten näcßften Umgebung offne Begrünbung einer ge* 
werblichen y tieberlaffung unb ohne oorgängige Befteüung 
gewerbsmäßig, b. ß. in einer auf ©rwerb geridjteten fort* 
gefeßten Sätigf'eit gefd)ießt. demgemäß wirb bie auf Be* 
ftellung erfolgte Ausübung ber £>eilfunbe oon biefer ©e* 
feßeSbeftimmung nicht betroffen; als unbeftetlte Ausübung 
ift fie fpejiell aber in bem Jall anjufeßen, wenn ber herum* 
reifenbe ^peilfünftler bem ißublifum feinen oorübergeßenben 
Aufenthalt unb feine ©precßftunben in einem bestimmten 
Sofal öffentlich anfiinbigt, wie bei ber ©efeßeSberatung auS* 
brüdlid) heroorgeßoben würbe; uergl. Berß. BeicßSt. 1882/83 
Anl. 5, 206, ißrot. Bb. III ©. 1794, 1797, 2680. 2)ieS 
trifft nad) bem feftgeftellten ©acßoerßalt »orliegenb unbe- 
bentlicß 511 unb wenn ber Angeflagte geltenb mad)t, baß 
feine Annonce nicht für bie Allgemeinheit, fottbern nur für 
feine bisherigen Stunben beftimmt war unb nicht bie ©e= 
winnung neuer ft'unbeit bejwecfte, fo fämpft er gegen bie 
anberS lautenbe, auS feinem Berßalten in £. unb bem 3n* 
halt feiner Anfünbigung in ber ©l. Leitung entnommene tat* 
fäcßlkße geftftelluug beS BorricßterS, welche auf ißre Bicß* 
tigfeit in biefer ^nftanj nicßt nadjjuprüfen ift. ©inen 
9ted)t§irrtum läßt aber aud) bie bamit oertnüpfte weitere 
ffeftftellung nid)t erfettnen, ber Angeflagte ßabe wie auS ben 
beiben fällen oon £. unb bem $nßatt feiner Anfünbigung 


Digitized by Google 



B. in ©tvaffacben. 


307 


ßeroorgeßt, bie 23eßanblung uon 23rucßleibenben beroußter* 
maßen geroerbgmäßig auggeübt, infofern er ben Seibenben 
nid)t bloß bie Lieferung »on 93rucßbänbern, fonbern jugleicß 
eine erfolgreiche ©eßanblung ißreg 2 eiben§ juftcßerte, roomit 
er auf eine Steigerung beg Slbfaßeg feiner 93rucßbänber unb 
bamit auf bie Stärfung einer regelmäßigen ©rroerbgquelle 
hoffte. SBar bie Jätigf'eit in biefem Sinne ausgeübt, fo 
änbert ber Umftanb, baß ber 2lngeflagte in ben beiben 2. 
gälten eine ©ejaßlung nid)t »erlangte ober biefe auSblieb, 
nicßtg an bem ©ßarafter ber (Seroerbeimäßigleit; benn für 
biefe fommt eg nicßt auf ben einzelnen galt fonbern auf bie 
©efamttätigfcit an, unb baß biefe auf fortgefeßten ©rroerb 
unb ©eroinn gerietet roar, ift rechtlich einroanbfrei nacß 
Cbigem feftgeftellt, audj oom Slngeflagten mit feiner 23e= 
rufung auf § 42 ©ero.C. jugegeben unb überbieg oom 23e* 
rufungggericßt angenommen, ber Slngeflagte ßabe in ber 
23emeffung beg Äaufpreifeg ber 23rucßbänber eine Vergütung 
für bie 93eßatiblung feiner leibenben 23rucßbanbfaufer 511 er* 
langen gemußt. 

^»iemit ftnb bie fämtlicßen jur Slnroenbung beg § 56 a 
unb g 148 3iff. 7 a ©eroO. erforberlicßen Jatbeftanbgmer!» 
male gegeben unb erfcßeint ber Slugfprucß beg 93erufungg= 
gericßtg, baß ber Slngeflagte einer Uebertretung im Sinne 
biefer 93orfd)riften fuß fcßulbig gemadjt ßabe, baßer alg ge= 
recßtfertigt. 

Urteil beg Straffenatg oom 23. Cftober 1907 in ber 

Straffadje gegen 9Jt. 9t. in (£. roegen 93g. gegen bie 

©eroO. 

9. 

3nm UFatbeßaub brs § 153 |tÖ5em©. (Sdrrihpimtgrapß). 

2 lug ben ©tiinben: 

9tad) ben bem 93erufunggurteil ju ©runbe liegenben 
tatfäcßlicßen geftfteüungen ßat ficß ber Slngeflagte 9t. am 
25. Slpril 1906 abenbg auf ber Straße in St. einem .fpaufen 
©aufcßreiner, roelcße jum 93eßufe ber ©rlangung günftiger 


Digitized by Google 



308 (Siitfdjeibmigtii beS Oberlanb«sg«rid)tS. 

£oßn= unb 2lrbeitSbebingungen bic 2lrbeit eingeftellt Ratten, 
angefcßloffen unb mit biefen bie unter 2lbleßnung bev 2luffot* 
berung juv 'Beteiligung am 2luSftanb bei bet 2lrbeit »er» 
bliebenen Schreiner 21. unb B. burd) einige Straßen be= 
gleitet, wobei bie 'Arbeitswilligen burd) 3urufe roie Sd)lamper, 
fyeßen, Sdjufte unb Streifbrecßer befcßimpft mürben; ber 
'Angeflagte 9t. t)at nidjt nur eine größere Stretfe weit ftd) 
an biefem 'Aufzug beteiligt, fonbern ßiebei aud) einem ber 
auSftcinbigen Arbeiter, ber auf £>öf)e ber Arbeitswilligen lief, 
zugerufen, er folle nicßt fo weit »erlaufen, fonft ßalte man 
if)it aud) für einen Streifbrecßer; nad) Beenbigung biefer 
$emonftration ift ber Angeflagte 9t. bem ArbeitS willigen 21. 
nod) nadjgelaufen unb t)at biefem, als er ißn in ber 9täbe 
beS BaßnßofS eingeßolt ßatte, zugerufen: „warf, bir maeßen 
wir’S gerabe fo wie bem Scßreiner oon ; biefer war ein 
arbeitswilliger Sdjreitter, ben bie AuSftcinbigen einige 3eit 
»orßer burd) fortgefeßte Berfolgungen geängftigt ßatten. 

2luf (9runb tatfädjlidjer unb baßer ber 9iacßprüfung 
beS 9ieoifionSgericßtS entzogenen ©rwägungen gelangte baS 
BerufungSgericßt weiter ju ber Annaßme, ber 3 ro ecf beS 
ganjen AufzugS fei barauf gerichtet gewefen, bie ArbeitS* 
willigen bem Spott unb ber Beracßtung beS 'fßublifumS 
preiszugeben unb fie burd) bie ßierinliegeitbe ©ßrenfränfung 
Zur 9tiebertegung ber 2lrbeit zu siüingen; ßiezu fei biefe 
Beranftaltung, wie jeber Sfceilneßmer moßl gewußt ßabe, in§* 
befotibere mit 9tücfficßt auf bie wieberßolt unb laut auSge* 
rufenen Scßimpfmorte moßl geeignet gewefen, jeber einzelne 
Jeilneßmer, fo aud) ber Angeflagte ßabe ben 3 ro ecf ber 
2)emonftration getannt unb gebilligt, fei fid) aud) beffen 
bewußt gewefen, baß fd)on burd) baS $inzufommen unb 
9Jtitgeßen eines jeben weiteren JeilneßmerS allein bie beab* 
fid)tigte SBirfung bet Beranftaltung auf bic 'Arbeitswilligen 
uerfteirft worben fei; ber Angeflagte 9t. ßabe fid) überbieS 
burd) ben oben angeführten, an einen auSftänbigen 2lrbeiter 
gerichteten 3uruf in bem Sinne einet Billigung ber 3 n,cc f e 
ber ®emonftration an berfelben beteiligt; aud) ber an ben 


Digitized by Google 



B. in ©traffadjeu. 


309 


2lrbcit§roitligen 21. gerichtete 3 uru h ber eine Trohung mit 
weiteren 23erfolgungen für berr ^all, bah fid) 2t. bem 2lu3* 
ftanb nid)t anfchliefje, enthalte, taffe ertennen, baff ber 2ln= 
geftagte 9t. ait bem 2lufjug in bem ©intte einer Billigung 
feiner .ßroecfe teitgenommen t)abe ; bantit habe ber 2tngeftagte 
feinen s Jßorfat), bett 2lrbeit3roilligen burch öffentliche 23ranb= 
tnarfung unb bie 2lnbrof)ung ber gortfetjung betreiben ba§ 
2trbeiten ju oerteiben, betätigt. 

2Benn ba§ 23erufung§gerid)t hienad) i u ber ©d)tuf?= 
feftfteltung gelangt, bah ber 21ngef(agte 9t. unb ber SDtitan» 
geftagte 5?. getneinfdjaftlid) unter fxdt) unb mit dritten nor» 
fähtid) unb rechfcSroibrig anbere öffentlid) beteibigt unb in 
einer $anblung fjiemit fie burd) ©hruerletjung, 9t. ben 2t. 
überbieS auch burd) eine Drohung ju beftimmen oerfud)t 
haben, fict) an einer 23erabrebung, roetche bat)in ging, mittete 
©infteltung ber 2trbeit beffere Sohnbebingungeit ju erlangen, 
5 U beteiligen, fo ift hierin ein 9ted)tsirrtum nicht ju finben. 

2)ie 9?eoifion frfjeint atterbingS anjuneljmen, ber 2tnge= 
ftagte 9t. fönne fid) eine§ 23erget)en3 im ©inne be§ § 153 
ber ©eroO. au§ bem ©runbe nicht fdjutbig gemacht haben, 
meit er an ber in 23etrad)t fomntenben SJerabrebutig nidjt 
beteiligt geroefen fei; biefer ©tanbpunft märe jebod) oerfehlt, 
ba nad) bem ftaren SBorttaut ber genannten ©efeheSbeftint» 
mung auch jeber an ber in 23etrad)t fommenben ÜBerabrebung 
nidjt beteiligte fid) biefe§ Vergehens fdjutbig machen tarnt. 

9iad) § 153 ber ©eroD. ift ftrafbar, tuet burd) Trot) 3 
ungen ober burd) ©hruerletjung 2lnbere $u beftimmen oer- 
fud)t, an ÜBerabrebuttgen jum 23et)ufe ber ©rtangung giin» 
ftiger Sohn» unb 2lrbeit3bebingungen teiljunehnten; in einer 
$anblung mit biefem Vergehen trifft, rcie allgemein aner» 
fannt ift, ein Vergehen ber beleibiguttg jufantmen, roenn bie 
©hruertehung in ber gorrn einer ftrafbarett beleibiguttg er» 
folgt. 2)a nun oon ber ©traffammer in eittrcanbfreier 
SBeife feftgeftellt ift, bah bie Teilnehmer an ber in 9tebe 
ftehenben Temonftration oerfud)t haben, bie 2lrbeit§roilligen 
21. unb 23. burd) ©h rue rlehung unb burch 23efd)intpfung mit 


Digitized by Google 



310 


©ntfdjcibimgeii beS D&erlanbeSgeriJjt«. 


ben SluSbrücfen Schlamper, $etjen, Stufte, (Streifbredjer 
jur Jeitnahme an bcm SluSftanb ju beftimmen, unb ba bie 
eben genannten 2luSbrücfe als geroö^nlidje Sd)impfmorte 
unb bannt als Beleibigungen iin Sinne beS § 185 be§ 
St@B’S. anjufetjen finb, fo fann nid)t bejmeifelt werben, 
baff bie Jeilttebmet an biefcr Jemonftration fiel) beS Ber* 
gehenS im Sinne beS § 153 ber ©ewO. unb pgleid) in 
einer ^anblung fiiemit aud) eines BergehenS ber Beleibigung 
int Sinne ber §§ 185, 73, 47 be§ St©B’S frfjulbig ge* 
ntad)t haben. 

ÜJlit ber fHeoifion wirb nun geltenb gemacht, ber Sin* 
gef tagte 91. habe bia 3 roec f e ber Jemonftration f)öd)ftens 
unterftütjen wollen unb baher nicht ab? Blittäter beftraft 
werben fönnen. tiefer ©inroanb fdjeitert jeboch an ben »ont 
Berufungsgericht getroffenen Bestellungen, aus welchen mit 
geniigenber Jeutlichfeit h^oorgeht, bah bie Straffammer 
uon ber Sinnahme ausgegangen ift, ber Slngeflagte h«be fid) 
an ber Jemonftration beteiligt, unb eS fei biefe feine 2)lit= 
wirfung aus ber Slbficht entfprungen, bie Jat zugleich als 
feine eigene ju unterftühen unb jur Bolleitbung ju bringen. 
(SS läßt baher feinen 9fed)tSirctum ert'ennen, wenn baS Be* 
rufungSgericht biefen Slngeflagten als Jäter unb nicht als 
©ehilfen betrachtet unb jur Strafe gezogen h<tt. 9Beiterf)in hat 
baS BerufungSgeridjt auf ©runb tatfäcfjlidjer ©rwägutigen an* 
genommen, ber Slngeflagte habe auch burd) bie bem 21. gegen* 
über auSgefprochene Jroljung ben Jatbeftanb eine» BergehenS 
im Sinne beS § 153 ber ©ewO. erfüllt; bie bemgemäfj ge* 
troffene geftftellung, ber Slngeflagte 91. habe itberbieS burd) 
eine Jrohung ben Sl. ju beftimmen gefuefjt, an ber in 91ebe 
ftehenben Berabrebuttg teiljunehmen, fann umfoweitiger als 
auf 9Jed)tSirrtum beruhenb aitgefelien werben, als bie Straf* 
farnmer in biefer ®rof)ung nur eine Betätigung eines unb 
beSfelben BorfatjeS, auf bie SlrbeitSwilligen in unjttläffiger 
BJeife einjuwirfen, gefunben hat. 

-Spieritad) war bie 91eoifion ju oerwerfen. 

Urteil beS StraffenatS uom 29. ®e$ember 1906 in ber 


Digitized by Google 



B. in @traffad)f!t. 


311 


©traffadje gegen SW. 9i roegen 33ergehen§ gegen bie 
9i®eroD. 


10 . 

Hngenügenbe jFeJlfhUimg mm Jflittäirrrdißft. 

2)ie ©traffammer hatte ben $. ^p. 28. (©of)n) unb 
3- 2t. 28. (2iater) roegen gemeinfchaftlidjen |)ol$biebftahl3 
oerurteilt, bie tjiegegen eingelegte Weoifion rourbe für be= 
grünbet erflärt. 2lu3 ben 

© r ü n b e n : 

2>ie ©traffammer hat feftgeftellt, baff 108 ©tücf bei 
ben 2lngeftagten oorgefunbenen 33renn^otje§ jurn roeitauS 
überroiegenben Seit im 2Batbe non Zeigen dritter roegge* 
nommen roorben feien. ®a biefe ©tücfe 23rennhotj entroeber 
non beiben Stngeftagten miteinanber au§ bem SBalb tjeimge* 
führt ober roenigftenS oom ©ohn tjeimgefü^rt unb oom 
SSater — fei e§ allein, fei e§ mit bem ©otjn jufammen — 
abgelaben rourben, feien bie ^oljentroenbungen in bemustern 
unb geroolltem 3ßfammenroirfen beibev uerübt roorben. 9Jlit 
fHed)t rügt bie Weoifion, bafj bie Stnnahme eines beraubten 
unb gerooüten $ufammenroirfen§ burd) bie angeführten geft* 
ftellungen ber ©traffammer nicfjt gerechtfertigt fei. 3)iefe 
geftftetlungen, bie fid) au§ bem fonftigen Inhalt ber @nt* 
fcf)eibung§grünbe nicht ergänjen taffen, geben ber 2Jlögtid)= 
feit 9iaum, bafj ber ©ohn !>• SB. baS -gjolj allein auS 
bem 2Balb nach £>aufe geführt unb bafj ber SSatcr 2t. SB. 
fid) nur infofern an ber £at beteiligt hat, als er — fei eS 
allein, fei eS mit bem ©ohn jufammen — ba§ £joIj ju 
ßaufe abgelaben hat. Stucf) in biefem galt nimmt bie ©traf* 
fammer Sötittäterfchaft an. ®ie§ ift aber auS bem hoppelten 
©runbe unjutreffenb, roeil nicht erficf)ttich ift, bafj fid) ber 
93orfat) beS 21. 28. (SSater) auf bie SBegnahme beS ^oljeS 
bejogen hat unb roeil er in feiner 2Beife an ber SluSführung 
ber £at mitgeroirft, fid) oietmehr erft beteiligt hat, nad)bem 
ber gegen feinen ©ohn feftgeftellte $iebftaf)l längft oollenbet 

3a(jrbü<$cr ber SBfirttemb. JHedjtäbfleflf. XX. S. 22 


Digitized by Google 



312 


(Sntfrfjcibungen bes DberlanbeSgeridjtS. 


war. ®a tjicnacf) bie ^eftftcllungen ber (Straffammer für 
bie Slnnafjme einc§ uon ben beiben Slngeftagten in SSJlittäter* 
fd)aft (§ 47 <5t©©.) begangenen ®iebftablS feine eiitmanbS* 
freie ©runblage geben, mar baS angefodjtene Urteil f)infid)t* 
lief) biefeS XiebftablS famt ben ifjnt jugrunbe liegenben ^eft* 
ftellungen aufjubeben nnb bie ©ad)e ju anberroeitiger ©er* 
banblung unb ©ntfdjeibung an baS ©erufungSgericf)t juriid* 
juroeifett. 

Urteil beS (StraffenatS u. 12. ®ej. 1906 in ber (Straf* 
fad)e gegen 3- 21- SB. u. ©en. non SB. megen $iebftabls. 

11 . 

©mögt bic iFeffftellung, ein Ufjidjt fei frtool ober ans 
ber fnft gegriffen, junt ^nefdjlnlj bes § 193 *?1<J5|3J 

Slngeflagter batte roieberbolt beut ißrioatfläger in einer 
9Birtfd)aft laut norgeroorfen, er fjabe it)m 2 SJiarf geftotjlen. 
'•ßaS ^Berufungsgericht bat angenommen, eS fei jroar ermiefen, 
baff ber ^J3riüatfläger bem 91ngeflagten fein ©elb entmenbet 
habe, aber es fönne bem SUngeflagten nidjt miberlegt mer* 
ben, baff er an bie 9iid)tigfeit feiner ©ebauptung geglaubt 
habe; tro^bem fei bem 91ngeflagten ber <Sd)ub be§ § 193 
beS (St©©.S ju oerfagen, roeil ber ©ejidjt friool geroefen 
fei unb bie oollftänbig auS ber Suft gegriffene ©ebauptung 
eines ©etrunfenen bejro. bie einer folgen ©ebauptung ju* 
grunbe liegenbe, auf grob fabrläfftgem ©erbalten berubenbe 
©orfteltung nid)t geeignet fei, ein berechtigtes Qntereffe mit 
ber SBirfung ju begrünben, baß eine an ficb ftrafbare ©e= 
bauptung als ftrafloS ju erad)ten fei. 

^iegegen roenbet fid) bie Sieoifton, inbem fie unrichtige 
Slnroenbung beS § 193 beS <St@©.S geltenb macht. ®iefem 
^Rechtsmittel fonnte bet ©rfolg nicht oerfagt roerben, ba bie 
SluSfübrungen ber (Straffammer auf eine ©erfetntung beS 
(SimteS unb ber ©ebeutung beS § 193 beS (St@©.§ fcbliejjen 
laffen. 

3)ie ©traffammer felbft gebt baoon auS, eS falle in ben 


Digitized by Google 



B. tu ©tvaffadjen. 


313 


Ärei§ ber berechtigten ^ntcreffen, gegen eine wirflidje ober 
uermeintlidje ftrafbare ^anbtung buvd) 2lbwehr ober fad)* 
gemäßen Vorhalt gegenüber beut anf ber £at betroffenen 
cinjufdjreiten; nad) biefer burdfauS ju billigenben 21nfid)t 
hätte bie Straffammer weiter unterfudjen feilen, ob ber 2ln= 
geflagte, ber ja, wie ihm nicht ju «überlegen, an bie 9iid)tig* 
feit feiner behauptung glaubte, bei feinen bejicf)ten fid) 
innerhalb ber ©renjen eine§ fad)gemä§en borhalt§ unb ba= 
mit innerhalb ber ©renjen berechtigter Qntereffen bewegt 
ober ob er biefe ©renjen überfcfjritten hot- ®ie ©traf» 
fammer h°t aber eine Unterfudjung in ber angegebenen 
SHichtung nicht uorgenomnten, will oielmehr offenbar eine 
Ueberfdjreitung ber ©renjen berechtigter Qntereffen barin 
finben, bah ber 2lngeflagte leid)tfinnigerroeife bett guten 9tuf 
be§ ^3ri»atfläger§ gefährbet habe, ohne einen genügenben 
Slnhalt für bie SBahrljeit feiner behauptung ju hoben, unb 
obioohl er fid) höbe fagen müffen, bah er biefe behauptung 
nid)t beroeifen fönne. ©ine berartige geftftellung mühte 
jebod) at3 auf einer red)t§irrtümlid)en Sluffaffung bes § 193 
be§ St@b.§ beruhenb angefehen werben. ®a borl)alte be§ 
hier in betracht fommenben Inhalts auch nfl ch ber 2(nfid)t 
ber Straffammer in ben Jfreil ber berechtigten Qntereffen 
fallen, fo barf bem Slngeflagten ber Sdp© be§ § 193 be§ 
©t@b. nur bann »erjagt werben, wenn ba§ borhanben* 
fein einer beleibigung au§ ber Jorrn ber Sleuhenttig ober 
au§ ben Umftänben, unter weld)en fte gefdjat), fp rD orgef)t; 
hierüber enthält aber ba§ Urteil be§ berufung§gericht§ 
feinerlei Bestellungen. 

®ie§ muhte jur Slufhebuug be§ angefochtenen Urteil# 
unb 3urücf»erweifung ber ©ad)e führen. 

Urteil be§ Straffen. ». 12. 2>ejember 1906 in Sachen 

9Jf. gegen b. wegen beleibigung. 


22 * 


Digitized by Google 



314 


6ntfcf)etbtutgen be? Dberlanbeägeridjt?. 


12 . 

mann Ijat btt gtntragstirrerijtigte ftettntms oon btt 
JlerCon brs 3Tätrrs> erlangt? 

Jier Ingeflagte ©. hatte ftrf) abfällig übet bie 93il» 
larbbälle eines ©aftljofbefiherS ©. in SB. geäußert unb 
biefer ihm babei erflärt, et habe biefe twm ©rioatfläger als 
gatantiert erijte ©Ifenbeinbälle getauft. S)et leitete erhielt am 
30. Slpril t>. Ö- burdj briefliche SJtitteilung be§ |wtelierS ciuS SS. 
Kenntnis non bet SluSlaffung beS Slngeflagten, bet il)m 
hiebei als Kaufmann iß. auS Stuttgart bejeid)net würbe; 
non bent ©ornamen mar babei feine Stebe. $n bet golge 
erhielt bet ©rioatfläger, warnt unb auf welche SBeife ift 
nicht aufgeflärt, bie fatfdje SluSfunft, bet Slngeflagte fjeifje 
2. iß. unb er fcfjtieb am 9. Qutti einen '-Brief an £jerrn 2. ©. 
Kleibergefdjäft in St. (einem ©ruber beS Slngeflagten) wegen 
bet fraglichen, non iljm als ©eleibigung aufgefaftten 2lu§= 
laffung, bet ©rief blieb unbeantwortet unb am 20. Sluguft 
erhob er bann ißrioatflage gegen 2 . iß. Jiefe würbe jurücf’ 
gewiefen unb folclje bann gegen ben Slngeflagten 'iß- ** s 
hoben, ber insmifdjen als Jäter ermittelt worben war. JaS 
93 erufungSgericht hat auf ©inftellung beS ©erfahrenS wegen 
9tid)tein^altung ber SlntragSfrift beS § 61 St©©, erfannt 
mit ber ©egrünbung: 35er ißrioatfläger habe am 30. Slpril 
o. Q. burd) bie ihm oon bem .jpotelier ©. gemachten SJtit» 
teilungen bie nad) bem ©efe^e erforberlidje Kenntnis oon 
ber ©erfon beS JäterS erhalten, er hätte atfo fpäteftenS am 
29. 3uli u. $. Strafantrag gegen ihn ftellen muffen, ©on 
ber Straffammer wirb fjieju im Slnfd)luf? an eine ©ntfdjei» 
bung beS St®, in ©b. 27 S. 34 auSgefüljrt: ®er ©rioat* 
fläger fei nad) bem feftgeftellten Sad)»erf»alt imftanbe ge= 
wefen, bie ©erfon beS JäterS in einer für bie Strafoer-- 
folgungSbeljörben erfennbaren SBeife iitbioibuell ju bezeichnen; 
bieS treffe ju, aud) wenn er ben ©ornanten beS Slngeflagten 
junächft nicht gefannt, ja felbft wenn er einen unrichtigen 
©ornamen erfahren habe; benn er habe gewußt, bafj nur 


Digitized by Google 



B. in ©traffadjtn. 


315 


berjenige Kaufmann iß. auS Stuttgart in Srage fommen 
!önne, ber bei bent Klagoorfall mit bcm Hotelier 53. im 
.fjotel Bittarb gefpielt unb oielleicht auch bort logiert habe. 

Sie Sieoifton rügt Berletjung beS § 61 St©®.; ber 
ßrioatfläger habe am 30. 2tpril jmar non ber Sat, aber 
nicht non bem richtigen Säter Kenntnis erlangt, ba er »on 
biefem nur als Kaufmann 'iß. aus Stuttgart erfahren habe 
unb eS jroei ßetfonen biefeS SlamenS in Stuttgart gebe; 
bie irrige 3lnnat>me beS ißrioatflägerS, ben Säter ju fennen, 
Jönne bie Srift beS § 61 St©B. nic^t in Sauf feiert ; oiel* 
ineljr fei bieS erft ber Statt geroefen, nartjbem er burch bie 
Aufteilung beS bie erfte 'ßrioatflage zurücfmeifenben amtS* 
gerichtlichen Befd)IuffeS unb burch bie -Jiachfrage bei bem 
Stabtfchulthei^enamt 3B. ben richtigen Flamen beS SäterS 
erfahren h°be. 

Stach § 61 St©B. beginnt bie für bie Stellung beS 
Strafantrags beftimmte Stift mit bem Sage, an bem ber 
berechtigte Kenntnis oon ber fmnblung unb ber ßerfon beS 
SäterS erlangt h at - ®urd) bie uor (Erhebung ber erften 
ßrioatflage erhaltenen Üftitteilungen hat nun aber ber ßrioat» 
flägcr feine b. h- feine auSreicl)enbe Kenntnis oon ber ßerfon 
beS SciterS erlangt. 

Siefe Sftitteilungen haben, mie bie junächft erfolgte ©r= 
hebung ber ßrioatflage gegen eine unrichtige ßerfon beroeift, 
nicht auSgereicht, ben Säter in einer für bie StrafooK* 
ftrerfungSbehörbe erfennbarett SGÖeife inbioibuell ju bezeichnen. 
@S mag baS SBiffen beS BornamenS beS SäterS unter Um» 
ftänben jur Kenntnis oon feiner ßerfon nicht erforberlicf) 
fein; eS mirb aber ftetS bann als hieju erforberlicf) ange= 
fehen roerbeit müffen, menn gerabe burd) ben Bornamen bie 
inbioibuetle Bezeichnung beS SäterS ermöglicht mirb. Sie 
ermähnten SDtitteilungen haben ben ßrioatfläger mohl in 
ben Stanb gefctjt, mit |>ilfe unb auf ©runb berfelben ftd) 
Kenntnis oon ber ßerfoti beS SäterS ju oerfdjaffen. 
SBie aber gerabe in ber oben ermähnten ©ntfcheibung beS 
B®. auSgeführt ift, genügt bieS nicht, um bie in § 61 St©B. 


Digitized by Google 



316 


©nt|d)eibmigeH bee Cberlanbeägeridjtä. 


normierte grift in Sauf ju fetten. Siefe $rift beginnt »iel= 
ntetjr erft bann, roenn biefe ftenntni§ auf Seiten be§ ®e= 
redjtigten in ber Sat erlangt roorben ift. Sie 21n» 
nat)me ber ©traffanuner, bie 2lntrag§frift ^abe für ben 
'ßrioatfläger fcfjon am 30. 2Iprit o. $. begonnen, beruht 
hiernach auf einer red)t§irrtümlicf)en Slnroenbung be§ § 61 
©t@33., ba§ angefocfytene Urteil mar batjer aufjuhebeit, ba 
jugleid) ben ülften ju entnehmen ift, baf? ber ißrioatftäger 
erft am 1. bejro. 9. Oftober o. $. oon ber ißerfon be§ Säter§ 
ftenntni3 erlangt hat, alfo bie am 7. Ütooember o. $. bei 
bem 21mt§gerid)t 2B. eingereichte ißrioatflage unter ©in* 
haltung ber 3*ift be§ § 61 ©t©93. erhoben morben ift. 

Urt. be3 ©traffenat§ oom 13. Sttai 1907 i. ©. ©. 

gegen iß. roegen öeteibigung. 

13. 

1. $nslegnug brs § 17 ber iSinißerialuerfügnug 
oom 13. JTjjli 1906 betr. Jlerkrljr mit lirnfifahrfengrn. 

2. Ilrjirljt firij ilbf. 3 trndj unf «trcr)idjtlirije JUrgr* 

3. |0nö beörntrt „ituefnljrt aus ©runbjliidmt“ nnb 
„überall rna rin lebhafter Jlrrkrljr Itattfiuört“? 

Ser Slngeflagte ift am 28. 3uni 1907 oormittagl 
11 Uhr mit einem ftraftfaljrjeug auf ber ©taatSftrafje oon 
2ß. nach £>• mit einer ®efd)roinbigfeit oon minbeftenS 35 km 
in ber ©tunbe gefahren, roeldje gah r 3 e fd)minbigfeit bei ber 
Surchfahrt burcf) ba§ Sorf oenninbert mürbe. SBorn 
Schöffengericht ift er roegen Uebertretung im ©inn be§ § 366 
3- 10 ©t©93. ju 10 -JUarf ©elbftrafe oerurteilt, oom $}e= 
rufung5gerid)t oon ber Slnflage biefer Uebertretung freige- 
fprodjen morben. Sie hiegegen eingelegte Steoifion ber 
ft. ©taat§anroaltfd)aft rügt falfd>e SluSleguttg bejro. 91id)t= 
anmettbung ber 33eftimmungen be§ § 17 ber ÜDtinifterial« 
oerfüguug oom 13. $uli 1906 betr. ben Skrfeljr mit ftraft= 
fahrjeugen. Siefe Diiige ift nicht begrünbet. 

Sie ermähnte, auf ©runb beS § 366 3iff. 10 ©t®$. 


Digitized by Google 



B. in Straffadjen. 


317 


unb beS 2lrt. 51 s }3olSt@. erlaffene, bie polizeilichen Vor» 
fcfjriften für ben nid)t an Söaljngeleife gebunbenen SSerfetjr 
bet burd) elementare Sriebfraft bewegten Fahrzeuge (Straft* 
wagen unb Strafträber) auf öffentlichen SBegen unb s f3läßcn — 
gemäß einer unter ben VunbeSregierungen getroffenen Ver* 
ftänbigung — enthaltenbe Dftinifterialoerfügung gibt in § 17 
Veftimmungen über bie fjahrgefdpinnbigfeit. £)er 2lbfaß 1 
enthält bie ©runbregel, baff bie gahrgefdjroinbigfeit jeher* 
zeit fo einzurichten fei, baff Unfälle unb VerfehrSftörungen 
uermieben werben, ber Slbfaß 2 normiert bie Dlnwenbung 
biefer ©runbregel für bie beiben ^auptfälle be§ $al)renS 
innerhalb unb außerhalb gefd)toffener DrtSteile bahin, baff 
jebenfallS innerhalb gefchloffener OrtSteile bie fyahrgefcf)win= 
bigfeit ba§ 3eitmafj eines in geftreeftem Srabe befinblidjen 
s $ferbe§ — etwa 15 km in ber Stunbe — nid)t iiberfdjreiten 
barf, baß fie aber außerhalb gefchloffener Crtsteile wenn 
überftd)tlid)e 3Bege befahren werben, inforoeit erhöht werben 
barf, als ber führet in ber Sage bleibt, unter allen Um* 
ftänben feinen Verpflichtungen ©enüge zu leiften. ®et 2lb» 
faß 3 enthält bie fpezielle Vorfdjrift beS langfamen unb fo 
oorfichtigen fyahrenS, baff baS fyahrzeug nötigenfalls fofort 
unb (ebenfalls auf eine SBegftrecfe oon höchftenS 5 m z»m 
galten gebracht werben fann, für baS fahren „auf unüber* 
ßchtlidjen SBegen, inSbefonbere nad) ©intritt ber Sunfelheit 
ober bei ftarfem s Jlebet, beim ©inbiegen aus einer Straße 
in bie anbere, bei Straßentreuzungen, bei fcharfen Straffen* 
ftummungen, bei ber SluSfahtt auS ©runbftiicfen, bie an 
öffentlichen SBegen liegen unb bei ber ©infahrt in foldje 
©runbftücfe, bei ber 2lnnät)erung an ©ifenbalpiübergänge in 
Schienenhöhe, ferner beim Staffieren enger Vrücfen unb Sore 
fowie fcfpnaler ober abfd)üffiger Söege, fowie ba wo bie 
SBirff amfeit ber Vremfen burd) bie Schlüpfrigfeit beS SBegeS 
in grage geftellt ift, enblid) überall ba wo ein lebhafter Ver* 
fefjr ftattfinbet." 

Dlad) ber für bie Dieuifionsinjtanz binbeuben tatfäd)* 
lidjen 3-eftfteUung beS Vorrid)terS befanben fid) zur Qeit ber 


Digitized by Google 



318 


Qmtfdjeibutifleit beS D6erIanbe3gerid)tS. 


gahrt roeber anbere gahrjeuge nod) 2Renfd)en ober $iere 
auf ber betreffenben ©trajjenftrecfe, ferner ift nidjt als be= 
roiefen angenommen roorben, bafj bie gahrgefd)roinbigfeit 
innerhalb gefdjloffener Ortsteile beS 3)orfeS lg. baS 
3eitmafj eines im geftrecften Srabe befinbtidjen ißferbeS b. t). 
etroa 15 km in ber ©tunbe überfcfjritten fyabe. ®iefe letztere 
VeroeiSannahme läfjt audj nicht etroa eine rcd)tSirrtümliche 
Auslegung beS ^Begriffs gefdjloffener Ortsteile erfenncn, in» 
bem fie barauf geftütjt roirb, bajj nach bem ©rgebniS ber 
3eugenoernet)mung 3eitpunft unb Ort ber eingetretenen 
$erabminberung ber ^a^rgefcfjroirtbigfeit unftdjer bleibe unb 
bie 9Jtöglid)feit jugelaffen roirb, bafj biefe fperabminberung 
fdjon jenfeit§ ber Vrücfe 3B. ju oor bem ©trafjenteil einge» 
treten ift, an welchem bie erften Käufer oon fp., inSbefonbete 
baS ©chulfjauS unb ber OrtSetterftocE fielen. ®ie Annahme 
biefer 2ftöglid)feit fantt ohne ,3roang, wenn fte aud) nidjt 
auSbrürflicf) tjeroorgefjoben ift, ben in biefem ^Betreff ge» 
gebenen Ausführungen beS Vorrid)terS entnommen roerben. 
®aSfelbe trifft ju bejüglid) ber weiteren, für bie grage einer 
Uebertretung ber für baS fahren innerhalb gefdhloffener 
Ortsteile aufgeftellten ©efdjroinbigfeitSnorm roefentlirfjen Vor* 
auSfetjung, bafj bie im 3)orf eingetretene ©rmäfjigung ber 
gahrgefdjroinbigfeit nidht nadhroeiSlich eine bie s )torm oon 
ftünblid) 15 km überfteigenbe geroefen ift. 

Auf biefer VeroeiSgruttblage unb ber weiteren geft* 
ftellung, bafj bie in grage fommenbe ©trafje jroifd)en 2B. 
unb £. ein überfid^tlidjer SGBeg ift, fonnte ber Vor» 
richter ohne erfid)tlid)en fHechtSoerftojj *u ber Verneinung 
einer ^uroiberljanblung gegen bie in Abf. 1 unb 2 beS 
•dt. § 17 ber 3Jtinift.Verf. gegebenen gahrgefd)roinbigfeit§* 
oorfdjriften gelangen, foroohl roaS baS fahren innerhalb als 
baSjenige außerhalb gefdjloffener Ortsteile anbelangt. (Sine 
3uroiberhanblung in biefem ©inn roirb auch ®on ber 9ieoifton 
nicht behauptet. (Diefe macht oielmehr eine Verfehlung roiber 
bie ©pejialbeftimmung beS Abf. 3 unb jroat in boppelter 
Dichtung gettenb. 


Digitized by Google 



B. in ©traffadjeit. 


319 


3unäcf)ft tft ber Sieoifion barin bei$upflid)ten, bafj aud) 
auf „überfidjtlidjen" Söegen gegen bie 33orfc£)rift bei 21bf. 3 
oerftofjen roerben fann unb bafj biefer 2lbfatj fid) nid)t aul= 
fc^Iie^Iict) auf bal ^dfiren auf „unüberfidjtlicfjen" Söegen 
erftredt. ®ie§ ergibt fid) aus ber fpejiellen Slnfüfyrung oon 
Strafjenteilen, roo bie SBirCfamfeit bet 33remfen burd) bie 
Sdjlüpfrigfeit bei Sßegel in $rage geftellt ift unb roo überall 
ein lebhafter 33erfel)t ftattfinbet, ferner aul ber 33ejugnal)me 
auf fdjmale 2Bege. ©ine gegenteilige Sluffaffung läfjt jebod) 
bal angefod)tene Urteil and) nidjt ertennen. gel)l gef)t fo= 
bann bie Sfteoifton mit bcr $8ef)auptung, bafj ber Slngeflagte 
fd)on ftrafbar fei, roeil er fortgefet)t mit ber ©efdjroinbigfeit 
oon 35 km auf ber Strafje 3Ö. — .£>. oorbeigefaljren fei an 
Stellen, an melden auf biefe Strafje 3ufaf)rten oon itibu* 
ftriellen 21nroefen foroie eine Sieilje oon SBegen einmünben, 
roeldje bie 31ul= bejro. ©infaljrt oon unb ju lanbioirtfdjaft* 
liefen ©runbftüden bilben. S)enn abgefeljen baoon, bafj in 
bem angefod)tenen Urteil nirgenbl »on foldjen einmünbenben 
Slebenroegen bejm. 2lul* unb 3ufal)rten ber fraglichen Strafe 
bie Siebe ift, trifft ber Ipemit angejogene, oben ermähnte 
Spejialfall bei 21bf. 3 oorliegenb nid)t ju. $al langfame 
unb entfprecfjenb oorfidjtige galjren ift bort nur oorgefd)rie= 
ben für bie Slulfaljrt b. 1). bal 2lulfal)ren aul an offene 
lidjen Sßegen Hegenben ©runbftüden unb für bie ©infatjrt 
in foldje ©runbftüde, mal mit einem Vorbei fahren auf 
ber Strafe an fotd)en 3«= unb @infaf)rten feinelroegl gleich» 
bebeutenb ift unb nur bal leitete ftct)t t)ier in §rage. 

3n sroeiter Sinie mirb bie Slullegung bei SSorridjterl 
bejüglid) ber Seftimmung in 2lbf. 3 „überall ba roo ein 
lebhafter 33 e r f e h r ftattfinbet" all unrichtig bemängelt 
unb eine 31erfet)lung bei Slngeftagten roegen 3utreffenl biefer 
S3oraulfet}ung all oorliegenb angenommen. ®al 33erufungl* 
geridjt ^at in biefer Siidjtung feftgeftellt, bafj ber 2lngeflagte 
auf ber offenen Strafje pnfcfyen 28. u. $. nicf)t langfam 
unb fo oorfidjtig gefahren ift, roie el für bie Sonberfälle 
bei Slbf. 3 ootgefdjrieben ift, bafj er nämlid) bal gatrojeug 


Digitized by Google 



320 ©ntfdjeibungen beä DberlaitbeSgendjtS. 

nötigenfalls fofort unb jebenfallS auf eine SBegftrecfe oon 
f)öd)ften§ 5 m t)ätte jurn galten bringen fönnen; e§ h at 
meiter angenommen, baff nad) ber BeroeiSaufnahme auf ber 
fraglichen Straffenftrecfe sur 3 e *t ol8 ber 2lngeflagte fie be* 
fut)r, ein Verfehr überhaupt nid)t ftattgefunben h a * unb 
folgerichtig, meil meber ba§ Stattfinben eines lebhaften Ver» 
fehrS noch einer ber anbem im 2lbf. 3 angeführten ?^älle in 
betracht lomrne, eine Verfehlung beS 2lngeflagten auch 9 e 9 en 
9lbf. 3 beS jit. § 17 als auSgefdjloffen eradjtet. ^iebei 

mürbe bie mehrerroähnte Stelle beS 2lbf. 3 bahin aufgelegt, 
bah überall ba roo im einzelnen galt fei eS auf einer fonft 
ocrfehrSreichen ober auf einer nicht oerfehrSreidjen Straffe 
ein lebhafter Verfehr h err fcht, langfameS unb »orfid)tigeS 
fahren ber bejeichneten 2lrt ftattfinben müffe unb baff 

nid)t, mie baS Sd)öffengerid)t bie Beftimmung auSgelegt 
hatte, baS fraglidje oorfidjtige fahren überhaupt allgc= 

mein auf Strafen uorgefdjriebcn fei, bie einem lebhaften 
Verfehl' bei Jag ju jcber Stunbe aufmeifen unb fo ju 

ben oerfehrSreichen $u jähten feien, roobei eS gleichgültig 
märe, ob bie Strafe gerabe im einseinen SDloment uerfefjrS» 
frei ift. 

Ser oom Berufungsgericht vertretenen 2luffaffung ift 
bahin beisutreten, baff bie Vorfchrift nur auf foldje Straffen» 
ftrecfen 2lnmenbung finbet, auf meldjen sur 3 e i t ihrer 
Befahrung mit bem betreffenben Skaftfahrseug ein leb» 
haftet Berfehr ftattfinbet. Siefe Auslegung entfpridjt un» 
Smeifelhaft beut Vßortlaut ber Beftimmung („überall ba 
mo . . . . ftattfinbet") unb jurnal ihrem Sinn unb ,3w>etf- 
Siefer ift auf bie ©rhaltung ber Sicherheit beS allgemeinen 
Straf 3 enoerfehrS, auf bie ©emährteiftung beS Schußes oon 
©efunbheit unb Seben ber s }3affanten gegenüber ber ©efätjr» 
bung burd) ben eigenartigen, mit auffergemöhnlicher gat)r» 
fchnelligfeit ocrbunbenen Slutoniobilbetrieb gerichtet. Geben 
biefer 3mecf mirb aber nur bann in bem erforbetlid)en Um» 
fang erreicht, roenn überall ba roo sur 3^it beS Befahrens 
mit einem Skaftfahrseug ein lebhafter Verfehr ftattfinbet. 


Digitized by Google 



B. in @tvafia<f)ett. 


321 


fei bieS auf einer (Straffe, bie überhaupt unb bauernb als 
oerfehrSreidje fid) erweift ober befannt ift, fei bieS auf einer 
fonft oerfehrSarnten Straffe, fei bies bei Jag ober ju ge» 
roiffen 'Jiad)tftunben (j. ©. in ber 9tähe oon Jfjeatern, ©er» 
gniigungSlofalen, auS Slnlaff oon Serenaben, gacfeljügen rc.), 
ber fyüt)rer bes SraftfahrjeugS ftetS unb unterfdjiebSloS in 
ber oorgefdjriebenen langfamen unb oorfidjtigen ©Seife fahren 
muff. 91ad) ber SluSlegung beS SdjöffengeridjtS würbe aber 
ein auf gewöhnlid) nicht oerfehrSreidjer Strafe, auf foldjent 
©3eg ober ©lat) tatfädjlid) bod) ftattfinbenber lebhafter ©ten» 
fcfjen» ober {f-uhrwerfSoerfebr biefen befonbereu unb nid)t 
weniger erforberlidjen Scf)ub beS 2lbf. 3 § 17 nid)t genießen 
unb anberfeitS wäre baS 3lutomobilfal)ren auf an fid) oer» 
fef)r§reirf)cn Straffen and) für bie 3 e ü en / in welchen fein 
unb jebenfallS fein lebhafter ©erfeljr bort l)errfd)t, in einer 
burdj bie Qntereffen ber Sülgemcinljeit unb jenen $wecf ber 
polijeilicfjen ©orfdjrift nirfjt gebotenen ©Seife unnötig ge» 
t)emmt unb erfcf)wert. 2 lud) wirb ber fyüljrer eines Sraft» 
fahrjeugS nur in ben Orten unb ©egenben, beren ©erfehrS» 
oerf)ältniffe ifjrn perfötüid) nä^et' befannt finb, jeweils 
wiffen, weldje Straffen unb ©Sege an fid) $u ben ju jeber 
JageSjeit lebhaft begangenen unb befahrenen gehören, mäh 5 
renb er bieS in bem häufigen $all beS ^ahrenS burd) 
ihm unbefannte Orte unb ©egenben nicht jum oorauS 5 U 
wiffen, auch regelmäßig an feinem anberen äußeren Senn» 
jeidjen als bem tatfäd)lid) ihm jeweils barbietenben ©ilb 
beS StraffenoerfefjrS abjufehen uermag unb ein jeber» 
jeitigeS oorherigeS ©efragen ihm nid)t wohl pgemutet wer» 
ben farm. 

2lnberfeitS wäre freilich benfbar, baff bei ©rlaff ber 
polijeilidjen ©orfdjrift im .jpinblicf auf bie SJlöglidjfeit baff 
auf an fid) oerfehrSreicben Strafen ber jeitweife geringe 
©erfehr fid) rafd) unb häufig ju einem fehr lebhaften ge» 
ftalten fann unb wirb, eine weitcrgeljenbe 3lbfid)t oerfolgt 
unb entfpredjenb ber ntünblichen 2luSfüt)rung beS fReoifionS» 
flägerS ber fraglichen ©orfdjrift jebe Straffenftrecfe unter» 


Digitized by Google 



322 


©ntfcfjtibungtn beS Cberlanbeggericfyts. 


roorfen roerben rootlte, auf reeller an fid) regelmäßig unb 
baucvnb ein lebhafter 93erfel)r ju ^etrfdjen pflegt ober auf 
roeldjer bie# nur oorübergeßenb jutrifft, leßtemfall# mit $ 8 e» 
fcfjränfung auf bie jeroeilige Sauer folgen SBerfeßr#. Slllein 
eine fotdje 2 lbftd)t be# ©efetjgeber# fann aud) bei einem 
©cfäßrbungäbelift, um roeld)e# e§ ftd) t»ier hobelt, nicht 
ot)ne roeitere# unterftellt toerben, fie muß etfennbar jum 
2lu#brucf gefommen fein toie bie# 5 . 93. in .Sitte* 8 be#» 
felben § 366 ©t©93. ber f^all ift, roo ba# Stufftellen unb 
2 lu#gießett oon ©ad)en nad) einer öffentlichen ©traße ober 
nad) Orten „roo ÜJJenfdjen ju oerfehren pflegen" unter 
©träfe geftellt roirb. SBorliegenb fann eine folcße roeiter» 
gebenbe gefehgeberifdje 2 lbfid)t mit jureidjenber ©idjerljeit 
roeber bem SBortlaut nod) bem Sinn unb S roe cE ber frag» 
liefert 3Jorfd)rift entnommen roerben, roie au# bem bereit# 
2 lu#geführten ftd) ergibt. Siefe 2 lu#legung bebingt in#be» 
fonbere aud) nicht etroa eine ©efährbung be# oben ermähn» 
ten Sroecf# ber SBorfdjrift für bie befonber# ju fchüßenben 
gefdjloffenen Drt#teile, ba nach 5lbf. 2 § 17 innerhalb biefer 
bie 3 abrgefd)roinbigfeit ba# S c il ma B oon 15 km i° ber 
©tunbe feinenfall# überleiten barf unb bie bie 9Jtöglid)* 
feit eine# rafdjen Inhalten# oorfd)reibenbe 9torm be# Slbf. 3 
8 17 für alle ©traßenfreujungen, fd)arfe ©traßenfrümmungen, 
für enge 93rücfen unb Sore, fchmale ober abfdjüffige SBege 
gilt, ©ie gilt folchenfall# aber auch für ba# fahren außer« 
halb gefchloffener Ort#teite, fo baß auf festerem ©ebiet bie 
burd) ben Slutomobilbetrieb befonber# gefährbeten ©teilen 
bei ber gegebenen 2 lu#fegung gleichfall# ben ber Senbenj 
be# § 17 entfprechenben ©d)i© ootlauf genießen, ©nblich 
fann für biefe 9lu#legutig noch bie frühere, jetjt außer Kraft 
getretene Sftinifterialoerfügung 00 m 25. Slpril 1902 betr. 
ben 93erfehr mit attotorfahrjeugen oerroertet roerben, roo» 
felbft e# in § 7 2tbf. 2 ähnlich InefG cbenfo muß in engen 
©traßen, beim Untroenben unb ©inbiegen in anbere ©traßen, 
aud) fonft beim Surcfjfahren feßarfer Krümmungen unb 
überall bei bießtem 93 er f ehr foroie bei ftarfem 9lebel 


Digitized by Google 



B, in (Sirnffacfjeii. 


323 


bte ^afjrgefcfjroinbigfeit fo ermäßigt rocrbcrt, bafj fofortige§ 
3(nf)alten möglich ift. 

•fpienadf) formte bie Dteoifron einen Srfofg nici)t fjaben. 

Urt. be§ Straffen. ». 22. ^anr. 08 in ber ©traffacfye 
gegen St. in U. roegen Uebertretung i. ©. be§ § 366 

3»fF- 10 ©t@®. 


Digitized by Google 



324 


II. 

(£ttifrijcii»wgett iifs |Ifrroaltmtgsgcririjtslji»fs. 

27. 

£ünnen in Pfn=Him waljnljnfte unuitentbrrgifibr gr= 
mntf unb ©fjijiere, bie ifjrttt bienftlirfjen ittobufife in 
Ulm Ijnbjen, auf ©rmtb biefee $JoijnIib2S ?n bett <Br= 
ntrittbefieaertt in Ulm bcigeiarjen werben? 

2)ie grage roirb oerneint mit folgenber Vegri'mbung: 

I. $er Söefl., meiner als Oberjablmeifter bei bem in 
Ulm ftcfjenbett 3. roüvttemb. fjelbartillerieregiment 91 r. 49 
feinen bienftfidjen SEBolmfit} in Ulm b a t unterliegt unbe= 
ftrittenermafjen in SBürtteniberg ber ftaat(ict)en ©infommeu* 
unb üapitalfteuer. ©treit beftetjt bogegen barüber, ob er 
aud) jur ©enieinbeeinfommenfteuer für Ulm tje^ngejogen 
werben tarnt, obwohl er nidjt in Ulm felbft, fonbern nur 
in ber bagrifdjen ©tabt 9teu=Ulm eine Sßoijnung inne l)at. 
9tad)bem baS $. ba^rifc^e ^inanjtninifterium mittels 6r= 
laffeS an bie $. Regierung oon Schwaben unb 9teuburg 
oom 21. 2Iuguft 1905 auf ©runb beS 2Irt. 16 2lbf. 3 beS 
bagrifcben ©infommenfteuergefetjeS Verfügung bat)in getroffen 
batte, „bafi bis auf weiteres bie oormerEungSweife ©im 
fommenfteueroeranlagung ber in 9leu=Ulm mobnbaften it. 
roürttemb. Offiziere unb Beamten, roie fie in 2lrt. 12 beS 
©infommenfteuergefetjeS »orgefeben ift, ju unterbleiben habe, 
unb bie bermalige Veranlagung ber bejeicbneten iJSerfonen 


Digitized by Google 



Beipeljimg b. Beamten u. Offiziere 3 . b. (Semeinbefteueru i. Ulm. 325 

mit rücfroirfenber ft'raft aufjer SQBirffamfeit gefegt roerbe", 
l)at auf Sföeifung öe! $?. roürttemb. ginanzminifterium! ba! 
9t. ©teuerfollegium, Slbteilung für birefte ©teuer«, mit @r= 
lafj com 7. Oftober 19ü5 ba! 9t. Äameralamt IXIm unter 
Mitteilung einer 2lbfcf)rift ber ebengenannten Verfügung 
be! 9t. bagr. ginanzminifterium! beauftragt: „ba tjieburd) 
bie in 9teu»Ulm roolgienben roürttemb. Offiziere unb Se» 
amten uon allen Umlagen in Sägern befreit roorben finb, 
biefe ißerfonen — roogegen ba! 9t. Minifterium be! Innern 
nacl) einem ©dfreiben uom 17. ©eptember 1905 feine ©in» 
roenbung erhoben l)abe — ber ©emeinbeeinfommenfieuer 
unb ber ©emeinbefapitalfteuer für bie ©tabt Ulm bejro. 
für biejenige roürttemb. ©emeinbe, in roeldjer fie ifyren bienft= 
liefen Söoljnfig tiaben, ju unterftellen". 

Qene Verfügung be! Ä. bagr. ^inanzminifterium! roar, 
roie fid) au! ben uon bem Serroaltung!gericf)t!f)of beige» 
jogenen 2lften be! St'. roürttemb. ^inanjminifteriums ergibt, 
»eranlafjt burd) eine Sitte bei ©tabtmagiftrat! 9teu=Ulm, 
„mit 9iücffid)t auf bie befonber! gelagerten Sejiet)ungen 
jroifdjen 9teu»Ulm unb Ulm im Qntereffe ber Seteiligten 
Maffnafymen bal)in ju treffen, bafj roie bie! billang aller» 
bing! oljne gefegiicfje ©runblage Hebung roar, bie in 9teu» 
Ulm roof)nI)aften St. roürttemb. Offiziere unb Seamten uon 
ber Serpflidjtung jur Umlagenjafjlung in ber ©tabt 9teu= 
Ulm enthoben roerben“, unb fie erging, nadjbem juoor bie 
roürttemb. ©teueruerroaltung auf Anfrage erflärt fjatte, ba§ 
nad) roürttemb. ©teuerreefjt bie in Ulm roolfnenben bagrifdjeu 
Offiziere unb Seamten fraft ©efetje! uon ber ©emeinbe» 
©infommen» unb »Stapitalfteuer befreit feien. 

9lad)bent ba! St. Stameralamt Ulm zufolge be! genanti» 
ten ©teuerfollegial=®rlaffe! oom 7. Oftober 1905 roie ben 
übrigen in 9ieu»Ulm rooljnenben roürttemb. Seamten unb 
Offizieren, fo aud) bem Seflagten ©infommen» bejro. 
Stapitalfteuer für bie ©tabt Ulm angefegt Ijatte, erljob neben 
einer 9lnjal)t unberer Offiziere unb Seamten ber Seflagtc 
©infprad)e gegen biefe ©emeinbefteuerauflage , roa! ber 


Digitized by Google 



326 Sntfdjeibimgeii beS aäertDoUimgggeridjtä^of?. 

Stabtgemeinbe Ulm 33erantaffung gab, gegen ben 93effagten 
gemäfj Slrt. 10 3iff- 7 beS 93erroaltutig§recE)t§pffege=©efe^e^ 
bei bet 5?. ft'reiSregierung Ulm als SerroaltungSgericht I. Sin* 
ftanj fttage ju ergeben mit bem Antrag, bet S3eftagte fei 
fd)ulbig, auS feinem bem 93efteuerung§rcd)t beS roürttemb. 
Staats unterüegenben 2>ienft= unb ftapitaleinfommen bie ihm 
oom ft. SfejirfSfteueramt Utm für baS Rechnungsjahr 1905 
angefe^te ®emeinbe=@infommenS= unb ©emeinbefapitatfteuer 
im betrage non 28 9Kf. 29 $f. an bie Stabtgemeinbe Utm 
ju entrichten unb bie Steuer, fotange er in ReroUlm roohnt, 
aud) für bie fotgenben Rechnungsjahre nach SJlafjgabe feines 
jeroeitigen ®ienft= unb ftapital=@infommenS ju bejahten. 

2Jtit Urteil »am 26. September 1907, auf beffen 3m 
halt im übrigen hier 33ejug genommen roitb, hat bie ft. 
ft'reiSregierung bie fttage atS unbegrünbet foftenpflidhtig ab= 
geroiefen. ©egen biefeS am 5. Oftober 1907 bem fßrojel» 
beoottmächtigten ber Klägerin, ©emeinberat ft', in Utm, ju= 
gefteltte Urteil hat biefe am 31. Oftober 1907, hienach 
red)tjeitig unb orbnungSmäjjig ^Berufung an ben ft. 5Ber= 
roattungSgeridhtShof eingelegt unb beantragt, unter Stufhebung 
beS Urteils ber ft. ftreiSregierung im Sinne beS ftlageantragS 
©ntfcheibung ju treffen, auch bem S3erufungSbeftagten bie 
ftoften beiber Qnftanjen jujufcheibcn. 2)er S3eftagte, S3e= 
rufungSbeftagte hot um foftenfältige ^uriicfmeifung ber 33e= 
rufung gebeten. 3n ber münbtiihen 93erhanblung not bem 
ft. SSerroaltungSgerichtShof hat ber allein erfdjienene 9Ser= 
tretet ber SerufungSftägerin feinen Stntrag bahin einge* 
fdjränft, ju erfennen: ber üöeftagte, S3erufungSbef tagte fei 
fchutbig, auS feinem bem S3efteuerungSrecf)t beS roürttemb. 
Staats untertiegenben $ienfteinfommen bie ihm oom ft. 
SejirfSfteueramt Utm für baS Rechnungsjahr 1905 ange> 
fetjte ©emeinbeeinfommenfteuer im betrag oon 28 9Jtf. 29 ißfg. 
an bie Stabtgemeinbe Utm ju entrichten, auch bie ftoften 
beiber Qnftanjen j U tragen. 

II. ®ie ©runbtage für bie ©ntfcheibung ber corliegero 
ben {frage enthalten bie Strtifel 19 unb 20 (©emeinbe* 


Digitized by Google 



SSeiäiefjung b. SBeamtcn u- Offiziere j. b. ©cmeiiibcfteuein i. Ulm. 327 

fapitalfteuer), forote 2lrt. 24, 2G unb 28 (©emeinbe=@in= 
fommenfteuer) be§ @emcinbefteuergefehe§ oom 8. 21uguft 1903. 

21 rt. 19 beftinunt, baf? in $infid)t auf ©teuerpflicf)t, 
Steuerbefreiung — für bie ©emeinbefapitalfteuer bie Ve» 
ftimmungen be§ ftaatlicfjen ®teuergefet)e3 „mit folgeitber 
Vtafjgabe" jur 2(nmenbuug ju fommen hoben. 

21 rt. 20 in feinem t)ief)er gehörigen Seil befagt: 

J)ie ©teu erpf licf)t gegenüber ber eittjelnen 
©emeinbe ift abhängig non bem SBohnfih, bei beut» 
fdjen Staatsangehörigen, roeldje im beutfd)en SHeid) ober in 
einem beutfdjen Schutzgebiet feinen SBohnfilj hoben, fomie 

bei 21uslänbem non bem 21uf enthalt in ber be» 

treffenben ©emeinbe. 21rt. 1 2lbf. 5 unb 6 beS 
©infommenfteuergefetjeS finben entfprecfjenbe 21nroenbung. 

•Spat ein Steuerpflichtiger in mehreren inlänbifdjeit ©e= 
meinben feinen SBofjnfit}, fo teilen fid) biefe ©emeinben ju 
gleichen Jeden in baS VefteuerungSredjt. Jie bie ©e* 
meinbeeinfommenfteuer regelnben Vorfdjriften ber 21rt. 24, 
26 unb 28 be§ ©emeinbefteucrgefetjeS ftimmen, inforceit fie 
für ben gegenroärtigen galt in Vetracfjt fommen fönnen, mit 
bem Inhalt uon 21rt. 19 unb 20 roörtlich überein. 

Jie ©ntfdjeibung fp©t fid) bemnaef) barauf ju, ob ber 
Veflagte im ©teuerjaljr 1905 an bem für bie Veranlagung 
majjgebenben Jage (1. 2lprit) in ber ©tabt Ulm einen 
SBohnf© im ©inne ber angeführten gefehlten Veftimmungen 
gehabt hot ober nid)t. JarauS ergibt fid) oon felbft, bafj 
ber Verfügung beS barjrifcfjen ginanjminifteriumS unb ber 
auf biefe ficf) bejiehenbett Söeifung ber roürttemb. ©teuer* 
behörbe, nunmehr bie in 2ieu»Ulm roohnenben roürttemb. 
Veamten unb Offiziere jur ©infommen* unb Äapitalfteuer 
für bie ©tabtgemeinbe Ulm hctcmjujiehen, eine mafjgebenbe 
Vebeutung für bie Veurteilung ber strittigen §rage iüd)t jo* 
fommen fann. Jenn entroeber hoi auf ©tunb ber Ve* 
ftimmungen beS @emeinbefteuergefet)e§ bie Verpflichtung jener 
in 91eu*Ulm roohnenben ©eamten unb Offiziere, in Ulm ®e= 
meinbeeinfommen» unb ©emeinbefapitalfteuer ju enteilten, 
^a&rbUiStr ber SBilrtirmb. XX. 8 . 23 


Digitized by Google 



328 (Sntfdjeibmtgeu be§ 2)erlDaltiing8flertcf)t?bof2. 

»on nornherein, alfo aud) fcfjon oor ©rlafj jener Verfügung 
beftanben; ober fie beftefyt nach SJlafjgabe bei ©emeinbe» 
fteuergefetjei überhaupt nicht, bann fann fie aucf) nidjt burcf) 
bie Befreiung ber betreffcnben ißerfonen »on ben batjrifdjen 
Umlagen ermöglid)t roorben fein, mögen nun bie SBeweg» 
griinbe für bie (Einleitung biefer Befreiung auf ber einen 
ober anbern Seite gemefen fein, welche fie wollen. 

III. ©i ift unbeftritten, baj) ber SÖeflagte im ©teuer» 
jaf)r 1905 roeber in Ulm nod) fonftmo innerhalb SBürttem» 
bergi, oielmel)r auifchliefjlicf) in 9teu=Ulm gewohnt Ijat. 
®er Slnfprud) ber Klägerin fann bemnach nur bann be= 
grünbet fein, wenn nad) 2 lrt. 20 ( 2 lrt. 26) bei ©emeinbe» 
fteuergefet 3 ei neben bem natürlichen tatfädjlidjen SBohnftt) 
auch ber bienftlidje SB o h n f i t) einen felbftänbigen 
äierpfüd)tungigrunb im ©ebiet ber ©emeinbefapital» unb 
©emeinbeeinfommenfteuer bilbet. Umfaßt ber begriff bei 
SBotjnfitjei in 9lrt. 20 unb 26 bei @emeinbefteuergefet)ei 
aud) ben bienftlidjen SBohnfitj, fo ift fein , 3 n>eifel, bafj im 
oorliegenben ffall ber ©tabt Ulm bem ©eflagten gegenüber 
b a i o o 1 1 e ©emeinbebeftenerungirecht jufommt, aud) wenn 
biefer nach batjrifchem 9ied)t, weil in 9leu=Ulm mohnenb, 311 
ben baprifchen Umlagen hernngesogen mürbe ; benn neben 
Ulm all ber ©enteinbe bei bienftlidjen SBohnfitjei, beftünbe 
eine fonfurrierenbe mürttemb. SBohnfitjgemeinbe im ©inne 
bei Slrt 20 2Ibf. 3 unb 2lrt. 28 bei ®emeinbefteuergefet)el 
überhaupt nicht. 3 n einem ffalle, in welchem ein ©teuer» 
pflidjtiger neben einem bienftlidjen 2Bof)nfitj nod) in einer 
anberen ©emeinbe, aber gleichfalls innerhalb SBürttembergi 
feinen tatfäcfjlidjen SBoljnfit) häU^ müßten hingegen beim 
SRangel abmeichenber 93orfd)riften bie bciben beteiligten @e» 
meinben fid) 31 t gleichen teilen in bai 93efteuerungired)t 
teilen (2lrt. 20 9lbf. 3 unb ülrt. 28 a. a. O.). 

1 . ©egen bie 9lnnat)me, bafj unter bem SBofjnfit) im 
©inne bei @emeinbefteuergefet)ei aud) ein bienftlicher SBötm» 
fit) gemeint fei, fönnte barauf hingewiefen werben, bajj 
nad) bem bü 3 um 1. Slpril 1905 in ©ettung gewefenen ©e» 


Digitized by Google 



'-Seiäief)uiifl b. '-öeamttit n. Offijiere j. b. ©emeinbtftcuern t. lUm. 329 

fetj trom 5. 3uni 1853 betreffenb bie Sefteuerung be§ @in= 
fommenä iron Apanagen, Kapitalien unb Renten, foroie be§ 
'JÜenft* utib 33eruf§einfommen§ für bie Qrvede ber 2lmt3= 
förperfdjaften unb ©enteinben (2lrt. 3), bie Steuerpflidjt 
lebiglid) an ben 2Bol)nfit) im Sinne be§ tatfäcf)lid)en 
2Bol)nen3, unter 3lu§fd)luß be3 bienfttidjen 2Bof)nfit)e§ ge= 
fniipft mar (oergl. aud) roürttemb. ^Jafjrbüdjer 33b. 11 
S. 117 ff.), mie benn aud) nad) ber $arftellung ber Klägerin 
felbft früher, »or 1. Slpril 1905 ©emeinbefapitalfteuer 
non ben in 9teu=Ulm roof)nf)aften roürttemb. Offizieren unb 
Beamten niemals erhoben roorben ift, unb bafj in ber ©nt* 
ftel)ung§gefd)id)te be§ jetzigen ®emeinbefteuergefet)e3 fiel) 
nirgenb§ ein 2lnf)alt§punft bafür finbet, baff in biefent 
fünfte eine Slenbcrung gegenüber bem bi^tjerigen Dtecf)t§= 
juftanb tiabe Ijerbeigefüfjrt roerben roollen. ©3 liefje fid) 
roeiter geltenb madjen, bafj ber Segriff be3 bienftlirijen 
2Bol)nfit)c§ fein natiirlicfjeS 3lnroenbung§gebiet im Sereid) 
ber ft a a 1 1 i d) e n bireften Steuern l)abe, baf) er bort — eine 
$olge be§ 9ieid)§gefet)e§ rcegen Sefeitigung ber $oppel= 
befteuerung — 33erücffid)tigung fjabe finben müffen, unb jroar 
fdjon nor ben bie StaatSbefteuerung regelnben ©efetjen »om 
8. 2lnguft 1903, itmfjrenb nad) feftftefjenber Seljre auf ba§ 
©ebiet ber ©emeinbefteuern jene U3orfd)riften be3 9tei<f)§ge= 
fetjeä gegen bie 2)oppelbefteuerung fief) nid)t erftreefen (oergl. 
f)ieju roürttemb. ^abrbüc^er 23b. 11 S. 218; 33b. 12 S. 62 
u. 63). 2luf ber anbern Seite freilief) ift and) nid)t in 216* 
rebe ju ftellen, bafj ba§ jet)ige ©emeinbefteuergefet) bie Igird) 
ba§ 9teid)§gefet) für ba§ ©ebiet ber ftaatlidjen Sefteuerung 
gefdjaffenen 2)ejd)ränf ungen , roenngleid) redjtlid) feine 
Nötigung baju beftanb, bod) tatfädjlid) aud) für feinen 
2Birfung§frei§ beamten roollte unb, roie bie ©eftaltung ber 
©emeinbefapital* unb ©emeinbeeinfommenfteuer al§ reiner 
3ufd)lag§fteuern jeigt, and) roirfücf) beachtet f)at. (SSergl. 
Serl). ber Kammer ber 3lbgeorbneten Seil. 50 oom 5. $uni 
1901 S. 404. Serljanblungen ber Kammer ber Stanbe3* 
Herren, Kommiffion3berid)t uom 1. gebr. 1903 Seil. XY r lI 

23* 


Digitized by Google 



330 ©iitfdjeibungen bc§ ®enDaItimg§gend)te^of?. 

S. 28 ff. unb Sitjung nont 7. Jebr. 1903, ^ßrot. Sb. S. 665 ff.). 
Sobann fann immerhin gefagt werben, baff ber 2Bort= 
finn beS ©efetjeS, wenn biefeS »out SBohnfit) fd)led)tt)iu 
rcbet, ben bicnftlicfjcn SGßofjnfitj an unb für fid) nod) nidjt 
auSfchliefjt, oielmehr mit einer 2luSlegung, welche beibe#, 
ben natürlichen unb ben bienfttidjen äßohnftt) umfaßt, oer» 
trägücf) erfcfjeint. Dem ftel)t aud) ber Umftanb nicht ent« 
gegen, bafj in 2lrt. 20 2tbf. 2 unb 2lrt. 26 2lbf. 2 beS 
©emeinbefteuergefeheS nur bie 2lbf. 5 unb 6 be§ 2lrt. 1 
beS GinfommenfteuergefeheS als entfpredjenb anmenbbar er« 
flärt finb, nid)t bagegen ber oom bienftlidjen SBohnf© h fl n» 
belnbe 2lbfatj 4 beS 2lrt. 1. 

Denn abgefehen »ott ben befonberen Grwägutigen, roeld)e 
jur Sfufnahme beS im Gntwurf nic^t enthaltenen 3itatS 
(2lrt. 1 2lbf. 5 unb 6 Ginfommenfteuergefelj) geführt haben — 
oergl. hteju Serhanblungen ber Kammer ber StanbeSfjerren 
a a. D. — , beftefjt barüber fein 3 ,öe if e ^ bafj ber 2frt. 1 
21 b f. 3 beS GinfommenfteuergefeheS, welcher bie Definition 
beS tatfäd)lid)en SöohnfitjeS enthält, obwohl in 2lrt. 20 unb 
26 beS ©emeinbefteuergefeheS gleichfalls nicht befonberS er» 
wähnt, bennodj aud) im ©ebiet bet ©emcinbebefteuerung 
noll anweitbbar ift; fo fönnte auch gegen bie entfprechenbe 
2lnmenbung beS 2lrt. 1 2lbf. 4 G.St.öef., wiewohl er im 
©emeinbefteuergefet} nicht genannt ift, feine Ginwenbung er- 
hoben werben, uorauSgefeht nur, ba| bie ©eltung beS bienft« 
lidjen SBohnfitjeS als felbftänbige ©runblage ber ©emeinbe« 
fteuerpflidjt fonft feftftef)t. 

2. Sßenn fo nach bem bloßen SBortlaut beS ©efe^eS 
ber Segriff beS 2öof)nfi^eS in 2frt. 20 unb 26 beS @e= 
meinbefteuergefeheS fowohl im Sinne beS natürlichen SBolp 
nenS wie beS bienftlichen SBohnfitjeS gebeutet werben fann, 
fo fommt bod) gegen ben 2lnfprud) ber Klägerin entfcheibenb 
in Setradjt bie Datfache, bafj fowohl ooit feiten ber Die» 
gierung als »on ben beiben Stänbefaminern nicht blof? ge» 
legentlid) unb oereinjelt, fonbern wieberholt unb überein« 
ftimmenb ber Meinung 2(uSbrud oetliehen worben ift, bajj 


Digitized by Google 



Söeijieljuug b. Beamten u. Offijiere 3. b. ©emeinbefteuern i. Ulm. 33 1 

bem b i e n ft l i d) e n 2Ö 0 h ti f i h im ©emeinbebe* 
fteuerungirecf)t feine Bebeutung 5 u f 0 m m e, 
SB 0 f) n f i h f>ier »ietmefjr auifdjliefjlich im © i n n e 
be§ t a t f ä d) l i d) e n 2 B 0 h n e n i oerftanben fein 
fotte. 

©cf)on bie Begrünbung bei Df e g i e v u n g i e n t = 
ro u r f i ju 2trt. 20 (Berhanblungen ber Hammer ber 2lbg. 
a. a. 0. ©. 464) fprid)t fid) mit notier $eutlid)feit baijin 
aui: „3m ©egettfat) jur ©taatifteuer fetjt aber bai ©rfor* 
bernii bei Söohnfihei f)ier ein roirftidjei SBohnen ooraui; 
ber bloß bienftlidje ©it) genügt nid)t. Söenn bemnad) ein 
in Ulm angefteüter Beamter in Dteu-Ulm roohnt, fo ift er 
in Ulm nicht gemeiubefapitalfteuerpflichtig". Unb für bai 
©ebiet ber ©emeinbeeinfommenfteuer ift bei Strt. 26 auf 
biefe Begrünbung auibrücftid) f)ingeroiefen roorben. 

®er Hommiffion§berid)t ber Hammer ber 21 b * 
georbneten (Beit. 158 00m 14. 3uni 1902, ©. 406) 
bemerft &u 2lrt. 20: . . $ie jroeite Borauifetjung ift ber 

SBofjnf© (b. f). roirHidjei SBotjnen im ©egenfat) jurn btof? 
bienfttidjen ©itj)"; unb ju 2trt. 26 (©. 414 a. a. 0.): 
„2Bie bei ber ftapitalfteuer, fo ift auch bei ber ©infommen* 
fteuer bai Befteuerungired)t ber ©emeinben auf biejenigen 
ißerfonen befdjrcinft, roeld)e in ber ©emeinbe rootjnen . . 
3m fßtenum ber 2tbgeorbnetenfammer haben bie Slnträge ber 
Hommiffion ju ben genannten 2lrtifeln bebattetoi Annahme 
gefunben. Oßrotof.Bb. oon 1902, ©. 2703 unb 2719.) 

3n bem Hommiffioniberidjt ber Hammer ber 
©tanbeitjerren j U 2t rt. 20 (Beit. XVII ©. 28 00m 
1. Februar 1903) finbet fid) ber ©ah : „®iefe Beftimmungen 
(bei Hapitalfteuergefehentnmrfei) bitben nid)t ohne roeiterei 
eine genügenbe ©runbtage für bie ©emeinbefapitatfteuer, ba 
hier fpejiett ber SBohnfit) beju). Aufenthalt in ber ©emeinbe 
entfd)eiben muff, aud) bie Beoorjugung bei bienftlidjeu 2öol)n= 
fitjei feine Berechtigung hat . . $u 2lrt. 26 (©emeinbe* 
einfomntenfteuer) ift auf bie 2tuiführungen ju Art. 20 aui* 
brücftid) Bejug genommen toorben. 3> n Plenum ber I. 


Digitized by Google 



332 (Julftfitibiingeit be£ SenDaltuiigSflmdjteljofi- 

Kammer finb btefe ©äße toörtlirf) mieberßolt morben unb 
unbeanftanbct geblieben. (©ißung uont 7. gebruar 1903, 
ißrotof.Sb. ©. 665 ff.). 3n bet 176. ©ißung ber Stammet 
ber 2lbgeorbneten oom 19. SHai 1903 fobann (ißrotof.Sb. 
uon 1903, ©. 3910) ßat bet ©taatlminifter bei 
.3 n item, oeranlaßt burd) eine Semerfung im Sericßt ber 
©teuerfommiffion ber Stammet bet 2lbgeorbneten, über bie 
Sefcßlüffe ber 1. Stammet junt ©emeinbefteuergefeßentrourf, 
mo gefagt mar, baß nidjt ber SBoßnfiß im ©inn bei 2lrt. 1 
3lbf. 3 bei ©infommenfteuergcfeßel beim ©emeinbefteuer* 
gefeß Slnmenbung §u finben tjabe, fonbern ber SBoßnfiß bei 
bürgerlichen IKedjtl, — oergt. Stert), ber Stammet ber 2lbg. 
Seit. 252 uont 7. SJtai 1903 (©. 595 unb 599) — „um 
■äRißoerftänbniffe jit uertjüten" folgenbel aulgeführt: „Die 
Definition bei SBohnfißel, mie fie in bem 2lrt. 1 bei ©in* 
fommenfteuergefeßel gegeben morben ift, ftimmt oottftänbig 
überein mit ber Definition bei SBohnftßel in bem Doppel« 
befteuerunglgefeß. 3n beut ©emeinbefteuergefeß aber ift eine 
befonbere Definition bei Segriffl „SBohnfiß" nicf)t gegeben. 
Da aber bie ©emeinbefteuern, bie t)ier in Setracßt fomnten, 
atfo fpejielt bie Stapitatfteuer unb bie ©infommenfteuer, 
bloße 3ufd)laglfteuern ju bett ftaatlicßen ©teuern finb, fo 
oerftetjt el ftd) uon felbft, baß in ber tHeget berjenige 
Scgriff bei 3Bot)nfißel, ber für bie ftaatlidje ©teuer 
maßgebettb ift, aud) für bie ©etneinbebefteuerung ntaßgebenb 
fein muß, unb nur beim bienftlidjen SBotjnfiß oerßält 
fid) bie Sadje anberl. SBäßrenb ber bienftlidje Söofptftß 
nad) bem Doppetbefteuerunglgefeß maßgebenb ift für bie 
ft a a 1 1 i cß e Sefteuerung, geht bie ©enieinbebefteuerung ba* 
von aul, baß nid)t biefer fingierte Sßoßnfiß entfdjeibenb ift, 
fonbern ber natürliche, ber tatfäd)lid)e 2Bol)ufiß. 3” biefent 
i)3unft allein unterfcßeibet ftcß ber SBoßnfiß bei Stommunal* 
fteuergefeßel oont SBotjnfiß bei ftaatlid)en ©infommenfteuer* 
gefeßel." ©ine ©inroenbung ßiegegett ift meber in ber ftd) 
anfdjließettben Debatte ttod) fonft oott feiten ber 
St a nt m e r ber 21 b g e o r b n e t e n geltenb gemarijt roorbett. 


Digitized by Google 



SSeiäteOuiig b. Beamten u. Dffijiere 3 . b. ©emeinbefteuem t. Ulm. 333 

3m St'ommiffionSberidjt, unb fpäter im Plenum b e v 
Sammet ber ©tan besserten bagegen (nergt. Seit. 
XXXI 00 m 27. 3itni 1903 ©. 5 unb ©it^ung oom 2. 3uli 
1903, ^3rotof.5)b. ©. 909) ift auf biefe 3leu§erung auS» 
brücfticf) 93ejug genommen unb unter 5)eftcitigung beS non 
bem 9tegierungS»ertreter eingenommenen ©tanbpunftS (in 
bem t)ier allein entfdjeibenben ißunfte) wörtlid) bemerft 
roorben: . . „9tur bev befonbere galt beS bienftlidjen SBoljtw 
fitjeS, ber aucf) im ©infommenfteuergefetjentwurf 2lrt. 1 (roie 
im SJoppelbefteuerungSgefet}) eine befonbere 93ef)anbtung 
gefunben fjat, fotl bei ber ©emeinbebefteuerung abweidjenb 
oon ben beiben ©taatSfteuern ottne SBebeutung für bie ©teuer» 
pflicfjt bleiben." 

IV. tiefer ©ang ber ftänbifcfjen 33erl)anblungen beroeift 
beutlid), bafj nad) bem 2Sillen bes ©efetjgeberS nur ber 
tatfäd)tid)e, niemals aber ber bieitftlicfye 3öol)nfits bie 33orauS« 
fetjung unb ©runbtage für baS 53efteuerungSred)t einer 
mürttembergifcfjen ©emeinbe im ©ebiete ber ©infotnmen» 
unb täapitalfteuec bitben fofl. $)afj aber ber äBortlaut beS 
oerabfdjiebeten ©efetjeS (3lrt. 20, 26 unb 28) mit einer 
fold)en Auslegung woljl oereinbar ift, bebarf einer weiteren 
3tuSfüt)rung nicfjt. 

®amit ift aufjer Zweifel gestellt, bajj bem bienftlidjen 
5Sofjnfit) als 23orauSfe£ung ber fubjeftiuen ©teuerpflidjt im 
@emeinbefteuerred)t feine ©eltung jufommt. SBoljnfitj im 
©inne beS ©emeinbefteuergejetjeS ift oielmeljr gleidjbebeutenb 
mit bem begriff beS tatfäd)lid)en SBofjnenS in Slrt. 1 3lbf. 3 
beS ©infommenfteuergefetjeS unb § 1 bcS ateicfjSgefetjeS nom 
13. SJlai 1870 wegen 53efeitigung ber 2)oppelbefteuerung 
(ju oergl. audj Urteil beS akrmaltungSgeridjtsfjofS uom 
10. Oftober 1906, württemb. Qatjrbüdjer $8b. 18 ©. 358). 
$ie ajolljugSoerfügung jum ©emcinbefteuergefe^ nom 22. 
©eptember 1904 (Steg. 531. ©. 263, ©ammlung ber württemb. 
©taatSfteuergefetje 53b. II ©. 466 ff.) gibt biefen ©inn beS 
©efetjeS mit ben SBovten wieber : „'JJie ©emeinbefteuerpflidjt 
ift in berjenigeit ©emeinbe ju erfüllen, in roelcfjer ber 


Digitized by Google 



334 (Sntidjeibimgen beä ! 8 eriunItmtg§gencf)tSf)of 3 . 

Steuerpflichtige feinen Wohnfitj fjat, b. f). in roelcfjer er 
eine Wohnung unter Umftanben inne tjat, roerrfje auf bie 
3Ibftd)t ber bauernben ©eibehattung einer folcfjen frf>Iiefeen 
taffen, ©egenfat* jur ©taatifteuer ift aber bei ben im 
9?eicf)§= ober ©taatibienft ftefjenben ißerfonen, roeldje in 
Württemberg einen mit beni tatfäd)licf)en Wohnfih nicht ju= 
fammenfattenben bienftlicfjen Wotjnfih fjaben, bie ©emeinbe= 
fteuerpflid)t nidjt an ben bienfttidjen Wotjnfih, fonbem an 
ben tatfäd)lid)en Wohnfit} gefnüpft." (§ 29 3*ffer 2 2lbf. 1 
unb § 34 Biffer 2 2tbj. 1 bafelbft.) 

2)aff in einem $alle n»ie bem oortiegenben, roo ber 
Steuerpflichtige meber am Orte feinet 2)ienftfihei, noch 
fonftmo innerhalb Württemberg^ einen tatfäd)Iichen Wohnfih 
hat, bie mürttemb. ©emeinbefapüat= unb ©emeinbeeinfonnnen» 
fteuerpflicht überhaupt für ihn entfällt, roeil ei an ber 
©orauifehung tatfächlichen Wohneni im Sanbe fehlt, mag 
unbillig roirfen, ift aber nach Wafjgabe bei beftefjenben 
9tecf)ti nicht ju änbern. 

Y. 9tad) bem 2luigefül)rten hat bie ^reiiregiernng ben 
2lnfpruch ber Klägerin mit 9ted)t ali unbegrünbet abge= 
gemiefen. ®ie Berufung fann hiernach einen ©rfolg nicht 
haben jc. 3C. 

Urteil oom 22. Januar 1908 in ber ©erufungifache ber 
©tabtgemeinbe Ulm gegen ben Cberjahlmeifter ©pr. in 
DteudUm. 

28. 

Jur JFrnge brr Mebrriraguitg eines itffentlirtjrn $JulTrr= 
mt^ungsrrthts auf einen aitberen ©i-nnbbrltfeer. 

21 u i ben © r ü n b e n : 

@i fehlt aber überhaupt an bem -JJachroeii einei orb= 
tiungimäfjigen Uebergangi bei mit ber SSIeiche nerbunbeneit 
9tuhung§recht§ auf bie Klägerin. 

®ai ber $. ©taatSfinanjoerroaltung ali ©igentiimerin 
bei 23leitf)eguti jugeftanbene Waffernutjungirecht mar ein 
öffentliche^ s -)hti}ungived)t. 


Digitized by Google 



3ur Srrage b. Uebertragung c. Bffentl. SBaffermtfeunggreditS :c. 335 


®ie ©rmS bei U. ift ein öffentliches ©eroäffer im ©inne 
beS 2trt. 1 beS ©affergefetjeS, fie ift bei ber Sänge ihres 
Saufs, ihrer ©tärfe unb ihrer BenügungSart ohne 3 rc,e *f e ^ 
auch frfjort 5 ur 3eit ber (Errichtung ber Bleiche im Qahre 
1599 als folcgeS angefehen roorben. ®ie Benützung ber 
öffentlichen ©eroäffer beS SanbeS ju ©affertriebroerfen unb 
anberer ftänbiger ©afferentnahme, toie foldje ber oorliegenbe 
gatl ertjeifchte, mürbe fdjon bamalS als ein |>oheitSrecht 
ber SanbeSfjerrfchaft betrachtet, fie mar oon ber herrfchaft« 
lidjen Beroilligung abhängig, bie als foldje ber SanbeShoheit 
entflog, öffentlicher Slrt mar unb eine bem öffentlichen Stecht 
angehörige Berechtigung fchuf. 

SBürttemb. ©er.BI. VIII 370ff.; ©ürttemb. 2lrd)io I 
252, 272/73, 410/11, II 315, XIV 266. 

$ag bieS im oorliegenben gall anberS fid) oerhalten 
follte, ift burch nichts angejeigt. Siamentlid) ift unerheblich 
für bie rechtliche Statur beS 1599 für baS Bleichegut ge« 
fd>affenen StutjungSrechteS, bafj eS mit einem ber .fperrfdjaft 
gehörigen fßrioatgrunbftiicf oerbunben mürbe, ©beitfo, bajj 
ber ©runb unb Boben jur Slitlegung beS BleidjegrabenS 
oon ber .£>errfchaft oor beffen Slnlegung ju (Eigentum er« 
roorben mürbe. @S mürbe h^tiurch nid)t einmal an ber 
Oeffentlichteit beS abgeleiteten ©afferS etroaS geänbert, 
©ürtt. Slrchio I 262, 273, II 314, XI 114 ff. 256; 
Begr. jum ©ntrourf beS ©affcrgefegeS Stieber ©. 22, 
fallet S. 4, 

nod) weniger an ber rechtlichen Statur beS an ber ©rmS ins 
Seben gerufenen StutjungSrechtS. 2lud) bie 2trt ber 2luS= 
nugung beS BleidjegutS unb bannt ber ©affernugung fcitenS 
ber |)errfd)aft burd) Berpad)tung fonnte fo roenig als ber 
roieberholte Berfauf beS ©utS famt ber mit ihm oerbunbenen 
Berechtigung an ber öffentlid)=rechttid)en Statur biefer 
©affernuhung etroaS änbern. £)aS einmal für baS Bleiche« 
gut oerroilligte Stedjt fonnte jmar mogl in Berbittbung mit 
bem bajugehörigen Befigtum als £aufd)roert in ben B^ioat« 
rechtSoerFehr übergehen, mie bieS aud) für baS heutige Stedjt 


Digitized by Google 



33G (Sntfcfjcibungen bes S8ertua[tung?gerid)ti'l)of£. 

burd) 9lrt. 39 be§ SEBnffergefe^eS auSbrücflicf) anerfannt ift, 
e§ rourbe aber fyteburcf) feiner öffentlirf>en 9lrt nidjt entfteibet. 
äBiirtt. SXrdjiu I 252. 

9lucf) ba§ oott ber Klägerin angeführte heriogliche 3le* 
ffript oont 11. 9lpril 1786, 

91ften beS gittanjardjioS ihtbroigSbutg 93b. 10, 93eil.ju /67, 
burd) baS einigen il . . . ern 95Mefenbefit)ern bie Gr= 
laubttiS jur SBäfferung ihrer Söiefen au§ bent 93leid)e* 
graben gegen 9lnfat) eines ßinfeS mit Ginfd)ränfung auf 
bie $eit non abenbs 8 llhr bis morgend 2 Uhr erteilt 
rourbe, oermag hieran nichts ju änbern. QnSbefonbere ift 
nicht erfichtlicf), inroiefern bie in bem Grtaf? gegebene 93e> 
grünbung ber seitlichen Ginfd)rättfung „bamit unferer herr= 
fd)aftlid)en Vlcidje auf {einerlei 91 rt ber ©ebraucf) beS 
9ßafferS entjogett roerbe“ gegen bie öffentlich-rechtliche Dlatur 
beS 9Saffernut)ungSrechtS ber 93leid)e fprecf)ett foll. 

.fpanbelt es ftd) bentnad) jroeifelloS um ein öffentlich- 
red)tlid)eS 9tut)ungSred)t, fo ift nicht roeniget ficher, bafj 
biefeS 9tut3ungSred)t für baS 93leid)egut beftellt unb bei 
feiner 93eftellung mit biefem oerbunben rcorben ift. Gin 
berart mit einem ©runbftücf ober einer 9lntage oerfnüpfteS 
SluhungSrecht geht nach heutigem 9ied)t — 9lrt. 39 beS 
2öaffer=@efet)eS — unb ging nach früherem, inSbefonbere 
aud) für bie hier in betracht fommenbe geit geltenbem tHedjt, 
äöürtt. 9h'd)io I 252, 93egr. b. GntiourfS beS Sßaffer- 
©efetjeS lieber <&. 288, fallet ©. 119, Söürtt. Qahrb. 
VII 348/49, 

mit bem ©runbftücf ober ber 9lnlage nott fetbft auf ben 
Rechtsnachfolger beS urfpriinglid) berechtigten über, fann 
aber unb fonnte nid)t als felbftänbigeS 9ted)t oon bem 
©runbftücf ober ber 9lnlage abgelöft unb auf ein anbereS 
©runbftücf übertragen werben, ©eine Uebertragung auf eilt 
anbereS ©runbftücf ober eine anbere 2Bafferbenüt)ungSattlage 
fe^te neue Verleihung uorauS. 

Gin Uebergattg mit bem ©runbftücf ober ber SBaffer* 
beitühuttgSanlage hat nun int uorliegenben gall nicht ftatt* 


Digitized by Google 



3 «v Ofroge b. Ueberti aginig e. öffentl. 2 Gaffevmifemtg§red)tg jc. 337 

gefunben, biefe fiub oietmefjr im $al)re 1857 burd) Äauf 
oon ber $. StaatSfinansoerwaltung auf bie Seflagte über» 
gegangen, ©inem gänjlid)en ober teilweifen Serjid)t feiten^ 
ber Ä\ ©taatSfinan^oerwaltung pgunften ber Klägerin 
fehlte eS aber, menn fo(d)er in ben Äunbgebungen ber 
Sinanjfammer 00 m 2. SJJai 1838 unb 8. Februar 1840 unb 
bem Vertrag oorn 8. Dejember 1850 je erblicft werben 
fönnte, fotite er ben Uebergang ber SBaffernutpng an bie 
Klägerin wirftid) IjerbeifiUjren, an bem ^injutritt ber ftaat» 
liefen Sßerleitjung. Die Klägerin glaubt jwar einen bie 
Serleitjung erfe^enben DiegierungSaft in ben ©rtaffen beS 
ginanjminifteriumS oorn 19. 2lpril 1838 unb G. gebruar 
1840 erbtiefen ju fönnen. hierin fann ifjr aber nid)t bei» 
getreten werben, benn fjiejn f)ätte eS bem $inanjminifterium 
an ber erforberlidjen 3 u ftänbigt‘eit gefehlt. Durd) bie 3«= 
ftruftion oorn 21. Dejember 1819 (Sfeg-Sl. 939) war 
bie ÜBatjrung ber lanbeSfjerrlidjen unb ,£)ot)eitSred)te im 
Innern in jeber Söejieljung ben ftreiSregierungen in Unter» 
orbnung unter baS ft'. SJUnifterium bes Qnnern übertragen, 
benfelben Sef)örben ftanb aud) ju bie ©rteilung ber ©r» 
laubniS jur Anlegung oon 3Jiüf)ten unb SBafferwerfen f§ 6, 
Sud)ft. g unb § 17 $iff. 8); ber ft'reiSregierung war aucf) 
Vorlage ju madjen, wenn eS fid) anläfjlid) eines fpocfjbauS 
ergab, bafj non bem Sauluftigen ein 9Jtüt)len= ober 2Baffer= 
wert angelegt werben wollte ober irgenb eine Söafferbenütpng 
(mit 3luSnal)me ber Srunnen) beabficfjtigt war (Serf. ber 
Departements beS Innern unb ber fyinanjen uom 1. 5lo» 
oember 1820, 9ieg.Sl. <B. 585), in ber Serorbnung ber 
SRinifterien beS Ämtern unb ber ginanjen 00 m 15. 9io» 
oember 1822, § 5, Dteg.Sl. ©. 855, wirb angeorbnet, baf) alle 
ben SBafferbau im allgemeinen unb bie ^lufjbaupolijei in§= 
befonbere berüfyrenben Serfügungen oon bem ft. Sftinifterium 
beS Qnnern unb ben biefem untergeorbneten Seljörben aus» 
get)en follen; ausgenommen unb ber ginanjbeljörbe oorbe» 
galten bleiben allerbingS bie SBafferbauten ber bem Staate 
jugetjörigen 3Tiüt)lwerfe unb Domänen, aber nur infofern 


Digitized by Google 



338 (Sntfdjeibuitfleit beS 3?ertBaItuitg?gevid)t^f)ofg. 

bet Staat fyiebei «ic£)t oon 0berauffid)t§n>egen, foubem al§ 
©runbeigentümer beteiligt ift. fietjterer Aufgabe, bet ber= 
tretung be§ Staats als ©runbeigentümerS, fmb aud) bie 
{finanjminifterialerlaffe oom 19. 9lpril 1838 unb 6. ffe= 
bruat 1840 erftoffen unb eS ift ihnen hienad) eine barübet 
hinauSgehenbe bebeutung nic^t jujumeffen. 

Urteil oom 19. gebt. 1908 in ber beruf.=Sad)e ber 
medjan. glad)3fpinnerei jc. U., Älin. ber.=SUin , gegen 
bie ©. 3Berner*Stiftung jc. in 9t., befl. ber.=betl. 

29. 

Pas gehört ?unt itnlngekapital einer Jlrtuaibaljn im 
finite bes GtifrnhaljttgcfdffS? 

^n ben ©rünben ift auSgeführt: 
bei ber fad)lid)en Söürbigung finb bie beiben beS inneren 
3ufamment)ang§ entbehrenben befchroerbepunfte gefonbert ju 
bebanbeln. 

1. Qtt ber UonjeffionSurfunbe oom IG. ^uli 1900, mit 
ber jugleicb aud) bie 9iebeneifenbal)n oon Slalen über 9tereS* 
beim nad) ballmertShofen genehmigt roirb, ift in § 31 bie 
Sportel für bie ©rteilung ber ft'oitjeffton nad) biajjgabe ber 
9tr. 21 beS Sporteltarifs auf ben betrag oon 400 2)tf. feft» 
gefegt. bon biefer Sportel hoben bie beteiligten, roaS nidjt 
ju beanftanben ift, auf bie bahn oon Reutlingen nad) @ön= 
ningen ben hälftigen betrag mit 200 SDtf. oerrecbnet. 2>er 
Sporteltarif oom 28. Sejember 1899 (9?eg.=bl. S. 1343) 
enthält in 9tr. 21 unter ber Ueberfchrift „©ifenbahnbau unb 
betrieb" für bie ©rlaubniS an Rrioatunternehmer eine 
Sportel oon 50—1000 31t t. ; biefe Sportel hot hiernach ben 
rechtlichen ©hovaf'ter einer ©ebübr, einer bergiitung für bie 
amtlid)e ü£citigfeit ber ftaatlidjen behörben bei ber Prüfung 
ber borauSfetjungen, bebingungen unb ißläne für ben 
bau unb ben betrieb oon )ßrioatbat)nen. Soweit 
biefe amtlid)c Jätigfeit unb bie bofür beftimmte bergütung 
fid) auf ben bau einer briootbahn bejietjt, erfdjeint bie .Uon* 


Digitized by Google 



2Bn8 fldjöit 311 m 2lnlaflcfapital einer ißribatbcifni :c. 339 

5effion§fportel at§ eine burd) ben Sau ber Sahn oeranlafjte, 
für bie .fperftellung ber Sahn nottoenbige 2lu§lage unb ba» 
mit ab» ein Seftanbteil be3 2lnlagefapitab§ ber Sahn. ®a 
bie ©portel in gleicher 2Beife für ben @ifenbal)nbau unb 
betrieb oorgefefjen ift, entfpricfjt e§ in (Srmangelung eine§ 
anbeooeitigen, bem ©efeße ju entnel)inenben SerteilungSmaß» 
ftab§, foroot)! bem SBortlaut be§ Tarifs al§ ber Silligfeit, 
bie ©portel je hälftig 511 Saften be§ Saue§ unb be3 Se» 
trieb§ ju ©errechnen. ®ie angefod)tene ©ntfd)eibung, bie im 
SBiberfprud) liiemit bie ganje ©portel mit 200 9Jlf. bei ber 
Serecßnung be§ Slnlagefapitalö abgeftridjen tjat, toar baf)er 
inforoeit außer SBirfung ju feßen, rooburd) fid) ba§ 2lnlage» 
fapital gegenüber bem in ber angefochtenen @ntfd)eibung 
feftgefeßten betrag um 100 3JU. erhöht, fomit ben betrag 
oon: 1130858,42 9Jif. erreid)t. 

2. 3)er jmeite Sefd)ioerbepunft betrifft bie f^rage, ob 
bie oon ber Sefd)toerbeführerin berechneten Soften ber ©elb» 
befcßaffung im betrage oon 36675 Ü9U. ju bem Einlage» 
fapital ber Sßrioatbahn im ©inne be£ ©efet)e§ gehören. 
®a§ ©ifenbahngefeß 00m 18. 3lpril 1843 jpridjt in ben 
Slrt. 7—9, bie auf ©runb oon Anträgen au§ ber Kammer 
ber Slbgeorbneten beigefügt roorben finb unb nebft bem 2lrt. 6 
oon ber ©rbauung oon 3 I ^*cigeifenbal)nen burcf) ißrioatunter* 
nehmet hcmbeln, oon bem Slnlagefapital foldjer ^rioatbahnen, 
ohne biefen begriff näher ju erläutern, ^n § 23 ber Kon» 
jeffionäurfunbe 00m 16. $uli 1900 finb über Da3 ©rrner» 
bung§red)t be§ ©taatä folgenbe Seftimmungen getroffen: 
„®em ©taat bleibt oorbefjalten, ba§ Eigentum ber Sahnen 
unb jtoar jebe einjelne Sinie für fid) mit allem Zubehör an 
beioeglid)en unb unberoeglidjen Setrieb§mitteln nad) folgen» 
ben ©runbfäßen ju enoerben: 

a) 3>ie Abtretung fantt nicht früher al§ nad) Slblauf 
oon 25 fahren 00m Seginn beS SetriebS ber oollenbeten 
Sahn ab geforbert merben; 

b) bem Unternehmer muß bie auf bie Uebernaljme ge» 
richtete 2tbfid)t minbeftenS ein Qafjr oor bem Jag ber 


Digitized by Google 



340 ©ntfdjtibimgcn be8 SJeriüaltiniflSgendügljofä. 

Uebernahme angefünbigt roerben; 

c) bem Kaufpreis roirb, roentt ber Rnfauf oor bem 2lb= 
lauf cinc§ 50jäf)rigen ©etriebS erfolgt, ber 25fad)e ©etrag 
ber burd)fd)nittlid)en Reineinnahme ber bem 2lnfaufStermin 
oorauSgchenben 5jät)rigen ©etriebSperiobe jugrunb gelegt, 
jebod) barf biefer ÄaufSpreiS bie »om Unter nel) nt er 
auS eigenen Mitteln a u f g en> en b e t en Slnlage* 
foften nebft einem ,ßufd)lag oon 10 ©rojent biefer Summe 
nicht überfteigen. 

©rfolgt ber 2lnfauf nad) Ülblauf eines 50jährigen ©e= 
triebS ober ift ber 25fad)e ©etrag ber burdjfdjnittlicfjen Rein» 
einnaljme ber bem SlnfaufStermine oorangetjenben 5jätirigen 
©etriebSperiobe Heiner als bie oom Unternehmer 
auS eigenen ÜJHtteln aufgeroenbeten 2lnlage= 
foften, fo follen biefe als Kaufpreis uergütet mcrben. 

®ie ©röfje beS ton bem Unternehmer auS 
e i g e n en 9Jt i 1 1 e l n auf getoenbeten 2lntagefapi= 
t a l S roirb alSbalb nad) ©ollenbung ber einzelnen Strecfen 
für jebe gefonbert auSgemittelt. 

3US Reineinnahme ift bie Summe anjufehen, um roeldje 
bie ©etriebSeinnahme bie in bem betreffenben RechnungS» 
fahr aufgeroenbeten ©erroaltungS», UnterhaltungS* unb ©e= 
triebSfoften einfchliefjlid) ber oorgefd)riebenen Rücflagen in 
ben ©rneuerungSfonbS, jebod) auSfd)licfjlid) ber auS biefem 
fyonbS ju beftreitenben SluSgaben überfteigt. 

Sofern bie Reineinnahme 4 ^Prozent ber ton b e in 
Unternehmer auS eigenen Mitteln a n f g e* 
roenbeten er ft maligen Slnlagen jitjüglid) 
jener ber fpäteren ©rroeiterungen unb @r= 
gänjungen überfteigt, roirb ber 3JM)rbetrag an Rein» 
einnahnte auf ben oom Staat geleifteten ©aufoftenbeitrag 
(§ 2) unb auf bie gefamten übrigen Slnlagefoften ber ©ahn 
im ©erhättniS ber bezüglichen ft'apitalbeträge oerteilt. ®er 
auf ben Staatsbeitrag entfallenbe Slnteil biefeS RteljrbetragS 
fomrnt bei ©rmittlung beS ÄaufpreifeS an bem gefamten 
Reinertrag in Slbjug. 


Digitized by Google 



2Ba« gehört 31011 Slnlaaefapital einer SPriüatbafin jc. 341 

SERit Uebergabe ber bahn ift aud) ber gefamte ©rneue« 
runglfonbl an bett Staat abjuliefern.“ 

®iefe beftimmungen berufen auf einer bereinbarung, 
auf einem öffentlid)«rechtlid)en Vertrag jmifdjen ber Staat!« 
regierung unb bem bauunternehmer unb bienen bem boll« 
jug bet eifenbahngefehlidjen borfchriften ; e§ ift baljer ein 
©inoerftänbnil ber beteiligten barüber ju unterteilen, baf? 
unter bem gefetjlid)en Anlagefapital nid)t§ anbere! ju oer« 
ftefjen ift, all bie oont Unternehmer au! eigenen Mitteln 
aufgeroenbeten Anlagefoften ober bie oont Unternehmer aus 
eigenen Mitteln aufgeroenbeten erftmaligen Anlagefoften 511= 
jiiglid) jener ber fpäteren ©rroeiterungen unb ©rgänjungen. 

@1 fragt fid) noch, roa! bie befd)roerbeführerin unter ben 
Soften ber ©elbbefcfjaffung oerfteljt. ®ie Aftien« 
gefellfdjaft babifdje £ofal=Gcifenbahnen ju Karlsruhe h at 
nad) ©rlangung ber St'onjeffion mit bertrag oont 10. April 
1901 bie ©rbauttng ber beibett bahnen 5Reutlingen=@önnin=> 
gen unb Aalen«ballniert!hofen auf ©runb oon Stoftenooran« 
fd)lägen gegen oereinbarte ^3aufd)alfä^e an bie SBeftbeutfche 
©ifenbahngefellfchaft ,su ftöln oergeben, beben ben tatfäcf) 5 
lidjen Aulführunglfoften fittb hiernach all baufoften oer« 
rechnet roorben: Sitel XIII berroaltunglfoften, jur 3>ecfung 
ber burch ben bau erroachfenett eigenen Untoften 15 000 9JK., 
ferner Sitel XIV .QifäDerlufte roährenb ber baujeit 50 000 
Sbarf, enblid) Jitel XV @elbbefd)affung unb 3)i!agio 36675 
SDtarf. bejüglid) bei lebten Sitel! ift in bem bertrage be« 
rnerft: „Ster unter 2itel XV aulgeroorfeue betrag für ©elb« 
befchaffuttg roirb oott ber babifdjen £ofal«@ijenbahngefellfcbaft 
jur ®edung biefer Äoften einbehalten.“ darüber, au! roel« 
djen einzelnen ^3oftcn fid) ber betrag oon 36675 btf. 51t* 
fammenfeht, gibt bie oorliegenbe Abrechnung feine Aulfunft; 
in bem ®oftenüoranfd)lag für bie bahn oon Aalen nach 
ballmertlhofen ift ber entfpredjenbe $itel im betrage oon 
45000 ÜJtf. bahitt erläutert: „Stoffen ber ©elbbefdjaffung 
für ein Kapital oon runb 1800000 2JU. : $ifagio für be« 
gebung ber Obligationen ber babifchen ©efellfdjaft, Stempel« 


Digitized by Google 



342 ©ittfdjeibunßen beS SJtrtoaltungSgeridjtbfiofS. 

unb .£jerftellungSfoften ber Obligationen, 2,5 ißrojent auS* 
madjenb", unb bie gilberbahngefellfdjaft, ber im Satire 1905 
oon bem berechneten 2lnlagc!apital ebenfalls bie Soften bet 
©elbbefdjaffung mit 5077,86 9JW. oon bev $ Regierung abge* 
ftridjen roovben finb, hat nach einer am 27. 2lpril 1905 oor* 
gelegten 3 u f amnien f* e ü un 9 barunter namentlid) begriffen bie 
ftoften ber (Einberufung einer ©eneratoerfammlung ber 3lf tionäre 
jur Semilligung beS SaueS unb ber SluSgabe neuer 2lftien unb 
Obligationen, bie Soften ber (Einträge ber Sefcfjlüffe biefer ©ene* 
ratoerfammlung in baS ^anbelSregifter, bett 2lufroanb auf bie 
neuen 2lftien unb Obligationen an Sporteln, Stempelabgaben, 
Srudloften, s )3fanbbeftetlungS= unb SeglaubigimgSgebührett, 
an ißrooifionen unb Qnferaten. ®ic als „©elbbefdjaffungS* 
foften" bejeichnete Summe ift hiernach nid)t an ben Unter* 
nehmet ber Sauarbeiten für bie Seiftung oon baulidjen 2lr* 
beiten befahlt, fonbern oon ber bie Sauarbeiten oergebenbcn 
©efetlfcfjaft oerroenbet roorben, um ficf) bie §u Sejahlung ber 
Sauarbeiten erforberlichen ©elbmittel ju befchaffen; biefer 3luS* 
gabefteht baher ein ©egenroert in ber Sal)nanlage nicht gegenüber. 

(Entfdjeibenb für bie äöürbigung ber ftreitigen $rage 
ift bie Auslegung beS eifenbafjngefetjlichen SegtiffS beS 2ln* 
lagefapitalS. SBenn nun auch eine auSbrüdlidje unb un* 
mittelbare Sorfchrift in ber tHidjtung fehlt, bafj bie ©elb* 
befdjaffungSfoften in bem erläuterten Sinne oon bem er* 
ftattungSfähigen 2lnlagelapital auSäufchliejjen finb, fo laffen 
fich boch forooht auS ber ©ntftehungSgefchidjte beS ©efe^eS 
als auS bem baS ©efeh beherrfd)enben ©ebanlcn Slnhalts* 
punfte bafür gemimten, bafi nach ber 2lbfid)t beS ©ifenbahn* 
gefetjeS bie ©elbbefdjaffuugSfofien nicht ju bem erftattungS* 
fähigen Slntagefapital gehören, ©etangt man ju biefer SluS* 
tegung beS (EifenbahngefetjeS, fo fann bie für bie (ErftattungS* 
fähigleit nid)t mafjgebettbe 5 ra 9 e bahingeftellt bleiben, ob, 
toenn eine 2lftiengefellfd)aft eine ©ifenbahn erftetlt unb be* 
treibt, ber gefamte bei ber ßerftellung ber Sahn erroachfene 
2lufroanb einfdjlie^lich ber Stoften ber ®elbbefd)affung ju 
bem 2lnlagelapital ber Slftiengefellfdjaft gemäfj ben fauf* 


Digitized by Google 



2BaS gehört jum Slnlagefapital einer Sßviuatba^ii zc. 343 

männifdjen 2lnf<hauungen unb ben jetzigen SSorfc^riften be§ 
.fpanbelSgefehbudjä gehört. 

2>er (Sntrourf be§ @ifenbahngefehe§ hobelte in feinen 
beet 2lrtifeln nur oon ber ®edung bet auf Koften b eä Staate 
ju erbauenben ©ifettbafjnen unb enthielt noch nirf»t ben 2tuö= 
bruef „Stnlagefapital" ; aber fac^tid) befdjäftigt fid) forooht 
ber Begleitung§oortrag be§ 3ttinifter3 al3 ber KommiffionS* 
berid)t ber Kammer ber 2tbgeorbneten auch bezüglich ber 
@taat§bahnen eingehenb mit beut SJlnlagefapüat unb mit 
beffen Befd)affung unb oorau^fichtüctjer ^Rentabilität. 2)ie 
3tu§brücfe „3t n I a g e f 0 ften", „© r ii n b u n g § E a p i toi", 
„®rünbung§= unb 2lu3ftattung3aufroanb'' 
merben abroechfetnb unb gteichbebeutenb mit ber Bezeichnung 
„Ülnlagefapital" oerroenbet unb eä rcirb mehrfach betont, 
baff bie mährenb bes Baueä ber Bahnen erroachfenben ,3in» 
fen ben Stnlagefoften jujurechnen finb; e§ roirb baooti aus= 
gegangen, baj) ber 2(ufroanb für ben Bau ber Staat§bal)nen 
burd) oerjinsliche Staatsanleihen ju beefen ift; nirgenbS aber 
in ben eingebenben (Erörterungen über bie ©röfje, Bentabiti» 
tat unb Befcfjaffung beS hMnlagetapitalS merben bie mit 
ber Befd)affung ber 3lnlehensmittel erforbertichen Koften 
ju bent 3lnlagefapital ber Staat§bal)nen jugefdjlagen (oergt. 
Berhanbluttgen ber Kammer ber Slbgeorbneten oott 1841/43 
Bb. 23, söeit. -£>eft 4 S. 1—25, 27 — 220, inSbefonbere 
Seite 15, 16, 116, 160). SBenn bann bie Kammer ber 9tb= 
georbneten im Slnfchluffe an bie Begutachtung be§ 9Jegie= 
rungSentmurfS roeitere Beftimmungen über bie (Erbauung 
oon ißrinntbahnen uorfcf)lägt unb in biefe ben Begriff be§ Sin» 
lagefapitalS einführt, fo fann nicht atiberS angenommen 
merben, als bafj biefer 2luSbrucf bezüglich ber Bnoatbahnen 
benfetben Sinn hat roie bezüglich ber Staatsbahnen, baf? barunter 
alfo bie Stntagetoften mit (Einfd)lu§ ber Baujinfen unb unter 
'ilusfchlufj etroaiger ©elbbefd)affung§foften ju oerftehen finb. 
hierauf meifen auch einige Steuerungen hi«/ bie bei ber 
Beratung beS ©efetjentrourfS in ber 135. Sitjung ber Kant» 
mer ber Slbgeorbneten oom 25. Januar 1843 gefallen finb. 

^ahrfcil^r b<r Silrttemb. ^echtepflege. XX. 3. 24 


Digitized by Google 



344 ®ntfcf|eibuii0en bei 2?ertüaltim0lgencf)18l)ofs. 

Ser 2lbgeorbnete g-reihert »on Sinben wollte für bie ®r- 
roetbung ber ^rtoatbafynen burd) ben Staat bie ©runbfätje 
bet ©rpropriation anroenben unb [teilte in biefet 9iicf)tung 
bie [frage : „SBarum roill man [agen, bie einfache ©rftattung 
be§ 9lnlagefapital§ [olle genügen, bie ®efellfd)aft [olle nad) 
all it)vev 9Jliit)e unb 2lnftrengung nad) ißerfluß non 25 Qah» 
ven nid)t§ weiter befomntett, al§ ba§ au§gelegte $api» 
tat?“ Ser Sllinifter non Sd)lat)er entgegnete hierauf : „Sie 
58ri»atunternel)mer erbalten bas (Eigentum an ©runb unb 
58oben nid)t unbebingt, if)V ©igentum ift ein re»ofable§, fie 
fönnen nur eine ©ntfdjäbigung »erlangen, roenn fie e§ ab» 
treten müffen; unb [inb fie nun nicht entfcfjäbigt, roenn man 
ihnen i b r Sf a p i t a l n e b ft ben $ i n f e n nad) bent 
laufenben Zinsfuß , gegenroärtig 3 */ a %, j u r ü cf gibt? 
(oergl. a. a. O. 53b. 10, s }3rotofoll »oni 25, Januar 1843 
S. 7 u. 8). 

Slod) ift ein roeiterer ®efid)t§punft ju beadjten, ber ju 
berfelben Sluffaffung führt. Sie beiben 53erid)terftatter, bie 
9lbgeorbneten »ott SBemer unb Sörtenbad), h fl hen in ber 
Sitzung ber Slbgeorbnetenfantmer »otn 25. Januar 1843 
übereinftimmenb ba§ ftaatlidje @rroerbung3red)t an ben 5)Sri= 
»atbahnen als ein nad) bamaligent roürttembergifd)en Siecht 
juläffige§ „anbebingteS Sofung§red)t" bejeicßnet 
(»ergl. a. a. C. S. 25 unb 26). 53ei ber 9lu§übung eines 
foldjen Sofung§= ober 9ietraftred)t§ nutzte nach ben hiefür 
maßgebenben ©runbfähen ber ©eneral»crorbnung »om 
2. SJiärs 1815 (9ieg.»58t. S. 79), inSbefonbere giff. HI lit. r 
ber Sofung§bered)tigte ben Kaufpreis be§ @runbftücf§ unb 
bie übrigen burd) ben Äauf »erurfachten rechtmäßigen Soften 
j. S. SBeinfauf, 5Bertrag§foften, ®erid)t§fporteln, nicht aber 
bie für bie 58efcf)affung be§ Siaufpreife§ aufgeroenbeten Stoften 
erfehett (»ergl. ©erber, Spftem be§ beutfd)en 5ßrioatred)ts, 
13. 2lufl. 1878 § 17G Siote 10 — 12, Sang, roiirtt. Sachen» 
red)t, 2. 2lufl. Seil 2 S. 319 Siote 92, 5Bürtt. Slrchi» 
53b. 6 S. 204, 58b. 21 S. 235, 58ofd)er§ 3eitfd)rift 58b. 22 
S. 66, 58b. 24 S. 232). 


Digitized by Google 



2i?a$ gehört 311m Stntagcfapitnt einer 5ßvioatbnf)ii 2c. 345 

2 (ucf) innere ©rünbe fpredjcn für ben 2 lusfcf)luf} ber 
®elbbefd)affung§fofteu oon bent erftattung§fät»igen SXntage- 
fapital. ®ie gefeßlidjen 33orfd)riften über bie ©rroerbung 
ber ißrioatbahnen burd) ben Staat bejroecfen ber Statur ber 
<5ad)e nad) eine gleichmäßige Slnroenbung für alte oorlom* 
metiben Sülle. S‘U' bie Berechnung ber ©röße be§ erftat- 
tungsfätjigen 2 tnlagefapital§ ift baßer ein objeftioer in alten 
Stillen gleichmäßig raitfenber SJtaßftab ju unterftellen. ©inen 
foldjcn bilben bie Bal)nf)erftetlung§fofteu jujügtid) ber Bau- 
jinfen; fie ftetlen ben nnrttid)en SBert ber Baßnanlage bar, 
mie er fid) nad) ben ^rei§uerl)ältniffen jur 3 eit ber ©rftel- 
tung ber Sahn geftaltet; bie fämtlidjen Seite be§ 3lnlage= 
fapital§ tragen babei jur Begrünbuug be§ SBerti ber Baßn- 
anlage bei; mit ber 'Bahn erl)ält ber Staat ben bem Anlage» 
tapitat entfpredjenben ©egenrcert. Qm Unterfd)iebe 511 ben 
für bie ©rftellung ber Baßn tatfädjlid) bejahten Stoffen 
tragen bie ©etbbefd)affung§foften einen zufälligen, nicht fo= 
mol)l burd) bie Baßnanlage al§ burd) bie $erfönlid)leit beö 
93 af)nunternet)mer§ bebingten ©I)arafter : fie müffen nid)t 
notroenbig oort)anben fein unb fönneti je nach ben perfön- 
liehen Sßerhaltniffen be§ Unternehmers, ber eine «ermögliche 
©injelperfon, eine fapitatfräftige ©emeinbe, eine mohlfun- 
bierte 2 lftiengefellfd)aft ober aud) eine fchmadje ©efellfcfjaft 
mit ungeniigenbent Sirebit fein fann, einen fef»r «erfcf)iebenen 
Umfang annehmen ; ben SBert ber Baßnanlage oermögen fie 
nie ju fteigern, fie ftnben feine SluSgleidjung burd) einen 
eutfpredjenben ©egenmert innerhalb ber Baßnanlage. Soll 
baher ba§ ©efetj gleichmäßig für alle Unternehmer oon 
^riuatbahnen milden, fo eignen fid) folcße ©elbbefd)affung§- 
toften nid)t jur ©inbejiel)itng in ba§ erfiattungSfäßige 2 ln= 
lagefapital. 

9iad) biefen Ausführungen erfdjeint bie angefochtcne 
©ntfdjeibung infomeit gered)tfertigt, als fie ben ^often oon 
36675 SJtf. Stoßen für ©clbbefchaffung oon bem erftattungS- 
fähigen Anlagefapital abgeftrichen hat; bie Befdjmerbe mar 
in biefem fünfte als unbegriinbet jurüefjumeifeu. 

24 * 


Digitized by Google 



346 Gntfcf)eibuiifl«n beä SSeiJüaltunflSgevic^tsfjof^. 

Urteil oont 11 . SJlärj 1008 in bet S^edjtSbefrfjroerbefadje 
bet SEBürtt. 2 ofal=@ifenbal)nen :c. in ©t. 

30. 

Stnpitalfteneryflidjt bet (Erben wäfjrrttb btr Uemttigung 
bes Jfarijlnflts. 

®ie © r ü n b e b e f a g e n : 

I. $ie ®f>efrau beS Vefd)werbefüf)rerS ift ju V 24 @rbin 
ber am 9. SJtärj 1906 geftorbenen KaufmannS»3öitwe DJ. 
®. in U. geworben. $n bem Placfpafj befanb ftrfj and) 
Kapitaloermßgen, beffen Zinsertrag nad) bem ©tanb oorn 
1. 'Jlpril 1906 anerfanntevmafjen pd) auf 29081.65 9)if. 
belief. ®ie SluSeinanberfetjung beS SJfadpaffeS l)at evft auf 
1 . Oftober 1906 ftattgefunben. ®er Vefdjwerbefüpver ift 
ber Meinung, bafj bie KapitalfteuerpPidjt für ben 2lnteil 
feiner ©tjefrau an biefem 3 in§einfommen nur infoweit be= 
grünbet fei, als if)t foldjeS nad) Sftapgabe ber SluSeinanber» 
fet^ung wirflid) jugepoffen fei; über 2 lbjug ber auSgefe^ten 
Vermädjtniffe unb ber ©rbfdjaftSfteuer werfen bie feiner @be= 
frau im ®rbgang jugefommenen Kapitalien nod) einen Zal)» 
reSertrag oon 1086 9Jff. ab, nur auS biefem betrag bürfe 
bemgemäfj bie Kapitalfteuer angefetjt werben. %as Ä. Käme» 
ralamt U. bagegen Ifat als fteuerbaren Srtrag beS auf bie @t)efrau 
O. entfallenben KapitaloermögenS ber ®rbfd)aft 1/24 an ben 
oben genannten 29081,65 9Rf. = 1211,70 2Rf. (ober abge» 
runbet 1210 -Dlf.) jugrunbe gelegt unb bemgemäfj bem Ve= 
fcfjwerbefütjrer pierauS eine Kapitalfteuer »on 24,20 9Jlf. für 
ben ©taat unb 12,10 2ftf. für bie ©tabtgemeinbe U. be= 
rechnet. Sie gegen biefen Sltifatj fid) ridpenbe Vefdpoerbe 
ift äuuäd)ft oon bem K. Steuerfollegium, 2 lbt. für birefte 
■Steuern, unb bei weiterer Verfolgung oon bem K. fjinanj» 
minifterium, oon biefem mit ©ntfdjeibung oom 9. Zanuat 
1908, als unbegrünbet jurüdgewiefen worben. 

©egen bie am 22. Januar jugeftellte ÜDHnifterial» 
©ntfdjeibung t)at ber Vefdjwerbefüfyrer mittels eines am 


Digitized by Google 



$tal)italfteuerpflid)t b. färben iuafjr. b. Sereintgimg b. Slatblaffel. 347 

25. Januar 1908 bei betn K. Qinanäminifterium eingefom» 
menen ©d)riftfahe§, hiernach redjtjeitig unb orbnunglmafjig, 
bie 9tecf)t§befd)iüerbe an ben Kgl. ©erroaltung§gericht§hof 
eingelegt. 

II. Sie ©efdpoetbe ift nicfjt begrünbet. s Jtad) Slrt. 4 
Slbf. 1 unb 2 be3 KapitalfteuergefetseS liegt bie Kapital* 
fteuerpflid)t bemjenigeit ob, roeldjem ba§ 9iedt)t jum ©ejug 
be§ Kapitalertrags ober ber Siente jufteht, roobei ©rträgniffe 
auS Kapitalien ober Renten ber ©hefrau oon bem ©bemann 
ju oerfteuem fitib. SllS fteuerbarer ©etrag ift gemäfj Slrt. 8 
Slbf. 1 biefeS @efet)e3 ber oolle QahreSertrag ber Kapitale 
unb Stenten nad) bem ©eftanbe bei S3egimt be§ ©teuerjaljreS 
ot>ne Slbjug oon ©chulbjinfen ober Saften anjufehen. Qm 
oorliegenben Qalle mar am beginn be§ ©teuerjahrS 1906 
bie SluSeinanberfetjung beS jurn Stachlajj ber Sßitroe S. ge» 
hörigen, oon biefer nod) für ba§ ganje oorangegangene 
©teuerjahv oerfteuerten KapitaloermögenS nod) nicf)t ooll» 
jogen; am 1. Slpril 1906 ftanben hiernach bie im 9tad)laji oor» 
f)anbenen Kapitalien toie bas fonftige Stadjlafjoetmögen nod) 
im gemeinfchaftlichen ©igentum ber ©rben, jeber SJtiterbe 
mar hieran ju feinem Slnteit berechtigt (§§ 2032 unb 2033 
©©®.) unb h“tte infotoeit aud) Sfnfprud) auf ben ©rtrag 
ber Stachlafjfapitale. 

Sie @rbengemeinfd)aft als foldje ift nad) bem Kapital» 
fteuergefehfomenig mie nach ©inf ommenfteuerrecht felbftänbige r 
Sräger ber ©teuerpflicht (Slrt. 3 be§ Kapitalfteuer=©efet)eS ; 
©öj, ©infommenfteuer, ju Slrt. 2, ©. 45, ißiftoriuS, ebenba, 
2. Slufl. SInm. 12, ©. 21). Qebem SJJiterben lag bemgemäf) 
auch in ^öhe feines erbrechtlichen SlnteilS bie Kapitalfteuer» 
pflidjt ob, unb jtoar bilbete ben fteuerbaren ©etrag beS ein» 
Seinen ©rben im ©imie beS genannten Slrt. 8 K@. ber fei» 
nem ©rbanteil entfprechenbe oolle QahreSertrag ber oerjinSlichett 
Kapital» 11 . f. ro. Qorberungen nad) bem ©tanb oont 1. Slpvil 
1906, alfo ohne jeben Slbjug unb namentlich ohne 9^ücfftcf)t 
barauf, welche ©ercinberungen ber jur ©rbfdjaft gehörige 
Kapitalbeftanb nach bem 1. Slpril, nod) tocihrenb bei SIuS» 


Digitized by Google 



348 ®ntfdjtibuugen be« 2krlBfl[timg$gevicf}t$ljof^ 

einanberfebungSuerfabrenS ober nad) 9lbfd)luf} beSfelben in 
ber .fjaitb beS einzelnen ©rbeti etroa erleiben mochte. 2Rit 
Üiccfjt ift bemgemäjj für ben ©teuernnfatj beS S8efct)ruex*be= 
füfjrer^, welcher n ad) 2Irt. 4 9lbf. 2 beS Kapitalfteuer=©efebeS 
bie ©rträge ber SrbfdjaftSfapitale feiner ©fjefrau mit feinem 
übrigen .ßinScinfommen j U uerfteuern bat, ber erbbereditigte 
Anteil feiner <$t)efrau an jenem 3inSerträgniS unter 3ugtunb= 
tegung ber tiad) bem 1. 91pril 1906 fid) ergebenben Bered)* 
ituitg, b. b- ber betrag uon 1211,70 ÜJtf. als mafigebenb 
erachtet tnorben. $er Ocinroanb beS BefcbmerbefübrerS, ba| 
nur bie wirtliche QsinfotnmenSuermebrung tiad) 9lbjug inSbe* 
fonbere ber auf ber Gcrbfdjaft rubenben Vermädbtniffe 
ju befteuern fei, ift b> enac b für bie b^r allein in grage 
fommenbe Kapital ft eueroeranlagung hinfällig ; 
er märe nur für bie bem Gerbanfall entfpredjenbe Gr in* 
fommenfteue rfefifetjung bes BefcbmcrbefübrerS für 1906 
uon ©rbeblicbfeit , biefe ift aber überhaupt nicht ange* 
fod)ten. 

$afj ber non bem Befcbwerbefübrer aitgejogene 91rt. 15 
9lbf. 2 beS Kapitalfteuer*©efebeS im uorliegenbett $aüe teine 
9lnwenbung finbet, meil eS fid) um feine 3u9<ing§ueran= 
lagutig rcäbvcnb beS ©teuerjal)rS, uielntebr um bie orbent* 
liebe Veranlagung ju Beginn eines ©teuerjabrS fjanbelte — 
nur auS 3roecfmäfjigfeitSgrünben b<*t bie ©teuerbebörbe bie 
ffertigftellung ber 91uSeinanberfetjung abgeroartet — , bah 
übrigens aud) bei 3ugrunb(egung ber Borfdjrift beS 9lrt. 15 
eine uon oorftebenbem abmeicbeitbe Beurteilung ficb nicht er* 
geben mürbe, ift febon uon bem K. ©teuerfollegium jutreffenb 
auSgefübrt morben. 

Urteil oom 19. gebr. 1908 in ber Kapitalfteuer=9ieditS= 

befd)merbefad)e beS 9191. 0. in U. 


Digitized by Google 



3. Jraßcb. (Siiifoimii«ii|teuerpflid)t aueut. 3t»dguicbevlniiungenx. 349 


31. 

3nr /rage ber tfinkomnieulleMcrpflidji auswärtiger 
3meigmrberin!TnHgen unb ber Anteile mit Qterotmte 
auswärtiger OSefeUfriiaftru mit befdjräuhter Haftung. 

21 u § ben © r ü n b e n : 

3u bent erften Streitpunft, betreffenb bie Söefteuerung 
eines Seils be§ IHeiugewinnS au§ ben aufjerwfirttember» 
gifdjett unb (ba ber betrieb in £>. aufjer «Streit ift) jugleid) 
aucf) aufjerbeutfd)en gnieberlaf fun gen in 

üöürttemberg, ift nad)beftef)enbes ju bewerten : 

2!a§ ©infomtnen einer offenen IjaitbelSgefellfdjaft, wie bie 
^irniaß. §t. ®öf)ne in £. e§ ift, ift gemäfj 3lrt. 13 @inf.St.@ef. 
C3iff. 3) uon ben einzelnen Seitt)abern nad) SJtafjgabe il)te3 2ln= 
teils ju uerfteuent. 3um fteuerbaren ©infommett gehört nacf) 
2lrt. 6 3iff- 2 ©.©t.©. u. a. baS gefamte ©infommen be§ ©teuer* 
Pflichtigen au§ bent ^Betrieb eines ©enterbeS. 9tad) 2trt. 3 
ülbf. 1 lit. a beS ©efefceS unterliegen ber ©infonttnenfteuer 
ohne 91ücEfid)t auf ©taatSangefyörigfeit, SBobnfit} ober 2luf* 
enthalt alle Ißerfonen mit bent ©infontmen au§ ben itt 2ßürt= 
temberg betriebenen ©enterben. 2litbererfeit3 ift nad) 2lrt. 8 
3iff. 1 @inf.©t.©ef. oott ber ©infommenfteuer ausgenommen 
baS ©int'onttnen auS ben aufjerljalb SBürttembergS betriebenen 
©enterben. 3)ie Steuerpflicht erftredt fid) bentttad) nur auf 
bie in SBürttemberg betriebenen ©enterbe ittfonteit, als bie 
Ausübung im Sanbe ftattfinbet. $ür ben ftall, baff ein unb 
berfclbe ©etuerbebetrieb fotuofjl itt SBürttemberg als aufjer* 
halb SBürttembergS ftattfinbet, folgt hierauf, bafj jebent ber 
beteiligten Staaten baS 9tcd)t ber SBefteuerung fomeit ju= 
fteht, al§ ber betrieb be§ ©eroerbeS in feinem ©ebiet auSgeübt 
tuirb. 2IIS iBorauSfegung für bie Söefteuerung in SBürttem* 
berg bleibt f)iettad) immer ju prüfen, imoienteit ittt ©injelfall 
gefagt ttterben fantt, bafj bas ©enterbe tatfäd)Ud) in SBürt* 
temberg betrieben tuirb ; nur berfenige 5 eil beS ©eiuinnS 
fantt in SÖürttemberg jur 23efteuetuug gesogen werben, ntel* 


Digitized by Google 



350 


(Sntidjeibmigen beä S3evroaItuitgsgedd)t&f)of*. 


ctjer auf ben im Sanbe betriebenen Seit beS ©eroerbeS ent» 
fällt. @ine 93erücffid)tigung beS OrteS ber im 3nlanb be» 
finbticfjen ©efd)äftsleitung als eines mefenttitfjen bie $nan= 
fprudjnabme eines Seils beS ©eroinnS auS bem auswärtigen 
betrieb rec^tf ertigenb en 2 fler!mat§ ift bei biefer Prüfung uttbe» 
fdjabet beS ©runbfaljeS, bajj ber auswärtige ©emevbebetrieb im 
Sanbe nicht befteuert roerben barf, burdjauS juläfftg; aber 
bie 2lnnat)me, baf? bie faufmännifdje Seitung auef) für ben 
außerhalb SöürttembergS ftattfinbenben betrieb ganj ober teil» 
meife im Sanbe, am <Sit) beS roürttembergifcfjen Betriebs 
fid) befinbet, tmig juwor einroanbfrei feftgefteltt fein. (®ös, 
©infommenfteuergefetj <S. 51 unb 57; ^ßiftoriuS, ©inf'.St.» 
©ef. 2. 2lufl. <B. 24 unb 40; guifting, @inf.©t.®efet 5 
7. 2lufl. ©. 46). 3m oorliegenben Satte, roo ber ©enterbe» 
betrieb feine |>auptnieberlaffung in SBürttemberg unb — non 
$. abgefefjen — eine SReibe non ^roeignieberlaff ungen aujser» 
halb SeutfcbtanbS tjat, fantt bemnad) baS auS biefen 3roeig= 
nicberlaffungen füeffenbe gewerbliche ©intommen in SSürttem» 
berg jur ©infontmenfteuer nur gesogen roerben, roenn unb 
foroeit ein ©inftufj ber am .gtauptfit) beS ®efd)äft§ befteben» 
ben ©efcbäftSfübrung auf bie ©rjielung beS auswärtigen 
©efcbäftSertragS uorbanben ift. Ob biefe 33orau§fet}ung 
jutrifft, unb bejabenbenfatlS roie bod) ber auf bie in Söürt» 
temberg befinblid>e ©efdjäftSleitung ju red)nenbe Stnteit am 
gewerblichen ©infommen ber auswärtigen gweignieberlaf» 
fungeit §u bemeffen ift, fann nur nad) ben gefamten gefdjäft» 
lieben Sßerbättniffen beS Unternehmens beurteilt unb ent» 
fdjieben roerben. 9Rag aud) eine geroiffe SBermutung bafür 
fpredjen, bafj im SBerbältniS sroifdjeti $aupt» unb 3roeig« 
nieberlaffung eines unb beSfelben $anbelSgefd)äftS bie ®e» 
fdjäftSteitung am .fpauptfit) sugleid) auch ben betrieb ber $roeig= 
nieberlaffung mitbeftimmt, tatfäd>lid>e Unterlagen unb 3)e» 
roeife £)iefür bat beim SBiberfprud) beS (Steuerpflichtigen bie 
(Steiterbebörbe su erbringen, roeldje mit einer foldjen ^e= 
bauptung einen Seil beS auswärtigen ©eroerbecinfommenS 
für bie roürttemb. 33 eftenerung beanfprudjt (511 oergl. aud) 


Digitized by Google 



3- Srage b. 6iitfominenfteuerBflid)t aulir. 3't>etgnieberlaffiiiigcn ?c. 35 1 

bie preufnfdje 9ied)tfprechung in ©infommenfteuerfachen 
Sb. 5 ©. 386). 

s Jiun beftreiten bie Sefcf)merbefühvev unb haben non Anfang 
an auf baS entfdjiebenfie Beitritten, baff nom ßauptf© ber 
Sirma in S. aus irgenb eine ^Beteiligung an ber ©efchäftSleitung 
ber auswärtigen ^rceigmebetlaffungen (oonß. abgefetjen) ftatt= 
finbe; fie haben geltenb gemacht, bafj biefe auswärtigen ßweignie» 
berlaffungen noEfommen felbftänbig bem SubwigSbutger ©e= 
fdfäft gegenüberftehen, unb fie haben aus biefem ©runbe ihr 
©infommen au§ ben auswärtigen Setrieben nicht angegeben unb 
inSbefonbere aud) in ihre ©infommenfteuererflärung für 1906 
nirfjt mit einbejogen. S)ie ©infdjähungSfommiffion war 
bemgegenüber, nadfbem fid) bei ihr gegen bie 9tid)tigfeit 
ber ©teuererflärungen in biefer Sejiefyung Sebenfeti erhoben, 
auf ben 2öeg beS Hirt. 54 @inf.©t.@ef. angewiefen. ©ie 
hat benn aud) bie nad) ihrer Stuffaffung gegen bie 9tid)tig= 
feit ber ©teuererflärungen fpredjenben ©rünbe ben ©teuer» 
pflichtigen mitgeteilt unb, ba burd) beren Darlegung ihre Se= 
benfen nicht befeitigt waren, biefe nod) weiter jur ©rflärung 
über eine 9teihe non 3roeifetn unb fragen aufgeforbert. 
3>ie Sefchwerbefütjrer haben herauf in wieberholten fd)rift= 
liehen ©rflärungen ihren gegenteiligen ©tanbtpunft eingehenb 
bargelegt unb inSbefonbere auSgeführt, baf? bie ©efd)äfts= 
leiter ber auswärtigen .^weignieberlaffungen fowohl bejüg» 
lieh beS ©infaufS unb ber ^abrifation, wie hinfidjttid) bes 
SerfaufS, ber ifjreiSfteUung, ber HlnfteEung unb ©nttaffung 
beS ißerfonalS unb überhaupt in aUen für baS ©efd)äftS= 
erträgniS wefentlichen 9Jtajjnahmen noEftänbig freie ßanb 
haben unb beShalb eine ben ®efcf)äftSgewinn beeinflujfenbe 
©inwirfung non SubwigSburg auf bie auswärtigen ,3weig= 
nieberlaffungen tatfädjficl) in feiner üBeife ftattfinbe. 

9tun beftimmt ber Hlbf. 4 beS Hirt. 54 @inf.©t.@ef.: 
„Serweigert ber Steuerpflichtige bie nerlangte ©rflärung, fo 
ift ohne Dtücfficht auf bie Hingaben beS ©teuerpflichtigen 
bie ©infdjätjung norjunehnten. ©ibt ber Steuerpflichtige 
bie nerlangte ©rflärung ab, fo hat bie Sfommiffion bie tat» 


Digitized by Google 



352 ®ntfd)cibmi(\eit be§ a*en»altimflbgerid)tiS§of«. 

fädjlidjen Angaben bes Steuerpflichtigen ihren Berechnungen 
51 t ©runb ju (egen, fofern nicht bie (Erhebungen begrünbete 
ßroeifel an ber Bicßtigfeit betreiben ergeben haben." Bon 
einer Berroeigerung ber «erlangten ©rflärung feitenS ber 
Steuerpflichtigen ift nad) bem 2luSgefül)rten feine Bebe. 
(Siefe haben jroar bie non ber ©infd)ähungSfommiffton gleidp 
faÜ!§ geroünfchte Borlage ber Bilanzen ber ^irma auch bezüglich 
ber auswärtigen ©efd)äfte famt ©eroinn» unb Berluftfonto 
für bie jroei lebten ^ahrc abgelehnt unb aud) bie 9J?itteifung 
ber ©eroinnerträgniffe ber einzelnen 3 roeignieberlaffungen, 
auSgefchieben für 1905 unb 1906, ber ©infchähungSfommif* 
fiott uerfagt. Mein bie ftommiffion felbft hat nicht oer= 
t'annt, baf? bie ben Befchroerbeführern angefonttene Borlegung 
ber Bilanzen jc. red)tlid) nicht «erlangt roerben fonnte, ba 
nach Sltt. 53 3lbf. 3 ©inf.3t.@ef. bie ©infid)tnahme ber 
©efd)äftSbüd)er unb Urfunben beS Steuerpflichtigen nur 
bann ftattfinben fann, rocnn ber (Steuerpflichtige biefelbe an= 
bietet; biefe Steigerung alfo fonnte für bie Steuerpflichtigen 
{ebenfalls (einerlei BedjtSnachteile im ©efolge haben. S)ie 
Ablehnung ber Biitteitung bei jiffcrmäjjigen ©eroinnS auS 
ben auswärtigen Bieberlaffungen aber fonnte naturgemäß 
erft bann «on Bebeutung roerben, roenn juoor bie Steuer» 
pflidjt ber Befd)roerbeführer aud) nur bejüglid) eines Seils 
beS ©eroinnS biefer groeignieberlaff ungen feftgeftellt roar. 
©erabe mit Bejahung auf biefen festeren bie $rage 

ber S t eu e r p f l i ch t, haben nun aber bie Befd)roerbeführer 
eingehenb unb roieberholt ihre tatfäd)lid)en Eingaben ben 
Behauptungen ber ©infchähungSfommiffiott entgegengefeßt. 
Bei biefer Sachlage fonnte hienacf) bie Sfommiffion eine teil» 
roeife ^eraujiehung beS auswärtigen ©eroerbeeinfommenS 
für bie roürttemb. Befteuerung nur bann «omehmen, roenn 
auf ©runb ber «on ihr eingeleiteten Beweiserhebungen fid) 
ihr begrünbete $roeifel an ber Bicf)tigfeit beS BorbringenS 
ber Steuerpflichtigen ergeben hatten. $aoon fann aber im 
«orliegenben ^all fcfjon beShalb feine Bebe fein, weil auSrociS» 
lief) ber Slften Beweiserhebungen im Sinne beS 3lrt. 54 »ergl. 


Digitized by Google 



3 - Syragc b. (Süifoiinimiftcuerpflidjt aii®m. 3weiguieb«v(afiiingtn k. 353 

mit 9(rt. 53 ©inf.©t.@ef. überhaupt nicht ftattgefunben 
hatten; eS waren oielmehr lebiglicf) einfeitige SJleinungS* 
äufjerungen uitb Vermutungen, welche bie Ginfd)ähung§* 
fommiffton im Saufe be§ VeanftanbungSoerfaf)renS ben ©teuer* 
pflichtigen mitgeteilt unb fobann jur ©runbtage ihrer ben 
Eingaben ber Steuerpflichtigen entgegengefet}ten ©infehätjung 
gemacht h«t- ®amit aber hat bie Äommiffion gegen bie 
flare Vorfchrift be§ 21rt. 54 Ginf.©t.@ef. oerftojjen, beren 
©imt unb 2lbficht eS ift ju uerhüten, baff bie ©teuerbehörbe 
lebiglid) non fubjeftiuen 2lnfd)auungen geleitet bie Angaben 
beS ©teuerpflid)tigen miftadjte. (Verhanbl. ber Kammer ber 
2lbg., Veil. 47 oom 25. s jj?ai 1901, Vegrünbung junt II. ©nt* 
murf beS ©infommenfteuergefeheS, ©. 231, fiehe auch Kom* 
miffion§berid)t ber Kammer ber ©tanbeSfjerren Veil. XIV 
uont 25. Vonember 1902 © 97.) 

$ie unter 9Jti|ad)tung biefer Vorfchrift juftanbe ge* 
fontmene @infd)ät}ung fann, foweit ber ©teueranfah auf 
biefem Verftojj beruht, feinen Veftanb h fl t )Cn > bie Veran* 
laguttg ber Vefchwetbefiihrer fann be§l)alb infoweit als bent 
Vetrag ihrer ©teuererflärung ein gewerbliches ©infommen 
auS ben auswärtigen .ßweiguieberlaffungen (non fp. ab* 
gefehen) jugefchlagen worben ift, nid)t aufredjt erhalten 
werben, ©in foldjeS ©infommen ben Vefdjmerbefiibrern 
gegenüber feftjufetjen, wäre auch bei einer Grgätijung beS 
@infd)ähung§»erfahren§ nur bann juläffig, wenn bie Steuer* 
behörbe auf ©runb oorgängiger ©rhebung ber nach 2lft. 53 
©inf.©t.@ef. ihr ju ©ebot ftehenben Veweife fachlich be* 
grünbete 3weifel an ber 9iid)tigfeit ber ®arftellung ber 
Vefdjwerbeführer unb fontit beftimmte, tatfäd)lid)e SlnhaltS* 
punfte hätte, um bei einer foldjen Veranlagung entgegen* 
ftehenbe Angaben ber ©teuerpflidjtigen ju oerwerfen. 

'vDie angefodjtene Gntfcheibung beS Ä. ginanjminifteriumS 
unb bie ihr jugrunb liegenbe Gntfcheibung ber Vefdjwerbe* 
fommiffton beS ©teuerfollegiutnS , weldfe bie auf biefen 
Vunft fid) bejiehenben Vefdjwerben ber ©teuerpflicfjtigen 
gegen ihre Veranlagung abgewiefen haben, etfdjeinen hie* 


Digitized by Google 



354 ©ntfcfjei&ungtn be« 3)eriuaItuiig?ßerid)tefiof§- 

nad) unbegrünbet, unb bies um fo metjr, al§ bie Slbroeifung 
au§ bem ©efid)töpunft be§ s llrt. 61 2lbf. 3 ®inf.©t.@ef. 
bcfd)Ioffen rourbe. $enn roa§ aucf) immer bie BorauS= 
fetpng unb bet Umfang be§ nad) 2lrt. 61 2lbf. 3 unb 2lrt. 62 
2lbf. 2 @inf.©t.©ef. bem ©teuertollegium unb bem Orinanj* 
minifterium pfteljenben >Hect»t§, »on bem befdjroerbefüljrem 
ben Steuerpflichtigen bie Vorlegung feiner Biid)er unb Ut* 
funben p »erlangen, unb bie fDtittel fein mögen, um nad) 
erhobener Befdjroerbe in ber Bem>altung§inftanj einen bem 
Beanftanbung§oerfaf)ren antiaftenben SDtangel nachträglich 
roieber p befeitigen, {ebenfalls burfte im gegebenen Salle 
bie Auflage be§ 9lrt. 61 2lbf. 3 nicht erteilt unb nad) Sticht» 
befolgung berfelben bie Befd)werbe nicht einfach prüdge» 
roiefen roerben, ba ja aud) bei orbnungSntäjjiger, ben ge» 
{etlichen Borfcfjriften entfpredjenber Durchführung be§ Bean» 
ftanbungSoerfahrenS eine foldje Auflage, mie fcf)on ermähnt, 
an bie ©teuerpflidjtigen nicht hätte ergeben fönnett. 

Der jroeite Befdjwerbepuntt betrifft bie S r °3 e bet 
©teuerpflidjt ber au§ ben ©efellfdjaften mit befdjränlter 
Haftung in 2., S- unb 9}. ben Inhabern ber 2 ... er Sitnta 
pfliefjenben ©eroinnanteile pnäd)ft für ba£ ©teuerjaljr 1906. 
Bei biefem ©treitpunft finb nur bie beiben Deilhaber 9tob. 
unb 9iicfj. Sr. als Befdjroerbeführer beteiligt, ba nur bei 
ihnen baS ©inl'ommen au§ ber Beteiligung an biefen ©e» 
fellfd)aften mit befd)ränfter Haftung in SBürttemberg für 
einfommenfteuerpflid)tig erflärt roorben ift. 2lud) in biefem 
Buntt h«t bie angefodjtene @ntfd)eibung bie Befchroerben 
wegen Bermeigerung ber pr Beurteilung unb ©ntfdjeibung 
aud) biefer Svage angeorbneten Urlunbenoortage gemäft 
2lrt. 61 2lbf. 3 @inf.@t.@ef. prütfgeroiefen. fann bahin» 
geftellt bleiben, ob bie 9tbroeifung auS biefem ©runbe p» 
läffig mar; bcnn bie 9lbmeifung felbft ift bejüglid) biefes 
BefdjmerbepunftS jebenfaliS nicht p beanftanben. 

35 er unbeftrittene ©ac^oertjalt ift l)ier ber, baß bie 
Sirma Sv. Söhne in 2. an ben genannten, außerhalb 
SBürttembergS bomijilierten ©efellfdjaften mit befdjräntter 


Digitized by Google 



3- Stage b. ®infommenfteuerl>f(uf)t au*iu.3roei0mcberlaffungeii je. 355 

Haftung je mit ©efellfcf)aft§antei[en beteiligt ift. Sie ©teuer* 
betjörbe l)at nun angenommen, baf? bie au§ biefer Beteiligung 
fiel) ergebenben ©eroinnanteile al§ oerjin§licf)e ^orberungen 
bet einzelnen girmenteilfyaber be§ 2 . . . er ©efcf)äft§ fief) 
barftellen unb be§l)alb beten 3in§einfommen jujufdjlagett 
feien. Sarau§ ergebe fid) bie Kapital* unb folgtid) aud) bie 
©infommenfteuerpflidjt biefer Bezüge in Württemberg, frei* 
tief) mit Befdjränfung auf bie jroei in 2. anf affigen Seil* 
tjaber 9iob. unb 9iid). 3?r. Siefe letzteren bagegen uertreten 
ben ©tanbpunft, baf biefe§ ©infommen al§ ein ©infommen 
au§ aufjerroürttenibergifdjem ©eroerbebetrieb fteuerfrei ge* 
laffen werben muffe. Sie in 2., %. unb 9?. bomijilierten 
©efellfdjaften mit befdjränfter Haftung finb bie felbftänbigen 
3nl>aber ber bort betriebenen ©eroerbe. 3u bem biefen Be* 
trieben gemibmeten Kapital gehören aud; bie oon ber offenen 
.jpanbelsgefellfcfyaft $. gr. ©öt)ne bef)uf§ ©rroerbung ifjrer 
©efetlfd)aft§anteile gemachten ©inlagen. Siefe aujjerljalb 
Württembergs auSgeübten ©eroerbebetriebe unterliegen ber 
roürttembergifdjen Befteuerung nidjt. ©oroeit aber auS beut 
©eroerbeertrag biefer ©efellfc^aften mit befd)rän!ter Haftung 
auf bie ber girma |j. gr. ©öljne in 2. gehörigen ©efell* 
fdjaftSanteile ein ©eroinn entfällt, liegt ©intommen ber in 
Württemberg befinblid)en offenen ßanbelSgefellfdjaft oor, bas 
gcmäfj 2lrt. 14 9lbf. 1 3'ff- 2 unb 2lbf. 4 @inf.©t.@ef. als 
©intommen aus ifytetn ©eroerbebetrieb anjufeljen ift, ba bie 
©efellfdjaftSanteile — roie bie Befdjroerbefüljrer mit Siecht 
bemerten — einen Seit beS gewerblichen BetriebSfapitalS 
ber 2 ... er jfiirma barftellen. Ser ©inroanb ber Befd)roetbe= 
führet, baff jene ©eroinnanteile ©infommen auS aufjer* 
roiirttembergifd)em ©eroerbebetriebe feien, ift tjinfällig; er 
überfielt, bafj bie ©efellfdjaftSanteile, roetd)e ber $irma |>. 5r. 
©ö£>ne auf ©runb ihrer ©inlagen an bem Bermögen ber 
auswärtigen ©efellfdjaften mit befdjränfter Haftung juftehen, 
jum Betriebskapital biefer ©efellfctjaften nicht gehören, unb 
bafj anbererfeitS nad) ber flaren Borfdjrift beS roürttemb. 
©infommenfteuergefeheS (2lrt. 14 2lbf. 4 ®inf.©t.@ef. ; oergl. 


Digitized by Google 



356 (riitfdjeibuugen be« aScriualtimgSgeric^tSfjof®. 

aud) 2lrt. 5 2lbf. 2 beS ftapitalfteuergefehe§) bie 3infen unb 
fonftigen Bejüge au§ gorberungen unb SBertpapieren, roeldje 
jum geroerblid)en BetriebSfapital eines roürttembergifd)en 
©eroerbebetriebS gehören, als ©infommen auS biefem ©e= 
merbebetrieb ju gelten fjaben. Qn bemfelben Sinne f)at fidj 
unlängft ber ft. BermaltungSgerid)tSf)of bei Behanblung eines 
gleichartigen 5 a Ue§ auSgefprodjen (Urteil oom 18. Septem* 
ber 1907). 

Söenn bie Steuerbefjörbe baS ©infommen ber Seilhaber 
ber Jirma .£). gr. Söhne auS jenen Beteiligungen an ben 
©efellfdjaften mit befchränfter Haftung als ftapital=@in* 
fommen angefe^en unb bemgemäfj nur bie beiben in SBiirt* 
teniberg wohnhaften ^irmenteilbjaber $ur ©infommenfteuer 
für biefe Bejüge Ijerangejogen l)at, fo bebeutet bieS für bie 
beiben Befdjroerbefüljrer jebenfallS eine Befdjwerung nicht; 
benn lebiglid) bie ©infommenfteuerp flicht biefer Bezüge fteljt 
l)ier in $rage, fic ift aber ju bejahen, aud) wenn nach bem 
3lu§gefül)rten bie auf bie Befchroerbefiihrer entfallenben ©e= 
roinnanteile nid)t als ftapitaleinfommen, fonberti als ©in* 
fommen auS ©eroerbebetrieb $u bet)anbeln finb. 

Urteil oom 12. gebruar 1908 in ber fHechtSbefchroerbe* 
fad)e bes ftommerjienratS 9t. fyr. in ß. unb ber brei 
weiteren Teilhaber ber girma £>. §r. Söl)ne in ß. 

32. 

PörnnsfdjHHflfN brs hoppelten Pofynfthes im Sinne 
bes ffiemeiube|leHeri}efei?sa. 

© r ii n b e : 

I. Ser im Quli 1905 oerftorbene ©rofifuhrhalter ®. ft. 
in S. f)at im $af)re 1901 in ®. baS ©ebäube 9ir. 245, 
ein einfaches Bauernhaus in ber £ . . . gaffe, um 11 500 9JJf. 
getauft. SaSfelbe mürbe umgebaut; im untern Stocfmerf 
mürbe eine Sienftmohnung für einen im Sienfte bes ft. 
ftehenben Bermalter erftellt, im oberen Stocfmerf mürben 
brei 3ßol)nrcinme für bie ft' . . .’f<f)e fyamilie eingerichtet unb 


Digitized by Google 



Soraiisfegungett bes hoppelten 2Botjnfi(je§ jc- 357 

einfach mit SJlöbeln au§geftattet. Qu einem biefer 2öol)tt« 
räume befinbet fiel) ein Ofen; eine ftiidje ift nur in bent 
unteren, bem Sermatter jur SBotpung iibertaffenen ©tod« 
merf. ©er an bas |)au§ anftofjenbe ©arten mürbe oer« 
gröfjert unb oerfd)önert, aud) bafelbft ein al§ ©peifejimmer 
benüt)te§ mafftoeS @artent)au§ erbaut. 

$er SBert be§ ganäen StnroefenS ift baburd) itad) ber 
Sdphung be§ ©djultheifjenamtig auf 25—28000 SBtarf ge« 
ftiegen. ®ie SBitrne ft. hat, mie e§ fdjon ju Sebjeiten ilpes 
©bemanne! gehalten mürbe, aud) nad) beffen £ob ben Sommer 
über mehrere ÜDtonate in bem Slnmefen in ©. ^gebracht; 
nad) ihren eigenen Angaben ju ^rotofoü be§ .£muptfteuer« 
aint§ © . . . oom 14. Oftober 1907 t)at fie im $af)re 1900 
oom 3. Quni biö 26. September, im Qa^re 1907 mit einer 
ctroa breircödjentlidjen Unterbrechung oom 12. $uni bis 
10. Oftober bort gemofjnt. Stuf ©runb biefe§ ©adperf)alt§ 
oertritt bie ©emeinbe ©. ben ©tanbpunft, ft. unb nad) 
beffen £obe feine SBitroe f)abe neben bem SBJofjnfi^ in <3. 
aud) einen foldjen in @. begrünbet, unb beanfpntd)t bem« 
gemäfj nad) Strt. 28 be§ ©emeinbefieuergefet)e§ Teilung bes 
S3efteuerung§red)t» jmifdjen ben fonfurrierenben SBohnfitj' 
gemeinben. liefen Stnfprud) bat fie fdjon für bn§ ©teuer« 
fahr 1905 oerfotgt, ift aber bantals mit ihrer 9ted)tsbe= 
fdjmerbe gegen bie im entgegengesetzten ©inn ergangene ©nt« 
fdjeibung be§ ft. SJtinifteriumS be§ Innern oom 19. Januar 
1907 burd) Urteil be§ Sßermaltung§gerid)t§hof§ oom 27. ÜJtärj 
1907 megen aßerfäumung ber 33 ef d) m erb ef r i ft, ohne bafj über 
bie Streitfrage fad)lid) entfd)ieben merben fonnte, jurüdge* 
miefen roorben. 

5öei ber ©teueroeranlagung für bn§ ©teuerjahr 1906 
hat ba§ fiauptfteueramt © . . . mieberum, mie für 1905, 
einen hoppelten SBobnfit) ber Sföitvoe ft., in ©. unb ©. ju« 
grunbe gelegt. ®ie gegen biefe 5ßerteituug§art be§ ©int)eite(« 
fahesi oon ber Stabtgemeinbe ©. erhobene S}efd)roerbe ift 
oon bem ft. ©teuerfoüegium, Stbt. für bivefte Steuern, in 
ber burd) Strt. 8 be3 @emeinbefteuergefet)e§ bejeidpeten $u« 


✓ 


Digitized by Google 



358 ßiitfdjeibuiigen b tZ 23ertüaIiung8gerid)i§fjof£. 

fammenfetjung ali fad)lid) rtirf)t begrünbet abgeroiefen toor» 
ben. Sai ft. SRinifterium bei Innern bagegen hat, tote 
fcf)on für 1905, fo auch je^t toieber betreffs ber 93eran= 
laguitg für bai ©teuerjahr 1906 bai Borhanbenfein einei 
jtoeiten 3Bot)nfi^e§ ber Söitroe ft. itt ©. oemeint unb bem= 
gemäjj ber toeiteren Sefchroerbe ber ©tabtgemeinbe ©. mit 
ber ©ntfdjeibung oont 5. Sezember 1907 ftattgegeben, inbem 
es baoon ausging, baff in ben tatfäcfjlidjen Berl)ältniffeit 
bei galtet eine toefentlidje Beränberung im ©teuerjahr 1906 
gegen früher nidjt eingetreten fei. 

Siefe @ntfd)eibung ift bem ©djultljeifjenamt @. am 
18. Sezember jugefteüt toorben; bie bagegen feiteni bei 
©djultheifjenamti namens ber ©emeinbe erhobene 5Hed^tö* 
befd^toerbe ift am 25. Sezember 1907, alfo innerhalb ber 
Ztoeitoöchentlidjen grift bei 2lrt. 64 3lbf. 2 bei @infommen= 
fteuergefe^ei in Berbinbung mit 2lrt. 32 2lbf. 5 bei @e= 
meinbefteuergefe^ei bei bem ft. SRinifterium bei Qnnem, 
(lienad) rechtzeitig unb orbnungimäfsig, eingefommen. 

11. Sie entfeheibenbe Stage ift bie, ob bie SBitroe ft. 
im ©teuerjahr 1906, alfo nach bem ©tanb oom 1. Slpril 
b. 3i. neben intern äBohnfitj in ©. noch einen zroeiten SEBohn* 
fit} in @. gehabt hat, fobajjj alfo bie beiben beteiligten ®e» 
nteinbett getnäfj 2lrt. 28 bei ©emeinbefteuergefehei bai Be* 
fteuerungirecht aui bem nach einem etioaigen 2lbjug in 
©emäfjheit bei 2lrt. 27 oerbleibenbett ©inheitifatjei j u 
gleiten Seilen hätten. Ser begriff bei SEßohnfttjei 
im ©inne biefei ©efetjei ift berfelbe toie im ftaatlichen ©in* 
fommenfteuergefet}. (Söürtt. 3al)rb. ®i>. 18 ©. 358.) Sar* 
nad) fiat eine ißerfon ihren 2Bot)nfit> an bem Orte, au bem 
fie eine SBohnung unter Utnftänben inne hat/ toeldje auf bie 
9lbficf)t ber bauernben Beibehaltung einer folcf)en fchliefjen 
taffen (2lrt. 1 Slbf. 3 bei @infommenfteuer=®efet}ei). 9ta<h 
biefer betn Soppelbefteuerungigefetj entnommenen Sefinition 
muff einerfeiti bai äußere SJlertmal bei Snnehabeni einer 
BJof)ttung unb anbererfeiti bie 2lbfid)t ber bauernben Bei- 
behaltung einer foldjen znfammentreffen, toobei jeboch bai 


Digitized by Google 



S3orcm8fetjun0en beg hoppelten Sßobnfifeeg ?c. 359 

innere Moment, bie Slbficfjt ber bauernbeit Beibehaltung, 
felbft roieber aug äußeren Itmftänben erfennbar fein muff. 
Siun hot ba§ St SJlinifterium beg Innern für ben uorliegen* 
ben f5atl jwar bie Slbficfjt ber Söitwe St, bie in ©. einge* 
richteten Siäume bauernb beijubeljalten uttb fie jeweilg jur 
©ommergjeit — wie fchon ju Sebjeiten ihreg ©hentanng — 
ju benütjen, nicht in Qweifel gezogen ; bagegen hat eg ner* 
neint, bafj biefe Siäume jum bauernben Bewohnen für bie 
Qamilie ber Söitwe St beftimmt unb geeignet feien. 2>ie 
Siäurne formten nur für einen uorübergehenben (Sommerauf* 
enthalt augreidjen, in welchem im allgemeinen an eine äßolp 
nung befdjeibenere 2lnfprüd)e geftellt ju werben pflegen, nicht 
aber aud) für einen bauernben, namentlich auch ben SBinter 
über währenben Slufenthalt. Bon ben brei Zimmern ber 
SBohnung fei nur eineg mit einem Ofen ältefter Äonftruftion 
uerfehen, unb bie SBohnung befitje nicht einmal eine eigene 
Stüdje. Qm Vergleich mit ber SBohnung ber 9Bitme St in ©. 
müffe biejenige in ©. alg ihren Berhciltuiffen unb Bebürf* 
niffen nicht entfpredjenb bejeidjnet werben. 

Qn Uebereinftimmuug mit bem St SRinifterium beg 
Qnnetn ift aud) ber Berwaltungggerichtgf)of bei SBürbigung 
ber obwaltenben tatfäcfjlichen Berhältniffe ju ber lieber* 
jeugung gelangt, baß eine Sßohttung im fieuerlidjen ©inne 
für bie ÜBitme St ju Beginn beg ©teuerjahrg 1906 in ©. 
nicht alg oorhanben anjunehmen, ein jmeiter SBohnfit) ba* 
felbft alfo für fie nicht begrünbet ift. SlUerbingg ift bie 
3lbficf)t ber bauernben Beibehaltung ber in Siebe ftetjenben 
äBohnräume feiteng ber Söitme St, minbefteng für ben hier 
allein mafjgebenben Qeitpunft (Slpril 1906) nicht ju be= 
jweifeln; hiefüv fpncht ingbefonbere bie wieberholte Be* 
nutjung biefer Siäurne burd) mehrere Qaljre hinburd) unb 
big in bie neuefte Qeit herein. ®er Umftanb, baff bie 
Söitwe St nach einer ©rftcirung oom 24. Dftober 1907 ber 
©emeinbebehörbe für bie ©infomntenfteuer in ©. gegenüber 
ihr Slnwefen in ©. nunmehr bei paffenber Gelegenheit ju 
oeräufjern trad)tet, fteht jener Sinnahme felbftoerfiänblid) 

JtaCirbit($tt btt fflflrtttmb. 3t ccfjt^pReae. XX. 3. 25 


Digitized by Google 



360 ®ntfcf)eibungen bc8 $eviDaltun8?gericf)taf>of8. 

nid)t entgegen. 

2Bof)t aber fehlt e§ an bem anbent $8egriff#merfmal 
be# Qnnehaben# einer 9Bof)mmg. Qn biefer Sejiefjung wirb 
nad) iibereinftimmenber 2lnnat)me oon Jtjeorie unb ißraji# 
für wefentlicb erachtet, baf? nid)t blofj eine $u zeitweiligem 
unb oorübergehenbem Aufenthalt bienenbe 2Bobngelegenl)eit 
beftebt; e# müffen oielmehr 511 bauertibem Aufenthalt 2Bohn* 
räume eingerid)tet fein unb zwar berart, baf? fie bem ©teuer* 
pflichtigen für ficfj unb feinen .£)au§t)alt ftanbc§gemä§e Unter* 
funft gewähren, b. h- feinen perfönlidjen Sßerhältniffen unb 
iöebiirfniffen , feiner wirtfdjaftlichen ©teltung unb feiner 
gewöhnlichen Seben#hattung entfprecfjen. (® ö 5 , ©infommen» 
fteuergefeh ©. 27 ; fy u i ft i n g , .tomm. jum preujj. ©in* 
fommenfteuergefeh ju § 1 Anm. 6, unb je bie bort ange* 
führte 9fed)tfprechung.) 

9lun mag zugegeben werben, bah bie ©igenfd)aft einer 
©obnitng in biefem ©inne nicht fd)on be§l)alb Derneint wer* 
ben barf, weit fie n i d) t unter a tt e n U m ft ä n b e n 
für bie 'öebürfniffe be§ Söefitjer# au#reid)t, weit in#befonbcre 
etwa ihre 93enüt}ung nidjt ba§ ganze Qahr hinburch, fonbern 
nur jeweil# jur Sommerzeit geplant ift unb ftattfinbet. 
($u ifting a. a. O.; ©ntfdjeib. be# preufj. Oberoerwattung#* 
gerid)t# in ©taat§fteuerfad)en 33b. 12 ©. 8.) Qnfofern 
fönntc ber Umftanb allein, bah nur in einem her jur 
Verfügung ftehenben 3Bohnräume ein Ofen, fogar ein folcher 
älterer Äonftruftion oorhanben ift, nicht entfeheibenb gegen 
bie Annahme einer ju bauembem Aufenthalt (wenn auch 
nur über bie wärmere QaljreZeit) eingerichteten SBohnung 
geltenb gemacht werben. 91un ift aber in tatfäd)tid)er ®e= 
Ziehung weiter erhoben unb and) oon ber 53efd)werbefüf)rerin 
Zugegeben, bah bie ber SSitwe 5?. zur SBerfügung ftehenben 
Btäume in bem oberen ©todwerf be# © ... er .jpaufe# gar 
feine eigene S?üd)e befitjen. Unter biefen Umftänben fann, 
wenn auch im übrigen 3al)l unb Au#ftattung ber fRäume 
für eine ftanbe#gemähe Unterfunft au#reicf)enb fein fönnteit, 
bie 2BobngeIegenf)eit nid)t at§ eine nad) ben 33ebürfniffen 


Digitized by Google 



SorauäfeljmiflfH be? boppctteii 2 ßof)itftl 3 eS :c. 361 

unb inbioibuetlen 8eben§geroot)nl)eiten ber ©efißeritt für 
bauernbett 2tufentt)alt gettügenbe Untevfunft unb mithin nici)t 
al§ ©Bohnung im fteuerlidjen Sinne augefeheit roerben. 
2>emi p einer bürgerlichen ^antilienroohnung muß wie all= 
gemein, fo nud) bei ben l)ier ptreffenben ©erljältniffen bod) 
pm minbeften ba§ ©orhanbetijetn einer eigenen S^üctje al§ 
roefentlid) geforbert roerben. 

3u Unrecht roenbet bie befdjroerbeführenbe ©emeinbe 
biegegen ein, baß ja im ©arterreftocf be§ .jpaufel eine Südjc 
fid) befinbe; benn biefer untere Stocf ftanb, roie bie ©C* 
fd)roerbefübrerin felbft anerfennt, im Steuerjahr 1906 nirijt 
ber ©Bitroe ft., uiclmebr bent in ihren ®ienften ftehenben 
©erroalter unb für beffen ßauähalt al§ ©Bohnung pr ©er» 
fügung, unb ber Umftanb, baß bie SBitroe ft. fid) burd) bie 
©ßefrau be§ ©erroalterS nerföftigen tief? unb fo ohne eigene 
ftücße in ihrem (oberen) Stocfroerf ausfontmen fonnte, fjebt 
bie ©atfaclje nicht auf, bafj bie ber ©Bitroe ft. in ®. jur 
Verfügung ftehenben ©äume überhaupt ohne ftüche roaren, 
jeigt uietntehr gerabe, baß e§ fid) jroar rooht um einen auf 
jeitroeilige, regelmäßig roieberfeßrenbe Slnroefenheit beredjneten, 
mit einer geroiffen ©eränberung ober ©infchränfung ber 
Sebenäfwttung oerfnüpften 2(ufenthalt, nicht aber um eine 
bent orbentlicßen ©ebiirfni§ unb ben regelmäßigen 8eben§= 
geroohnheiten ber ©Bitroe ft. unb ißre§ .£>au§halt§ geniigenbe, 
b. h- ftanbe§gemäße ©Bohnung hobelt. 9)htß aber l)<enad) 
angefid)t§ ber tatfädjlichen ©eftaltung ber ©erhältniffe für 
ba§ in Srage ftetjenbe Steuerjahr 1906 oerneint roerben, 
baß bie in ©. pr ©erfügung ftehenben ©Bohnräume ber 
©Bitroe ft. ttad) ihrer geroöhntidjen Sebenät)attiinci unb ihrer 
ganjen ßäuStid>en ©inrid)tung ein auf bie ©>auer entfpred)en= 
be§ ©enithen gewähren, fo fehlt e§ an einem roefentlicßen 
©Rerfntal für ben ©egriff ber ©Bohnung im fteuerlicßen Sinti, 
unb bamit entfällt bie 9Jtöglid)feit eitte§ jroeiten ©BohnfitjeS 
ber ©Bitroe ft. in ©. 

Urteil oont 5. gebruar 1908 in ber 9ted)t3befchrocrbe» 

facße ber ©emeinbe ©. 

25 * 


Digitized by Google 



362 


©ntfdjetbuiigtii beS 2krtt>altungSgericf)t*l)ofS. 


33. 

Unterpdjieb imirdjrn Jtetterfrmr tHbfrijreibnng mtb 
Itruerpflirijiiger Jlnmägensvrrmeljnutg. 

bcn © r ü n b e n ift au§gefüf)rt: 

I. 2>ie Slftiengefellfdbaft ®. 9331. in ©t. ift auf 1. 2tpril 

1907 mit einem fteuerpflid)tigen ©efamteinfommen uon 
227 260 ÜBtarf für ben ©taat jur ©intommenfteuer ueran* 
lagt roorben. ®ie 2lbmeid)ung biefer ©infommenSfeftfe^ung 
uon ber ©teuererflärung bet ©efellfctjaft beftanb barin, baß 
bie @infrf)ä^ung§fommiffion bem uon ber 3lftiengefellfd)aft 
fatierten fteuerbaren ©intommen einen s f3often mit 50000 Sftarf, 
melier ju einer „aufjerorbentlicben 2lbfd)reibung" auf bad 
unter ben Slftioen ber Vilanj enthaltene ßonto Rapier* 
fabrif ©. uermenbet morben mar, tjinjugefetjt hatte. ®ie 
hiegegen erhobene Vefdjmerbe ift junäd)ft uon ber Vefdpuerbe* 
tommiffion I be§ ß. ©teuerfolIegium§, Abteilung für birefte 
©teuern, unb bei meiterer Verfolgung uon bem ß. Sinanj* 
minifterium, uon biefent mit ber ©ntfdjeibung uom 11. Sehr. 

1908 al§ fachlich unbegrünbet abgeroiefen morben. ©egen 
biefe ihr am 14. Februar jugefteüte 3Ttinifteriatentf cheiburt g 
bat bie ©efellfcbaft mit einem am 22. $ebruar 1908 bei bem 
ß. Venualtung§gerid)t3bof eingefommenen ©djriftfaß, bienadj 
rechtseitig unb orbnungSmäjjig bie 9ted)t§befd)roerbe einge* 
legt unb beantragt, unter Slufbebung biefer ©ntfdjeibung ba§ 
fteuerbare ©infommen ber 93efd)tuerbefübrerin für bas ©teuer* 
jabr 1907 um ben betrag uon 50 000 äJtart ju ermäßigen. 

Btacb ber Vilanj über ba§ für bie Veranlagung auf 
1. 2lpril 1907 mafjgebenbe VetriebSjabr 1. Quli 1905/06 
batte bie ©efellfchaft an bem Slftiutonto ©. auf 30. Suni 
1906 3lbfd)reibungen auf bie einzelnen bort au§geroiefenen 
SBerte im Vetrage uon jufammen 84 177 9Jlf. 13 i)3fg. uor* 
genommen, fo baff unter ©inreebnung ber früheren, inSge* 
jamt 913 832 9Jtf. 64 ißfg. betragenben 2lbfd)reibungen ba§ 
ßonto ijkpierfabrif ©. auf 30. Suni 1906 noch mit 


Digitized by Google 



Hnterfdjieb jtoifdjen fteuerfreicr 5lbfd)reibung ic. 363 

1 231 507 $Dtf. 70 ^fg. §u ©ud) ftanb. 1)ie ©itanj ergab 
fo (nacf) Slbrecfputng be§ ©ewinnoortragS oom ©orjatjr) al§ 
©eingewinn be§ ©etrieb§jat)re§ 1905/06 bie Summe oon 
322 823 44 ißfg. „|neoon gebüljrt" — fo fyeifjt e§ in 

ben (bernacf) genehmigten) SInträgen be§ 2luffid)t§ratsä unb 
©orftanb§ au bie ©eneratoerfammtung — „oorab ben 2lftio= 
niiveit eine Dioibenbe oon 5% be£ 9lftienfapital§ . . . mit 
150 000 9J}f. Stuf bie fjabrit in S. fotl eine aufjerorbenttid)e 

Stbfdireibung bemiüigt roevben im ©etrage oon 50000 971 ; 

ferner foll eine aufjerorbentlidje ©eferoe botiert werben mit 
30 000/80 000 9Jif. , beren ©erwenbung ber ©erroattung 

anheimgegeben wirb, ©om ©efte mit tommen ftatuten» 

gemäf) ben ÜÖlitgtiebern bes Stuffidjt^ratä . . . unb ben ÜDIit» 

gliebern be§ ©orftanbs . . . u. f. ro ju." 

©ei biefent ©adjoerhatt ging bie ©teuerbet) örbe baoon 
auö, bafj ber ©etrag oon 50 000 ÜJlf. nic^t fomot)t einen 
2tuigteid)§poften jur richtigen ©ewertung bes 2lftiopoften§ 
jfjapierfabrif ©. , al£ oietmebr eine ©ntnahme au§ bem 
Qatjre^geminn §ur ©itbung einer ©eferoe barftclte unb be§= 
t»alb fteuerpjtiri)tig fei, währenb bie ©cfdpoerbeführcrin bie 
Slujfaffung oertritt, bafj bie oon ber ©encraloerfammtung 
befdjloffene 2tbfd)reibung oon 50 000 Ü)If. eine notioenbige 
geioefen unb tjienad) bem fteuerbaren ©efd)äft§überfd)ufj nidjt 
hinjujufdjlagen fei. 

II. 2)er ©efd)ioerbe fann eine golge nidjt gegeben 
werben. 

3war ift ber ©efdjwerbeftibrerin barin beijutreten, bafj 
ber llmftanb, bafj jene Stbfchreibung oon 50 000 9©f. nidjt 
fcbon in ber oom ©orftanb ber ©efeüfdjaft aufgeftetlten 
©itanj enthalten war, oietmetjr erft oon ber ©eueratoer* 
fammtung befdjtoffen würbe, für bie ©eurteilung ber Jrage 
ber ©teuerpfliri)tigteit biefes ©etvages nidjt oon ©rheblicf)* 
feit ift. 3Bie ber ©erwaltung£gerid)tshof bereite in einem 
aitberett ftalle au3gefprocf)en Ijat (Urteil oom 25. September 
bi3 2. Oftober 1907), ift überhaupt nicht bie formale ©e* 
hanbluttg in ber ©itanj, fonbern bie wirtfdjaftlidje ©ebeu= 


Digitized by Google 



364 (Sntfdjtibimgeit bcä SScriuQltiiiigSgevidjtefjof?. 

tung ber oon ber ©eneraloerfammlung befcfjloffenen 2lb* 
fdjreibung für bie ©in!ommenfteuerpflid)t entfd)eibenb. SJtafj» 
gebcnb finb jubem nid)t bie com ©efellfdjaftloorftanb ent= 
worfelten, fonbern allein bie oon ber ©eneraloerfammlung 
feftgefteUtcn Silan jen (oergl. ©imon, Sitanjen ber '3lftien= 
gefcllfdjaften ©. 23 ff.; ©ntfdjeibung be§ ^reufj. Oberoer* 
waltung§gerid)t§ in ©taat§fteuerfad)en Sb. 9 ©. 242). 
©ine 2lbfd)teibung barf bemnad) aud) oom ftcuerlidjen ©tanb* 
punft au§ nid)t fdjon besljalb beanftanbet werben, weil fie 
oon bem burd) bie ©eneraloerfamntlung genehmigten ©e» 
fd)äftsüberfd)u§ weggenommen worben ift; oielmehr fommt 
alleö barauf an, ob fie nad) allgemeinen ©runb* 
f ä h e n a 1 3 f o I d; e angefehen unb bemnad) and) fteuer* 
tid) für juläffig eradjtet werben mu§. £et)tere§ ift bann 
ber $all, wenn burcf) fie nur, bett Sorfdjriften be§ ^aitbell-- 
gefet)buch§ entfpred)enb, bie ber eingetretenen SBertoerminbe* 
rung eine§ Sermögen§ftüd§ gleid)fommenben Seträge abge= 
fet)t werben, nid)t aber bann, wenn über ba§ burd) bie 
SBertminberung gebotene ihr angemeffene SDtaf) hinauf 5 
gangen ift. (©öj, @inf.©t.©ef. ©. 181; f^uifting, 
@inf.©t.@cf. 7. Stuft. ©. 239 ff.). 

3>aj? nun aber im oorliegenben bie fogenannte 
aufserorbentlidje älbfdjreibung oon 50 000 3)tf. bem 3 niec * 
ber richtigen Semertung be§ 2Iftiopoften§ ©. gebient 
unb infofern ben fteuerbaren 0eid)äftäüberfd)uf) geminbert 
habe, fanu bei Prüfung ber tatfcid)lid)en Serhältniffe in 
Uebereinftimntung mit ber angefodjteuen ©ntfdjeibung nicht 
angenommen werben. Sor allem ift ju beadjten, bafj fdjon 
bei Sluffteltung ber Silans eine über bie 2lbfd)reibungsbe= 
träge be§ Sorjat)r§ fogar nicht unerheblich hinauSgehenbe 
2lbfcf)reibung auf bie einzelnen SBerte be3 2lftiofonto3 S a V' ei ' 5 
fabrif ©. oorgenontmen worben war. 2)iefe3 Serfahven 
entfprad) burchauä ben hanbel3gefet)lichen Sorfd)riften, nach 
benen bie jur richtigen Sewertung eines: bilansmäfjigen 
2lftiopoften§ gebotene Slbfchreibung erfolgt fein mup, beoor 
am ©djlufj ber Silans ein Steingewinn berechnet werben 


Digitized by Google 



llnterfrfjicb jtoifdjen ftenevfreier Slbfcfjreibuug 2 c. 365 

fann. Dabei barf barauf tjingeioiefen werben, bafj ben 
Organen ber ©efellfd)aft in § 35 if>re§ Statuts bie ftrenge 
Veacf)tung ber Veftimmungen ber §§ 40 unb 261 .|p.@ef.V. 
nod) befonbers jur ißflidjt gemacht ift, bafj ferner nad) § 35 
letzter 2lbfat) beS Statuts über bic angemeffenen SlbfctjreU 
bungen auf ^abrifgebiiube, 9Nafdjinen unb Utenfilien ber 
2lufficf)tSrat auf Eintrag beS VorftanbS ju befd)liefjen f>at. 
Darnach mu§ baoon auSgegangen roerben, baß bie jur 
richtigen Veroertung be§ ftonto 'ißapierfabrif S. gebotene, 
angemeffene 2lbfd)reibung auf bie bort auSgeroiefenen 2ln= 
tageroerte uon Vorftanb unb 2luffid)tSrat bei Slufftellung 
ber Vilanj unb Vorlage an bie ©eneraloerfammlung bereits 
oolljogen roar, beoor uon einem fid) ergebenben ^Reingewinn 
bie Siebe fein tonnte. 2Bäre jur richtigen Veroertung beS 
StttiopoftenS S. neben ber in ber Vilanj enthaltenen 2lb= 
feßung oon 84177 SCRf. 13 ißfg. nod) eine weitere 2tbfd)rei= 
bung oon 50 000 2)lf. notroenbig geroefen, fo burfte ber 
letztere betrag gar nid)t erft, roie bieS tatfädjlid) oon Vor* 
ftanb unb 2luffid)tSrat oorgejd)lagen rourbe, oon bem auS 
ber Vilanjaufftellung fid) ergebenben ^Reingewinn genommen 
roerben, t)ätte oietmet)r famt jenen 84 177 2Rf. 13 ißfg. fo= 
fort an ben Slftioen ber Vilanj abgefd)rieben roerben müffen. 
Damit atfo, bajj ber ©eneraloerfammlung anbeimgegeben 
rourbe, oon bem nad) Vornahme einer 2lbfd)reibung auf 
ftonto S. oon 84 177 9Rf. 13 Sßfg. fid) ergebenben „Stetto* 
gewinn" nod) eine weitere „aufjerorbentlicbe 2lbfd)reibung“ 
auf biefeS Jtonto ju bewilligen, gaben Vorftanb unb 2luf* 
fid)tSrat ju ertennen, bafj eine ben t)anbelSred)tlicf)en unb 
ftatutarifdjen Veftimmungen entfpredjenbe Veroertung beS 
StontoS S. fdjon bei Slufftellung ber Vilanj beobachtet roor* 
ben roar, ber für jene aujjerorbentlicbe 2lbfd)reibung oorge* 
fdjlagene Deil beS -Nettogewinns alfo an fid) jur Verteilung 
unter bie ÜNitglieber jur Verfügung ftanb. SlUerbingS 
banbeit es fid) hier um eine Vermutung, bie burd) ©egen* 
beweis entfräftet werben fann; auS irgenb welchen ©rünben 
tann eS oorfommen, bafj Vorftanb unb 2lufficf)tSrat einer 


Digitized by Google 



866 <£ntfd)cibuugcn beä JöernjaltungSgeriditeljofS. 

©efellfdpft im SBiberfprud) mit bcn gefehlten ober ftatu» 
tarifd)en Veftimmungen bei Slufftettung einer Vilanj p einem 
©ewinti gelangen, ber erft nad) Vornahme weiterer, oon ber 
©eneraloerfammlung p befcf)(iegenber 3(bfd)reibungen ben 
magren ^Reingewinn barftellt. Mein im oorliegenben galt 
famt baoon feine Diebe fein. $aS ergibt fid) pnädjft fdpn 
auS ben Anträgen beS 3luffid)tSratS unb VorjttanbS an bie 
©eneraloerfammlung: Söenn roirflid) entgegen ber 33orfd)rift 
beS § 35 ber Statuten bie angenteffenen 3lbfcf)reibungen auf 
bie einzelnen unter bem Konto 'JSapierfabrif S. auSgewiefenen 
Söerte mit jenen 84 177 2Rf. 13 ijSfg. noch nicht ooü be» 
wirft gewefen wären, fo hätte bieS beutlid) pm MSbrucf 
fommen muffen; FeinenfallS aber hätte ber Slntrag batjin 
gehen fönnen, oom Nettogewinn oorab 5 % ®ioibenbe 511 
»erteilen unb bann erft eine weitere, notwenbige Slbjdjreibung 
p bewilligen. 2)enn 3Ibfd)reibungen finb oon jebent ©ewinti 
unabbängig, fie müffen oorgenommen werben, bamit über» 
baupt ber ^Reingewinn ermittelt werben fann ; erft nach 3lb» 
redjnung ber notwenbigen 3lbfd)reibungen alfo finb lieber» 
fd)iiffe, welche jur $ioibenbenpblung benützt werben fönnen, 
uorf)anben, (Simon a. a. D. S. 141 , 147 ; ©ntfdjeibungen 
in StaatSfteuerfadjen Vb. 7 S. 154 ). Namentlich aber 
läßt bie im ©efd)äftsberid)t für bie ©eneraloerfammlung 
enthaltene Vegrünbung für bie Vornahme jener außerorbent» 
lidjen Slbfdjreibung, worin gejagt ift, baß biefer Slntrag 
ebenfo wie ber weitere auf ©enehmigung einer außerorbent» 
lidjen Neferoe oon 30 000 9Rf. „im Qnterefje ber inneren 
Konfolibierung b e § Unternehmens liege unb 
pflichtgemäßer Vorforge für bie 3ufunft 
e n t f p t i n g e" , nid)t fowohl auf bie Notwenbigfeit einer 
weiteren, bisher nicht auSreidjenb bewirften Slbfdjreibung 
pr richtigen Bewertung beS SIFtiofontoS fließen, als oiet» 
mehr bie 3lbfid)t einer Nücfftellung eines an fid) pm Nein» 
gewinn gehörigen, ber Verteilung fähigen Seils beS Betriebs» 
fapitalS erfennen. 3)enit Veträge, bie nicht pr unmittel» 
baren Verweubung für gegenwärtige 3wecfe beftimmt, fon» 


Digitized by Google 



Unterfd)ieb 3 t»i)cf)en fteucrfrcier Slbfc^teibung jc. 367 

bevtt für irgenbwelcfye jufünftigen .ßwecfe au§gefrf)iebeu wer= 
ben, fjaben mit bem SBefen einer 2lbfd)reibung nid)t§ gemein, 
bitben uielmeljr Äapitalanfammlungen ober fReferoen; fie 
enthalten feine gefetjlid) notwenbigen ißoften, fonbern frei* 
willige iRücftagen, bie nur au§ bem ^Reingewinn botiert 
werben fönnen. 

Vergl. ^uifting, ©rutibjüge § 72 8. 178; berfelbe, 
©inf.St.öef. 7. Auflage 8 . 277 ff.; ®. 289 ff. 

Urteil be3 SBürtt. Verwaltung§gerid)t§I)of3 o. 6. $ebr. 
1907 in ber 93eit. jur SÖürtt. fRV. 1. 93b. 'Jir. 7 8. 3 ff. ■ 
©ntfcl). be§ ißreuß. Oberoerwaltung§gerid)t§ in 8taats= 
fteuerfad)en 93b. 7 S. 155; 93b. 11 8. 265, 267. ©öj, 
©inf.8t.@ef. 8. 211; ©inton a. a. D. ©. 141, 227. 
9Jacf) altebem erfdjeint bie Slnnatjme au§gefd)loffen, baff 
jene 50 000 3Rf. »on ben Organen ber ©efellfdjaft baju 
beftimmt gewefen wären, eine trofy ber bei Slufftellung ber 
93ilanj fdjon bewirften Slbfdjreibung angeblid) nocf) oor* 
Ijanbene Sltinberbewertung be§ betreffenben 2lftiuum§ au§= 
jugteidjen, bafj alfo in $öbe jenes 93etragS eine Berichtigung 
bet 93ilanj ooit 93orftanb unb 2luffid)t§rat t)ätte beantragt 
werben wollen unb oon ber ©eneraloerfammlung genehmigt 
worben wäre. 3)ann muß aber and) bie 93efd)werbefübrerin 
ben au§ ber 9)ilanj ftd) ergcbenben ^Reingewinn gegen fid) 
gelten laffett unb fie fann mit ber fpäteren 93el)auptung, 
baj? bie aujjerorbentlidje Slbfdjreibung befjufB richtiger Be= 
Wertung be§ 2lftiopoften§ 8. notwenbig gewefen fei, nid)t 
gehört werben. Vielmehr ftellt biefe fogenannte Slbfdjreibung 
einen im Vermögen ber 2lftiengefellfd)aft äurücfbefyaltenen, 
nicljt jur Verteilung unter bie 9Jlitglieber gebrauten 33e* 
ftanbteil be§ Vetrieb§fapitat§, mitfjin eine bie 93ilbung einer 
fReferue entfyaltenbe ftapitalanfammlung unb barum eine 
unter bem ©efid)t§punft eine§ tRcferoefonb§ fteuerpflichtige 
Verwenbung beö ge|d)äfttid)en UeberfdjuffeS ber ©efellfdjaft 
im ©inne best 2lrt. 1(5 2lbf. 1 ©iuf.St.@ef. bar. (Gmtfd). 
be§ ^reuft. CberuerroaltuugsgeridjtS in 8taat§fteuevfad)en 
Vb. 11 8. 261—62; Jyuifting, ©inf.8t.©ef. 8 . 290.) 


Digitized by Google 



368 <£titfd)eibuiiflen be§ öenDaltunBeBevidtfSIjofS. 

Sofern bie angefocßtene (Sntfcfjeibung be§ jjrinanjmini* 
fteriumS auS biefem ©eficbtSpunt't ben ftrittigen Setrag jur 
Steuer beigejogen t)at, roar fie ju beftätigen, bie 9ied)tSbe= 
f ebroerbe bemnad) als unbegriinbet abjuroeifen. 

Urteil oont 29. 2lpril 1908 in ber ©infommenfteuer* 

3ted)tSbefct)roerbefacf)e ber 21©. 3). S21. in St. 

34. 

Hie Jurndtforbrrnng jnutel bezahlter Wienern «ndj 

Hrf. 80 Ubr. 2 bes (ßinliomtneitllenergefebeö. 

© r ö n b e : 

I. ®a§ fteuerpflidjtige ©infommeti ber ftattunmanufaf* 
tur 3tftiengefeüfd)aft in . . . . ift t>on ber ©infcbäßungsfom* 
miffion ber Steuererflärung ber ©efellfcßaft entfpredjenb für 
baS Steuerjabr 1906 auf ben Setrag oon 855 123 9Jlf. 
unb für baS Steuerjabr 1907 auf ben Setrag oon 907 815 2JU. 
fcftgefeßt rootben. Qn biefe fteuerpflicßtigen Seträge würbe 
gemäß ber Steuererflärung an ©infommen* unb ©rtrag* 
fteuern im erftcren Steuerjabre bie Summe oon 126 823 9JJf. 
unb im letzteren Steuerjabre bie Summe oon 127 515 9)if. 
eiitbejogen. 9tad)bem ba§ Urteil beS SermaltungSgeridjtS« 
bofS oom 13. Siuni 1906, oeröffentlid)t in ben Jahrbüchern 
ber roürtt. tHecbtSpflege Sb. 18 S. 238—254, loonad) ber 
Jufcßlag für bezahlte Steuern im Sinne be§ 2(rt. 16 21bf. 1 
beS ©infommenfteuergefeßeS nur ben Setrag ber oon ben 
©enieinbett unb 2lmt§förperjd)aften erhobenen ©rtrag* unb 
©iufommenfteuern, nicht aber aud) ben Setrag ber nicht ab* 
jugSfäbigen ftaatlidjen Steuern umfaßt, befannt geroorben 
mar, beanfprudjte bie 2lftiengefeüfd)aft mit ber Seßauptung, 
baß in ben fraglichen beiben Steuerjabren 42 755 2)if. unb 
45 390 9Jlf. bejablte ftaatlicße ©infommenfteuer ju Unredjt 
in baS fteuerpflidjtige ©infontmen eingeredjnet rootben feien, 
für biefe Seträge Steuerfreiheit unb iHücferftattung beS auf 
biefe Seträge entfallenen unb entrichteten Steuerbetreffs 
mit 50/0 = 4407 9Jit. 25 ißfg. 2luf ben ableßnenben Sc* 


Digitized by Google 



$ie 3 l *n*tfforbetuii() §uuiel bejahter Steuern 2 c. 369 

frfjeib be3 ftameralamtS £) . . . tjat bie 2lftiengefe(lfd)aft Be» 
fd)roerbe $unäd)ft an bab ft. Steuerfollegium, 2lbteilung für 
birefte Steuern, unb fobantt an bae> ft. ffinanjmiuiftcrium 
erhoben, rourbc jebocf» mit biefer Befdpuerbe uon erfterem 
am 27. $ejember 1907, uon letzterem am 28. gebruar 1908 
abgeroiefen. $a3 SJtinifterium ift babei non folgenben Gr» 
mägungen au§gegangen : s JJacf) 2lrt. 57 be§ Ginl.St.G. ftebe 
bcm Steuerpflichtigen gegen ba§ Gefamtergebniä ber Gin* 
fd)ä^ung bab uon ber Ginhaltung beftimmter iNotfriften ab» 
gängige 9ied)tsmittel ber Befdjroerbe ju; bei einer 3tid)tbe» 
nütjung biefeS iüedftsmittefö fei bie Steueruerroaltung einer 
materiellen Prüfung ber Steuereinfdjä^ung enthoben; hie»“<h 
fönne ber 2lrt. 80 2lbf. 2 be§ Gefetjeb nid)t mit ber Gefell» 
fdjaft bafjin aufgelegt roerben, bafj er bie .ßurücfforberung 
juoiel besagter Steuern ohne jegliche 9iücffid)t auf bie frühere 
‘Beobachtung ber Bef d)io erbe* Grforberniffe geftatten molle ; 
fein 2lnroenbung§gebiet fei uielmehr auf bie ^cille be» 
fdjränfen, in betien ber SHiicfforberung ber Steuer nicht bie 
Ginrebe ber formellen 9ied)tsfraft ber Veranlagung entgegen* 
ftefje, in benen ba§ Gefeh troh formeller 9icd)tsfraft au§* 
briicflid) bie 3urüdforberung oon Steuer oorfelje; ein Steuer» 
riictforberungbred)t be3 Steuerpflichtigen tvoh red)t§fräftiger 
Ginfcfjähung fei aber nirgenbb im Gefetje uorgcfehen, im 
Gegenteil fei bei Beratung be§ Ginfommenfteuergefet 3 e§ ba= 
uon aubgegangen roorben, bafj eine Berichtigung ber Gin* 
id)ät)ung jugunften beS Steuerpflichtigen nach Gintritt ber 
SRed^bfraft nicht einmal oon 2luffid)t3roegcn juläffig fein 
folle. 

®ie aWinifterialentfcheibung ift ber 2lftiengefellfd)aft am 
10. aJlärj 1908 jugeftellt morben, bie hi f 3 e fl en uon ber 
2lftiengefellfd)aft orbnungsmäfig erhobene iHed)tsbefd)iuerbe 
an beit Berioaltung§gerid)t3l)of ift am 17. 2Rärj 1908 bei 
bem ftameralamt .)p . . . eingefommen unb mit Sdjreiben be§ 
ftinan}minifterium§ oom 25. SOlärj 1908 am 27. s 3Räx^ brn. 
Benoaltungögerid)t§t)of mitgeteilt roorben. ‘Sa uv 
Schreiben bie Diechtjeitigfeit ber Ginlegung ber s JteA)tsbe* 


Digitized by Google 



370 ©ntftfjeibimgen be3 älerttiattuiigSgericbtSljofS. 

fdpnerbe nid)t beanftanbet wirb, barf banon auSgegangen 
werben, bafj bie 9fed)tSbefchmerbefchrift innerhalb ber am 
24. 9Jtär$ enbigenben Sfotfrift, alfo rechtjeitig, bem ginans* 
minifterium norgelegt morben ift. 

II. @ntfd)eibenb für bie SBürbigung beS norliegenben 
StreitpunftS ift bie Stilllegung beS Slrt. 80 Slbf. 2 beS ©inf.* 
St.©ef. in feinem ükrfyältniffe ju Slrt. 56 unb 57 biefeS 
©efe^eS. 'Ser 33ermattungSgerid)tSl)of teilt in biefer 33e= 
jieljnng bie Sluffaffung beS ginanjminifteriumS unb netniag 
bat)ev ber SfedjtSbefdpnerbe eine Jyolge nicht ju geben. 

$8etrad)tet man ben SBortlaut beS Slrt. 80 Slbf. 2 für 
fid) allein, fo fann man allerbingS ju ber non ber Se= 
fdjmerbefüfjreriti nertretenen Sluffaffung fommen, bafi ein 
Steuerpflichtiger, roenn er ju oiel Steuern befahlt l>at, ohne 
weitere StorauSfehungen nad) feinem öeliebett brei Qahre 
lang jur Sfücfforberung berechtigt ift. Sltlein biefe Sluf* 
faffung ift mit anberen Slnorbnungen beS ©efe^eS, wie folcfje 
namentlich in ben Slrt. 56 unb 57 getroffen fmb, nidjt ner* 
einbar. 35er Slrt. 56 Slbf. 2 beftimmt aussbrürtlich, ba§ bie 
©infehähung, wenn bas @infd)ähungSergebnis bem Steuer* 
pflichtigen mitgeteilt unb bie öffentliche S3efanntmad)utig er* 
folgt ift, gegen ben SBillen beS Steuerpflichtigen abgefehen 
non ber Berichtigung ettoaiger StedjnungSfehler, nur nod) in 
ben fällen beS Slrt. 72 unb 81 ober im 233ege beS Be* 
f d) in erb eoerf a h ren S abgecinbert inerben fann; unb in weiteren 
gefeh(i<h<m Beftinunungen ift baS Befd)werbenerfahren genau 
geregelt; bie ©inlegung ber Befdpnerbe ift non ber ©rfül* 
lung beftimmter >y örtit l i cti feiten , inSbefonbere non ber ©in* 
haltnng gewiffer als Siotfriften bejeidjneter .Seiträume ab* 
hängig gemadjt; unter näher bejeichneten BorauSfehungen 
ift ber Bertuft beS BefdpnerberechtS norgefehen. 3ft in 
biefer BJeife baS Befchmerbcoerfahrcn gefetjlid) genau ge* 
regelt unb bie Slnfcd)tung einer bem ©efetye nidjt entfpred)en* 
beit ©infehähung an beftimmte BorauSfebungen gefnüpft, 
fo fann bas ©efeb unmöglich mit ber Beftimmung beS 
Slrt. 80 Slbf. 2 allen biefeit Borfdfriften baburd) ihre praf* 


Digitized by Google 



2>ie 3uriidfforberutig juüiel besagter Steuern h. 371 

tifd)e Vebeutung entziehen, öafj ei bie eine 2lnfed)tung bei* 
Sinfdjätjung in fid) fd)tiefjenbe .ßurücfforberung pniel be» 
jaf)lter Steuern uneingefd)tänft binnen 3 fahren juläfjt. 
Slnerfennt bai ©infommenfteuergefeh bie gäfiigfeit bei* ©in» 
fd)ät}ung in Vedjtsfraft überjugehen, jo fann ei in 2lrt. 80 
2lbf. 2 bie .ßurücfforberung juoiet bejahter Steuern inner» 

* halb bei* Verjährungifrift nur uorbepciltlid) ber SBirfuttgen 
ber 9ted)t§traft ber ©infdjcipung julaffen; ber 2lnroenbbar= 
feit ber Vorfchrift bei 2lrt. 80 2lbf. 2 finb bamit enge 
©renjen gezogen; fie greift inibefonbere plap, roenn Steuer» 
betrage ohne oorgängige orbnungintäpige @infd)äpung an» 
gefept unb eingejogeit inerben, wenn Verftöfje gegen bai 
SHeidjigefep roegen ber $oppelbefteuerung oorliegen, wenn 
nicf)t bie ©infdjätjung, fonbern bie Steuerberechnung mit ©r= 
folg angefodjten roirb. 2tud) in ber Literatur t>at biefe ein» 
fdjränfenbe 2failegung bei 9lrt. 80 2lbf. 2 auifchliefftid) 
Vertretung gefunben (nergt. i ft o r i u i , über bie 9tecf)ti» 
fraft im ©infommenfteuerbefdpoerbeuerfahren unb Verroanbtei 
in ber 9Bürtt. 3eitfd)tift für lHed)tipflege unb Vermattung 
gahtg. 1 S. 253 — 282, nanienttid) S. 267, © ö j , ©in» 
fommenfteuergefetj S. 319: „®ie ©infd)äpung roirb, metin 
Vefdjmerbe ni«4)t erhoben mirb ober orbnungimäfjig ertebigt 
ift, naef) Vtafjgabe bei 2trt. 56 2lbf. 2 unanfechtbar ober 
redjtifräfttg. gür Unrid)tigfeiten in ber ©infehäpung jum 
9tad)teil bei Steuerpflichtigen gibt e§ aufjer ber Vefdjmerbe 
feine roeitere gefeplid) georbnete SlbhÜfe, ber ©nabenroeg 
bleibt hier bai einjig mögtidje äRittel"). 

Qm oorliegenben gälte h at bie Vefdjroerbeführerin bie 
©infehäpungen für bie Steuerjahre 1906 unb 1907 innerhalb 
ber gefeplid) oorgefehenen griffen nid)t beanftanbet; fie ftnb 
bamit unanfed)tbar ober red)t§fräftig geroorben; ber gutüä» 
forberung ber auf ©runb biefer unanfechtbar gemotbeneu 
©infehäpungen richtig berechneten Steuer fteht bie ©ittrebe 
ber 9tecf)t§fraft ber ©infdjäpung entgegen. 

Urteil oom 29. 2lpril 1908 in ber 9ted)tibefd)roerbefad)e 

bet 21©. in $. 


Digitized by Google 



372 


©iitidjeibungen be§ S3etn)aItmtgSgtrt<f)t8l|ofS. 


35. 

Jtfns ifl unter „Tilgung einer Hapitnirdinlb“ ttn Jitnne 
bes $rt. 16 ilbf. 1 bes CPtulumtmenjieuergerrfees ?u 

uerftejjeu? 

Sie @ t ii n b e b e f a g e n : 

I. Sie ©efellfdjaft mit befdjränfter Haftung „ ©an!" 

mit bem ©© in ©t. ift burd) ©efellfdjaftSoertrag vom 
20. SRärj 1906 mit SBirfung vom 1. Januar 1906 an ge* 
grünbet morben. Sen ©egenftanb beS Unternehmens bilbet 
ber ©rtverb unb ber Fortbetrieb beS bisher in ber Form 
einer offenen |)aubelSgefellfd)aft unter ber Firma .... Vanf 
in ©t. betriebenen Vanfgefcf)äftS unb ber betrieb von Vanf* 
unb .£janbelSgefd)äftcn jeber ülrt. Jufolge biefer Umivanb* 
Iitng ging mit SBirfung vom 1. Januar 1906 baS ©efetjäft 
ber alten ©efellfdjaft mit 2lftiven unb ^affiuen unb bem 
Vecbt jur Fortführung ber Firma auf bic ©efellfcfjaft mit 
befdjrcinfter Haftung über. Sie bisherigen Seilhaber ber 
alten ©efellfdjaft erhielten als Slbfinbuttg für Ueberlaffung 
beS ©efchäftS nebft Firma bett betrag von 600 000 9)tf., 
Zahlbar in 6 unverzinslichen aufeinanberfolgenbett Jat)reS* 
raten k 100 000 SJtf. je am ©cfjlufj beS ft'alenberjabrS, erft* 
malS am 31. Sezcmber 1906. Surd) Vertrag jroifchen ben 
Seill)abern ber früheren unb ben ©efellfchaftern ber neuen 
©efellfchaft vom 6. Sfiärj 1907 ift bieje letztere, bie 2lbfin- 
bung betreffenbe Vereinbarung bal)in abgecinbert roorben, 
„ba|j bie feftgefe^ten 6 Jahresraten ü 100 000 9Jif., je 
Valuta 31. Sejember beS betreffenben JahrcS, bezahlt roer* 
ben follen je auS bem in ben erften 6 ©efd)äftSjat)ren ftd) 
ergebenben s Jteingeroinn=6rträgniS ber ... . Vanf, ®. m. b. 
mit ber Vtajjgabe bafs, fofern ein Veittgetoinn noch nicht 
vorhanben fein ober bcrfelbe zur Jahlung ber Jahresrate 
nicht auSreichen follte, eine s Jiad)zaf)lung beS nid)t bezahlten 
VetragS fatnt 4% JinS vom 31. Sezember beS betreffenben 
JahreS ab auS bem Veingeminn tünftiger Jaljre feitenS ber 


Digitized by Google 



2Ba8 tft unter „SEilgung einer Stapttalfdjulb" je. p berftefjen? 373 

.... Banf ©. m. b. £>. ju erfolgen bat." „Um aber" — 
Reifst e§ in biefem Bertrag oom 6. 3Härg 1907 weiter — 
„bie Bejahung biefer 6 folcbermafjen in bie $orm einer ©ewinn= 
beteiligung umgeioanbelten 2lbfinbung§raten ü 100 000 9)U. 
— weiter ficberjuftellen, übernehmen bie mitunterjeicbneten 
gegenwärtigen ©efetlfdjafter ber .... Banf ©. m. b. |). 
im 33ert)ältni§ iljrer BeteiligungSjiffern bie Haftung für beit* 
jenigen 'Betrag, welcher an ben jährlichen Baten «\ 100 000 SJtf. 
nicht au§ bein 9ieingcwinnerträgni§ ber ... . Bant ©. m. 
b. £>. für ba§ betreffenbe $al)r gebecft werben fann. $h re 
Qnanfpruchnahme fann nur gegen Abtretung be§ oben er= 
wähnten Bad)forberung§anfprud)!s erfolgen." 

Sa ba§ erfte ©ef<bäft§jabr ber ©efeUfrfjaft nt. b. 
am 31. Sejembet 1906 ju ©nbe ging, am 1. ülprit 1906 
mithin noch fein 3abre§abf<hlufj ber ©efellfchaft norlag, ift 
gemäfj 2lrt. 10 3lbf. 4 a. @. be§ @inf.©t.@ef. ber @efd)äft§= 
abfcbtufj be§ erften BetriebSjaf)r§ 1906 fowoljl für ba§ 
©teuerjahr 1906 wie für 1907 ber ©infonunenfteueroeran* 
lagung jugrunbe gelegt worben. Qm ©egenfatj ju ben 
©teuererflärungen ber ©efellfchaft nt. b. |). für bie genannten 
Qahte hat aber bie Steuerbeljörbe ben Betrag non 100 000 3Jtf., 
welcher in ©emäfibeit ber oorerwähnten Bereinbarung oom 
6. SJlärj 1907 burd) Befd)lufj ber ©efellfcbaftguerfammlung 
oon bemfetben Sage über bie Bermenbung be§ ^Reingewinns 
be§ @efchäft§jal)re§ 1906 an bie Seithaber ber alten ©efetl* 
fcfjaft oergütet worben ift, fowohl für 1906 wie für 1907 
junt fteuerbaren ©efdjäftSüberfcbufj ber ©efellfctjaft m. b. 
hinjugerechnet. Sie biegegen fid) ridjtenbe Befd)werbc ber 
. . . . Banf ©. m. b. hat junächft bie Befcbwerbefom* 
miffion I be§ $. ©teuerfollegiumS, Abteilung für birefte 
Steuern, uttb bei weiterer Berfolgung aud) ba§ $. $inanj= 
minifterium, biefeS mit ©rlafj oom 30. Januar 1908 als 
unbcgrünbet abgewiefen. ©egen bie am 3. Februar juge= 
(teilte ÜJJinifteriatentfcbeibung hat bie ©teuerpflid)tige mit 
einem am 15. jycbruar 1908 bei bcnt Ä. BerwaltungSgeridjtS* 
hof eingefommenen ©djriftfah, alfo red)tjeitig ur.b orbnungS* 


Digitized by Google 



374 (Siitfdjeibungen beS SBertoaltungSgeridjtSljofS- 

mäßig, bic 5Red)t§befcf)werbe eingelegt unb beantragt, unter 
Aufhebung ber angefodjtenen ©ntfcßeibung ben Setrag »on 
lOOOOO 2)lf. für bie ©infcßätjung auf 1. 2tpril 1906 unb 
1907 für fteuerfrei ju erflären. 

II. ®ie Sefcßmerbe erfdjeint nid)t begrünbet. 

9iad) 9trt. 16 2lbf. 1 be§ @inf.©t.@ef. gelten al§ fteuer* 
bare§ ©infommen ber in Slrt. 2 I $iff. 4 genannten ®e* 
fellfcßaften, ju welchen auch bie ©efellfcßaften mit befdjränf* 
ter Haftung gehören , bie gefd)äftltcf)en lieber* 
f ct) ii f f e , welche al§ 2lftien$infen, $i»ibenben ober 
©eroinnanteile, gleidjoiet mit welcher ^Benennung, an 
bie SHitglieber »erteilt ober benfelben gutgefcßrieben werben, 
unter ßinjurechnung ber jur Tilgung ber 
^apitalfcßulben ober be§ ®runbfapital§ .... »er* 
menbeten Seträge. S)aß bie in 5Rebe ftehenben 
100 000 501 f. feinenfall§ a 1 3 an bie 9JI itglieber ber 
©efetlfdjaft mit befcßränfter Haftung »erteilte 
©eminnanteile aufgefaßt werben fönnen — eine 'Unnaljme, 
welcher bie angefocßtene ©ntfcßeibung unter 3iff. H 1 ihrer 
©rünbe 0taum gegeben ßat — , unb jwar auch bann nicht, 
wenn fämtlidje Teilhaber ber ehemaligen offenen ,£»anbel3* 
gefellfd>aft jugteicf) auch SHitglieber ber . . . Sanf in ihrer 
jeßigen ©eftalt wären, bebarf nach Sage be§ ©efeßeS feiner 
weiteren ©rörterung. $ür bie ber ©teuerpflicht bc§ 

beftrittenen Setragi fann e§ bemnacf) einzig unb allein 
barauf anfommen, ob berfelbe al3 „jur Tilgung einer 
Sfapitalfcßulb" »erwenbet nad) bem ©inn be§ ©efeßeS 
anjufeßen ift. 

1. ®ie Sefdjwerbefüfjrerin beftreitet bie§ junädjft mit 
bem $inwei§ barauf, baß burd) bie nacfjträglidje Serein* 
barung »om 6. 50tärj 1907 ber al§ ©ntgelt für Ueberlaffung 
be3 ©efdjäftä famt girrna ben früheren . . .Sanfbeteiligten 
gewährte Slnfprud) auf eineStapitalforberung »on 600000 50lf., 
jaßlbar in 6 un»ersin3ltcf)en 5Haten ü 100 000 501f., aufge* 
hoben worben unb bafür ein Slnfprud) auf ben jährlichen 
Dteingewinn ber ©efellfdjaft m. b. atfo eine ©ewinnbe* 


Digitized by Googl 



SBaS ift unter „Tilgung einer ffapitalfcfiulb" x. ju berfteljeii ? 375 

teiligung nad) näherer DRafjgabe ber genannten SBereinbatung 
getreten fei. Stltein biefer ©inwanb gel)t fehl. ®! ift jroat 
richtig, bafj bie Zahlung ber einzelnen $al)re!raten jufolge 
be! Rertrag! oorn 6. Sftärz 1907 niefjt mehr au! bent ®e= 
fellfcftaft§»ermögen im Saufe be! 58etrieb!jahr!, fonbent nur 
au! bent jeweiligen Reingewinn ju erfolgen fjat. 2)ie $il= 
gung ber einzelnen Raten ift mithin, ähnlich roie ber 2ln* 
fprucf) eine! ©efellfcfjafter! auf bett Reingewinn, »on bent 
Rorhanbenfein eine! bilanzmäßig nachgewiefenen $al)re!* 
gewinn! abhängig gemad)t; nur inforoeit, al! ber jährliche 
Reingewinn zur 3>edung einer $at)re!rate au!reid)t, foll ein 
Slnfprud) auf Sefriebiguttg gegen bie ©efellfdjaft nt. b. $. 
geltenb gemadjt werben lönnen. Soweit bie! nicf)t zutrifft, 
foll bie 9tad)jal)(ung be§ Reft! mit 4%iger Rerzinfung uom 
31. ‘Dezember be! betreffenben $ahre! ab au! bem Rein* 
gewinn fünftiger Qaf)re erfolgen, wobei bie gleichzeitige 
fpaftung!übernahme bezüglich be! nicht zur 2lu§sof)lung ge* 
latigenbett Deil! ber Diäten feiten! ber (bamaligen) ©efell* 
fd)after ber 33efd)werbeführerin biefe felbft nicht berührt. 
Dßenn aber auch hiruach bie Refriebigung jene! 2lnfpru<h§ 
ber früheren . . . Ranfbeteiligten oon ber Rebingung eine! 
au!rei(henben jährlichen Reingewinn! abhängig gemacht wor* 
ben ift, fo ift barum bod) ber Red)t!grunb ber fjforberung, 
bie fäuflidje Ueberlaffung ber alten ©efellfdjaft mit Slftioen 
unb Raffioen unb bem Red)t ber fyivma an bie ©efellfchaft 
m. b. |j. nach wie »or berfelbe geblieben, unb e! ift in!be* 
fonbere biefe! 5orberung!red)t grunbfät)lid) oerfchieben non 
bem Recht be! einzelnen ©efellfdjafter! ber Refdjwerbe* 
führerin auf Slnteil am ©ewinn, ba! in feinem ©efellfdjaft!* 
recht wurzelt unb zubem nur infoweit, al! ein Reingewinn 
nad) Tilgung je einer fälligen 3ahre!rate übrig bleibt, zur 
©ntftehung fommen fann (Staub=^adjenburg, ©efellfchaft 
mit befdjränfter Haftung, zu § 29, ©. 249 ff.). 

Ob bemnach bie erfte ,3ahre!rate mit 100 000 3R!., wie 
e! tatfädjlid) gefchehen ift, au! bem Reingewinn ber Re* 
fchwerbeführerin bezahlt würbe ober ob fie ohne ba! $u* 

^a^rbüitt btt SBürttfmb. SHt cfptSpfCeat;. XX. 8. 26 


Digitized by Google 



376 (Sn tf Reibungen beä S3erinaItung8geri^t8^ofS. 

ftanbefommen beS BertragS oom 6. SRärg 1907 noch wäh* 
renb beS ®efd)äftSjahr§ auS Betriebsmitteln getilgt worben 
märe, ift oom fteuerlicf)en ©tanbpunft au§ unerheblidj; im 
einen rcie im anbern gälte bleibt jur Beurteilung ber 
@teuerpflid)t jenes Betrags bie grage ju entfcheiben, ob bie 
100 000 9Jlf. „jur Tilgung einer S?apitalfd)ulb“ im ©inne 
ber angeführten ©efetjeSbeftimmung oerroenbet morben finb. 

2. gn biefer Beziehung mirb oon ber Befdpoerbe* 
führerin weiter eingcmenbet, eine Kapitalfdjulb liege nur 
bann oor, wenn bie ©d)ulb ihren ©runb in ber Eingabe 
oon Kapitalien £) a &e, währenb bie tp er in grage ftehenbe 
©cl)ulb auS einem Kaufoertrag heroorgegangen, alfo Kauf* 
fdjulb fei. Slllein bie Behauptung, bafj eine Kauffdjutb roie 
bie oorliegenbe feine Kapitalfdhulb im ©inne beS ©teuer* 
gefetjeS bilbe, ift irrig. 

SDie gaffung beS ©efetjeS „Tilgung b e r K a p i t a l* 
f cf) u Iben" in 2lrt. 16 2lbf. 1 beS @inf.©t.©ef. ftimmt 
überein mit 3lrt. 9 11 giff. 1, wo als nicht abjugSfähig er* 
flärt finb inSbefonbere „Benoenbungen jur Berbefferung 
unb Berntehrung beS BermögenS, wie Ausgaben ju . . . 2lb* 
tragung oon Kapitalfdjulben" unb eS beliebt 
barüber fein ßweifel, bafj bem Begriff Kapitaifcbulben an 
ben beibeti ©efetjeSftellen bie gleite Bebeutung jufommt. 
9Bie nun bie ©ntftehungSgefchidjte beS ©efeljeS unb ber 
©ang ber fiänbifdjen Berhanbluttgen lehrt, überbieS bem 
preupifdjen Borgang ju § 8 III beS bortigen ©infommen* 
fteuergefetjeS entfprid)t, welch le^tere^ gerabe aud) in ber 
hier in Bebe ftebenben Beftimmimg bem württembergifchen 
©efetj jur ©runblage biente, wollte in 3lrt. 9 giff. II lebig* 
lieh ki e fdjon auS bem Begriff beS fteuerbaren ©infommenS 
abjulcitenbe golgerung noch auSbrücflicf) in baS ©efet) auf* 
genommen werben, bafj nur ber fogenannte ©ewinnungS* 
aufwanb, bie BetricbSfofteu unb gewiffe, bie wirtfd)afttiche 
unb fteuerlidje SeiftungSfähigfeit berüdfidjtigenbe Bbjüge 
oom Boheittfontmen im ©inn oon 2lrt. 9 giff. I be§ ©inf.* 
©t.©ef., n t cf) t aber aitbere, namentli<h nid)t bie j u 


Digitized by Google 



S33aS ift unter „Tilgung einer Sfapitalfcfjulb" ec. 311 uerfteljeit ? 377 

93er mögen§Derm errungen beftimmten 2lufwenbungen 
am fteuerbaren ©infonunen abjugäfäbig fein füllen. 2 I(le im 
93 e r e i ct> e be§ 93ermögen§ fict) uotljieljenben Seiftungen 
biirfen, ba fie feine jur ©rwerbung b e § ©infommenS 
bienenbe 'Ausgaben barftellen, am fteuerbaren ©infomnten 
nid)t gefiirjt merbett. (93ergl. auct) © ö j , ©infommenfteuer» 
gefet), ©. 105 ff., 109; ißiftoriuS, II. 2lufl. ©. 50 
unb 61; 3» M’ü ”9/ ^ßreufj. @inf.©t.©ef. ©. 113.) 

«£>eruorgef)oben ju roerben oerbient in biefer Begebung 
fd)on bie 93egrünbung jum erften iftegierunggentwurf, roo 
ju bent jetzigen 2lrt. 9 be§ ©inf.@t.@ef. gefagt ift: „bie 
hier bejeidjneten, niefjt abju gSfäbigen 9lu§gaben (unter 9tr. II 
be§ 2lrt. 9) ftnb in baS ©efet) aufgenommen, um burd) ben 
©egenfat) ju ben unter 9tr. I aufgefiibrten 2lu§gaben, beren 
9tbjug geftattet ift, ben 93egriff be§ fteuerbaren ©infommeng 
weiter ju erläutern. 5>er 3iff- l ( DOn 2©t. 9 II) liegt bie 
9lnfcf)auung jugrunbe, bafj alle Slufroenbungen au§ bem ©in» 
fommen, meld)e eine 93erme^rung b e § © t a m m» 
»er mögend — teils unmittelbar burd) Kapitalanlagen, 
t e i l § mittelbar burd) Abtragung 0 0 n © cf) u U 
ben — bewirten, feine ©djmälerung be§ ©infommenS bar» 
ftclleu unb babet bei 'Berechnung be§ fteuerbaren ©infommenS 
n i d) t in Slbjug gebracht werben biirfen . . (Beil. 34 
uom 24. Sftai 1895, Beil. Bb., Kammer bet 9lbg. ©. 343/44; 
ju oergt. and) Komm.»Berid)t ber Kammer ber 9lbg. Beil. 197 
uom 21. 9)tai 1897 ©. 57 unb 66 unb (Beil. 161) uom 
19. Quni 1902 ©. 490). 3 lir weiteren Ktarftellung biefeS 
©ebattfenS ift fobattn in ber ^olgc burd) bie übereinftimmen» 
ben Befd)lüffe beibec Kammern fowoljl in 2Irt. 9 ßiff. II 
wie in 9lrt. 16 2lbf. 1 ©inf.@t.©ef. ftatt be§ urfprünglidjen 
SßortlautS ,,©d)ulben" ba§ SBort „Kapitalfdjulben" gefegt 
worben, um barjutun, bajs bie Beftimmung, wornad) 2lu§» 
gaben jur Abtragung uon ©djulbeit nid)t abjugSfäbig fein 
bejw. ben fteuerbaren Ueberfd)üffen tjinjugerecfjnet werben 
follen, nur bie K a p i t a l abtvagungeu einfd)lief?lid) ber 
SlmortifationSbeträge einer itlnnuitätenfdjulb — im ©egen» 

26* 


Digitized by Google 



378 (Sntfctjeibiwßen btä ®erroaliung80eri<f)t8:£)ofs. 

fah ju etwaigen 3 i n § fcf)ulben — oon bet SlbjugSfähigfeit 
auSfdjliefjen wolle. 

Sergt. Somm=Sericht bet Sammet bet 91bg. o. 19. Quni 

1902, 99eil. 161, S. 505 uttb Sammet bet StanbeS* 

herrn »om 25. 9to»ember 1902 S. 30 uttb 60. 

Uebetall alfo roat bet befjetrfdjettbe ©ebanfe, bafj 
Schulbabjahlungen, tueldje rticf)t forooljl bet @r Werbung 
be§ ©infommenS, als oielntehr bet SerntögenS* 
oetmet|tung bienen, beut fteuetbareu ©infommen juge* 
rechnet roerben füllen. $ür bie 2lnnahme bet Sefchroerbe* 
führerin, eS feiett unter Sapitalfdjulben nur S)atlehenS* 
fdjulbett ju »erftehen, ift aber t)ienad) fein 9taum; ohne 
©runb beruft fid) bie Sefchroerbeführerin jur Unterftütjung 
biefer ihrer Sefjauptung auf baS Urteil beS SerroaltungS* 
geric^t#t)ofg »om 17. Oftober 1906 (SBürtt. $ahrb. Sb. 18 
S. 360). 

®arlehenSfd)ulben mögen allerbingS baS nädiftliegenbe 
Seifpiel für Sapitalfdjulben inSbefonbere t»on ©rt»erbSge= 
fellfcfjaften im Sinne beS 2lrt. 16 @inf.St.©ef. fein. 2lber 
bet Segriff ber Sapitalfcf)ulben barf nicht (nach bem 2luSge= 
führten) hi crau f befdjränft roerben, aud) ber gewöhnliche 
Sprachgebrauch jroingt l)i^ l > in feiner SBeife. Sielmehr 
mufj in Uebereinftimmung mit ber preufjifchen 9fecf)tfprecbung 
— Urteil be§ ißreufj. OberoerroaltungSgerichtS »om 28. Quni 
1900 — baoon ausgegangen roerben, bafj bie Abtragung 
einer Sapitalfcf)ulb, entfprechenb bet fprachlidjen Sebeutung, 
bie Tilgung einer jebett auf bie Zahlung eines SapitalS 
im roirtfchaftlichen Sinne biefeS SSBorteS lautenben 
23erpflid)tung grunbfäijlid) in fid) begreifen fann. (Sergl. 
©ntfd). in StaatSfteuerfachen Sb. 9 S. 207 ; g u i ft i n g 
a. a. O. ju § 8 2lnm. 19 S. 113.) ^ebenfalls aber barf 
eine Sauffdptlbabtragung, roie fie h' er »orliegt, »on bem 
Segriff : Tilgung einet Sapitalfchulb im Sinn beS genannten 
2trtifelS 16 2lbf. 1 @inf.St.©ef. nicht ausgenommen roerben, 
umforoeniger als flat ift, bafj bie allmähliche 2lbjahlung 
biefer Sd)ulb jroar ben SermögenSftanb ber Se= 


Digitized by Googli 



SMe SBerpflidjtunfl b. Anlieger gut Steinigung b. öffentL Sßläö«. 379 

fd)roerbefüf)terin oerbeffert, i t) r Vermögen oermel)rt, 
mit bem ©rroerb iljrei ©efd)äftiertragi — bei fteuerbaren 
©infommeni — aber nicfyti ju fcfjaffen t>at. 

3. $u ermähnen ift nod), bafj aud) bai preu^ifdEjc ©in* 
fommenfteuergefet}, roierootjl ei (in 2lrt. 15) nur non ,,©d)ul= 
ben", nicf)t oon „Kapitalfcfyulben" rebet, allgemein in Sitera» 
tur unb 9ted)tfpred)ung in bem l)ier nertretenen ©inne oer* 
ftanben mirb. (SSergl. ff u i ft i n g a. a. D. ju § 15 Slnm. 12.) 
Dafj aber biefe Sluffaffung aud) nidjt im Söiberfprud) mit 
bem Urteil bei '-ßerroattungigerid)tif)ofi »om 17. Oftober 
1906 ftet)t — jumal biefei einen roefentlid) anberen ©ad)* 
nertjalt jur ©runblage fjat — , ift fdjon oben bemerft 
roorben. 

III. s Itad) bem 9luigefüf)rten ift ber Slnfprud) ber ©teuer» 
beljörbe, roeldje bie aui bem SReingeroinn ber 53efd)roerbe* 
fü^rerin im ©efdjäftijaljr 1906 an bie früheren . . . 93anf= 
beteiligten oergüteten 100 000 3Jlf. — unb jioar nad) ber 
befonberen 93orfd)rift bei 2lrt. 10 2lbf. 4 lebtet ©at) bei 
®inf.©t.@ef. forooljl für 1906 roie für 1907 — jurn fteuer* 
baren ©infommen ber 53efd)roerbefüt)rerin fjinjugeredjnet t»at, 
ali gerechtfertigt anjuerfennen. 3)ie Sefdjroerbe gegen bie 
2Rinifterial=@ntfd)eibung mar bemnad) — roie gefdjefyen — 
gurücfjuroeifen jc. 

Urteil oom 29. Slpril 1908 in ber ©infommenfteuer* 

9ied)tibefd)roerbefad)e ber ... . 93anf in ©t. 

36. 

Pie Perpflidjtnng ber pttlieger ?nr Peinigung ber 
äffenliirijen JUätie. 

3 n ben ©rünben ift auigefüfyrt: 

I. ®ie 33erpf(id)tung ber SöeUagten ©erufungifläger 
jur ©ntridjtung ber non ber Klägerin $3erufungibeflagten 
geforberten ©ebüljren t)ängt baoon ab, baff bie |)etan= 
jie^ung ber ^öeflagten jur Reinigung bei Seonfjarbiplatjei 


Digitized by Google 



380 ßnlfd|«ibuiigtii beä ä3ern>aIttin0Sgetid)tgI)of$. 

auf gefet>licf)er ©runblage ruht uub in gefetjmäffiger SBeife 
erfolgt ift. 

$ie Klägerin grünbet bie Verpflichtung jur Reinigung 
bei £eont)arbiplat)ei burd) Die ©eftagten auf ben ©emeinbe» 
ratibefd)!uff oom 27. 3uli 1905. 3)urd) biefen ©efd)luff 
rourbe in § 72 ber Straffenpoliäcioorfdjriften ber (Stabt 
Stuttgart oom 7. Januar 1875, roofelbft in 2lbf. 1 jeber 
.£>aui» uub ©runbftiicfibefitjer jut Reinigung ber Straffe 
oor feinem .£)aui ober ©runbftücf oerpflid)tet mirb, ali 
2lbf. 2 folgenbe ©eftimmung eingefdjaltet: „.jpanbelt ei fid) 
nicht um eine Straffe, fonbern um einen freien ©lat), fo 
erftrecft fid) bie Steinigungipffidjt bei ©runbftücfbefitjeri 
nur auf einen 7, 5 m breiten Streifen bei s f31a^ei (ein» 
fdjliefflid) bei ©efjmegei) oor bem in grage fietjenben 
©runbftücf." ®iefc Vorschrift mürbe oon ber ft. Stabt» 
bireftion am 26. September 1905 für oo!l$ief)bar erflärt. 

2)ie Reinigung ber öffentlichen ©lät)e mürbe in Stutt» 
gart bii ju oorgenannter Ülbänberung ber ftraffenpolijei» 
liehen Vorfcf)riften fteti oon ber ©emeinbe felbft beforgt, bie 
Anlieger mürben oon jeher nur für bie Steinigung ber ©et)» 
roege unb ber Straffenfanbel in 9lnfprud) genommen. 

(Erneuerte Straff enpolijeiorbnung für bie Stefibenjftäbte 
Stuttgart unb Submigiburg oom 3. X. 1811, §§ 4 unb 20, 
Steg.»©!. S. 453; 

9)tin.=©erf. oom 25. Stooember 1833, betr. bie Steinlid)» 
feitipflege in ber Stefibenj, Steg.»©!. S. 632, unb § 1 
ber ©efanntmadjung ber ft. Stabtbireftion oom 30. Sto» 
oember 1836, Stabtb. Slft. I /i ; 

§ 1 ber ©efanntmad)ung bei Stabtpolijeiamti oom Stoo. 
1862, Stabtb. 2lft. I /»; 

§ 84 ber Straffenpolijeioorfd)riften für bie Stabt Stutt» 
gart oom 18. guni 1868, Stabtbir. 2tft. I /!>>; 

§§ 74 unb 75 ber Straffenpolijeioorfditiften oom 7. gan. 
1875, Stabtbir. 3!ft. V /■«>, unb oont 23. 2)ejember 1890, 
Stabtbir. 2lft. V /30 unb /^, neue Sluigabe oon 1900, 
§§ 72 unb 73. 


Digitized by Google 



$ie S3erpfti$timfl b. Stnlieger gut Steinigung b. öffeutl. Sßläfec. 381 

$ie ©efetjeSoorfdjrift, auf toeld)e bie am 27. 3iuli 1905 
befdjloffene 2lu§bel)nung ber Sieinigung§pflid)t bet- 2lnliegev 
freier ißlätje gcgritnbet mirb, ift roeber in biefem ^öefcfjtuffe 
felbft, nod) in ber 93otIjief)barfeit»er£lärung ber St. ©tabt= 
bireftion angegeben. Stad) ber beftehenben ©efetggebung 
fann bie ^eranjief)uug ber Anlieger an Ort§ftrafjen jut 
Steinigung uon biefen auf 2lrt. 15 2lbf. 2 SO. gegrünbet 
tuerben, ber beftimmt: „Heber fonftige Serbinblid)f eiten ber 
Seft^er uon an bie CrtSftrafjen angrenjenben ©ebäubett unb 
©runbftücfen tjinfidjtiirf) ber OrtSftrafjen unb Stebenioege 
fann burd) ba§ Ortsbauftatut Seftimmung getroffen ioer= 
ben." ©3 mag nun £)ier baf)ingefteUt bleiben, ob angefidjtä 
be§ 2Bortlaut3 biefet Seftimmung, ber nur uon Ort§ftrafjen 
fpricht, nic^t aber aud) uon freien ißlätjen, unb angeficfjtä 
ber 2lrt unb Söeife, in ber bie SO. fonft Ort3ftrafjen unb 
freie ißlähe fidj gegenüber ober itebeneinanber ftettt, 

2lrt. 4 2lhf. 8 unb 4, 2lrt. 6, 2lrt. 7 2lbf. 4, 2(rt. 12 
unb 13 SO., 

auf ©runb biefer Seftimmung bie $eransief)ung ber 2ln= 
lieget an freien ißlätgen ju bereit Steinigung in berfelben 
SBeife möglich ift, roie $u ber Steinigung uon OrtSftrafjen. 
®enn aud) wenn bie3 ju bejahen ift, fo fann eine ©emeinbe 
uon ber ihr bann juftet)enben gefe^Iidjen ©nnädjtigung 5 ur 
Uebenoäljung ber ifjr obliegettben 9teinigung8pflid)t auf bie 
Ülnlieger at§ öffcntlid)=red)tlid)e £eiftung3pflid)t nur im SBege 
be§ OrtäbauftatutS, nicht aber aud) int SBege ber ort§polijei= 
liehen Serfügung ©ebraud) machen. @3 fann hier unerörtert 
bleiben, imuieraeit bie oom St. SJtinifterium be3 Innern nad) 
früherem ©d)iuanfen, 

uergl. ©ntfdjeibung be3 $. 9Jtinifterium3 be3 Innern 
oom 30. 2>ejember 1884, 9JUn.2l.Sl. 1884, ©. 102; 

©rtafj be§ St. SJiin. be3 Innern uom 12. .Sanuar 1891, 
©tabtbir. 2lft. V /» 8, 
betätigte 2lnfcf)auung 

©ntfeheibung be3 St. 2)iinifterium3 be§ Innern nont 
8. 3uli 1899, 9Jtin.2l.Sl. <S. 331, 


Digitized by Google 



382 ©ntfdjtibuiigeit beS 5Bert»altiuig8gericf)t8()of8. 

bie Slngrenjer an OrtSftrafjen „fönnen unbefcfjabet ber 58or= 
fchrift in 3Irt. 15 2lbf. 2 580. aucf) burd) ortSpolijeilid)e 
58orfd)rift jut Reinigung ber 0rt3ftrafjen entlang ihrer 
©runbftücfe hetangejogen merben", in folgen fällen mit 
bem ©efetje oereinbar ift, in benen bie 5Rcd)t§pflid)t jur 
(Straf? enreinigung fcfjon oor ©rlaffung einer ort§polijeilid)en 
SBerfügung auf ©runb be§ örtlichen .fperfommettS feftfteht, 
roo eS fid) alfo nur um eine nähere geftftellung biefeS -£>er* 
fommenS Ijanbelt. ÄeiitenfallS aber halt ber 58erroattungS= 
gerid)t§f)of in fällen roie bem oortiegenben, roo ben ©ebäube» 
unb ©runbbefitjern eine neue, bisher nicht beftanbene, bem 
örtlichen .fjierfommen juroiberlaufenbe 58erpftid)tung auferlegt 
merben foU, bie ©efdjreitung beS ortSpolijeilichen 58erfügungS* 
megS für juläffig. ©ine foldje 33erpflid)tung f'ann nad) bem 
flaren ©ortlaut beS 9Irt. 15 2tbf. 2 unb beS 2lrt. 2 5Hbf. 2 
580. oielmeljr nur auf bem ©ege beS 0rtSbauftatutS ein» 
geführt merben. 2>af?, roorauf ber Unterrichtet unb bie 
Klägerin hinmeifen, in ber 58egrünbung beS ©ntrourfS ber 580., 
58it3er, 580. ©. 188 oben, 

ausgeführt ift, baj? eS allgemein Hebung fei, ben ©ebäube» 
befitjern burd) ortSpolijeiliche 5ßerfügung geroiffe 58erpflid)= 
tungen in 58ejug auf ©trafjenreinigung aufjuerlegen unb 
bafj bei ber 58eratung ber 580. burd) bie ©tänbe, 

5Bitjer a. a. 0., 

Slnfchauungen baf)in laut geroorben finb, 58orfd)riften über 
©trafjenreinigung merben beffer im ©ege ber ortSpolijei» 
liefen 58erfügung, als beS OrtSbauftatutS erlaffen, oermag 
hieran nichts ju änbern. ®emt biefe 2lnfd)auungen haben 
in bem ttid)t mifjoerftänblichen ©ortlaut beS ©efetjeS feinen 
2luSbrucf gefunben. SiefeS fd)teibt oielmehr an ben beiben 
in 58etrad)t fomntenben ©teilen beutlid) ben ©eg beS 0rtS= 
bauftatutS oor, unb maS bie 33egrünbung anbelangt, fo 
ftellt biefe in bem in 58ejug genommenen ©at?e lebiglicf) 
ben früheren, oor ©rlaffung ber 580. gültigen 5Hed)tSjU* 
ftanb feft. 

$ienad) entbehrt bet ©emeinberatSbefchluf? oom 27. $uli 


Digitized by Googlt 



®ie Sßerpflidjtutig fa. Stnlieger jur ^Reinigung b. öffentl. Spiäfec. 383 

1905, foroeit er bie 9leinigung§pflid)t bet Veflagten über 
©etjroeg unb Stanbel h^auS auf ben SeonharbSplat) auS» 
behnt, mangels gefetjmäfüger ©rlaffung rechtlicher ©ültigfeit. 

II. ®em märe allerbingS nid)t fo, roenn biefer 93efct)lufj, 
rote bet Unterridjter annimmt, unter Veifeitelaffung beS 
2lrt. 15 2lbf. 2 330. auf § 366 3iff. 10 ©t©33. gegrünbet 
roerben fönnte. ®ieS ift aber ju oerneinen. ®ie Söeftim» 
mung barüber, ob unb inroieroeit ©trajjenanlieger otjne 3u* 
fammenl)ang mit ber ©trafjenbenütjung ober mit einet fon» 
fügen ©inroirfung auf biefe ober ben auf ihr ftattfinbenben 
aSerfehr lebiglid) auf ©runb ber ®atfad)e beS ©igentumS 
eines an einer ©trafje ober einem öffentlichen s }?lat) liegen» 
ben ©ebäubeS ober ©runbftücfS ju einer im öffentlichen 
Stufen gelegenen Seiftung jroecfS ©rjielung einer beftimmten 
$8efcf)affenheit ber Strafe heranjujiehen ftnb, ift ©adje ber 
2Bürttembergifd)en SanbeSgefetjgebung, nicht beS Steid)Sfiraf* 
gefe^buchS, fie ift gegeben in 2trt. 15 Slbf. 2 930-, nidjt in 
§ 366 3iff- 10 ©t©93. unb eS fann fid) baher auch bie 
aSerpflidjtung ber Veflagten ju ber ihnen angefonnenen 
Steinigung nur auf erftere, nicht aber auf bie jroeite 33or> 
fdjrift grünben. 

®ieS ift auch ber ©tanbpunft beS preufjifchen 9ted)teS, 
nadj roetchem für bie SSerpflictjtimg ber ülnlieger jur Steinigung 
ber ©tragen nur baS örtliche |>erfontmen in 33etrad)t fommen 
fann. 

Stechtfpredjung beS ißreufj. OberncrroaltungSgerichtS, IV 
©. 1018. 

III. @S fehlt aber auch nod) cm einer iweiteren Vor* 
auSfetjung für bie Vegrünbuttg beS flägerifchen 3lnfprud)S. 
®enn hiefür bebürfte eS, auch ntenn bie ortSpolijeilidje Vor* 
fdjrift oont 27. Quli 1905 gültig roäre, nod) eines Ve* 
fdjluffeS beS ©emeinberatS über bie Verpflichtung ber Ve» 
flagten jur Veniitjung ber ftäbtifdjen 9teinigungSeinrid)tungen 
unb biefer Vefd)lufj bebürfte, ba 'eS fid) um eine 3roangS s 
uerpflichtung tjanbelt, nach 2lrt. 3 2lbf. 2 beS ©efetjeS über 
bie VefteuerungSred)te ber ©emeinben unb 2lmtSförper» 


Digitizod by Google 



384 (Sntfdjeibuugeu beä S8cri«aItungägerid)t*f)ofS. 

frfjaften dd m 8. 2luguft 1903, 9teg.*23l. <5. 397, ber ®e* 
neßmigung bet üiegierung§bef)örbe. 2>er 23efcßtuß oom 
27. 3uli 1905 enthält übet bie ©inbejießung ber ©trerfen, 
bercn Reinigung ben 23eflagten neu auferlegt rourbe, in bie 
ftäbtifd)e Sieinigungsanftalt nichts unb roenn in § 73 2lbf. 1 
3iff. 1 ber ©traßenpolijeinorfchriften aud) beftimmt ift, bafi 
bie Fahrbahnen ber öffentlichen ißlä^e burcf) bie ©tabt ge* 
reinigt roerben, fo Ijat biefe 23eftimmung ntcf>t ben ©inn, 
baß bamit eine ben Sßeflagten obliegenbe £>anblung für biefe 
beforgt roerben foll, bie ©emeinbe oerliet) nielmehr bamit 
nur ber bei ©rtaffung ber 23orfd)rift geltenben eigenen ©er* 
binblidjfeit 2lu§brucf. 3>ie ©erpßichtung ber Anlieger jur 
©enütjung ber ftäbtifcßen ©einigungSanftalt gegen ©ebüßr 
bebürftc nod) befonberen ©efcßluffeS nach § 73 2lbf. 1 
3iff- 2 unb 2lbf. 2 ber ©traßenpolijeioorfchriften. 3)iefer 
©efd)luß märe aber burd) bie 9iegierung§genef)migung Dont 
21. Februar 1891, 3- 1862, 9ieg.2lften /6 , nidjt gebecft. 
Senn biefe auf ©ruitb ber §§ 65 93ud)ft. 1 unb 66 3iff. 7 
©erro.Sb. erteilte @enef)migung erftrecfte fid) nur auf ben 
©efdjtuß bet bürgerlichen Kollegien ber ©tabt ©tuttgart 
uom 23. ®esember 1890, roonad) bie bisher ben £au§be* 
filtern obliegenbe regelmäßige orbentliche Reinigung ber 
Fahrbahn unb ber ©eljroege in 8 auöbrüdlich bejeicßneten 
ftäbtifdjen Straßen gegen eine oon ben ^auSbefttjern ju be* 
jaßlenbe jährliche ©ebüßt üon 25 ißfg. für ben Ouabrat* 
meter oom 1. 2lpril 1891 an auf bie ©tabtgemeinbe über* 
nommen rourbe, er erftrecfte fid) aber feine§roeg§ auf bie 
©infüßrung einer allgemeinen 3roang§oerpflid)tung für bie 
Stuttgarter ^au^beßhet jur ©enüßung ber ftäbtifcßen 9ieini* 
gungäanftalt nach öem belieben ber ©tabt, feßte oielmehr 
bei einer 2lu§behnung biefer ©erpflicßtung über bie 8 au3* 
briicflich bejeidjneten Straßen hinauf neue ©efcßlußfafjung 
unb neue ©egierungsentfdjließung oorau§. 

IV. Fehlt e§ tßenad) an ben gefeßlicßen ©runblagett 
für bie @ebührenpßid)t ber ©eitagten, fo roar bie Klage 
unter Slbänberung be§ angefochtenen Urteile als unbegrünbet 


Digitized by Googl 



2>ie SBerpflicfituiig b. Stnliegcv jur Steinigung b. öffentl. Ißlä^e. 385 

äurücfjuiüeifen. Riebet ging bei' Benoaltungigerichtshof in 
2tbroeidf)nng non bei' Stellungnahme bes Unterrichtet^ baoon 
au§, bafj ber Seonharbiplah trot} ber baraufftehenben 93oten» 
halle aud) not bem ©ebäube bei 33eflagten @d). ali freier 
$lah anjufehen ift unb baff beihalb auch bie biefem gegen» 
über erhobene f^orberung unter benfelben rechtlichen ©efichti 5 
punften ju prüfen mar roie bie gegen bie übrigen 93eflagten 
erhobenen gotberungen. $n eine Erörterung barüber, ob 
unb inmieroeit bie S3eniihungiart bei Seotiharbiplahei auf 
bie flägerifdje fyorberung non Einfluß ift, mar angefictjti 
bei Ergebniffei ber oorftehenben Unterfudhungen nicht einju» 
treten, ebenfo nicht in eine Erörterung barüber, ob bie 
■3infenforberung bei @ebüf)ten ber oorliegenben 2lrt über» 
haupt juläffig ift. 

Urteil norn 29. Slpril 1908 in ber $Betuf.=©ache bei 
SB. u. ©en. in ©t. gegen bie Stabtgemeinbe ©t. 


/ 


Digitized by Google 



386 


giter<trifdje Unjrigfit. 

Sifarnebtrb Jahrbuch ber gntfcheibuugen. B. Strafved)t unb 
©trafprnjtfe. ® earbeitet uou Amtsrichter 3t o f c u m ü II e r. 2. 3ahr s 
gang 1908. (ßeipäig, 9tofjbergfd)e äkrlagSbuchhnnbluug 6 Wll) $ie 
reichhaltige 3i I fammenfteHung üou (Sntfdjeibungen beb Dteicf)Sgerid)tS unb 
non Cbeifaubebgerichten, bem ffammergerid)t unb S3aher. Oberften 2an= 
bebgeridjt umfaßt bie 91ecf>tfprcd)nng beb 3af)reS 1907 jum St@8., 
2Jlil.St®33., ©eW.D-, ältil.@t®D. unb 67 anberen SReichbgefeßen, wobei 
inbgefamt 59 3ritfd)riften unb Sammlungen beinifet unb jeweils 311m 
wörtlichen SJtachlaffen bet angeführten Urteile jitiert finb; ferner ift bei 
jebem ölbfcfjnitt unb § bie eiitfdilägige neue Siteratur angegeben, füteljr» 
fad) finb Urteile beb 3leid)Sgerid)tS, meldje in ber offiziellen Sammlung 
nidjt erfd)ienen finb, in wortgetreuen Slubjügen abgebrudt. 3)ab 3ahr= 
bud) ift g(eid) bem früheren für eine nmfaffenbe unb rafche, bebhalh bem 
fßraftifer fehr millfommene Orientierung über bie neuefte einfdjlägige 
9ted)tfpred)img unb üiteratur überaus geeignet unb niifclid). 

Dr. ßuf ab. Anleitung jur ftrafrechtlicben $rartb. II. Seil. 

£ab materielle Strafrecht. Berlin 1907. Skrlag non Otto fiiebmann. 
fßreib 8 SDlf. geh. 9 3Jtf. 3n furjer 3«it ift bie j weite Sluftage beb 
SUidjeS (ber I. Seil umfaßt baff Sßrojcfjrecht) erfchienen, bas im beften 
Sinn alb ein zuoerläffiger unb praftifdier 3füf)rer für bie jungen 3uriften 
fid) barftelit, welche tp« bei flarer SarfteKung ber ßeljren beb aüge* 
meinen XeilS je an ber $aitb oon praftifebeu Seifpielen aub bem 9ied)ts= 
leben unb fobaun mit gleich anfchaulidjer Sehanbluug beb JatbeftanbS 
ber am Ijäufigftcn porfommenbeu ITelifte aub bem befoubereu Jeil in 
bab Serftänbnib unb bie praftifdje £>anbhabung beb Strafrechts eilige* 
führt werben. Aber and) bem gereiften 3uriften wirb bab S9ud) jur 
SZBeiterbilbnng in ber fßrajib fowie 311 rafdjer Orientierung in 3 n,t 'f eI ® 1 
fällen fehr gute UUenfte leiften unb wegen mancher AuSblide in (fragen 
ber 9led)tspoIitit unb fflnftigen ©efeßgebung nod) oon befouberem 3ntereffe 
fein; ben Unteren (fragen ift ein neueb Schlufjfapitel gewibmet. 

ff. 


Digitized by Google 



ßiterarifcfje 2tnäetgcn- 


387 


33 ott beut fcfjott früher (f. SS8ürtt3- 12 <5. 391 ; 14 ©. 126; 17 ©. 409) 
aitgejeigteit SEBert S r o tu e 8 : Stiftern beb Xeittfdien bürg. SRetbtb ift 
nunmehr ber 4. Sattb „Smmnterialgütemdjte — Samtlienreibt" er» 
fd)ietten (Xiibingen, äJiofjr, geb. 17.50 3Rf.). Unter bem Xitel „3mmaterial< 
güterrccfite" Werben auf 132 ©eiten bie Urheber» unb bie 3 e * < b CI,s ^ ec bl e 
in ä>ttar fnapper ober ftarer Ueberfidjt bebaubeit, bie inäbefoubere burd) 
bie $eroorbebnng ber tnafegebettben SRedjtSgcbanfen bent ißrottifer eine 
miflfommene Orientierung in biefem wichtigen 9icd)t«gebiet gewährt. 
21ud) baS 3antilienred)t ift auf 550 ©eiten (wäljrenb g. 58. bie 3-/4. Stuft, 
bes 4. 23anb§ beS ©taubinger fd)eu ffommentavä 1400 ©eiten jählt), 
ohne ©ingebeu iit alle ©iitjelbeiteu beljanbelt, ber Stadjbrud ift auch hier 
auf bie Älarlegmtg ber ®runbgcbattfen uitb eine überfidjtlicbe Xarfteüung 
gelegt, wobei aber bie 23ebürfniffe mtb ber ©fanbpunft ber 33rasi« 
feineSwegS unberücffidjtigt geblieben finb (oergl. j. 93. bie StuSfübrung 
über bie Jpaftnng beb »orniunbfcbaftSgeridjt«, § 543 II, 1, c unb bie 
XarfteHmtg be8 ^rojefjoerfabrenä in Santilienfadjeit §§ 544 unb 545). 
©offentlid) bringt bie nod) auSftebenbe Xarftellung beS ©rbredjtä ba§ 
oerbienftlidje SEÖerl balb 511m gliicflidien 2lbfcblu&. 


Digitized by Google 



388 


^Ujrlfabetifrijes §:fldjregt|tcr. 

(S5ie 3a$len bauten btc Setten.) 


91 . 

9lftiengefeIIfd)aften , ©infomtiien* 
fteuerpflidit ber 31. 

a) iöeredimmg beö SlbjugS »ad) 
3lrt. 1£ 3lbf. 3 bes ©infont» 
menfteuergeieöeS. 

b) Steuerlidje Söeljanblung Don 
3lbfd)reibungen aus bei» Dteitt- 
gewinn iLL 

— $a« ©intoninten einer in 2Bürt* 
tenibevg fcfeljafteu 31. aus Änteilen 
an einer auswärtigen ©efellfdiaft 
mit befdjräntter Haftung unter» 
liegt ber roürttemb. ©infommen» 
[teuer 1 1 1. 

8ltifed)tuug. SBerpflidituug jur 3afj 5 
luitg be« Jtaufpreifes aus einem 
anfcdjtbaren 9ted)tsgefd)äft troö 
erfolgter SUücfgcwäfjr ber ge» 
tauften @ad)cu? 14ü, 

SlunaljmcDcrjug. Jöeenbignitg beS 31. 
bes ©läubigerS 13L 

3lumalt. L Sßie ift 511 berfafireu, 
wenn ber Anwalt bes StlägerS 
feine SBeuollmäditigung ltidit gc= 
tnäjj § 8ü 3lbf. 2 ©'BO. nadyu» 
weiieu permag? 2. SBeldjeS 
Siedjtsmittet ift jitläfftg gegen ein 
ben 91. einer Partei in bie Stoften 
DerfäUenbcs Urteil? LZü. 

Sluftraggeber. haftet ber 31. für 
anfällige ©diäbeit, bie ber 23cauf= 
tragte bei 9luSfül)ruug beS 3l»f= 
trags erlitten l)at? 2. 

Slutomobillenfer. Oie Strafbarfeit 
eines 31. wegen faljrläjfiger Stör» 
peruerleßung tiitb wegen Ber» 


fetylung gegen bie SDUuifterialner» 
fiigung betr. beit SSerfefjr mit 
Straftfaürjeugen. SZÜaS tft unter 
gefcbloffcnett Ortsteilen git per» 
ftcf»en ? 183. 


SB. 

Söanbagift. SBatin übt ber 33- 
ärjtlidje Ipeilfunbe ans? 2Ba« 
ift unter ley terer ju perfteljen? 
301. 

SBeleibigung. (Seni'tgt bie fjeftftel« 
hing, ein Sejidjt fei friuol ober 
au« ber Hilft gegriffen , 311m 
9lusjd)lu6 bes § 133 @t®!B.? 
312. 

SBergfdjlittenfafjreit. gaf)rlä)figfeit 
beim sö. 21ili. 

SBetriebsunfaH. Unter weldien 93or= 
ausfetjuttgeit ift baS 9luftreten 
eine« HeifteubrudjS als ein „SBc= 
triebSunfaH" anjuicljeit ? 1 37. 

SBierabnabmeoertrag. fjortbeftanb 
eines s8. ; wenn ba» ©efebäft ber 
SBrauerei, dou ber baS Bier 311 
bejiebeu ift, auf eine anbere 
SBrauerei übcrgegaitgeu ift? 133, 

SBürge, SBiirgfdjait. Oritt bie £af= 
tung eines Bürgen, bie für jmei 
Bajonett, bie als ©eiamtfdjnlb» 
ner haften würben, fid) 311 Der» 
bürgen Dcrfprodieit Ijatte , and) 
bann ein, wenn bie eine jener 
Sßerionen nicht ©djulbner ge= 
worben ift? 13. 

— 3lnwenbnug beS § HA 9lbf. 1 


\ I 

Digitized by Google 


SllpbabetifcbeS ©adjregifter. 


389 


S8®93. auf altrecf)t(icf)c S9ürg= 
fdiaften UL 

5öfirgc, Uiih'flfdjaft. 8 lnfpritcb bcS 
Bürgen, ber ben fjppotbefar* 
©laubiger befiiebigt bat, auf ent- 
fpredienbeBerid)tignugbeS®runb= 
buchs UL 

©. 

©belicbcS ©üterredit- ©rßrterungen 
juni c. ©. L £ie reditlidie Statur 
bes ebemnnulidien BerwaltnugS* 
reditö tlti. 2, lieber bie Befug* 
niffe ber ffrau in Slotfällen 
§ 1401. § 1450 12L 3. £er 
©runDfab ber Bffresjens beim 
©efamtgut bcS e. ©. 123, 4. 
SchabenScrfabanfprndi ber ©be* 
frau wegen Störwerwerletjung 126, 
5. ©rwerbSgefdiäft ber ©befrau 
Borbebaltsgut ? 248. (L Dledits* 
wirfung bes im Sleditsftreit ber 
grau ergangenen Urteils gegen 
ben Ulan n 252. 7. $ic geriditlidje 
Beurfimbung beim Seilungswer* 
fahren. ©J-r®. §§ 9L 9-L 92, 256. 

©bewerträge. 35ie Borfdirift beS 
§ 1435 Bffi®. (©iutragung in 
bas ©üterreebtsregifter) gilt nidit 
für ©., bie in einer am L Jtannar 
1900 fdjou beftebenben ©be ge* 
fdiloffen merbeu 32. 

©inbriugeii ber ©befrau. 9!echtS= 
uerböltniffe au einer smn eilige* 
braditett ®ut ber ©ijefran ge* 
hörigen ifcarlebensforberung beim 
gefeplidieit ©üterftanb beS B@B. 
34, 

©intommenfteuer. Unterfdjieb jtwi* 
f die ii fteuerfreier Stbfdjreibung uub 
ftcuerpflicbtiger Benuögeuswer* 
mebrung 362. 

— 5Die 3 'oücfforberuug ju biel 
bejahter Steuern nad) 21rt. 80 
fflbf. 2 bes ©infommeufteuerge- 
feßeS 368. 

©intonimeiifteiiererflärimg. Sei ber 
©. barf ein gemerblidicr Berluft 
bes Borjabrs nicht abgeredmet 
merbeu, menn ber als Quelle in 
Betracht fommenbe ©emerbebe* 
trieb bei Beginn bes Steuer jahrS 
nicht mehr beftanben bnt 108. 


©infommenfteuergefep. Sßas ift unter 
„Tilgung einer Slanitalfdinlb" im 
Sinne bes 2lrt- 16 2lbf. 1 be» 
©. ju uerfteben? 312, 
©infoimuenfteuerpflidit. 3 ut Srage 
ber @. ansmärtiger 3 meignieber= 
laffnugcu unb ber 'Anteile am 
©eininn auswärtiger ©efeüfcbaf* 
teit mit befebränfter Haftung S49. 
©rfabbbpothef. 3 ur 'Auslegung bes 
§ 1164 B®B. 288. 

5 - 

jJorberuugSpfänbung. SBirb ber in 
ilnfenntnis ber 3 -, jablenbe 2 ritt= 
fdinlbner babnreb non feiner 
Sdjulb befreit? 273. 

©. 

®ebäube*2lbftäube. $arf baS Orts* 
bauftatut ueränberlicbe @= 21 . 51 t* 
laffeu ? lüü, 

©emeinbe*©inteilnng. Ser SDlajj* 
ftab bes Ärt. 1 Slbf. 2 ber ©e* 
meinbeorbnnug ift and) für bie 
erftmalige ©inteilung ber ©Je* 
meinben entfdieibenb 208. 
©emeinbenueungei!. 3 uftänbigfeit 
ber BerwaltungSgericbte jur ©nt* 
febeibung über X'lnfprüdie auf 
Teilnahme au ®. BorauSfebuugen 
für bie ücrmaltungsgcriditlidie 
Silage 214. 

©emeinbeftener. Sannen in 9feu* 
Ulm wohnhafte mürttembergifebe 
Beamte uub Offiziere, bie ibreit 
bicnftliebenfflobnfib in Ulm haben, 
auf Wruub bieies BJobnfi&eS ju 
bett ©emeinbeftenern in Ulm bei* 
gejogeu werben? 324, 
©emeinbeftenergefefc. Borausfeb- 
ungcu bes hoppelten Sobufibcs 
im Sinne beS ®. 356. 
©emeinbewablredit. Sie gefe$Iidien 
Borousfebungeu für bas ©. fön* 
neu burd) Beiträge ber beteiligten 
©emeinbeit nicht geanbert wer* 
ben 213. 

©efamtfcbulbner. SBelcbe SBirfung 
auf bie Dledite beS ©läubigers 
bat es, wenn bie Ulbrebe: auf 
Seite beS Sdmlbuers falle fid> 
eine weitere 'Ikrfon als ®. wer* 


/ 


Digitized by Google 


390 


SlpbobetifcbeS ©adjregifter. 


binblid) machen — nidjt erfüllt 
tnirb ? 10, 

©efamtfdjulbncr. £ritt bie Haftung 
eines '-Bürgen, ber für gmei Ber» 
fonen, bie als ©. haften mürben, 
fidjgu uerbiirgen Derfprodien batte, 
and) bann ein, menn bie eine jener 
Berfoneu nicht Sdjulbner gemor» 
ben ift? 13, 

©efellfdjaft mit beidjränfter $af= 
tung. Berpftidjtung gur lieber» 
nabme non Slnteilen einer ®. m. 
b. H-biefer ©. gegenüber; fjorm» 
bebürftigfeit einer einfchlägigen 
Bereinbarung 156. 

©eroerbeorbuuug. 3>ir 2lu8leguug 
bes § 183 na ©emO. 24 

— Befdpnerberedjt bei poligeilicbeit 
Berffigungen im Sinne bes § 12Ü d 
ber @ett)D. 12. 

©runbbefitjer. Sonnen ©. burd) 
Drtsbauftatut gegmuugen merben, 
auf ihren ©runbftficfen ohne 2lb= 
ftanb in ununterbrochener Beibe 
ju bauen? Ifi. 

©runbbud). ffätit eine Klage auf 
Berichtigung beS @runbbud)8 
(§ 894 33©®.) unbebingt unter 
bte in § 24 6^0. genannten 
Klagen? 32. 

$• 

Hauseigentümer. Haftung bet £. 
gegenüber bem Brieter für man» 
gelhafte kreppe unb Beleuchtung? 

15, 

Hebamme. 3BaS ift unter H- trn 
Sinne ber 'Jt@emO- im unter» 
fdjieb Pott einer SBärterin git Der» 
fteben? 118, 

Heiltunbe ärgtlidje. 2BaS ift unter 
ä. H; 3» nerfteben? 301. 

Hbpofbet. Bilbet bie geniäfj § 800 
©BO- erfolgte lintermerfung 
unter bie fofortige 3b>ang§DoH» 
ftrednng einen (gefehlidjen) Be» 
ftanbteil ber betreffenben H -Ä 
288. 

HhPotbefbefteüung. ©teilt bas Ber» 
fpredjeu, für eine frenibe ©ebulb 
eine HdPatbef gu befteden, eine 
©cheutnng ober ein ©djulboer» 
fpredjett bar? 3. 


Hhbotbefbcftellnng. ©rfiißungSort 
für bie Berpflichtung gur Befiel» 
Iuttg einer HbPatbef? 274. 

3 : 

3agbgefe(j. 3.u |n 23cgritt ber ®n= 
flaue im Sinne beS 2lrt. 3 beS 
& n. 21. Oft. 1855. 113, 

3agbfarte. 2BaS gehört gur ©ültig» 
feit einer &i 221 

3nualibenueifid)erung. Häßt fich 
eine Haftung beS 2lrbeitgeberS 
für Unterlaffuug ber 2lnmelbung 
gur 2, auf § 823 2lbf. 2 B®B. 
ober auf ben Sienftbertrag 
ftiiöeu ? 152. 

Srrtum über ben Snbalt einer llr» 
fuube, bie ber Uutergeidjner an» 
geblid) ohne fie gelefeit gu haben, 
unterfebrieben bat. 3. 

fi. 

Sapitalfteuerpfficht. ©inb BaufonbS 
unb SultfoftenfonbS, bie als 2lb= 
löfungSfapitalien für fircblidie 
Banlaften unb ttultbebürfniffe in 
bie Berlualtung einer Sircbenge- 
meinbe gefommen ftttb, fapital» 
fteuerpflicbtig ? 191 

— S. ber ©rben mabrenb ber Be» 
reinigung beS BacblaffeS 346. 

Sonfubinat. 3'tnt Begriff bes ftraf» 
baren S. 4L 

SoufnrSnermalter. Berlefeung uoit 
BertragSpfliditen beS ©emein» 
fdjnlbuerS bureb ben S. 136, 

Sraftfabrgeuge. L 3“ r 2luSlegung 
beS § 11 ber Biinifterialner» 
fügung nom 13. 3«Ii 1906 betr. 
Berfebr mit ftrnftfabrgeugeu. 
2, Begiebt ftcb 2lbf. 3 auf über» 
ficbtlidje Sßege? 3. B3as be» 
beutet „2lnsfabrt aus ©runb» 
ftücfen" unb „überall mo ein 
lebhafter Berfebr ftattfinbet ?* 
316 . 

Sranfettpflegerinnen. 8iechtSnerbäIt> 
nis groifeben einer Digafcbmerter 
unb bem Berein für ft.; WuS» 
fdjluß beS 9ied)tSmegS gegen eine 
notn BermaltnngSauSfdjUB Der« 
fügte ©ntlaffuna 144. 

Sranfengelb. 2lnfpruch auf S. bei 


Digitized by Google 


Sllpljabetifdjel ©adjregifter. 391 


einer ^eilbeljanblung im 9Iu8= 
Ianb 226. 

ffranfeitgelb. Slnfpritdj auf ff. neben 
bent Slnfprudj auf Unfallrente 230. 

ffranfenoerficherungggefeh. 23erech= 
nuitg ber breitägigeu SÜlelbefrift 
nach § 49 bei ff. 90. 

— SBie unterfdjeibet fiel) ber felb» 
ftänbige« Unternehmer uon bem 
franfenberfidieruuggpflidjtigen 
Lohnarbeiter? 

©efjört bal ©ntrinben uon Stamms 
hol} }um forftioirtfdjaftlidjen 
ober }um gewerblichen SJetrieb? 
239. 

S. 

ßiterarifdje Slnjeigeu. 

© r 0 m e , ©tjftern beS bentfefjen 
bürg. fRedjtl, 4. S9anb. 3m= 
materialgüterrechte — ftfamilien» 
recht 387. 

© ö } , ba8 ©taatlredjt be8 ffönig= 
reidis Sßürttemberg 260. 

SB. ff 0 h l h « in in e r 8 ©efefce8= 
ffalenber für ba8 3aljr 1908. 
130. 

ß u f a 8 , Dr. Einleitung }ur 
ftrafredjtlidjen SBrapig. II. Steil. 
S)a8 materielle ©trafrecht. SBer= 
lin 1907. 386. 

3Waher«Slei8, ßehrbud) bei 
iJamiliens unb ©rbredjtl 4. Stuft- 
180. 

© ch n e i b l e r , Dr. ffarl, baS ge= 
famte tottrtt. ßanbeSpriBatredjt 
261. 

©taubin ge r, ffommentar }iim 
23©45. 3./4. Stuft 130. 260. 

SB a r n e h e r , Satjrbudj ber 6nt= 
fdjeibungen, bie ba8 ©ebiet ber 
Slrbeiteruerfidjeruug betreffen 260. 
B. ©trafrecht unb ©trafprojefj. 
33earbeitet Bon Stmtlridjter 31 0 = 
fenmilller. 2. 3af)rgang 1908. 
886 . 

SB 0 I f , §anb = ffommentar }nnt 
S8®S3. 260. 

9 «. 

3J?ittäterfdjaft. Ungenügenbe Seft» 
fteüung uon 31!. 311. 


©lotorrabfabreit. fjahrläffigfeitbeim 
m. 263. 

9!. 

3?otar. Haftung be8 9!. für S3er= 
fehen bei Aufnahme ooit SBedjfel» 
proteften 19. 

— 3ft ber öffeutlidje 91. töeamter? 
@r ift „öffeutlidje r Wiener" im 
Sinne be8 Slrt. 8 9!r. 3 bei 9ln8= 
führungSgefeheS gum ©eridjt8= 
uerfaffuitgSgefebe unb „Beamter" 
b. h' öffeutlidjer ^Beamter im 
©innc be8 § 70 beS ©ericfjtg» 
Uerfaffung6gefefce8 19. 

0. 

Oeffentlidje tpiä&e. 2)ie Ißerpflidj- 
taug ber Slnlieger sur Reinigung 
ber öffentlichen SJIIäfce 379. 

$• 

Sßriuatbahn. 2Ba8 gehört }um 9In< 
lagefapital einer im ©inne 
be8 ©ifenbafjitgefefceg? 338. 
Sßrioatlehranftalt. $at ein leben8= 
länglich augefteHter ßeljrer au 
einer Sß. Elufpruch barauf, Unter» 
rieht erteilen }u bürfen, folang 
ihm nicht in ©emäfsheit ber 
©ahmig ber Slnftalt gefiinbigt 
tuerben fann? 142. 
iprojehfoften 3 |,r 9Iu8legung bei 
§ 93 ©SßD. 294. 

©. 

©djabenlerfag. Haftung für gefep» 
lidje S3ertreter unb ^jilflperfoneu. 
3nmiemeit fann ein eingetragener 
S3erein feine ßaftung nadj aiiafj» 
gäbe bei § 278 ©ah 2 S3©93. 
uertragSmäfjig aulfdjliejjen? 1. 
©djenfung bon Stobeiroegen. S9e= 
griff. SBebingung fünftigeu $an» 

beln» be8 fich Serptlidjtenben 5. 

©djlüffelgeinalt. Slufhören ber ©djl- 
bei tatfächlidjer Trennung ber 
©fjeleute. Umfang ber Unter» 
fjaltuuglpflidjt bei Cfjemann« in 
foldjem 3a(l 30. 


3a$rbfit$er ber äBttrttemb. SHcfbtäbflege. XX. 3. 


2 ( 


Digitized by Google 



392 


Üllphabetifcbeb Sachregifter. 


©erienlobgefellfchaften. Veranftal» 
taug oou S 175. 

Stiftung. Voraubfefeungen einer 
auf ber Vribatmohttätigfeit be» 
ruheubeu St. im Sinne beb 9lrt. 8 
3iff- 13 beb ©iufommeufteuer» 
gefepeb unb beb 9lrt. 6 3 'ff- 12 
beb Sapitalfteuergeiebeb 67. 

— 2ab Kapital* unb bab ©in= 
fommenfteuergefeh gemährt nicf)t 
ben Stiftungen überhaupt, fott» 
bern nur ben Stiftungen mit 
felbftäubiger iHecbteperfönlidjfeit 
unter beftimmteu Voraubfefcungeit 
Steuerfreiheit 203. 

— Vegriff ber Stiftungen für niilbe 
3toecfe im Sinne ber ©teuerge» 
fefce 220. 

Strafantragbfrift. SBann hat ber 
'Jlntragbberechtigte UenntniS uotr 
ber fßerfon beb 2äterb erlangt? 
314. 

StrafooHäug. Tie 3uläffigfdt ber 
©inleitung beb St. aus rechtb» 
fräftigen Urteilen, infolauge bab 
fie jit einer ©efamtftrafe nach 
§ 79 St®V. oereinigenbe Sflad)» 
urteil noch nid)t rechtbfräftig ge» 
loorben ift 48. 

©trafjenanlieger. fflagredjt beb St. 
auf ortbbanplamnäfjige #erftel= 
Inug ber Straffe 81. 

Straftenherftcllungbfoften. Ter 2tu» 
fprud) einer ©emeinbe auf (Srfatj 
non St. unterliegt nicht ber Bier- 
jährigen Verjährung 85. 

Streit. 31'ir 1 2atbeftanb beb § 153 
9t@ew0. (Streifparagraph) 307. 

2 . 

2eilgetneinbe. Drbnnngbmäjfige 
Vertretung einer 2. 3 u ft®nbig* 
feit ber VerwaltungBgernbte jnr 
©ntjdjeibung über 'Ünfprüdje auf 
-Teilnahme auöcmeinbeuubungen. 
VorauBfefcungen für bic oerwal» 
tungbgericf)tlid)e fllape 214. 

2reforanlagc. Bäfjt ftd) ber ©r= 
fteßer einer 2. alb Unter» 
nehmet eineb „Vauwerfb" i. ©. 
beb § 638 ©©«. anfehen? 8. 

11 . 

Uebertragimg einer gorberung. 


flenntnib ber traft ©efefceb ein» 
getretenen Ue. e. g.: §§ 407. 
412 V@V. 7. 

UmfaBfteuergefeh. 2l ! er fanit alb 
Täter bet einer 3n'uiberhanb= 
lung gegen 2Jrt. 25—27 beb lt. 
in 'Betracht fommen? 44. 
Umfafcfteuerpflidjt bei ?lubführuttg 
bon Sauarbeiten auf einem ber» 
tauften ©runbftücf bor beffen 
Sluflaffung burcf) ben Verläufer 
99. 

llnterhaltungbpflidjt. Umfang ber 
U. beb ©hemanub, wenn bie 
©chlüffelgemalt bei tatfädtlicher 
2rennung ber ©freute aufgehört 
hat 30. 

UnterftüfcnngBWohnfifc. Voraub» 
feßungen bes ©rftattungban» 
fprudjb im Sinne beb 9lrt. 3 
9tbf. 1 beb ©efefceb oont 17. »pril 
1873. 86. 

V. 

Verlagbredjt au einer 3eitung? 26. 
Verfidjernng für frembe Otecbnung 
161. 

VcrtragberfilHung. Steht eb ber 
Verweigerung ber V. gleich, wenn 
eine einzelne Vertragbbeftimmung 
nicht eingeljatteu ober bie ber» 
tragbmäfjige ßeiftung bon einer 
unjuläffigen Vcbiitgung abhängig 
gemadjt wirb? 132. 

Votlftrecfbare Urfunben. Vilbet 
bie gemäfe § 800 ©'$0. erfolgte 
Unterwerfung unter bie fofortige 
3wangbbolIftvecfung einen (gefeg» 
liehen) Veftanbteil ber betreffen» 
ben $ppotf)ef? 288. 

SEB. 

SBauberlager. 3 um begriff be* 
fteuerpfttdjtigen 2B. 73. 
SBSaffergejejj. Verfügungen ber Ver» 
waltungbbehörben auf ©runb beb 
9lrt. 8 9tbf. 2 beb SB. unter» 
liegen nicht ber 'Jiedjibbefdjmerbe 
190. 

SBaflernufeungbrecbt. 3«r grage 
ber Uebertragung eineb öffent» 
liehen 2B. auf einen anberen 
©rnnbbefiher 334. 


Digitized by Google 



9lIpfjabeHftfie3 ©acfjregifter. 


393 


SBaffertoerfe bei' ©emeinben fiiib 
nicht geroerbefteuerpfTicbtig 55. 

Sßerf. Söegriff beb „mit einem 
©runbftüa uerbutibenen 2Berfb" 
nnb ber „fehlerhaften ©rricbtung" 
i. ©. beb § 836 ®@®. 18. 

3 - 

3in?pftfcf)t für Srorberungeu bon 


ffauflenten unter einanber aus 
beiberfeitigen £>anbelbgefd)äften 
154 . 

3mangbenteigmmg. Unter melden 
SBoraubfefcungen tritt bei ber 3- 
an bie ©teile ber ©igentumb* 
Übertragung eine <£igentumbbe= 
fchränfuug? 104. 



Berlag oon 3. €. B. Jttnfjv (Paul Bicbedi) in ®übingcu. 



©iiif midjtigc (förgitojmwj ju jeö^r jttri|Hfdj*n ^ibliötljeh 

f 

hübet ba§ 

«Sknöbucß öes öffentlichen Hechte 

begriinbet non 

* . • •' e 

ß. von ttlargnarbfcn uub JU. von Scybcl 

herauSgegeben uon 

<Scorg 3«Uin«f unb Kobct-t piloty. 

Das ,,43anbbud) bes öffentlichen tWecf)ts" enthält im Mgemeinen 
$eil neben einev (Einleitung ein , Allgemeines Staatsreibt", eine Da r= 
ftellung non „Staat unb Rieche", ein „Hllgemeitiee Permaltungsretfct" 
unb ein „Pölfcrrecbt". Sobann enthält e§ Bearbeitungen bev Staate» 
rechte non Preußen, cEliaß=Cothringen (Derroaltungsrecbt), Samern, 
Württemberg, ßaben, Mfett, ITlerflenburg^cbtnerin, ntcctlenburg«Stre* 
lifi, (Plbenburg, Sraunichtrenj, Inhalt, IPalbecf, Sd>a umbur g=Cippe, 
tippe, S.4Peimar-6ifenacb, S.=tKeiiüngen, S.OUtenburg, S.*t£oburg* 
(Sotha, Schmar^burg-'Kubölftabt, Sct>tn.*Sonberehfl«ffn. Rrufc !• u.fi.Cinie, 
Hamburg, Ciibecf, Bremen, cDeftcrreicb, Hmerifa, Hiebevlanbe, Curcm* 
bürg, Belgien, cSrantreid?, Italien, Spanien, Portugal, Kufelanb, «Sin* 
lanb, Schmeben'itormegen, Dänemart, ßuglattb. 

5aj«o«ij unb t><ut(d)<* StM) fiitb Vtrgriffcn. giir Itgttvi» ift Uriatj int „Cettcntlidicn died't bcr 
WfgttUvnrt" criibitnen. !tns> De. M. b. ®. Wirb and? ©elc,tctibcit biettn, ü'dtev ein StaatSrnH non 
Saufen unb Ungarn, fetoie tiit Staaterrät brr 2<bn>ftj in neuer Scnrhritniifi ju tvtufvbrn. 

Sämtliche aufgeführten Darftellungen unb StaatSreclffe batten einen 

Cafrettyreis von tW. 256.— 

unb werben jet^t, wenn auf einmal bejogen, geheftet 

fflr in. um-, 

in neun .^albfranjbänbe gebunben für 'DJ. 168.— geliefert. 

2)er ©inieitungSbanb jum „§anbbud) bes öffentlichen iHechteS* ift von ber 
uorftehenöen Offerte auögefchtoffen. (Sr enthält bie Geschichte der Staatsrecbts* 
Wissenschaft, bie Allgemeine Staatslehre, bie Politische Oekonomie unb bie 
Statistik und Gesellscbaftslebre. Üebteve wirb im Jriibjnbr 1908 mit 5tb. 1H 
i'JTtoral-, '-8ilbuitg8-, SSirtfcfjaftliche unb 'Politifche Statiftifi uotlftänbig. 


Drinf non f'. t a 11 f j r in tCäl'ingen. 

4 , • ‘ l * , 


V 



MAR 6- 1908 


j; . . ■ , . - "... \ 

3 it I) r 0 ii d) e r ! 

bev 

^ütttemfiergifdjeH Sftccfjtspflcfle 

, IjevctuSgegeben 

»on beit SXl i tg ti ebevn 


beg 


(Dberlanbesgericfyts unö öcs Deriualtungsgeridjts* 
fyofs 3U Stuttgart 


unb be§ 


Dorjlanbes ber tDürttembergifcfyen Slmualtsfammer. 


,3n»anjigfler SSanb. 

Srfteg -tieft. 


(3ttierrceife: SEBürttQf-) 


d it b in g e it. 

SSettag bev Saupp’fdjen a3ucf)t)cmbluug. 
1908. 


$ie „3at)rbücf)er" erfcfjeinen in groanglofen £>eften, ttou metc^en je b f* 
(Sefamtumfange uoit 25 '-Bogen einen SSanb bifben. ‘ 3,) 


Digitizod by Google 


pierjn jwei 'Beilagen nun 3. ('. 'B. i ] l o f) r (ittaul Sichert) in liibingcit betr. ®üj, In? etnatercc&t beg fföntgreidjS Württemberg 

unb Äirfrtibcrg, ler ^oftfdicrf. 



^itljnltsucrjridjms. 

I. (Jiitfdjeibungen be§ OOerranbelgevidjtä. 

A. in Cioiifadjen. S rtj e 

19. 2?eeubiguug bei 9Innal>ine&trjug8 beS öiüubigerS 131 

20. Siebt t* ber Verweigerung ber Vertragserfüllung g(cici), wen«' 

eine einzelne VertragSbeftimmung uid)t einge&nlten ober bie 
uertragSmafjigc Stiftung üoii einer unguUffigen »ebingung 
abijängig gemacht wirb ? 

21. gfortbeftanb eines VierabnabmebertragS, rnetm bas ©efdjäft 
ber »rauerei, uon ber baS Vier 31t besiehe« ift, auf eine an= 

bere Vrauerei übergegangen ift? 133 

22. Beilegung bon Vertragspflidjteu bes ©emeinfdjulbnerS bnrd) 

ben SionfurSbermalter. igg 

23. Verpflichtung 511 r 3aOtuug bes JlaufpreifcS aus einem anfedjt» 

baren SHcdjtSgefdjiift trog erfolgter 9tücfgcluäf)r ber getauften 
Sacfjcn i 

24. $at ein lebenslänglich angcftelltcr Scljrer an einer Vriuatleljr» 

anftalt Jlufprudj baratif, Unterricht erteilen 311 biirfcn, folaug 
ibm nidjt in ©emäjjbeit ber Saguug ber Slnftalt getiiubigt 
loerben tarnt ? • 

25. .)lcd)tsocrt)äItiiis stoifdjen einer Olgafdjweftcr 1111b bem Verein 
für Stranfenpftegcriimen ; SluSfcblufe beS SicdjtStoegS gegen eine 

üom *crioaltuugsausfd>u& berfiigte ©nflaffnug 144 

26. Sä&t fid) eine Haftung bes Arbeitgebers für Uuterlaffung ber 
SInmelbuug gur 3nbaIibcuoerfidjerung auf § 823 Abf. 2 33©*. 

ober auf ben Stfenftoertrag ftiigen? 152 

27. 3ur Auslegung bcS § 353 $©23 ’ ’ 154 

28. Verpflichtung 3iir llebernabmc oon Anteilen einer @. nt. b. $. 
biefer ©efetlfdjaft gegenüber; g-ormbebürftigfeit einer eiufdjlä» 

gigen Vereinbarung * 

29. Vcrfidjerung für fretubc Aedjmmg. 1(!1 

30. Unter melcficn Vorattsfegungeu ift bas Auftreten eines Seiften« 

brudts als ein „VctricbSuufaU“ anjufeben? le7 

31. 1. 2Sie ift 5« «erfahren, loemi ber Anwalt bes Klägers feine 
Vcbollmädjtigmig nidjt gemäfe § 80 Abf. 2 6530. uadjsuWei« 
fen oermag ? 2. VkldjcS »edjtSmittel ift juläffig gegen ein 

ben Anwalt einer gartet in bie Stoftcit ocrfäUeubes Urteil ? 170 

B. iit Straffadjeit. 

4. Vcranftattnng oon ScricntoSgefellfdjaften . 175 

5. 21'as ift unter $cbammc im Sinne ber St©eioO. im Unter» 

fdjicb oon einer SÖnrteriu 31t oerftebcu ? 178 

Äortj. f. 3. UutW Ä 


•* • 


Seite 


6. 2ie ©trafbarfeit eines 2lutomobillcnfer§ wegen fabrläffiger 
Sörpcruerlctjung uiib wegen Söerfeljlung gegen bie SftinifieriaU 
»erfügmtg, betreffenb ben 33crfebr mit stvaftfafjrjengen. 23aS 
ift unter gefdjloffcueu DrtSteileu 31t berftcljen ? ..... 183 

II. ©ntfdjeibungen be§ $erroaltung§gerid)t§t)of3. 

17. Söcrfitgungen ber SSerwaItnngSbcf)Brbeu auf ©runb bcS 9lrt. 3 

2ibf. 2 beS SEBaffevgefefeeS unterliegen nid)t ber Stedjtsbcfcfjwerbe 190 

18. ©iub SaufonbS unb Sultfoftenfonbs, bie als 9lbl3fung§fapita= 

lien für firdjlidie ibaulaftcu unb Sfultbebürfniffe in bie SSer* 
lualtuug einer ftirdjengemeiube gefommen fitib, fapital\tcuex= 
pflidjtig ? Vil 

19. $as Stapitak unb bas ©iufommenfteuergefeb gewährt nid)t 

ben Stiftungen überhaupt, fonbern nur ben Stiftungen mit 
fclbftänbiger ÜHedjtspcrfönlidjfcit unter beftimmten 33oraus= 
fetjuugcu ©teuerfreibeit 203 

20. $cr ÜJlafjftab bes 21rt. 7 2lbf. 2 ber ©emeinbeorbnuug ift and) 

für bie erftmaligc ©intcilung ber ©emeinbcit entfdjeibenb. . 208 

21. OrbmmgSmäfjige Skrtretuug einer Seilgemcinbe. 3 lt ftänbig= 
feit ber 33erwaItuugSgcrid)te gur ©utfcbeibuug über Slufprüdjc 
auf Seilnaljnie au ©emeiubeuubungcu. SSorauäfefcungeit für 

bie uenualtungSgcriebtlidje Stage 214 

22. $ie gcfei}lid)cu älorauSfetjnngcn .für baS öemeiubcluabircdjt 
fönnen bnreb Verträge ber beteiligten ©emeinben nid)t geiin* 

bert Werben 219 

23. Söcgriff ber Stiftungen für milbc 3'»ecfe iut Sinuc ber Steuer* 

gefetje 220 

24. Tluiprud) auf Shanfeugelb bei einer §eilbebanbluug im '.UuSlaub. 226 

25. Slufprud) auf Stranfcngclb neben bem 2infprud) auf llnfatlrcnte 230 

26. 3Eic uuterfebeibet fid) bei fclbftäubigc llnteruebmer boit bem 
franfcm>crfid)erungSpflid)tigeu Vobnarbeiter ? ©ebört bas ©nt* 
rinbeit uou ©tammbolj 311m forftwirtfdjaftlidjeu ober 311m 


gewerblichen 2)ctrieb? 239 

III. Slbfyattbhmg. 

Grörterungeu gunt cl)clid)eu ©iitcrredjt. 2Sou 'Uedjtsamualt ®r. 
Scbefolb, Ulm. (©djlnfj.) 218 

2 i t c r a r i f d) e 91 u 5 c i g e n 2C0 


Digitized by Google 



Verlag oon 3. (£. 33. SRoljr (“paul 6iebedt) in Tübingen. 

®aei 6frQfgefet)imcfy für frag ®eutf(^e 9\cicf) nebfi 
t>em (ginfüfrnmgggefcfre. 

§erau 8 gegeben unb erläutert oon Dr. Kctnbarb £vant, ^ßrofeffor 
ber IRedjte in Tübingen. fünfte big ficbente, neu bearbeitete 2 luf- 
lage. 8 . J908. 3Jt. 10.—. ©ebunben 2)1. 12.—. 

3« kcr neuen Auflage finb kic Uonfurekeliflc unk kaS Wajeftät^kefeiktgnngg- 
gefek fomntentiert. 

g)ie gtoUftroaefjortmung für bag 5>eutfcf)e 9?ctd). 

9Iuf ber ©runblage be§ Kommentars non 2. © a u p p erläutert 
oon ,frtebridj Stein. 2Idjte unb neunte 3luflage. Sn 
2 Sänbeit. 2ej. 8 . 2abenpreiS 2Jt. 40.—. ©ebunben 9Jt. 44.—. 
Sammluug ber l<»ibeSrcd)tlidjcii 6 i»il=$rose|*!Ki)nncn. ( 3 ugleid) 
als Ülnfjattg ju ©aupp=@tein§ Kommentar jur ©JJO): 

2 >tc Cott^csgcfc^c mt& Öctot? 6 n»it 0 cn jnr nn»fnb> 
reuig u. £rgän jung ber äioilprejefjorbttung n. bet ^tuanate 
t>crftcig<rutig»gcj<t}<»' jufommengefteilt uitb im Anfc^lttf} 
an Sie ££<D. ertäntert III. für SBürttemberg oon K. «Schier, 
SHinifterialrat in Stuttgart- 3 ,oe ^e. umgearbeitete 2luflage ber 
„formen beS loürttembergifcfien 2anbe§redjtS". 1902. 911. 5.40. 

©ebunben 21t. 6.40. 

Qq 3 ^orfitiigcöcrfat)vcn ttatf) hem 9Rcd)fc beg g)enf- 
fefoen OReicfyö unb feiner gin^ciffqqfen. 

©pftematifd) bargeftellt oon Dr. jur. Cnbtnig Hcinbarb Paillant, 
geprüfter 1 Recf>t§praftifant. Tübinger Simugural 2 ii|fertation. ©rop 8 . 
1908. SDl. 4.80. 

Zur Rechtsfähigkeit der deutschen Arbeiterberufs- 
vereine. 

Die Logo dieses Problems nus seiner Geschichte entwickelt von 

Dr. Andrew Thorndike. Gr. 8 . 1908. M. 7.60. 

Die Hilfskassen in Gegenwart und Zukunft. 

Von Dr. jur. Franz liejer» in Bonn. Gross 8 . 1908. Im Ein- 
zelverkauf M. 5. — . (Abhandlungen aus dem Staats-, Verwaltungs- 
und Völkerrecht, Band IV, Heit 1.) 

Einführung in die Versicherungs-Praxis. 

Eine Sammlung von Formularen und Aktenstücken aus dem Be- 
triebe aller Zweige der Privat- und der Sozial-Versicherung. Zu- 
sammengestellt von Professor Dr. Alfred Hanes. In zwei 
Bänden. 1. Band: Privat- Versicherung. Lex. 8 . 1908. 

M. 5.60. Gebunden M. 6.60. Zweiter Band : Sozial-Versicherung. 
Lex. 8 . 1908. M. 2.40. Gebunden M. 3.40. 

Srud Bon $. 2 a u p p jo in Xükingen. 







NOv 1-8 1908 


3 ft I) r li ii d) 1 1 


2$Sürtfemfiergifd)cu 'gtecfttepfTege 


betouSgegebeit 

üon beit 3Jtitgüeberu 
be§ 

(Dberlanöesgertdjts uttb bcs Pcriualtungsgeridjts- 
tjofs 31» Stuttgart 

unb be§ 

Porflanbes ber IPtirttembngifdjcn Hmualtsfaminer. 

§u>an jUffer 3 Unt>- 
^Drittes fcef't. 

(3itierroeife: 2Bftrtt3f-) 


Tübingen. 

Setlag bev £. 2 a u p p ’ fcfjen 33ucf)f)anbltmg. 

1908. A 

3 abrb(td)et" evfcfjeinen in jmangtofen $eften, uonioelifjen jt Dul 
®ef amtumfange uon 25 Sogen einen Sanb bilbeu. 


Digitizod by Google 


3, g, 9 ) 1 0 1 ) r (fjaul Siebtet) in lübinjen. 



Iitljaltsuurjeirfntis. 

I. CSntfdjeibungen bes Dberlanbe§gertd)t§. 

A. in €ir>ilfad;en. Seite 

32. ftabrläfftgfeit beim iHtotorrabfahren 263 

on (V _ t. „ r " r oa r x * f. npc 


od. tfu^uuiiityieu ucun ^t’uj|ujiiueu|iujieu 

34. ©rfütlungiort für bie Verpflichtung jur SBeftellung einer $ 1 )= 

potf)ef? . . 274 

35. SBirb ber in Unfenntnii bcr $orbentnaiyfänbung jatjlenbe 
Xrittfcfjulbner baburcf) non feiner ©d)ulb befreit? .... 278 

36. 1. gilbet bie gemäß § 800 GißD erfolgte Untenoerfung unter bie 
fofortigc 3 luaTt S^ l,0 Öftrccf u ng einen (gefetjlidjen) SBeftanbteil 

ber betreffenben ipppothef? 2. Hur 9luilegung bei § 1164 3)©58. 288 

37. 3uv Sluilegung bei § 93 ©iJ}D . 294 

B. 3« Straffacben. 

7. Sas gehört jur ©ültigfeit einer Jsagbfarte? 297 

8. SBann übt ber SBanbagift ärjtliche ^»eilfunbe aus? Sßa§ ift 

unter fehlerer ju oerftehen? 301 

9. Hum Jatbeftanb bei § 163 9t©eroD. (Streifparagraph). • • 397 

10. Üngenügcnbc ^eftftellung uoit ihlittäterfdjaft .311 

11. ©enügt bie Heftfteüung, ein ©ejicht fei frinol ober aui ber 
Suft gegriffen, 311m 2luifd)luh bei § 193 St@SB.? .... 312 

12. ÜBaitn h«l ber 3lntragiberechtigte Senntnii non bcr ißerfon 

bei iäteri erlangt? 314 

13. 1. 3ur iMuilegung bei § 17 ber Ihtinifterialnerfügung nont 

13. Sufi 1906 betr. 93erfehv mit Sraftfahrgeugen. 2. Söejieht 
ftch 'ilbf. 3 a«cf) auf überfid)tlid)e 9Bege? 3. 9Bai bebeutet 
„überall mo ein lebhafter Sßerfehr ftattffnbet"? 316 

II. (Sntfcfjeibungen bei $evroattung§geric{)t§f)of§. 

27. Sonnen in 9leu-UIm wohnhafte roürttembergifdie Beamte unb 

Cffiäierc, bie ihren bienftlidjen SSohnfit) in Ulm hüben, auf 
©runb biefei SSohnfihei 311 ben ©emeinbefteuern in Ulm bei- 
ge3ogen werben ? 324 

28. Hur fjrage ber Uebertragung einei öffentlicfjen Sßaffernuhungi- 

rechts auf einen anbereti ©runbbefiher . . . 334 

29. © as gehört 311m 9lnlagefapital einer ißrioatbahn im Sinne 

bei Gifenbahnaefehei? 338 

30. Siapitaifteuerpflidht ber Grben mährenb ber Bereinigung bei 

‘JJachlaffei 346 

31. H'»r ftrage ber Ginfommenfteuerpflicht auiwärtiger ^weig= 

nieberlaffuitgen unb ber Anteile am ©ewinne auimartiger 
©efeUfcbaften mit befchranfter öaflung 349 

32. Borauetehungen bei hoppelten SBohnfthei im Sinne bei ©e= 

meinbefteuergefehei 366 

33. Unterfcfiieb sttjifcfjen fteuerfreier2lbfcf)reibung unbfteuerpflichtiger 

Bermögeniuermehrung 362 

34. ®ic Huriicfforberung 3uniet besohlter Steuern nach Brt. 80 

2lbf. 2 bei Ginfommenfteuergefehei 368 


Digitized by Google 



Seite 


85. 2Ba3 ift unter „Sifgimg einer ®apitalfd)ulb" im Sinne be§ 

9lrt. IG 9lbf- I be3 GinfommenfteuergefetyeS 31 t ucrftctjeit ? . 372 

86 . $ie SBerpßidjtuiig bet Slnlieger jur Steinigung bet öffentlichen 

'JHäße. . . ' . 379 

Siterarifcfje 2Injetgen. 

SBarnetjerS 3)af)rbud) ber @ntf eßeibun geit. B. Straf* 

recfjt unb Strafprozeß 386 

Su lag, atnteitung jur ftrafrectjtlidjen gratis II. (Lag materielle 

Strafrecßt 386 

Grome, Stjftem be§ beutfcßen bürgerlichen IRecfjtS. IV. ... 387 


Verlag von J. C. B. Mohr (Paui, Siebeck) in Tübingen. 

V er sicher ungs-Lexikon. 

Ein Nachschlagewerk für alle Wissensgebiete der Privat- und der Sozial- 
versicherung, insbesondere in Deutschland, Oesterreich und der Schweiz. 
Unter Mitarbeiterschaft von Präsident Professor Dr. v. d. Borght 
(Berlin), Jnstizrat Direktor Dr. Domizlaff (Hannover), Professor 
Dr. Ehrenberg (Güttingen), Generalsekretär Ehrlich (Köln), Professor 
Dr. Emminghaus (Gotha), Versicherungsarzt Dr. Feilchenfeld (Berlin), 
Professor Dr. Florschiltz (Gotha), Kamuiergerichtsrat Hagen (Berlin), 
Wirkl, Geh. Oberregierungsrat von Knebel-Doeberitz (Berlin), Geh. 
Oberregieruugsrat Professor Dr. LexiS (Göttingen', Professor Dr. Loewy 
(Freiburg), Professor Dr. Moldenhauer (Köln), Regierungsdirektor Ritter 
V. Rasp : München), Regierungsrat Dr. Reuss (Berlin), Geh. Regierungsrat 
Direktor Dr. Sam wer (Gotha), Oberlandesgerichtsrat Schneider (Stettin) 
herausgegeben von Professor Dr. Alfred Manen. 

Ca. 860 Seiten Lexikon-Oktav. Complett M. 28. — , gebunden M. 30. — . 

Erscheint in 2 Hulbbänden (Oktober — Dezember 1908.) — Prospekt 
steht zu Diensten. 

Aus dem Vorwort von Professor Maries: 


, Dreimal ist im Zeitraum von 40 Jahren der Versuch unternommen 
worden, eine Versicherungs-Encyclopiidie herauszugeben. Dreimal sind 
diese, hintereinander von einem Engländer, einem Deutschen und einem 
Amerikaner geplanten vielbändigen Werke gescheitert. Die Ursache 
hierfür dürfte im wesentlichen in dem Umstande zu finden sein, dass 
der Rahmen aller drei Eneyclopädien viel zu weit gespannt vim. 
dieser Erkenntnis geleitet, habe ich in Verbindung mit b.etvot'cagnn 
Theoretikern wie Praktikern es gewagt, in einem einzigen ■ . * 

rund 800 Seiten die gesamte Versicherungs-Wissenschaft zur pars- _ 


rund 800 Seiten die gesamte Versicherungs-Wissenschaft zur h» 1 ' • t . 

zu bringen. Als Ziel schwebte mir vor: ein zuverlässiges, alles 've ^ 
liehe enthaltendes Nachschlagewerk zu bieten, das in erster ljime j a8 
Versicherungswesen des Deutschen Keiches, in zweiter Linie ‘ ir 

Oesterreichs und der Suhwi.w . 1 : ~ T.a.nder leaocn 


Oesterreichs und der Schweiz enthält, die übrigen Länder j 
beachtet, sofern wichtige Gründe dafür sprechen- . .. •/„. 

Das Hauptgewicht ist auf die Beschreibung der gegenwärtig»“ 
stände gerichtet worden. Das Geschichtliche hat nur in kürzerer r . 
Berücksichtigung gefunden. Die Biographien beschränken 81C " ‘ 
verstorbene Persönlichkeiten. 


Digitized by Google 



VERLAG DEE H. LaüPP’SCHEN BUCHHANDLUNG IN TÜBINGEN. 

Die Postsparkassen als Volks- und Staatsbanken. 

Von Dr. Fritz Heber. Gross 8. 1908. Tra Einzelverkauf M. 5. — . 
(Zeitschrift f. d. ges. Staatswissenschaft, Ergänzungsheft XXVII.) 

Treuhänder und Treuhandgesellschaften in 

Grossbritannien, Amerika und Deutschland. 

Von Dr. Walter Nachod. Gross 8. 1908. Unter der Presse. 
(Zeitschrift f. d. gesamte Staatswissenschaft. ErgänzungsheftXXVIII.) 

Verlag von J. C. B. Mohb ( Pau l Siebeck) in Tübingen. 

Die Hilfskassen in Gegenwart und Zukunft. 

Von Dr. Franz Leyers. Gross 8. 1908. Im Einzelverkauf M. 5. — . 
(Abhandlungen aus dem Staats-, Verwaltungs- und Völkerrecht, 
Band IV, Heft 1.) 

Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkassen und 
Berufsgenossenschaften nach § 25 des Gewerbe- 
Unfallversicherungsgesetzes. 

Von Dr. Josef Esters. Gross 8. 1908. Im Einzelverkauf M. 3.80. 
(Abhandlungen aus dein Staats-, Verwaltungs- und Völkerrecht, 
Band IV, Heft 2.) 

nmrttembergifcfye Sinf ommenfteuergcf ei) Dom 
8. 2iuguff 1908 neb|f aiusfütjrungsbeffimmungen. 

(Sxlüutert non Dr. Hart <ßöj, ©eljeimer- IHat unb SSorftanb bess 
luürttemb. PenoaItung§gericf)t§f)of§. ßroeite, neu bearbeitete Auflage. 
8. 1908. 311. 7.60. ©ebunben 3 W. 9.—. 

Verwaltungsrechtsfälle zum akademischen Gebrauch 

bearbeitet von Fritz Fleiner, o. ö. Professor an der Universität 
Heidelberg. Klein 8. 1908. Kartoniert M. 1.80. 

3)ie '-Religion in ©efcfyicfyie unb ©egemoart 

Jpanbtuörterbud) in gemeinnerftänblidjer $arfteflung- Unter ÜJItl= 
roirfung uon tjertttami <Sut»e«l unb <Dtto Sdjcel l)erau§gegeben 
non gvieMdf Zllicbacl Scfeicl«. @rfcf>eint in ßieferungen ü3Jl. 1.— . 
Tier Umfang be§ SBerfeS ift auf 4—5 Sänbe oon je runb 1000 ©eiten 
(.2000 ©palten) Scjifon-Dftan beredtjnet- Slbfdjluji etma 1911. pro- 
fpette unb Probelieferungen unbcredjnet. 2>a3 neue §anbn>örterf>u<$, 
ba§ feiner SBeftimmung unb feiner ganzen ätnlage nad) lein ©pejiaP 
merf für Stjeologen, auch fein gelefjrteä, fonbern ein gemein» 
uerftänblidjeä SPerf fein mill, finbet in ben nerfdjiebenften S8e» 
ruf§freifen u. a. aucf) bei ben fünften, bie größte Seadjtung. 

Xrud von i>. Pa u 1> p jr in (Tübingen. 


Digitized by Googl 


r, <■ 


% 


■(fl? 




Digiti^od by Google 


I 




Digitized by Google 



Digitized by Google 


ST—