Full text of "Soest;"
THE LIBRARY
OF
THE UNIVERSITY
OF CALIFORNIA
BBQUEST OF
Alice R. Hilgard
4
J
4
BERÜHMTE
KUNSTSTATTEN
BAND 45 " SOEST
VON HERMANN/SCHMITZ
MIT 114 ABBILDUNGEN
LEIPZIG 1908
V£jI\LAvj VUIN Jj. A. oliljjyLAiNJN
^ i^uo Ly Google
Add to Libi
GIFT
I
Abb. 2. Soest nach Braun und Hogenberg, Theatrum urbium (ca. 1595).
VORWORT.
Soest war im Mittelalter eine der blühendsten Städte Westfalens.
Der eigentümliche Charakter des westfälischen Stammes fand in
den politischen, sozialen und religiösen Erscheinungen dieser Stadt,
vor allem aber in ihrer Kunst, seinen stärksten Ausdruck. Die
Stadt war gewissermaßen Mittelpunkt, Schöpfung, Seele einer ganzen
abgeschlossenen Rasse. Sie enthüllt uns das innere Wesen einer
Volksgemeinschaft, die in dem heimatlichen Erdboden tiefer als
irgend eine andere deutsche Völkerschaft zu wurzeln scheint!
INHALT.
Seite
Vorwort V
I. Kulturgeschichtlicher Teil
1. Entstehung. Entwicklung zur Stadt i
2. Soester Recht 4
^. Die Vehme 6
4. St. Patroclus 9
a. Soester Fehde ig
6. Die Reformation 2i
7. Dichtungen 27
8. Sagen 32
II. Kunstgeschichtlicher Teil
9. Die Bauwerke des romanischen Stils (ca. 1150 — 1250) 36
10. Die Malereien des romanischen Stils (ca. 1170 — 1270) 52
11. Die Bauwerke des gotischen Stils (Ende 13. bis Ende
IS. Jahrhunderts) g8
12. Bürgerhäuser. Stadtanlage 67
13. Geologische und klimatische Verhältnisse 72
14. Landschaft 78
15. Die Malerei des 15. Jahrhunderts. Erste Periode:
Meister Conrad 81
16. Zweite Periode, ca. 1440 — 1500 91
17. Heinrich Aldegrever 102
Schluß. Niedergang der Stadt HO
Anhang: Führer. Verzeichnis der bemerkenswerten Kunst -
werke in Soest 117
Die wichtigsten Daten der Soester Geschichte 134
Literatur 139
Register 142
1. Entstehung. Entwicklung zur Stadt 1
Abb. 3. Soest von Süden.
1. TEIL.
1. Entstehung. Entwicklung zur Stadt.
Soest entstand aus sieben Höfen, die sich um einen Teich,
in der Nähe salziger Quellen, mitten auf dem fruchtbaren Hellweg
angesiedelt hatten. Die Besitzer dieser ,,Sodsaten-hoven", vom
altsächsischen Stamm der Engern, waren Jahrhunderte unter der
Oberherrschaft der Erzbischöfe von Köln. Um die Mitte des I2. Jahr-
hunderts erwarb sich die Gemeinschaft vom Erzbischof Arnold
(t 1151) ein eigenes Recht, hob sich aus der Landgerichtsverfassung
heraus und wurde Stadt; ,, Stadt der Engern" heißt sie auf dem
ältesten Siegel. Jetzt nahm die eigentliche Kultur ihren Anfang,
die Stadt wurde ein Hauptstapelplatz des Handels vom Rhein zur
Ostsee, nach Schleswig und Lübeck, neben den Bauernstand stellte
sich der Kaufmannstand, die Handwerke, vor allem der Tuch-
macher, blühten auf^), damals entfaltete die Soester Bauschule, in
ihrem Gefolge Malerei und Plastik, ihre erste Kraft in Stadt und
Umgegend. Gegen Ende des Jahrhunderts war die Bevölkerung
bereits so angewachsen, daß Erzbischof Philipp von Heinsberg
(t 1191) den Ort auf seine heutige Ausdehnung erweiterte; er um-
zog ihn mit starken Mauern, die dreißig Türme (Abb. 19) und
1) Ihre Walkmühlen lagen an der Möhne, südlich von Soest.
Schmitz, Soest ' 1
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Abb. 4. Osthoventor. Meister Porphyrius, 1523— 36.
(Meßbildanstalt.)
1. Entstehung. Entwicklung zur Stadt
3
zehn Tore (Abb. 4) hatten, das Jakobitor im Westen, wo der Hell-
weg hereinkommt und das Thomätor im Osten, wo er hinausgeht.
Gleichzeitig gründete er sechs Pfarreien; St. Peter, St. Paul,
St. Georg, St. Thomas, Maria zur Wiese und Maria zur Höhe.
Bisher nämlich war die Bürgerschaft unter einer Kirche, St. Peter,
vereinigt gewesen, die Erzbischof Cunibert, dem das Soester Gebiet
vom Frankenkönig Dagobert geschenkt wurde, bereits im Jahre 633
auf dem Hügel inmitten der Höfe gegründet haben soll; sie
wird heute noch ,,olde Kerke** genannt und der Petrischlüssel
ist das Soester Wappen (Abb. i u. 2). Der Pfarrordnung legte
der Bischof die alte Teilung der (jetzt auf sechs verminderten) Hof-
gemeinschaften zugrunde: Große und kleine Westhove, Nordhove,
Osthove, Südhove, Hellweg in der Mitte*). Diese Bauerschaften
verloren bis in die Reformation und darüber hinaus niemals ganz
ihre Bedeutung, jede wählte einen Burrichter: Wahlmänner, die
in den ersten Zeiten den Gemeinderat ernannten.
1) Die Pfarrteilung deckte sich allerdings nicht genau mit der Hoventeilung.
Abb. 5 u. 6. Nequamsbuch. Soest, Rathaus. Mitte des 14. Jahrh.
Links: Zwei Angeklagte vor dem Richter.
Rechts: Wippen am großen Teich.
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4
Soest
2L Soester Recht.
J>«r Stadt Soest triumpititelf Vorsich-
ticheit is ein moder der rykdome.*'
Der aus der Bürgerschaft hervorgegangene Rat brachte im
Verlauf des 13. Jahrhunderts die weltliche Gerichtsbarkeit fast
ganz in seine Hände, die niedere, das Schultheißen- oder lilarkt-
gericfat (für Zivilsachen) sowohl wie die hohe, die bisher der Vogt
des Erzbischofs unter Königsbann ausgeübt hatte. Indem die
Stadt ihre Gerichtsbarkeit allmählich über die Börde, den alten
„Soistgau" ausbreitete, gelangte sie in den Besitz einer reichen
Landschaft. Schlau und vorsichtig, ohne die wüsten Kämpfe,
wie sie die rheinischen und lombardischen Städte mit ihren Landes-
herren führten, entzog sich Soest der kölnischen Hoheit und er-
setzte nach und nach alle bischöflichen Beamten durch seine
Bürger. Nur als die Stadt im Jahre 1279 die erzbischöfliche Vogtei
dem Grafen von Arnsberg hinter dem Rücken des Erzbischofs
abgekauft hatte, belebte sie Siegfrid von Westerburg mit Interdikt.
Das Soester Stadtrecht ist erhalten in zwei lateinischen Nieder-
schriften des 13. Jahrhunderts und einer niederdeutschen erweiterten
Fassung aus der Mitte des 14. Jalirhunderts (1350). Diese so-
genannte ,,Schrae", das alte gekorene und geprüfte Recht, wurde
alljährlich der Gemeinheit vorgelesen und auf dem Rathaus (seit
dem Jahre 153 1, weil sie zehn Jahre gestohlen war, angekettet)
aufbewahrt. Die Vortrefflichkeit der Soester Gerichtsverfassung
für die damaligen Verhältnisse geht daraus hervor, daß sie ein
Dutzend oder mehr norddeutsche und westfälische Städte im
12. und 13. Jahrhundert zum Vorbild genommen haben; bis ins
15. Jahrhundert war Soest als „Oberhof" von den südwestfälischen
Städten angesehen. Die Grundzüge des westfälischen Temperaments,
die in der alten Soester Bürgerschaft am stärksten lebendig waren,
enthüllen sich vielleicht nirgendwo glücklicher als in den städti-
schen Rechtsbüchem und Erlassen: Sinn für praktische Verhält-
nisse, Einfachheit im Denken, monumentale Sachlichkeit, an dem
Erdboden haftende Schwere! Die Westfalen sind deshalb nicht
gerechter als andere Menschen. In der Soester Geschichte ist der
Eigennutz nicht geringer als anderswo. Es heißt: de raed sal
mechtich syn und volkomen macht hebben, to richtende, to re-
gerende, to beschermende ere, recht und olde loveiike wonheyd
2. Soester Recht
5
und vrygheid der stat to
Soist, dem herrn van
Cöln, der stat to Soist,
den borgem, den broder-
schopen, gilden, gemein-
heyd to eren rechte und
eynem juweliken (jeg-
Hchen) to synem rechte,
alze dat van oldes
ghehalden und herghe-
kommen is'). In Wirk-
lichkeit herrscht aber
hier, ebenso wie in
allen Städten , ein un-
aufhörlicher Kampf zwi-
schen der Gemeinheit
und den Ratsfamilien,
die Vetternwirtschaft
und aristokratische Re-
gierung anstelle der Ver-
fassung setzen wollen.
Hüte dich gegen einen
Reichen dein Recht
geltend zu machen I
sagt die Soester Ge-
richtsordnung selbst.
„Dat Recht is eynem
spinnenwabbe gelick ,
dey starken groten flegen dey gaen dar dorch, dey kleinen und
swaken blyven darynne . . . dey armen und sympelen werden mit
den rechten gebunden und beswert." Es soll vielmehr nur gesagt
werden: der juristische Sinn erschien in dem westfälischen Volks-
stamm, dem fester Grundbesitz und langbestehende Verhältnisse
so wichtig waren, in einer stärkeren erhöhten Form, als eingeborene
Neigung, ja fast als tiefe Leidenschaft.
Abb. 7. Schöppinger Meister, um 1460.
(Vom linken Flügel des Altars in Schöppingen.)
(Phot Bruckmann.)
1) Neue Ordnung von 1443.
Digitizei.
6
Soest
Abb. 8. Soest, Nach M. Merian.
3. Die Vehme.
Ein schöpferisches Rechtsgefühl tritt hier sogar an Stelle der
in gewisser Beziehung schwachen poetischen Instinkte; anders
läßt es sich nicht erklären, daß die phantastische Schöpfung der
Vehme gerade auf westfälischem Boden entstanden ist'). Die
freien Grafschaften, die Karl der Große in Westfalen gegründet
hatte, daß sie unter Königsbann Recht sprechen sollten, hatten
beim Aufkommen der landesherrlichen Richtergewalten ihre Be-
deutung verloren und waren an Städte und geringere Leute über-
gegangen. Die Freigrafen behielten aber den Brauch bei, sich
von den Königen den Bann zu holen, trotzdem diese sich seit der
Mitte des 13. Jahrhunderts kaum noch um das abgelegene Land
kümmerten. Erst im Anfang des 15. Jahrhunderts traten die
Freigrafen, infolge verschiedener Umstände, wieder aus der Stille
hervor und erhoben ihre längstvergessenen Ansprüche. König
Rupprecht von der Pfalz berief sie zu einer Besprechung, Sigismund
erkannte ihre Gerichte als Reichsgerichte an. Erzbischof Dietrich
von Mörs berief im Jahre 1430 nach Soest ins Ulricitor das erste
allgemeine Freigrafenkapitel, 1434 hielt er hier mehrere Gerichts-
sitzungen ab; 1437 ein allgemeines Kapitel zu Arnsberg, wo seit-
dem auf dem Baumhof beim Schloß das Obervehmgericht tagte.
Jetzt erst gewann die Vehmgerichtsbarkeit ihre Form. Die Frei-
grafen behaupten: dat dit hilge recht dat hogeste recht is in dem
hiligen Romischen Riehe. Karl der Große habe die Gerichte ge-
gründet auf Eingebung des heiligen Geistes, um den Christen-
1) Hier stützt sich die Darstellung vor allem auf Lindner, Die Fehme, und
Barthold, Geschichte von Soest
3. Die Vchme
7
glauben und den Landfrieden bei den Sachsen zu befestigen» Papst
Leo, Kaiser Heinrich und Friedrich hätten sie bestätigt, darüber
hätten sie Briefe und Bullen. Nur freie Landsassen, Besitzer von
Eigengut, dürfen Schaffen und Zeugen sein. Kaiser Karl habe
ihnen die Höfe verliehen, daß sie dem Stuhl dienen sollten. Nur
Westfalen dürfen Freistohle besitzen; „alle Schdffen sollen gemacht
werden auf der roten Erde, das ist zu Westfalen." Dunkle Redens-
arten kommen in Schwang. Die Schöffen sollen die Vehme geheim
halten: „Düsses und dat hyrinne beschrsrven stett, ensal nemant
lesen noch hören lesen, dann fryscheffen des heylligen ryches"
lautet der Titel der Vehmordnung aus dem 15. Jahrhundert im
Soester Stadtarchiv; die Rückseite zeigt das Bild Caroli Magni.
Der Freigraf soll dem Neuaufgenommenen ,,die Heimlichkeit kondt-
doin und bevelen eme de na aldem herkomen und gesette des
hilligen und groten Keiser Karls". Die Losung heißt: Stock, Stein,
Gras, Grein; die Wissenden begrüßen sich durch rätselvolle Griffe
und sagen das Notwort, das der Kaiser der Vehme selbst gegeben
hat. Wen sie ergreifen mit hebender Hand und gichtigem Mund,
bei blickendem Schein, den sollen sie hängen an den nächsten
Baum, wer aber die Losung verrät, dem gehört: ein Tuch um die
Augen, ein Pint in den Nacken, ein Strick um den Hals, die Hände
auf den Rücken und drei Fuß höher gehangen als einen anderen
Dieb. Die Bedeutimg der Acht war in Wirklichkeit gering, nur
wenige Vervehmte sind tatsächlich gerichtet worden. Die Be-
drohungen, die sich bis nach Süddeutschlmd erstreckten, bestimmten
endlich Kaiser Friedrich IIL gegen das Treiben, das zuletzt auf
Erpressung hinauslief, einzuschreiten. Die Freigrafen aber ant-
worteten, er wäre selbst kein Wissender und habe über die Vehme
keine Macht Die Ladung vor das Hof- und Kammergericht wurde
mit der Ladung des Kaisers vor den Preistuhl von Wünnenberg
beantwortet Das Amsberger Kapitel erklärte schließlich den
Kaiser in die Acht, weil er die Gesetze Karls und Leos verletzt
habe: „Die heiligen Gerichte müssen und sollen bleiben und nicht
abgetan werden, ehe nicht vorher der Christenglaube abgetan ist^*
Dieses Vorgdien brachte die Vehme um ihr letztes Ansehen.
In Soest spielte sie gegenüber dem Ratsgericht eine geringere
Rolle, gleichwohl mußten die Ratsmitglieder sämtlich Wissende
sein: „es ist besser je mehr Leute sind, die wissen, wie es in dem
Lande steht". Früh hatte die Stadt die Freigrafschaften in ihren
8
Soest
Besitz gebracht; 1338 die Rüdenberger, 1369 die Heppener; den
Stuhl zu Deiringsen legte sie 1393 vor die Elveridöporte, zwei
Stühle hielt sie vor dem Rathaus. Die StOhle richteten über Feld-
diebstihle, kleine Hfindel, Beschädigung der Königstrafie. Auf der
Borde ständen unter anderem Stühle zu yyLüdge Ampen auf dem
Brink an dem Hellweg^S zu „Ostönnen in Wulves Hofe unter dem
Apfelbaum" (Abb. 34), zu „Enkesen auf demTigge'% zu „Recklingsen
unter der Linde". Hier besprachen auf dem „echten" Ding, das
überhaupt keine Straf gerichtsbarkeit hatte, die im Freibann sitzenden
Bauern ihre Wege-, Grenz- und Zaunstreitij^iten und was sonst
in der Bauerschaft geschah. Zuletzt verloren sie auch diesen
letzten Inhalt, aber sie wurden gehalten nach wie vor: unter freiem
Himmel, am hellen Tage. Der Frohne forderte vom Freigraf das
Gericht: Herr Graf, als Ihr habt Möge und Macht vom heiligen
römischen Reiche, und Kaiser Karl und der ehrenreichen Stadt
Soest: so hat sich die Sonne also erhöhet und der Tag also ver-
kläret, daß Ihr allhier möget hegen ein freigericht unter königs-
- banne. Noch im Anfang des 18. Jahrhunderts ritt der Soester Frei-
graf mit zwei Frohnvögten am Pfingstabend zum Kloster Welver,
nachdem sie sich in der Küsterei vollgetrunken hatten, schwang
er sein Schwert: daß er aus Vollmacht kaiserlicher königlicher
Majestät und der ehrenreichen Stadt Soest das Stift befreie, also
daß niemand sich daran vergreifen sollte, so lieb ihm Leib und
Leben, Gut und Blut. Die preußische Regierung in Cleve verbot
infolge der Denunziation des Großrichters Schmitz diesen Unfug,
da im ganzen römischen Reiche die sogenannten westfälischen
heimlichen Gerichte längst abgeschafft seien, weil die landes-
herrliche Hoheit dadurch geschmälert würde (1707). Dr. Ludwig
Eberhard Rademacher (f 1750), der die damaligen Verhältnisse
beschrieben hat, war der letzte Soester Freischöffe.
Die Einrichtung beruhte also in der Erinnerung an das den
freien Sachsen von Karl dem Großen verliehene Grafenrecht,
daraus entsprang die Vorstellimg einer von Anfang an über aller
landesherrlichen Willkür stehenden westfälischen Gerichtsbarkeit
im deutschen Reiche: dies ist das Schwert von Carolus Bfagnus,
welches seit tausend und mehr Jahren im Oberhofe aufbewahrt
wird. Und ich sage und behaupte, daß es das ächte und aufrichtige
Schwert Caroli Magni ist, womit er hier auf dem Oberhofe den
Freistuhl gesetzet und eingerichtet hat (Immermann.)
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4. St. Patroclus
9
Abb. 9. Schrein des hl. Patroclus. Silber getrieben. Meister Ziegefried, 1313.
Berlin, Kaiser-Friedrich-Museum. (Inventar der Prov.)
4. St. Patroclus.
Das Hervortreten des städtischen Patriotismus zugleich mit
der Herausbildung eigentümlicher Rechtsverhältnisse und der Los-
lösung von Köln findet bestimmten Ausdruck darin : daß im Ver-
lauf des 13. Jahrhunderts an Stelle St. Peters, des Patrons der
Kölner Kirche (S. 3) , der heilige Patroclus getreten ist. Ein
Sohn adliger Eltern in Troyes, hatte er sich früh einem frommen
Leben zugewandt, so daß er bei Lebzeiten ein Heiliger des Himmels,
ein Vater der Bürger genannt wurde, der Witwen und Waisen
half, Kranken heilte, Dämonen und Feinde vertrieb. Im Jahre 273
wurde er auf Befehl des Kaisers Aurelian, da er standhaft am
Glauben hielt, enthauptet, und zwar an den sumpfigen Ufern der
Rhone, damit sein* Leichnam versinken sollte. Der Herr aber
hörte das Gebet des Sterbenden, blendete die Liktoren, der Leichnam
schwamm zum anderen Ufer, wo ihn die Christen begruben. Später
wurde darüber eine Basilika gebaut, die als Wunderstätte besucht
wurde.^ Um 950 schenkte der Bischof von Troyes den Leichnam dem
Erzbischof Bruno von Köln, der ihn selbst aus dem Grabe nahm
und im Jahre 963 nach Soest brachte, das ihm sehr am Herzen
lag; hier war das Volk noch roh im Glauben und die Wunderkraft des
10
Soest
Abb. 10. Patroclusstatue im Münster Patrocli. Stein, bemalt
Ende 12. Jahrh.
Heiligen konnte eine große Wirkung ausüben^). Bruno gründete
das Münster und das Kollegiatstift zum heiligen Patroclus
(Abb. I). Die Stiftskirche stand über den sechs Pfarrkirchen, noch
in später Zeit mußte ein Knabe aus jedem Kirchspiel zu Ostern
1) Die Vitae sanctorum in Brüssel aus St, Pantaleon (geschrieben in Köln
um 1300—1320), die u. a. das Leben und Testament des Bischofs Bruno enthält,
zeigt auf Fol. 406 den hl. Patroclus, gerüstet
4. St. Patrodiis
11
und Pfingsten hier getauft werden. Die
Gebeine des Heiligen wurden später aus
dem Grab — dessen Stein mit der Inschrift
,,Patrocle hone pater" in die Turmempore
eingemauert ist — herausgenommen und
in dem silbervergoldeten Schrein aufbewahrt,
den der Soester Goldschmied Zigefried
(1311 — 36) im Auftrag des Kapitels im
Jahre 1313 gemacht hat; auf der einen
Längsseite steht Patroclus, gerüstet, mit
Reichsschild und Fahne, cjee:enüber Bruno
von Köln, umgeben von den Aposteln (Abb. 9).
Eine ganze Reihe von Darstellungen des
Heiligen aus dem 12. und 13. Jahrhundert
sind erhalten: die renovierte Holzstatue auf
der Säule in der Vorhalle des Domes mit
Adlerschild und ausgestrecktem Richtschwert
(Abb. zo); die Steinstatue, wie es heißt,
vom alten Rathaus» auf dem Hofe des
Schulte Weslarn aufbewahrt, die vor zwei
Jahren ins Museum nach Münster gekommen
ist (Anfang 13. Jahrhundert, Abb. 11); als
Fürsprech erscheint er in den Apsiden-
malereten des Milnsters, des Marienchors
-m MCbister und der NioolaikapeUe. Hier
tritt er wie bei der Weslarer Statue und auf
den städtischen Siegehi der Zeit in griechisch-
byzantinischer Rüstung auf, mit dem Oilamis
(Kriegsmantel) über der Schulter; das be-
merkt auch schon Joh. P. Stute Ton den Dar-
stellungen des Heiligen in seiner Dissertation, die er im Jahre 171 2
über den Stadtpatron verfaßte; die Kostümierung beruht auf den
Beziehungen Soests zum Orient im 12. und 13. Jahrhundert. Auf
dem Rathaus mußte jeder Ratsmann vor Beginn der Sitzung das Bild
des Heiligen durch Verneigen ehren; im Rathaus ist eine Stein-
statue des Heiligen aus dem 15. Jahrhundert vom Walpurgistor,
wo die Hauptangriffe der Böhmen stattfanden. Immer wird Patroclus
als starker Krieger dargestellt. Der Patrocliturm, ihm zu Ehren von
der Stadt im Anfang des 13. Jahrhunderts erbaut, war der Mittel-
khh. II. Patroclus.
Stein, bemalt.
Auf. 13. Tahrh.
M&nster, Landesmuseum.
(Inveiitor der Prov.)
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12 Soest
Abb. 12. St. Patrocliis. Turm und Vorhalle.
(Meßbildanstalt)
4. St. Patroclus
13
punkt der städtischen Be-
festigung, über der Vorhalle
lag die Rüstkammer,
die oberen Geschosse
des Turmes dienten Wacht-
und Verteidigungszwecken
(Abb. 12) ; er ist Eigen-
tum der Stadt: ,,Sunt Pa-
troclus monsterstorn , de
klocken ind dat moenster
bis an dat choer gehoeren
den(en) van Soist und nicht
dem proveste noch capitel".
Die von Soest halten Turm
und Münster in Bau, es ist
ihr Recht, die Glocken zu
läuten , und nicht des
Provest noch Capitels. Die
Sturmglocke rief die be-
waffnete Bürgerschaft zu-
sammen, in der Patrocli-
glocke löste das Volk dem
Patron seine Gelübde; auf
der Turmspitze wurde der
Abb. 13. Glasfenster. St Patroclus und Maria. Heilige als Windfahne auf-
Maria zur Wiese. Ende 15. Jahrh. gestellt , SO daß er Markt
und Verkehr schützte und
den Bauern den Wind anzeigte'). Die Patroclikirchweih, St. Ulrici,
am 4. Juli, war mehr eine städtische als kirchliche Angelegenheit.
Während der Festtage besetzten die Patroclischützen das Münster,
sie trugen den Schrein Patrocli um und bewachten die Prozession.
Kein Heiliger, den die Kirchspiele des Archidiakonats mitbrachten,
durfte im Chor des Münsters niedergesetzt werden, weil dieser dem
Kapitel gehörte ; einzig auf die von der Stadt bezeichneten Plätze im
Münster müssen ,,alle Kerspelle bynnen der Stadt, alle stede, dorper
1) Darstellungen des Heiligen aus dem 14. Jahrb.: Gotisches Antependium
in Berlin. Glasfenster der Wiesenkirche, Hauptchor. Holzstatue ebcndort, Ende
14. Jahrh. Glasfenster ebendort südl. Nebenchor, Ende 14. Jahrh. — Aus dem
15. Jahrb.: Glasfenstcr mit Maria und kniccndem Stifter Wiesenkirche, Ende des
Jahrb. (Abb. 13), Glasfenster in St. Paul, Anfq. 15. Jahrh. Büste des Heiligen im
Domschatz Anfg. 16. Jahrh. (Abb. 14). U. a. 0.
14
Soest
und Capellen buyten dem Gericht van
Soist des avendes vor der vesperen
mit eren crucen, fanen, hilligen und
hilgedomen" kommen und über Nacht
bleiben. Im Anfang des i6. Jahr-
hunderts blieben die Bürger von Werl
mit ihrem heiligen Kreuz eines Tages
aus und weil dieses Kreuz besonders
wunderkräftig war, viele andere Ort-
schaften. Dadurch wurde die Stadt,
für die die fünftägige Ulricikirmes
eine wichtige Einnahmequelle war, ge-
schädigt, der Rat befahl den Bürgern,
dem Propst von St. Patroclus kein
,, Bäckerkorn" zu liefern, bevor nicht
die Werler und das heilige Kreuz
wiederkämen. Der Propst führte
einen Prozeß durch alle Instanzen, die
Soester bestanden darauf, er solle erst
verschaffen: ,,dat de van Werle als
van aldes ere obedientie doin suUen".
Erst 1549, nach mehr als dreißig Jahren, wurde der Streit um das
Bäckerkorn beim Kammergericht beigelegt. Der Heilige, den der
Erzbischof geschenkt hatte, um den Glauben auszubreiten, ist der
Vertreter des städtischen Wesens geworden, der die Freiheit der Stadt
selbst gegen die geistliche Oberhoheit beschützt, der Geschäft und
Verkehr befördert, das Kriegswesen lebendig hält: ,,Der Stadt Soist
Triumpf titel : Ein selige stat, de in tyt des fredes des kriges gedenket".
Als sich der Streit mit dem Erzbischof Dietrich von Mörs zuspitzte,
schlössen Rat und Bürgerschaft im Oktober 1441 einen Ver-
brüderungsbund: ,,dem almechtigen gode to love, Marien der
hemelkoningynnen, allen leyven engelen, dem hilgen hemelforsten
sunte Patroclus, unsem patrone und hilgen, to eren und werdicheit,
dem gemeinen besten unser Stadt Soest to selicheit". Und als Dietrich
im Mai 1448 Zwietracht in die Stadt bringen wollte, wandte er sich
an das Schmiedeamt und erinnerte sie an den eigentlichen Stadt-
patron St. Petrus: ,, Bedenkt euch doch, kehrt wieder zu dem guten
Sankt Peter zurück, unserm Patron, zur heiligen Kirche, zu uns und
unserem Stifte, dabei ihr doch viele hundert Jahre gewesen seidl"
. . y Google
Abb. 14. Reliquienbüstc des hl.
Potroclus, silbergetrieben.
Anfang 16. Jahrh. Im Domschatz.
5. Soester Fehde
15
Abb. 15. Soest nach M. Merian. Um 165Ü.
5. Soester Fehde.
Soest ist ein vaste stat, ser alt
In Westphalen und Westsassen er enhalt
Mit stritbar mans bevestet und beladen
Begavet mit vetten acker und vruchtbar lant
Dot hovet des hertoclidom Engern genonnl
(Lippstadter Reimehronik)
Der Bischof forderte die Freistühle der Stadt, vor allem ihren
Hauptstuhl vor der Elvericksporte, als einstigen Besitz der Kölner
Kirche zurück (S. 8)'). Bis an das Ende der dreißiger Jahre des
15. Jahrhunderts suchte er die Bürger durch Wohltaten zu ge-
winnen, indem er die städtischen Finanzen ordnete und neue
Steuerrechte gewährte. Als die Stadt aber seine wahren Pläne
merkte, erneuerte sie im Oktober 1441 den ins Jahr 1398 hinauf-
reichenden Freundschaftsbund mit dem Herzog von Cleve, dem
Erbfeinde der Kohier Kirche. Der Bischof verklagte die Stadt
beim königlichen Kammergericht, der Ladung gab sie kein Gehör:
der König dürfe über einen Sachsen nur auf sächsischer Erde
richten (S. 7); sie wären nicht verpflichtet, ,,emme to solken
saken to antworden, nadem se belegen weren up frier Sassscher
Erden, im hertichdom to Engem, dar Soest ein hovetstadt van sij".
Als der Oberhof des Herzogs von Lauenburg, dem die Sache über-
geben wurde, die Stadt verurteilte, ließ sie am ZI. Juni 1444 die
ersten devischen Reiter ein; der Erzbischof war am 50. Mai nach
Arnsberg geeilt, um in letzter Stunde die städtischen Gesandten
umzustimmen. Am 16. Juni sagte Herzog Adolf von Cleve, am
19. der Jtmgherzog Johann, am 25. Juni Soest dem Bischof Fehde
1) Hier stützt sich diu 1) tu st ^ 1 1 u i- - vnr allem aiit Hansen: die Soester Fehde.
34. Bd. der Publikatioucu aus den kg!. Pr. biautsarchiveu lti88.
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16
Soest
Abb. 16. Kasel mit dem Wappen von
Cleve und Mark.
1446 dem Domkapitel vom Herzog
geschenkt Domschatz.
an. Am 23. war der Jung-
herzog in die Stadt geritten,
ein fünfundzwanzigjähriger
Jüngling, herrlich empfangen,
vor dem Rathaus beschwor er
den Erbvertrag mit der Stadt,
das pactum ducale", und
ging in den Dom, vor dem
Schrein Patrocli zu beten
(Abb. 16).
Fünf Jahre dauerte der
Krieg. Kölner und Werler ver-
brannten das Korn in der
Börde und die Haar längs,
hieben die Obstbäume um,
stürmten die Warten um die
Stadt, fingen Bauern auf dem
Felde , spannten Pflüge aus,
warfen Butter- und Herings-
fuhren in die Lippe oder traten sie in den Dreck, im Arnsberger Wald
griffen sie Holzhauer. Frauen und Mädchen schickten sie nackt
nach Soest zurück. Die Soester zogen ins Werlsche und Kölnische.
Sie stürmten die Heidemühle bei Hamm, die Häuser Welschenbeck,
Störmede und Körtlinghausen, überfielen Stadt Kallenhardt auf
der Haar, verbrannten Menden und Wickede im Ruhrtal. Das
einzige größere Gefecht war Ende Oktober 1446. Im Morgennebel
war die kölnische Reiterei dicht an die Stadt gekommen, der Turm-
wächter entdeckte sie, die ausbrechende Soester Reiterei trieb sie
gegen die Haar und hielt sie dort, oberhalb Neheim, fest, bis das
Soester Fußvolk heran war und den Sieg entschied. Viele Gefangene,
auch adlige Herren, und einhundertdreißig Pferde wurden nach
Soest gebracht. Die Stadt erhielt genug Zufuhr an Lebensmitteln,
die Bürger holten viele Fuhren Holz aus dem Arnsberger Wald,
jagten Schweine und Bären, nicht einmal den Mairitt der Jugend
in den Wald konnte der Erzbischof stören. Im Jahre 1447 schickte
der Kurfürst von Sachsen, um die inzwischen über Soest verhängte
Reichsacht auszuführen, den Herzog Wilhelm von Sachsen mit
12 000 Mann, zur Hälfte böhmische Söldner. Mit dem Heer des
Erzbischofs vereinigt, zogen sie, plündernd und sengend, Entsetzen
y Google
5. Soester Fehde
17
Abb. 17. Schöppinger Meister, um 1460. Kreuzigung.
(Aus dem Schöppinger Altar, Mittelstück.)
in ganz Westfalen verbreitend, über Blomberg, Lemgo, Herford
nach elftägiger Beschießung von Lippstadt vor Soest. Am 30. Juni,
abends 8 Uhr, entdeckte der Turmwächter das heranrückende
Heer bei Lohne und läutete die Glocken. Ermutigt durch der Lipp-
städter Widerstand, und um das weidende Vieh zu retten, zogen
die Bürger am anderen Morgen in geschlossenem Haufen aus Ost-
hofen- und Thomaetor, dem Feinde entgegen (Abb. 4, S. 2). Sie
begannen aus ihren Steinbüchsen zu schießen, als die Böhmen ihre
Flügel umgingen und schnurstracks gegen die Tore rückten. Die
Soester liefen, was sie konnten, die Steinbüchsen blieben stehen,
mit Geschrei drängte alles in die Tore, im Anlauf stürmte der
Feind das Stift Walpurgis, erschlug die Besatzung, als letzter floh
Schmitz, Soest ^
18 Soest
Abb. 18. St. Patroclus, vom Patroclusschrein.
Berlin, Königl. Museum.
der Jungherzog in die Stadt. Der Feind bezog auf der großen
Wiese im Osten Lager. Am 3. Juli machte er von dem Stift aus
den ersten Sturm, es war um Soest geschehen, wenn nicht der
heilige Patroclus die eingeschüchterte Bürgerschaft aufgerichtet hätte
(Abb. 18). Geistlichkeit und Schüler trugen den Schrein um die
Wälle, durch den Geschoßhagel durch, an vier Stellen wurden die
Evangelien verlesen, im Dom wurde vor dem Grabe Patrocli ge-
betet, als eine Stimme geschah: ,,ich helfe euch in der Not. Des
5. Soester Fehde
19
Abb. 19. Kattenturm am Ulrich-Jacobiwall.
Erbaut 13. Jahrh.
(LudorfF, Bau- und Kunstdenkmäler von Soest.)
weren die borger wolgemoet, se worden desto fueriger allgemein und
achteden ere viende gar klein". Anderen Tages versuchten sie, das
Stift zurückzuerobern, aber die böhmischen Bogenschützen, nackt
im Korn verborgen, jagten sie zurück. Not und Angst waren am
höchsten, die altersschwachen Mauern (Abb. 19) zerschossen, als
Dietrich am 19. Juli allgemeinen Sturm befahl. Auf drei Seiten
stürmte das Heer, am Brüdertor der Bischof selbst voran, Helm
und Schild, Geschenke des französischen Königs, wurden von drei
Pfeilen getroffen ; aber die Stürmenden erreichten nichts, die Leitern
waren zu kurz, am Abend lagen fünfzig Tote und an tausend
2»
Digitizei.
20
Soest
Verwundete in den Gräben, viele von den Flüssigkeiten versengt,
die die Weiber herabgegossen hatten. In der Nacht machten die
Böhmen einen Aufruhr wegen des Soldes und zogen ab. Im
Jahre 1449 wurde die Stadt und ihr Gebiet dem märkischen Teil
von Cleve einverleibt, behielt aber eine der Reichsunmittelbarkeit
gleiche Stellung, ist also endlich ,,von got dem heren eerstlik,
darna dorch ere dapfere manheit von der tyrannischen bischopfe
gewalt und pfaffen regiment erlöset'^
1) Nach dem Abzug der Feinde zerstörten die Soester das WalpurgerstifL
Es wurde in die Stadt verlegt und 1454 —80 neu gebaut. Der Chor der Kirche
wurde 1509 geweiht; sie war einschiffig. 1879 wurde sie abgebrochen; vorher hat
sie der treffliche Tappe (1823,24) aufgenommen. Eine große Zahl der Soester
Tafelmalereien stammt aus dem Stift — Zur Erinnerung an den Sieg wurde am
Walpurgertor eine Inschrtfttafel angebracht, die jetzt ins Rathaus eingemauert ist.
Abb. 20. Ausschnitt aus dem Altar der Dünwege,
Propsteikirche zu Dortmund.
(Phot. Bruckmann.)
Digitizei, . , . .o
6. Die Reformation
21
Abb. 21. Abendmahl. Glasfenster in der Wiesenkirche. Anfang 16. Jahrh.
6. Die Reformation.
Mit dem Augenblick, wo die Freiheit erlangt war, scheint
die politische Kraft der Stadt erloschen zu sein*). Der Gemein-
sinn, der die Bürgerschaft in der Not verbunden hatte, verlor sich
im weiteren Verlauf des 15. Jahrhunderts. Die Gemeinde büßte
allen Einfluß auf die Wahl des Rates ein, wenige Familien, vor
allem die Salzbeerbten von Sassendorf, die in der Gesellschaft
zum Stern vereinigt waren-), besetzten die Rats- und Bürger-
meisterstellen unter sich, sie teilten sich auch die einkömmlichen
Stiftspfründen und Pfarreien; sie häuften Kapital und Grund-
besitz an, während der Reichtum der Stadt und der übrigen Be-
völkerung rasch zurückging. Der Handel nach der Ostsee, im
13. und 14. Jahrhundert bis nach Gothland, Finnland und Ruß-
land ausgedehnt, hatte aufgehört; das Projekt der Kaufmannschaft,
den aus dem Großen Teich entspringenden, in die Lippe münden-
den Soestbach schiffbar zu machen, um am Rhein- und Amerika-
handel teilzunehmen (1495) ist ein Zeichen dafür^). Das kölnische
1) Hier stützt sich die Darstellung hauptsächlich auf Cornelius, Geschichte
des Münsterischen Aufruhrs 1860 und Jostes, Daniel von Soest 1888.
2) Die Sodsatengenossenschaft der Saline Sassendorf, eine Zunft der Erb-
sälzer, wie sie auch in Werl bestand, war um 1350 gegründet. Anfang 15. Jahrh.
zogen sie in die Stadt, 1517 siedelte ihr Collegium in das Haus zum Stern über.
3) Napoleon trug sich 1811 mit dem Gedanken, Lübeck, Hamburg und Bremen
mittels eines Kanals quer durch Westfalen mit dem Rhein zu verbinden. Die
Lippe wurde im Anfang des 19. Jahrh. durch v. Vincke schiffbar gemacht (Harkort,
22
Soest
Hinterland, für dessen
Metallindustrie Soest
Stapelplatz gewesen
war und das ein Ab-
satzgebiet der Boden-
erzeugnisse der Soester
Börde gebildet hatte,
wurde durch die feind-
seligen Erzbischöfe am
Marktverkehr mit der
Stadt gehindert und
diese isoliert. Die zu-
rückgegangenen Hand-
werke wurden durch
die Gewerbstätigkeit
der Klöster geschä-
digt^). Diese sozialen
Mißstände bewirkten
die schnelle Aufnahme
der Reformation in
Soest. Im Jahre 1530
bildete sich in dem
Hause des Johann von
Arnsberch eine ge-
heime revolutionäre
Gesellschaft, die Eid-
gesellen , unter deren
(Abb. 22), sie steckten
Gelegenheit der
AU,
Abb. 22. Selbstbildnis Aldegrevers, 1530.
28 Jahre alt. Kupferstich.
Häuptern Heinrich Aldegrever war
sich hinter die Patroclibrüder, und bei
nächsten Patrocliprozession verweigerten die
Schützen dem Rat den Gehorsam, forderten mehr Wein und Lohn
und blieben zu Hause, die Tönnisschützen schlössen sich an. Am
Die Eisenbahn von Minden nach Köln, 1833). Erst jetzt erfüllt sich das Projekt
z. T. durch den Dortmund-Emskanal.
1) Schon Mitte 14. Jahrh. bestimmt die Schrae : es dürfen keine Kapellen
mehr in Soest gebaut werden; kein Bürger darf sein Gut in geistliche Hand
geben, noch Leibrenten von Klöstern kaufen. Außer den sieben Kirchen waren
22 Kapellen in Soest. Es bestanden die Klöster der Minoriten (seit 1232), der
Dominikaner (Schwarze Brüder) seit 1231, das Patroclistift, Walpurgisstift; Kloster
Paradies und Welwer in der Börde. In den Jahren 1810—30 ist der größte Teil
der Gebäude abgerissen worden.
6. Die Reformation
23
13. Oktober 1532 kam es zum Aufruhr, die Schrae, die 10 Jahre
verschwunden gewesen war, kam wieder zum Vorschein und mußte
mit Zusätzen versehen werden : der Klerus wird in seiner gewerb-
lichen Tätigkeit beschränkt, Amter und Gemeinden dürfen Ver-
sammlungen abhalten, über städtische Angelegenheiten beraten,
Anträge stellen. Inzwischen hatte der Dominikaner Thomas
Borcfawede aus Osnabrück in der Petrikirche lutherisch zu predigen
angefangen, seine Disputation mit dem Kähier Doktor Johann
Hoß von Romberg und der Anschlag von Thesen am PatroclimOnster
hatte die Stimmung schon erregt, als Johann von Campen, Predikant
aus den Niederlanden, ein Schwindler, nach Soest kam. Dieser
verabredete sich auf den 21. Dezember 1531, St. Thomas, mit den
SchÜtzenbrfidem im Hause des Amsberch: Als er dem Verbot
des Rates zum Trotz in St. Paul gepredigt hatte, verhafteten ihn
die Ratsknechte auf der StraBe, er fiel ihnen vm den Hals und kOBte
sie, wie Christus seine Verräter, da riS ihn das Volk los, erbrach
den Patrocliturm, läutete die Sturmglocke, die Schützen stürmten
aufs Rathaus, warfen die beiden Bürgermeister, den ehrwürdigen
alten Gropperl ins Gefängnis, in die Immunität des Domes brachen
sie ,,mit pfeifen und trummen und drien ufgerichteten fenlein",
aßen und tranken in den Wohnungen der Stiftsherren und gössen
Bier und Wein in den Keller. Tags darauf versammelten sich die
Hoven unter dem Geläute der Glocken, jede wählte vier Abge-
ordnete (S. 3), die mit dem Rat einen Vertrag schlössen: Das
Wort Gottes, das schon lange in der Stadt Soest gewesen ist, hat
seinen Glanz nicht in die christgläubigen Herzen strecken können,
weil etliche ihm widerstrebt haben, ,,so is dei tit nu gekommen,
dat Gott sin gottlik wort dar und hell will laiten erschienen". Es
sollen Pfarrer berufen werden, „dei uns Godes wort dar und hei,
aen (ohne) allen menschen gedieht predicken", nur Patroclimünstler
bleibt katholisch. Die katholischen Prediger wurden aus Stadt und
Börde verjagt. Der greise Grotmann in Borgeln sah eines Morgens
einen Fremden in seiner Kirche predigen, als er ihn zur Rede stellte,
stieß man den alten Mann, einer gegen den andern, zur Tür hinaus;
später warfen sie seine Habe aus dem Haus, schnitten Gras und
Hopfen ab, stahlen seine Kuh und fuhren Wagenladungen voll
Obst vom Pfarrhof. Die Patrocliprozession am 31. Januar 1532
mußte unterbleiben, das Bild des Heiligen im Dom wurde „nit
allein dem heiligen merterer, sondern auch der Kirche zu großer
24
Soest
smehe und ver-
ergerung gottseliger
hertzen mit pfeifen
und trummen zum
spott umgetragen"
und ins Büchsenhaus
geworfen*). Die Bau-
ern in Lohne trugen
ein Schaf in Prozes-
sion um und spotteten
auf die Hostie: im
eierkese si ok ein got.
Inzwischen, am 3. Ja-
nuar 1 532, hatte Alde-
grever den Superin-
tendenten Gert Ömi-
ken von Lippstadt
abgeholt , der eine
Soester Kirchenord-
nung ausarbeitete,
worin die katholische
Geistlichkeit westfä-
lisch angeredet wur-
de : ,,als Mast-
schweine , die der
armen sweeth und
blodt mit supen, vrethen, brassen, in horerie, sodomyterie, ehe-
brekerie, speien und allen lästern verslemen willen. Wech, wech
mit juwer lusigen verörringe, gi heillosen papen! Wy willen vorthen
}
J
Abb.
23. Herzog Wilhelm zu Jülich und Cleve.
Kupferstich von Aldegrever, 1540.
1) Von weiteren bilderstürmerischen Handlungen spricht Daniel, nachdem
er eine obszöne Darstellung Aldegrevers gegeißelt:
Düsse Ketters mit eren falschen propheten
Der menschen beide laten schentlik conterfeten
Und hebt de in werdicheit und groter acht,
Der hilgcn averst und godes beide mit macht
Und luttcr gewalt sei verstuiren
Als men io Söst an den muercn
In dem munster und ander Kerken
An der hilgen bild mach merken.
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6. Die Reformation
25
(forthin) unse fleesch, eyer, botter, kese, brodt, water , vujt,
krudt van ju ungewieht hebben."
Die protestantischen Predikanten gaben ihnen wenig nach.
Joh, von Campen wurde später wegen schlimmer Verbrechen
gerichtlich verfolgt; und der Prediger Vrie forderte in St* Petri
das Volk auf, Gott zu danken, daß er Soest den Campen gesandt
habe, während des Gebetes verharrte Campen mit dem Gesicht
auf der Erde vor dem Altar^). „Van solken unerliken daeden
und Schanden wert Soest misprist in allen landen." Der Kölner
Rat riet der Stadt, sie, „die alle tyt vursichtig und yerstendich ge-
achtet worden ist*', solle sich doch nicht hinreißen lassen. Der
Herzog von Cleve (Abb. 23) und der Landtag der märkischen
Stände zu Wickede forderte Abstellung; am 6. Februar 1532 ver-
sammelten sich aber die Hoven in ihren Pfarrkirchen und
erklärten: man wolle bei dem Wort Gottes bleiben, es gehe die
Seele an. Am 16. April wurde ömikens Kirchenordnung, ungelängt
und ungekfirzt, worauf Lütkenwestiiove und Südhove bestanden,
vorgelesen. ^}
Die Spannung zwischen dem katholisch gebliebenen Rat
und der protestantischen Bürgerschaft, zwischen Aristokratie und
Demokratie, blieb bestehen, bis eine an sich nebensächliche Sache
im Mai 1533 den endgültigen Bruch herbeiführte. Ein Weber
Schachtrop und vier Gesellen hatten auf dem städtischen Wein-
haus mit den Kämmerern eine Schlägerei angefangen. Der ver-
schüchterte Rat, um ein Exempel zu statuieren, vereinigte sich
mit der Bürgerschaft, damit der fortwährenden Gewalt in der
Stadt laut Schrae ein Ende gemacht würde, ließ die fünf gefangen
setzen und verurteilte sie zum Tode. In dem Augenblick, als die
Verurteilten durch die Menge schritten, die den Markt Kopf an Kopf
lautlos besetzt hielt, fühlten sie sich emporgehoben zu Märtyrern
der evangelischen Sache und sangen, als sie niederknieten, von den
Predikanten angestimmt: mit vrede und vrouede ick vaer darben.
Schachtrop wollte zuerst sterben: Leiven borgers, ich bidde ju umme
Godes willen ein innig Paternoster to spreken, dat uns Got wil
genedich sin, wi wilt by dem evangelio leven und sterven. Der
1) Luther hatte Soest bei Zeiten vor Campen gewarnt (Brief vom 21. Dez. 1532):
«denn da ist nichts Gutes inne und ist gewißlich in Üim der Teufel Eurer Stadt
Gast*
2^ gedruckt bei Bcdlhoni in IfibeclL
26
Soest
Büttel war betrunken, hieb ihn in die Schulter, daß er zu Boden
fiel und wollte ihm den Hals durchschneiden, als der Schwerver-
wundete aufsprang und ihm das Schwert entriß; da drängte das
Volk herzu, die Kämmerer mußten den Delinquenten das Leben
schenken. Anderen Tages starb Schachtrop und wurde unter
Begleitung der ganzen Bürgerschaft ,,mit groten schrien och und
we" beerdigt und ,,groter jamer is to Söst nu gesin." Dieser Auftritt
hatte die Stellung des Rates so erschüttert, daß er bald darnach
(31. Juli) die Stadt verließ.
Abb. 24. Ammon wird von Absalon Abb. 25. Titus Manlius läßt seinen
getötet. (1540.) Sohn enthaupten. (1553.)
Kupferstiche von Aldegrever.
Digitizei. _ , ^ .O'
7. Dichtungen
27
Abb. 26 und 27. Aldegrever.
Aus der Kupferstichfolge der großen Hochzeitstänzer von 1539.
7. Dichtungen.
Die Hauptereignisse der Stadt: Reformation und Fehde, bilden
den Stoff der heimischen Dichtung. Der Charakter der Reformation
spiegelt sich in zwei, 1539 im Druck erschienenen, unter dem
Namen des Daniel von Soest veröffentlichten Schmähgedichten:
Gemeine Beichte der Predikanten von Soest von 1534 und Dialogon
von 1537O. Der katholische Verfasser, nach Jostes wahrscheinlich
1) VerofFentlicht von Jostes, Daniel von Soest, a. a. 0. Titel des Dialogon :
»Ein dialogon, darinne de sprok Esaic am ersten capitel, noemlik: „Wu is de
getruwe stat ein höre worden! Wandages wonen de rcchtigkeit in er, nu averst
mordeners. Din silwer is verändert in rost, din win is gemcngct mit water, din
vocrsten sint untruew, medcgesellen der deve; sei hebben alle leif de gavcn." und
etlicke ander sprocke meer up de Lutherschcn binnen Söst recht geduedet wert. —
Soest ist die babylonische Hure nach der Apokalypse, die sieben Füße sind die
sieben Kirchen. — Von Daniel wird ein drittes Werk im Soester Stadtarchiv ver-
wahrt: Ketterspegel von 15S3 in Prosa; ein viertes, Paroneticon, ist nicht erhalten.
Jostes.
Digitizei , v .oogle
28
Soest
Johann Gropper, der spätere Kardinal, der im Interim die Gegen-
reformation leitete und das Standbild Patrocli im Dom wieder-
aufrichtete, wollte das wahre Wesen der Soester Reformatoren
zeigen: mit simpelsiech ter moderliken Spraken, dat it einem jderen
leselick imd verstendlick sy. Er schildert das Treiben der Predikanten,
wie sie gehn kostbar gekleidet
Siden wemmese und gülden halsbande,
Und ander cleder Ton englischem wände,
Dar to er echte hören
KostUk sik smucken und snoren.
Der eine nahm
ein wif,
Frisch, junk und stolt van lif.
Se dregt frowelen-schoe, bunte Kragen
Smucket sick na fleischlikem behagen,
He get mit er liggen in dat gras
Und let kommen dat winglas.
Der Prediger Vrie saß mit einem Weib im Bade
Und fastede se an er blote lif,
Se gaf em er roden munt
He volde er de brustkens runt
Und nam se bei der sneewitten hand^>.
Dem Prediger Borchwede ward gesagt:
Du lopst ok nacht und dach up der strate
Suepst di Tul als ein ape
Du gehst to her und to win
Du wetterst di tm dreck als ein swin.
Der Dichter übertrieb vielleicht, er wollte aber schreiben: nicht
ut haet oder niet, nicht ut boeser meinunge und giftigem herten",
sondern als Patriot, der das Schicksal seiner Vaterstadt beklagte.
O Soest, in vortiden ein edel stat
Wue heffetu so gering umbkert dat blat
Sus verstu veracht und versmaet
Van den frommen umb diner misdaet.
So will ik geven minem rime ein ende
Ik rat di, o Soest, ker und wende.
1) Zur IUuttroti<m kdmtten sahlreielie BlStter Aldegrevers dieneiit i. B. Bath-
seba von 1532 (B. 37), Porabel vom Reiehen und Armen von 1554 (B. 44—48).
^ i^uo Ly Google
7. Dichtungen
29
WirkUcfaen Schwung und Rhythmus haben die Soester Volks-
lieder, die Daniel in seine Scfaildming einfUcht; bei Gelegenheit
der Hochzeit des Superintendenten Brune bringen sie dem Braut*
paar dnen Baddiahn ans Bett:
Den hanen wel wi halen
Dar to den rinschen win
Dar to den rinschen win
Mit juwen bunten kragen
Den hanen wel wi halen
Se solt en wol behalen
Frolik wel wi sin.
Bei Tisch singen sie:
Nem hingen, lerem und wanunen
Set bi bratspit und pannen
Wi wilt hebn gesoden und gebraden
Win, beer mit den tunnen
Pipen, flöten, mit den bungenl
Frolik sin und singen
Dantxen und springen^).
Im Reformationsjahre 1533 wurde das Kriegstagebuch heraus-
gegeben, das der Stadtschreiber Bartholomäus yon der Lake (f 1461),
ein Nachkomme des Patroclischreinmeisters Zigefried, während
der Fehde geführt hatte. 2) Der Überarbeiter wollte den Rat jetzt
zum Anschluß an die Sache der evangelischen Freiheit bewegen,
indem er ihn daran erinnerte: wu ere vorvaders vor de gerech-
1) Am Schluß gibt Daniel „ein leedgin van der Ketter namen, dot men singen
mach up dei wise: dree lover an einer linden:
To Soest al up der Straten
Ja it «mmer war
Trttw }o
Wo sei dei frommen Christen
Mit bdrogh und Luthers Listen
Verworen openbar."
2) „De historia van der Soistschen vede. Anno 1447 loch biscop Diderich
yoa Moerse Tor Soist mit 26 Dusend Bemer und mit velen heren und volke summa
orerol 80 duasat mans. Der Ueven 1528 im graTen doe^ ans de vor und na up
anderem Steden doeft vnd gcwunt bleveo. Der von Soist bleven nielit meer don
8 de et wuwol sei stormeden 14 dage an dreen orden vnd schotten TUer dorin".
Dona folgen »der stot Soist triumpfdtel* : o. a. 0.
30
Soest
ticheit eres yaterlandes gefochten, lyf und guet daremme m de
schantze gesät haben. Ein patriotisches Gedicht aus derselben
Zeit (um 1520) ist die Lippstädter Reimchronik auf die Fehde (S. 15) :
Dei borger wolden leiver im swerde sterven
Dan ere vriheit einem anderen to erven
Sei woUden vor ere Privilegien Statuten und rechten
Na allem vermöge striden und vechten.
Bekannt sind die vier, oft veröffentlichten Volkslieder aus
der Fehde, wie der Sang auf den besiegten Erzbischof (13. Juli 1446) :
Se reipen al: locht em na
He moet enwech, ha ha ha . . .
Bischof von Köllen und Magnus
WarOmme bleve ji nicht to Hus
Und gengen to Köllen to Chore? . . .
Schämet ju alden grisen Papen.
Die Soester Dichtungen sind breit und formlos in der Dar-
stellung, doch ist die Sprache hin und wieder voller Kraft und
Drastik. Die grobe Sinnlichkeit zeigt, wie unverfälscht bäuerisch
die Kultur der Bürgerschaft selbst in der Renaissance- und
Reformationszeit gewesen ist. Trotzdem Stadt und Börde an
acht Klöster besaßen, die vornehme Jugend auf der lateinischen
Kapitelschule gebildet wurde ^) und Nicolaus Schulting im Jahre
1523 lateinische Schriften druckte, kann man von einem Humanis-
mus, wie in Münster, nicht sprechen. Die Dichtkunst der Schwaben
und Franken, deren Lyrik, hat den Westfalen überhaupt gefehlt.
(Ganz anmutig ist das Soester Lied: my is en vensterken worden
kunty darut so blicket en roder munt.) Zur Zeit Dürers waren
sie zufrieden mit Dünwegeschen Hauslrauenfiguren. Es kommt
hinzu, daß der westfälische Dialekt, vor allem in Soest, breit,
langsam und gleichförmig, ohne musikalischen Akzent, ohne
poetische Beweglichkeit ist'). Er hat dies mit der ganzen nieder«
1) 1534 wurde das üymnasium zuerst gegründet. 1543 auf Rat Melanchthon»
reformiert, 1558 zur evangelischen Gelehrtenschuie erweitert. Der Renaissance-
bott von 1570 wurde 1821 obgerissen; damols entstand der heutige Bau.
2) Holthausen, die Soester Mundort; Leipsig und Norden I8B61. Die GrMUten
sind nördlich die Lippe, südlich die Ruhr, westlich Linie Neheim-Werl, östlich
Linie Lippstadt-Rüthen-Meschede. Der Kehlkopf ist cnerqtsch tätig, die Zunge
langsam und schlaff, der Mund wird breitgezogen, der Akzent ist monoton im
7. Dichtungen
31
deutschen Sprache gemeinsam: daß er in den Prosaschriften erst
seine eigentümliche Kraft entfaltet. Wo die Darstellung sachlich
ist, wie in den Rechtsbüchern (S. 4), erreicht die niederdeutsche
Sprache große Wirkungen. Das westfälische Naturell äußert sich
eben, wie gesagt, glücklicher in juristischen und historischen
Schriften, seine wertvollsten Züge enthüllen sich in den Arbeiten
Kindlingers, Mosers und Harkorts; die Dichter aber, besonders,
wenn sie westfälische Gegenstände behandeln: Schücking, Freilig-
rath, der lange in Soest gelebt und es besungen hat, Weber (Drei-
zehnlinden), Schulze (verzauberte Rose), Grimme, Rittershaus
und viele Neuere, verfallen leicht in Romantik, auch leidet ihre
Kunst durch Breite in der Schilderung von Verhältnissen, die
ohne dichterische Bedeutung sind. Immermann, der Unvergleich-
liche, war Magdeburger.
Vergleich zum Rheinischen oder ouch nur Bergischen. — Eine natürliche rouhe
Schönheit klingt schon aus den Dorfnamen der Börde z. B.: Bergede, Borgeln,
Brüllingsen, Deiringsen, Drüggelte, Echtrup, Hiddingsen, Hultrop, Lendringsen,
Ruhne, Ruploh, Waldringsen, Weslarn.
Abb. 28. Aus der Anbetung des Kindes
von Dünwege, um 1500.
Münster, Landesrauseum.
32 Soest
Abb. 29. Einhornlegende. Von der Stickerei der Wiesenkirche.
8. Sagen.
Der Sachlichkeit steht bei den Westfalen eine tiefe Neigung
zum Sagenhaften, ja Abergläubischen gegenüber, wie die Vehme
schon gezeigt hat. Kaum eine ältere Kirche ist in Westfalen, die
nicht Kaiser Karl selbst errichtet haben soll, und viele Hofbesitzer
sehen ihre Höfe als Gründungen des Kaisers an (S. 7). Altheid-
nische Ringburgen, wie deren mehrere auf den Ruhrgebirgen
im Süden liegen, gehen auf Widukind zurück, nach ihm heißt
der Hellweg Königsweg", er soll ihn in den Sommernächten
zwischen Soest und seiner Feste Hohensyburg reiten. Der erz-
bischöfliche Palast, der neben der Petrikirche lag, galt den Späteren
als seine Burg, die Überreste heißen Wittekindsmauer (nach anderen
Schriftstellern soll hier sogar die Burg Etzels gewesen sein und der
letzte Kampf zwischen Nibelungen und Hunnen stattgefunden
haben. Der isländische Dichter der Thidreckssage sagt, daß ihm
Männer aus Soest die Sage gebracht hätten). Im Patroclidom
wurde ein kolossales wundertätiges Kreuz, der ,, große Gott von
Soest", als Patengeschenk Karls an Widukind verehrt (gestohlen
1770). Der Schatz zu Enger, wo der König begraben ist, bewahrte
mehrere Taufgeschenke Karls, dortherum wohnten bis in unsere
Zeiten vierzehn freie Bauern, Sattelmeier, deren Vorfahren das
Gefolge Widukinds bildeten; 1822 trugen sie die Gebeine des West-
falenkönigs von Herford nach Enger zurück. In Werl steht das
verehrteste Marienbild Westfalens, das bis 1661 in der Soester
Wiesenkirche war; in den Kreuzzügen hierher gelangt, wurde
es alljährlich in Prozession, wie es selbst in einer Vision dem
Soester Bürgermeister befohlen hatte, durch die Felder zum
Kloster Paradies getragen. ,,Ein Ort," sagt der Bericht, ,,wo
Gott und seine gebenedeite Mutter Maria absonderlich hat
angerufen werden wollen, ist Stadt Soest, wo in der
I y Google
8. Sagen
33
Abb. 30. Tympanonrelief an St Patrocli. Sandstein, um 1160.
Wiesenkirche dies wundertätige Bildnis Mariae vor etlichen
hundert Jahren von Christkatholischen mit höchster Andacht
verehrt worden und nicht allein die Einwohner der Stadt
Soest, sondern auch weit entlegene Städte in ihren Nöten zu diesem
Marianischen Ölbaum ihre Zuflucht genommen"*). Die merk-
würdigste Sage der Gegend ist die von der letzten Schlacht am
Birkenbaum, auf dem Hellweg, zwischen Büderich und Werl*).
In der zu Köln 1701 gedruckten ,,Prophetia'"^) wurde zusammen-
gefaßt, wovon früher schon einzelnes verlautet war: Die unglück-
liche Zeit der letzten Dinge, von der der Erlöser spricht, wird
kommen, d£uin wird ein Kampf in Westfalen anheben zwischen
den Völkern des Nordens und des Südens, der wird drei Tage währen,
ein großer Fürst, auf einem Schimmel, weißgekleidet und mit dem
Kreuz, wird mit Heeresmassen die Haar heraufziehen. Dann wehe,
armes Vaterland. Ringsherum werden die Städte in Brand stehen.
Viele Leute der Umgegend, meist arme Boten und Schäfer, Spöken-
1) Oliva fructivera, ein fruchtbarer Ölbaum ist Maria allen unsern Christ-
gläubigen bedrängten Menschen in ihrem mirakulosen Bildnis zu Werl. Mit
Bericht, wie die Bildnis vor diesem zu Soest verehrt, hernach nach Werl in die
Kapuzinerkirche versetzet. Werl 1801 , bei A. C. Stein. Zitiert nach Rothert,
Kirchengeschichte der ehrenreichen Stadt Soest, 1905.
2) Hier stützt sich die Darstellung auf Zurbonsen, Die Lage von der Völker-
schlacht der Zukunft am Birkenbaum, Köln 1897; zweite Aufl. 1907.
3) Prophetia de terribili luctu Austri et Aquilonis et proelio horrende in
finibus ducatus Westphaliae propc Budbergum.
Schmitz, Soest 3
. . y Google
34
Soest
Abb. 31. Tympanonrelief an Maria zur Höhe. (Inventar der Prov. Westf.)
Anfang 13. Jahrh.
kieker, die das zweite Gesicht besaßen, haben später noch die
Schlacht vorausgesehen. Weiße Soldaten ziehen die Arnsberger
Chaussee herauf; dann ist es Zeit, die Bewohner mögen in den
Arnsberger Wald fliehen; bei Schmerlecke am Lusebrink kommt
es zum letzten gräßlichen Kampf ; wehe, wehe dir, Hellweg, das .
Blut der Gefallenen wird ins Jakobitor fließen und Soest wird ab-
brennen bis zur alten Kirche. Noch Ende Oktober 1854 sahen die
Bewohner von Werl auf der Schlückinger Höhe die Bewegung
von Heeresmassen, auf Veranlassung Alexander von Humboldts
stellte darüber Professor Heis aus Münster Untersuchungen an.
Die einzelnen Züge der Sage sind nach Zurbonsens Forschungen
Erinnerungen an geschichtliche Ereignisse: die Kämpfe mit den
Römern, mit Karl dem Großen, die Soester Fehde, die Vernichtung
eines Bauernheeres durch den Schenk von Nideggen bei dem Dorfe
Bremen im Jahre 1586 und das Treffen zwischen dem Herzog
von Braunschweig und Soubise bei Vellinghausen im Jahre 1761.
Die weißgekleideten Soldaten sind die Österreicher, für die im
Volke merkwürdige Sympathie bestand. Zugrunde liegt die Sehn-
sucht nach einem Reich ewigen Friedens: ein großer Kaiser wird
kommen, heißt es, und eine glückliche Zeit heraufführen. Der
aufgeregten Phantasie verdichteten sich Nebelbildungen zur Vor-
stellung hin- und herziehender Schlachtheere. Zwischen dem sauer-
I y Google
8. Sagen
35
ländischen Gebirge und dem westfälischen Tieflandsbusen herrscht
eine beständige Bewegung der Luft. Im Spätherbst, gegen den
Winter, fließt die im Gebirge eher abgekühlte Luft nach der Ebene
ab, besonders durch die Einschnitte des Haarstrangs, der Gebirge
und Ebene scheidet, zwischen Hemmerde, Dorf Bremen und Werl,
wo der ,, Birkenbaum" liegt. Wenn die kalten Luftströmungen
dicht über den Boden streichen, dünsten die wasserhaltigen
Tonablagerungen des Haarrückens Nebelschwaden aus; oft,
während sonst ringsum die Luft klar und still ist.
Abb. 32. Vortragekoeuz in Maria zur Höhe. Holz, bemalt Anfang 13. Jahrb.
36
Soest
Abb. 33. St Petri. Westbau. Turm und Unterbau. (Meßbildanstalt.)
n. TEIL
9. Die Bauwerke des romanischen Stils (1150—1250).
Der altwestfälische Volksstamm, materiell mit der Erde ver-
bunden, nüchtern, ohne eigentliche dichterische Gemütsanlage,
so daß er im Phantastischen für die wirkliche Poesie Ersatz gesucht
hat: entfaltet seine herrlichsten Kräfte erst in der Baukunst.
Hier kommt der unverwüstliche Bauernsinn, der in der Soester
Geschichte erschienen ist, zum Greifen unmittelbar zutage; aber,
was uns in den zufälligen Ereignissen der Geschichte womöglich
als roh, eigensinnig, ohne feinere Züge, vielleicht als kleinlich
oder lächerlich vor Augen steht, erscheint in der Baukunst: empor-
gehoben, groß und ewig. Und gerade der romanische Stil, die ur-
sprünglichste Schöpfung der germanischen Rasse, hat in Westfalen
die vollkommensten, unvergängliche Werke erzeugt. Während
vom 9. bis ins ii. Jahrhundert die Bauschulen dei Klöster ihre
fremdher eingeführte Kunst entfalteten, trat mit dem 12. Jahr-
hundert, scheinbar mit einem Schlage, im ganzen Westfalenlande
Digitizei. , ^ .0
9. Die Bauwerke des romanischen Stils (1150—1250) 37
i
Abb. 34. Kirche zu Ostönnen, eine Stunde westlich von Soest
(Inventar der Prov.)
eine geschlossene eigentümliche Bauweise hervor. Die aufblühen-
den Städte wurden jetzt Mittelpunkte von Bauschulen (S. i) und
hier ging Soest, „die einzige Stadt Westfalens, die eine Kette von
I y Google
38
Soest
Abb. 35. St. Patroclus. Blick auf den Chor. (Mefibildanstalt)
beachtenswerten Architekturwerken als Kommentar seines wachsen-
den Lebens" hinterlassen hat (Lübke), allen voran'). Das erste Denk-
mal der heimischen Schule, um die Mitte des 12. Jahrhunderts
entstanden, ist der Westbau von St. Petri: die drei-
1) Grundrisse und genaue Boudaten sind im Anhang zu ßnden.
. . y Google
9. Die Bauwerke des romanischen Stils (1150-1250) 39
Abb. 36. Nicolaikapelle. Blick auf die Westemporc. (Mcßbildanstall.)
schiff ige, auf sechs Säulen ruhende Vorhalle, der massige, drei-
geschossige Turm darüber, sowie vom Langhaus, das ursprünglich
eine Pfeiler-Säulenbasilika war, die Unterteile der Außenwände mit
kleinen Rundbogenfenstern (Abb. 33). Wie der Bau im Äußeren
ausgesehen hat , mag die Kirche zu Ostönnen (i Stunde
westlich von Soest; 11 64 schon erwähnt {Abb. 34 1) zeigen; der
quadratische Turm mit engen Schallöffnungen und Pyramiden-
dach, typisch für die westfälischen Türme des 12. Jahrhunderts,
verdeutlicht, wie der Petriturm wirkte, bevor das gotische Geschoß
und der Zwiebelhelm aufgesetzt wurden (Abb. i) ; wie das Innere
gewesen ist, läßt beispielsweise die Kirche im Dorf Bremen (3 Stunden
Google
9. Die Bauwerke des romanischen Stils (1150—1250) 41
Abb. 38. St. Thomas. Blick von Osten in das südliche Schiff.
(Meßbildanstalt.)
südwestlich von Soest) erkennen. Sie ist vor der Mitte des I2. Jahr-
hunderts gebaut und hat wie St. Petri den Wechsel von Säulen
und Pfeilern. In der reinen Pfeilerbasilika aber entfaltet sich der
Soester Bausinn am vollkommensten. Das ausgedehnteste und
wichtigste Gebäude dieser Gruppe ist das Münster St. Patrocli
(der Westbau ist später). Im ii. Jahrhundert trat an Stelle der
Gründung Erzbischof Brunos um 960 (S. 10) eine dreischiff ige
Basilika, mit Querschiff, viereckigem Chorraum und anschließender
Apsis; die Decke des Mittelschiffs war flach, die Seitenschiffe waren
gewölbt. Um die Mitte des 12. Jahrhunderts wird das Mittelschiff
mit Kreuzgewölben überspannt, jeder zweite Arkadenpfeiler
Digitizei
42
Soest
erhält eine mächtige
Vorlage, die die breiten
Quergurte aufnehmen ;
der Grundriß gewinnt
die Form des ausge-
bildeten romanischen
Stils, die Travee: ein
Mittelschiffsjoch ist
jedesmal mit zwei Sei-
tenschiffsjochen ver-
bunden. Erzbischof
Rainald von Dassel
weihte den Bau 1166
ein (Abb. 35K Der
Eindruck des Äußeren
und Inneren ist massig
und schwer , dem
Mauerwerk fehlt alle
Verzierung. ,,Die Vie-
rungspfeiler sind von
ungeheurer Massig-
keit; die breiten Wand-
flächen geschlossen
und still ; ein dünner
Horizontalsims : alles.
Die tragenden Glieder
ohne Gelenk, die Pfeiler
pfostenhaft, ohne Ba-
sis, ohne Kapitell".
Durch das Ganze geht
ein feierlicher Rhyth-
mus.
Gegen Ende des
12. Jahrhunderts, wie
die Bevölkerung so
plötzlich anwuchs, be-
sonders nach der
Sprengeleinteilung Erz-
bischofs Philipps um
Abb. 39. St. Thomas.
(McfibildanstalL)
9. Die Bauwerke des romanischen Stils (1150—1250) 43
Abb. 40. Maria zur Höhe. Chor und nördliche Seite (z. T. Ende 12. Jahrh.).
(Meßbildanstalt.)
II 80 (S. I) entfaltete die Stadt ihre stärkste Bautätigkeit
bis in die dreißiger Jahre des 13. Jahrhunderts hinein. Zwei
köstliche kleine Werke aus den letzten Jahrzehnten des
12. Jahrhunderts sind die Nicolaikapelle und das älteste
Bürgerhaus der Stadt auf dem Burghof. Die Nicolai-
kapelle (Abb. 36), südlich vom Patroclidom gelegen und
ihm zugehörig, dem Patron der Schiffahrer geweiht, soll von
der Kaufmannsbruderschaft der Schleswicker (Schleswigfahrer,
S. I), erbaut sein, die ihre Trinkstube, die Rumeney, nördlich
vom Dom hatten. Im Grundriß ein längliches Rechteck, durch
zwei Säulen der Länge nach geteilt, schließt sie im Osten mit halb-
runder Apsis, im Westen mit halbem Sechseck; hier ist eine Em-
pore, wo die Vornehmen saßen. Die schlanken Säulen und ele-
ganten Tonnengewölbe mit Stichkappen bekunden eine Ver-
feinerung gegenüber dem Dom und St. Petri. Das Haus auf dem
Burghof (Abb. 37) ist die übrig gebliebene Hinterwohnung
I y Google
44
Soest
Abb. 41. Maria zur Höhe. Chor und Südwand. Anfang 13. Jahrh.
(Meßbildanstalt.)
eines größeren Patrizierhauses, das für Handel und landwirt-
schaftlichen Betrieb zugleich eingerichtet war. Viereckig im Grund-
riß hat es zwei Geschosse, das untere hallenartig, gewölbt, durch
eine Säule geteilt; im Dachgeschoß einen Lagerraum; außen
zeigt es zierliche dreiteilige Fenster und Treppengiebel.
Alle Kirchen werden zu eng. St. Peter wird verlängert
und erhält das Querschiff, das Langhaus wird zur Hallenkirche
umgebaut, indem die Nebenschiffe erhöht werden und Emporen
erhalten. (Vgl. Abb. 33). St. Thomas, dem Patron der Bau-
meister geweiht, ursprünglich als Basilika angelegt, wird gleich-
falls zur Hallenkirche erweitert; das nördliche Seitenschiff erhält
halbe muschelartige Kreuzgewölbe, eine dem westfälischen Über-
gangsstil eigentümliche Form. Die viereckigen Pfeiler sind noch
9. Die Bauwerke des romanischen Stils (1150—1250) 45
Abb. 42. Maria zur Höhe. Blick von Osten.
(Meßbildanstalt.)
ungegliedert, das Äußere ist einfach, ebenso der niedere, vier-
eckige Turm mit schiefgebauter Spitze'). (Abb. 38, 39).
Im Anfang des 13. Jahrhunderts wird Maria zur Höhe
(Hohnekirche) ausgebaut. Die älteste Anlage, bei der Teilung
Philipps schon vorhanden, war eine dreischiffige Hallenkirche
mit engen Nebenschiffen. Jetzt wurde sie nach Süden erweitert,
indem man Nordwand und Turm stehen ließ. Zwei Pfeiler teilen
den Raum, der Chor ist viereckig mit geradem Schluß; die Kirche
1) Die Spitze ist nicht vom Winde schiefgebogen, sondern mit Berechnung
schief gezimmert, dem Winde entgegen. Zu den Sparren des alten Holzverbandes
waren zum Teil krumm gewachsene Eichcnholzstämme verwendet. Auch die
Helme des Patrocliturms (Abweichung vom Lot 2 m) und des Petriturms sind
schief konstruiert (Baurat Meyer, Denkmalpflege 1908).
46
Soest
hat die typische
Form der westfä-
hschen Hallenkir-
chen des Über-
gangs. Die Mittel-
schiffe werden über-
spannt mit hoch
gestochenen Kreuz-
gewölben , die auf
spitzbogigen Gurten
lagern, die Seiten-
schiffe zeigen teils
halbe muschelar-
tige Gewölbe, teils
kuppelartige Ge-
wölbe, der Chor hat
ein achtteiliges kup-
pelartiges Kreuz-
gewölbe (Abb. 40
bis 42). Bei dem
Herausrücken des
Baues nach Süden
traf der nördliche
Scheidbogen den
Turmeingang, man
fing den Wand-
pfeiler ab, setzte ihn auf drei Säulen, und erhielt so unter
dem Turm die Taufkapelle (Abb. 43). Die sonder-
baren Formen der Gewölbe lassen erkennen, wie sich der Meister
abgemüht, um die Hallenform und eine luftige Raumwirkung
zu gewinnen, die Spannung der Bögen und die bewegte Gliederung
der Pfeilerkanten, die bizarre Dekoration der Südwand machen
seine innere Erregung fühlbar, die sinnvolle Form der Taufkapelle
zeigt, wie trotzdem ein praktischer Sinn bei der Arbeit waltete.
Zweifellos macht aber die starke Beimischung fremdländischer
Elemente den Bau noch merkwürdiger, denn die Gewölbe- und
Fensterformen sind zum Teil westfranzösischer Herkunft, aus dem
Poitou, das eine wichtige Rolle im westfälischen Übergangsstil
gespielt hat. Die kuppelartigen Gewölbeformen könnten sogar
Abb. 43. Maria zur Höhe. Tauf kapelle unter dem Turm.
(Mcßbildonstalt.)
I y Google
9. Die Bauwerke des romanischen Stils (1150—1250) 47
Abb. 44. Drüggelte. Heilig-Grabkapelle (1217-1227.)
(Phot. Althaus.)
auf direkte byzantinische Erinnerungen
zurückgehen; um so eher, da dies die
Chormalereien (vgl. Abb. 60) und das
Scheibenkreuz der Kirche (Abb. 32)
doch unzweifelhaft tun. Sollte uns
das aber wunder nehmen, da wir in
Drüggelte, zwei Stunden von
Soest, auf dem Haarstrang, eine Rund-
kapelle aus der gleichen Zeit sehen,
die der heiligen Grabeskirche in Jeru-
salem nachgebildet ist? Dieses kleine
Bauwerk zwischen den Schultehöfen,
außen weißgetüncht mit grauem
Abb. 45. Drüggelte.
Nach Lübke.
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48
Soest
Abb. 46. Inneres der Kapelle in Drüg gelte.
Schindeldach (Abb. 44 — 46), im Innern von zwei Säulenkreisen ge-
teilt, vier Säulen in der Mitte, außen zwölf Säulen, mit Tonnen- und
Kreuzgewölben gedeckt, in der systemischen Gliederung byzantini-
scher Zentralbauten, ist das schönste Beispiel der seltsamen Mischung
westfälischen und orientalischen Geistes im Anfang des 13. Jahrhun-
derts; sogar die rohgemeißelten Kapitelle sind antiken und vorder-
asiatischen Formen nachgebildet. Der Bau entstand zwischen 121 7
und 1227 und höchstwahrscheinlich von einem Baumeister, der
mit dem Grafen Gottfried von Arnsberg ins heilige Land gezogen
war. Nunmehr läßt sich auch vermuten, wieviel fremde Kultur
damals die Soester Bauschule in sich aufgenommen haben muß,
um ihr größtes Werk hervorzubringen: den Westbau von
St. Patroclus, die zweigeschossige viereckige Vorhalle, darüber
der viergeschossige Turm, dem Ganzen vorgelagert die fünfbogige
Loggia mit der Rüstkammer im oberen Geschoß (S. 13) (Abb. 47,
48). Im Anfang des 13. Jahrhunderts wird der Erweiterungs-
bau begonnen haben, bis in die dreißiger Jahre muß er nach den
Fensterformen der Giebel zu schließen, gedauert haben; das west-
Digitizei. _ , .0
Schmitz, Soest
4
Abb. 48. St. Patroclusdom. Turm und Vorhalle.
(Meßbildonstalt.)
9. Die Bauwerke des romaniBchen Stils (1150-1250) 51
liehe spitzbogige Joch des Langhauses ist darnach als Verbindiuigs-
glied zwischengebaut worden. Damals war der Soester Handel
aufs höchste gestiegen, die Kreuzzüge von 1189, 1195, 1204, 1217
und 1227 führten die Westfalen über Frankreich und Italien nach
dem Orient^). Die Vorhallen süditalienischer Kirchen und ita-
lienischer Stadtpaläste, die Verteidigungstürme der Kreuzfahrer
in Syrien oder die italienischen und französischen Stadttürme
(Belfroi) müssen dem Meister die Grundformen gegeben haben.
Doch ist das Werk, als Ganzes genommen, westfälisch, ja die edelste
Schöpfung des westfälischen Genius überhaupt. Seine Wirkung
ist gar nicht zu beschreiben. Viele Werke deutscher Kunst mögen
in der Intention größer sein, in der Ausführung sind sie fast immer
durch Widersprüche zerrissen: es findet sich kaum ein Beispiel,
wo ein deutscher Bau so ganz aus einer Empfindung geboren ist.
Hier, wie in den gewaltige Türmen von Minden, Paderborn und
Freckenhorst» aber noch herrlicher, löst sich die Seele eines Künst-
lers, nein eines ganzen Volkes, die in den tiefsten Tiefen der
Natur wurzelt. Dieser Turm steht vom Anfang der Welt an!
Hiemeben erkennt man die gleichzeitigen Türme von St. Aposteln
und St» Martin in Köln mit ihrer reichen Gliederung als Erzeug-
nisse einer schneUblfitigen» verschwenderischen, gesfM^tchigen
Nation. Am Rhein sind die Tlirme auch immer in Gesellschaft
zu mehreren, drei, fünf oder sieben, aber in Westlaien ragt der
eine Aber die ewigen Felder fort^.
1) Die wichtigsten Nachrichten über die Beteiligung des Niederrheins und
Westfalens an diesen Kreuzzügen habe ich früher (Die mittelalterL Malerei in
Soest, 1905) zusammengestellt Besonders 1217, also um die Zeit des st&rkstma
«IrfMntiiiieelien* SinflnsseB in der Malerei» hatten die Predigten des Kreuspredigers
Oliver die größte Wirkung hierzulande. »Freue Dich, kölnisches SÜftslond'*
rief er, „frohlocke und preise den Herrn, weil du durch Schiffe, Kriegsgerät und
Kämpfer mehr geleistet hast, als das deutsche Reich". Noch 1234 werden wsusa>
cienses cruce signati", Kreuzfahrer aus Soest, genannt
^ Btne HoehbUdiiag unsere* TumiM in kleineren Verhfiltnissen befindet .
sieh in Stenkyrka auf der Insel GoÜand, die infolge der Mondelsverbindung (S. 21)
noch andere kfinsHerische Beziehungen zu Soest und Westfalen hat. (Roosval,
Vortrag i. d. kunstgesch. Gcsellsch. Berlin 08). Die Drüggelter Kapelle hot Noch-
ohmung gefunden in den vier Rundkirchen auf der Insel Bornholm.
52
Soest
Abb. 49. Antependium aus dem Stift Walpurgis in Soest (Münster.)
(Phot Bruckmann.)
10. Die Malereien des romanischen Stils
(ca. 1150-1270).
In Soest begleitet die Malerei die Entwicklung der Baukunst
von der Mitte der I2. Jahrhunderts bis ins 15. Jahrhundert. Die
Wandmalereien im Hauptchor vonSt. Patrocli,
gemalt 11 66 (Abb. 50), sowie das verwandte Antependium
aus dem im Jahre 1165 von Rainald von Dassel gegründeten Wal -
purgisstift (jetzt im Museum zu Münster [Abb. 49I) sind
zwei der wichtigsten Zeugnisse des hochromanischen Stils, wie
wir ihn in Westfalen sonst in den Fresken von Idensen (1120
bis 1129), den Handschriften von Corvey und Hardehausen stu-
dieren können. Das Eigentümliche dieser Stilweise ist: die Abkehr
von der antiken Überlieferung, die die voraufgehende ottonische
Malerei gepflegt hatte, eine starke Zuhilfenahme ,, byzantinischer"
Vorbilder 0, in künstlerischer Hinsicht eine Stilisierung ins Flächige,
Strenglinige, Ornamentale: ,, diese Gestalten sind keine direkten
Abbilder der Natur, sie sind befangen im Geist der Architektur,
1) Die technischen, stilistischen, ikonographischen Elemente weisen, wie ich
früher näher ausgeführt habe (a. a. 0.), auf italienische, besonders süditalienische
und sizilianischc Wandmalereien und Mosaiken; S. Marco in Venedig, Torcello,
S. Angclo in Formis, Martorana zu Palermo, Capella Palatina zu Palermo (1143),
Cefalü (1148). — Eine Erklärung für diesen „Byzantinismus" könnte der Kreuzzug
von 1147 geben; ferner war Rainald von Dassel, als Kanzler Friedrich Barbarossas,
lange in Italien.
I y Google
10. Die Malereien des romanischen Stils 53
Abb. 50. St. Patroclus, Hauptchor. Wandgemälde, 1166.
(Meßbildanstalt)
ja sind Architektur. Sie entstammen dem Geist der Architektur,
sie sind geboren aus einer allgemeinen architektonischen Welt-
stimmung".
Gegen Ende des 12. Jahrhunderts vermehren sich in der Malerei,
unvergleichlich deutlicher als in der Baukunst, die Beziehungen
zur „byzantinischen" Kunst: bis in die dreißiger Jahre des 13. Jahr-
hunderts war Soest der Mittelpunkt des byzan-
tinischen Einflusses in Norddeutschland.
Digitizei
54
Soest
Abb. 51. Maria zur Höhe, Chor. Deckengemälde. Maria und Engelchor.
Anfang 13. Jahrb.
Die n ö r d 1 i c h e- -A ps i s V o n St. Patrocli (um 1200),
der Chor der Hohnekirche: Maria und sechzehn Engel
auf dem Gewölbe, unten vorbildliche Szenen aus dem Alten Testa-
ment (Abb. 51), die Heilig-Grabnische mit Passions-
szenen; sowie der Altaraufsatz aus der Wiesenkirche (jetzt in
Berlin [Abbildung 52]), beide etwa 1220 — 30 entstanden: solche
Werke stehen beinahe einzig da in der deutschen Malerei der
Zeit. Die Hauptpartien, möchte man glauben, könnten von
griechisch geschulten Mönchen aus Palermo oder Monte Cassino
gemalt sein^).
1) Auch hier weisen die Beziehungen wieder, wie ich früher ausgeführt,
a. a. 0., auf die von der Byzantinischen Kunst beeinflußten Gebiete Italiens, ins-
besondere auf Süditalien und Sizilien. Ein Kranz von Engeln in der Kuppel ist
erhalten in der Martorana zu Palermo und in Hosios Lukas in Phokis. Auch das
Altarbild zeigt in Technik und Komposition die größte Verwandtschaft zu byzan-
Digitizei. _ , .O'
10. Die Malereien des romanischen StUs
55
Abb. 52. Kreuzigung. Altaraufsatz aus der Wiesenkirche.
(Berlin, Kaiser-Friedrich-Museum.) Ausschnitt. (Phot. Frz. Hanfstaengl.)
Als letzte Phase des spätromanischen Stils entwickelte sich
hieraus der ,,Z a c k e n s t i 1**, der mit seiner rasenden Bewegung
iinisch-italienischen Tafelmalereien, z, B. in Alba Fucense, in Triest usw. Unter
.byzantinische m" E i n f 1 u ß in dieser Zeit (Ende 12., Anfang 13. Jahrh.) ist dem-
nach prinzipiell der Einßuß der i ta Ii e n i s c h - b y za n ti n i s c h en Kunst zu
verstehen. Außer dem Umstände, daß die Kreuzfahrer ihre Route über Süditalien
nahmen, kommt in Betracht erstens vor allem die Herrschaft Heinrichs VL, der
durch seine Gemahlin Konstanze die normannischen Besitzungen erbte, und
Friedrichs IL in Sizilien und Süditalien; zweitens die Verbreitung der italienischen
Mönchsorden der Franziskaner und Dominikaner in Deutschland, um 1230 kamen
sie auch nach Soest; drittens speziell für Westfalen die Beziehungen zum Papst-
tum. —
10. Die Malereien des romanischen Stils
57
der Gewandfalten und aller Linien, mit seiner Zerschneidung
der Flächen tmd einer gewissen Verzerrung der Figuren einem über-
heftigen innerlichen Bewegungsdrang entsprang; Ähnlich wie in
den ^tromanischen Architekturen eine Zunahme in der Bewegung
der Dekoration zu beobachten ist; man sieht das bei^ielsweise
an den vier Giebehi des Patrocliturmes und am Querschiff von
St. Petri. Die Soester Werke dieses Stils, von etwa 1230—70,
sind die Apsis der Nicolaikapelle, Christus und die zwölf
Bostel, die nördliche Apsis der Hohnekirche:
oben Krönung Mariae, unten Legende der hl. Katherina, das
Altarbild mit der Dreifaltigkeit aus der Wiesen-
kirche (in Berlin [Abb. 53J). Weitere Arbeiten der Schule
sind in Methler, Weslarn und Lippstadt. Über
ganz Deutschland, bis nach Tirol hinab, ist derselbe Stil verbreitet,
höchstens könnte man sagen: in Soest und Westfalen tritt er mit
besonderer Heftigkeit auf. Dieses jähe Aufbrausen scheint im
Widerspruch zu stehen mit der sonstigen Gleichmütigkeit und
Schwerfälligkeit der Rasse, ebenso wie das phantastische Wesen
der Vehme und das Schwärmerische der Sagen dem sachlichen
Grundempfinden der Westfalen gegenüber steht: so liegen die
Gegensätze in der Seele eines Volkes nebeneinander.
58
Soest
Abb. 54. Wiesenkirche von Süden.
IL Die Bauwerke des gotischen Stils.
(Ende 13. bis 15. Jahrhundert).
In dem Verhalten zur Gotik trat aber die westfälische Schwer-
fälligkeit wieder unverändert hervor. Der nach der Mitte des
13. Jahrhunderts aus Frankreich hereindringende Stil verlor in
Westfalen sofort das Gelenkige, Bewegte, Reiche, Himmelstrebende,
das die französischen Bauten und nach ..ihnen die rheinischen und
viele süddeutschen Bauten annahmen. Der Chor von St.
Thomas (Abb. 55), im Fünfachteleck gebrochen, mit zwei-
Digitizei. , ^ .o
11. Die Bauwerke des gotischen Stils 59
teiligen Spitzbogenfen-
stern (sowie das süd-
liche Seitenschiff mit
rippenbesetzten Kreuzge-
wölben) ist als das früheste
Werk der Soester Gotik, in
den siebziger Jahren des
13. Jahrhunderts erbaut.
Ungefähr gleichzeitig, um
1272, entstand der Chor
von St. Petri, im
Grundriß kleeblattförmig
(vgl. Abb. I); der Haupt-
chor, mit sieben Seiten
eines Zehnecks ist ein-
gefaßt von zwei Neben-
chören mit fünf Seiten
eines Zehnecks. Die
Außenmauern ohne Stre-
bepfeiler, flache Dächer,
wagrechte Gesimslinien :
Abb. 55. St. Thomas, Chor. das ist der Soester Ge-
Letztes Drittel 13. Jahrh. (Meßbildanstalt.) schmack, während in
Köln am Domchor gebaut wird! Aus dem Anfang des
14. Jahrhunderts stammt die Brunstein-Kapelle, im
Grundriß ein Viereck mit fünf zehntel Chor. Im Jahre 13 14
begann Johann Schendeler das Hauptwerk der Soester Gotik:
MariazurWiese; 1 376 wurden die Altäre geweiht ( Abb. 54, 56 bis
58). Mit dem Unterbau der Türme begann man 1421, nachdem die
Arbeit geruht hatte ; die Turmhelme wurden erst nach der Mitte des
19. Jahrhunderts aufgebaut. Das Streben nach hallenartigen An-
lagen, das die westfälischen Baumeister des spätromanischen Stils
bewegt hatte, ist erfüllt: drei gleich hohe, fast gleich breite Schiffe,
drei Joche in die Länge: so bildet das Langhaus einen einzigen
viereckigen, gewaltig hohen und breiten Hallenraum; im Osten
mündet er in den flach gebogenen hafenartigen Chor; dieser ist
kleeblattförmig im Grundriß, wie St. Petri, ein Hauptchor im
Siebenzehnteleck, eingefaßt von zwei im Fünfzehnteleck ge-
schlossenen Nebenchören. Die Pfeiler gehen ohne Kapitelle in die
Abb. 56. Wiesenkirchc, erbaut 1314—76. Blick auf den Chor.
(Meßbildanstalt.)
11. Die Bauwerke des gotischen Stils 61
Abb, 57. Wiesenkirche, von Südosten. (Meßbildanstalt.)
Gewölbrippen über. Die Wände sind bis auf zwei Meter vom
Boden durch ganz lange, drei- und vierteilige Fenster durchbrochen.
In den Chören sind sie bunt bemalt, nach Mitte des 14. Jahr-
hunderts im Hauptchor, Anfang des 15. Jahrhunderts in den
Nebenchören. Sonst kommt das Licht hell und voll herein, an
schönen Tagen sind die grünen Sandsteinwände und die weiß-
getünchten Gewölbe durchleuchtet von der Sonne. Es herrscht
kein Wallen von Licht und Schatten, wie im Kölner Dom, alles
ist gleichmäßig beleuchtet, keine rhythmische Bewegung der Pfeiler
wie im Münster Patrocli des 12. Jahrhunderts, wo auf dem er-
weiterten Chor der Stiftsklerus thronte: in dieser Festhalle kamen
ausschließlich Bürger und Bauern zusammen, wie sie sich auf
den Kreuzigungsbildern drängen, ohne Überschwänglichkeit,
Google
62
Soest
Abb. 58. Wiesenkirche, von Südosten. (Meßbildanstalt.)
mit irdischen Anliegen traten sie vor Gott und Maria, fröhlich
und fest im Glauben. Ebenso ruhig, fast sparsam ist das
Äußere: hohe, kahle Wandflächen, dünne Mauerstreben, die
Dachgalerie als wagrechter Abschluß; nur daß in Wirklichkeit
der grüne Stein dem Bau ein wunderbares Leben gibt. Um
die Mitte des 14. Jahrhunderts (vielleicht um 1346) entstand die
Digitizei.
11. Die Bauwerke des gotischen Stils
63
Abb. 59. Minoritenkirche, Chor. Mitte 14. Jahrh.
Kirche der M i n o r i t e n , eine dreischiffige Hallenkirche, mit
Rundpfeilern, der lange Chor im Fünfachteleck geschlossen (Abb. 59
bis 60). Sie ist langgestreckt, als Predigerkirche, mit hellen
weiten Fenstern. Um dieselbe Zeit ist die P a u 1 i k i r c h e ge-
baut, wo das Patriziat seine Sitze hatte; ebenfalls eine dreischiffige
Hallenkirche mit Rundpfeilern; im Westen ist ein viereckiger,
viergeschossiger Turm vorgelegt (Abb. 61). Der Chor im Fünf-
achtelschluß mit brillantem Maßwerk (ähnlich am Reinoldichor
in Dortmund von 1420) stammt aus dem Anfang des 15. Jahr-
Google
64
Soest
Abb. 60. Minoritenkirchc. Blick auf den Chor.
Hunderts. Aus dem Ende des 15. Jahrhunderts, in spätester Gotik,
ist der zweischiffige Remter des Minoritenklosters mit netzartigen
Gewölben (ohne Quergurten) und der Kreuzgang mit fischblasigen
Fensterformen.
Die Bildhauerei hat an allen Soester Bauten eine ge-
ringe Rolle gespielt, weil der Soester Sandstein für die Meisselarbeit
zu weich war, weil den Soestern glatte Flächen und geschlossene
Massen mehr gefielen und vielleicht auch, weil sie zu sparsam
waren, um für überflüssigen Zierat Geld auszugeben. Aus dem
12. Jahrhundert sind die Tympanonreliefs von St.
I y Google
11. Die Bauwerke des gotischen Stils
65
Abb. bl. St Paul, Turm, Mitte 14. Jahrh.
(Inventar der Prov.)
Schmitz , Soest
Patroclus
(Abb. 30) und
St. Petri; aus
dem Anfang des
13. Jahrhun-
derts T y m -
panonrelief
(Abb.31), Tauf-
stein (Abb.
43) und holz-
ges c hn it ztes
Scheiben-
kreuz der
Hohnekir-
c h e (Abb. 32),
sowie die Wes-
larer PatrocH-
statue in Mün-
ster (Abb. II)
zu nennen; aus
dem 14. Jahr-
hundert die Sta-
tuen im Chor
der Wiesenkir-
che, nach Mitte
des Jahrhun-
derts (Abb. 62);
aus dem Beginn
des 15. Jahr-
hunderts die Sta-
tuen am Süd-
portal (Maria),
weich und flüssig
behandelt (Abb.
63) und die Sta-
tuen im Chor
von St. Pauli.
Diese gotischen
Figuren sind
5
66
Soest
Abb. 62. Wiesenkirche. Chor. Abb. 63. Wiesenkirche, Südportal.
Johannes, der Evangelist. Maria mit dem Kinde. Anfang 15. Jahrh.
Mitte 14. Jahrh. (Inventar der Prov.)
alle, wie auch die Statuen des Patrociischreines von 1313
(Abb. 18), untersetzt, schwerfällig, mit dicken Köpfen, alter-
tümlich gedrehten Haarlocken, schraubenförmigen Gewand-
falten ; sie unterscheiden sich dadurch scharf von den über-
schlanken, zierlich gebogenen Figuren der Kölner und Frei-
burger Gotik.
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12, Bürgerhäuser. Stadtanlage 67
Abb. 64. Häuser am Nöttcnwall. (Lichtdr. Fritz Kerstin jr., Soest,)
12. Bürgerhäuser. Stadtanlage.
„Susatum civitas intcr Westfalicas
maxima et opulentissima".
Der bäuerische Grundzug, der in den Soester Monumental-
bauten zum Ausdruck kommt, prägt sich noch deutlicher in den
Bürgerwohnungen aus; Soest verleugnet nie seine Abstammung
von den alten Bauerschaften. Das Innere der alten Häuser ist
freilich in neuerer Zeit fast überall umgebaut. Gegen die Wälle
hin findet man vereinzelte Höfe mit dem großen Tor, das auf
die Diele führt, an den Seiten die Viehställe, darüber der Korn-,
Heu- und Häckselboden, die Wohnungen im Hintergrund. Das
Haus auf dem Burghof aus dem 12. Jahrhundert ist, wie gesagt,
die steinerne Hinterwohnung eines abgerissenen langen Fachwerk-
hauses, das dem landwirtschaftlichen Betrieb diente (S. 40, Abb. 37).
Die bemerkenswerten Häuser in der mittleren Stadt, die fast alle im
16. Jahrhundert, und zwar überwiegend nach der Mitte des Jahr-
hunderts, erbaut sind, passen sich den städtischen Bedürfnissen
mehr an : Ställe und Scheunen werden hinter und neben das Wohn-
haus verlegt, dies wird im Gegensatz zu dem zehn Fach in die Länge
messenden Schultenhof in der Regel auf vier Fach verkürzt und in
mehreren, obgleich in selten mehr als zwei Geschossen aufgebaut
5»
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68
Soest
Abb. 65. Haus Marktstraße. Mitte 16. Jahrh.
(Hier wohnte Freiligrath.)
(Abb. 65 — 67); der geräumige Vorderflur und die große Küche
treten an Stelle der Diele. Die künstlerische Ausgestaltung
trägt aber denselben, nur reicheren Geschmack, wie die Bauernhöfe
der Börde. Die Vorderseiten dehnen sich breit aus, die Giebel zeigen
gedrückte oder gleichseitige Dreieckform; die mächtigen Dächer
werden mit roten Ziegeln gedeckt; die Mauern sind aus Fachwerk
mit Balkengerüst. Neben weißgetünchten leuchten bläulich, rötlich
oder blaßgrün getönte Wände. Das Rahmen- und Balkenwerk
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12. Bürgerhäuser. Stadtanlage
69
Abb. 66. Haus Grandweg 38, erbout 1569. (Althaus.)
ist in bunten Farben gestrichen; erst in neuerer Zeit hat man es
gleichförmig schwarz gefärbt. Viele Häuser haben Flachschnitzerei
an den Rüstbalken und Balkenköpfen, man sieht Rosetten in Kerb-
schnitt an den Durchschnittpunkten der Haupt- und Querbalken,
Friese mit Greifen, Sirenen, Teufelswesen und biblischen Szenen,
Inschriften und Jagdbildern; Stoffmuster und Drachen aus romani-
scher Zeit. Gotisches Maßwerk erscheint neben Perl- und Eierstab-
gesimsen und Aldegreverornamenten bis ans Ende des i6. Jahr-
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70
Soest
Abb. 67. Haus WiesenstraRe 6, erbaut 1585. (Inventar der Prov.)
Hunderts. Es handelt sich um Schreinerarbeiten, wie sie an Bett-
laden und Truhen vorkommen, für Künstler bot Soest damals
schon keine Beschäftigung mehr'). Renaissancebauten, wie in
Münster oder Hannover, gibt es nicht. Wieviel feiner sind die
gleichfalls in Fachwerk ausgeführten Häuser des i6. Jahrhunderts
in Hildesheim und Braunschweig. Ihre strenggegliederten Fassaden,
mit reichem Renaissancedekor und steilen Prunkgiebeln, fügen
sich durchaus städtisch in die Straßenflucht ein.
1) 1573 richteten die „Klcinschnitzer" ein Gesuch an den Rat um Bildung
einer Gilde, erst 1693 scheint sie wirklich gegründet zu sein.
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12. Bürgerhäuser. Stadtanlage
71
In Soest aber kehren die Häuser bald die Giebelwände, bald
die Längsseiten der Straße zu, sie fingen bald gerade, bald schief
▼or, andere liegen hinter Mauern im Garten zurück. Allerdings
ist wenigstens die Hälfte der Häuser Terschwunden — Soest hat
heute noch nicht die Hälfte der Einwohnerzahl, die es im Mittel-
alter hatte: dennoch drückt sich in der Art der Bebauung aus,
daß der westfälische Sinn für das abgeschlossene Einzelwohnen
selbst in der Stadt nicht erlischt. In Wechselwirkung hiermit steht
die westfälische Eigenschaft: für sich allein sein zu wollen, alles
an sich herankommen zu lassen, die sich bei dem Durchschnitts-
westfalen als Unzugänglichkeit, ja Unhöflichkeit, bei den aus-
gezeichneten Menschen des Stammes als Beharrlichkeit und Festig-
keit des angeborenen Wesens und als Freiheit von aller Pose aus-
spricht. Die Soester Kirchen, St. Thomas im Garten, Maria zur
Höhe, St. Petri sind niemals auf Schauwirkung berechnet; sie
drehen der Straße den Rücken zu, nur die Domfassade hat die
italienische Offenheit.
Wie eine einzige Bauerschaft lagert sich die Stadt um den
großen Teich. In der Mitte liegen das Rathaus, der weite
Marktplatz, der städtische Patrocliturm und das Münster
beisammen. Die Kirchen der sechs Hofgemeinschaften ordnen
sich im Kreis darum. An hundertsiebzig krumme Straßen und
Gassen ziehen zwischen den Häusern, Mauern und Gärten durch«
Nur die Jacobi-ThomaserstraOe hebt sich heraus: der Hellweg,
von Unna nach Paderborn.
72 Soest
Abb. 68. Blick auf die Wiesenkirche, vorne der große Teich
13. Geologische und klimatische Verhältnisse.
Die Häuser der Stadt und der Börde verwendeten als B a u -
m a t e r i a 1 das Eichenholz des riesigen Arnsberger Waldes') für
das Balkenwerk, den Lehm- und Tongehalt des Erdreichs für das
Fachwerk und die rotgebrannten Dachziegel. Die Kirchen und
Stadtmauern sind in dem eigentümlichen Mergelsandstein
gebaut, der in einigen Brüchen am Fuß des Haarrückens gebrochen,
jetzt selten geworden ist. Er ist moosig-grün, von poröser
Struktur, so daß er an den Kanten leicht bröckelt und von Wind
und Regen zerfressen wird. Es gibt keinen Stein in Deutschland
von so leuchtendem Ton, selbst der rote Mainsandstein wirkt kalt
dagegen! Diese saftige, wirklich grüne Farbe gibt den Soester
Bauten erst ihre malerische Schönheit und ist jedem Durchreisenden
unvergeßlich! Man empfindet hier greifbar und bis ins tiefste den
1) Die Holz- und Jagdgerechtigkeit im Arnsberger Walde bildete einen der
beständigen Streitpunkte zwischen Soest und den Kurfürsten von Köln. — übrigens
war früher auch die Börde bewaldet; erst als Karl der Große Höfe anlegte,
wurde sie ausgerodet.
13. Geologische und klimatische Verhältnisse 73
Abb. 69. Wiesenkirche, Chor. (Meßbildanstalt.)
inneren Zusammenhang zwischen den geologischen Kräften des
Bodens und dem Bauwerk, denn das Salz des Erdreichs strömt
gleichsam vor unseren Augen in den Kunstorganismus hinein.
Hier ist die fruchtbarste Landschaft Westfalens, in der Mitte zwischen
den Solequellen des Paderborner Landes (den Abhängen des Teuto-
burger Waldes) im Osten und den Steinkohlenflözen des Dort-
munder und Ruhrreviers im Westen'). Während die von Asse
1) Soolquellen sind auch in der Nähe: bei Soest, in Sassendorf, in Werl
und Königsborn.
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74
Soest
Abb. 70. Wirtschaft Andernach. Osthoven. Erbout 1693. (Althaus.)
und Soestbach bewässerte Niederbörde, die nordwärts bis zur Lippe
zieht, vorwiegend Wiesenbau und Viehzucht treibt, gedeiht auf
dem Hellweg und der Oberbörde im Süden bis zur Haar hinauf
Google
13, Geologische und klimatische Verhältnisse
75
Getreide aller Art; hier findet sich der mit Humus am reichsten
durchsetzte Lefamhoden. In der Feldmark um die Stadt werden
Gartengewächse: Erhsen» Wicken, Kohl, Flachs und früher beson-
ders Hopfen gezogen. Hier bringt die Erde die dicksten Bohnen
henror, die fettesten Schweine Westfalens, mit Eicheln und Gemfise-
ab^len gemästet, Kühe, wie sie sonst nur Holland hat Es hingen
die geräucherten Mettwürste und Schinken, von Rauch und Luft
durchstrichen, auf den Tennen, man backt den echten Pumper-
nickel und braut bei Topp und Andernach herrliches Alt-
und Doppelbier, das die Soester aus steinernen Literkrügen:
Bullenköppen, heute, wie seit tausend Jahren, trinken. Hier, er-
zählt schon der Simplizissismus' ), der im Kloster Paradies einige
Zeit auf Wache lag, das ,, Jägerken von Soest" genannt, hier setzte
es das fetteste Bier, den besten westfälischen Schinken und Knack-
würste, wohlschmeckendes und sehr delikates Rindfleisch . . .
Da lernte ich das schwarze Brot fingerdick mit gesalzener Butter
schmieren und mit Käse belegen, damit es desto besser rutschte.
Es herrscht im Sommer und Herbst ein warmes, oft beinahe
südliches Klima, Regen und Gewitter, die große Striche Westfalens
unfruchtbar machen, ziehen sich nach dem hintergelagerten sauer-
ländischen Gebirgsland, dem Herzogtum Arnsberg und der Graf-
schaft Mark, hinüber. Dort ist die Witterung kälter und feuchter,
im Herbst herrscht viel Nebel tmd im Frühling liegt der Schnee
noch lange. Das Sauerland, eine Abzweigung des Wester-
waldes und der Rotiiaar, mit reichlichen Schiefer- und Grauwacke-
lagerungen, mit Tannenwäldern bedeckt, bildet in vielen Punkten
den schärfsten Gegensatz zur Soester Ebene. Seit alters
sind in den Tälern blühende industrielle Betriebe, Eisen- und Stahl-
werke und Drahtrollen, wie in Altena, Iserlohn und Limburg, in
den Tälern der Lenne, Ennepe und Vohne reiht sich ein Hammer-
werk ans andere. Höher hinauf, im Siegerland, wird in sehr altem
Berg- und Hüttenbetrieb Eisen und Stahl gewonnen^. In den
hddisten Teilen des Gebirges blüht die Holzkultur und Köhlerei.
1) Von Grimmelshausen (1625—75).
7^ Schon IISO wlaabt König Konrad dem Abt von Eresburg Gold* Silber und
Zinn SU groben, der Stahlberg bei Müsen ist seit 1313 im Bon. Die Woffen-
Bchmiede in Attendorn standen im 14. Jahrh. an Bedeutung vor den Solingern,
die ihre Blüte erst vom 16. Jahrh. ab daiicren. Soest war, wie gesagt» ein Stapel-
platz für die industriellen Erzeugnisse des Gebirges.
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76
Soest
DieBevölkenisig des Berglandes Ist sparsam, herb, ohne künstlerische
Bedürfnisse, in den furotestantischen und industriellen Gegenden der
Mark und des Siegerlandes, betriebsam, geweckt, aufgeklärt, be-
weglich, fast städtisch; sozialdemokratisch, aber treu*), wenn
es sein muß, ihrem König: ein Volksschlag» der sich, wie der des
benachbarten Bergischen Landes, infolge Jahrhunderte langer freier
Verfassung und angeborener Kraft, trotz der schwierigsten Arbeits-
bedingungen und der kärgsten Natur, oder gerade deshalb, eine
kernige Gesinnung bewahrt hat. Friedrich Hackort, geboren auf
Haus Harkorten bei Hagen, der Gründer der Harkortwerke,
und Piepenstock, geboren in Iserlohn, der Gründer des Hörder
Bergwerksvereins: das sind seine Helden.
In ihrer Schilderung der westfälischen Stämme bemerkt die
1) AI« «in Beispiel f&r dos frühere YerhaHnis der Mörker zum K5nig sei
folgendes erzählt:
Im Dorfe Ueltzen bei Unnn, in der Grafschaft Mark, war um das Jahr 1798
eine Viehseuche ausgebrochen. Die Bauern widersetzten sich der von der märki-
schen Kammer verordneten Tötung des erkrankten Viehs; denn sie verstonden
dos Gesets nicht, sie glaubten, dofi ihr sömtiiches Vieh noch und nach tot-
geschlagen werden sollte. Verstärkte Ahteilmigen KoTcdlerie und Inianferie
mufiten Gehorsam schaffen, schwere Strafe wartete der Starrsinnigen. Der
Prediger Krupp zu Unna bat bei des Königs Majestät um Gnade. Friedrich Wil-
helm III. antwortete mit einem Kabinettsschreiben, das so schließt:
Ihr habt Hecht, Mir die dortigen Einwohner ols ein argloses, gutgesinntes
«nd seinem Könige treu ergebenes Volk so schildem, welches sich nur im Schmon
fiber die gransome Hage der Viehseuche, bei den horten, aber durchaus not-
wendig gewordenen Vorkehrungsmitielo, zu sträflichen Widerset^cbkeittn hat
verleiten lassen. Sagt ihnen in meinem Namen, daß Ich ihnen von Herzen ver-
gebe, da sie ihr Unrecht einsehen, ihnen als treuen und braven Untertanen landes-
väterlich zugetan bleibe, und Mich zu ihnen nach wie vor, aller Folgsamkeit
gegen Gesetx Und Obrigkeit und treuer Anh&nglichkeit an ihren KSnig verseh«.
Sucht es ihnen begreif Uch %u machen, dofi weder Ich noch die Obrigkeit Gefiollen
daran hüben könnten, die Houptqu^le ihrer Nahrung unbarmherzig zu zerstören
und ihr Vieli totschlagen zu lassen . . . Ich hoffe, daß ihr diesen Gesinnungen
den besten Eingang bei ihnen werdet zu höhnen wissen und bin euer gnädiger
König.
Berlin, den 3a Mörs 179B
FRIEDRICH WILHELM
(Jahrbücher der preußischen Monarchie 1796).
In der Flugsdirift der Grolsdtoft Mark vom Pfbrrer Möller von Eliey bei
der Abtretung an Frankreidi (1807) und ganz besonders in den „Bürger- und
Bauernbriefen" von Fr. Ilarkort aus den 4Üer Jahren äußert sidi der mürkisdie
Patriotismus auf eine riihrendc Weise. Domais war der Liberalismus hier uoih.
Tolkstümlidi, seine Grundzüge waren Freimut und Burgerstolz.
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13. Geologische und klimatische Verhältnisse 77
Droste Hülshoff, daß den Sauerländern gegenüber die
Bewohner der westfälischen Ebene etwas Sinn-
liches, Üppiges, Malerisches, ja Südliches haben. Sie spricht freilich
nur von den Bewohnern des Münsterlandes und Paderborns, aber
diese Eigenschaften lassen sich auf den Bewohner der Soester
Ebene ausdehnen. Die derbe Sinnlichkeit, die wir schon in den
Dichtungen sehen, und der Hang zum Schwelgen, werden auch
durch die häufigen Ratserlasse bewiesen, die gegen das Schlemmen
bei Patronatsfesten, Heiligtumstrachten und anderen frommen
Anlässen gerichtet sind.^) Die Reformation erschien der Mehr-
zahl der Soester als eine Gelegenheit zu Schmausereien. Die Refor-
mations- und Sektengeschichte der Mark und des Wuppertals bietet
ein viel ernsteres, härteres Bild. Die Religiosität dieser Gegenden
tritt uns verklärt in den Schriften Jung-Stillings entgegen, der
1740 zu Grund bei Hilchenbach im Sauerland geboren wurde.
1) Die Kirdienordnung von 1532 sagt: de grote horerie und eebreekeric, die
dogelix in der Stadt und up dem lande veile gesdieit . . .
Abb. 71. Arnsberg an der Ruhr. (Lichtdr. J. Sonntag, Arnsberg.)
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78
Soest
Abb. 72. Soest von Süden.
14. Landschaft.
Unter den verschiedenen Verhältnissen des Gebirges und
der Ebene haben sich hier also zwei deutlich unterscheidbare
Sondercharaktere innerhalb des westfälischen Stammes entwickelt.
Das Land beeinflußt seine Bewohner, aber umgekehrt wirken die
Bewohner wieder auf die Physiognomie ihres Landes ein; dies hat
kürzlich Kessler in seinem Buch über Mexiko bis ins einzelne ver-
folgt. Indem die Bewohner das Material ihrer Gegend verbauen,
und so, unbewußt, ihren Licht- und Farbentönen Rechnung tragen,
bringen sie gewissermaßen die besonderen physikalischen und
atmosphärischen Grundverhältnisse ihrer Landschaft zum fühl-
baren Ausdruck. Natur und Kunst berühren sich an diesem Punkte,
ja sie scheinen völlig die eine in die andere verschmolzen. Diese
Empfindung drängt sich nirgend anderswo, behaupte ich, als in
Soest mit solcher Kraft auf.
Zwei Stunden südlich von Soest beginnt das Gebirge,
bis zur Sieg und weiter ist ohne Unterbrechung alles mit Wald
bedeckt, schon auf der Rückseite des Haarstrangs im Möhnetal
und im Arnsberger Walde macht sich der kältere magere Gebirgs-
boden fühlbar. Von da ab ist südwärts immer dasselbe Bild: die
Berge meist mit Tannen bewaldet, in der Tiefe enge Flußtäler
mit Wiesenmatten, vereinzelt sehen kleine Ortschaf ten oder Hammer-
14. Landschaft
79
werke herauf, die Häuser sind einförmig, mit weiß gekälkten
WAnden und gleichmäßig schwarzgestrichenen Balken und Toren,
die Dicher und Giebelsetten sind mit grauem Schiefer gedeckt; in
der Mark» sowie im Bergischen Land» sind die ganzen Häuser mit
Schieler umkleidet. Auch die Kirdien sind weiß- oder grau-
getOncht» tragen dimkelgraue Schieferdächer und sind im Innern
gleichfalls geweißt, ohne Schmuck. Meist ist der Himmel trübe,
in den Tälern liegt oft rauhe nebelige Luft, graue Regenwolken
streichen fiber die dunklen Waldrüdcen: hier leiden Natur und
Mensch nur trübe, graue, schwarze, weiße Töne.
Aber die Soester Börde von der Haar bis zum Hellweg
ist nur Getreide. Endlos dehnt sich die gelbe Fläche herab. Rote
Dächer tauchen aus den Senkungen, von Obstbäumen, Eichen und
Linden umschattet. Sommerstille liegt über den Höfen. Man hört
nur das Gackern der Hühner aus den Scheuern, das Brummen der
Kühe aus den Ställen, die Stare flöten in den Ulmen, im Korn
und am Wiesenrand zirpen die Heuschrecken. Die Schwalben
schießen über den Hafer hin. Die Hitze kocht in den Halmen,
gesegnet sind die Ähren, die warme schwere Luft schwebt über
dem Korn; vor den weißgekälkten Wänden des Hofes zittert das
Sonnenlicht und das rote Dach hebt sich schattenlos in die Bläue
des Julihimmels. Es ist, als ob die Feuchtigkeit des Meeres den
Farben solche Leuchtkraft gibt. Über die unbegrenzte Niederung
im Norden weht eine beständige Luftströmung, besonders am Abend;
dann wogt das Korn die Haar hmauf, Grashalme und Blumen,
die Feldrain und Wegrand überwuchern: Klatschmohn, Korn-
blumen, Schirling» Kornraden und Klee zittern. Es dampft aus
den Wiesen, von den Ulmen und den gelbbraunen Linden. Die
Apfelbäume auf beiden Seiten der Straße tragen schwer an grünen
Früchten und ihre Astspitzen hängen voller Strohhalmen, die sie
von den vorüberstreifenden Erntewagen gerauft haben. Denn hier
steht das Korn noch auf dem Halme, während es dort schon ein-
gefahren wird, auf anderen Feldern reißen die Pflüge schon den
Acker auf für die neue Saat: fette, gelbbraune, dampfende Schollen.
Ober dem Meer roter Dächer steigen die Soester Türme herauf,
ihre grünen Mauern glühen In der warmen Sommerluft, selbst
in den Schatten nodi leuchtet der Stein, lebendig wie ein Mineral,
der Lichtton flieOt und wandelt sich immerfort Alle überragt der
Patrodlturm, durchleuchtet von der Sonne, ohne Schatten, wie
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80
Soest
ihrer Schwere beraubt, schwimmt die grüne Masse in dem Äther,
der schneeweiße bleigedeckte Turmhelm steht, einem geblähten
Segel ähnlich, in dem blauen Himmel, goldene Kugeln schweben
auf den Spitzen.
15. Die Malerei des 15. Jahrhunderts 81
Abb. 74. Soester Meister, um 1400. Ntkolaikapelle. (Bruckmann.)
15. Die Malerei des 15. Jahrhunderts.
Erste Periode: Meister Conrad.
Jetzt muß uns die Frage bewegen: was die Soester Maler
der verschiedenen Jahrhunderte von dieser ihrer Heimat, diesen
Menschen und dieser Gegend, aufgefaßt haben. Bis zum
Ende des 14. Jahrhunderts haben sie sich überlieferter
Ausdrucksformen bedient, denen gegenüber die eigene Vor-
stellung der Künstler von der Natur kaum mitsprach. Die
Maler des 12. und 13. Jahrhunderts, deren Hauptfeld die Wand-
malerei war, lehnten sich stark an byzantinische Vorbilder
an oder gaben sich mit subjektiven Linienempfindungen zu-
frieden (S. 52 ff.). Auch der darnach aus Frankreich um 1270 im-
portierte gotische Malstil bleibt der anschaulichen Natur ferne
und begnügt sich mit dekorativen Formen; das Hauptgebiet dieser
Maler war auch wieder die Wand- und Buchmalerei. Gering
und wenig bedeutend sind die Soester Arbeiten dieses Stils: Wand-
malereien an Pfeilern der Petrikirche (nach 1270); das Nequams-
buch im Stadtarchiv mit kulturgeschichtlich bemerkenswerten
Schmitz, Soest 6
Google
82
Soest
Abb. 75. Soester Meister, Christus am Kreuz. Ende des 14. Jahrh.
Patroclidom. (Bruckmann.)
Bildern aus der Soester Rechtsgeschichte, um 1350 (Abb. 5 u. 6,
S. 3), der große Zyklus der |Glasgemälde im Hauptchor der
Wiesenkirche, nach Mitte des 14. Jahrhunderts; das große Ante-
pendium aus St. Walpurgis in Berlin (Depot) ; der Untersatz
des nördlichen Altars der Wiesenkirche (um 1376?).
Erst am Ende des 14. Jahrhunderts nahm die Soester Schule
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Abb. 76. Meister Conrad, Kreuzigung.
Mittelstück des Altars in Niederwildungen. 1404.
(Inventar der Prov.)
84 Soest
Abb. 77. Soester Meister, um 1410, Kreuzigung.
Teil des Mittelstücks des Warendorfer Altars. (Münster, Museum.)
unter Meister Conrad, gleichzeitig mit der übrigen deutschen
Malerei, prinzipiell eine Wendung auf die wirkliche
Natur. Gleichwohl aber lehnte sich auch diese Richtung noch
eng an fremde Vorbilder an. Die vortreffliche Maltechnik und
die strenge Komposition sind die Erbstücke einer alten Kultur.
Die früheste Soester Arbeit dieser neuen Kunst, die vorwiegend
Tafelgemälde in Tempera auf Eichenholz geschaffen hat, der K r u -
zifixus aus St. Patroclus, läßt sogleich erkennen,
wo wir die Ursprünge zu suchen haben (Abb. 75). Der schmale,
edle Körper, die weichgezogenen Falten, der grüne Grund mit
roter Umrahmung, aber vor allem die malerische Behandlung,
der zähe Farbenauftrag auf Kreidegrund, das gelbliche Fleisch,
mit verschmolzenen grünlichen Schatten: zeigen die engste Ver-
wandtschaft mit den Triumphkreuzen der toskanischen (Florentiner,
vor allem Sienesischen) Maler des 14. Jahrhunderts (Trecento).
Bei diesen findet man nun eine ganze Reihe der Kompositionen
des Meisters Conrad und seiner Werkstatt Zug für Zug wieder:
15. Die Malerei des 15. Jahrhunderts 85
Abb. 78. Soester Meister, um 1410, Kreuzigung. St. Pauli, Ausschnitt.
die Abnahme vom Kreuz, die Grablegung und Beweinung Christi,
die Kreuztragung und die Darbringung im Tempel (Abb. 8o).
Dort sind auch die großen Kreuzigungsszenen ausgebildet,
die für die Soester Schule typisch sind. Sie bilden immer das
Mittelstück der Haupttafel , so auf dem Altar in Nieder-
wildungen von 1404 (Abb. 76), der uns den Namen Meister
Conrads überliefert, den drei Altären zu Darup, Warendorf
(Abb. 77) und dem neuaufgedeckten zu Isselhorst, alle
drei um 14 10 — 20 von einem Schüler Conrads gemalt; auf der
Tafel in der Dortmunder Marienkirche, auf dem
Altar von St. P a u 1 i in Soest um 1410 (Abb. 78) und dem
Jakobialtar der Wiesenkirche im südlichen Chor,
um 1420. Die Beziehungen des Kölner Zeitgenossen unseres Con-
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86
Soest
rad, des Hermann Wynrich Ton Köln
(t 14x41 sogen. ».Meister Wilhelm") zur
Kunst Giottos sind seit langem nie-
mandem sweifelhalt IhroraS hat im
Zusammenhang gezeigt: daß Aber Bur-
gund infolge der engen Bezidiungen zu
Italien die direkte Verbindung der Köl-
nischen Malerei mit der italienischen
des Trecento angeknüpft worden ist.
Von hurgundisdien Malereien, sagen wir,
hat auch die Soester Malerei diese ita-
lienischen Elemente empfangen ;
wenn wir nicht annehmen wollen: daß
diese Soester Meister des 15. Jahrhunderts,
wie ihre Vorgänger des 12. und 13. Jahr-
hunderts (S. 54) selbst über die Alpen
gewandert sind. In den wenigen, uns
bekannten Tafelmalereien und Miniaturen
Burgunds, wie in dem Altar des Broe-
deream in Dijon (1392), findet sich die
engste Verwandtschaft mit Meister Con-
rad. Die politischen und Handelsver-
bindungen zwischen Soest und dem
Niederrhein und Burgund waren im An-
fang des 15. Jahrhunderts sehr innig; in
dem Bündnis der Stadt mit den Herzögen
von Cleve, den Anverwandten der hur-
gundischen Herzöge, von 1398 und 1441
,0 r* j «r'i i A j 1 Abb. 79. Conrad roa S<MBt
(S. 15), finden sie signifikanten Ausdruck, j^f^^ m. otnuo.
In Toskana ist der neue Stil durch Cima- «us st. Waipurgis in Soest
bue und Giotto in Florenz und durch (geht in« Münster).
Duccio inSiena aus der byzantinischen Kunst entwickelt worden^).
Der eigentümliche rote Kuppelbau auf freistehenden Säulen, der in
1) Die Verwondtsdioft der nordwesidetttedien Malerei erstreckt sidi aber
nidit blofi auf diese frülien Meister; o«di spötere Treeeniomaler, %, B. Taddeo
Gaddi, SpineUo Aretino, Gentile da Fabriano, sind heronsuzichcn; auch die ober-
italienisdien vcroncsisdien Meister Zcvio, Altidiiero, Pisanello haben auffallende
Ahnlidikeiten mit Meister Wiliicim von Köln und nodi mehr mit unserem Conrod
von Soest!
15. Die Malerei des 15. Jahrhunderts 87
Abb. 80. Westfälischer Meister, 1421. Anbetung der Könige.
Darbringung im Tempel. Ausschnitt. Pfarrkirche zu Fröndenberg a. d. Ruhr.
(Phot. Bruckmann.)
der Soester Schule typisch ist (Abb. 8o), ist ein Requisit der byzan-
tinischen Trecentomaler und der italienischen Malerei, die ,, idealen"
Gesichter und die großzügigen flüssigen Falten, die doch nicht
der Soester Umgebung entnommen sein können, sind italienische
Umformungen byzantinischer geheiligter Typen, wie dies Goethe
bei ,, Meister Wilhelm" übrigens schon erkannte. Darum sind
die Kennzeichen dieser ersten Periode deutscher Malerei des 15. Jahr-
hunderts, die ihre frühesten Blüten in dem Kölner Clarenaltar
,, Meister Wilhelms" und dem Wildunger Altar Conrads, ihre
spätesten im Dombild Stephan Lochners hervorgebracht hat:
die Kennzeichen dieses ,, idealen", ,, germanischen" Stils, wie
ihn die Boisser^e, Schlegel, Waagen und Schnaase nannten, sind
eine von der nachfolgenden deutschen Malerei nicht wieder er-
reichte Größe der Form, Geschlossenheit der Komposition
lind Einheit der farbigen Wirkung. Die Farben sind fast ohne
Schatten in großen bunten Flächen nebeneinandergestellt. Die
Darstellung hebt sich über alle Wirklichkeit hinaus.
Und doch kommt uns ein ganz neues Naturempfinden
Soest
entgegen ; in der Farbenstim-
mung sowohl wie in einzelnen
Zügen verspüren wir sogar die
Einwirkung der örtlichen Um-
gebung; so daß wir hier erst,
im Gegensatz zum allgemein
verbreiteten Stil der mittelalter-
lichen Malerei, von einer eigen-
tümlichen Soester Schule
sprechen können. Sie ist im
Gegensatz zur Kölner Schule
von Anfang an weltlicher ge-
sinnt. Sie kennt fast nicht die
hieratische Feierlichkeit der in
statuarischer Ruhe nebenein-
ander gereihten Figuren , wie
sie die Kölner Schule im gan-
zen 15. Jahrhundert beibehält
(Meister Wilhelm, Meister Ste-
phan, der Meister des Marien -
lebens um 1460, noch der
Meister von St. Severin um
1500) ; das ist ein Ausdruck
des streng-sakralen Geistes der Kölner Kunst und eine Folge davon,
daß hier die neue Kunst unmittelbarer als in Soest aus der vorauf-
gehenden gotischen Wandmalerei herauswächst, wie der Clarenaltar
zeigt. Dessen Teilung in schmale Felder und architektonische
Gliederung mit gotischen Streben und Wimbergen unterscheidet sich
lebhaft von den gleichzeitigen großen Soester Altären, wo die Er-
zählung in einen breiten Rahmen zusammengefaßt, weit bildmäßiger
wirkt. Die Figuren Meister Wilhelms haben gleichförmigere, kind-
lichere Gesichter, ausgeglichene Bewegungen, mehr allgemeine
weichfließende Gewänder. Die Soester haben längere Gestalten und
geben den Gesichtern spitzere und schärfere Ovale. Sie staffieren
ihre Szenen mit Beiwerk reicher aus. Neben den italienisch-
byzantinischen Kuppelbauten erscheinen gelbgestrichene Stall-
gebäude mit Strohdächern und bretterbeschlagenen Giebeln
(Abb. 81). Ihre landschaftlichen Hintergründe, deren Grund-
elemente der toskanischen Malerei entstammen, sind reich an Blumen,
Abb. 81. Soester Meister, um 1420.
Anbetung der Könige. Wicsenkirche.
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15. Die Malerei des 15. Jahrhunderts 89
Abb. 82. Soester Meister, Tod Mariä. Blankenberchaltar aus St. Walpurgis
in Soest (1422—43). Münster. (Inventar der Prov.)
Rasenstücken und Gebüsch. Joseph, als Hausvater im Bauern-
rock, kocht die Suppe oder packt die Geschenke der heiHgen drei
Könige in die Truhe. Diese kommen als Kaufleute nach flandrischer
Mode gekleidet, in Dusing und Tappert, mit reichbestickten
Federbaretts, in kurzen, knappen Röcken und Schnabelschuhen
Sie tragen Mäntel von Brokat und Damast mit gold- und silber-
gepreßten Greifen -und Drachenmustern, die Säume mit weißem
Pelz, mit Zacken und Zaddeln besetzt, übergeworfen perlen-
besetzte Kragen, umgehängt metallene Ketten, Kugel- und Schellen-
gürtel — den Jungherzog Johann von Cleve, der am Hofe seines
Oheims Philipp von Burgund ritterlich erzogen war, nannten
L^iyi i^uo Ly Google
90
Soest
die Soester wegen dieser Tracht
den Junker van den bellen^). Diese
Kaufleute drängen sich als Pharisäer
und jüdische Vornehme unter dem
Kreuz Christi, neben ihnen sieht
man Bauern und geharnischte
Knechte auf roten und grauen
Pferden (Abb. 84). Das fröhliche
bäurische irdische Gemüt dieser
Soester befriedigt sich aber erst
völlig in den Farben. Rot ge-
strichen ist der breite Holzrahmen,
mit bunten Mustern besetzt, rote
und grüne Leisten trennen die
Szenen ab, rote oder blaugefärbte
Architekturen spannen sich darüber,
hell und ungebrochen stehen die roten, blauen und grünen
Gewänder vor dem lehmbraunen Erdreich und dem warmen
Goldgrund. Den koloristischen Höhepunkt bildet immer wieder
die Frauengruppe: die blendendweißen Kopftücher, das rot- oder
strohblonde Haar, die blasse weiße Haut tauchen kühl aus dem
leuchtenden Meer bunter Gewänder (Abb. 83). Ein heller, warmer,
gelblich brauner, manchmal ins Grüne spielender Ton liegt über
den Soester Bildern, eine Sommerstimmung, wie über dem gelben
Korn, den buntgetünchten rotgedeckten Häusern und Höfen,
den grünen Mauern der Kirchen. Dazwischen schimmert das
aufgelegte oder in Stuck eingepreßte Metall an den Gewändern,
Gürteln, Pferdegeschirren und Waffen, wie draußen das Sonnen-
licht auf dem Bleidach und den Goldkugeln des Patrocliturmes,
auf den Sensen der Mäher, auf den Geschirren und Messingblechen
der Pferde, die die blinkende Pflugschar durch den braunen Acker
ziehen. In den sonnigen Hallenkirchen der Wiesenkirche und
Paulikirche sind die Bilder an ihrem Platz, viele, die jetzt in Museen
sind, kamen während der Ausstellung im August 1907 in der hellen
Minoritenkirche vorübergehend zu ihrer alten fröhlichen Farben-
wirkung.
1) Solche Kostüme zeigt auch die wahrscheinlich burgundische Kaselstickerei
im Domschatz, die Herzog Johann 1446 dem Kapitel gesdienkt hat. — Die Stoffe
selbst wurden ober nicht in Burgund, sondern in Italien gewebt, wie auch diese
Sammtkasel (Abb. 16).
Abb. 83. Seester Meister, um 1410.
Ausschnitt aus der Kreuzigung
in Darup.
. . y Google
16. Die Malerei des 15. Jahrhunderts. Zweite Periode 91
Abb. 84. Westfälischer Meister, Soester Schule (um 1430-40).
Kreuzabnahme Christi. Aus Langenhorst, jetzt in Münster (Ausschnitt).
16. Die Malerei des 15. Jahrhunderts.
Zweite Periode ca. 1440-1500.
In den dreißiger und vierziger Jahren des 15. Jahrhunderts
weicht der strenge, aus der italienischen Trecentokunst entwickelte
Stil der deutschen Malerei allenthalben der sogenannten rea-
listischen Richtung. In Niederdeutschland geschieht dies
unter dem Einfluß der flandrischen Malerei, die mit den Brüdern
von Limburg und endlich den van Eycks in den zwanziger Jahren
des Jahrhunderts bereits die neue Bahn eingeschlagen hatte. Die
letzten Schöpfungen der Schule Meister Conrads: der Blanken-
berchaltar aus St. Walpurgisstift, jetzt in Münster (Abb. 82; 1422 bis
1443) und die Altartafeln in Freckenhorst (um 1430) zeigen, trotz
92
Soest
der vorgeschrittenen Raumgestaltung, eine
Verweichlichung der großen Formen Meister
Conrads; die Farben sind ins Süßliche ent-
artet. Aus sich selbst heraus hatte jeden-
falls die Soester Schule nicht die Kraft, neue
Wege zu finden. Gleichwohl besteht zwischen
der alten und der neu aufkommenden Rich-
tung die engste Verbindung. Eine Gruppe
von Bildern, die um die Mitte des 15. Jahr-
hunderts entstanden, von Nordhoff als Früh-
werke des von 1446 bis 149 1 in Münster er-
scheinenden Johann von Körbecke')
angesehen werden, offenbaren diesen Zu-
sammenhang deutlich: zwei Altartafebi aus
Langenhorst und zwei Tafeln aus
KlosterMarienfeld. Sämtlich jetzt
in Münster. Kreuzabnahme (Abb. 84), Be-
weinung Christi, Kreuztragung sind der
Conradschule entnommen, die sie aus dem
italienisch-byzantinischen Bilderschatz hatte.
Von dieser frühen Soester Schule stammen
Abb. 95. AttHchaitt am
dem Altar aus Lang«i-
horst (vgl. Abb. 84).
auch die kindlichen, zartovalen Gesichter, der milde Ausdruck,
die stillen, ja großen Gebärden, der Goldgrund und das relativ
noch spärliche Beiwerk: also die Grundzüge (Abb. 85). Das Neue
und Niederländische sind: die gebrochenen Falten, die kräftige
Modellierung und tiefe Färbung, die scharfe Bildung von Händen
und Füßen, die blauen Hügelfernen, endlich viele Züge des
Kostüms ; die Hörnerhaube einer Frau imd der große Pelzhut eines
Mannes sind beispielsweise direkt aus Bildern der Eyckschen
Schule genommen. Aus dieser Gruppe des Langenhorster Meisters
geht der Schöppinger Meister (um 1450 — 70) hervor*). Er
gehört zu der Gruppe deutscher Meister nach der Mitte des 15. Jahr-
hunderts, wie Wilhelm Pleydenwurff in Nürnberg, Multscher in
1) Kdrbeeke liagt swei Stuiid«ii Bfidlidi von So«s^ auf der Boar.
2) Seine Werke: Tafel mit fünf Heiligen aus Nordwalde in Münster. — Drei-
teiliger Altar aus der Wiesenkirdie im Berliner Museum, — Dreiteiliger Altar in
der Sdiöppinqcr Pfarrkirdie. — Dreiteiliger Altar aus Haldern im Kölner Dom. —
Kreuztragung Cliristi auf der Ausstellung des Burlington fine Art Club 1906 (H. R.
Hughes, of Kinmel Nr. 8) erwähnt Ton Friedlönder Repert f. Kw. 1906 (S. 58^
y i.i^L^^ L-y Google
16, Die Malerei des 15. Jahrhunderts. Zweite Periode 93
94
Soest
Ulm, der Meister des
Marienlebens in Köln,
die die Errungen-
schaften der nieder-
ländischen Meister
sich völlig zu eigen
gemacht haben, aber
doch das provinzielle
Element am stärk-
sten ausprägen. Er
wurzelt tief in der
Soester Schule, sein
frühes Hauptwerk,
der große Altar im
Berliner Museum,
stammt aus der
Wiesenkirche (Abb.
86,87). Seine Mittel-
stellung zeigt sich
darin, daß er einen
Teil seiner Komposi-
tionen, wie die Frauen
am Grabe, die Dar-
bringung im Tempel,
die Kreuzigung Petri
während er andere
i
9 ^
Abb. 87. Schöppinger Meister, um 1460 —70.
Anbetung der Könige. Ausschnitt aus dem Altar
der Wiesenkirche. (Berlin.)
, der Schule Meister Conrads entnimmt,
Szenen, wie die Verkündigung Mariae
auf dem Schöppinger und die Geburt des Kindes auf dem
Soester Altar (in Berlin), dem Meister von F16malle entlehnt.
Die Anlage seiner Bilder: auf der Mitteltafel die breitgezogene
Kreuzigung, auf den Flügeln einzelne Szenen durch rote Streifen
abgeteilt, das Ganze eingefaßt in breite bunte Rahmen, ist ganz
in der frühen Soester Art. Die Gesichtstypen der Frühwerke (Altar
aus Nordwalde um 1460, Altäre aus der Wiesenkirche und aus
Haldern) stehen in unmittelbarer Verbindung mit Meister Conrad.
Das Neue liegt in dem Reichtum an individuellen Gesichtstypen,
besonders auf dem späten Hauptwerk, dem Schöppinger Altar
(Abb. 7, S. 5 u. Abb. 17, S. 17), in der eingehenden knittrigen Ge-
wandbehandlung, in der Überwindung des Flächigen, das die Schule
Conrads hatte, obgleich die Kenntnis der Perspektive doch noch sehr
Digitizei.
16. Die Malerei des 15. Jahrhunderts. Zweite Periode 95
gering ist. Im Mittelgrund sind braune bewaklele Hügel, nach hinten
ziehende Wege, in der Feme grfine Bergzflge und Städte. Das Ver«
hAltnis zur heimischen Umgebung hat sich im Vergleich
zu Conrad bewußt ausgebildet Die groBe Auffassung der heiligen
Vorginge geht verloren. Die Komposition des Hauptereignisses,
der Kreuzigung (Abb. 17 u. 86), verliert die Geschlossenheit und Kon-
zentratton. Die voraufgehenden und nachfolgenden Vorfälle der
Leidensgeschichte werden mit in diese Darstellung gezogen. Bis
an den oberen Rand hinauf zidit das Gewimmel: das Leben seiner
Zeit, die Erscheimmg und Empfindung seiner Soester Heimats-
leute bewegt diesen Meister mehr als alles änderet So waren die
Hinrichtungen auf dem Nasensteine. über dem Tor von Jerusalem
hängt der Rdchssdiild mit dem Adler. Christus und die Schächer
kommen heraus über die Brücke, gezerrt, getreten und bespieen
von den Knechten. Volk und Kinder hinterdrein. Hunde laufen
dazwischen, im Stadtgraben tummeln sich Enten. Bürger und
Bauern stehen gedrängt um die Kreuze. Sie wollen ein Schauspiel
sehen, zwischendurch besprechen sie ihre Geschäfte. Vorne am
Boden wälzen sich Landsknechte, breite fuchsige Westfalen -
Schädel hauen und stechen sich um den Rock Christi: als wäre
die Märe Wahrheit geworden, daß der Heiland von Westfalen
gekreuzigt worden (Aldenhoven). Pontius Pilatus und die rö-
mischen Legionssoldaten waren Westfalen: dieser alte Glaube
wird allen Ernstes in einer 1793 zu Solingen gedruckten Schrift
bewiesen.^) Auch in der Vision der letzten Schlacht am Hellweg
(S. 33) wird von Kriegern gesprochen mit Helmen,* wie sie zur
Zeit Christi getragen wurden. Der Schöppinger Meister ist ein
Künstler zweiten Ranges» mit den genannten Zeitgenossen in Köln,
Nürnberg und Ulm gar nicht zu vergleichen; aber seine Werke
geben uns den lebendigsten Eindruck der künstlerischen und
bürgerlichen Kultur in Soest und Westfalen nach der Mitte des
15. Jahrhunderts. In seinen Bildern konzentrieren sich alle Eigen*
schalten der eingeborenen SoesterSchule, ihre Stärken und Schwächen :
der blonde, sonnige, gelblichbraune Gesamtton, helle Buntscheckig-
keit der Einzelfarben, starker Gold- und Silberglanz, archa&ches
Haften an überlieferten Kompositionen, Behagen an der Schil-
derung des Ueinbflrgerlichen Lebens bis ins einzelne hinein, endlich
1) Mittelstedt , Westfälisdie Altertümer oder Beweis, daß diejenigen so
Chrittum gäkreuiiget WettfiUinger gewesen.
16. Die Malerei des 15. Jahrhunderts. Zweite Periode 97
Abb. 89. Die hl. Sippe. Mittelstück des Altars der Wiesenkirche von 1473.
(Bruckmann.)
Überfüllung der Bildtafeln bis zum oberen Rahmen. Die Darstellung
ist episch und breit, wie in den Soester Chroniken und Dichtungen,
aber ohne Vertiefung, der Ausdruck ist nur kräftig, wenn es sich
um rohe Vorgänge handelt, Fratzenschneiden und Zähnefletschen
gelingt am besten ; wo feinere Empfindungen wiedergegeben werden
müssen, wie bei den klagenden Frauen, schlägt die Darstellung
Schmitz, Soest 7
. . y Google
98
Soest
ins Süßliche oder Weinerliche um. Ähnliche Erscheinungen bietet
ja die westfälische Dichtung des 19. Jahrhunderts (S. 31). Das
ist so recht Westfalenart: Sie fechte gut, sie trinken gut — und
wenn sie die Hand dir reichen — zum Freundschaftsbündnis»
dann weinen sie; — sind sentimentale Eichen (Heine).
Aus der Soester Schule geht auch der Meister des Li es-
borner Altars von 1465 hervor, der den Höhepunkt der
westfälischen Malerei der zweiten HiUfte des 15. Jahrhunderts
bildet Von einem Schüler des Meisters stammt die prachtvolle
grofie Kreuzigung in der Hohnekirche, um 1480
(Abb. 8S), von derselben Hand sind die Kreuzigungen aus Lippborg
in Münster und der Altar in Sünninghausen (von Koch unter dem
Namen „Meister der Lippborger Passion" zusammen-
gefaßt). Werke des ausgesprochenen Realismus aus Soest sind
noch die Kreuzigung im Krankenhaus, der Flügelaltar mit dem
Martyrium der xo 000 Märtyrer von 1489 und zwei kleine Tafeln
mit Aposteln und Stiftern aus dem Walpurgisstift, jetzt
in Münster. Das Äußerste bietet der Flügelaltar von 1473 im
nördlichen Chor der Wiesenkirche; in der Mitte ist die
heilige Sippe in einer Kirche (Abb. 89). Die Szenen der Flügel-
rückseiten: Messe Gregors und Beweinung Christi sind dem Meister
von F16malle entlehnt. Von ihm hat der Künstler auch die sichere
Perspektive und die klare Lichtführung gelernt. Die Formen-
behandlung ist so präzise, die Farbengebung so kühl, daß es zweifel-
haft scheint, ob der Urheber ein Soester ist. Im letzten Drittel
des 15. Jahrhunderts geht die Soester Malerei bereits zurück, die
finanzielle und soziale Lage versch echtert sich nach der Fehde
(1449) zusehends. Daneben verschloß die Konkurrenz der Münster-
schen Schule das Hauptabsatzgebiet der Soester Tafelbilder, das
östliche und südliche Münsterland. In den letzten Jahren des 15. Jahr-
hunderts und im 16. Jahrhundert ist von einer geschlossenen
Soester Schule" keine Rede mehr. Offenbar geht die Qualität
der westfälischen Malerei gegen Ende des 15. Jahrhunderts all-
gemein zurück. Die Brüder Dünwege (1500 — 1530) sind
kaum als Endpunkte der westfälischen Malerei aufzufassen.
Ihr Schwerpunkt liegt, wie Kisbach gezeigt hat, am Niederrhein,
trotzdem ihr Hauptwerk, der Altar der Propsteikirche in Dort-
mund von 2521, mit dem Altar der Soester Hohnekirche (um X4B0)
viele Berührungspunkte hat (Abb. 90). Mit dem Ref ormationsjahre
16. Die Malerei des 15. Jahrhunderts. Zweite Periode 99
Digitizei
100
1530 Ilört in Soest die
Bestellung von Altar-
bildern auf^). Das
einzige bemerkens-
werte Renaissance-
werk der Soester Ma-
lerei, der früher fälsch-
lich Aldegrever be-
nannte Flügelaltar
der Wiesenkirche,
mit drei geschnitzten
Figuren im Mittel-
stück, ist um 1525,
nach Nordhoff von
Gert van Lon aus
Gesecke bei Lippstadt
gemalt") (Abb. 91). Da-
1) Vereinzelt steht die
von NordhofF mitgeteilte
Tatsache: daß nodi Ende
des 16. Jahrh. die Protes-
tanten bei Mathias Knypping
religiöse Kanzel- und Altar-
gemäldc bestellten (Reste
von 1593 und 1605 sollen er-
halten sein).
2) Gert von Lon (Lohne
zwisdien Gesecke und Soest)
malte urkundlidi in den
Jahren 1505-21 für das Klo-
ster Willebadcssen einen
Altar, der jetzt im Museum
in Münster ist. Von derselben Hand ist das Triptydion mit der Kreuzigung in
der Pfarrkirdic Hörste bei Lippstadt, das Triptydion mit dem Jüngsten Geridit im
Dom zu Paderborn und ein Triptydion ous Corvey in Münster. Der Soester Altar aber
zeigt, ebenso wie die ihm engverwandten Außenseiten der Flügel des Altars aus
Amelsbüren in Münster und des Altars in Lünen, eine so sehr von den obigen Werken
abweidiende Formbchandlung, daß man einen anderen Meister als Urheber an-
nehmen muß. Dieser kann aus Gerts Werkstatt hervorgegangen sein, er unter-
scheidet sidt von diesem ganz gotisdi empfindenden Meister aber durdi die volle
renaissancehaRc Formgebung und weidie Farbenbehandlung. Er verholt sidi zu
ihm, wie der Meister von Kappenberg zu den Dünweges.
Der Franziskaner zu Korbadi in Waldeck, der den Altar der dortigen Nikolai-
Abb. 91. Anbetung der Könige. Altar der
Wiesenkirche, um 1525 (rechter Flügel).
Digitized by Google
16. Die Malerei des 15. Jahrhunderts. Zweite Periode 101
mals bestellten die Familien Klepping und Sudermann den großen
Flügelaltar im südlichen Chor der Petrikirche in einer Ant-
werpener Werkstatt. Zahlreiche Altarwerke in der Nähe von Soest
aus den zwanziger Jahren des i6. Jahrhunderts sind aus den Nieder-
landen bezogen (Rhynern» Schwerte, Cappenberg, Verne, Sassen-
berg^. Die einheimischen Meister konnten die Anforderungen
des veränderten Geschmacks nicht mehr zufrieden stellen. Zum
Bau des Osthoventores ließ die Stadt im Jahre 1523 einen
Meister aus Hessen kommen (Abb. 4). Die OrOBt der Soester
Kunst, deren Kraft und (veschlossenheit darin beruhte, daß sie
im Volkstum wurzelte, war, wie die Blüte der Stadt, im Anfang
des z6. Jahrhunderts vorbei.
kirche von 1518 und den Altar der KilianskirAe mit Graf Philipp III. und Anna
von Cleve von 1527 malte, soll nach Nordhoff an die letzte Soester Sditde, speziell
on Gert von Lon, anknüpfen.
102
Soest
Abb. 92. H. Aldegrerer, Ornomeittetich. 1537.
17. Heinridi Aldegreven
Ganz yereinzelt erhob sich damals in Soest die Erscheinung
Aldegrevers. . Geboren war er 1502 in Paderborn und kam, nach-
dem er seine Lehrzeit in Nürnberg verbracht, vor dem Jahre 1530,
vielleicht schon 1528, nach Soest, wo er bis an seinen Tod (zwischen
1555 und 1561) gelebt hat. Hier trat er als Eideshelfer der Patrocli-
brüderschaft unter die Führer der Reformation (S. 22). In Pader-
born ist sein Vater, der alte und lahme Hermann Trippenmeker,
als der Bischof sechszehn protestantische Bürger auf den Markt
zur Hinrichtung führen ließ (Oktober 1532), vorgetreten und hat
gerufen: Man solle ihn auch hinrichten, er wäre so schuldig wie
jene'). Die Verhältnisse in Soest entsprachen dem freimütigen
Künstler mehr, hier fand er für seine satyrischen Blätter auf die
Mönchsgeistlichkeit Abnehmer. Er befreundete sich mit dem
Richter Johann von Holte, der eine entlaufene Nonne liebte:
De em so ser am herten lag
Dat se beide up einen lichten dag
Vor Hinrich Trippenmecker dem mester grot
Stonden utgetogoi nakent unt blot
Dat he se solde conterfeten
Wu se beide van live leten (Dialogon)
1) Der Yoter wird zuerst erwähnt 1491 in einem Sdiuldbrief des Ostenhof-
Spitals in Paderborn 1 1532 wird er als Anhänger der Refbrmöiion in Geldstro^B
genomment 1545 sind die Ehern (die Mutter Gaibarina) bereits gestorben; die .
Stadt Soest verwendet sidi für ihren „ingesettenen Bürger" Heinridi Aldegrever
und bittet die Stadt Paderborn, ihm die kleine Erbsdiaft auszuhändigen. Trippen-
meker gleidi Holzsdiuhmacher. Der Name des Künstlers heißt audi Aide Grave,
daher das Monogramm (nadi Dürers Vorbild): G. in A.
d by Google
17. Heinrich. Äldegrever
103
Zu dem Landesherrn Wilhelm von Jülich
und Cleve trat er in Beziehungen, er stach
dessen Bildnis im Jahre 1540 (Abb. 23,
S. 24) und schnitt für ihn um 1541 ein
großes Staatssiegel; 1552, am 28. Juni,
schrieb er an den herzoglichen Supplikatien-
meister w^;en der Bezahlung für zwei in
Silber geschnittene Siegel wid kündigt die
Fertigstelhmg eines Ringes an; im Schreiben
▼om 2. Juli gibt der Herzog Anweisung,
das Geld zu zahlen. Die Frage ist un-
gelöst: wie weit Aldegrerer als Gold-
schmied tätig war, was er von den
Löffeln, Doichscfaeiden, Schnallen und
Jagdpfeifen, die er als Vorlagen ffir Gold-
schmiede gestochen hat, und von den Ge-
fäßen und Geräten, die in seinen sonstigen
Darstellungen vorkommen, selbst in Metall
gearbeitet hat'). Ebenso lückenhaft
Abb. 93. H. Aldegrmrer, 1) Der in den Bfirgerbfidiem endieinende Hin-
Vorlage zu einer Dolch- rik de goldsmtt ist nadi Jostes der Goldsdimied Hinrik
scheide. 1532 (Ausschnitt). Dreigger, der im Jahre 1529 verhaftet wurde, weil er
auf den Rat und die Mutter Gottes yechimpfl hatte. Er
wird im Daniel höufig genannt, einmal zusammen mitÄldegrever („Hinnk de meler").
Geisberg (die Mfinelersdi. Wiedeftftufer und Äldegrever, 1907) bat gezeigt : doft die
Insignien, die oof dem Stidi Aldegreven König Jobann (1536») «rAgt» nldit die wirk^
lidien sind, sondern Phantasiesdiöpfungen Aldegrevers; dadttfdl verliert die Ver-
mutung : Äldegrever habe für den König den Silbersdiatz gearbeitet, ilire Grundlage.
Audi von den Taufermedaillons und Münzen geht, nadi G., nidits auf Äldegrever zu-
rück« Die Reliefs nadi den Hodizeitstönzem (Louvre u. London) sind sdion lange
ote Kopien von fremder Hond erkonnt. Brinkmann sAUt eine Reibe von Goldsdimiede-
werken auf, die Ornamente des Meltters kopieren, aber sonst keine Besiebung sn
ihm haben. Jagdsdiwcrt in Kassel (1550—60), Prunksdiwert Heinr. d. Frommen in
Dresden (1538—41), Sdiwert Albredits von Preußen 1540 — 41 von Tobst Freudener
in Ulm, Berlin Krontresor, einige Bünde der Silbcrbibliothck Herzog Albredits
▼.Pr. AU walirfldieinl. eigenbändiges Werk nennt er: ein bronzenes Petsdiaft von
1^ im British Museum. Aufier dem Kreusfiift von Eisenboit im Domsdiots sind
nur unbedeutende Goldsdimiedearbcitcn der Renaissance in Soest erhalten. Der
städtisdie Silbersdiatz isl 1616 heim Einzug der Spanier eingesdimolzen worden,
um die Kontribution zu bezahlen, zu diesem Zweck lieh sidi die Stadt sogar die
Keldie aus den Kirdien. Nadi einem Inventar von 1728 hatte der Sdiatz nodi
21 Stfieke, beute ist nur dae silberne Zepter ron 1707 erbcüten. Bedeutend war
die beimisdie Goldsdimiedekunst im Anfang des 16. Jabrb, kottm. wie bfitte sonst
^ i^uo Ly Google
104
Soest
sind unsere Kenntnisse über seine Tätigkeit als Maler. Nur
drei Gemälde werden ihm gegenwärtig noch und zwar mit geringer
Wahrscheinlichkeit zugeschrieben: Christus im Grabe mit Mono-
gramm und 1529, auf Lindenholz, im Rudolfinum zu Prag;
Bildnis des Grafen Philipp von Waldeck (f 1539) mit Monogramm
und 1535, auf Eichenholz, im Besitz des Grafen zu W a 1 d e c k
(Abb. 94). Seit dem Jahre i868 verschollen, wurde es im Jahre 1900
in einer Wirtschaft in Berlin wieder aufgefunden und durch Pro-
fessor Weinitz, bekannt gemacht; es hat den meisten Anspruch,
authentisch zu sein^>. Das dritte ist das Brustbild eines jungen
Maimes» en face, vor einer Flußlandschaft, mit 1540 und Mono-
gramm, auf Lindenholz, in der Liechtensteingalerie in Wien^>.
Sein Hauptfeld war der Kupferstich. Die 290, zum großen
Teil datierten Blätter, neben den Omamentstichen vor allem Dar-
stellungen aus dem alten Testament und der antiken Mythologie,
zerfallen in drei Perioden. Die Anfangsarbeiten
lehnen sich in Stil und Technik an D ü r e r an, der hL Christo-
phorus von 1527, fünf Madonnen von 1527 und Adam und Eva
(Hl. XI und Z2) sind nach Dürer kopiert. Nach y. Mander hat
Aldegrever in Dürers Werkstatt die Stecherkunst gelernt; er soll
die FlügelkU^pen zu einem Dürersdien Bilde in Nürnberg gemalt
haben und 1528, nach seiner Rückkehr, in Soest in St. Petri einen
Altar Dürers aufgestellt haben. Nach dem Nürnberger B. Beham
kopierte er den Stich Judith (1528) und nach Pencz die Folge
der vier Evangelisten noch 1539. Die Omamentstiche seiner ersten
Phase, 1527 -30, zeigen die Motive des Dürerkreises: Putten,
Füllhörner, Hermen, Vasen, Seejungfern, wenig Blattwerk, rimde
die reidivenierte Könne, die, wie beriditet wird, Soest L J. 1522 dem Hersog von
Cleve sdienkte, nach einem von Soest eingesdiickten Entwurf in Köln gearbeitet
werden müssen? Die Goldschmiede hatten in Soest, ebenso wie die Maler, keine
ZunÜ. sie waren im ..Stuhlcjuduinb". der alle die Gewerbe susammenfoßte, die
nidit in den zehn Ämtern (üildenj waren.
2) Frons Weinits, Ein versdiollenes Gemälde Ton Helnridi Aldegrever. Zeitsdir.
för bild. Kunst 190a
1) Nach Bode, Liechtensieingaleric 18%, gehört es eher der Regensburger
Schule (Fcselen) an. Der Hintergrund ist an den niederrheinischen und west-
fälischen Rcnaissanccporträts qunz anders. Das Monogramm soll allerdiiiijs gleidi-
zeitig sein. Der Bürgermeister Tcriaen von Lennep 1553 in Berlin hat nach B. ein
gefälschtes Monogramm und ist ein später B. Bruin« Die übrigen Aldegrever su-
gesehriebenen Bilder in Brounsehweig, Hannover, Aachen, Mfinster, Petersburg,
Darmstadt, Basel scheiden heute endgültig ous.
y i.i^L^^ L-y Google
17. Heinrich Aldegrever
105
Abb. 94. Philipp III. Graf zu Waldeck (geb. 1486, gest. 1539).
Von Heinrich Aldegrever. Im Besitze Sr. Durchlaucht des Grafen Friedrich
zu Waldeck und Pyrmont. (Phot. F. A. Schwortz, Berlin.)
Üppige Formen (Abb. 95). Nichts, nur die Rasse, hat dem Künstler
die Heimat übermittelt. Über Nürnberg hat er auch die Renaissance
empfangen.
106
Soest
Abb. 95. H. Aldegrever, Ornamentstich. 1528.
Im Anfang der dreißiger Jahre entwickelt Aldegrever seinen
eigenen Stil. Die Josephslegende (1528—32) zeigt in den
gedrungenen Figuren und knittrigen Gewändern noch den Ein-
fluß der Nürnberger. Dann entfaltet sich aber sehr schnell schon
in der Planetenfolge von 1533, vollendet in den Wiedertäufer-
porträts von 1536, in den kleinen Hochzeitstänzern von 1538, den
großen von 1539 (Abb. 26, 27, S. 27), endlich in der Geschichte
von Ammon und Thamar von 1540 der starke eigene Charakter
des Meisters (Abb. 24, S. 26). Er bildet jetzt lange, schwere Gestalten
mit kleinen Köpfen. Die Umrisse sind voller Schwung, Licht und
Schatten wird in großen Massen zusammengeschlossen. Die Be-
wegung ist charaktervoll, bleibt aber immer etwas steif. In dieser
Zeit entstehen die wundervollen Porträts: das Selbstbildnis
von 1530 (Abb. 22, S. 22), achtundzwanzigjährig; das von 1537,
fünfunddreißigjährig (Abb. 96); die Wiedertäufer Johann von
Leiden und Knipperdolling von 1536, Albert von der Helle 1538,
Herzog Wilhelm von Jülich 1540, Luther und Melanchthon 1540.
Auf den Ornamentstichen findet sich jetzt das dem Meister eigen-
tümliche Rankenwerk, das als ,,A Idegreverorna-
m e n t** bekannt geworden ist: breite Blätter an dünnen Stielen
(Abb. 92). Keine ornamentale Schöpfung der deutschen Früh-
renaissance hat eine ähnliche Verbreitung gefunden. An den
Bauten Niclas Hofmanns in Halle, an den Portalen des Tübinger
Schlosses, an schlesischen Grabdenkmälern, an zahlreichen Holz-
schnitzereien, an Kölnischen und Siegburger Steinzeugkrügen und
an süddeutschen Ofenkacheln hat A. Brinkmann diese Aldegrever-
Ornamente nachgewiesen. Die Blätter mit den Dolchscheiden
von 1536 — 39 sind Wunderwerke dieser Ornamentation.
In seiner letzten Schaffensperiode, die, nach
Digitized by Google
17. Heinrich Aldegrever
107
einem rätselhaften
Stillstand von 1541
an, im Jahre 1549 be-
ginnt, erreicht Alde-
grever in der Er-
zählungskunst seine
Meisterschaft ; das
offenbaren das Gleich-
nis vom Reichen und
die Geschichte vom
Samariter aus dem
Jahre 1554. Die Fi-
guren sind mit den
reichen Hintergründen
und den reizenden
Landschaften zu ein-
heitlichen Bildern
zusammengeschlossen.
Welch ein Fortschritt
in der Bewegung, bei
den Hochzeitstänzern
von 1551 im Vergleich
mit den früheren !
Merkwürdigerweise
aber nähert sich Alde-
grever damals wieder
der gotischen, Dürer-
schen Formgebung.
Im Jahre 1553 stach er zwei frühe Madonnen Dürers nach und
die Anbetung der Hirten aus der kleinen Passion Dürers von 151 1!
Jetzt wird die Gewandung wieder kraus und knittrig, in einem der
spätesten Werke, der Geschichte Loths von 1555, ist sie fast barock,
(vgl. auch Abb. 25, S. 26). Die Freude an phantastischen Gebilden (wie
die Tiergestalten der Tugenden und Laster von 1552, die bizarren
Teufelsfiguren in der Geschichte des Reichen) tritt gleichzeitig stark
in den Vordergrund. Am auffälligsten ist aber die Veränderung in
den Ornamentstichen (Abb. 97). Die üppige Blattranke verschwindet.
Der Aufbau wird symmetrisch; magere, krause Akanthusranken
bilden die Grundlage; Rollwerk und Maureske, die Formen der
Digitizei , v .oogle
Abb. 96. Aldegrever, Sebstbildnis. 1537.
15 Jahre alt. Kupferstich.
108
Soest
niederländischen Ornamentik
um die Mitte des i6. Jahr-
hunderts, treten hinzu ; außer-
dem Tafeln, Tücher, Masken,
Fledermäuse , alte Weiber,
Hexen*) Satyrn mit weiner-
lichen unglücklichen Fratzen ;
eine beinahe krankhafte
Phantastik drängt sich ans
Licht. An Stelle der breiten
saftigen Flächenfüllung (1330
bis 40) tritt eine magere,
dünne Verteilung. Die Licht-
wirkung ist blitzend, nervös.
Diese ornamentalen Schöp-
fungen haben auch nicht
den geringsten Einfluß auf
das Kunstgewerbe mehr ge-
habt. Die Erscheinung ist Abb. 97. H. Aldegrever, Ornamentstich.
ein Beispiel für die auch sonst 1550.
vielfach beobachtete soge-
nannte gotische Unterströmung der zweiten Hälfte des 16. Jahr-
hunderts : die Unruhe der spätgotischen Kunst war nur einige Jahr-
zehnte lang von der italienischen Renaissance zurückgedämmt wor-
den, um jetzt in der Spätrenaissance an vielen Stellen wieder vor-
zubrechen. Die starke Nervosität erscheint bei Aldegrever um so
merkwürdiger, weil er im übrigen die Ruhe und Sachlichkeit des
echten Westfalen niemals verbirgt; so haben seine Porträts, trotz
der Großartigkeit der Form, doch nicht die Wärme und den Tief-
blick Dürers. Im Charakter dieses einzelnen Künstlers sehen wir
die Widersprüche des westfälischen Empfindens, wie sie die spät-
romanische Kunst des 13. Jahrhunderts, die Vehme und die Sagen
offenbarten. Es ist wohl unwahrscheinlich, daß äußere Umstände
im alternden Künstler diese sozusagen gequälte Stimmung hervor-
gerufen haben. Damals wurde während des Interims die Re-
formation in Soest durch den Kardinal Gropper heftig verfolgt;
die Prediger wurden aus der Stadt gejagt; Aldegrever selbst kam
1) Die Hexenprozesse begannen in Soest am Ende des 16. Jahrhunderts und
nahmen hier besonders grauenhafte Formen an. .
. . y Google
17. Heinrich Aldegrever
109
mit dem Rat wegen wiedertäuferischer Anschauungen in Konflikt
und wurde gegen Bürgen freigelassen. Aldegrever war ein Mensch
von phänomenaler, technischer und künstlerischer Begabung,
hervorragend unter den deutschen „Kleinmeistern". Es fehlte ihm
freilich die Kraft und die Seele, bis aufs letzte zu dringen, darum
fiel er am Ende seines Lebens in eine schwülstige Formengebung.
Voll Bewunderung blicken wir aber auf eine Persönlichkeit, die allein
stand in einer Stadt, wo die künstlerische Kultur auf den tiefsten
Stand gesunken war; einsam, ohne eine mitstrebende Seele, mit
der sie hätte Ideen austauschen können. In der Hinsicht auf Soest
sind die Worte Sandrarts (Deutsche Akademie) richtig: daß der
hell in Westfalen leuchtende Stern nach dem Ableben Aldegrevers
zu bald verschwunden und das Land in die vorige Dunkelheit
verfallen sei.
Abb. 98. H. Aldegrever, Puttentanz. 1535.
Digitizei.
110
Soest
Abb. 99. Rathaus. Erbaut 1713-14.
SCHLUSS.
Niedergang der Stadt.
Das ist der Boden, den seit mehr
als tausend Jahren ein unvermischter
Stamm betrat. Und die Idee des unsterb-
lichen Volkes wehte mir im Rauschen
dieser Eichen und des uns umwallenden
Fruchtsegens, fast greiflich, möchte ich
sagen, entgegen. (Immermann.)
Der dreißigjährige und endlich der siebenjährige Krieg voll-
endeten den Niedergang. Nach dem Hubertusburger Frieden (1763)
hatte Soest, das im Mittelalter über 25 000 Menschen ernährte,
nur 3800 Einwohner. Der Handel hatte aufgehört; im Jahre
1621 hatte die Stadt, als Vorort der Hansa, zum letztenmal die
Beiträge von den südwestfälischen Städten eingefordert. Die Land-
wirtschaft und das kleine Handwerk wurden die einzigen Erwerbs-
quellen, die Straßen verödeten'), Kunst und Gewerbe gingen berg-
1) Die Unsaubcrkcit der Stadt war seit dem 17. Jahrh. sprichwörtlich. Vgl.
die Ratsverordnungen gegen die Sauställe und das Rachsdeichen in der Stadt,
die Mist- und Abortgruben vor den Häusern; hierdurch wurden die Pestseuchen
genährt, die die Bürgerschafl rapide verringerten. Dabei hatte diese Stadt schon
1370 Stroßenpflasterl
Digitizei. _ , .0
Niedergang der Stadt
III
ab^). Die holzgeschnitzten und bemalten Barockaltäre
in der Minoritenkirche ii66B}f in St Paul und Maria
zur Wiese, dleKanzelinS t. Petri und dieSammel-
bretter in den Kirchen sind Zeugnisse der Soester Kunst aus
dem 17. Jahrhundert Im Anfang des 18. Jahrhunderts wurde der
Turmhelm ^on St Petri (nach einem Brande von 1701;
Abb. I)» das städtische Waisenhaus (1701 — 04) und das Rat-
haus (1713» Abb. 99) gebaut Auch entstanden noch einzelne
H5fe vornehmer Familien, in Bruchstein, weißgetüncht, mit hohen
Schindeldächern, bei^ielsweise das Frommesche Haus am Stein-
graben (mit schöner Treppe innen) (Abb. X02). Ohne viel Schmuck
und Kunst geben diese Bauten, wie vor allem das Rathaus mit
der langen Bogenhalle, dem schweren Dach und dem Patroclus
am Giebel doch den Beweis: daß der einfache altsächsische Bauern-
sinn in der damaligen Bürgerschaft noch fortlebte. So hielt auch
der Rat zähe an den alten Bräuchen und Statuten fest, und erließ
nach wie vor seine Verordnungen (S. 14)^). Seit 16 14 mit Cleve-
Mark unter brandenburgischer Hoheit, hat keine preußische Stadt
so lange ihre eigene Verfassung bewahrt. Noch Friedrich Wilhelm I.
beschwor 1713: Soest solle in allen seinen Privilegien ungekränkt
bleiben und im Genüsse des „merum atque mixtum Imperium"
über die Börde.
Aber nach außen hatte Soest keinen Kredit mehr. Friedrich
der Große befahl daher 1742: die Prägung des Soester Kupfer-
geldes „solcher liederlicher, das Land überschwemmender Scheide-
münze" habe aufzuhören. Vergeblich berief sich Soest auf sein
altes Münzrecht (von 1229). Im Jahre 1750 erfolgte eine neue
Beschwerde der klevischen Regierung, weil Soest wiederum heim-
lich Geld geprägt hatte. Die halsstarrige Stadt wurde mit Geld-
strale belegt, trotzdem sie auf das „pactum ducale" verwies, das
Friedrich Wilhelm I. beschworen hatte: zwei Unteroffiziere und
sechs Mann wurden einquartiert, bis die Zahlung geleistet war.
1) 1590 »tfirite der elben erriehteie Golgen ein, mon verspottete die Stadt 1
sie liStto nidbt einmal einen Meister, der einen ordentiiehen Galgen sinunem
könnte. Die Bastion vor dem Ulricher Tor, 1583 von Johannes von Braclittni ge-
bout, war schon wührend der Arbeit baufällig und nicht zu gebrauchen.
2) Äußerlich fehlt ihnen schon die Kraft der früheren, weil seit Ende des
16. Jahrh. an Stelle des niedersächsischen Soester Dialektes die hochdeutsche
Kanzleisprache getreten ist
Digitizec v^oogle
112
Soest
Überhaupt herrsch-
te die größte Miß-
wirtschaft. Der Rat
war unter einigen
Familien erbHch
geworden (S. 21),
die alte Verfassung
war nur Schein.
Auf wiederholte Be-
schwerden der Bür-
gerschaft hin löste
Friedrich der
Große im Jahre
1752 am 23. Juni,
den Rat auf.
Er ließ ihm seine
allerhöchste Unzu-
friedenheit bekannt
machen : Wie un-
verantwortlich seit-
hero das Stadtwesen
von demselben ver-
waltet, wie schlecht
die Kämmerei ad-
ministrieret , wie
übel zum Teil die
Abb. 100. Wirtschaft und Brauerei Topp, Osthovenstr.
18. Jahrh.
Stadtrevenüen verwendet, was für unzulässige, zum Verderb der
Bürgerschaft gereichende Schmausereien gestattet, was vor Intriguen
und Passiones bey der Magistratswahl vorgangen und überhaupt, daß
es dem Magistrat an Willen, Eifer und Ernst gefehlet, der Stadt und
Bürgerschaft Wohlfahrt und Conservation zu fördern." Deshalb habe
Seine königliche Majestät nach dero bewunderungswürdigen Einsicht
in alle Sachen, einen neuen festen Magistrat eingesetzt, um die in
ihrer bisherigen Verfassung in Ansehung des jährlich wechselnden
Magistrats immer mehr und mehr abgenommene Stadt Soest vor
ihrem endlich erfolgenden gentzlichen Verfall zu retten". Die
Haupt- und Torwachten haben aufzuhören, ,, folglich die Bürger,
so sonst ihre Zeit mit diesen unnötigen Wachten unnütz und teils
liederlich hingebracht, zu Hause bleiben und statt dessen für sich
Digitizei.
.0
Nieilergong der Stadt
113
und die Ihrigoi was erwerben könnten." Die Bfirgerkompagnien
der sechs Hoven sollen die Geschäfte der Feuerwehr übernehmen,
die Kapitäne, die früheren Burrichter und Anführer der PatrocU-
schützen, sollen Sprütze und Löschgeräte inspizieren. Tüchtige
Fabrikanten sollen herbeigezogen werden, „das Commerzium,
wozu dieser Ort in Ansehung der angrenzenden Lande so wohl
gelegen, soll gehoben werden: das Korn nach dem Sauerland
und dasige Waren anhero gezogen werden". Durch die preußische
Landgerichtsverfassung von 1794 wurden fast alle Rechte der Stadt
aufgehoben^), doch blieben ihr gewisse Hoheitsrechte über die Börde.
Im Jahre 1797 verkaufte Soest den Patrocliturm, der 600 Jahre
die städtische Freiheit gewahrt hatte, an das Kapitel.
Napoleon beseitigte 1 807 die letzten Sonderrechte. Im August 1 807
wurde der rührende Abschied des Königs von Preußen in den Kirchen
verlesen, in St. Georg wurde über den Satz gepredigt: ,,Gute und
treue Untertanen trennen sich von ihrem Regenten i. mit Wehmut
und Rührung, 2. mit Dank, 3. mit Bitte, 4. mit Entschließung".
Am 8. Mai 1808 nahm Großherzog Murat von Berg zugleich mit
der Mark Soest in Besitz. Am 3. April, als die Regentschaft dem
Prinzen Ludwig Napoleon von Holland übertragen wurde, war
auf Befehl Gottesdienst, alle Glocken läuteten, in den Kirchen
mußte über den Satz gepredigt werden: „Es ist gut, alle Ver-
änderungen und Abwechslungen im menschlichen Leben mit
dem Glauben an Gottes Vorsehung zu ▼erbinden." Der Kanton
Soest wurde der Unterpräfektur Hcunm angegliedert, die Börde»
die über xooo Jahre mit der Stadt einen Gauverband gebildet hatte,
wurde losgerissen und in drei Mairien geteilt. Im Jahre 1809
wurden die Kloster Paradies und Welwer, iSxa das Stift Walpurgts
und das tausendjährige Patrodusstift aufgelöst
' Nach der Schlacht bei Leipzig ,,lebte in den Herzen aller
gutgesinnten ehemaligen preußischen Untertanen wieder die
frohe Hoffnung auf. Am 3. November 1813 rückten die ersten
Kosaken, am 10. die ersten Preußen, zwei Schwadronen vom
X. pommerschen Husarenregiment (dem späteren „Fürst Blücher
von Wahlstatf 0 in Soest ein. Am 13. November kamen zwei Ba-
taillone preußischer Landwehr, die Devise: „mit Gott für König
und Vaterland" an den Mützen. Am 28. November wurde von der
1) Allgemeines Luiidrccht für die preußischen Staaten, erlassen am 1. Juni 1794
durch Friedrich Wilhelm LL
Schmitz, Soest
8
114
Soest
Abb. 101. Diele in der Wirtschaft Topp, Osthovenstr. 18. Jahrh.
befreiten Stadt die Leipziger Schlacht gefeiert; in den Kirchen
wurde über den Satz gepredigt: ,,Wie wir mit dankbarer Rührung
und Freude die großen Wohltaten Gottes anerkennen sollen, die
er uns und unserm Vaterland durch den glorreichen Sieg Preußens
und seiner Alliierten hat zuteil werden lassen." Am ii. Dezember
Digitizei , v^ .oogle
Niedergang der Stadt
115
wurde die Soester freiwillige Landwehr ausgehoben (sie wurde in
dem i6. westfälischen Landwehrregiment, den späteren y^acke-
täuern", eingestellt). Am 21, Dezember wurden die Freiwilligen
in der Petrikirche nach Absingung von Nr. 615, Vers 2 aus dem
Soester Gesangbuch vereidigt. Am 7. April kam die Nachricht
von der Eimiahme von Paris. Herr Assessor Stute zu Pferde mit
vier blasenden PostiUons verlas sie der Soester Bürgerschaft.
Unter Glockengeläute und anhaltenden Freudenschüssen war in
der Petrikirche Dankgottesdienst unter Absingung von: ,,Nun
danket alle Gotf ' und Nr. 52z, Vers 9; daran schloß sich Parade
der Garnison im Münster St. Patrocli. Am x6. Mai 18x4 wurde
»,die Glorie oder der bekannte Siegeswagen vom Brandenburger
Tor*' auf dem Rückwege von Paris nach Berlin, in fünf Kisten
verpackt, dturch Soest gefahren, eingeholt vom Soester Landsturm
tmter Musik imd GlockengeUlute. Am 18. Juli 1814 kam Kron-
prinz Friedrich WUhekn aus dem Kriege zurück durch Soest,
dreißig weißgekleidete Jungfrauen fiberreichten ihm ein von Herrn
Referendar Stute verfaßtes Gedicht Unter Absingung von; „Heil
unserm König'* wurde ihm der Schlüssel der Stadt Soest über-
geben. Er besah den Dom und die Wiesenkirche, damals faßte
er den Plan, die Türme aufzubauen. Der erste Jahrestag von
Leipzig wurde von der wiederum preußischen Stadt mit Freuden -
feuern und Böllerschüssen gefeiert. Die Seminaristen sangen
vom Petriturm: ,,Nun danket alle Gott."
Soest verlor seine letzte Bedeutung, während Städte der Nach-
barschaft, von denen zum großen Teil niemand den Namen kannte,
als Soest schon nach Schweden und Rußland Handel trieb: Hamm,
Dortmund, Bochum, Essen, Hagen, Elberfeld, Remscheid durch
die herrliche Entfaltung ihrer Industrie in der Welt berühmt ge-
worden sind. Neuerdings werden auch in der Börde Kohlenfunde
gemacht, an ihrem westlichen Rande sind die Schornsteine im
Vorrücken begriffen.
Aber ob die Industrie oder der Ackerbau vorwaltet: durch
alle Veränderungen hindurch besteht der Charakter des west-
fälischen Stammes, der uns in der Blütezeit der Stadt und in
ihren Kunstäußerungen von Anfang bis zu Ende vor Augen trat,
ungebrochen welter. Mögen die Gedanken hier zufällig andere, die
Interessen kleiner geworden sein: im Grunde sind es dieselben
Mensdien. Dieselben Menschen, die Künstler zu den Ihrigen
8*
Digitized by Google
116
Soest
I
rechnen, wie den Schöpfer des Patrocliturmes; den Erbauer der
Wiesenkirche; den Meister Conrad und Heinrich Aldegrever!
Dieselben Köpfe, die auf den Skulpturen des 12. und 13. Jahr-
hunderts und unter dem Kreuz Christi auf den Bildern des 15. Jahr-
hunderts erscheinen; dieselben viereckigen, ehrlichen Köpfe sieht
man heutigentages noch Abend für Abend in den Brauereien von
Topp und Andernach in Soest, was sind hundert, was sind tausend
Jahre, unverwüstlich besteht die westfälische Volkskraft, ewig, wie
die Natur Westfalens selbst.
Abb. 102. Frommesches Haus im Steingfaben. Erste Hälfte 18. Juhrh.
. y Google
Verzeichnis der l>emerkenswerten Kunstwerke in Soest 117
ANHANG. FÜHRER.
Verzeichnis der bemerkenswerten Kunstwerke
in Soest.
Die Aufzählung soll den durchreisenden Kunstfreund tsmz
über die kunst- oder ort^^eschichilich interessanten Dinge in
Soest orientieren. Die Angaben ergänzen die voraufgehende Dar-
stellung; die Nummern verweisen auf die betreffenden Text-
stellen und die Abbildungen. Dfe Grundrisse sind keine selb-
ständigen Aufnahmen, sondern Kopien zum Teil nach Lübke,
ztun Teil nach dem Band i6 der Bau- und Kunstdenkmäler von
Westfalen, Kreis Soest; sie sollen in erster Linie die Veranschau-
lichung der Baugeschichte erleichtem. In dem Inventarbande
findet man auch, ein vollständiges Verzeichnis der Kunstdenk-
mäler, das nicht in der Absicht dieser Monographie liegt.
L Kirchen.
MÜNSTER ST. PATROCLI. i. P e r i o d e. Grün- Seite Abb.
dung um 960. Erzbischof Bruno (953 — 65) brachte die
Gebeine Patrocli 955, nach anderen 964. In seinem
Testament vermachte er 100 Pfund Gold für den Bau.
Nach Witte war dieser Bau eine einschiffige Kreuz-
kirche mit flacher Decke; Überreste sind an den Quer-
schiffen sichtbar: Bruchsteinmauerung und flache
Fensterbögen, a. Periode. 11. Jahrh. 1075 wird
der bei Erwitte erschlagene Ritter Walther, Bruder
Ersbischofs Arnold von Köln in der Krypta unter
dem Hauptchor beigesetzt Z090 Weihe des Chors;
izz8 Weihe des Hochaltars. Der ursprüngliche
Bau nur dreischifftgen Basilika erwettert, das Chor-
quadrat und die Haupt- und Nebenapsis angebaut
.3. P e r i o d e. Mitte 12. Jahrh. Das Mittelschiff
mit Kreuzgewölben überspannt» die auf breiten
Wandpfeilem ruhen. Weihe des Baues 1166 durch .
Rainald von DasseL 4. Periode. Etwa 1200 bis
1230. Bau des Westwerks. Der viergeschossige Turm
auf vierschiffigem Unterbau, dessen obere Empore
118
Soest
s
Abb. 103. St. PatredttB. MaSstob 1 1 800.
1. um 960.
Z 11. Jobrh.
3. Mitte 12. Jahrh. (1166).
4. 1200-1230.
Seit«
nach der Kirche zu offen ist. Offener Vorbau, Loggia»
mit fünf Arkaden, darüber Rüstkammer. — Drei-
schiff ige Krypta, drei jochig, am südlichen Querschiff,
(die vierzigsäulige Krypta unter dem Hauptchor, 18x7
gesprengt). Die Fenster in den Mittelschif fsoberwänden
spätgotisch, 15. Jahrh. Inneres 89 m lang, Spann- 4z
weite des Mittelschiffs 11 m, Turm ca. 76 m hoch. 48
Wandmalerei der Chorapsis, inschriftlicfa
1x66, entdeckt durch Lübke 1851, restauriert 1875.
Oben Christus Salvator mundi; Bflaria, Johannes,
Petrus, Paulus, Stephanus, Laurentius. Zwischen den
Fenstern vier Kfoige des alten Bundes, Vorläufer
Christi (F), in den Laibungen Heilige, in der Mitte zi
Nicolaus und Patrodus unter Maria 52
Glasmalereienim Chor, Anfang 13. Jahrh.,
restauriert. Leben Christi und vorbildliche Ereignisse
des alten Bundes: Typologie
Wandmalerei des nördlichen Chors (Marien-
chörchen), Ende 12. Jahrh., restauriert. Maria als
Abb.
Nr.
z
12
35
47
48
Z03
50
50
oiijij^uj Ly Google
Verzeichnis der bemerkenswerten Kunstwerke in Soest 119
Hagia Theotokos, heilige drei Könige, zu Füßen Halb- ^^^^
figurenPatrocli und Melchisedechs, unten zehn Gestalten
aus dem alten Testament. — Reste von spätromanischen
Wandmalereien, Mitte 13. Jahrh., in der
südlichen Kr3^ta; von gotischen, Anfang 15. Jahrh., 11
in den Laibungen der Hauptkrypta 54
Glasfenster, nördliches Querschiff, Maria,
beseichnet 1549
Patroclusstatue an der Empore, Stein,
bemalt, stark restauriert, Ende 12. Jahrh., in der Rüst-
kammer gefunden 11
Säule, als Basis, Ldwe und Drachen, über-
wundene Dämonen, Stein, Mitte 12. Jahrh
Tympanonrelief, nördliches Querschiff,
Christus, Kalkstein, nach Mitte X2. Jahrh 65
In der Eingangshalle hierzu antikes Marmor-
kapitäl, aus dem Kreuzzug mitgebracht
Glocken, i. Sturmglocke, aus dem 13. Jahrh. :
O cives rite cum pulsor ad arma venite. Opus magistri
hermanni de lemgo. — 2. Marienglocke : Cu trahor audite
voco vos ad gaudia vite. O rex gloriae christe veni
cum pace. A. D. 1469 sancta maria. Johannes de
tremonia fecit me. ,,Im J. 1469 do wart", sagt die
Chronik, ,,dey stormclocke in deme munstere van
mester Johann clockengeyter van Dorpmunde up
eren alten sanck und noten weder gegoten." — —
3. Patrocliglocke; Solvit in hoc dono pia plebs sua
Vota patrono . . . renovata mense septembri 1633 ^3
Fünf kleinere Glocken. — Ein Soester Glocken-
gießer Hermann Vogel wirkte nach Nordhoff von 1492
bis 1514, er goß Glocken zu Weslarn, Werl, Marsberg,
Berge, Harsewinkel, Eickel, Suderwich und Lünen.
In der Sakristei (Domschatz) :
Triumphkreuz, Vorderseite holzgeschnitzt,
Rückseite bemalt: Christus tmd die vier Evangelisten-
symbole. Vorläufer Meister Conrads, Ende 14. Jahrh. 84
KreuzfuB, silbergetrieben, allegorische
Figuren; am Schaft: Verkündigung, Heimsuchung,
Fhicht. Arbeit des Anton Eisenhoit von Warburg
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120
Soest
(geb. 1554, gest. um 161 4), dessen Hauptwerke, Silber- S*'*®
schätz des Fürstbischofs Theodors von Fürstenberg und
Paderborn, auf Schloß Herdringen bei Neheim (zwei
Stunden mit Ruhr-Lippe-Kleinbahn von Soest). Bildete
sich in Rom an Michelangelos Formen, war als Kupfer-
stecher tätig, imd steht in künstlerischer Beziehung zu
Aldegrever und zu Heinrich Gröninger in Paderborn . 103
Reliquienbüste des heiligen Patroclus,
silbergetrieben, Anfang 16. Jahrh. (?) 13
Wetterfahne: Patroclus auf Mauerzinne,
14.— 15. Jahrh 13
Drei Bruchstücke von Glasmalereien, An-
fang 13. Jahrh.
Kissen, Leinen mit Seidenstickerei : Himmel-
fahrt Alexanders des Großen. Ende 12. Jahrh. Gehört
zu den ältesten deutschen Stickarbeiten
Kasel, italienischer roter Sammet; 15. Jahrh.
Gabelkreuz gestickt: Krönung Mariae, zehn Propheten,
burgundische Arbeit (?). Wappen von Cleve Mark 16
und 1446 90
Abb.
Nr.
104
14
114
16
Abb. 104. Kreuzfuß, Silber getrieben. Anton Eisenhoit. Domschatz.
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Verzeichnis der bemerkenswerten Kunstwerke in Soest 121
N
S
Abb. 105. St Petri. Maßstob 1 1 600.
pi 1. Periode, um IISO.
m 2. Periode, Anfong 13. Jolirh.
B ^ Periode» ca. 1275- UOO.
ST. PETRI, olde Kerke. Gründung durch Er«. Seite Abb.
bischof Cunibert 633, nach anderen durch Karl den
Großen, oder Bruno, Wittekinds Enkel, 815, sagenhaft.
Drei Bauperioden. i. Periode: Um 1150; drei-
schiffige Pfeilersäulenbasilika, dreigeschossiger West-
turm mit Pyramidendach. 2. Periode: Anfang
13. Jahrh.; Erweiterung des Baues zur hallenartigen
Anlage, die Seitenschiffe mit Emporen und muschel-
artigen Gewölben. Im Querschiff schon Rippen an den
Gewölben; dessen äußerer Dekor (Rosenfenster) ähnlich
wie am Domturm. 3. Periode: Letztes Drittel
13. Jahrh., nach einem Brand, vielleicht 1272, wo Erz- 3
bischof Engelbert II. in Soest weilt und Ablaß für den 38 i
Bau ausschreibt. Frühgotischer Chor, zweiteilige Fenster 44 33
mit strenger Dreipaß- und Rosettengliedening . • . 59 105
Spätromanische Portalreliefs am Quer-
schiff; südlich: Siedung Johannis; nördlich: Bogen-
stellung mit Metall und Steineinlagen, Ende 12. Jahrh.
In der Vorhalle schöne romanische Kapitelle mit flach-
gemeiOelten Linien, Flechtbändem und Masken. ... 65
L.i^u,^cci by Google
122
Soest
Wandmalereien, frühgotisch, Überreste an
den Pfeilern : Verkündigung, Kreuzigung, Christophorus,
Anfang 14. Jahrh., vielleicht 1325, wo Indulgenz für
Ausschmückung der Kirche. Ganz restauriert. Das
Innere von allen Soester Kirchen am ärgsten entstellt. 81
Klappaltar im südlichen Chor. Im Mittel-
stück Holzschnitzerei: Kreuzigung und Passionsszenen.
Flügel: Malerei, innen Passionsszenen, außen Heilige
(Patroclus) und Stifterpaare. Wappen Klepping-Suder-
mann. Gefälschtes Dürermonogramm. Flämische
Arbeit (Antwerpen), um 1530 lOi
Im Kirchenschatz : vorzüglicher Kelch, silber-
vergoldet mit Pelikan, Phönix, Adler (Symbole von
Opfertod, Auferstehung, Himmelfahrt), Soester Ar-
beit (?), Ende 15. Jahrh
Petrusstatue, kupfervergoldet, i. Hälfte
14. Jahrh
Drei Glocken, nach dem Brand von 1701 . .
Abb.
Nr.
106
Abb. 106. Kelch, Silber, vergoldet.
Ende 15. Jahrh.
Petrikirche, Sakristei.
VerzeichniK der ^bemerkenswerten Kunstwerke in Soest 123
N
W
s
Abb. 107. MorioBurHÖhe. MaSttabltm
m 1. um 1180-90.
H 2. Anfimg 13« Johrh.
MARIA ZUR HÖHE, Hohnekirche, maria in altis. Seite
Zwei Bauperioden. i. Ältester Bau um ii8o 90,
Hallenkirche mit schmalen Seitenschiffen, wie z. B. die
Kirche in Weslarn; Westturm. 2, Erweiterung nach
Süden im Anfang des 13. Jahrh. Nordwand und Unter-
geschosse des alten Baues bleiben stehen, daher die
Verschiedenheit der Nordwand (Pilasterstreifen, scharf-
kantige Rundbogenfriese, Bogenstreifen über den
Fenstern) von der Südwand (Spttzbogenfenster, klee-
blattfönnige in Tropfen ausgezogene Hängebögen
darüber). Turmhelm von 167 1. Dach erneuert 1889I
Langhaus ca. 23^ m lang, 19^ m breit. 45
Tympanonreliefy sfidlicfaes Portal, Christus
am Kreuz, Geburt Christi, Frauen am Grabe, Anfang
13. Jahrh., byzantinischer EinfluO 65
Ausmalung. Aufgedeckt 1879 — 84. Restau-
ration begann 1889. z. Gewölbe der Mittel- und Seiten-
schilfe: schwarze imd rote Muster; aus jedem Zwidcel
wächst ein Rankenbaum zwischen zwei gegenständigen
Fabeltieren, Greifen und Drachen; Nachahmungen
orientalischer oder sizülanischer Stoffmotive. An den
Abb.
Nr.
40-44
107
31
Digitized by Google
124
Soest
Wänden ein gemalter Vorhang, Imitation von Stoff-, Seite
Kreis- und Quadratmuster. Anfang 13. Jahrh. —
2. Südliche Seitenschiffnische: Kain und Abel. —
3. Chorgewölbe: Maria als Himmelskönigin (Hagia
Theotokos) zwischen Johannes dem Täufer undjohannes
Evangelisten; sechzehn Engel im Kreis. Auf den
Zwickeln, durch Kranz von zehn Propheten getrennt,
vier Szenen aus dem Alten Testament: Abraham und
die drei Engel; Isaaks Opferung; Eherne Schlange; Elias
und Weib von Sarepta. Rückwand: Daniel in der
Ldwengrube; zwölfjährige Christus im Tempel; Moses
schUgt Wasser aus dem Horeb; Taufe Christi im
Jordan und Kreuzigung. Vofginge des Alten Testa-
ments, die sich Im neuen Bund erffiUen, speziell Hin-
weise auf das Kreuzopfer. — 4. Grabnische der n6rd-
lichen Wand: Kreuzigung; Frauen am Grabe; Christus
erscheint der Magdalena; Osterlamm: Erfüllung des
Alten Bundes* In dem Grab lag der Corpus Christi, von
GrÜndonnerslag bis Ostermorgen. i — 4 sind um 1220
bis 30 gemalt. — 5. Nördliche Apsis(Mariench9rehen):
oben Krönung Mariae, Magdalena tmd Katharina.
Unten Legende der heiligen Katharina : Sie weigert sich,
das Götzenbild anzubeten. Sie besiegt in der Dispu-
tation vor dem Kaiser die heidnischen Philosophen; diese
werden verbrannt. Radwunder. Enthauptung der
Heiligen und ihrer Freundinnen. Spätester romanischer 54
Stil, Mitte 13. Jahrh 57
Vortragskreuz: 4 m hoch. Holz, bemalt.
Rundscheibe mit acht Passionsdarstellungen in Relief-
medaillons, vom Einzug in Jerusalem bis zur Vorhölle.
Anfang 13. Jahrh. Die Kompositionen zum Teil in
Anlehnung an byzantnische Vorbilder. Kreuz und
Grab sind die wichtigsten Elemente des Osterspieles.
Das früheste Stadium dieses geistlichen Schauspiels,
wo es noch ganz In der Kirche, im Anschluß an die
Osterliturgie gespielt wurde, wird in der Hohnekirche
sehr deutlich. Die unteren Flächen mit Rundfeldem
(Chimären, Fabelwesen und Drolerien) aus der zweiten
Hälfte des 14. Jahrh., gotisch 65
Verzeichnis der bemerkenswerten Kunstwerke in Soest 125
Taufstein, Flachrelief, acht Heilige unter Sehe Abb.
Arkaden, Anfang 13. Jahrh. Byzantinischer Einfhiß
Tafelgemälde, Kreuzigung und Passion,
Schüler des liesboraer Meisters, um 1480 („Meister der 65 43
Li|>pborger Passion'*) 98 83
Im Kirchenschatz silberrergoldete Kelche des
15. und 16. Jahrh. Altarleuchter, Hostiendose, usw.
MARIA ZUR WIESE, Wiesenksrche, Maria m
Palude. Ein kleinerer Bau bestand schon zur Zeit Erz-
bischof Philipps (um 1x80); die Fundamente 1884
aufgedeckt. Den Neubau begann Johannes Schendeler
13 14, nach Inschrift (latein. leoninischer Vers) im
Chor; Tappe liest sie 1343, Lübke 1331. 1376 (Inschrift)
Weihe der Seitenaltäre; noch 1371 war ein Bauablaß
ausgeschrieben. ( 1392 erscheint in den Bürgerbüchern
,,mester Godert van sunte druden, Werkmester tho der
wese**.) 1421 laut Inschrift über dem Eingang zum Nord-
turm Grundsteinlegung der Türme, wozu Notiz im
Stadtbuch: 1421 in die Sixti pape do wart dey erste sten
an dem lesten fundamente tor wese in unser leyven
vrouwen kerken gheleget, dat was in der westen dore. — 54
1839 beschließt Friedr. Wilhelm IV. den Aufbau der 56-58
Türme, die kaum bis zur Höhe der Dachgalerie ge- 68
kommen waren. 1846 Grundsteinlegung, 1882 Weihe. 69
Die Kirche lang 27 m, Höhe der Gewölbe 24 m.. . . 59 xo8
Glasfenster im Hauptchor : unten Propheten
des Alten Bundes, oben Maria und Heilige, Reich der
Kirche, gotisch, nach Mitte 14. Jahrh. — Im südlichen
und nördlichen Nebenchor Heilige und Ssenen aus dem
Leben Mariae, Anfang 1$, Jahrh 82
Nördliche Wand: oben Patrodus mit Maria in
Glorie und Stifter, Ende 15. Jahrh 13 13
Darunter zwei Heilige, daneben Stammbaum Jesse,
Anfang x6. Jahrh. Über dem südlichen Portal: „west-
fftUsches Abendmahl", um 1500, stark ergänzt ... 2X
Skulpturen. Im Hauptchor: sieben Apostel-
statuen, Sandstein, nach Mitte 14. Jahrh. — Südliches
Portal: Maria am Pfeiler, in den Laibungen vier Heilige,
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126
Soest
W
s
Abb. 108. Maria zur Wiese 1314-1421. Maßstab 1:600.
Ende 14. Jahrh. oder Anfang 15. Jahrh. Verbindung
gotischer Form mit Naturbeobachtung 65
Holzstatue Patrocli, Anfang 15. Jahrh. — Ma-
donnenstatue, Stein, an Chorwand, zweite Hälfte
14. Jahrh. — Sakramentshäuschen aus Stein, zweite
Hälfte 15. Jahrh. — Zwei kleinere, unbedeutend. —
Zwei Standleuchter, Stein, 14. — 15. Jahrh. — Alabaster-
relief im Chor eingelassen, Dreifaltigkeit (Soest?),
Ende 14. Jahrh. — Schnitzaltar, bemalt, Szenen aus
Schöpfung und Passion, Renaissancearchitektur, 1520
bis 1530. Kreuzabnahme nach Dürer
Gemälde, Altarpredella im nördlichen Chor.
Christus als Gärtner, heilige drei Könige, Begegnung
mit Thomas, gotisch, Ende 14. Jahrh., Vorläufer Con-
rads. Das Altargestell, Kleeblattbogen mit Kruzifix,
holzbemalt, ist wie die Predella wohl ein Überrest des
Altars von 1376 82
Klappaltar, südlicher Chor, sogenannter
Jacobialtar. Kreuzigung, Anbetung der Könige, Tod
Mariae. Außen auf den Flügeln Heilige. Rohes, aber
Abb.
Nr.
62,63
y Google
Verzeichnis der bemerkenswerten Kunstwerke in Soest 127
Abb. 109. Leinenstickerei. Maria zur Wiese. (Ausschnitt.) 1. Hölfte 14. Jahrh.
charakteristisches Werk eines Schülers Conrads, 1420
bis 1430 85
Klappaltar, nördlicher Chor. Heilige Sippe.
Auf den Innenseiten der Flügel: Leben der heiligen
Anna und Joachims, der Maria und Christi. Außen:
Messe Gregors, Beweinung Christi; bez. 1473. Äußerster
Realismus 98
Klappaltar, nördliche Wand. Mittelstück
geschnitzt und bemalt. Madonna, Antonius (Patron
der Tönnisschützen), Agatha. Auf den Flügeln Ge-
mälde: innen Geburt, Anbetung der Könige. Außen
Agatha, Anthonius. Predella: Verkündigung, Geburt,
Anbetung, Apostel. Um 1525 100
Altartuch, Leinen mit Leinenstickerei in
Flechtstich: Anbetung der Könige, Verkündigung,
Krönung Mariae, Christus und Magdalena, Einhorn-
legende (unbefleckte Empfängnis). Lang 4,30 m,
breit 1,26 m. Gehört zu einer Gruppe westfälischer Ar-
Abb.
Nr.
81
89
91
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128
Soest
W
Abb 110. St. Thomas. Maßstab 1 : 500.
1. Ende 12. Jahrb.
2. Anfang 13. Jobtk.
■ 3. ca. 12S0-7a
beiten der ersten Hälfte des 14. Jahrh. Andere Stücke
in Xanten, Laer, Paderborn und Berlin
Im Schatz fünf einfache gotische K e 1 c h e ,
15. Jahrh.
ST. THOMAS, reformierte Kirche. Drei Bau-
perioden. I. Dreischiff ige Pfeilerbasilika, sichtbar
noch an der unteren Fensterreihe der Nordwand. Ende
12. Jahrh. 2. Umbau zur Hallenkirche, das nördliche
Seitenschiff mit halben Kreuzgewölben. Bau des
Turmes. Anfang 13, Jahrh. 3. Anbau des Chores,
Erweiterung des südlichen Nebenschiffs (mit Portal)
und Anbau der Kapelle an der Nordwand. Früheste
deutsche Gotik 1250 — 70
Glocke von Rochus Nelnuui von £s8en 1571.
Seite
44
58
Abb.
Nr.
29
109
38
39
55
zxo
MINORITENKIRCHE, jetzt Thomaekirche. Drei-
schiffige Hallenkirche mit Rundpfeilem, vier Joche
lang, langgestreckter Chor mit FünfachtelscfaluB; ge-
baut Mitte 14. Jahrh 63
S9p6o
Google
Verzeichnis der bemerkenswerten Kunstv/erkc in Soest 129
N
S
Abb. III. Minoritenkirche. Mafistob 1 : 700.
Barockaltar, holzgeschnitzt und bemalt. [ ^V^*
Unten Abendmahl mit Portrats von Luther und Soester
Predigern, datiert 1 668 iii
Kreuzgang, Kreuzgewölbe, nördliches Fenster I
mit Flamboyant - Maßwerk. Remter zweischiffig, !
Sterngewölbe, Säulen ohne Kapitell; Ende 15. Jahrh. 64 |
Interessante Konsolen mit Meißelarbeit.
N
s
Abb. 112. Si. i'aui. Malsstab 1 : öÜO.
m 1. Mitte ICJahrli,
m 2. Äntuiiy 15. Jahrh.
Schmitz. Soest 9
Digitizec v^oogle
130
Soest
ST. PAULI, dreischiffige Halle, dreijochig, Rund- Seite Abb.
pfeiler mit vier Diensten, steile Kreuzgewölbe mit
scharfen Rippen. Drei- und vierteilige Fenster. Quadra-
tischer viergeschossiger Westturm mit Halle. Nach Mitte
14. Jahrh. — Chor im Fünfachtelschluß, vierteilige 61
Fenster mit Flamboyant -Maßwerk, Anfang 15. Jahrh. 63 112
Wandstatuen im Chor, Stein, Maria, Jo-
hannes, Jakobus, Anfang 15. Jahrh 65
Sakramentshäuschen mit Statuen, Stein,
Anfang 15. Jahrh 65
Altargemälde, Kreuzigung und vier Pas-
sionsszenen. Schule Meister Conrads, 1400 — 20 ... 85 , 7^
Altarvorsatz, gemalt, zwölf Apostel unter
Baldachinen, Schule Meister Conrads, um 1420. . . .
Barockaltar, Holz bemalt, aus dem Mino-
ritenkloster als Ersatz für einen an Prinz Karl ge-
schenkten Altar in der Johanniterkirche zu Sonnen-
burg 103
Reste von Glasfenstern, 14. — 16. Jahrh.
N
w
s
Abb. 113. Nicolaikapelle. Maßstob 1 : 600.
NICOLAIKAPELLE, südlich vom Dom, Ende | 36
12. Jahrh 43 1 113
Wandmalerei der Apsis , oben Christus
Salvator mundi, Maria, Johannes, Augustinus, Patroclus,
unten zwölf Apostel. Am Triumphbogen: Maria mit 1
dem Kind, Propheten und Vordeuter der unbefleckten I
Empfängnis (Gideon und Aaron), rechts St. Nikolaus, ■
die drei Mädchen und drei römischen Hauptleute. Mitte j
13. Jahrh. Ohne Grund einem Maler Everwin zuge- |
Verzeichnis der bemerkenswerten Kunstwerke in Soest 131
schrieben, dem Dekan und Kapitel von St. Patroclus ' ^jJJ*-
1231 ein Haus vergaben 11 »57
Altargemälde, Nikolaus, Heilige und knie-
ende Kanonici, Schule Meister Conrads, Anfang 15. Jahrh. 74
Brunsteinkapelle, St. Nicolai confessoris,
(nicht sehenswert) einschiffiger viereckiger Raum,
Fünfzehntelchor, gotisch, erste Hälfte 14. Jahrh.
9»
. . y Google
132
Soest
2» Weltliche Gebäude usw.
OsthoTentor. Rechteckiger Turm, Durch- Seite Abb.
fahrt und zwei Geschosse; Grundsteinlegung 1523.
Im Stadtbuch: Anno d. 1523 up vridags na Viti et
Modesti martyrium (Juni 19) wort dat fundament der
Os^oivenporten, de nu weder up dat nyet gebueth is,
de erst steyn gelacht tmd op dem ersten steyne was der
▼an Soist slottele m3rt dem datum wu yorgen. gehouwetii.
Bürgermeister waren Joh. Gropper und Albert Grere.
,,Des mesters name was Porphyrius und was eyn ge-
boren Hesse." Vollendung des Baues 1536; Jahreszahl
im oberen Maßwerkfries. Meister Porphyrius stammte
aus Neukirchen (Kreis Ziegenhain) und hat auch an
der Wiesenkirche mitgearbeitet; nachweisbar noch 1529.
Vor zwei Jahren ist urmötigerweise ein hohes Dach auf-
gesetzt worden lOI
Altarbild, Reste eines Triptychons: Petrus vor den
Richter geführt, Petrus ins Gefängnis geführt und Petri
Kreuzigung. Später zu Schranktüren verarbeitet; die
Rückseiten mit eisernen Bändern rautenförmig be-
schlagen, zeigen gleichfalls Reste von Malerei u. a.
Bruchstück einer Anbetung der Könige. Schüler des
Meister Conrad, um 1420. Meister des sogenannten
Jakobialtars der Wiesenkirche (S. 85)
Außerdem werden hier tausende von Pfeilen
aus der Soester Fehde, früher in der Rüstkammer im
Domturm, verwahrt.
Haus auf dem Burghof, Ende 12. Jahrh. 43t^ 37
Rathaus. Offene neunbogige Halle, oben
Giebel mit heiligem Patroclus imd Stadtwappen. Erbaut
1713, an Stelle eines älteren Baues aus dem 13. Jahrh. xzi 99
Im Archiv: Nequambuch, Pergament-
manuskript f „Historisches Verzeichnis verschiedener
Stadt- und Landesverweisungen item wegen verschie-
denen Exzessen hingerichteter Personen, item welche
nach der Verhör den Eid der Treue geschworen.*'
Dreizehn Miniaturen in grellen Wasserfarben: Gerichts-
szenen und Bestrafung von Verbrechern. Gemaltumz35o. 81 5,6
Verzeichnis der bemerkenswerten Kunstwerke in Soest 133
Vehmgerichtsordnung. Karl der Grofie
und Richter. Ende 15. Jahrh 7
Im Stedterchhr xiüilreiche wertvolle Urkunden,
Akten, Briefe, Handschriften, Siegel usw. 4
St. Patroclus, Statue, Stein bemalt, vom
Wattmrger Tor, Anfang 15. Jahrh ix
Gobelin, Dreilaltigkett, Georg, Michael. An-
lang z6. Jahrh
Bürgerhäuser. Mit gotischen Formen:
Daelengasse 23, 15. Jahrh. Marktstrafie 7, datiert
1540; Thomaestrafie la, datiert 1543. Osthoven-
straße 37, Marktstraße 10. Mit Renaissanceformen:
Burghof (Erker, innen Stuckreliefs), datiert 1559, i
Grandweg 38, von 1569, Petrikirchhof von 1574 ; Wiesen- '64-67
Straße 6, von 1585 67 | 70
Die Wälle mit den Unterbauten der dreißig
in die Gräben (Gräfte) vorspringenden Rundtürme,
davon der halbrunde Kattenturm an der Südseite
ganz erhalten ist. Der zweite Außenwall (Buten-
wall) ist zum Teil noch kenntlich. Die Türme,
Bastionen und Tore sind 1816 20 abgerissen worden.
Der Wallteil zwischen Soestbach und Nöttentor wird
wahrscheinlich demnächst abgerissen (unter Erhaltung
der Schonekindbastion). Im wesentlichen geht die An-
lage in das Ende des 12. Jahrhunderts zurück. ... i 19
Die große fünfeckige Schonekindbastion stammt
erst aus dem Ende des 16. Jahrh. (1599). Die Bastion
am Grandwegertor ist wahrscheinlich von Hermann
Becker aus Hildeshetm 1589 gebaut. Hier ist ein Stadt-
wappen von 1570 vom ehem. Archigymnasium ein-
gemauert Die breiten Gräben sind in Obstgärten lun-
gewandelt; vor allem sieht man Kirschen und Pfirsich.
Zur Bifite» im Mai, ist der Besuch von Soest besonders
zu empfehlen; wenn man nicht dem Juli und August,
wo das Korn reift, den Vorzug gibt.
134
Soest
DIE WICHTIGSTEN DATEN DER
SOESTER GESCHICHTE;
Anfange 625 bis 1100.
625—39 <?). Erzbischof Cunibert von Köln erhält die Sodsaten-
höife vom Frankenk6nig Dagobert geschenkt.
836. Bei Gelegenheit der Überführung der Gebeine des heiligen
Vitus nach Corvey wird Soest als volkreicher Flecken erwfihnt
Im 10. Jahrh. besucht ein durchreisender Araber Soest auf der
Reise nach Schleswig. Er beschreibt es als Kastell im Lande
der Slaven, wo Salz bereitet wird.
964. Erzbischof Bruno von Köln (f 965) überbringt die Gebeine
des heiligen Patroclus von Troyes; begründet das Chor-
herrenstift und das Münster Patrocli.
Blfitezeit. 1100 bis 1450.
1x44 wird Medebach mit Rechten beliehen, wie sie der Markt
Soest bereits besitzt.
IZ48. Viele westfälische Kaufleute nehmen am Kreuzzug Kon-
rads III. teil. Mit dem Erzbischof Arnold (1138) begimit die
stärkere Teilnahme Westfalens an den Kreuzzügen.
Um II 50 Beginn des Handels nach Schleswig.
Um ZI 65 erscheinen zuerst Bürger neben den erzbischöflichen
Ministerialen; ein Schultheiß neben dem erzbischöflichen
Vogt. Soest wird Stadt genannt In diese Zeit fällt die
Entstehung des Stadtrechtes. f
1x65. Gründung des Augustinerinnenstiftes St. Walpurgis durch
Erzbischof Rainald yon Dassel.
xx66. Einweihung des PatroclimQnsters durch denselben.
ZX67 — 91. Erzbischof Philipp yon Heinsberg erweitert die Stadt,
teilt sie in sechs Pfarreien und baut die Befestigung«
Es treten consules (RatsmAnner) nach lombardischem Vor-
büd auf. ^
(xx8o. Philipp von Heinsberg wird nach dem Sturs Henlnchs
des Ldwen Herzog von Westfalen und Engern.)
X217. Kreuzpredigten Olivers. Starke Beteiligung am ' Kreuz-
zug am Niederrhein und in Westfalen. Gottfried von Arns-
berg zieht mit starkem Gefolge ins heilige Land. Die Soester
Die wichtigsten Daten der Soester Gesdüchte
135
Propstei zahlt 88 Mark Kreuzzugasfeeuan im Jahr* (1219
Erstürmung von Damiette.)
1225. Erzbischof Engelbert yon Köln auf dem Wege von Soeit
nach Köln bei Gevelsberg ermordet Die Soester zerstören
die erzbischöfliche Pfalz.
1336. Erzbischof Heinrich von Molenarc schließt einen Vergleich
mit den Soestem.
Z338. Ein Bürger von Soest beteiligt sich an dem Vertrag der
Kauileute von Gotland mit Fürst Mittslaw Dawidowitsch
von Smolensk.
1239 erscheinen zuerst zwei Bürgermeister. Die Skra des Hofes
▼on Nowgorod bestimmt: daB die Alderleute von Soest und
Dortmund den Schlüssel zur St. Peterskiste von St Marien
in VTisbj verwahren sollen.
1230. Ein domus consulum, Rathaus, zuerst erwähnt
1231. Gründung des Dominikanerklosters.
1232. König Erich von Dänemark erteilt den Soestern ein Privileg
gegen Strandrecht.
1233. Gründung des Minoriten-(Franziskaner-)klosters.
1240. Stiftung des Zisterzienserklosters Welwer in der Börde.
1241. Handelsvertrag zwischen Soest und Lübeck.
(1246. Stiftung des Zisterzienserklosters Himmelpforten an der
MöhneJ
1251. Stiftung des Augustinerstiftes Paradies.
Z252. Wilhelm von Holland verleiht Soest Privilegien für den
Handel mit Holland.
1253. Margaretha von Flandern gestattet den Kaufleuten von
Köhl, Dortmund, Soest und Münster Verkehr in Damme.
— Westfälischer Städtebund von Wemersbrück
zum Schutz gegen Pfändung und Raub.
1254. Aufnahme des Westfälischen Städtebundes in den Rhei-
nischen Städtebund.
1259. Die Zahl der Ratsmänner wird auf vierundzwanzig fest-
gesetzt Büdung von Zünften. Die Gleichberechtigung
aller seßhaften Bürger wird durch die Wollenweberzunft
durchgesetzt
(1266. Gründung einer Deutschordenskommende zu Mühlheim
an der Möhne.)
1278. Verkauf der erzbischöflichen Vogtei durch Graf Ludwig
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136
Soest
▼Oll Arnsberg an die Stadt. Diese durch Siegfrid von Wester-
burg mit dem Interdikt belegt, das durch Appell an den
Papst aufgehoben wird.
X28i. Der Erzbischof verlegt die Vogtei aus Soest nach Neuen-
Geaecke. Kein Bürger darf dort vorgeladen wenten. Die
Gerichtsbarkeit ganz in den Händen der
S t a d t o b r i g k e 1 1
1304. Erzbischof Wicbold von Holte verpfändet das SchultheiBen-
amt mit allen GeffiUen und die Mfinze an die Stadt für ihre
Unterstützung in seinem Kampfe mit Eberhard von der ICark.
1328 kauft Soest die Freigrafschaft Rüdenberg.
1332. Streitigkeiten der Stadt mit Erzbischof Walram von Jülich»
im Vertrag von Rüthen beigelegt
1332 70. In dieser Zeit werden die Statuten der Schrae verfaßt,
die Zahl der Kapellen darf nicht mehr vermehrt werden,
kein Bürgergut in geistliche Hand gegeben werden.
1369 kauft Soest die Freigrafschaft Heppen (Verkauf der Graf-
schaft Arnsberg durch den letzten Grafen an Köln).
1370. Erzbischof Friedrich II. von Saarweden sucht die Ober-
gewalt über alle Freigerichte zu erlangen.
1393 verlegt die Stadt das Freigericht Deiringsen vor die Elverichs-
porte. Zerwürfnis mit Friedrich von Saarweden.
1398, 6. Juli. Freundschaftsbündnis zwischen
Soest und dem Herzog Adolf von Cleve.
(Herzog Adolf vereinigt Cleve mit der Grafschaft Mark.)
Anfang 15. Jahrh. ziehen die Salzbeerbten von Sassendorf in die
Stadt; sie bilden den Grundstock des Patriziats.
1404 08. Reformation der westfälischen heimlichen Ge-
richte durch König Rupprecht von der Pfalz. Aufblühen der
Vehmgerichte, besonders unter Sigismund.
1414. Dietrich von Mörs, Erzbischof von Köln; er will
sämtliche Freigerichte in seiner Hand vereinigen; erweist
Soest zuerst mehrere Vorteile^ um die Stadt auf gütlichem
Wege zu gewinnen.
X430. Erstes Freigrafenkapitel unter dem Vorsitz des Erzbischof s
in Soest.
1437. Generalkapitel in Arnsberg.
X441, 19. Juli. Beschwerdeschrift des Erzbischofs. — 22. Oktober.
Verbrüderung von Rat, Brüderschaften, Gilden und Gemein-
Die wichtigsten Daten der Soester Geschichte
137
heit zum Schutz der Freiheit. — 24. Oktober. Erneuerung
des Vertrages mit Adolf von Cleve.
1443 wird Soest vor das Kammergericht geladen. Protest der Stadt.
1444 49. Soester Fehde. Soest kommt an das Herzogtum
Cleve, als Nebenquartier der Grafschaft Mark (S. 00).
Niedergang, seit etwa 1450.
Nach 1450. Schaden der Stadt durch kölnische Rauhritter. Der
Handel leidet Die Stadt wird isoliert
1505. Nächtlicher Anfall des Erzbischofe Hermann von Köln.
1505 — ^49. Streit der Stadt mit dem Propst von St Patrocliis um
das Bäckerkom.
15x2 verbrennen die Soester das Schloß des Raubritters Hildebrand
Gogreve im Grund zu Assinkhausen.
1517 siedelt das ErbsilzerkoUeg von Sassendorf nach Soest in
das Haus zum Stern über.
1530. Beginn der Reformation, Unruhen. Gesell-
schaft der Eidgesellen.
1531. 13. Oktober. Zusätze zur Schrae werden vom Rat bewilligt.
— 20. November. Borchwede schlägt lutherische Thesen an.
— 21. Dezember. St. Thomas- Aufruhr. Johann von Campen
mit Gewalt befreit. Die beiden Bürgermeister ins Gefängnis
geworfen.
1532. 16. April. Ömikens Kirchenordnung. Die katholischen
Pfarrer vertrieben.
1533» 28. April. Schachtrops Hinrichtung. — 31. Juli, Auszug
der katholischen Ratsfamilien.
1534. Gründung der Lateinschule (des späteren Archigymnasiums).
1548 — 52. Interim. Vorübergehende Aufrichtung des Icatho-
lischen Glaubens durch den Kardinal Gropper.
(1586 vernichtet Martin Schenk von Nideggen, Parteigänger des
Erzbischofs TruchseB von Waldburg, ein Bauemheer bei
Dinker).
Ende z6. Jahrh. zahllose Hesenprozesse.
X609. Jülich-klerischer Erbfolgestreit.
1614. Vertrag von Xanten: Soest kommt mit der Grafschaft Mark
an Brandenburg.
1636 — 40 ist Simplizissimus in Soest.
Digitizeo v^oogle
138
Soest
1662. Gleichstellung der Reformierten mit den Protestanten
durch den Großen Kurfürst.
X69Z. Intriguen des Grofirichters Schmitz.
1704. Bau des Waisenhauses.
1707. Aufhebung der letzten Vehmgebriuche durch Dderet der
klenschen Regierung.
17x5 — 14. Neubau des Ratiiauses.
1752» I . — 24. Juni. Friedrich der Gro0e löst die Verfassung auf und
setzt einen neuen Rat ein.
Z761. Treffen bei Vellinghausen zwischen dem Herzog von Braun-
schweig und Soubise. '
Z770. Der große Gott von Soest aus dem Patroclidom gestohlen.
1794. Einffihrung der preußischen Landgerichtsverfassung.
Z797. Die Stadt verkauft den PatrocUturm an das Domkapitel.
z8o6, 14. November. Besetzung Soests durch französische Truppen.
1808. Soest dem Großherzogtum Berg angegliedert (vgl. S. oo>.
1809. Aufhebung der Klöster Paradies und Welwer.
18 12. Aufhebung der Stifte Patrocli, Walpurgis und Paradies.
18 16. Abbruch der Torbauten und Türme.
18 19- 20. Neubau des Gymnasiums.
1854, 22. Oktober. Gesicht auf der Schlückinger Höhe (vgl. S. 00).
i86x. Beginn der Restauration der Wiesenkirche (beendet 1882).
1^-^^ L-y Google
Literatur
139
LITERATUR.
1. Zur Geschichte von Soest.
(Chronologisch. )
Zeitschrift des Vereins ffir die Geschichte vim Soest
und der Bdrde» z88i ff. Die wichtigsten Aulsitxe stammen
von dem um die Soester Geschichte Überaus verdienten
Professor V o g e 1 e r in Soest
1696 C 1 u t e , Susatum vetus et novum.
17x2 Stute» vita et gesti Patrodi martyris, Susatensium patroni.
Leipzig.
(1750) Ludw. Eberhard Rademacher (t 1750), An-
nales oder Jahr-Bücher der uhralten und weit berühmten
Stadt Soest mit Fleiß und Mühe von Anfang biß auff das
Jahr 161 5 zusammengetragen von einem Liebhaber der
Historie seines Vaterlandes L. £. R. Handschrift im Soester
Stadtarchiv.
1748 Emminghaus, Memorabilia Susatensia. Jena.
1749 D. Ludwig von Roßkampf, Monumenta Zusatensia
oder Alterthümer, so sich in den acht Hauptkirchen zu Soest
befinden, 1740. 1 Handschrift im Soester Stadtarchiv.)
1825 Geck, Topographisch -historisch -statistische Beschreibung
der Stadt Soest und der Soester Börde. Soest.
X855 B a r t h o 1 d , Soest, die Stadt der Engem. Ursprung, Blüte
und Niedergang eines altdeutschen Gemeinwesens. Soest.
1855 Cornelius, Geschichte des münsterischen Aufruhrs.
2 Bände, Leipzig.
1857 W i s k o 1 1 , Beiträge zur Geschichte der Stadt Soest. Soest.
z88o H a r k o r t » Beiträge zur Geschichte Westfalens und der
Graibchaft Mark. Hagen.
z88z Hausberg, Die Soester Fehde im 15. Jahrhundert. Trier.
— Schröder, Chronika von Sauest. Leipzig. (Im Soester
Dialekt)
1886 Holthausen, die Soester Mundart. Norden und Leipzig.
z888 Hansen, die Soester Fehde. Bd. 34 der Publikationen
aus den KgL Preußischen Staatsarchiven.
— J o s t e s , Daniel von Soest, ein westfälischer Satyriker des
x6. Jahrhunderts. Paderborn.
^ i^uo Ly Google
140
Soest
1888 Lindner, die Vehme. Münster und Paderborn.
1897 Zurbonsen, die Sage von der Völkerschlacht der Zu-
kunft am Birkenbaum. Köln (2. Aufl. 1907).
1902 Van G u 1 i k , Der Scholaster Johannes Gropper und seine
Tätigkeit im Kurfürstentum Köln bis 1540. Münster.
Z905 Rotherti Zur Kirchengeschichte der ehrenretchen Stadt
Soest. Gütersloh.
2. Zur Kunstgeschicltte ▼on Soest.
(Chronologisch.)
1823 Tappe» Die Altertümer der deutschen Baukunst in Soest,
Essen.
1825 Westfalia 1825: Urkunde, die Entstehung des Patrocli-
schreins betreffend.
1831 Westfalia 1831 — ^32: Publikation des Nequambuches
der Stadt Soest von Moyer.
1843 Becker, Deutsches Kunstblatt 1843: Nach-
richten über die aus St. Walpurgis nach Münster gekommenen
Altartafeln.
1851 Organ für Christ 1. Kunst 1851 u. 52. Nachrichten
Lübkes über die aufgedeckten Wandmalereien in St. Pa-
trocius und Nicolaikapelle.
1853 L ü b k e , Die mittelalterliche Kunst in Westfalen. Leipzig.
1854 G i e f e r s , Drei merkwürdige Kapellen Westfalens. Pader-
born.
1863 K a y s e r, Die Soester Patroclikirche und Nicolaikapelle.
1879 Nordhoff, Die Soester Malerei unter Konrad. Bonner
Jahrbücher 1879 (Bd. 67) und 1880 (Bd. 68).
1881 Nordhoff, Grert van Lon. 2^itschr. f. bild. Kunst.
1882 Heeremann Zuydtwyck, Die älteste Tafel-
malerei Westfalens. Münster.
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Soest.
1883 Ludw. S c h e i b 1 e r , Reoension sämmtUcher westfälischen
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1875 Aldenkirchen, Die mittelalterliche Kunst in Soest
Winckehnannprogramm. Bonn.
uiyiiized by Google
Literatur
141
1886 Nordholl, Studien über altwestläUsche Malerei. I Bonner
Jahrbücher 1886 (Bd. 82); II ebenda 1889 (Bd. 87).
— Sümmermann, Die Wandmalereien in der Kirche
Maria zur Höhe in Soest. 14. Jahresbericht des westläl.
ProyinzialTereins lür Litt u. Kunst. Münster.
1890 Josephson, Die wiederhergestellten mittelalterlichen
Malereien in der Kirche Maria zur Höhe in Soest Soest
— Soest, seine Altertümer und Sehenswürdiglceiten. Soest
1897 Benkerty Ein vermeintlicher Heidentempel Westlalens. Soest.
— S o e 8 1 in Vergangenheit und Gegenwart Soest
Z899 Ferdinand Koch, Ein Beitrag zur altwestfäl. Malerei in
der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Münster.
2902 R o t h e r t , Das älteste Bürgerhaus Westfalens. Zeitschr.
d. Vereins für Gesch. u. Altertumsk. Westfalens, Bd. 6 (1902).
X903 Katalog der kunsthistor. Ausstellung Düsseldorf 1902.
Besprechung: Giemen, Zeitschrift für bildende Kunst. Leipzig.
1904 Katalog der kunsthistor. Ausstellung Düsseldorf 1904.
Besprechung: Scheibler, Repertorium 1905. Publi-
kation von Giemen und Firmenich - Richartz (Bruckmann).
1905 Witte, Der Patrocli-Dom zu Soest. Ein Beitrag zur
westf. Kunstgeschichte. Dissertation. Münster.
— Herrn. Schmitz, Die mittelalterliche Malerei in Soest. Zur
Geschichte des Naturgefühls in der deutschen Kunst. Münster.
— Josephson, Die Kirche Maria zur Höhe. Soest
— Die Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen. Heraus-
gegeben vom Provinzialverbande. Bd. 16. Kreis Soest
(775 Abbildungen!) Einleitung von Vogeler. Münster.
1907 W. Käsbach, das Werk der Maler Victor und Heinrich
Duenw^ und des Meisters von Kappenberg, Münster.
— Josephson, Die alten Glasmalereien in Soest „Nieder-
sachsen*' 1907, „Soestnununer" (mit Arbeiten von Wilms»
L. Schröder, Hub. Schwarz u. a.).
— Katalog der Ausstellung für kirchliche Kunst zu Soest vom
ZI. Aug. bis I. Sept. 1907, verbunden mit einer Ausstellung
von Werken Aldegrevers. (Leiter: Pfarrer Ciarenbach in
Borgeki). Besprechung: Herrn, Schmitz in „Die Rhein-
lande'' 1907.
— Max Geisberg: Die Münsterischen Wiedertäufer und
Aldegrever. StraBburg, Heitz.
Digitizeo v^oogle
142
Soest
REGISTER.
(Di« ia Soest selbst befiadlidieii Kunstwerke sind ottsf&lirlidier im Aaliang
▼erseidinet).
AUegrever 22, 24, 26, 27, 2Bk 102 j Abb. 22
-27. 92-9R
Ampen 8.
Arnold, Erzbisdiof von Kdln 1.
Arnsberg 4» 6^ 7. 15^ 48» 75j Abb. TL
Amsberger Wold 16^ 72, 78.
Böckerkoni-Streit 14.
Berlin, Museum 9, 13, 18, 54^ 57, 82,92}
Abb. 9, 86. 87.
Bildhauerei in Soest 64.
Bordiwede, Thomos 23, 28.
Bdhmisdies Söldnerheer 1&
Börde 4. 31. 68, 72, 75^ 19.
Borgeln 23.
Bornholm 51.
Bremen, Dorf 40.
Bruno, Ersbisdiof von Köln 9. IL
Bmnsteinkopelle 59.
Burghof 43, 67. Abb. 37.
Burgundisdie Malerei, Einfluß 86.
Burriditer 3. 113.
Byzantinisdie Kunst, Einfluß 51, 52, 54.
Campen, Joh. von 23, 25.
Cleve, Herzöge von 15, 16, 20,24. 25, 89. 103.
Conrad von Soest 8L
Daniel von Soest 27.
Doruis Ta^gemfllde 85; Abb. 83L
Dialogon 27.
Dortmund, Gemälde 85, 98; Abb. 90.
Dunwege 30. 9ö; Abb. 20. 28, 90.
Drüggelte. Kapelle 47; Abb. 44 -46.
Engem 1, 15.
Enkesen 8.
Eidgesdlen 22.
Eisenkoit m 119: Abb. KM.
Fehde 15 ff.
Franzüsisdie Herrsdiaft 113.
hrcckcnhorst, Tafelmalerei 9L
Freiligrath 31. 68.
Friedridi der Große IIL
Frommesdies Hans 111$ Abb. 102,
Fröndenberg, Tafelgemälde 87 ; Abb. 80.
Glocken, 13, 119. 122. 12a
Goldsdimiedekunst 11, 13, 103, 119. 122.
Gothland 21.
Gotische Malerei 81«
Gropper 23, 28.
Großer Teich. 1. 3, 21.
Gymnosium 30, 134.
Haarstrang 16, 35, 791
Hacketüuer 115.
Hallenkirdien 44, 46, 59.
Handel 1, 21. 22, 75, 86, HO, 113.
Hanso 110.
Harkort 76.
Hellweg 1, 32, 71.
Schlacht auf dem H. 33.
Hohnekirdie siehe Maria zur Höhe
Hoventeilimg 1, 3.
Idensen 52.
Itolienisdie Treeento- Malerei, Einfluß
84, 86.
Isselhorst^ Altor BS.
Jostes 21, 27
Karl der Große 6, 7, 8b 32; 7Z
Kleinsdinitjer 70.
Kloster 22. 30.
Köln, Beziehungen zu K. 1, 9.
Kdlnisdie Malerei 8ft
Körbeeke, Job. Ton 92.
Kreussfige 32, 48^ 51, 52; 55.
Lake, Bortholomfius ron der L 19.
Langenborst, Gemälde aus L. in Munster
92; Abb. 84, 85.
Liesbomer Meister 98.
Li|»por9er Meister 9&
Lii>p8todt 17, 30, 57.
Lippstaedter Reimdurottik 15b 3Ql
Lohne 17, 24.
Lon, Gert von 100.
Lflnen, Alter MXk
Lutber 25, 10&
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Register
143
Moria zur Höhe, Bau 45, 123; Abb. 40
-43» 107.
Woiidmolereieii,54k57, 123; Abb* 51.
Scheibenkreuz 65. 124; Abb. 23.
Skulpturen 65. 125; Abb 31,
Altargemälde 98, 125; Abb. 88.
Maria zur Wiese, Bau 59, 125; Abb. 54,
56-58» 68, 69, 108.
Gloafimster 13,21,82, 123; Abb. 13» 21.
Skulpturen 55, 125; Abb. 62, 63.
Tafelgemäldc 82, 85» 98» 10Q,!l25;
Abb. 81. 89, 91.
Altartucb 127; Abb. 29. 109.
Morimifeld, TolelgmuAlde oat M. in
Hfinster 92.
Mark, Grofodi. 20. 75. 77.
Mauern von S. 1. 19, III, 112» 134; Abb 19.
Meister Wilhelm 86.
Mergelsandstein 72.
Methler 57.
Minoritenkirche 22, 63, 128; Abb. 59^6(1
Barockaltar III. 129.
Munster. Museum 11. 52, 91. 92, 96.1Qa
Neqoamsbudi 3, 81; Abb. 5, 6.
Nieolaikapelie. Bau 43. 130; Abb. 36. 113.
Wandmalerei 57, 130L
Tafeigemaide 131; Abb. 74.
Niederländisdie Malerei, Einfluß 9L &
Niederwildungen, Altarbild Meitter Con-
rads 85; Abb. 76.
Omiken, Gert 24.
Orient, Beziehungen zum 0. 11, 51 ff.
Osthoventor 4, 101, 132; Abb. 4.
Ost-Onnen, Freistuhl 8.
Kirche 39; Abb. 34.
Paetmn daeale 16» III.
Panidle, Kloster, 22, 75,
Patrocltts, der heilige P*, 9l 23
Patroclisdiü^en 13, 22.
Patroclidom 10, 11. Bau 41, 48, 117;
Abb. 1, 12, 35, 47. 48, 103.
Woadmqlerei 11, 5^ 54. 118; Abb. 50.
ReUef 65b 119; Abb. 30.
Kruzlfixtts, gemalt 84 ; Abb. 75b
Kasel 90, 120; Abb. 16.
Potrodusstatue 11, 119; Abb. 10.
Fotroelttsbäste 11; Abb. 14.
PotrocUsdireiii 11, 16^ 18» 66; Abb.9. 18^
Ftoiililurdie, Boa 63^ 123; Abb. 61, 112.
Skulpturen 66, 123.
ToCelgemaido 85; Abb. 78.
Petras, der heilige P.. 3b 9^ 14.
Petrikirdie 2, 33.
Bau 38, 44. 59. 111,121; Abb. 1, 33, IQS.
Relief" 65, 121.
Keldi 122; Abb. 106.
Pfarrteüung 3, 10, 42.
Philipp TOB Heinsberg, Ersb. r. Kdln 1.
Rademadter, Eberhard 8.
Rathaus III. 133; Abb. 99.
Recklingsen, Freistuhl 8.
Rothert 33.
Rtthrtol 16, 73.
Rumeney 43L
Sammelbretler III.
Sassendorf 21, 73.
Sauerland 22, 75,78.
Schaditrop 25.
SdimiQ, GroiSriditer 8.
SdiSppinger Meister 92 £; Abb. 7, 17.
Siegerland 75.
Simpliaussimus 75.
Sdileswicker 43.
Stadtardiiv 4, 7, 27, 133.
Stenkyrka 51.
State. J. P. IL
Stute, Assessor 115.
Sünninghausen 96.
Tappe 2().
Thoniüskirche 44, 58, 128; Abb. 38, 39,
55, IIÜ.
Tliidreekssoge 32.
Topp. Wirtsduift TSb 116; Abb. lOQ, 101.
Tudimadier 1.
Vehme 6 ff., 15.
Vrie, Prediger 25. 28.
Waisenhaus III.
Walpurgisstift 17, 20. Gemälde aus W.
91. 96. 113; Abb. 82» 86.
Wappen von S. 31
Warendorfer Altar i. Mfinsler 85;Abb.77.
Welver. Kloster 8. 22
Werl 14, 16, 32, 73.
Weslarn 11. 57.
Westerburg.ErsbiBdiof Siegfried V 4.
^dttkindsmaner 32»
Zigefried, Goldsdunied 11, 29l
Zorbonsen 33.
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Drudi TOn Ernst Hedridi Nadif,» 6. m. b. H., Leipzig
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