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Full text of "Soest;"

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THE LIBRARY 
OF 

THE UNIVERSITY 
OF CALIFORNIA 



BBQUEST OF 

Alice R. Hilgard 



4 
J 



4 



BERÜHMTE 

KUNSTSTATTEN 

BAND 45 " SOEST 

















VON HERMANN/SCHMITZ 






MIT 114 ABBILDUNGEN 












LEIPZIG 1908 






V£jI\LAvj VUIN Jj. A. oliljjyLAiNJN 











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GIFT 



I 




Abb. 2. Soest nach Braun und Hogenberg, Theatrum urbium (ca. 1595). 



VORWORT. 

Soest war im Mittelalter eine der blühendsten Städte Westfalens. 
Der eigentümliche Charakter des westfälischen Stammes fand in 
den politischen, sozialen und religiösen Erscheinungen dieser Stadt, 
vor allem aber in ihrer Kunst, seinen stärksten Ausdruck. Die 
Stadt war gewissermaßen Mittelpunkt, Schöpfung, Seele einer ganzen 
abgeschlossenen Rasse. Sie enthüllt uns das innere Wesen einer 
Volksgemeinschaft, die in dem heimatlichen Erdboden tiefer als 
irgend eine andere deutsche Völkerschaft zu wurzeln scheint! 



INHALT. 

Seite 



Vorwort V 

I. Kulturgeschichtlicher Teil 

1. Entstehung. Entwicklung zur Stadt i 

2. Soester Recht 4 

^. Die Vehme 6 

4. St. Patroclus 9 

a. Soester Fehde ig 

6. Die Reformation 2i 

7. Dichtungen 27 

8. Sagen 32 



II. Kunstgeschichtlicher Teil 

9. Die Bauwerke des romanischen Stils (ca. 1150 — 1250) 36 
10. Die Malereien des romanischen Stils (ca. 1170 — 1270) 52 



11. Die Bauwerke des gotischen Stils (Ende 13. bis Ende 

IS. Jahrhunderts) g8 

12. Bürgerhäuser. Stadtanlage 67 

13. Geologische und klimatische Verhältnisse 72 

14. Landschaft 78 

15. Die Malerei des 15. Jahrhunderts. Erste Periode: 
Meister Conrad 81 

16. Zweite Periode, ca. 1440 — 1500 91 

17. Heinrich Aldegrever 102 

Schluß. Niedergang der Stadt HO 

Anhang: Führer. Verzeichnis der bemerkenswerten Kunst - 
werke in Soest 117 

Die wichtigsten Daten der Soester Geschichte 134 

Literatur 139 

Register 142 



1. Entstehung. Entwicklung zur Stadt 1 




Abb. 3. Soest von Süden. 



1. TEIL. 

1. Entstehung. Entwicklung zur Stadt. 

Soest entstand aus sieben Höfen, die sich um einen Teich, 
in der Nähe salziger Quellen, mitten auf dem fruchtbaren Hellweg 
angesiedelt hatten. Die Besitzer dieser ,,Sodsaten-hoven", vom 
altsächsischen Stamm der Engern, waren Jahrhunderte unter der 
Oberherrschaft der Erzbischöfe von Köln. Um die Mitte des I2. Jahr- 
hunderts erwarb sich die Gemeinschaft vom Erzbischof Arnold 
(t 1151) ein eigenes Recht, hob sich aus der Landgerichtsverfassung 
heraus und wurde Stadt; ,, Stadt der Engern" heißt sie auf dem 
ältesten Siegel. Jetzt nahm die eigentliche Kultur ihren Anfang, 
die Stadt wurde ein Hauptstapelplatz des Handels vom Rhein zur 
Ostsee, nach Schleswig und Lübeck, neben den Bauernstand stellte 
sich der Kaufmannstand, die Handwerke, vor allem der Tuch- 
macher, blühten auf^), damals entfaltete die Soester Bauschule, in 
ihrem Gefolge Malerei und Plastik, ihre erste Kraft in Stadt und 
Umgegend. Gegen Ende des Jahrhunderts war die Bevölkerung 
bereits so angewachsen, daß Erzbischof Philipp von Heinsberg 
(t 1191) den Ort auf seine heutige Ausdehnung erweiterte; er um- 
zog ihn mit starken Mauern, die dreißig Türme (Abb. 19) und 

1) Ihre Walkmühlen lagen an der Möhne, südlich von Soest. 
Schmitz, Soest ' 1 



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Abb. 4. Osthoventor. Meister Porphyrius, 1523— 36. 
(Meßbildanstalt.) 



1. Entstehung. Entwicklung zur Stadt 



3 



zehn Tore (Abb. 4) hatten, das Jakobitor im Westen, wo der Hell- 
weg hereinkommt und das Thomätor im Osten, wo er hinausgeht. 
Gleichzeitig gründete er sechs Pfarreien; St. Peter, St. Paul, 
St. Georg, St. Thomas, Maria zur Wiese und Maria zur Höhe. 
Bisher nämlich war die Bürgerschaft unter einer Kirche, St. Peter, 
vereinigt gewesen, die Erzbischof Cunibert, dem das Soester Gebiet 
vom Frankenkönig Dagobert geschenkt wurde, bereits im Jahre 633 
auf dem Hügel inmitten der Höfe gegründet haben soll; sie 
wird heute noch ,,olde Kerke** genannt und der Petrischlüssel 
ist das Soester Wappen (Abb. i u. 2). Der Pfarrordnung legte 
der Bischof die alte Teilung der (jetzt auf sechs verminderten) Hof- 
gemeinschaften zugrunde: Große und kleine Westhove, Nordhove, 
Osthove, Südhove, Hellweg in der Mitte*). Diese Bauerschaften 
verloren bis in die Reformation und darüber hinaus niemals ganz 
ihre Bedeutung, jede wählte einen Burrichter: Wahlmänner, die 
in den ersten Zeiten den Gemeinderat ernannten. 



1) Die Pfarrteilung deckte sich allerdings nicht genau mit der Hoventeilung. 




Abb. 5 u. 6. Nequamsbuch. Soest, Rathaus. Mitte des 14. Jahrh. 
Links: Zwei Angeklagte vor dem Richter. 
Rechts: Wippen am großen Teich. 



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4 



Soest 



2L Soester Recht. 

J>«r Stadt Soest triumpititelf Vorsich- 
ticheit is ein moder der rykdome.*' 

Der aus der Bürgerschaft hervorgegangene Rat brachte im 
Verlauf des 13. Jahrhunderts die weltliche Gerichtsbarkeit fast 
ganz in seine Hände, die niedere, das Schultheißen- oder lilarkt- 
gericfat (für Zivilsachen) sowohl wie die hohe, die bisher der Vogt 
des Erzbischofs unter Königsbann ausgeübt hatte. Indem die 
Stadt ihre Gerichtsbarkeit allmählich über die Börde, den alten 
„Soistgau" ausbreitete, gelangte sie in den Besitz einer reichen 
Landschaft. Schlau und vorsichtig, ohne die wüsten Kämpfe, 
wie sie die rheinischen und lombardischen Städte mit ihren Landes- 
herren führten, entzog sich Soest der kölnischen Hoheit und er- 
setzte nach und nach alle bischöflichen Beamten durch seine 
Bürger. Nur als die Stadt im Jahre 1279 die erzbischöfliche Vogtei 
dem Grafen von Arnsberg hinter dem Rücken des Erzbischofs 
abgekauft hatte, belebte sie Siegfrid von Westerburg mit Interdikt. 
Das Soester Stadtrecht ist erhalten in zwei lateinischen Nieder- 
schriften des 13. Jahrhunderts und einer niederdeutschen erweiterten 
Fassung aus der Mitte des 14. Jalirhunderts (1350). Diese so- 
genannte ,,Schrae", das alte gekorene und geprüfte Recht, wurde 
alljährlich der Gemeinheit vorgelesen und auf dem Rathaus (seit 
dem Jahre 153 1, weil sie zehn Jahre gestohlen war, angekettet) 
aufbewahrt. Die Vortrefflichkeit der Soester Gerichtsverfassung 
für die damaligen Verhältnisse geht daraus hervor, daß sie ein 
Dutzend oder mehr norddeutsche und westfälische Städte im 
12. und 13. Jahrhundert zum Vorbild genommen haben; bis ins 
15. Jahrhundert war Soest als „Oberhof" von den südwestfälischen 
Städten angesehen. Die Grundzüge des westfälischen Temperaments, 
die in der alten Soester Bürgerschaft am stärksten lebendig waren, 
enthüllen sich vielleicht nirgendwo glücklicher als in den städti- 
schen Rechtsbüchem und Erlassen: Sinn für praktische Verhält- 
nisse, Einfachheit im Denken, monumentale Sachlichkeit, an dem 
Erdboden haftende Schwere! Die Westfalen sind deshalb nicht 
gerechter als andere Menschen. In der Soester Geschichte ist der 
Eigennutz nicht geringer als anderswo. Es heißt: de raed sal 
mechtich syn und volkomen macht hebben, to richtende, to re- 
gerende, to beschermende ere, recht und olde loveiike wonheyd 



2. Soester Recht 



5 



und vrygheid der stat to 
Soist, dem herrn van 
Cöln, der stat to Soist, 
den borgem, den broder- 
schopen, gilden, gemein- 
heyd to eren rechte und 
eynem juweliken (jeg- 
Hchen) to synem rechte, 
alze dat van oldes 
ghehalden und herghe- 
kommen is'). In Wirk- 
lichkeit herrscht aber 
hier, ebenso wie in 
allen Städten , ein un- 
aufhörlicher Kampf zwi- 
schen der Gemeinheit 
und den Ratsfamilien, 
die Vetternwirtschaft 
und aristokratische Re- 
gierung anstelle der Ver- 
fassung setzen wollen. 
Hüte dich gegen einen 
Reichen dein Recht 
geltend zu machen I 
sagt die Soester Ge- 
richtsordnung selbst. 
„Dat Recht is eynem 
spinnenwabbe gelick , 
dey starken groten flegen dey gaen dar dorch, dey kleinen und 
swaken blyven darynne . . . dey armen und sympelen werden mit 
den rechten gebunden und beswert." Es soll vielmehr nur gesagt 
werden: der juristische Sinn erschien in dem westfälischen Volks- 
stamm, dem fester Grundbesitz und langbestehende Verhältnisse 
so wichtig waren, in einer stärkeren erhöhten Form, als eingeborene 
Neigung, ja fast als tiefe Leidenschaft. 




Abb. 7. Schöppinger Meister, um 1460. 
(Vom linken Flügel des Altars in Schöppingen.) 
(Phot Bruckmann.) 



1) Neue Ordnung von 1443. 



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6 



Soest 




Abb. 8. Soest, Nach M. Merian. 



3. Die Vehme. 

Ein schöpferisches Rechtsgefühl tritt hier sogar an Stelle der 
in gewisser Beziehung schwachen poetischen Instinkte; anders 
läßt es sich nicht erklären, daß die phantastische Schöpfung der 
Vehme gerade auf westfälischem Boden entstanden ist'). Die 
freien Grafschaften, die Karl der Große in Westfalen gegründet 
hatte, daß sie unter Königsbann Recht sprechen sollten, hatten 
beim Aufkommen der landesherrlichen Richtergewalten ihre Be- 
deutung verloren und waren an Städte und geringere Leute über- 
gegangen. Die Freigrafen behielten aber den Brauch bei, sich 
von den Königen den Bann zu holen, trotzdem diese sich seit der 
Mitte des 13. Jahrhunderts kaum noch um das abgelegene Land 
kümmerten. Erst im Anfang des 15. Jahrhunderts traten die 
Freigrafen, infolge verschiedener Umstände, wieder aus der Stille 
hervor und erhoben ihre längstvergessenen Ansprüche. König 
Rupprecht von der Pfalz berief sie zu einer Besprechung, Sigismund 
erkannte ihre Gerichte als Reichsgerichte an. Erzbischof Dietrich 
von Mörs berief im Jahre 1430 nach Soest ins Ulricitor das erste 
allgemeine Freigrafenkapitel, 1434 hielt er hier mehrere Gerichts- 
sitzungen ab; 1437 ein allgemeines Kapitel zu Arnsberg, wo seit- 
dem auf dem Baumhof beim Schloß das Obervehmgericht tagte. 
Jetzt erst gewann die Vehmgerichtsbarkeit ihre Form. Die Frei- 
grafen behaupten: dat dit hilge recht dat hogeste recht is in dem 
hiligen Romischen Riehe. Karl der Große habe die Gerichte ge- 
gründet auf Eingebung des heiligen Geistes, um den Christen- 



1) Hier stützt sich die Darstellung vor allem auf Lindner, Die Fehme, und 
Barthold, Geschichte von Soest 



3. Die Vchme 



7 



glauben und den Landfrieden bei den Sachsen zu befestigen» Papst 
Leo, Kaiser Heinrich und Friedrich hätten sie bestätigt, darüber 
hätten sie Briefe und Bullen. Nur freie Landsassen, Besitzer von 
Eigengut, dürfen Schaffen und Zeugen sein. Kaiser Karl habe 
ihnen die Höfe verliehen, daß sie dem Stuhl dienen sollten. Nur 
Westfalen dürfen Freistohle besitzen; „alle Schdffen sollen gemacht 
werden auf der roten Erde, das ist zu Westfalen." Dunkle Redens- 
arten kommen in Schwang. Die Schöffen sollen die Vehme geheim 
halten: „Düsses und dat hyrinne beschrsrven stett, ensal nemant 
lesen noch hören lesen, dann fryscheffen des heylligen ryches" 
lautet der Titel der Vehmordnung aus dem 15. Jahrhundert im 
Soester Stadtarchiv; die Rückseite zeigt das Bild Caroli Magni. 
Der Freigraf soll dem Neuaufgenommenen ,,die Heimlichkeit kondt- 
doin und bevelen eme de na aldem herkomen und gesette des 
hilligen und groten Keiser Karls". Die Losung heißt: Stock, Stein, 
Gras, Grein; die Wissenden begrüßen sich durch rätselvolle Griffe 
und sagen das Notwort, das der Kaiser der Vehme selbst gegeben 
hat. Wen sie ergreifen mit hebender Hand und gichtigem Mund, 
bei blickendem Schein, den sollen sie hängen an den nächsten 
Baum, wer aber die Losung verrät, dem gehört: ein Tuch um die 
Augen, ein Pint in den Nacken, ein Strick um den Hals, die Hände 
auf den Rücken und drei Fuß höher gehangen als einen anderen 
Dieb. Die Bedeutimg der Acht war in Wirklichkeit gering, nur 
wenige Vervehmte sind tatsächlich gerichtet worden. Die Be- 
drohungen, die sich bis nach Süddeutschlmd erstreckten, bestimmten 
endlich Kaiser Friedrich IIL gegen das Treiben, das zuletzt auf 
Erpressung hinauslief, einzuschreiten. Die Freigrafen aber ant- 
worteten, er wäre selbst kein Wissender und habe über die Vehme 
keine Macht Die Ladung vor das Hof- und Kammergericht wurde 
mit der Ladung des Kaisers vor den Preistuhl von Wünnenberg 
beantwortet Das Amsberger Kapitel erklärte schließlich den 
Kaiser in die Acht, weil er die Gesetze Karls und Leos verletzt 
habe: „Die heiligen Gerichte müssen und sollen bleiben und nicht 
abgetan werden, ehe nicht vorher der Christenglaube abgetan ist^* 
Dieses Vorgdien brachte die Vehme um ihr letztes Ansehen. 

In Soest spielte sie gegenüber dem Ratsgericht eine geringere 
Rolle, gleichwohl mußten die Ratsmitglieder sämtlich Wissende 
sein: „es ist besser je mehr Leute sind, die wissen, wie es in dem 
Lande steht". Früh hatte die Stadt die Freigrafschaften in ihren 



8 



Soest 



Besitz gebracht; 1338 die Rüdenberger, 1369 die Heppener; den 
Stuhl zu Deiringsen legte sie 1393 vor die Elveridöporte, zwei 
Stühle hielt sie vor dem Rathaus. Die StOhle richteten über Feld- 
diebstihle, kleine Hfindel, Beschädigung der Königstrafie. Auf der 
Borde ständen unter anderem Stühle zu yyLüdge Ampen auf dem 
Brink an dem Hellweg^S zu „Ostönnen in Wulves Hofe unter dem 
Apfelbaum" (Abb. 34), zu „Enkesen auf demTigge'% zu „Recklingsen 
unter der Linde". Hier besprachen auf dem „echten" Ding, das 
überhaupt keine Straf gerichtsbarkeit hatte, die im Freibann sitzenden 
Bauern ihre Wege-, Grenz- und Zaunstreitij^iten und was sonst 
in der Bauerschaft geschah. Zuletzt verloren sie auch diesen 
letzten Inhalt, aber sie wurden gehalten nach wie vor: unter freiem 
Himmel, am hellen Tage. Der Frohne forderte vom Freigraf das 
Gericht: Herr Graf, als Ihr habt Möge und Macht vom heiligen 
römischen Reiche, und Kaiser Karl und der ehrenreichen Stadt 
Soest: so hat sich die Sonne also erhöhet und der Tag also ver- 
kläret, daß Ihr allhier möget hegen ein freigericht unter königs- 
- banne. Noch im Anfang des 18. Jahrhunderts ritt der Soester Frei- 
graf mit zwei Frohnvögten am Pfingstabend zum Kloster Welver, 
nachdem sie sich in der Küsterei vollgetrunken hatten, schwang 
er sein Schwert: daß er aus Vollmacht kaiserlicher königlicher 
Majestät und der ehrenreichen Stadt Soest das Stift befreie, also 
daß niemand sich daran vergreifen sollte, so lieb ihm Leib und 
Leben, Gut und Blut. Die preußische Regierung in Cleve verbot 
infolge der Denunziation des Großrichters Schmitz diesen Unfug, 
da im ganzen römischen Reiche die sogenannten westfälischen 
heimlichen Gerichte längst abgeschafft seien, weil die landes- 
herrliche Hoheit dadurch geschmälert würde (1707). Dr. Ludwig 
Eberhard Rademacher (f 1750), der die damaligen Verhältnisse 
beschrieben hat, war der letzte Soester Freischöffe. 

Die Einrichtung beruhte also in der Erinnerung an das den 
freien Sachsen von Karl dem Großen verliehene Grafenrecht, 
daraus entsprang die Vorstellimg einer von Anfang an über aller 
landesherrlichen Willkür stehenden westfälischen Gerichtsbarkeit 
im deutschen Reiche: dies ist das Schwert von Carolus Bfagnus, 
welches seit tausend und mehr Jahren im Oberhofe aufbewahrt 
wird. Und ich sage und behaupte, daß es das ächte und aufrichtige 
Schwert Caroli Magni ist, womit er hier auf dem Oberhofe den 
Freistuhl gesetzet und eingerichtet hat (Immermann.) 



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4. St. Patroclus 



9 




Abb. 9. Schrein des hl. Patroclus. Silber getrieben. Meister Ziegefried, 1313. 
Berlin, Kaiser-Friedrich-Museum. (Inventar der Prov.) 



4. St. Patroclus. 



Das Hervortreten des städtischen Patriotismus zugleich mit 
der Herausbildung eigentümlicher Rechtsverhältnisse und der Los- 
lösung von Köln findet bestimmten Ausdruck darin : daß im Ver- 
lauf des 13. Jahrhunderts an Stelle St. Peters, des Patrons der 
Kölner Kirche (S. 3) , der heilige Patroclus getreten ist. Ein 
Sohn adliger Eltern in Troyes, hatte er sich früh einem frommen 
Leben zugewandt, so daß er bei Lebzeiten ein Heiliger des Himmels, 
ein Vater der Bürger genannt wurde, der Witwen und Waisen 
half, Kranken heilte, Dämonen und Feinde vertrieb. Im Jahre 273 
wurde er auf Befehl des Kaisers Aurelian, da er standhaft am 
Glauben hielt, enthauptet, und zwar an den sumpfigen Ufern der 
Rhone, damit sein* Leichnam versinken sollte. Der Herr aber 
hörte das Gebet des Sterbenden, blendete die Liktoren, der Leichnam 
schwamm zum anderen Ufer, wo ihn die Christen begruben. Später 
wurde darüber eine Basilika gebaut, die als Wunderstätte besucht 
wurde.^ Um 950 schenkte der Bischof von Troyes den Leichnam dem 
Erzbischof Bruno von Köln, der ihn selbst aus dem Grabe nahm 
und im Jahre 963 nach Soest brachte, das ihm sehr am Herzen 
lag; hier war das Volk noch roh im Glauben und die Wunderkraft des 



10 



Soest 




Abb. 10. Patroclusstatue im Münster Patrocli. Stein, bemalt 

Ende 12. Jahrh. 



Heiligen konnte eine große Wirkung ausüben^). Bruno gründete 
das Münster und das Kollegiatstift zum heiligen Patroclus 
(Abb. I). Die Stiftskirche stand über den sechs Pfarrkirchen, noch 
in später Zeit mußte ein Knabe aus jedem Kirchspiel zu Ostern 

1) Die Vitae sanctorum in Brüssel aus St, Pantaleon (geschrieben in Köln 
um 1300—1320), die u. a. das Leben und Testament des Bischofs Bruno enthält, 
zeigt auf Fol. 406 den hl. Patroclus, gerüstet 



4. St. Patrodiis 



11 



und Pfingsten hier getauft werden. Die 

Gebeine des Heiligen wurden später aus 
dem Grab — dessen Stein mit der Inschrift 
,,Patrocle hone pater" in die Turmempore 
eingemauert ist — herausgenommen und 
in dem silbervergoldeten Schrein aufbewahrt, 
den der Soester Goldschmied Zigefried 
(1311 — 36) im Auftrag des Kapitels im 
Jahre 1313 gemacht hat; auf der einen 
Längsseite steht Patroclus, gerüstet, mit 
Reichsschild und Fahne, cjee:enüber Bruno 
von Köln, umgeben von den Aposteln (Abb. 9). 
Eine ganze Reihe von Darstellungen des 
Heiligen aus dem 12. und 13. Jahrhundert 
sind erhalten: die renovierte Holzstatue auf 
der Säule in der Vorhalle des Domes mit 
Adlerschild und ausgestrecktem Richtschwert 
(Abb. zo); die Steinstatue, wie es heißt, 
vom alten Rathaus» auf dem Hofe des 
Schulte Weslarn aufbewahrt, die vor zwei 
Jahren ins Museum nach Münster gekommen 
ist (Anfang 13. Jahrhundert, Abb. 11); als 
Fürsprech erscheint er in den Apsiden- 
malereten des Milnsters, des Marienchors 
-m MCbister und der NioolaikapeUe. Hier 
tritt er wie bei der Weslarer Statue und auf 
den städtischen Siegehi der Zeit in griechisch- 
byzantinischer Rüstung auf, mit dem Oilamis 
(Kriegsmantel) über der Schulter; das be- 
merkt auch schon Joh. P. Stute Ton den Dar- 
stellungen des Heiligen in seiner Dissertation, die er im Jahre 171 2 
über den Stadtpatron verfaßte; die Kostümierung beruht auf den 
Beziehungen Soests zum Orient im 12. und 13. Jahrhundert. Auf 
dem Rathaus mußte jeder Ratsmann vor Beginn der Sitzung das Bild 
des Heiligen durch Verneigen ehren; im Rathaus ist eine Stein- 
statue des Heiligen aus dem 15. Jahrhundert vom Walpurgistor, 
wo die Hauptangriffe der Böhmen stattfanden. Immer wird Patroclus 
als starker Krieger dargestellt. Der Patrocliturm, ihm zu Ehren von 
der Stadt im Anfang des 13. Jahrhunderts erbaut, war der Mittel- 




khh. II. Patroclus. 
Stein, bemalt. 
Auf. 13. Tahrh. 
M&nster, Landesmuseum. 
(Inveiitor der Prov.) 



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12 Soest 




Abb. 12. St. Patrocliis. Turm und Vorhalle. 
(Meßbildanstalt) 



4. St. Patroclus 



13 



punkt der städtischen Be- 
festigung, über der Vorhalle 
lag die Rüstkammer, 
die oberen Geschosse 
des Turmes dienten Wacht- 
und Verteidigungszwecken 
(Abb. 12) ; er ist Eigen- 
tum der Stadt: ,,Sunt Pa- 
troclus monsterstorn , de 
klocken ind dat moenster 
bis an dat choer gehoeren 
den(en) van Soist und nicht 
dem proveste noch capitel". 
Die von Soest halten Turm 
und Münster in Bau, es ist 
ihr Recht, die Glocken zu 
läuten , und nicht des 
Provest noch Capitels. Die 
Sturmglocke rief die be- 
waffnete Bürgerschaft zu- 
sammen, in der Patrocli- 
glocke löste das Volk dem 
Patron seine Gelübde; auf 
der Turmspitze wurde der 

Abb. 13. Glasfenster. St Patroclus und Maria. Heilige als Windfahne auf- 
Maria zur Wiese. Ende 15. Jahrh. gestellt , SO daß er Markt 

und Verkehr schützte und 
den Bauern den Wind anzeigte'). Die Patroclikirchweih, St. Ulrici, 
am 4. Juli, war mehr eine städtische als kirchliche Angelegenheit. 
Während der Festtage besetzten die Patroclischützen das Münster, 
sie trugen den Schrein Patrocli um und bewachten die Prozession. 
Kein Heiliger, den die Kirchspiele des Archidiakonats mitbrachten, 
durfte im Chor des Münsters niedergesetzt werden, weil dieser dem 
Kapitel gehörte ; einzig auf die von der Stadt bezeichneten Plätze im 
Münster müssen ,,alle Kerspelle bynnen der Stadt, alle stede, dorper 

1) Darstellungen des Heiligen aus dem 14. Jahrb.: Gotisches Antependium 
in Berlin. Glasfenster der Wiesenkirche, Hauptchor. Holzstatue ebcndort, Ende 

14. Jahrh. Glasfenster ebendort südl. Nebenchor, Ende 14. Jahrh. — Aus dem 

15. Jahrb.: Glasfenstcr mit Maria und kniccndem Stifter Wiesenkirche, Ende des 
Jahrb. (Abb. 13), Glasfenster in St. Paul, Anfq. 15. Jahrh. Büste des Heiligen im 
Domschatz Anfg. 16. Jahrh. (Abb. 14). U. a. 0. 




14 



Soest 



und Capellen buyten dem Gericht van 
Soist des avendes vor der vesperen 
mit eren crucen, fanen, hilligen und 
hilgedomen" kommen und über Nacht 
bleiben. Im Anfang des i6. Jahr- 
hunderts blieben die Bürger von Werl 
mit ihrem heiligen Kreuz eines Tages 
aus und weil dieses Kreuz besonders 
wunderkräftig war, viele andere Ort- 
schaften. Dadurch wurde die Stadt, 
für die die fünftägige Ulricikirmes 
eine wichtige Einnahmequelle war, ge- 
schädigt, der Rat befahl den Bürgern, 
dem Propst von St. Patroclus kein 
,, Bäckerkorn" zu liefern, bevor nicht 
die Werler und das heilige Kreuz 
wiederkämen. Der Propst führte 
einen Prozeß durch alle Instanzen, die 
Soester bestanden darauf, er solle erst 
verschaffen: ,,dat de van Werle als 
van aldes ere obedientie doin suUen". 
Erst 1549, nach mehr als dreißig Jahren, wurde der Streit um das 
Bäckerkorn beim Kammergericht beigelegt. Der Heilige, den der 
Erzbischof geschenkt hatte, um den Glauben auszubreiten, ist der 
Vertreter des städtischen Wesens geworden, der die Freiheit der Stadt 
selbst gegen die geistliche Oberhoheit beschützt, der Geschäft und 
Verkehr befördert, das Kriegswesen lebendig hält: ,,Der Stadt Soist 
Triumpf titel : Ein selige stat, de in tyt des fredes des kriges gedenket". 
Als sich der Streit mit dem Erzbischof Dietrich von Mörs zuspitzte, 
schlössen Rat und Bürgerschaft im Oktober 1441 einen Ver- 
brüderungsbund: ,,dem almechtigen gode to love, Marien der 
hemelkoningynnen, allen leyven engelen, dem hilgen hemelforsten 
sunte Patroclus, unsem patrone und hilgen, to eren und werdicheit, 
dem gemeinen besten unser Stadt Soest to selicheit". Und als Dietrich 
im Mai 1448 Zwietracht in die Stadt bringen wollte, wandte er sich 
an das Schmiedeamt und erinnerte sie an den eigentlichen Stadt- 
patron St. Petrus: ,, Bedenkt euch doch, kehrt wieder zu dem guten 
Sankt Peter zurück, unserm Patron, zur heiligen Kirche, zu uns und 
unserem Stifte, dabei ihr doch viele hundert Jahre gewesen seidl" 



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Abb. 14. Reliquienbüstc des hl. 

Potroclus, silbergetrieben. 
Anfang 16. Jahrh. Im Domschatz. 



5. Soester Fehde 



15 




Abb. 15. Soest nach M. Merian. Um 165Ü. 



5. Soester Fehde. 

Soest ist ein vaste stat, ser alt 

In Westphalen und Westsassen er enhalt 

Mit stritbar mans bevestet und beladen 
Begavet mit vetten acker und vruchtbar lant 

Dot hovet des hertoclidom Engern genonnl 
(Lippstadter Reimehronik) 

Der Bischof forderte die Freistühle der Stadt, vor allem ihren 

Hauptstuhl vor der Elvericksporte, als einstigen Besitz der Kölner 
Kirche zurück (S. 8)'). Bis an das Ende der dreißiger Jahre des 
15. Jahrhunderts suchte er die Bürger durch Wohltaten zu ge- 
winnen, indem er die städtischen Finanzen ordnete und neue 
Steuerrechte gewährte. Als die Stadt aber seine wahren Pläne 
merkte, erneuerte sie im Oktober 1441 den ins Jahr 1398 hinauf- 
reichenden Freundschaftsbund mit dem Herzog von Cleve, dem 
Erbfeinde der Kohier Kirche. Der Bischof verklagte die Stadt 
beim königlichen Kammergericht, der Ladung gab sie kein Gehör: 
der König dürfe über einen Sachsen nur auf sächsischer Erde 
richten (S. 7); sie wären nicht verpflichtet, ,,emme to solken 
saken to antworden, nadem se belegen weren up frier Sassscher 
Erden, im hertichdom to Engem, dar Soest ein hovetstadt van sij". 
Als der Oberhof des Herzogs von Lauenburg, dem die Sache über- 
geben wurde, die Stadt verurteilte, ließ sie am ZI. Juni 1444 die 
ersten devischen Reiter ein; der Erzbischof war am 50. Mai nach 
Arnsberg geeilt, um in letzter Stunde die städtischen Gesandten 
umzustimmen. Am 16. Juni sagte Herzog Adolf von Cleve, am 
19. der Jtmgherzog Johann, am 25. Juni Soest dem Bischof Fehde 

1) Hier stützt sich diu 1) tu st ^ 1 1 u i- - vnr allem aiit Hansen: die Soester Fehde. 
34. Bd. der Publikatioucu aus den kg!. Pr. biautsarchiveu lti88. 



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16 



Soest 




Abb. 16. Kasel mit dem Wappen von 
Cleve und Mark. 
1446 dem Domkapitel vom Herzog 
geschenkt Domschatz. 



an. Am 23. war der Jung- 
herzog in die Stadt geritten, 
ein fünfundzwanzigjähriger 
Jüngling, herrlich empfangen, 
vor dem Rathaus beschwor er 
den Erbvertrag mit der Stadt, 
das pactum ducale", und 
ging in den Dom, vor dem 
Schrein Patrocli zu beten 
(Abb. 16). 

Fünf Jahre dauerte der 
Krieg. Kölner und Werler ver- 
brannten das Korn in der 
Börde und die Haar längs, 
hieben die Obstbäume um, 
stürmten die Warten um die 
Stadt, fingen Bauern auf dem 
Felde , spannten Pflüge aus, 
warfen Butter- und Herings- 
fuhren in die Lippe oder traten sie in den Dreck, im Arnsberger Wald 
griffen sie Holzhauer. Frauen und Mädchen schickten sie nackt 
nach Soest zurück. Die Soester zogen ins Werlsche und Kölnische. 
Sie stürmten die Heidemühle bei Hamm, die Häuser Welschenbeck, 
Störmede und Körtlinghausen, überfielen Stadt Kallenhardt auf 
der Haar, verbrannten Menden und Wickede im Ruhrtal. Das 
einzige größere Gefecht war Ende Oktober 1446. Im Morgennebel 
war die kölnische Reiterei dicht an die Stadt gekommen, der Turm- 
wächter entdeckte sie, die ausbrechende Soester Reiterei trieb sie 
gegen die Haar und hielt sie dort, oberhalb Neheim, fest, bis das 
Soester Fußvolk heran war und den Sieg entschied. Viele Gefangene, 
auch adlige Herren, und einhundertdreißig Pferde wurden nach 
Soest gebracht. Die Stadt erhielt genug Zufuhr an Lebensmitteln, 
die Bürger holten viele Fuhren Holz aus dem Arnsberger Wald, 
jagten Schweine und Bären, nicht einmal den Mairitt der Jugend 
in den Wald konnte der Erzbischof stören. Im Jahre 1447 schickte 
der Kurfürst von Sachsen, um die inzwischen über Soest verhängte 
Reichsacht auszuführen, den Herzog Wilhelm von Sachsen mit 
12 000 Mann, zur Hälfte böhmische Söldner. Mit dem Heer des 
Erzbischofs vereinigt, zogen sie, plündernd und sengend, Entsetzen 



y Google 



5. Soester Fehde 



17 




Abb. 17. Schöppinger Meister, um 1460. Kreuzigung. 
(Aus dem Schöppinger Altar, Mittelstück.) 



in ganz Westfalen verbreitend, über Blomberg, Lemgo, Herford 
nach elftägiger Beschießung von Lippstadt vor Soest. Am 30. Juni, 
abends 8 Uhr, entdeckte der Turmwächter das heranrückende 
Heer bei Lohne und läutete die Glocken. Ermutigt durch der Lipp- 
städter Widerstand, und um das weidende Vieh zu retten, zogen 
die Bürger am anderen Morgen in geschlossenem Haufen aus Ost- 
hofen- und Thomaetor, dem Feinde entgegen (Abb. 4, S. 2). Sie 
begannen aus ihren Steinbüchsen zu schießen, als die Böhmen ihre 
Flügel umgingen und schnurstracks gegen die Tore rückten. Die 
Soester liefen, was sie konnten, die Steinbüchsen blieben stehen, 
mit Geschrei drängte alles in die Tore, im Anlauf stürmte der 
Feind das Stift Walpurgis, erschlug die Besatzung, als letzter floh 

Schmitz, Soest ^ 



18 Soest 




Abb. 18. St. Patroclus, vom Patroclusschrein. 
Berlin, Königl. Museum. 

der Jungherzog in die Stadt. Der Feind bezog auf der großen 
Wiese im Osten Lager. Am 3. Juli machte er von dem Stift aus 
den ersten Sturm, es war um Soest geschehen, wenn nicht der 
heilige Patroclus die eingeschüchterte Bürgerschaft aufgerichtet hätte 
(Abb. 18). Geistlichkeit und Schüler trugen den Schrein um die 
Wälle, durch den Geschoßhagel durch, an vier Stellen wurden die 
Evangelien verlesen, im Dom wurde vor dem Grabe Patrocli ge- 
betet, als eine Stimme geschah: ,,ich helfe euch in der Not. Des 



5. Soester Fehde 



19 




Abb. 19. Kattenturm am Ulrich-Jacobiwall. 
Erbaut 13. Jahrh. 
(LudorfF, Bau- und Kunstdenkmäler von Soest.) 

weren die borger wolgemoet, se worden desto fueriger allgemein und 
achteden ere viende gar klein". Anderen Tages versuchten sie, das 
Stift zurückzuerobern, aber die böhmischen Bogenschützen, nackt 
im Korn verborgen, jagten sie zurück. Not und Angst waren am 
höchsten, die altersschwachen Mauern (Abb. 19) zerschossen, als 
Dietrich am 19. Juli allgemeinen Sturm befahl. Auf drei Seiten 
stürmte das Heer, am Brüdertor der Bischof selbst voran, Helm 
und Schild, Geschenke des französischen Königs, wurden von drei 
Pfeilen getroffen ; aber die Stürmenden erreichten nichts, die Leitern 
waren zu kurz, am Abend lagen fünfzig Tote und an tausend 

2» 



Digitizei. 



20 



Soest 



Verwundete in den Gräben, viele von den Flüssigkeiten versengt, 
die die Weiber herabgegossen hatten. In der Nacht machten die 
Böhmen einen Aufruhr wegen des Soldes und zogen ab. Im 
Jahre 1449 wurde die Stadt und ihr Gebiet dem märkischen Teil 
von Cleve einverleibt, behielt aber eine der Reichsunmittelbarkeit 
gleiche Stellung, ist also endlich ,,von got dem heren eerstlik, 
darna dorch ere dapfere manheit von der tyrannischen bischopfe 
gewalt und pfaffen regiment erlöset'^ 

1) Nach dem Abzug der Feinde zerstörten die Soester das WalpurgerstifL 
Es wurde in die Stadt verlegt und 1454 —80 neu gebaut. Der Chor der Kirche 
wurde 1509 geweiht; sie war einschiffig. 1879 wurde sie abgebrochen; vorher hat 
sie der treffliche Tappe (1823,24) aufgenommen. Eine große Zahl der Soester 
Tafelmalereien stammt aus dem Stift — Zur Erinnerung an den Sieg wurde am 
Walpurgertor eine Inschrtfttafel angebracht, die jetzt ins Rathaus eingemauert ist. 




Abb. 20. Ausschnitt aus dem Altar der Dünwege, 
Propsteikirche zu Dortmund. 
(Phot. Bruckmann.) 



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6. Die Reformation 



21 




Abb. 21. Abendmahl. Glasfenster in der Wiesenkirche. Anfang 16. Jahrh. 



6. Die Reformation. 

Mit dem Augenblick, wo die Freiheit erlangt war, scheint 
die politische Kraft der Stadt erloschen zu sein*). Der Gemein- 
sinn, der die Bürgerschaft in der Not verbunden hatte, verlor sich 
im weiteren Verlauf des 15. Jahrhunderts. Die Gemeinde büßte 
allen Einfluß auf die Wahl des Rates ein, wenige Familien, vor 
allem die Salzbeerbten von Sassendorf, die in der Gesellschaft 
zum Stern vereinigt waren-), besetzten die Rats- und Bürger- 
meisterstellen unter sich, sie teilten sich auch die einkömmlichen 
Stiftspfründen und Pfarreien; sie häuften Kapital und Grund- 
besitz an, während der Reichtum der Stadt und der übrigen Be- 
völkerung rasch zurückging. Der Handel nach der Ostsee, im 
13. und 14. Jahrhundert bis nach Gothland, Finnland und Ruß- 
land ausgedehnt, hatte aufgehört; das Projekt der Kaufmannschaft, 
den aus dem Großen Teich entspringenden, in die Lippe münden- 
den Soestbach schiffbar zu machen, um am Rhein- und Amerika- 
handel teilzunehmen (1495) ist ein Zeichen dafür^). Das kölnische 

1) Hier stützt sich die Darstellung hauptsächlich auf Cornelius, Geschichte 
des Münsterischen Aufruhrs 1860 und Jostes, Daniel von Soest 1888. 

2) Die Sodsatengenossenschaft der Saline Sassendorf, eine Zunft der Erb- 
sälzer, wie sie auch in Werl bestand, war um 1350 gegründet. Anfang 15. Jahrh. 
zogen sie in die Stadt, 1517 siedelte ihr Collegium in das Haus zum Stern über. 

3) Napoleon trug sich 1811 mit dem Gedanken, Lübeck, Hamburg und Bremen 
mittels eines Kanals quer durch Westfalen mit dem Rhein zu verbinden. Die 
Lippe wurde im Anfang des 19. Jahrh. durch v. Vincke schiffbar gemacht (Harkort, 



22 



Soest 



Hinterland, für dessen 
Metallindustrie Soest 
Stapelplatz gewesen 
war und das ein Ab- 
satzgebiet der Boden- 
erzeugnisse der Soester 
Börde gebildet hatte, 
wurde durch die feind- 
seligen Erzbischöfe am 
Marktverkehr mit der 
Stadt gehindert und 
diese isoliert. Die zu- 
rückgegangenen Hand- 
werke wurden durch 
die Gewerbstätigkeit 
der Klöster geschä- 
digt^). Diese sozialen 
Mißstände bewirkten 
die schnelle Aufnahme 
der Reformation in 
Soest. Im Jahre 1530 
bildete sich in dem 
Hause des Johann von 
Arnsberch eine ge- 
heime revolutionäre 
Gesellschaft, die Eid- 
gesellen , unter deren 
(Abb. 22), sie steckten 
Gelegenheit der 



AU, 




Abb. 22. Selbstbildnis Aldegrevers, 1530. 
28 Jahre alt. Kupferstich. 



Häuptern Heinrich Aldegrever war 
sich hinter die Patroclibrüder, und bei 
nächsten Patrocliprozession verweigerten die 
Schützen dem Rat den Gehorsam, forderten mehr Wein und Lohn 
und blieben zu Hause, die Tönnisschützen schlössen sich an. Am 



Die Eisenbahn von Minden nach Köln, 1833). Erst jetzt erfüllt sich das Projekt 
z. T. durch den Dortmund-Emskanal. 

1) Schon Mitte 14. Jahrh. bestimmt die Schrae : es dürfen keine Kapellen 
mehr in Soest gebaut werden; kein Bürger darf sein Gut in geistliche Hand 
geben, noch Leibrenten von Klöstern kaufen. Außer den sieben Kirchen waren 
22 Kapellen in Soest. Es bestanden die Klöster der Minoriten (seit 1232), der 
Dominikaner (Schwarze Brüder) seit 1231, das Patroclistift, Walpurgisstift; Kloster 
Paradies und Welwer in der Börde. In den Jahren 1810—30 ist der größte Teil 
der Gebäude abgerissen worden. 



6. Die Reformation 



23 



13. Oktober 1532 kam es zum Aufruhr, die Schrae, die 10 Jahre 
verschwunden gewesen war, kam wieder zum Vorschein und mußte 
mit Zusätzen versehen werden : der Klerus wird in seiner gewerb- 
lichen Tätigkeit beschränkt, Amter und Gemeinden dürfen Ver- 
sammlungen abhalten, über städtische Angelegenheiten beraten, 
Anträge stellen. Inzwischen hatte der Dominikaner Thomas 
Borcfawede aus Osnabrück in der Petrikirche lutherisch zu predigen 
angefangen, seine Disputation mit dem Kähier Doktor Johann 
Hoß von Romberg und der Anschlag von Thesen am PatroclimOnster 
hatte die Stimmung schon erregt, als Johann von Campen, Predikant 
aus den Niederlanden, ein Schwindler, nach Soest kam. Dieser 
verabredete sich auf den 21. Dezember 1531, St. Thomas, mit den 
SchÜtzenbrfidem im Hause des Amsberch: Als er dem Verbot 
des Rates zum Trotz in St. Paul gepredigt hatte, verhafteten ihn 
die Ratsknechte auf der StraBe, er fiel ihnen vm den Hals und kOBte 
sie, wie Christus seine Verräter, da riS ihn das Volk los, erbrach 
den Patrocliturm, läutete die Sturmglocke, die Schützen stürmten 
aufs Rathaus, warfen die beiden Bürgermeister, den ehrwürdigen 
alten Gropperl ins Gefängnis, in die Immunität des Domes brachen 
sie ,,mit pfeifen und trummen und drien ufgerichteten fenlein", 
aßen und tranken in den Wohnungen der Stiftsherren und gössen 
Bier und Wein in den Keller. Tags darauf versammelten sich die 
Hoven unter dem Geläute der Glocken, jede wählte vier Abge- 
ordnete (S. 3), die mit dem Rat einen Vertrag schlössen: Das 
Wort Gottes, das schon lange in der Stadt Soest gewesen ist, hat 
seinen Glanz nicht in die christgläubigen Herzen strecken können, 
weil etliche ihm widerstrebt haben, ,,so is dei tit nu gekommen, 
dat Gott sin gottlik wort dar und hell will laiten erschienen". Es 
sollen Pfarrer berufen werden, „dei uns Godes wort dar und hei, 
aen (ohne) allen menschen gedieht predicken", nur Patroclimünstler 
bleibt katholisch. Die katholischen Prediger wurden aus Stadt und 
Börde verjagt. Der greise Grotmann in Borgeln sah eines Morgens 
einen Fremden in seiner Kirche predigen, als er ihn zur Rede stellte, 
stieß man den alten Mann, einer gegen den andern, zur Tür hinaus; 
später warfen sie seine Habe aus dem Haus, schnitten Gras und 
Hopfen ab, stahlen seine Kuh und fuhren Wagenladungen voll 
Obst vom Pfarrhof. Die Patrocliprozession am 31. Januar 1532 
mußte unterbleiben, das Bild des Heiligen im Dom wurde „nit 
allein dem heiligen merterer, sondern auch der Kirche zu großer 



24 



Soest 



smehe und ver- 
ergerung gottseliger 
hertzen mit pfeifen 
und trummen zum 
spott umgetragen" 
und ins Büchsenhaus 
geworfen*). Die Bau- 
ern in Lohne trugen 
ein Schaf in Prozes- 
sion um und spotteten 
auf die Hostie: im 
eierkese si ok ein got. 
Inzwischen, am 3. Ja- 
nuar 1 532, hatte Alde- 
grever den Superin- 
tendenten Gert Ömi- 
ken von Lippstadt 
abgeholt , der eine 
Soester Kirchenord- 
nung ausarbeitete, 
worin die katholische 
Geistlichkeit westfä- 
lisch angeredet wur- 
de : ,,als Mast- 
schweine , die der 
armen sweeth und 
blodt mit supen, vrethen, brassen, in horerie, sodomyterie, ehe- 
brekerie, speien und allen lästern verslemen willen. Wech, wech 
mit juwer lusigen verörringe, gi heillosen papen! Wy willen vorthen 










} 








J 



Abb. 



23. Herzog Wilhelm zu Jülich und Cleve. 
Kupferstich von Aldegrever, 1540. 



1) Von weiteren bilderstürmerischen Handlungen spricht Daniel, nachdem 
er eine obszöne Darstellung Aldegrevers gegeißelt: 

Düsse Ketters mit eren falschen propheten 
Der menschen beide laten schentlik conterfeten 
Und hebt de in werdicheit und groter acht, 
Der hilgcn averst und godes beide mit macht 
Und luttcr gewalt sei verstuiren 
Als men io Söst an den muercn 
In dem munster und ander Kerken 
An der hilgen bild mach merken. 



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6. Die Reformation 



25 



(forthin) unse fleesch, eyer, botter, kese, brodt, water , vujt, 
krudt van ju ungewieht hebben." 

Die protestantischen Predikanten gaben ihnen wenig nach. 
Joh, von Campen wurde später wegen schlimmer Verbrechen 
gerichtlich verfolgt; und der Prediger Vrie forderte in St* Petri 
das Volk auf, Gott zu danken, daß er Soest den Campen gesandt 
habe, während des Gebetes verharrte Campen mit dem Gesicht 
auf der Erde vor dem Altar^). „Van solken unerliken daeden 
und Schanden wert Soest misprist in allen landen." Der Kölner 
Rat riet der Stadt, sie, „die alle tyt vursichtig und yerstendich ge- 
achtet worden ist*', solle sich doch nicht hinreißen lassen. Der 
Herzog von Cleve (Abb. 23) und der Landtag der märkischen 
Stände zu Wickede forderte Abstellung; am 6. Februar 1532 ver- 
sammelten sich aber die Hoven in ihren Pfarrkirchen und 
erklärten: man wolle bei dem Wort Gottes bleiben, es gehe die 
Seele an. Am 16. April wurde ömikens Kirchenordnung, ungelängt 
und ungekfirzt, worauf Lütkenwestiiove und Südhove bestanden, 
vorgelesen. ^} 

Die Spannung zwischen dem katholisch gebliebenen Rat 
und der protestantischen Bürgerschaft, zwischen Aristokratie und 
Demokratie, blieb bestehen, bis eine an sich nebensächliche Sache 
im Mai 1533 den endgültigen Bruch herbeiführte. Ein Weber 
Schachtrop und vier Gesellen hatten auf dem städtischen Wein- 
haus mit den Kämmerern eine Schlägerei angefangen. Der ver- 
schüchterte Rat, um ein Exempel zu statuieren, vereinigte sich 
mit der Bürgerschaft, damit der fortwährenden Gewalt in der 
Stadt laut Schrae ein Ende gemacht würde, ließ die fünf gefangen 
setzen und verurteilte sie zum Tode. In dem Augenblick, als die 
Verurteilten durch die Menge schritten, die den Markt Kopf an Kopf 
lautlos besetzt hielt, fühlten sie sich emporgehoben zu Märtyrern 
der evangelischen Sache und sangen, als sie niederknieten, von den 
Predikanten angestimmt: mit vrede und vrouede ick vaer darben. 
Schachtrop wollte zuerst sterben: Leiven borgers, ich bidde ju umme 
Godes willen ein innig Paternoster to spreken, dat uns Got wil 
genedich sin, wi wilt by dem evangelio leven und sterven. Der 

1) Luther hatte Soest bei Zeiten vor Campen gewarnt (Brief vom 21. Dez. 1532): 
«denn da ist nichts Gutes inne und ist gewißlich in Üim der Teufel Eurer Stadt 
Gast* 

2^ gedruckt bei Bcdlhoni in IfibeclL 



26 



Soest 



Büttel war betrunken, hieb ihn in die Schulter, daß er zu Boden 
fiel und wollte ihm den Hals durchschneiden, als der Schwerver- 
wundete aufsprang und ihm das Schwert entriß; da drängte das 
Volk herzu, die Kämmerer mußten den Delinquenten das Leben 
schenken. Anderen Tages starb Schachtrop und wurde unter 
Begleitung der ganzen Bürgerschaft ,,mit groten schrien och und 
we" beerdigt und ,,groter jamer is to Söst nu gesin." Dieser Auftritt 
hatte die Stellung des Rates so erschüttert, daß er bald darnach 
(31. Juli) die Stadt verließ. 




Abb. 24. Ammon wird von Absalon Abb. 25. Titus Manlius läßt seinen 

getötet. (1540.) Sohn enthaupten. (1553.) 

Kupferstiche von Aldegrever. 



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7. Dichtungen 



27 




Abb. 26 und 27. Aldegrever. 
Aus der Kupferstichfolge der großen Hochzeitstänzer von 1539. 



7. Dichtungen. 

Die Hauptereignisse der Stadt: Reformation und Fehde, bilden 
den Stoff der heimischen Dichtung. Der Charakter der Reformation 
spiegelt sich in zwei, 1539 im Druck erschienenen, unter dem 
Namen des Daniel von Soest veröffentlichten Schmähgedichten: 
Gemeine Beichte der Predikanten von Soest von 1534 und Dialogon 
von 1537O. Der katholische Verfasser, nach Jostes wahrscheinlich 

1) VerofFentlicht von Jostes, Daniel von Soest, a. a. 0. Titel des Dialogon : 
»Ein dialogon, darinne de sprok Esaic am ersten capitel, noemlik: „Wu is de 
getruwe stat ein höre worden! Wandages wonen de rcchtigkeit in er, nu averst 
mordeners. Din silwer is verändert in rost, din win is gemcngct mit water, din 
vocrsten sint untruew, medcgesellen der deve; sei hebben alle leif de gavcn." und 
etlicke ander sprocke meer up de Lutherschcn binnen Söst recht geduedet wert. — 
Soest ist die babylonische Hure nach der Apokalypse, die sieben Füße sind die 
sieben Kirchen. — Von Daniel wird ein drittes Werk im Soester Stadtarchiv ver- 
wahrt: Ketterspegel von 15S3 in Prosa; ein viertes, Paroneticon, ist nicht erhalten. 
Jostes. 



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28 



Soest 



Johann Gropper, der spätere Kardinal, der im Interim die Gegen- 
reformation leitete und das Standbild Patrocli im Dom wieder- 
aufrichtete, wollte das wahre Wesen der Soester Reformatoren 
zeigen: mit simpelsiech ter moderliken Spraken, dat it einem jderen 
leselick imd verstendlick sy. Er schildert das Treiben der Predikanten, 
wie sie gehn kostbar gekleidet 

Siden wemmese und gülden halsbande, 
Und ander cleder Ton englischem wände, 
Dar to er echte hören 
KostUk sik smucken und snoren. 
Der eine nahm 

ein wif, 
Frisch, junk und stolt van lif. 

Se dregt frowelen-schoe, bunte Kragen 
Smucket sick na fleischlikem behagen, 
He get mit er liggen in dat gras 
Und let kommen dat winglas. 

Der Prediger Vrie saß mit einem Weib im Bade 
Und fastede se an er blote lif, 
Se gaf em er roden munt 
He volde er de brustkens runt 
Und nam se bei der sneewitten hand^>. 

Dem Prediger Borchwede ward gesagt: 

Du lopst ok nacht und dach up der strate 

Suepst di Tul als ein ape 

Du gehst to her und to win 

Du wetterst di tm dreck als ein swin. 

Der Dichter übertrieb vielleicht, er wollte aber schreiben: nicht 
ut haet oder niet, nicht ut boeser meinunge und giftigem herten", 
sondern als Patriot, der das Schicksal seiner Vaterstadt beklagte. 
O Soest, in vortiden ein edel stat 
Wue heffetu so gering umbkert dat blat 
Sus verstu veracht und versmaet 
Van den frommen umb diner misdaet. 
So will ik geven minem rime ein ende 
Ik rat di, o Soest, ker und wende. 

1) Zur IUuttroti<m kdmtten sahlreielie BlStter Aldegrevers dieneiit i. B. Bath- 
seba von 1532 (B. 37), Porabel vom Reiehen und Armen von 1554 (B. 44—48). 



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7. Dichtungen 



29 



WirkUcfaen Schwung und Rhythmus haben die Soester Volks- 
lieder, die Daniel in seine Scfaildming einfUcht; bei Gelegenheit 
der Hochzeit des Superintendenten Brune bringen sie dem Braut* 
paar dnen Baddiahn ans Bett: 

Den hanen wel wi halen 
Dar to den rinschen win 
Dar to den rinschen win 
Mit juwen bunten kragen 
Den hanen wel wi halen 
Se solt en wol behalen 
Frolik wel wi sin. 

Bei Tisch singen sie: 

Nem hingen, lerem und wanunen 

Set bi bratspit und pannen 

Wi wilt hebn gesoden und gebraden 

Win, beer mit den tunnen 

Pipen, flöten, mit den bungenl 

Frolik sin und singen 

Dantxen und springen^). 

Im Reformationsjahre 1533 wurde das Kriegstagebuch heraus- 
gegeben, das der Stadtschreiber Bartholomäus yon der Lake (f 1461), 
ein Nachkomme des Patroclischreinmeisters Zigefried, während 
der Fehde geführt hatte. 2) Der Überarbeiter wollte den Rat jetzt 
zum Anschluß an die Sache der evangelischen Freiheit bewegen, 
indem er ihn daran erinnerte: wu ere vorvaders vor de gerech- 

1) Am Schluß gibt Daniel „ein leedgin van der Ketter namen, dot men singen 
mach up dei wise: dree lover an einer linden: 

To Soest al up der Straten 
Ja it «mmer war 
Trttw }o 

Wo sei dei frommen Christen 
Mit bdrogh und Luthers Listen 

Verworen openbar." 

2) „De historia van der Soistschen vede. Anno 1447 loch biscop Diderich 
yoa Moerse Tor Soist mit 26 Dusend Bemer und mit velen heren und volke summa 
orerol 80 duasat mans. Der Ueven 1528 im graTen doe^ ans de vor und na up 
anderem Steden doeft vnd gcwunt bleveo. Der von Soist bleven nielit meer don 
8 de et wuwol sei stormeden 14 dage an dreen orden vnd schotten TUer dorin". 
Dona folgen »der stot Soist triumpfdtel* : o. a. 0. 



30 



Soest 



ticheit eres yaterlandes gefochten, lyf und guet daremme m de 
schantze gesät haben. Ein patriotisches Gedicht aus derselben 
Zeit (um 1520) ist die Lippstädter Reimchronik auf die Fehde (S. 15) : 

Dei borger wolden leiver im swerde sterven 

Dan ere vriheit einem anderen to erven 

Sei woUden vor ere Privilegien Statuten und rechten 

Na allem vermöge striden und vechten. 

Bekannt sind die vier, oft veröffentlichten Volkslieder aus 
der Fehde, wie der Sang auf den besiegten Erzbischof (13. Juli 1446) : 

Se reipen al: locht em na 

He moet enwech, ha ha ha . . . 

Bischof von Köllen und Magnus 

WarOmme bleve ji nicht to Hus 

Und gengen to Köllen to Chore? . . . 

Schämet ju alden grisen Papen. 

Die Soester Dichtungen sind breit und formlos in der Dar- 
stellung, doch ist die Sprache hin und wieder voller Kraft und 
Drastik. Die grobe Sinnlichkeit zeigt, wie unverfälscht bäuerisch 
die Kultur der Bürgerschaft selbst in der Renaissance- und 
Reformationszeit gewesen ist. Trotzdem Stadt und Börde an 
acht Klöster besaßen, die vornehme Jugend auf der lateinischen 
Kapitelschule gebildet wurde ^) und Nicolaus Schulting im Jahre 
1523 lateinische Schriften druckte, kann man von einem Humanis- 
mus, wie in Münster, nicht sprechen. Die Dichtkunst der Schwaben 
und Franken, deren Lyrik, hat den Westfalen überhaupt gefehlt. 
(Ganz anmutig ist das Soester Lied: my is en vensterken worden 
kunty darut so blicket en roder munt.) Zur Zeit Dürers waren 
sie zufrieden mit Dünwegeschen Hauslrauenfiguren. Es kommt 
hinzu, daß der westfälische Dialekt, vor allem in Soest, breit, 
langsam und gleichförmig, ohne musikalischen Akzent, ohne 
poetische Beweglichkeit ist'). Er hat dies mit der ganzen nieder« 

1) 1534 wurde das üymnasium zuerst gegründet. 1543 auf Rat Melanchthon» 
reformiert, 1558 zur evangelischen Gelehrtenschuie erweitert. Der Renaissance- 
bott von 1570 wurde 1821 obgerissen; damols entstand der heutige Bau. 

2) Holthausen, die Soester Mundort; Leipsig und Norden I8B61. Die GrMUten 

sind nördlich die Lippe, südlich die Ruhr, westlich Linie Neheim-Werl, östlich 
Linie Lippstadt-Rüthen-Meschede. Der Kehlkopf ist cnerqtsch tätig, die Zunge 
langsam und schlaff, der Mund wird breitgezogen, der Akzent ist monoton im 



7. Dichtungen 



31 



deutschen Sprache gemeinsam: daß er in den Prosaschriften erst 
seine eigentümliche Kraft entfaltet. Wo die Darstellung sachlich 
ist, wie in den Rechtsbüchern (S. 4), erreicht die niederdeutsche 
Sprache große Wirkungen. Das westfälische Naturell äußert sich 
eben, wie gesagt, glücklicher in juristischen und historischen 
Schriften, seine wertvollsten Züge enthüllen sich in den Arbeiten 
Kindlingers, Mosers und Harkorts; die Dichter aber, besonders, 
wenn sie westfälische Gegenstände behandeln: Schücking, Freilig- 
rath, der lange in Soest gelebt und es besungen hat, Weber (Drei- 
zehnlinden), Schulze (verzauberte Rose), Grimme, Rittershaus 
und viele Neuere, verfallen leicht in Romantik, auch leidet ihre 
Kunst durch Breite in der Schilderung von Verhältnissen, die 
ohne dichterische Bedeutung sind. Immermann, der Unvergleich- 
liche, war Magdeburger. 

Vergleich zum Rheinischen oder ouch nur Bergischen. — Eine natürliche rouhe 
Schönheit klingt schon aus den Dorfnamen der Börde z. B.: Bergede, Borgeln, 
Brüllingsen, Deiringsen, Drüggelte, Echtrup, Hiddingsen, Hultrop, Lendringsen, 
Ruhne, Ruploh, Waldringsen, Weslarn. 




Abb. 28. Aus der Anbetung des Kindes 
von Dünwege, um 1500. 
Münster, Landesrauseum. 



32 Soest 




Abb. 29. Einhornlegende. Von der Stickerei der Wiesenkirche. 



8. Sagen. 

Der Sachlichkeit steht bei den Westfalen eine tiefe Neigung 
zum Sagenhaften, ja Abergläubischen gegenüber, wie die Vehme 
schon gezeigt hat. Kaum eine ältere Kirche ist in Westfalen, die 
nicht Kaiser Karl selbst errichtet haben soll, und viele Hofbesitzer 
sehen ihre Höfe als Gründungen des Kaisers an (S. 7). Altheid- 
nische Ringburgen, wie deren mehrere auf den Ruhrgebirgen 
im Süden liegen, gehen auf Widukind zurück, nach ihm heißt 
der Hellweg Königsweg", er soll ihn in den Sommernächten 
zwischen Soest und seiner Feste Hohensyburg reiten. Der erz- 
bischöfliche Palast, der neben der Petrikirche lag, galt den Späteren 
als seine Burg, die Überreste heißen Wittekindsmauer (nach anderen 
Schriftstellern soll hier sogar die Burg Etzels gewesen sein und der 
letzte Kampf zwischen Nibelungen und Hunnen stattgefunden 
haben. Der isländische Dichter der Thidreckssage sagt, daß ihm 
Männer aus Soest die Sage gebracht hätten). Im Patroclidom 
wurde ein kolossales wundertätiges Kreuz, der ,, große Gott von 
Soest", als Patengeschenk Karls an Widukind verehrt (gestohlen 
1770). Der Schatz zu Enger, wo der König begraben ist, bewahrte 
mehrere Taufgeschenke Karls, dortherum wohnten bis in unsere 
Zeiten vierzehn freie Bauern, Sattelmeier, deren Vorfahren das 
Gefolge Widukinds bildeten; 1822 trugen sie die Gebeine des West- 
falenkönigs von Herford nach Enger zurück. In Werl steht das 
verehrteste Marienbild Westfalens, das bis 1661 in der Soester 
Wiesenkirche war; in den Kreuzzügen hierher gelangt, wurde 
es alljährlich in Prozession, wie es selbst in einer Vision dem 
Soester Bürgermeister befohlen hatte, durch die Felder zum 
Kloster Paradies getragen. ,,Ein Ort," sagt der Bericht, ,,wo 
Gott und seine gebenedeite Mutter Maria absonderlich hat 
angerufen werden wollen, ist Stadt Soest, wo in der 



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8. Sagen 



33 




Abb. 30. Tympanonrelief an St Patrocli. Sandstein, um 1160. 



Wiesenkirche dies wundertätige Bildnis Mariae vor etlichen 
hundert Jahren von Christkatholischen mit höchster Andacht 
verehrt worden und nicht allein die Einwohner der Stadt 
Soest, sondern auch weit entlegene Städte in ihren Nöten zu diesem 
Marianischen Ölbaum ihre Zuflucht genommen"*). Die merk- 
würdigste Sage der Gegend ist die von der letzten Schlacht am 
Birkenbaum, auf dem Hellweg, zwischen Büderich und Werl*). 
In der zu Köln 1701 gedruckten ,,Prophetia'"^) wurde zusammen- 
gefaßt, wovon früher schon einzelnes verlautet war: Die unglück- 
liche Zeit der letzten Dinge, von der der Erlöser spricht, wird 
kommen, d£uin wird ein Kampf in Westfalen anheben zwischen 
den Völkern des Nordens und des Südens, der wird drei Tage währen, 
ein großer Fürst, auf einem Schimmel, weißgekleidet und mit dem 
Kreuz, wird mit Heeresmassen die Haar heraufziehen. Dann wehe, 
armes Vaterland. Ringsherum werden die Städte in Brand stehen. 
Viele Leute der Umgegend, meist arme Boten und Schäfer, Spöken- 

1) Oliva fructivera, ein fruchtbarer Ölbaum ist Maria allen unsern Christ- 
gläubigen bedrängten Menschen in ihrem mirakulosen Bildnis zu Werl. Mit 
Bericht, wie die Bildnis vor diesem zu Soest verehrt, hernach nach Werl in die 
Kapuzinerkirche versetzet. Werl 1801 , bei A. C. Stein. Zitiert nach Rothert, 
Kirchengeschichte der ehrenreichen Stadt Soest, 1905. 

2) Hier stützt sich die Darstellung auf Zurbonsen, Die Lage von der Völker- 
schlacht der Zukunft am Birkenbaum, Köln 1897; zweite Aufl. 1907. 

3) Prophetia de terribili luctu Austri et Aquilonis et proelio horrende in 
finibus ducatus Westphaliae propc Budbergum. 

Schmitz, Soest 3 



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34 



Soest 




Abb. 31. Tympanonrelief an Maria zur Höhe. (Inventar der Prov. Westf.) 

Anfang 13. Jahrh. 

kieker, die das zweite Gesicht besaßen, haben später noch die 
Schlacht vorausgesehen. Weiße Soldaten ziehen die Arnsberger 
Chaussee herauf; dann ist es Zeit, die Bewohner mögen in den 
Arnsberger Wald fliehen; bei Schmerlecke am Lusebrink kommt 
es zum letzten gräßlichen Kampf ; wehe, wehe dir, Hellweg, das . 
Blut der Gefallenen wird ins Jakobitor fließen und Soest wird ab- 
brennen bis zur alten Kirche. Noch Ende Oktober 1854 sahen die 
Bewohner von Werl auf der Schlückinger Höhe die Bewegung 
von Heeresmassen, auf Veranlassung Alexander von Humboldts 
stellte darüber Professor Heis aus Münster Untersuchungen an. 
Die einzelnen Züge der Sage sind nach Zurbonsens Forschungen 
Erinnerungen an geschichtliche Ereignisse: die Kämpfe mit den 
Römern, mit Karl dem Großen, die Soester Fehde, die Vernichtung 
eines Bauernheeres durch den Schenk von Nideggen bei dem Dorfe 
Bremen im Jahre 1586 und das Treffen zwischen dem Herzog 
von Braunschweig und Soubise bei Vellinghausen im Jahre 1761. 
Die weißgekleideten Soldaten sind die Österreicher, für die im 
Volke merkwürdige Sympathie bestand. Zugrunde liegt die Sehn- 
sucht nach einem Reich ewigen Friedens: ein großer Kaiser wird 
kommen, heißt es, und eine glückliche Zeit heraufführen. Der 
aufgeregten Phantasie verdichteten sich Nebelbildungen zur Vor- 
stellung hin- und herziehender Schlachtheere. Zwischen dem sauer- 



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8. Sagen 



35 



ländischen Gebirge und dem westfälischen Tieflandsbusen herrscht 
eine beständige Bewegung der Luft. Im Spätherbst, gegen den 
Winter, fließt die im Gebirge eher abgekühlte Luft nach der Ebene 
ab, besonders durch die Einschnitte des Haarstrangs, der Gebirge 
und Ebene scheidet, zwischen Hemmerde, Dorf Bremen und Werl, 
wo der ,, Birkenbaum" liegt. Wenn die kalten Luftströmungen 
dicht über den Boden streichen, dünsten die wasserhaltigen 
Tonablagerungen des Haarrückens Nebelschwaden aus; oft, 
während sonst ringsum die Luft klar und still ist. 




Abb. 32. Vortragekoeuz in Maria zur Höhe. Holz, bemalt Anfang 13. Jahrb. 



36 



Soest 




Abb. 33. St Petri. Westbau. Turm und Unterbau. (Meßbildanstalt.) 



n. TEIL 

9. Die Bauwerke des romanischen Stils (1150—1250). 

Der altwestfälische Volksstamm, materiell mit der Erde ver- 
bunden, nüchtern, ohne eigentliche dichterische Gemütsanlage, 
so daß er im Phantastischen für die wirkliche Poesie Ersatz gesucht 
hat: entfaltet seine herrlichsten Kräfte erst in der Baukunst. 
Hier kommt der unverwüstliche Bauernsinn, der in der Soester 
Geschichte erschienen ist, zum Greifen unmittelbar zutage; aber, 
was uns in den zufälligen Ereignissen der Geschichte womöglich 
als roh, eigensinnig, ohne feinere Züge, vielleicht als kleinlich 
oder lächerlich vor Augen steht, erscheint in der Baukunst: empor- 
gehoben, groß und ewig. Und gerade der romanische Stil, die ur- 
sprünglichste Schöpfung der germanischen Rasse, hat in Westfalen 
die vollkommensten, unvergängliche Werke erzeugt. Während 
vom 9. bis ins ii. Jahrhundert die Bauschulen dei Klöster ihre 
fremdher eingeführte Kunst entfalteten, trat mit dem 12. Jahr- 
hundert, scheinbar mit einem Schlage, im ganzen Westfalenlande 



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9. Die Bauwerke des romanischen Stils (1150—1250) 37 



i 




Abb. 34. Kirche zu Ostönnen, eine Stunde westlich von Soest 

(Inventar der Prov.) 

eine geschlossene eigentümliche Bauweise hervor. Die aufblühen- 
den Städte wurden jetzt Mittelpunkte von Bauschulen (S. i) und 
hier ging Soest, „die einzige Stadt Westfalens, die eine Kette von 



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38 



Soest 




Abb. 35. St. Patroclus. Blick auf den Chor. (Mefibildanstalt) 

beachtenswerten Architekturwerken als Kommentar seines wachsen- 
den Lebens" hinterlassen hat (Lübke), allen voran'). Das erste Denk- 
mal der heimischen Schule, um die Mitte des 12. Jahrhunderts 
entstanden, ist der Westbau von St. Petri: die drei- 

1) Grundrisse und genaue Boudaten sind im Anhang zu ßnden. 



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9. Die Bauwerke des romanischen Stils (1150-1250) 39 




Abb. 36. Nicolaikapelle. Blick auf die Westemporc. (Mcßbildanstall.) 

schiff ige, auf sechs Säulen ruhende Vorhalle, der massige, drei- 
geschossige Turm darüber, sowie vom Langhaus, das ursprünglich 
eine Pfeiler-Säulenbasilika war, die Unterteile der Außenwände mit 
kleinen Rundbogenfenstern (Abb. 33). Wie der Bau im Äußeren 
ausgesehen hat , mag die Kirche zu Ostönnen (i Stunde 
westlich von Soest; 11 64 schon erwähnt {Abb. 34 1) zeigen; der 
quadratische Turm mit engen Schallöffnungen und Pyramiden- 
dach, typisch für die westfälischen Türme des 12. Jahrhunderts, 
verdeutlicht, wie der Petriturm wirkte, bevor das gotische Geschoß 
und der Zwiebelhelm aufgesetzt wurden (Abb. i) ; wie das Innere 
gewesen ist, läßt beispielsweise die Kirche im Dorf Bremen (3 Stunden 



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9. Die Bauwerke des romanischen Stils (1150—1250) 41 




Abb. 38. St. Thomas. Blick von Osten in das südliche Schiff. 

(Meßbildanstalt.) 

südwestlich von Soest) erkennen. Sie ist vor der Mitte des I2. Jahr- 
hunderts gebaut und hat wie St. Petri den Wechsel von Säulen 
und Pfeilern. In der reinen Pfeilerbasilika aber entfaltet sich der 
Soester Bausinn am vollkommensten. Das ausgedehnteste und 
wichtigste Gebäude dieser Gruppe ist das Münster St. Patrocli 
(der Westbau ist später). Im ii. Jahrhundert trat an Stelle der 
Gründung Erzbischof Brunos um 960 (S. 10) eine dreischiff ige 
Basilika, mit Querschiff, viereckigem Chorraum und anschließender 
Apsis; die Decke des Mittelschiffs war flach, die Seitenschiffe waren 
gewölbt. Um die Mitte des 12. Jahrhunderts wird das Mittelschiff 
mit Kreuzgewölben überspannt, jeder zweite Arkadenpfeiler 



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42 



Soest 




erhält eine mächtige 
Vorlage, die die breiten 
Quergurte aufnehmen ; 
der Grundriß gewinnt 
die Form des ausge- 
bildeten romanischen 
Stils, die Travee: ein 
Mittelschiffsjoch ist 
jedesmal mit zwei Sei- 
tenschiffsjochen ver- 
bunden. Erzbischof 
Rainald von Dassel 
weihte den Bau 1166 
ein (Abb. 35K Der 
Eindruck des Äußeren 
und Inneren ist massig 
und schwer , dem 
Mauerwerk fehlt alle 
Verzierung. ,,Die Vie- 
rungspfeiler sind von 
ungeheurer Massig- 
keit; die breiten Wand- 
flächen geschlossen 
und still ; ein dünner 
Horizontalsims : alles. 
Die tragenden Glieder 
ohne Gelenk, die Pfeiler 
pfostenhaft, ohne Ba- 
sis, ohne Kapitell". 
Durch das Ganze geht 
ein feierlicher Rhyth- 
mus. 

Gegen Ende des 
12. Jahrhunderts, wie 
die Bevölkerung so 
plötzlich anwuchs, be- 
sonders nach der 
Sprengeleinteilung Erz- 
bischofs Philipps um 




Abb. 39. St. Thomas. 
(McfibildanstalL) 



9. Die Bauwerke des romanischen Stils (1150—1250) 43 




Abb. 40. Maria zur Höhe. Chor und nördliche Seite (z. T. Ende 12. Jahrh.). 

(Meßbildanstalt.) 

II 80 (S. I) entfaltete die Stadt ihre stärkste Bautätigkeit 
bis in die dreißiger Jahre des 13. Jahrhunderts hinein. Zwei 
köstliche kleine Werke aus den letzten Jahrzehnten des 
12. Jahrhunderts sind die Nicolaikapelle und das älteste 
Bürgerhaus der Stadt auf dem Burghof. Die Nicolai- 
kapelle (Abb. 36), südlich vom Patroclidom gelegen und 
ihm zugehörig, dem Patron der Schiffahrer geweiht, soll von 
der Kaufmannsbruderschaft der Schleswicker (Schleswigfahrer, 
S. I), erbaut sein, die ihre Trinkstube, die Rumeney, nördlich 
vom Dom hatten. Im Grundriß ein längliches Rechteck, durch 
zwei Säulen der Länge nach geteilt, schließt sie im Osten mit halb- 
runder Apsis, im Westen mit halbem Sechseck; hier ist eine Em- 
pore, wo die Vornehmen saßen. Die schlanken Säulen und ele- 
ganten Tonnengewölbe mit Stichkappen bekunden eine Ver- 
feinerung gegenüber dem Dom und St. Petri. Das Haus auf dem 
Burghof (Abb. 37) ist die übrig gebliebene Hinterwohnung 



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44 



Soest 




Abb. 41. Maria zur Höhe. Chor und Südwand. Anfang 13. Jahrh. 

(Meßbildanstalt.) 



eines größeren Patrizierhauses, das für Handel und landwirt- 
schaftlichen Betrieb zugleich eingerichtet war. Viereckig im Grund- 
riß hat es zwei Geschosse, das untere hallenartig, gewölbt, durch 
eine Säule geteilt; im Dachgeschoß einen Lagerraum; außen 
zeigt es zierliche dreiteilige Fenster und Treppengiebel. 

Alle Kirchen werden zu eng. St. Peter wird verlängert 
und erhält das Querschiff, das Langhaus wird zur Hallenkirche 
umgebaut, indem die Nebenschiffe erhöht werden und Emporen 
erhalten. (Vgl. Abb. 33). St. Thomas, dem Patron der Bau- 
meister geweiht, ursprünglich als Basilika angelegt, wird gleich- 
falls zur Hallenkirche erweitert; das nördliche Seitenschiff erhält 
halbe muschelartige Kreuzgewölbe, eine dem westfälischen Über- 
gangsstil eigentümliche Form. Die viereckigen Pfeiler sind noch 



9. Die Bauwerke des romanischen Stils (1150—1250) 45 




Abb. 42. Maria zur Höhe. Blick von Osten. 
(Meßbildanstalt.) 



ungegliedert, das Äußere ist einfach, ebenso der niedere, vier- 
eckige Turm mit schiefgebauter Spitze'). (Abb. 38, 39). 

Im Anfang des 13. Jahrhunderts wird Maria zur Höhe 
(Hohnekirche) ausgebaut. Die älteste Anlage, bei der Teilung 
Philipps schon vorhanden, war eine dreischiffige Hallenkirche 
mit engen Nebenschiffen. Jetzt wurde sie nach Süden erweitert, 
indem man Nordwand und Turm stehen ließ. Zwei Pfeiler teilen 
den Raum, der Chor ist viereckig mit geradem Schluß; die Kirche 

1) Die Spitze ist nicht vom Winde schiefgebogen, sondern mit Berechnung 
schief gezimmert, dem Winde entgegen. Zu den Sparren des alten Holzverbandes 
waren zum Teil krumm gewachsene Eichcnholzstämme verwendet. Auch die 
Helme des Patrocliturms (Abweichung vom Lot 2 m) und des Petriturms sind 
schief konstruiert (Baurat Meyer, Denkmalpflege 1908). 



46 



Soest 



hat die typische 
Form der westfä- 
hschen Hallenkir- 
chen des Über- 
gangs. Die Mittel- 
schiffe werden über- 
spannt mit hoch 
gestochenen Kreuz- 
gewölben , die auf 
spitzbogigen Gurten 
lagern, die Seiten- 
schiffe zeigen teils 
halbe muschelar- 
tige Gewölbe, teils 
kuppelartige Ge- 
wölbe, der Chor hat 
ein achtteiliges kup- 
pelartiges Kreuz- 
gewölbe (Abb. 40 
bis 42). Bei dem 
Herausrücken des 
Baues nach Süden 
traf der nördliche 
Scheidbogen den 
Turmeingang, man 
fing den Wand- 
pfeiler ab, setzte ihn auf drei Säulen, und erhielt so unter 
dem Turm die Taufkapelle (Abb. 43). Die sonder- 
baren Formen der Gewölbe lassen erkennen, wie sich der Meister 
abgemüht, um die Hallenform und eine luftige Raumwirkung 
zu gewinnen, die Spannung der Bögen und die bewegte Gliederung 
der Pfeilerkanten, die bizarre Dekoration der Südwand machen 
seine innere Erregung fühlbar, die sinnvolle Form der Taufkapelle 
zeigt, wie trotzdem ein praktischer Sinn bei der Arbeit waltete. 
Zweifellos macht aber die starke Beimischung fremdländischer 
Elemente den Bau noch merkwürdiger, denn die Gewölbe- und 
Fensterformen sind zum Teil westfranzösischer Herkunft, aus dem 
Poitou, das eine wichtige Rolle im westfälischen Übergangsstil 
gespielt hat. Die kuppelartigen Gewölbeformen könnten sogar 




Abb. 43. Maria zur Höhe. Tauf kapelle unter dem Turm. 

(Mcßbildonstalt.) 



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9. Die Bauwerke des romanischen Stils (1150—1250) 47 




Abb. 44. Drüggelte. Heilig-Grabkapelle (1217-1227.) 

(Phot. Althaus.) 

auf direkte byzantinische Erinnerungen 
zurückgehen; um so eher, da dies die 
Chormalereien (vgl. Abb. 60) und das 
Scheibenkreuz der Kirche (Abb. 32) 
doch unzweifelhaft tun. Sollte uns 
das aber wunder nehmen, da wir in 
Drüggelte, zwei Stunden von 
Soest, auf dem Haarstrang, eine Rund- 
kapelle aus der gleichen Zeit sehen, 
die der heiligen Grabeskirche in Jeru- 
salem nachgebildet ist? Dieses kleine 
Bauwerk zwischen den Schultehöfen, 
außen weißgetüncht mit grauem 




Abb. 45. Drüggelte. 
Nach Lübke. 



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48 



Soest 




Abb. 46. Inneres der Kapelle in Drüg gelte. 



Schindeldach (Abb. 44 — 46), im Innern von zwei Säulenkreisen ge- 
teilt, vier Säulen in der Mitte, außen zwölf Säulen, mit Tonnen- und 
Kreuzgewölben gedeckt, in der systemischen Gliederung byzantini- 
scher Zentralbauten, ist das schönste Beispiel der seltsamen Mischung 
westfälischen und orientalischen Geistes im Anfang des 13. Jahrhun- 
derts; sogar die rohgemeißelten Kapitelle sind antiken und vorder- 
asiatischen Formen nachgebildet. Der Bau entstand zwischen 121 7 
und 1227 und höchstwahrscheinlich von einem Baumeister, der 
mit dem Grafen Gottfried von Arnsberg ins heilige Land gezogen 
war. Nunmehr läßt sich auch vermuten, wieviel fremde Kultur 
damals die Soester Bauschule in sich aufgenommen haben muß, 
um ihr größtes Werk hervorzubringen: den Westbau von 
St. Patroclus, die zweigeschossige viereckige Vorhalle, darüber 
der viergeschossige Turm, dem Ganzen vorgelagert die fünfbogige 
Loggia mit der Rüstkammer im oberen Geschoß (S. 13) (Abb. 47, 
48). Im Anfang des 13. Jahrhunderts wird der Erweiterungs- 
bau begonnen haben, bis in die dreißiger Jahre muß er nach den 
Fensterformen der Giebel zu schließen, gedauert haben; das west- 



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Schmitz, Soest 



4 




Abb. 48. St. Patroclusdom. Turm und Vorhalle. 
(Meßbildonstalt.) 



9. Die Bauwerke des romaniBchen Stils (1150-1250) 51 



liehe spitzbogige Joch des Langhauses ist darnach als Verbindiuigs- 
glied zwischengebaut worden. Damals war der Soester Handel 
aufs höchste gestiegen, die Kreuzzüge von 1189, 1195, 1204, 1217 
und 1227 führten die Westfalen über Frankreich und Italien nach 
dem Orient^). Die Vorhallen süditalienischer Kirchen und ita- 
lienischer Stadtpaläste, die Verteidigungstürme der Kreuzfahrer 
in Syrien oder die italienischen und französischen Stadttürme 
(Belfroi) müssen dem Meister die Grundformen gegeben haben. 
Doch ist das Werk, als Ganzes genommen, westfälisch, ja die edelste 
Schöpfung des westfälischen Genius überhaupt. Seine Wirkung 
ist gar nicht zu beschreiben. Viele Werke deutscher Kunst mögen 
in der Intention größer sein, in der Ausführung sind sie fast immer 
durch Widersprüche zerrissen: es findet sich kaum ein Beispiel, 
wo ein deutscher Bau so ganz aus einer Empfindung geboren ist. 
Hier, wie in den gewaltige Türmen von Minden, Paderborn und 
Freckenhorst» aber noch herrlicher, löst sich die Seele eines Künst- 
lers, nein eines ganzen Volkes, die in den tiefsten Tiefen der 
Natur wurzelt. Dieser Turm steht vom Anfang der Welt an! 
Hiemeben erkennt man die gleichzeitigen Türme von St. Aposteln 
und St» Martin in Köln mit ihrer reichen Gliederung als Erzeug- 
nisse einer schneUblfitigen» verschwenderischen, gesfM^tchigen 
Nation. Am Rhein sind die Tlirme auch immer in Gesellschaft 
zu mehreren, drei, fünf oder sieben, aber in Westlaien ragt der 
eine Aber die ewigen Felder fort^. 

1) Die wichtigsten Nachrichten über die Beteiligung des Niederrheins und 
Westfalens an diesen Kreuzzügen habe ich früher (Die mittelalterL Malerei in 
Soest, 1905) zusammengestellt Besonders 1217, also um die Zeit des st&rkstma 
«IrfMntiiiieelien* SinflnsseB in der Malerei» hatten die Predigten des Kreuspredigers 
Oliver die größte Wirkung hierzulande. »Freue Dich, kölnisches SÜftslond'* 
rief er, „frohlocke und preise den Herrn, weil du durch Schiffe, Kriegsgerät und 
Kämpfer mehr geleistet hast, als das deutsche Reich". Noch 1234 werden wsusa> 
cienses cruce signati", Kreuzfahrer aus Soest, genannt 

^ Btne HoehbUdiiag unsere* TumiM in kleineren Verhfiltnissen befindet . 
sieh in Stenkyrka auf der Insel GoÜand, die infolge der Mondelsverbindung (S. 21) 
noch andere kfinsHerische Beziehungen zu Soest und Westfalen hat. (Roosval, 
Vortrag i. d. kunstgesch. Gcsellsch. Berlin 08). Die Drüggelter Kapelle hot Noch- 
ohmung gefunden in den vier Rundkirchen auf der Insel Bornholm. 



52 



Soest 




Abb. 49. Antependium aus dem Stift Walpurgis in Soest (Münster.) 

(Phot Bruckmann.) 



10. Die Malereien des romanischen Stils 

(ca. 1150-1270). 

In Soest begleitet die Malerei die Entwicklung der Baukunst 
von der Mitte der I2. Jahrhunderts bis ins 15. Jahrhundert. Die 
Wandmalereien im Hauptchor vonSt. Patrocli, 
gemalt 11 66 (Abb. 50), sowie das verwandte Antependium 
aus dem im Jahre 1165 von Rainald von Dassel gegründeten Wal - 
purgisstift (jetzt im Museum zu Münster [Abb. 49I) sind 
zwei der wichtigsten Zeugnisse des hochromanischen Stils, wie 
wir ihn in Westfalen sonst in den Fresken von Idensen (1120 
bis 1129), den Handschriften von Corvey und Hardehausen stu- 
dieren können. Das Eigentümliche dieser Stilweise ist: die Abkehr 
von der antiken Überlieferung, die die voraufgehende ottonische 
Malerei gepflegt hatte, eine starke Zuhilfenahme ,, byzantinischer" 
Vorbilder 0, in künstlerischer Hinsicht eine Stilisierung ins Flächige, 
Strenglinige, Ornamentale: ,, diese Gestalten sind keine direkten 
Abbilder der Natur, sie sind befangen im Geist der Architektur, 

1) Die technischen, stilistischen, ikonographischen Elemente weisen, wie ich 
früher näher ausgeführt habe (a. a. 0.), auf italienische, besonders süditalienische 
und sizilianischc Wandmalereien und Mosaiken; S. Marco in Venedig, Torcello, 
S. Angclo in Formis, Martorana zu Palermo, Capella Palatina zu Palermo (1143), 
Cefalü (1148). — Eine Erklärung für diesen „Byzantinismus" könnte der Kreuzzug 
von 1147 geben; ferner war Rainald von Dassel, als Kanzler Friedrich Barbarossas, 
lange in Italien. 



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10. Die Malereien des romanischen Stils 53 




Abb. 50. St. Patroclus, Hauptchor. Wandgemälde, 1166. 

(Meßbildanstalt) 

ja sind Architektur. Sie entstammen dem Geist der Architektur, 
sie sind geboren aus einer allgemeinen architektonischen Welt- 
stimmung". 

Gegen Ende des 12. Jahrhunderts vermehren sich in der Malerei, 
unvergleichlich deutlicher als in der Baukunst, die Beziehungen 
zur „byzantinischen" Kunst: bis in die dreißiger Jahre des 13. Jahr- 
hunderts war Soest der Mittelpunkt des byzan- 
tinischen Einflusses in Norddeutschland. 



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54 



Soest 




Abb. 51. Maria zur Höhe, Chor. Deckengemälde. Maria und Engelchor. 

Anfang 13. Jahrb. 

Die n ö r d 1 i c h e- -A ps i s V o n St. Patrocli (um 1200), 
der Chor der Hohnekirche: Maria und sechzehn Engel 
auf dem Gewölbe, unten vorbildliche Szenen aus dem Alten Testa- 
ment (Abb. 51), die Heilig-Grabnische mit Passions- 
szenen; sowie der Altaraufsatz aus der Wiesenkirche (jetzt in 
Berlin [Abbildung 52]), beide etwa 1220 — 30 entstanden: solche 
Werke stehen beinahe einzig da in der deutschen Malerei der 
Zeit. Die Hauptpartien, möchte man glauben, könnten von 
griechisch geschulten Mönchen aus Palermo oder Monte Cassino 
gemalt sein^). 

1) Auch hier weisen die Beziehungen wieder, wie ich früher ausgeführt, 
a. a. 0., auf die von der Byzantinischen Kunst beeinflußten Gebiete Italiens, ins- 
besondere auf Süditalien und Sizilien. Ein Kranz von Engeln in der Kuppel ist 
erhalten in der Martorana zu Palermo und in Hosios Lukas in Phokis. Auch das 
Altarbild zeigt in Technik und Komposition die größte Verwandtschaft zu byzan- 



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10. Die Malereien des romanischen StUs 



55 





Abb. 52. Kreuzigung. Altaraufsatz aus der Wiesenkirche. 
(Berlin, Kaiser-Friedrich-Museum.) Ausschnitt. (Phot. Frz. Hanfstaengl.) 

Als letzte Phase des spätromanischen Stils entwickelte sich 
hieraus der ,,Z a c k e n s t i 1**, der mit seiner rasenden Bewegung 

iinisch-italienischen Tafelmalereien, z, B. in Alba Fucense, in Triest usw. Unter 
.byzantinische m" E i n f 1 u ß in dieser Zeit (Ende 12., Anfang 13. Jahrh.) ist dem- 
nach prinzipiell der Einßuß der i ta Ii e n i s c h - b y za n ti n i s c h en Kunst zu 
verstehen. Außer dem Umstände, daß die Kreuzfahrer ihre Route über Süditalien 
nahmen, kommt in Betracht erstens vor allem die Herrschaft Heinrichs VL, der 
durch seine Gemahlin Konstanze die normannischen Besitzungen erbte, und 
Friedrichs IL in Sizilien und Süditalien; zweitens die Verbreitung der italienischen 
Mönchsorden der Franziskaner und Dominikaner in Deutschland, um 1230 kamen 
sie auch nach Soest; drittens speziell für Westfalen die Beziehungen zum Papst- 
tum. — 



10. Die Malereien des romanischen Stils 



57 



der Gewandfalten und aller Linien, mit seiner Zerschneidung 
der Flächen tmd einer gewissen Verzerrung der Figuren einem über- 
heftigen innerlichen Bewegungsdrang entsprang; Ähnlich wie in 
den ^tromanischen Architekturen eine Zunahme in der Bewegung 
der Dekoration zu beobachten ist; man sieht das bei^ielsweise 
an den vier Giebehi des Patrocliturmes und am Querschiff von 
St. Petri. Die Soester Werke dieses Stils, von etwa 1230—70, 
sind die Apsis der Nicolaikapelle, Christus und die zwölf 
Bostel, die nördliche Apsis der Hohnekirche: 
oben Krönung Mariae, unten Legende der hl. Katherina, das 
Altarbild mit der Dreifaltigkeit aus der Wiesen- 
kirche (in Berlin [Abb. 53J). Weitere Arbeiten der Schule 
sind in Methler, Weslarn und Lippstadt. Über 
ganz Deutschland, bis nach Tirol hinab, ist derselbe Stil verbreitet, 
höchstens könnte man sagen: in Soest und Westfalen tritt er mit 
besonderer Heftigkeit auf. Dieses jähe Aufbrausen scheint im 
Widerspruch zu stehen mit der sonstigen Gleichmütigkeit und 
Schwerfälligkeit der Rasse, ebenso wie das phantastische Wesen 
der Vehme und das Schwärmerische der Sagen dem sachlichen 
Grundempfinden der Westfalen gegenüber steht: so liegen die 
Gegensätze in der Seele eines Volkes nebeneinander. 



58 



Soest 




Abb. 54. Wiesenkirche von Süden. 



IL Die Bauwerke des gotischen Stils. 
(Ende 13. bis 15. Jahrhundert). 

In dem Verhalten zur Gotik trat aber die westfälische Schwer- 
fälligkeit wieder unverändert hervor. Der nach der Mitte des 
13. Jahrhunderts aus Frankreich hereindringende Stil verlor in 
Westfalen sofort das Gelenkige, Bewegte, Reiche, Himmelstrebende, 
das die französischen Bauten und nach ..ihnen die rheinischen und 
viele süddeutschen Bauten annahmen. Der Chor von St. 
Thomas (Abb. 55), im Fünfachteleck gebrochen, mit zwei- 



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11. Die Bauwerke des gotischen Stils 59 



teiligen Spitzbogenfen- 
stern (sowie das süd- 
liche Seitenschiff mit 
rippenbesetzten Kreuzge- 
wölben) ist als das früheste 
Werk der Soester Gotik, in 
den siebziger Jahren des 
13. Jahrhunderts erbaut. 
Ungefähr gleichzeitig, um 
1272, entstand der Chor 
von St. Petri, im 
Grundriß kleeblattförmig 
(vgl. Abb. I); der Haupt- 
chor, mit sieben Seiten 
eines Zehnecks ist ein- 
gefaßt von zwei Neben- 
chören mit fünf Seiten 
eines Zehnecks. Die 
Außenmauern ohne Stre- 
bepfeiler, flache Dächer, 
wagrechte Gesimslinien : 
Abb. 55. St. Thomas, Chor. das ist der Soester Ge- 

Letztes Drittel 13. Jahrh. (Meßbildanstalt.) schmack, während in 

Köln am Domchor gebaut wird! Aus dem Anfang des 
14. Jahrhunderts stammt die Brunstein-Kapelle, im 
Grundriß ein Viereck mit fünf zehntel Chor. Im Jahre 13 14 
begann Johann Schendeler das Hauptwerk der Soester Gotik: 
MariazurWiese; 1 376 wurden die Altäre geweiht ( Abb. 54, 56 bis 
58). Mit dem Unterbau der Türme begann man 1421, nachdem die 
Arbeit geruht hatte ; die Turmhelme wurden erst nach der Mitte des 
19. Jahrhunderts aufgebaut. Das Streben nach hallenartigen An- 
lagen, das die westfälischen Baumeister des spätromanischen Stils 
bewegt hatte, ist erfüllt: drei gleich hohe, fast gleich breite Schiffe, 
drei Joche in die Länge: so bildet das Langhaus einen einzigen 
viereckigen, gewaltig hohen und breiten Hallenraum; im Osten 
mündet er in den flach gebogenen hafenartigen Chor; dieser ist 
kleeblattförmig im Grundriß, wie St. Petri, ein Hauptchor im 
Siebenzehnteleck, eingefaßt von zwei im Fünfzehnteleck ge- 
schlossenen Nebenchören. Die Pfeiler gehen ohne Kapitelle in die 





Abb. 56. Wiesenkirchc, erbaut 1314—76. Blick auf den Chor. 

(Meßbildanstalt.) 



11. Die Bauwerke des gotischen Stils 61 




Abb, 57. Wiesenkirche, von Südosten. (Meßbildanstalt.) 



Gewölbrippen über. Die Wände sind bis auf zwei Meter vom 
Boden durch ganz lange, drei- und vierteilige Fenster durchbrochen. 
In den Chören sind sie bunt bemalt, nach Mitte des 14. Jahr- 
hunderts im Hauptchor, Anfang des 15. Jahrhunderts in den 
Nebenchören. Sonst kommt das Licht hell und voll herein, an 
schönen Tagen sind die grünen Sandsteinwände und die weiß- 
getünchten Gewölbe durchleuchtet von der Sonne. Es herrscht 
kein Wallen von Licht und Schatten, wie im Kölner Dom, alles 
ist gleichmäßig beleuchtet, keine rhythmische Bewegung der Pfeiler 
wie im Münster Patrocli des 12. Jahrhunderts, wo auf dem er- 
weiterten Chor der Stiftsklerus thronte: in dieser Festhalle kamen 
ausschließlich Bürger und Bauern zusammen, wie sie sich auf 
den Kreuzigungsbildern drängen, ohne Überschwänglichkeit, 



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62 



Soest 




Abb. 58. Wiesenkirche, von Südosten. (Meßbildanstalt.) 



mit irdischen Anliegen traten sie vor Gott und Maria, fröhlich 
und fest im Glauben. Ebenso ruhig, fast sparsam ist das 
Äußere: hohe, kahle Wandflächen, dünne Mauerstreben, die 
Dachgalerie als wagrechter Abschluß; nur daß in Wirklichkeit 
der grüne Stein dem Bau ein wunderbares Leben gibt. Um 
die Mitte des 14. Jahrhunderts (vielleicht um 1346) entstand die 



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11. Die Bauwerke des gotischen Stils 



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Abb. 59. Minoritenkirche, Chor. Mitte 14. Jahrh. 



Kirche der M i n o r i t e n , eine dreischiffige Hallenkirche, mit 
Rundpfeilern, der lange Chor im Fünfachteleck geschlossen (Abb. 59 
bis 60). Sie ist langgestreckt, als Predigerkirche, mit hellen 
weiten Fenstern. Um dieselbe Zeit ist die P a u 1 i k i r c h e ge- 
baut, wo das Patriziat seine Sitze hatte; ebenfalls eine dreischiffige 
Hallenkirche mit Rundpfeilern; im Westen ist ein viereckiger, 
viergeschossiger Turm vorgelegt (Abb. 61). Der Chor im Fünf- 
achtelschluß mit brillantem Maßwerk (ähnlich am Reinoldichor 
in Dortmund von 1420) stammt aus dem Anfang des 15. Jahr- 



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Soest 




Abb. 60. Minoritenkirchc. Blick auf den Chor. 

Hunderts. Aus dem Ende des 15. Jahrhunderts, in spätester Gotik, 
ist der zweischiffige Remter des Minoritenklosters mit netzartigen 
Gewölben (ohne Quergurten) und der Kreuzgang mit fischblasigen 
Fensterformen. 

Die Bildhauerei hat an allen Soester Bauten eine ge- 
ringe Rolle gespielt, weil der Soester Sandstein für die Meisselarbeit 
zu weich war, weil den Soestern glatte Flächen und geschlossene 
Massen mehr gefielen und vielleicht auch, weil sie zu sparsam 
waren, um für überflüssigen Zierat Geld auszugeben. Aus dem 
12. Jahrhundert sind die Tympanonreliefs von St. 



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11. Die Bauwerke des gotischen Stils 



65 




Abb. bl. St Paul, Turm, Mitte 14. Jahrh. 
(Inventar der Prov.) 

Schmitz , Soest 



Patroclus 
(Abb. 30) und 
St. Petri; aus 
dem Anfang des 
13. Jahrhun- 
derts T y m - 
panonrelief 
(Abb.31), Tauf- 
stein (Abb. 
43) und holz- 
ges c hn it ztes 
Scheiben- 
kreuz der 
Hohnekir- 
c h e (Abb. 32), 
sowie die Wes- 
larer PatrocH- 
statue in Mün- 
ster (Abb. II) 
zu nennen; aus 
dem 14. Jahr- 
hundert die Sta- 
tuen im Chor 
der Wiesenkir- 
che, nach Mitte 
des Jahrhun- 
derts (Abb. 62); 
aus dem Beginn 
des 15. Jahr- 
hunderts die Sta- 
tuen am Süd- 
portal (Maria), 
weich und flüssig 
behandelt (Abb. 
63) und die Sta- 
tuen im Chor 
von St. Pauli. 
Diese gotischen 
Figuren sind 

5 



66 



Soest 




Abb. 62. Wiesenkirche. Chor. Abb. 63. Wiesenkirche, Südportal. 

Johannes, der Evangelist. Maria mit dem Kinde. Anfang 15. Jahrh. 

Mitte 14. Jahrh. (Inventar der Prov.) 



alle, wie auch die Statuen des Patrociischreines von 1313 
(Abb. 18), untersetzt, schwerfällig, mit dicken Köpfen, alter- 
tümlich gedrehten Haarlocken, schraubenförmigen Gewand- 
falten ; sie unterscheiden sich dadurch scharf von den über- 
schlanken, zierlich gebogenen Figuren der Kölner und Frei- 
burger Gotik. 



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12, Bürgerhäuser. Stadtanlage 67 




Abb. 64. Häuser am Nöttcnwall. (Lichtdr. Fritz Kerstin jr., Soest,) 

12. Bürgerhäuser. Stadtanlage. 

„Susatum civitas intcr Westfalicas 
maxima et opulentissima". 

Der bäuerische Grundzug, der in den Soester Monumental- 
bauten zum Ausdruck kommt, prägt sich noch deutlicher in den 
Bürgerwohnungen aus; Soest verleugnet nie seine Abstammung 
von den alten Bauerschaften. Das Innere der alten Häuser ist 
freilich in neuerer Zeit fast überall umgebaut. Gegen die Wälle 
hin findet man vereinzelte Höfe mit dem großen Tor, das auf 
die Diele führt, an den Seiten die Viehställe, darüber der Korn-, 
Heu- und Häckselboden, die Wohnungen im Hintergrund. Das 
Haus auf dem Burghof aus dem 12. Jahrhundert ist, wie gesagt, 
die steinerne Hinterwohnung eines abgerissenen langen Fachwerk- 
hauses, das dem landwirtschaftlichen Betrieb diente (S. 40, Abb. 37). 
Die bemerkenswerten Häuser in der mittleren Stadt, die fast alle im 
16. Jahrhundert, und zwar überwiegend nach der Mitte des Jahr- 
hunderts, erbaut sind, passen sich den städtischen Bedürfnissen 
mehr an : Ställe und Scheunen werden hinter und neben das Wohn- 
haus verlegt, dies wird im Gegensatz zu dem zehn Fach in die Länge 
messenden Schultenhof in der Regel auf vier Fach verkürzt und in 
mehreren, obgleich in selten mehr als zwei Geschossen aufgebaut 

5» 



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Soest 




Abb. 65. Haus Marktstraße. Mitte 16. Jahrh. 
(Hier wohnte Freiligrath.) 

(Abb. 65 — 67); der geräumige Vorderflur und die große Küche 
treten an Stelle der Diele. Die künstlerische Ausgestaltung 
trägt aber denselben, nur reicheren Geschmack, wie die Bauernhöfe 
der Börde. Die Vorderseiten dehnen sich breit aus, die Giebel zeigen 
gedrückte oder gleichseitige Dreieckform; die mächtigen Dächer 
werden mit roten Ziegeln gedeckt; die Mauern sind aus Fachwerk 
mit Balkengerüst. Neben weißgetünchten leuchten bläulich, rötlich 
oder blaßgrün getönte Wände. Das Rahmen- und Balkenwerk 



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12. Bürgerhäuser. Stadtanlage 



69 




Abb. 66. Haus Grandweg 38, erbout 1569. (Althaus.) 



ist in bunten Farben gestrichen; erst in neuerer Zeit hat man es 
gleichförmig schwarz gefärbt. Viele Häuser haben Flachschnitzerei 
an den Rüstbalken und Balkenköpfen, man sieht Rosetten in Kerb- 
schnitt an den Durchschnittpunkten der Haupt- und Querbalken, 
Friese mit Greifen, Sirenen, Teufelswesen und biblischen Szenen, 
Inschriften und Jagdbildern; Stoffmuster und Drachen aus romani- 
scher Zeit. Gotisches Maßwerk erscheint neben Perl- und Eierstab- 
gesimsen und Aldegreverornamenten bis ans Ende des i6. Jahr- 



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Soest 




Abb. 67. Haus WiesenstraRe 6, erbaut 1585. (Inventar der Prov.) 



Hunderts. Es handelt sich um Schreinerarbeiten, wie sie an Bett- 
laden und Truhen vorkommen, für Künstler bot Soest damals 
schon keine Beschäftigung mehr'). Renaissancebauten, wie in 
Münster oder Hannover, gibt es nicht. Wieviel feiner sind die 
gleichfalls in Fachwerk ausgeführten Häuser des i6. Jahrhunderts 
in Hildesheim und Braunschweig. Ihre strenggegliederten Fassaden, 
mit reichem Renaissancedekor und steilen Prunkgiebeln, fügen 
sich durchaus städtisch in die Straßenflucht ein. 

1) 1573 richteten die „Klcinschnitzer" ein Gesuch an den Rat um Bildung 
einer Gilde, erst 1693 scheint sie wirklich gegründet zu sein. 



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12. Bürgerhäuser. Stadtanlage 



71 



In Soest aber kehren die Häuser bald die Giebelwände, bald 
die Längsseiten der Straße zu, sie fingen bald gerade, bald schief 
▼or, andere liegen hinter Mauern im Garten zurück. Allerdings 
ist wenigstens die Hälfte der Häuser Terschwunden — Soest hat 
heute noch nicht die Hälfte der Einwohnerzahl, die es im Mittel- 
alter hatte: dennoch drückt sich in der Art der Bebauung aus, 
daß der westfälische Sinn für das abgeschlossene Einzelwohnen 
selbst in der Stadt nicht erlischt. In Wechselwirkung hiermit steht 
die westfälische Eigenschaft: für sich allein sein zu wollen, alles 
an sich herankommen zu lassen, die sich bei dem Durchschnitts- 
westfalen als Unzugänglichkeit, ja Unhöflichkeit, bei den aus- 
gezeichneten Menschen des Stammes als Beharrlichkeit und Festig- 
keit des angeborenen Wesens und als Freiheit von aller Pose aus- 
spricht. Die Soester Kirchen, St. Thomas im Garten, Maria zur 
Höhe, St. Petri sind niemals auf Schauwirkung berechnet; sie 
drehen der Straße den Rücken zu, nur die Domfassade hat die 
italienische Offenheit. 

Wie eine einzige Bauerschaft lagert sich die Stadt um den 
großen Teich. In der Mitte liegen das Rathaus, der weite 
Marktplatz, der städtische Patrocliturm und das Münster 
beisammen. Die Kirchen der sechs Hofgemeinschaften ordnen 
sich im Kreis darum. An hundertsiebzig krumme Straßen und 
Gassen ziehen zwischen den Häusern, Mauern und Gärten durch« 
Nur die Jacobi-ThomaserstraOe hebt sich heraus: der Hellweg, 
von Unna nach Paderborn. 



72 Soest 




Abb. 68. Blick auf die Wiesenkirche, vorne der große Teich 



13. Geologische und klimatische Verhältnisse. 

Die Häuser der Stadt und der Börde verwendeten als B a u - 
m a t e r i a 1 das Eichenholz des riesigen Arnsberger Waldes') für 
das Balkenwerk, den Lehm- und Tongehalt des Erdreichs für das 
Fachwerk und die rotgebrannten Dachziegel. Die Kirchen und 
Stadtmauern sind in dem eigentümlichen Mergelsandstein 
gebaut, der in einigen Brüchen am Fuß des Haarrückens gebrochen, 
jetzt selten geworden ist. Er ist moosig-grün, von poröser 
Struktur, so daß er an den Kanten leicht bröckelt und von Wind 
und Regen zerfressen wird. Es gibt keinen Stein in Deutschland 
von so leuchtendem Ton, selbst der rote Mainsandstein wirkt kalt 
dagegen! Diese saftige, wirklich grüne Farbe gibt den Soester 
Bauten erst ihre malerische Schönheit und ist jedem Durchreisenden 
unvergeßlich! Man empfindet hier greifbar und bis ins tiefste den 

1) Die Holz- und Jagdgerechtigkeit im Arnsberger Walde bildete einen der 
beständigen Streitpunkte zwischen Soest und den Kurfürsten von Köln. — übrigens 
war früher auch die Börde bewaldet; erst als Karl der Große Höfe anlegte, 
wurde sie ausgerodet. 



13. Geologische und klimatische Verhältnisse 73 




Abb. 69. Wiesenkirche, Chor. (Meßbildanstalt.) 

inneren Zusammenhang zwischen den geologischen Kräften des 
Bodens und dem Bauwerk, denn das Salz des Erdreichs strömt 
gleichsam vor unseren Augen in den Kunstorganismus hinein. 
Hier ist die fruchtbarste Landschaft Westfalens, in der Mitte zwischen 
den Solequellen des Paderborner Landes (den Abhängen des Teuto- 
burger Waldes) im Osten und den Steinkohlenflözen des Dort- 
munder und Ruhrreviers im Westen'). Während die von Asse 

1) Soolquellen sind auch in der Nähe: bei Soest, in Sassendorf, in Werl 
und Königsborn. 



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74 



Soest 




Abb. 70. Wirtschaft Andernach. Osthoven. Erbout 1693. (Althaus.) 

und Soestbach bewässerte Niederbörde, die nordwärts bis zur Lippe 
zieht, vorwiegend Wiesenbau und Viehzucht treibt, gedeiht auf 
dem Hellweg und der Oberbörde im Süden bis zur Haar hinauf 



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13, Geologische und klimatische Verhältnisse 



75 



Getreide aller Art; hier findet sich der mit Humus am reichsten 
durchsetzte Lefamhoden. In der Feldmark um die Stadt werden 
Gartengewächse: Erhsen» Wicken, Kohl, Flachs und früher beson- 
ders Hopfen gezogen. Hier bringt die Erde die dicksten Bohnen 
henror, die fettesten Schweine Westfalens, mit Eicheln und Gemfise- 
ab^len gemästet, Kühe, wie sie sonst nur Holland hat Es hingen 
die geräucherten Mettwürste und Schinken, von Rauch und Luft 
durchstrichen, auf den Tennen, man backt den echten Pumper- 
nickel und braut bei Topp und Andernach herrliches Alt- 
und Doppelbier, das die Soester aus steinernen Literkrügen: 
Bullenköppen, heute, wie seit tausend Jahren, trinken. Hier, er- 
zählt schon der Simplizissismus' ), der im Kloster Paradies einige 
Zeit auf Wache lag, das ,, Jägerken von Soest" genannt, hier setzte 
es das fetteste Bier, den besten westfälischen Schinken und Knack- 
würste, wohlschmeckendes und sehr delikates Rindfleisch . . . 
Da lernte ich das schwarze Brot fingerdick mit gesalzener Butter 
schmieren und mit Käse belegen, damit es desto besser rutschte. 

Es herrscht im Sommer und Herbst ein warmes, oft beinahe 
südliches Klima, Regen und Gewitter, die große Striche Westfalens 
unfruchtbar machen, ziehen sich nach dem hintergelagerten sauer- 
ländischen Gebirgsland, dem Herzogtum Arnsberg und der Graf- 
schaft Mark, hinüber. Dort ist die Witterung kälter und feuchter, 
im Herbst herrscht viel Nebel tmd im Frühling liegt der Schnee 
noch lange. Das Sauerland, eine Abzweigung des Wester- 
waldes und der Rotiiaar, mit reichlichen Schiefer- und Grauwacke- 
lagerungen, mit Tannenwäldern bedeckt, bildet in vielen Punkten 
den schärfsten Gegensatz zur Soester Ebene. Seit alters 
sind in den Tälern blühende industrielle Betriebe, Eisen- und Stahl- 
werke und Drahtrollen, wie in Altena, Iserlohn und Limburg, in 
den Tälern der Lenne, Ennepe und Vohne reiht sich ein Hammer- 
werk ans andere. Höher hinauf, im Siegerland, wird in sehr altem 
Berg- und Hüttenbetrieb Eisen und Stahl gewonnen^. In den 
hddisten Teilen des Gebirges blüht die Holzkultur und Köhlerei. 



1) Von Grimmelshausen (1625—75). 

7^ Schon IISO wlaabt König Konrad dem Abt von Eresburg Gold* Silber und 
Zinn SU groben, der Stahlberg bei Müsen ist seit 1313 im Bon. Die Woffen- 
Bchmiede in Attendorn standen im 14. Jahrh. an Bedeutung vor den Solingern, 
die ihre Blüte erst vom 16. Jahrh. ab daiicren. Soest war, wie gesagt» ein Stapel- 
platz für die industriellen Erzeugnisse des Gebirges. 



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Soest 



DieBevölkenisig des Berglandes Ist sparsam, herb, ohne künstlerische 
Bedürfnisse, in den furotestantischen und industriellen Gegenden der 
Mark und des Siegerlandes, betriebsam, geweckt, aufgeklärt, be- 
weglich, fast städtisch; sozialdemokratisch, aber treu*), wenn 
es sein muß, ihrem König: ein Volksschlag» der sich, wie der des 
benachbarten Bergischen Landes, infolge Jahrhunderte langer freier 
Verfassung und angeborener Kraft, trotz der schwierigsten Arbeits- 
bedingungen und der kärgsten Natur, oder gerade deshalb, eine 
kernige Gesinnung bewahrt hat. Friedrich Hackort, geboren auf 
Haus Harkorten bei Hagen, der Gründer der Harkortwerke, 
und Piepenstock, geboren in Iserlohn, der Gründer des Hörder 
Bergwerksvereins: das sind seine Helden. 

In ihrer Schilderung der westfälischen Stämme bemerkt die 

1) AI« «in Beispiel f&r dos frühere YerhaHnis der Mörker zum K5nig sei 

folgendes erzählt: 

Im Dorfe Ueltzen bei Unnn, in der Grafschaft Mark, war um das Jahr 1798 
eine Viehseuche ausgebrochen. Die Bauern widersetzten sich der von der märki- 
schen Kammer verordneten Tötung des erkrankten Viehs; denn sie verstonden 
dos Gesets nicht, sie glaubten, dofi ihr sömtiiches Vieh noch und nach tot- 
geschlagen werden sollte. Verstärkte Ahteilmigen KoTcdlerie und Inianferie 
mufiten Gehorsam schaffen, schwere Strafe wartete der Starrsinnigen. Der 
Prediger Krupp zu Unna bat bei des Königs Majestät um Gnade. Friedrich Wil- 
helm III. antwortete mit einem Kabinettsschreiben, das so schließt: 

Ihr habt Hecht, Mir die dortigen Einwohner ols ein argloses, gutgesinntes 
«nd seinem Könige treu ergebenes Volk so schildem, welches sich nur im Schmon 
fiber die gransome Hage der Viehseuche, bei den horten, aber durchaus not- 
wendig gewordenen Vorkehrungsmitielo, zu sträflichen Widerset^cbkeittn hat 
verleiten lassen. Sagt ihnen in meinem Namen, daß Ich ihnen von Herzen ver- 
gebe, da sie ihr Unrecht einsehen, ihnen als treuen und braven Untertanen landes- 
väterlich zugetan bleibe, und Mich zu ihnen nach wie vor, aller Folgsamkeit 
gegen Gesetx Und Obrigkeit und treuer Anh&nglichkeit an ihren KSnig verseh«. 
Sucht es ihnen begreif Uch %u machen, dofi weder Ich noch die Obrigkeit Gefiollen 
daran hüben könnten, die Houptqu^le ihrer Nahrung unbarmherzig zu zerstören 
und ihr Vieli totschlagen zu lassen . . . Ich hoffe, daß ihr diesen Gesinnungen 
den besten Eingang bei ihnen werdet zu höhnen wissen und bin euer gnädiger 
König. 

Berlin, den 3a Mörs 179B 

FRIEDRICH WILHELM 
(Jahrbücher der preußischen Monarchie 1796). 

In der Flugsdirift der Grolsdtoft Mark vom Pfbrrer Möller von Eliey bei 

der Abtretung an Frankreidi (1807) und ganz besonders in den „Bürger- und 

Bauernbriefen" von Fr. Ilarkort aus den 4Üer Jahren äußert sidi der mürkisdie 
Patriotismus auf eine riihrendc Weise. Domais war der Liberalismus hier uoih. 
Tolkstümlidi, seine Grundzüge waren Freimut und Burgerstolz. 



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13. Geologische und klimatische Verhältnisse 77 



Droste Hülshoff, daß den Sauerländern gegenüber die 
Bewohner der westfälischen Ebene etwas Sinn- 
liches, Üppiges, Malerisches, ja Südliches haben. Sie spricht freilich 
nur von den Bewohnern des Münsterlandes und Paderborns, aber 
diese Eigenschaften lassen sich auf den Bewohner der Soester 
Ebene ausdehnen. Die derbe Sinnlichkeit, die wir schon in den 
Dichtungen sehen, und der Hang zum Schwelgen, werden auch 
durch die häufigen Ratserlasse bewiesen, die gegen das Schlemmen 
bei Patronatsfesten, Heiligtumstrachten und anderen frommen 
Anlässen gerichtet sind.^) Die Reformation erschien der Mehr- 
zahl der Soester als eine Gelegenheit zu Schmausereien. Die Refor- 
mations- und Sektengeschichte der Mark und des Wuppertals bietet 
ein viel ernsteres, härteres Bild. Die Religiosität dieser Gegenden 
tritt uns verklärt in den Schriften Jung-Stillings entgegen, der 
1740 zu Grund bei Hilchenbach im Sauerland geboren wurde. 

1) Die Kirdienordnung von 1532 sagt: de grote horerie und eebreekeric, die 
dogelix in der Stadt und up dem lande veile gesdieit . . . 




Abb. 71. Arnsberg an der Ruhr. (Lichtdr. J. Sonntag, Arnsberg.) 



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Soest 




Abb. 72. Soest von Süden. 



14. Landschaft. 

Unter den verschiedenen Verhältnissen des Gebirges und 
der Ebene haben sich hier also zwei deutlich unterscheidbare 
Sondercharaktere innerhalb des westfälischen Stammes entwickelt. 
Das Land beeinflußt seine Bewohner, aber umgekehrt wirken die 
Bewohner wieder auf die Physiognomie ihres Landes ein; dies hat 
kürzlich Kessler in seinem Buch über Mexiko bis ins einzelne ver- 
folgt. Indem die Bewohner das Material ihrer Gegend verbauen, 
und so, unbewußt, ihren Licht- und Farbentönen Rechnung tragen, 
bringen sie gewissermaßen die besonderen physikalischen und 
atmosphärischen Grundverhältnisse ihrer Landschaft zum fühl- 
baren Ausdruck. Natur und Kunst berühren sich an diesem Punkte, 
ja sie scheinen völlig die eine in die andere verschmolzen. Diese 
Empfindung drängt sich nirgend anderswo, behaupte ich, als in 
Soest mit solcher Kraft auf. 

Zwei Stunden südlich von Soest beginnt das Gebirge, 
bis zur Sieg und weiter ist ohne Unterbrechung alles mit Wald 
bedeckt, schon auf der Rückseite des Haarstrangs im Möhnetal 
und im Arnsberger Walde macht sich der kältere magere Gebirgs- 
boden fühlbar. Von da ab ist südwärts immer dasselbe Bild: die 
Berge meist mit Tannen bewaldet, in der Tiefe enge Flußtäler 
mit Wiesenmatten, vereinzelt sehen kleine Ortschaf ten oder Hammer- 



14. Landschaft 



79 



werke herauf, die Häuser sind einförmig, mit weiß gekälkten 
WAnden und gleichmäßig schwarzgestrichenen Balken und Toren, 
die Dicher und Giebelsetten sind mit grauem Schiefer gedeckt; in 
der Mark» sowie im Bergischen Land» sind die ganzen Häuser mit 
Schieler umkleidet. Auch die Kirdien sind weiß- oder grau- 
getOncht» tragen dimkelgraue Schieferdächer und sind im Innern 
gleichfalls geweißt, ohne Schmuck. Meist ist der Himmel trübe, 
in den Tälern liegt oft rauhe nebelige Luft, graue Regenwolken 
streichen fiber die dunklen Waldrüdcen: hier leiden Natur und 
Mensch nur trübe, graue, schwarze, weiße Töne. 

Aber die Soester Börde von der Haar bis zum Hellweg 
ist nur Getreide. Endlos dehnt sich die gelbe Fläche herab. Rote 
Dächer tauchen aus den Senkungen, von Obstbäumen, Eichen und 
Linden umschattet. Sommerstille liegt über den Höfen. Man hört 
nur das Gackern der Hühner aus den Scheuern, das Brummen der 
Kühe aus den Ställen, die Stare flöten in den Ulmen, im Korn 
und am Wiesenrand zirpen die Heuschrecken. Die Schwalben 
schießen über den Hafer hin. Die Hitze kocht in den Halmen, 
gesegnet sind die Ähren, die warme schwere Luft schwebt über 
dem Korn; vor den weißgekälkten Wänden des Hofes zittert das 
Sonnenlicht und das rote Dach hebt sich schattenlos in die Bläue 
des Julihimmels. Es ist, als ob die Feuchtigkeit des Meeres den 
Farben solche Leuchtkraft gibt. Über die unbegrenzte Niederung 
im Norden weht eine beständige Luftströmung, besonders am Abend; 
dann wogt das Korn die Haar hmauf, Grashalme und Blumen, 
die Feldrain und Wegrand überwuchern: Klatschmohn, Korn- 
blumen, Schirling» Kornraden und Klee zittern. Es dampft aus 
den Wiesen, von den Ulmen und den gelbbraunen Linden. Die 
Apfelbäume auf beiden Seiten der Straße tragen schwer an grünen 
Früchten und ihre Astspitzen hängen voller Strohhalmen, die sie 
von den vorüberstreifenden Erntewagen gerauft haben. Denn hier 
steht das Korn noch auf dem Halme, während es dort schon ein- 
gefahren wird, auf anderen Feldern reißen die Pflüge schon den 
Acker auf für die neue Saat: fette, gelbbraune, dampfende Schollen. 
Ober dem Meer roter Dächer steigen die Soester Türme herauf, 
ihre grünen Mauern glühen In der warmen Sommerluft, selbst 
in den Schatten nodi leuchtet der Stein, lebendig wie ein Mineral, 
der Lichtton flieOt und wandelt sich immerfort Alle überragt der 
Patrodlturm, durchleuchtet von der Sonne, ohne Schatten, wie 



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Soest 



ihrer Schwere beraubt, schwimmt die grüne Masse in dem Äther, 
der schneeweiße bleigedeckte Turmhelm steht, einem geblähten 
Segel ähnlich, in dem blauen Himmel, goldene Kugeln schweben 
auf den Spitzen. 




15. Die Malerei des 15. Jahrhunderts 81 




Abb. 74. Soester Meister, um 1400. Ntkolaikapelle. (Bruckmann.) 



15. Die Malerei des 15. Jahrhunderts. 
Erste Periode: Meister Conrad. 

Jetzt muß uns die Frage bewegen: was die Soester Maler 
der verschiedenen Jahrhunderte von dieser ihrer Heimat, diesen 
Menschen und dieser Gegend, aufgefaßt haben. Bis zum 
Ende des 14. Jahrhunderts haben sie sich überlieferter 
Ausdrucksformen bedient, denen gegenüber die eigene Vor- 
stellung der Künstler von der Natur kaum mitsprach. Die 
Maler des 12. und 13. Jahrhunderts, deren Hauptfeld die Wand- 
malerei war, lehnten sich stark an byzantinische Vorbilder 
an oder gaben sich mit subjektiven Linienempfindungen zu- 
frieden (S. 52 ff.). Auch der darnach aus Frankreich um 1270 im- 
portierte gotische Malstil bleibt der anschaulichen Natur ferne 
und begnügt sich mit dekorativen Formen; das Hauptgebiet dieser 
Maler war auch wieder die Wand- und Buchmalerei. Gering 
und wenig bedeutend sind die Soester Arbeiten dieses Stils: Wand- 
malereien an Pfeilern der Petrikirche (nach 1270); das Nequams- 
buch im Stadtarchiv mit kulturgeschichtlich bemerkenswerten 

Schmitz, Soest 6 

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Soest 




Abb. 75. Soester Meister, Christus am Kreuz. Ende des 14. Jahrh. 

Patroclidom. (Bruckmann.) 



Bildern aus der Soester Rechtsgeschichte, um 1350 (Abb. 5 u. 6, 
S. 3), der große Zyklus der |Glasgemälde im Hauptchor der 
Wiesenkirche, nach Mitte des 14. Jahrhunderts; das große Ante- 
pendium aus St. Walpurgis in Berlin (Depot) ; der Untersatz 
des nördlichen Altars der Wiesenkirche (um 1376?). 

Erst am Ende des 14. Jahrhunderts nahm die Soester Schule 



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Abb. 76. Meister Conrad, Kreuzigung. 
Mittelstück des Altars in Niederwildungen. 1404. 
(Inventar der Prov.) 



84 Soest 




Abb. 77. Soester Meister, um 1410, Kreuzigung. 
Teil des Mittelstücks des Warendorfer Altars. (Münster, Museum.) 



unter Meister Conrad, gleichzeitig mit der übrigen deutschen 
Malerei, prinzipiell eine Wendung auf die wirkliche 
Natur. Gleichwohl aber lehnte sich auch diese Richtung noch 
eng an fremde Vorbilder an. Die vortreffliche Maltechnik und 
die strenge Komposition sind die Erbstücke einer alten Kultur. 
Die früheste Soester Arbeit dieser neuen Kunst, die vorwiegend 
Tafelgemälde in Tempera auf Eichenholz geschaffen hat, der K r u - 
zifixus aus St. Patroclus, läßt sogleich erkennen, 
wo wir die Ursprünge zu suchen haben (Abb. 75). Der schmale, 
edle Körper, die weichgezogenen Falten, der grüne Grund mit 
roter Umrahmung, aber vor allem die malerische Behandlung, 
der zähe Farbenauftrag auf Kreidegrund, das gelbliche Fleisch, 
mit verschmolzenen grünlichen Schatten: zeigen die engste Ver- 
wandtschaft mit den Triumphkreuzen der toskanischen (Florentiner, 
vor allem Sienesischen) Maler des 14. Jahrhunderts (Trecento). 
Bei diesen findet man nun eine ganze Reihe der Kompositionen 
des Meisters Conrad und seiner Werkstatt Zug für Zug wieder: 



15. Die Malerei des 15. Jahrhunderts 85 




Abb. 78. Soester Meister, um 1410, Kreuzigung. St. Pauli, Ausschnitt. 



die Abnahme vom Kreuz, die Grablegung und Beweinung Christi, 
die Kreuztragung und die Darbringung im Tempel (Abb. 8o). 
Dort sind auch die großen Kreuzigungsszenen ausgebildet, 
die für die Soester Schule typisch sind. Sie bilden immer das 
Mittelstück der Haupttafel , so auf dem Altar in Nieder- 
wildungen von 1404 (Abb. 76), der uns den Namen Meister 
Conrads überliefert, den drei Altären zu Darup, Warendorf 
(Abb. 77) und dem neuaufgedeckten zu Isselhorst, alle 
drei um 14 10 — 20 von einem Schüler Conrads gemalt; auf der 
Tafel in der Dortmunder Marienkirche, auf dem 
Altar von St. P a u 1 i in Soest um 1410 (Abb. 78) und dem 
Jakobialtar der Wiesenkirche im südlichen Chor, 
um 1420. Die Beziehungen des Kölner Zeitgenossen unseres Con- 



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86 



Soest 



rad, des Hermann Wynrich Ton Köln 
(t 14x41 sogen. ».Meister Wilhelm") zur 
Kunst Giottos sind seit langem nie- 
mandem sweifelhalt IhroraS hat im 
Zusammenhang gezeigt: daß Aber Bur- 
gund infolge der engen Bezidiungen zu 
Italien die direkte Verbindung der Köl- 
nischen Malerei mit der italienischen 
des Trecento angeknüpft worden ist. 
Von hurgundisdien Malereien, sagen wir, 
hat auch die Soester Malerei diese ita- 
lienischen Elemente empfangen ; 
wenn wir nicht annehmen wollen: daß 
diese Soester Meister des 15. Jahrhunderts, 
wie ihre Vorgänger des 12. und 13. Jahr- 
hunderts (S. 54) selbst über die Alpen 
gewandert sind. In den wenigen, uns 
bekannten Tafelmalereien und Miniaturen 
Burgunds, wie in dem Altar des Broe- 
deream in Dijon (1392), findet sich die 
engste Verwandtschaft mit Meister Con- 
rad. Die politischen und Handelsver- 
bindungen zwischen Soest und dem 
Niederrhein und Burgund waren im An- 
fang des 15. Jahrhunderts sehr innig; in 
dem Bündnis der Stadt mit den Herzögen 
von Cleve, den Anverwandten der hur- 
gundischen Herzöge, von 1398 und 1441 

,0 r* j «r'i i A j 1 Abb. 79. Conrad roa S<MBt 

(S. 15), finden sie signifikanten Ausdruck, j^f^^ m. otnuo. 

In Toskana ist der neue Stil durch Cima- «us st. Waipurgis in Soest 
bue und Giotto in Florenz und durch (geht in« Münster). 
Duccio inSiena aus der byzantinischen Kunst entwickelt worden^). 
Der eigentümliche rote Kuppelbau auf freistehenden Säulen, der in 




1) Die Verwondtsdioft der nordwesidetttedien Malerei erstreckt sidi aber 
nidit blofi auf diese frülien Meister; o«di spötere Treeeniomaler, %, B. Taddeo 

Gaddi, SpineUo Aretino, Gentile da Fabriano, sind heronsuzichcn; auch die ober- 

italienisdien vcroncsisdien Meister Zcvio, Altidiiero, Pisanello haben auffallende 
Ahnlidikeiten mit Meister Wiliicim von Köln und nodi mehr mit unserem Conrod 
von Soest! 



15. Die Malerei des 15. Jahrhunderts 87 




Abb. 80. Westfälischer Meister, 1421. Anbetung der Könige. 
Darbringung im Tempel. Ausschnitt. Pfarrkirche zu Fröndenberg a. d. Ruhr. 

(Phot. Bruckmann.) 



der Soester Schule typisch ist (Abb. 8o), ist ein Requisit der byzan- 
tinischen Trecentomaler und der italienischen Malerei, die ,, idealen" 
Gesichter und die großzügigen flüssigen Falten, die doch nicht 
der Soester Umgebung entnommen sein können, sind italienische 
Umformungen byzantinischer geheiligter Typen, wie dies Goethe 
bei ,, Meister Wilhelm" übrigens schon erkannte. Darum sind 
die Kennzeichen dieser ersten Periode deutscher Malerei des 15. Jahr- 
hunderts, die ihre frühesten Blüten in dem Kölner Clarenaltar 
,, Meister Wilhelms" und dem Wildunger Altar Conrads, ihre 
spätesten im Dombild Stephan Lochners hervorgebracht hat: 
die Kennzeichen dieses ,, idealen", ,, germanischen" Stils, wie 
ihn die Boisser^e, Schlegel, Waagen und Schnaase nannten, sind 
eine von der nachfolgenden deutschen Malerei nicht wieder er- 
reichte Größe der Form, Geschlossenheit der Komposition 
lind Einheit der farbigen Wirkung. Die Farben sind fast ohne 
Schatten in großen bunten Flächen nebeneinandergestellt. Die 
Darstellung hebt sich über alle Wirklichkeit hinaus. 

Und doch kommt uns ein ganz neues Naturempfinden 



Soest 



entgegen ; in der Farbenstim- 
mung sowohl wie in einzelnen 
Zügen verspüren wir sogar die 
Einwirkung der örtlichen Um- 
gebung; so daß wir hier erst, 
im Gegensatz zum allgemein 
verbreiteten Stil der mittelalter- 
lichen Malerei, von einer eigen- 
tümlichen Soester Schule 
sprechen können. Sie ist im 
Gegensatz zur Kölner Schule 
von Anfang an weltlicher ge- 
sinnt. Sie kennt fast nicht die 
hieratische Feierlichkeit der in 
statuarischer Ruhe nebenein- 
ander gereihten Figuren , wie 
sie die Kölner Schule im gan- 
zen 15. Jahrhundert beibehält 
(Meister Wilhelm, Meister Ste- 
phan, der Meister des Marien - 
lebens um 1460, noch der 
Meister von St. Severin um 
1500) ; das ist ein Ausdruck 

des streng-sakralen Geistes der Kölner Kunst und eine Folge davon, 
daß hier die neue Kunst unmittelbarer als in Soest aus der vorauf- 
gehenden gotischen Wandmalerei herauswächst, wie der Clarenaltar 
zeigt. Dessen Teilung in schmale Felder und architektonische 
Gliederung mit gotischen Streben und Wimbergen unterscheidet sich 
lebhaft von den gleichzeitigen großen Soester Altären, wo die Er- 
zählung in einen breiten Rahmen zusammengefaßt, weit bildmäßiger 
wirkt. Die Figuren Meister Wilhelms haben gleichförmigere, kind- 
lichere Gesichter, ausgeglichene Bewegungen, mehr allgemeine 
weichfließende Gewänder. Die Soester haben längere Gestalten und 
geben den Gesichtern spitzere und schärfere Ovale. Sie staffieren 
ihre Szenen mit Beiwerk reicher aus. Neben den italienisch- 
byzantinischen Kuppelbauten erscheinen gelbgestrichene Stall- 
gebäude mit Strohdächern und bretterbeschlagenen Giebeln 
(Abb. 81). Ihre landschaftlichen Hintergründe, deren Grund- 
elemente der toskanischen Malerei entstammen, sind reich an Blumen, 




Abb. 81. Soester Meister, um 1420. 
Anbetung der Könige. Wicsenkirche. 



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4 



15. Die Malerei des 15. Jahrhunderts 89 




Abb. 82. Soester Meister, Tod Mariä. Blankenberchaltar aus St. Walpurgis 
in Soest (1422—43). Münster. (Inventar der Prov.) 



Rasenstücken und Gebüsch. Joseph, als Hausvater im Bauern- 
rock, kocht die Suppe oder packt die Geschenke der heiHgen drei 
Könige in die Truhe. Diese kommen als Kaufleute nach flandrischer 
Mode gekleidet, in Dusing und Tappert, mit reichbestickten 
Federbaretts, in kurzen, knappen Röcken und Schnabelschuhen 
Sie tragen Mäntel von Brokat und Damast mit gold- und silber- 
gepreßten Greifen -und Drachenmustern, die Säume mit weißem 
Pelz, mit Zacken und Zaddeln besetzt, übergeworfen perlen- 
besetzte Kragen, umgehängt metallene Ketten, Kugel- und Schellen- 
gürtel — den Jungherzog Johann von Cleve, der am Hofe seines 
Oheims Philipp von Burgund ritterlich erzogen war, nannten 



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90 



Soest 



die Soester wegen dieser Tracht 
den Junker van den bellen^). Diese 
Kaufleute drängen sich als Pharisäer 
und jüdische Vornehme unter dem 
Kreuz Christi, neben ihnen sieht 
man Bauern und geharnischte 
Knechte auf roten und grauen 
Pferden (Abb. 84). Das fröhliche 
bäurische irdische Gemüt dieser 
Soester befriedigt sich aber erst 
völlig in den Farben. Rot ge- 
strichen ist der breite Holzrahmen, 
mit bunten Mustern besetzt, rote 
und grüne Leisten trennen die 
Szenen ab, rote oder blaugefärbte 
Architekturen spannen sich darüber, 
hell und ungebrochen stehen die roten, blauen und grünen 
Gewänder vor dem lehmbraunen Erdreich und dem warmen 
Goldgrund. Den koloristischen Höhepunkt bildet immer wieder 
die Frauengruppe: die blendendweißen Kopftücher, das rot- oder 
strohblonde Haar, die blasse weiße Haut tauchen kühl aus dem 
leuchtenden Meer bunter Gewänder (Abb. 83). Ein heller, warmer, 
gelblich brauner, manchmal ins Grüne spielender Ton liegt über 
den Soester Bildern, eine Sommerstimmung, wie über dem gelben 
Korn, den buntgetünchten rotgedeckten Häusern und Höfen, 
den grünen Mauern der Kirchen. Dazwischen schimmert das 
aufgelegte oder in Stuck eingepreßte Metall an den Gewändern, 
Gürteln, Pferdegeschirren und Waffen, wie draußen das Sonnen- 
licht auf dem Bleidach und den Goldkugeln des Patrocliturmes, 
auf den Sensen der Mäher, auf den Geschirren und Messingblechen 
der Pferde, die die blinkende Pflugschar durch den braunen Acker 
ziehen. In den sonnigen Hallenkirchen der Wiesenkirche und 
Paulikirche sind die Bilder an ihrem Platz, viele, die jetzt in Museen 
sind, kamen während der Ausstellung im August 1907 in der hellen 
Minoritenkirche vorübergehend zu ihrer alten fröhlichen Farben- 
wirkung. 

1) Solche Kostüme zeigt auch die wahrscheinlich burgundische Kaselstickerei 
im Domschatz, die Herzog Johann 1446 dem Kapitel gesdienkt hat. — Die Stoffe 
selbst wurden ober nicht in Burgund, sondern in Italien gewebt, wie auch diese 
Sammtkasel (Abb. 16). 




Abb. 83. Seester Meister, um 1410. 
Ausschnitt aus der Kreuzigung 
in Darup. 



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16. Die Malerei des 15. Jahrhunderts. Zweite Periode 91 




Abb. 84. Westfälischer Meister, Soester Schule (um 1430-40). 
Kreuzabnahme Christi. Aus Langenhorst, jetzt in Münster (Ausschnitt). 

16. Die Malerei des 15. Jahrhunderts. 
Zweite Periode ca. 1440-1500. 

In den dreißiger und vierziger Jahren des 15. Jahrhunderts 
weicht der strenge, aus der italienischen Trecentokunst entwickelte 
Stil der deutschen Malerei allenthalben der sogenannten rea- 
listischen Richtung. In Niederdeutschland geschieht dies 
unter dem Einfluß der flandrischen Malerei, die mit den Brüdern 
von Limburg und endlich den van Eycks in den zwanziger Jahren 
des Jahrhunderts bereits die neue Bahn eingeschlagen hatte. Die 
letzten Schöpfungen der Schule Meister Conrads: der Blanken- 
berchaltar aus St. Walpurgisstift, jetzt in Münster (Abb. 82; 1422 bis 
1443) und die Altartafeln in Freckenhorst (um 1430) zeigen, trotz 



92 



Soest 



der vorgeschrittenen Raumgestaltung, eine 
Verweichlichung der großen Formen Meister 
Conrads; die Farben sind ins Süßliche ent- 
artet. Aus sich selbst heraus hatte jeden- 
falls die Soester Schule nicht die Kraft, neue 
Wege zu finden. Gleichwohl besteht zwischen 
der alten und der neu aufkommenden Rich- 
tung die engste Verbindung. Eine Gruppe 
von Bildern, die um die Mitte des 15. Jahr- 
hunderts entstanden, von Nordhoff als Früh- 
werke des von 1446 bis 149 1 in Münster er- 
scheinenden Johann von Körbecke') 
angesehen werden, offenbaren diesen Zu- 
sammenhang deutlich: zwei Altartafebi aus 
Langenhorst und zwei Tafeln aus 
KlosterMarienfeld. Sämtlich jetzt 
in Münster. Kreuzabnahme (Abb. 84), Be- 
weinung Christi, Kreuztragung sind der 
Conradschule entnommen, die sie aus dem 
italienisch-byzantinischen Bilderschatz hatte. 
Von dieser frühen Soester Schule stammen 




Abb. 95. AttHchaitt am 
dem Altar aus Lang«i- 
horst (vgl. Abb. 84). 



auch die kindlichen, zartovalen Gesichter, der milde Ausdruck, 
die stillen, ja großen Gebärden, der Goldgrund und das relativ 
noch spärliche Beiwerk: also die Grundzüge (Abb. 85). Das Neue 
und Niederländische sind: die gebrochenen Falten, die kräftige 
Modellierung und tiefe Färbung, die scharfe Bildung von Händen 
und Füßen, die blauen Hügelfernen, endlich viele Züge des 
Kostüms ; die Hörnerhaube einer Frau imd der große Pelzhut eines 
Mannes sind beispielsweise direkt aus Bildern der Eyckschen 
Schule genommen. Aus dieser Gruppe des Langenhorster Meisters 
geht der Schöppinger Meister (um 1450 — 70) hervor*). Er 
gehört zu der Gruppe deutscher Meister nach der Mitte des 15. Jahr- 
hunderts, wie Wilhelm Pleydenwurff in Nürnberg, Multscher in 



1) Kdrbeeke liagt swei Stuiid«ii Bfidlidi von So«s^ auf der Boar. 

2) Seine Werke: Tafel mit fünf Heiligen aus Nordwalde in Münster. — Drei- 
teiliger Altar aus der Wiesenkirdie im Berliner Museum, — Dreiteiliger Altar in 
der Sdiöppinqcr Pfarrkirdie. — Dreiteiliger Altar aus Haldern im Kölner Dom. — 
Kreuztragung Cliristi auf der Ausstellung des Burlington fine Art Club 1906 (H. R. 
Hughes, of Kinmel Nr. 8) erwähnt Ton Friedlönder Repert f. Kw. 1906 (S. 58^ 



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16, Die Malerei des 15. Jahrhunderts. Zweite Periode 93 




94 



Soest 



Ulm, der Meister des 
Marienlebens in Köln, 
die die Errungen- 
schaften der nieder- 
ländischen Meister 
sich völlig zu eigen 
gemacht haben, aber 
doch das provinzielle 
Element am stärk- 
sten ausprägen. Er 
wurzelt tief in der 
Soester Schule, sein 
frühes Hauptwerk, 
der große Altar im 
Berliner Museum, 
stammt aus der 
Wiesenkirche (Abb. 
86,87). Seine Mittel- 
stellung zeigt sich 
darin, daß er einen 
Teil seiner Komposi- 
tionen, wie die Frauen 
am Grabe, die Dar- 
bringung im Tempel, 
die Kreuzigung Petri 
während er andere 




i 



9 ^ 




Abb. 87. Schöppinger Meister, um 1460 —70. 
Anbetung der Könige. Ausschnitt aus dem Altar 
der Wiesenkirche. (Berlin.) 



, der Schule Meister Conrads entnimmt, 
Szenen, wie die Verkündigung Mariae 
auf dem Schöppinger und die Geburt des Kindes auf dem 
Soester Altar (in Berlin), dem Meister von F16malle entlehnt. 
Die Anlage seiner Bilder: auf der Mitteltafel die breitgezogene 
Kreuzigung, auf den Flügeln einzelne Szenen durch rote Streifen 
abgeteilt, das Ganze eingefaßt in breite bunte Rahmen, ist ganz 
in der frühen Soester Art. Die Gesichtstypen der Frühwerke (Altar 
aus Nordwalde um 1460, Altäre aus der Wiesenkirche und aus 
Haldern) stehen in unmittelbarer Verbindung mit Meister Conrad. 
Das Neue liegt in dem Reichtum an individuellen Gesichtstypen, 
besonders auf dem späten Hauptwerk, dem Schöppinger Altar 
(Abb. 7, S. 5 u. Abb. 17, S. 17), in der eingehenden knittrigen Ge- 
wandbehandlung, in der Überwindung des Flächigen, das die Schule 
Conrads hatte, obgleich die Kenntnis der Perspektive doch noch sehr 



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16. Die Malerei des 15. Jahrhunderts. Zweite Periode 95 



gering ist. Im Mittelgrund sind braune bewaklele Hügel, nach hinten 
ziehende Wege, in der Feme grfine Bergzflge und Städte. Das Ver« 
hAltnis zur heimischen Umgebung hat sich im Vergleich 
zu Conrad bewußt ausgebildet Die groBe Auffassung der heiligen 
Vorginge geht verloren. Die Komposition des Hauptereignisses, 
der Kreuzigung (Abb. 17 u. 86), verliert die Geschlossenheit und Kon- 
zentratton. Die voraufgehenden und nachfolgenden Vorfälle der 
Leidensgeschichte werden mit in diese Darstellung gezogen. Bis 
an den oberen Rand hinauf zidit das Gewimmel: das Leben seiner 
Zeit, die Erscheimmg und Empfindung seiner Soester Heimats- 
leute bewegt diesen Meister mehr als alles änderet So waren die 
Hinrichtungen auf dem Nasensteine. über dem Tor von Jerusalem 
hängt der Rdchssdiild mit dem Adler. Christus und die Schächer 
kommen heraus über die Brücke, gezerrt, getreten und bespieen 
von den Knechten. Volk und Kinder hinterdrein. Hunde laufen 
dazwischen, im Stadtgraben tummeln sich Enten. Bürger und 
Bauern stehen gedrängt um die Kreuze. Sie wollen ein Schauspiel 
sehen, zwischendurch besprechen sie ihre Geschäfte. Vorne am 
Boden wälzen sich Landsknechte, breite fuchsige Westfalen - 
Schädel hauen und stechen sich um den Rock Christi: als wäre 
die Märe Wahrheit geworden, daß der Heiland von Westfalen 
gekreuzigt worden (Aldenhoven). Pontius Pilatus und die rö- 
mischen Legionssoldaten waren Westfalen: dieser alte Glaube 
wird allen Ernstes in einer 1793 zu Solingen gedruckten Schrift 
bewiesen.^) Auch in der Vision der letzten Schlacht am Hellweg 
(S. 33) wird von Kriegern gesprochen mit Helmen,* wie sie zur 
Zeit Christi getragen wurden. Der Schöppinger Meister ist ein 
Künstler zweiten Ranges» mit den genannten Zeitgenossen in Köln, 
Nürnberg und Ulm gar nicht zu vergleichen; aber seine Werke 
geben uns den lebendigsten Eindruck der künstlerischen und 
bürgerlichen Kultur in Soest und Westfalen nach der Mitte des 
15. Jahrhunderts. In seinen Bildern konzentrieren sich alle Eigen* 
schalten der eingeborenen SoesterSchule, ihre Stärken und Schwächen : 
der blonde, sonnige, gelblichbraune Gesamtton, helle Buntscheckig- 
keit der Einzelfarben, starker Gold- und Silberglanz, archa&ches 
Haften an überlieferten Kompositionen, Behagen an der Schil- 
derung des Ueinbflrgerlichen Lebens bis ins einzelne hinein, endlich 



1) Mittelstedt , Westfälisdie Altertümer oder Beweis, daß diejenigen so 
Chrittum gäkreuiiget WettfiUinger gewesen. 



16. Die Malerei des 15. Jahrhunderts. Zweite Periode 97 




Abb. 89. Die hl. Sippe. Mittelstück des Altars der Wiesenkirche von 1473. 

(Bruckmann.) 

Überfüllung der Bildtafeln bis zum oberen Rahmen. Die Darstellung 
ist episch und breit, wie in den Soester Chroniken und Dichtungen, 
aber ohne Vertiefung, der Ausdruck ist nur kräftig, wenn es sich 
um rohe Vorgänge handelt, Fratzenschneiden und Zähnefletschen 
gelingt am besten ; wo feinere Empfindungen wiedergegeben werden 
müssen, wie bei den klagenden Frauen, schlägt die Darstellung 

Schmitz, Soest 7 



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98 



Soest 



ins Süßliche oder Weinerliche um. Ähnliche Erscheinungen bietet 
ja die westfälische Dichtung des 19. Jahrhunderts (S. 31). Das 
ist so recht Westfalenart: Sie fechte gut, sie trinken gut — und 
wenn sie die Hand dir reichen — zum Freundschaftsbündnis» 
dann weinen sie; — sind sentimentale Eichen (Heine). 

Aus der Soester Schule geht auch der Meister des Li es- 
borner Altars von 1465 hervor, der den Höhepunkt der 
westfälischen Malerei der zweiten HiUfte des 15. Jahrhunderts 
bildet Von einem Schüler des Meisters stammt die prachtvolle 
grofie Kreuzigung in der Hohnekirche, um 1480 
(Abb. 8S), von derselben Hand sind die Kreuzigungen aus Lippborg 
in Münster und der Altar in Sünninghausen (von Koch unter dem 
Namen „Meister der Lippborger Passion" zusammen- 
gefaßt). Werke des ausgesprochenen Realismus aus Soest sind 
noch die Kreuzigung im Krankenhaus, der Flügelaltar mit dem 
Martyrium der xo 000 Märtyrer von 1489 und zwei kleine Tafeln 
mit Aposteln und Stiftern aus dem Walpurgisstift, jetzt 
in Münster. Das Äußerste bietet der Flügelaltar von 1473 im 
nördlichen Chor der Wiesenkirche; in der Mitte ist die 
heilige Sippe in einer Kirche (Abb. 89). Die Szenen der Flügel- 
rückseiten: Messe Gregors und Beweinung Christi sind dem Meister 
von F16malle entlehnt. Von ihm hat der Künstler auch die sichere 
Perspektive und die klare Lichtführung gelernt. Die Formen- 
behandlung ist so präzise, die Farbengebung so kühl, daß es zweifel- 
haft scheint, ob der Urheber ein Soester ist. Im letzten Drittel 
des 15. Jahrhunderts geht die Soester Malerei bereits zurück, die 
finanzielle und soziale Lage versch echtert sich nach der Fehde 
(1449) zusehends. Daneben verschloß die Konkurrenz der Münster- 
schen Schule das Hauptabsatzgebiet der Soester Tafelbilder, das 
östliche und südliche Münsterland. In den letzten Jahren des 15. Jahr- 
hunderts und im 16. Jahrhundert ist von einer geschlossenen 
Soester Schule" keine Rede mehr. Offenbar geht die Qualität 
der westfälischen Malerei gegen Ende des 15. Jahrhunderts all- 
gemein zurück. Die Brüder Dünwege (1500 — 1530) sind 
kaum als Endpunkte der westfälischen Malerei aufzufassen. 
Ihr Schwerpunkt liegt, wie Kisbach gezeigt hat, am Niederrhein, 
trotzdem ihr Hauptwerk, der Altar der Propsteikirche in Dort- 
mund von 2521, mit dem Altar der Soester Hohnekirche (um X4B0) 
viele Berührungspunkte hat (Abb. 90). Mit dem Ref ormationsjahre 



16. Die Malerei des 15. Jahrhunderts. Zweite Periode 99 




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100 



1530 Ilört in Soest die 
Bestellung von Altar- 
bildern auf^). Das 
einzige bemerkens- 
werte Renaissance- 
werk der Soester Ma- 
lerei, der früher fälsch- 
lich Aldegrever be- 
nannte Flügelaltar 
der Wiesenkirche, 
mit drei geschnitzten 
Figuren im Mittel- 
stück, ist um 1525, 
nach Nordhoff von 
Gert van Lon aus 
Gesecke bei Lippstadt 
gemalt") (Abb. 91). Da- 



1) Vereinzelt steht die 
von NordhofF mitgeteilte 
Tatsache: daß nodi Ende 
des 16. Jahrh. die Protes- 
tanten bei Mathias Knypping 
religiöse Kanzel- und Altar- 
gemäldc bestellten (Reste 
von 1593 und 1605 sollen er- 
halten sein). 

2) Gert von Lon (Lohne 
zwisdien Gesecke und Soest) 
malte urkundlidi in den 
Jahren 1505-21 für das Klo- 
ster Willebadcssen einen 
Altar, der jetzt im Museum 

in Münster ist. Von derselben Hand ist das Triptydion mit der Kreuzigung in 
der Pfarrkirdic Hörste bei Lippstadt, das Triptydion mit dem Jüngsten Geridit im 
Dom zu Paderborn und ein Triptydion ous Corvey in Münster. Der Soester Altar aber 
zeigt, ebenso wie die ihm engverwandten Außenseiten der Flügel des Altars aus 
Amelsbüren in Münster und des Altars in Lünen, eine so sehr von den obigen Werken 
abweidiende Formbchandlung, daß man einen anderen Meister als Urheber an- 
nehmen muß. Dieser kann aus Gerts Werkstatt hervorgegangen sein, er unter- 
scheidet sidt von diesem ganz gotisdi empfindenden Meister aber durdi die volle 
renaissancehaRc Formgebung und weidie Farbenbehandlung. Er verholt sidi zu 
ihm, wie der Meister von Kappenberg zu den Dünweges. 

Der Franziskaner zu Korbadi in Waldeck, der den Altar der dortigen Nikolai- 



Abb. 91. Anbetung der Könige. Altar der 
Wiesenkirche, um 1525 (rechter Flügel). 



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16. Die Malerei des 15. Jahrhunderts. Zweite Periode 101 



mals bestellten die Familien Klepping und Sudermann den großen 
Flügelaltar im südlichen Chor der Petrikirche in einer Ant- 
werpener Werkstatt. Zahlreiche Altarwerke in der Nähe von Soest 
aus den zwanziger Jahren des i6. Jahrhunderts sind aus den Nieder- 
landen bezogen (Rhynern» Schwerte, Cappenberg, Verne, Sassen- 
berg^. Die einheimischen Meister konnten die Anforderungen 
des veränderten Geschmacks nicht mehr zufrieden stellen. Zum 
Bau des Osthoventores ließ die Stadt im Jahre 1523 einen 
Meister aus Hessen kommen (Abb. 4). Die OrOBt der Soester 
Kunst, deren Kraft und (veschlossenheit darin beruhte, daß sie 
im Volkstum wurzelte, war, wie die Blüte der Stadt, im Anfang 
des z6. Jahrhunderts vorbei. 

kirche von 1518 und den Altar der KilianskirAe mit Graf Philipp III. und Anna 
von Cleve von 1527 malte, soll nach Nordhoff an die letzte Soester Sditde, speziell 
on Gert von Lon, anknüpfen. 



102 



Soest 




Abb. 92. H. Aldegrerer, Ornomeittetich. 1537. 



17. Heinridi Aldegreven 

Ganz yereinzelt erhob sich damals in Soest die Erscheinung 
Aldegrevers. . Geboren war er 1502 in Paderborn und kam, nach- 
dem er seine Lehrzeit in Nürnberg verbracht, vor dem Jahre 1530, 

vielleicht schon 1528, nach Soest, wo er bis an seinen Tod (zwischen 
1555 und 1561) gelebt hat. Hier trat er als Eideshelfer der Patrocli- 
brüderschaft unter die Führer der Reformation (S. 22). In Pader- 
born ist sein Vater, der alte und lahme Hermann Trippenmeker, 
als der Bischof sechszehn protestantische Bürger auf den Markt 
zur Hinrichtung führen ließ (Oktober 1532), vorgetreten und hat 
gerufen: Man solle ihn auch hinrichten, er wäre so schuldig wie 
jene'). Die Verhältnisse in Soest entsprachen dem freimütigen 
Künstler mehr, hier fand er für seine satyrischen Blätter auf die 
Mönchsgeistlichkeit Abnehmer. Er befreundete sich mit dem 
Richter Johann von Holte, der eine entlaufene Nonne liebte: 

De em so ser am herten lag 

Dat se beide up einen lichten dag 

Vor Hinrich Trippenmecker dem mester grot 

Stonden utgetogoi nakent unt blot 

Dat he se solde conterfeten 

Wu se beide van live leten (Dialogon) 

1) Der Yoter wird zuerst erwähnt 1491 in einem Sdiuldbrief des Ostenhof- 
Spitals in Paderborn 1 1532 wird er als Anhänger der Refbrmöiion in Geldstro^B 
genomment 1545 sind die Ehern (die Mutter Gaibarina) bereits gestorben; die . 

Stadt Soest verwendet sidi für ihren „ingesettenen Bürger" Heinridi Aldegrever 

und bittet die Stadt Paderborn, ihm die kleine Erbsdiaft auszuhändigen. Trippen- 
meker gleidi Holzsdiuhmacher. Der Name des Künstlers heißt audi Aide Grave, 
daher das Monogramm (nadi Dürers Vorbild): G. in A. 



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17. Heinrich. Äldegrever 



103 



Zu dem Landesherrn Wilhelm von Jülich 
und Cleve trat er in Beziehungen, er stach 
dessen Bildnis im Jahre 1540 (Abb. 23, 
S. 24) und schnitt für ihn um 1541 ein 
großes Staatssiegel; 1552, am 28. Juni, 
schrieb er an den herzoglichen Supplikatien- 
meister w^;en der Bezahlung für zwei in 
Silber geschnittene Siegel wid kündigt die 
Fertigstelhmg eines Ringes an; im Schreiben 
▼om 2. Juli gibt der Herzog Anweisung, 
das Geld zu zahlen. Die Frage ist un- 
gelöst: wie weit Aldegrerer als Gold- 
schmied tätig war, was er von den 
Löffeln, Doichscfaeiden, Schnallen und 
Jagdpfeifen, die er als Vorlagen ffir Gold- 
schmiede gestochen hat, und von den Ge- 
fäßen und Geräten, die in seinen sonstigen 
Darstellungen vorkommen, selbst in Metall 
gearbeitet hat'). Ebenso lückenhaft 



Abb. 93. H. Aldegrmrer, 1) Der in den Bfirgerbfidiem endieinende Hin- 

Vorlage zu einer Dolch- rik de goldsmtt ist nadi Jostes der Goldsdimied Hinrik 
scheide. 1532 (Ausschnitt). Dreigger, der im Jahre 1529 verhaftet wurde, weil er 

auf den Rat und die Mutter Gottes yechimpfl hatte. Er 
wird im Daniel höufig genannt, einmal zusammen mitÄldegrever („Hinnk de meler"). 
Geisberg (die Mfinelersdi. Wiedeftftufer und Äldegrever, 1907) bat gezeigt : doft die 
Insignien, die oof dem Stidi Aldegreven König Jobann (1536») «rAgt» nldit die wirk^ 
lidien sind, sondern Phantasiesdiöpfungen Aldegrevers; dadttfdl verliert die Ver- 
mutung : Äldegrever habe für den König den Silbersdiatz gearbeitet, ilire Grundlage. 
Audi von den Taufermedaillons und Münzen geht, nadi G., nidits auf Äldegrever zu- 
rück« Die Reliefs nadi den Hodizeitstönzem (Louvre u. London) sind sdion lange 
ote Kopien von fremder Hond erkonnt. Brinkmann sAUt eine Reibe von Goldsdimiede- 
werken auf, die Ornamente des Meltters kopieren, aber sonst keine Besiebung sn 
ihm haben. Jagdsdiwcrt in Kassel (1550—60), Prunksdiwert Heinr. d. Frommen in 
Dresden (1538—41), Sdiwert Albredits von Preußen 1540 — 41 von Tobst Freudener 
in Ulm, Berlin Krontresor, einige Bünde der Silbcrbibliothck Herzog Albredits 
▼.Pr. AU walirfldieinl. eigenbändiges Werk nennt er: ein bronzenes Petsdiaft von 
1^ im British Museum. Aufier dem Kreusfiift von Eisenboit im Domsdiots sind 
nur unbedeutende Goldsdimiedearbcitcn der Renaissance in Soest erhalten. Der 
städtisdie Silbersdiatz isl 1616 heim Einzug der Spanier eingesdimolzen worden, 
um die Kontribution zu bezahlen, zu diesem Zweck lieh sidi die Stadt sogar die 
Keldie aus den Kirdien. Nadi einem Inventar von 1728 hatte der Sdiatz nodi 
21 Stfieke, beute ist nur dae silberne Zepter ron 1707 erbcüten. Bedeutend war 
die beimisdie Goldsdimiedekunst im Anfang des 16. Jabrb, kottm. wie bfitte sonst 




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104 



Soest 



sind unsere Kenntnisse über seine Tätigkeit als Maler. Nur 
drei Gemälde werden ihm gegenwärtig noch und zwar mit geringer 
Wahrscheinlichkeit zugeschrieben: Christus im Grabe mit Mono- 
gramm und 1529, auf Lindenholz, im Rudolfinum zu Prag; 
Bildnis des Grafen Philipp von Waldeck (f 1539) mit Monogramm 
und 1535, auf Eichenholz, im Besitz des Grafen zu W a 1 d e c k 
(Abb. 94). Seit dem Jahre i868 verschollen, wurde es im Jahre 1900 
in einer Wirtschaft in Berlin wieder aufgefunden und durch Pro- 
fessor Weinitz, bekannt gemacht; es hat den meisten Anspruch, 
authentisch zu sein^>. Das dritte ist das Brustbild eines jungen 
Maimes» en face, vor einer Flußlandschaft, mit 1540 und Mono- 
gramm, auf Lindenholz, in der Liechtensteingalerie in Wien^>. 

Sein Hauptfeld war der Kupferstich. Die 290, zum großen 
Teil datierten Blätter, neben den Omamentstichen vor allem Dar- 
stellungen aus dem alten Testament und der antiken Mythologie, 
zerfallen in drei Perioden. Die Anfangsarbeiten 
lehnen sich in Stil und Technik an D ü r e r an, der hL Christo- 
phorus von 1527, fünf Madonnen von 1527 und Adam und Eva 
(Hl. XI und Z2) sind nach Dürer kopiert. Nach y. Mander hat 
Aldegrever in Dürers Werkstatt die Stecherkunst gelernt; er soll 
die FlügelkU^pen zu einem Dürersdien Bilde in Nürnberg gemalt 
haben und 1528, nach seiner Rückkehr, in Soest in St. Petri einen 
Altar Dürers aufgestellt haben. Nach dem Nürnberger B. Beham 
kopierte er den Stich Judith (1528) und nach Pencz die Folge 
der vier Evangelisten noch 1539. Die Omamentstiche seiner ersten 
Phase, 1527 -30, zeigen die Motive des Dürerkreises: Putten, 
Füllhörner, Hermen, Vasen, Seejungfern, wenig Blattwerk, rimde 

die reidivenierte Könne, die, wie beriditet wird, Soest L J. 1522 dem Hersog von 
Cleve sdienkte, nach einem von Soest eingesdiickten Entwurf in Köln gearbeitet 

werden müssen? Die Goldschmiede hatten in Soest, ebenso wie die Maler, keine 
ZunÜ. sie waren im ..Stuhlcjuduinb". der alle die Gewerbe susammenfoßte, die 
nidit in den zehn Ämtern (üildenj waren. 

2) Frons Weinits, Ein versdiollenes Gemälde Ton Helnridi Aldegrever. Zeitsdir. 
för bild. Kunst 190a 

1) Nach Bode, Liechtensieingaleric 18%, gehört es eher der Regensburger 
Schule (Fcselen) an. Der Hintergrund ist an den niederrheinischen und west- 
fälischen Rcnaissanccporträts qunz anders. Das Monogramm soll allerdiiiijs gleidi- 
zeitig sein. Der Bürgermeister Tcriaen von Lennep 1553 in Berlin hat nach B. ein 
gefälschtes Monogramm und ist ein später B. Bruin« Die übrigen Aldegrever su- 
gesehriebenen Bilder in Brounsehweig, Hannover, Aachen, Mfinster, Petersburg, 
Darmstadt, Basel scheiden heute endgültig ous. 



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17. Heinrich Aldegrever 



105 




Abb. 94. Philipp III. Graf zu Waldeck (geb. 1486, gest. 1539). 
Von Heinrich Aldegrever. Im Besitze Sr. Durchlaucht des Grafen Friedrich 
zu Waldeck und Pyrmont. (Phot. F. A. Schwortz, Berlin.) 

Üppige Formen (Abb. 95). Nichts, nur die Rasse, hat dem Künstler 
die Heimat übermittelt. Über Nürnberg hat er auch die Renaissance 
empfangen. 



106 



Soest 




Abb. 95. H. Aldegrever, Ornamentstich. 1528. 

Im Anfang der dreißiger Jahre entwickelt Aldegrever seinen 
eigenen Stil. Die Josephslegende (1528—32) zeigt in den 
gedrungenen Figuren und knittrigen Gewändern noch den Ein- 
fluß der Nürnberger. Dann entfaltet sich aber sehr schnell schon 
in der Planetenfolge von 1533, vollendet in den Wiedertäufer- 
porträts von 1536, in den kleinen Hochzeitstänzern von 1538, den 
großen von 1539 (Abb. 26, 27, S. 27), endlich in der Geschichte 
von Ammon und Thamar von 1540 der starke eigene Charakter 
des Meisters (Abb. 24, S. 26). Er bildet jetzt lange, schwere Gestalten 
mit kleinen Köpfen. Die Umrisse sind voller Schwung, Licht und 
Schatten wird in großen Massen zusammengeschlossen. Die Be- 
wegung ist charaktervoll, bleibt aber immer etwas steif. In dieser 
Zeit entstehen die wundervollen Porträts: das Selbstbildnis 
von 1530 (Abb. 22, S. 22), achtundzwanzigjährig; das von 1537, 
fünfunddreißigjährig (Abb. 96); die Wiedertäufer Johann von 
Leiden und Knipperdolling von 1536, Albert von der Helle 1538, 
Herzog Wilhelm von Jülich 1540, Luther und Melanchthon 1540. 
Auf den Ornamentstichen findet sich jetzt das dem Meister eigen- 
tümliche Rankenwerk, das als ,,A Idegreverorna- 
m e n t** bekannt geworden ist: breite Blätter an dünnen Stielen 
(Abb. 92). Keine ornamentale Schöpfung der deutschen Früh- 
renaissance hat eine ähnliche Verbreitung gefunden. An den 
Bauten Niclas Hofmanns in Halle, an den Portalen des Tübinger 
Schlosses, an schlesischen Grabdenkmälern, an zahlreichen Holz- 
schnitzereien, an Kölnischen und Siegburger Steinzeugkrügen und 
an süddeutschen Ofenkacheln hat A. Brinkmann diese Aldegrever- 
Ornamente nachgewiesen. Die Blätter mit den Dolchscheiden 
von 1536 — 39 sind Wunderwerke dieser Ornamentation. 

In seiner letzten Schaffensperiode, die, nach 



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17. Heinrich Aldegrever 



107 



einem rätselhaften 
Stillstand von 1541 
an, im Jahre 1549 be- 
ginnt, erreicht Alde- 
grever in der Er- 
zählungskunst seine 
Meisterschaft ; das 
offenbaren das Gleich- 
nis vom Reichen und 
die Geschichte vom 
Samariter aus dem 
Jahre 1554. Die Fi- 
guren sind mit den 
reichen Hintergründen 
und den reizenden 
Landschaften zu ein- 
heitlichen Bildern 
zusammengeschlossen. 
Welch ein Fortschritt 
in der Bewegung, bei 
den Hochzeitstänzern 
von 1551 im Vergleich 
mit den früheren ! 

Merkwürdigerweise 
aber nähert sich Alde- 
grever damals wieder 
der gotischen, Dürer- 
schen Formgebung. 
Im Jahre 1553 stach er zwei frühe Madonnen Dürers nach und 
die Anbetung der Hirten aus der kleinen Passion Dürers von 151 1! 
Jetzt wird die Gewandung wieder kraus und knittrig, in einem der 
spätesten Werke, der Geschichte Loths von 1555, ist sie fast barock, 
(vgl. auch Abb. 25, S. 26). Die Freude an phantastischen Gebilden (wie 
die Tiergestalten der Tugenden und Laster von 1552, die bizarren 
Teufelsfiguren in der Geschichte des Reichen) tritt gleichzeitig stark 
in den Vordergrund. Am auffälligsten ist aber die Veränderung in 
den Ornamentstichen (Abb. 97). Die üppige Blattranke verschwindet. 
Der Aufbau wird symmetrisch; magere, krause Akanthusranken 
bilden die Grundlage; Rollwerk und Maureske, die Formen der 



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Abb. 96. Aldegrever, Sebstbildnis. 1537. 
15 Jahre alt. Kupferstich. 



108 



Soest 



niederländischen Ornamentik 
um die Mitte des i6. Jahr- 
hunderts, treten hinzu ; außer- 
dem Tafeln, Tücher, Masken, 
Fledermäuse , alte Weiber, 
Hexen*) Satyrn mit weiner- 
lichen unglücklichen Fratzen ; 
eine beinahe krankhafte 
Phantastik drängt sich ans 
Licht. An Stelle der breiten 
saftigen Flächenfüllung (1330 
bis 40) tritt eine magere, 
dünne Verteilung. Die Licht- 
wirkung ist blitzend, nervös. 
Diese ornamentalen Schöp- 
fungen haben auch nicht 
den geringsten Einfluß auf 
das Kunstgewerbe mehr ge- 
habt. Die Erscheinung ist Abb. 97. H. Aldegrever, Ornamentstich. 
ein Beispiel für die auch sonst 1550. 
vielfach beobachtete soge- 
nannte gotische Unterströmung der zweiten Hälfte des 16. Jahr- 
hunderts : die Unruhe der spätgotischen Kunst war nur einige Jahr- 
zehnte lang von der italienischen Renaissance zurückgedämmt wor- 
den, um jetzt in der Spätrenaissance an vielen Stellen wieder vor- 
zubrechen. Die starke Nervosität erscheint bei Aldegrever um so 
merkwürdiger, weil er im übrigen die Ruhe und Sachlichkeit des 
echten Westfalen niemals verbirgt; so haben seine Porträts, trotz 
der Großartigkeit der Form, doch nicht die Wärme und den Tief- 
blick Dürers. Im Charakter dieses einzelnen Künstlers sehen wir 
die Widersprüche des westfälischen Empfindens, wie sie die spät- 
romanische Kunst des 13. Jahrhunderts, die Vehme und die Sagen 
offenbarten. Es ist wohl unwahrscheinlich, daß äußere Umstände 
im alternden Künstler diese sozusagen gequälte Stimmung hervor- 
gerufen haben. Damals wurde während des Interims die Re- 
formation in Soest durch den Kardinal Gropper heftig verfolgt; 
die Prediger wurden aus der Stadt gejagt; Aldegrever selbst kam 

1) Die Hexenprozesse begannen in Soest am Ende des 16. Jahrhunderts und 
nahmen hier besonders grauenhafte Formen an. . 




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17. Heinrich Aldegrever 



109 



mit dem Rat wegen wiedertäuferischer Anschauungen in Konflikt 
und wurde gegen Bürgen freigelassen. Aldegrever war ein Mensch 
von phänomenaler, technischer und künstlerischer Begabung, 
hervorragend unter den deutschen „Kleinmeistern". Es fehlte ihm 
freilich die Kraft und die Seele, bis aufs letzte zu dringen, darum 
fiel er am Ende seines Lebens in eine schwülstige Formengebung. 
Voll Bewunderung blicken wir aber auf eine Persönlichkeit, die allein 
stand in einer Stadt, wo die künstlerische Kultur auf den tiefsten 
Stand gesunken war; einsam, ohne eine mitstrebende Seele, mit 
der sie hätte Ideen austauschen können. In der Hinsicht auf Soest 
sind die Worte Sandrarts (Deutsche Akademie) richtig: daß der 
hell in Westfalen leuchtende Stern nach dem Ableben Aldegrevers 
zu bald verschwunden und das Land in die vorige Dunkelheit 
verfallen sei. 




Abb. 98. H. Aldegrever, Puttentanz. 1535. 



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110 



Soest 




Abb. 99. Rathaus. Erbaut 1713-14. 



SCHLUSS. 
Niedergang der Stadt. 

Das ist der Boden, den seit mehr 
als tausend Jahren ein unvermischter 
Stamm betrat. Und die Idee des unsterb- 
lichen Volkes wehte mir im Rauschen 
dieser Eichen und des uns umwallenden 
Fruchtsegens, fast greiflich, möchte ich 
sagen, entgegen. (Immermann.) 

Der dreißigjährige und endlich der siebenjährige Krieg voll- 
endeten den Niedergang. Nach dem Hubertusburger Frieden (1763) 
hatte Soest, das im Mittelalter über 25 000 Menschen ernährte, 
nur 3800 Einwohner. Der Handel hatte aufgehört; im Jahre 
1621 hatte die Stadt, als Vorort der Hansa, zum letztenmal die 
Beiträge von den südwestfälischen Städten eingefordert. Die Land- 
wirtschaft und das kleine Handwerk wurden die einzigen Erwerbs- 
quellen, die Straßen verödeten'), Kunst und Gewerbe gingen berg- 

1) Die Unsaubcrkcit der Stadt war seit dem 17. Jahrh. sprichwörtlich. Vgl. 
die Ratsverordnungen gegen die Sauställe und das Rachsdeichen in der Stadt, 
die Mist- und Abortgruben vor den Häusern; hierdurch wurden die Pestseuchen 
genährt, die die Bürgerschafl rapide verringerten. Dabei hatte diese Stadt schon 
1370 Stroßenpflasterl 



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Niedergang der Stadt 



III 



ab^). Die holzgeschnitzten und bemalten Barockaltäre 
in der Minoritenkirche ii66B}f in St Paul und Maria 
zur Wiese, dleKanzelinS t. Petri und dieSammel- 
bretter in den Kirchen sind Zeugnisse der Soester Kunst aus 
dem 17. Jahrhundert Im Anfang des 18. Jahrhunderts wurde der 
Turmhelm ^on St Petri (nach einem Brande von 1701; 
Abb. I)» das städtische Waisenhaus (1701 — 04) und das Rat- 
haus (1713» Abb. 99) gebaut Auch entstanden noch einzelne 
H5fe vornehmer Familien, in Bruchstein, weißgetüncht, mit hohen 
Schindeldächern, bei^ielsweise das Frommesche Haus am Stein- 
graben (mit schöner Treppe innen) (Abb. X02). Ohne viel Schmuck 
und Kunst geben diese Bauten, wie vor allem das Rathaus mit 
der langen Bogenhalle, dem schweren Dach und dem Patroclus 
am Giebel doch den Beweis: daß der einfache altsächsische Bauern- 
sinn in der damaligen Bürgerschaft noch fortlebte. So hielt auch 
der Rat zähe an den alten Bräuchen und Statuten fest, und erließ 
nach wie vor seine Verordnungen (S. 14)^). Seit 16 14 mit Cleve- 
Mark unter brandenburgischer Hoheit, hat keine preußische Stadt 
so lange ihre eigene Verfassung bewahrt. Noch Friedrich Wilhelm I. 
beschwor 1713: Soest solle in allen seinen Privilegien ungekränkt 
bleiben und im Genüsse des „merum atque mixtum Imperium" 
über die Börde. 

Aber nach außen hatte Soest keinen Kredit mehr. Friedrich 
der Große befahl daher 1742: die Prägung des Soester Kupfer- 
geldes „solcher liederlicher, das Land überschwemmender Scheide- 
münze" habe aufzuhören. Vergeblich berief sich Soest auf sein 
altes Münzrecht (von 1229). Im Jahre 1750 erfolgte eine neue 
Beschwerde der klevischen Regierung, weil Soest wiederum heim- 
lich Geld geprägt hatte. Die halsstarrige Stadt wurde mit Geld- 
strale belegt, trotzdem sie auf das „pactum ducale" verwies, das 
Friedrich Wilhelm I. beschworen hatte: zwei Unteroffiziere und 
sechs Mann wurden einquartiert, bis die Zahlung geleistet war. 



1) 1590 »tfirite der elben erriehteie Golgen ein, mon verspottete die Stadt 1 
sie liStto nidbt einmal einen Meister, der einen ordentiiehen Galgen sinunem 

könnte. Die Bastion vor dem Ulricher Tor, 1583 von Johannes von Braclittni ge- 
bout, war schon wührend der Arbeit baufällig und nicht zu gebrauchen. 

2) Äußerlich fehlt ihnen schon die Kraft der früheren, weil seit Ende des 
16. Jahrh. an Stelle des niedersächsischen Soester Dialektes die hochdeutsche 
Kanzleisprache getreten ist 



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112 



Soest 



Überhaupt herrsch- 
te die größte Miß- 
wirtschaft. Der Rat 
war unter einigen 
Familien erbHch 
geworden (S. 21), 
die alte Verfassung 
war nur Schein. 
Auf wiederholte Be- 
schwerden der Bür- 
gerschaft hin löste 
Friedrich der 
Große im Jahre 
1752 am 23. Juni, 
den Rat auf. 
Er ließ ihm seine 
allerhöchste Unzu- 
friedenheit bekannt 
machen : Wie un- 
verantwortlich seit- 
hero das Stadtwesen 
von demselben ver- 
waltet, wie schlecht 
die Kämmerei ad- 
ministrieret , wie 
übel zum Teil die 




Abb. 100. Wirtschaft und Brauerei Topp, Osthovenstr. 

18. Jahrh. 



Stadtrevenüen verwendet, was für unzulässige, zum Verderb der 
Bürgerschaft gereichende Schmausereien gestattet, was vor Intriguen 
und Passiones bey der Magistratswahl vorgangen und überhaupt, daß 
es dem Magistrat an Willen, Eifer und Ernst gefehlet, der Stadt und 
Bürgerschaft Wohlfahrt und Conservation zu fördern." Deshalb habe 
Seine königliche Majestät nach dero bewunderungswürdigen Einsicht 
in alle Sachen, einen neuen festen Magistrat eingesetzt, um die in 
ihrer bisherigen Verfassung in Ansehung des jährlich wechselnden 
Magistrats immer mehr und mehr abgenommene Stadt Soest vor 
ihrem endlich erfolgenden gentzlichen Verfall zu retten". Die 
Haupt- und Torwachten haben aufzuhören, ,, folglich die Bürger, 
so sonst ihre Zeit mit diesen unnötigen Wachten unnütz und teils 
liederlich hingebracht, zu Hause bleiben und statt dessen für sich 



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Nieilergong der Stadt 



113 



und die Ihrigoi was erwerben könnten." Die Bfirgerkompagnien 
der sechs Hoven sollen die Geschäfte der Feuerwehr übernehmen, 
die Kapitäne, die früheren Burrichter und Anführer der PatrocU- 
schützen, sollen Sprütze und Löschgeräte inspizieren. Tüchtige 
Fabrikanten sollen herbeigezogen werden, „das Commerzium, 
wozu dieser Ort in Ansehung der angrenzenden Lande so wohl 
gelegen, soll gehoben werden: das Korn nach dem Sauerland 
und dasige Waren anhero gezogen werden". Durch die preußische 
Landgerichtsverfassung von 1794 wurden fast alle Rechte der Stadt 
aufgehoben^), doch blieben ihr gewisse Hoheitsrechte über die Börde. 
Im Jahre 1797 verkaufte Soest den Patrocliturm, der 600 Jahre 
die städtische Freiheit gewahrt hatte, an das Kapitel. 

Napoleon beseitigte 1 807 die letzten Sonderrechte. Im August 1 807 
wurde der rührende Abschied des Königs von Preußen in den Kirchen 
verlesen, in St. Georg wurde über den Satz gepredigt: ,,Gute und 
treue Untertanen trennen sich von ihrem Regenten i. mit Wehmut 
und Rührung, 2. mit Dank, 3. mit Bitte, 4. mit Entschließung". 
Am 8. Mai 1808 nahm Großherzog Murat von Berg zugleich mit 
der Mark Soest in Besitz. Am 3. April, als die Regentschaft dem 
Prinzen Ludwig Napoleon von Holland übertragen wurde, war 
auf Befehl Gottesdienst, alle Glocken läuteten, in den Kirchen 
mußte über den Satz gepredigt werden: „Es ist gut, alle Ver- 
änderungen und Abwechslungen im menschlichen Leben mit 
dem Glauben an Gottes Vorsehung zu ▼erbinden." Der Kanton 
Soest wurde der Unterpräfektur Hcunm angegliedert, die Börde» 
die über xooo Jahre mit der Stadt einen Gauverband gebildet hatte, 
wurde losgerissen und in drei Mairien geteilt. Im Jahre 1809 
wurden die Kloster Paradies und Welwer, iSxa das Stift Walpurgts 
und das tausendjährige Patrodusstift aufgelöst 

' Nach der Schlacht bei Leipzig ,,lebte in den Herzen aller 
gutgesinnten ehemaligen preußischen Untertanen wieder die 
frohe Hoffnung auf. Am 3. November 1813 rückten die ersten 
Kosaken, am 10. die ersten Preußen, zwei Schwadronen vom 
X. pommerschen Husarenregiment (dem späteren „Fürst Blücher 
von Wahlstatf 0 in Soest ein. Am 13. November kamen zwei Ba- 
taillone preußischer Landwehr, die Devise: „mit Gott für König 
und Vaterland" an den Mützen. Am 28. November wurde von der 

1) Allgemeines Luiidrccht für die preußischen Staaten, erlassen am 1. Juni 1794 
durch Friedrich Wilhelm LL 



Schmitz, Soest 



8 



114 



Soest 




Abb. 101. Diele in der Wirtschaft Topp, Osthovenstr. 18. Jahrh. 



befreiten Stadt die Leipziger Schlacht gefeiert; in den Kirchen 
wurde über den Satz gepredigt: ,,Wie wir mit dankbarer Rührung 
und Freude die großen Wohltaten Gottes anerkennen sollen, die 
er uns und unserm Vaterland durch den glorreichen Sieg Preußens 
und seiner Alliierten hat zuteil werden lassen." Am ii. Dezember 



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Niedergang der Stadt 



115 



wurde die Soester freiwillige Landwehr ausgehoben (sie wurde in 
dem i6. westfälischen Landwehrregiment, den späteren y^acke- 
täuern", eingestellt). Am 21, Dezember wurden die Freiwilligen 
in der Petrikirche nach Absingung von Nr. 615, Vers 2 aus dem 
Soester Gesangbuch vereidigt. Am 7. April kam die Nachricht 
von der Eimiahme von Paris. Herr Assessor Stute zu Pferde mit 
vier blasenden PostiUons verlas sie der Soester Bürgerschaft. 
Unter Glockengeläute und anhaltenden Freudenschüssen war in 
der Petrikirche Dankgottesdienst unter Absingung von: ,,Nun 
danket alle Gotf ' und Nr. 52z, Vers 9; daran schloß sich Parade 
der Garnison im Münster St. Patrocli. Am x6. Mai 18x4 wurde 
»,die Glorie oder der bekannte Siegeswagen vom Brandenburger 
Tor*' auf dem Rückwege von Paris nach Berlin, in fünf Kisten 
verpackt, dturch Soest gefahren, eingeholt vom Soester Landsturm 
tmter Musik imd GlockengeUlute. Am 18. Juli 1814 kam Kron- 
prinz Friedrich WUhekn aus dem Kriege zurück durch Soest, 
dreißig weißgekleidete Jungfrauen fiberreichten ihm ein von Herrn 
Referendar Stute verfaßtes Gedicht Unter Absingung von; „Heil 
unserm König'* wurde ihm der Schlüssel der Stadt Soest über- 
geben. Er besah den Dom und die Wiesenkirche, damals faßte 
er den Plan, die Türme aufzubauen. Der erste Jahrestag von 
Leipzig wurde von der wiederum preußischen Stadt mit Freuden - 
feuern und Böllerschüssen gefeiert. Die Seminaristen sangen 
vom Petriturm: ,,Nun danket alle Gott." 

Soest verlor seine letzte Bedeutung, während Städte der Nach- 
barschaft, von denen zum großen Teil niemand den Namen kannte, 
als Soest schon nach Schweden und Rußland Handel trieb: Hamm, 
Dortmund, Bochum, Essen, Hagen, Elberfeld, Remscheid durch 
die herrliche Entfaltung ihrer Industrie in der Welt berühmt ge- 
worden sind. Neuerdings werden auch in der Börde Kohlenfunde 
gemacht, an ihrem westlichen Rande sind die Schornsteine im 
Vorrücken begriffen. 

Aber ob die Industrie oder der Ackerbau vorwaltet: durch 
alle Veränderungen hindurch besteht der Charakter des west- 
fälischen Stammes, der uns in der Blütezeit der Stadt und in 
ihren Kunstäußerungen von Anfang bis zu Ende vor Augen trat, 
ungebrochen welter. Mögen die Gedanken hier zufällig andere, die 
Interessen kleiner geworden sein: im Grunde sind es dieselben 
Mensdien. Dieselben Menschen, die Künstler zu den Ihrigen 

8* 



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116 



Soest 



I 



rechnen, wie den Schöpfer des Patrocliturmes; den Erbauer der 
Wiesenkirche; den Meister Conrad und Heinrich Aldegrever! 
Dieselben Köpfe, die auf den Skulpturen des 12. und 13. Jahr- 
hunderts und unter dem Kreuz Christi auf den Bildern des 15. Jahr- 
hunderts erscheinen; dieselben viereckigen, ehrlichen Köpfe sieht 
man heutigentages noch Abend für Abend in den Brauereien von 
Topp und Andernach in Soest, was sind hundert, was sind tausend 
Jahre, unverwüstlich besteht die westfälische Volkskraft, ewig, wie 
die Natur Westfalens selbst. 




Abb. 102. Frommesches Haus im Steingfaben. Erste Hälfte 18. Juhrh. 



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Verzeichnis der l>emerkenswerten Kunstwerke in Soest 117 



ANHANG. FÜHRER. 

Verzeichnis der bemerkenswerten Kunstwerke 

in Soest. 

Die Aufzählung soll den durchreisenden Kunstfreund tsmz 
über die kunst- oder ort^^eschichilich interessanten Dinge in 
Soest orientieren. Die Angaben ergänzen die voraufgehende Dar- 
stellung; die Nummern verweisen auf die betreffenden Text- 
stellen und die Abbildungen. Dfe Grundrisse sind keine selb- 
ständigen Aufnahmen, sondern Kopien zum Teil nach Lübke, 
ztun Teil nach dem Band i6 der Bau- und Kunstdenkmäler von 
Westfalen, Kreis Soest; sie sollen in erster Linie die Veranschau- 
lichung der Baugeschichte erleichtem. In dem Inventarbande 
findet man auch, ein vollständiges Verzeichnis der Kunstdenk- 
mäler, das nicht in der Absicht dieser Monographie liegt. 



L Kirchen. 

MÜNSTER ST. PATROCLI. i. P e r i o d e. Grün- Seite Abb. 
dung um 960. Erzbischof Bruno (953 — 65) brachte die 
Gebeine Patrocli 955, nach anderen 964. In seinem 
Testament vermachte er 100 Pfund Gold für den Bau. 
Nach Witte war dieser Bau eine einschiffige Kreuz- 
kirche mit flacher Decke; Überreste sind an den Quer- 
schiffen sichtbar: Bruchsteinmauerung und flache 
Fensterbögen, a. Periode. 11. Jahrh. 1075 wird 
der bei Erwitte erschlagene Ritter Walther, Bruder 
Ersbischofs Arnold von Köln in der Krypta unter 
dem Hauptchor beigesetzt Z090 Weihe des Chors; 
izz8 Weihe des Hochaltars. Der ursprüngliche 
Bau nur dreischifftgen Basilika erwettert, das Chor- 
quadrat und die Haupt- und Nebenapsis angebaut 
.3. P e r i o d e. Mitte 12. Jahrh. Das Mittelschiff 
mit Kreuzgewölben überspannt» die auf breiten 
Wandpfeilem ruhen. Weihe des Baues 1166 durch . 
Rainald von DasseL 4. Periode. Etwa 1200 bis 
1230. Bau des Westwerks. Der viergeschossige Turm 
auf vierschiffigem Unterbau, dessen obere Empore 



118 



Soest 






s 



Abb. 103. St. PatredttB. MaSstob 1 1 800. 



1. um 960. 



Z 11. Jobrh. 

3. Mitte 12. Jahrh. (1166). 

4. 1200-1230. 



Seit« 



nach der Kirche zu offen ist. Offener Vorbau, Loggia» 
mit fünf Arkaden, darüber Rüstkammer. — Drei- 
schiff ige Krypta, drei jochig, am südlichen Querschiff, 
(die vierzigsäulige Krypta unter dem Hauptchor, 18x7 
gesprengt). Die Fenster in den Mittelschif fsoberwänden 
spätgotisch, 15. Jahrh. Inneres 89 m lang, Spann- 4z 
weite des Mittelschiffs 11 m, Turm ca. 76 m hoch. 48 

Wandmalerei der Chorapsis, inschriftlicfa 
1x66, entdeckt durch Lübke 1851, restauriert 1875. 
Oben Christus Salvator mundi; Bflaria, Johannes, 
Petrus, Paulus, Stephanus, Laurentius. Zwischen den 
Fenstern vier Kfoige des alten Bundes, Vorläufer 
Christi (F), in den Laibungen Heilige, in der Mitte zi 
Nicolaus und Patrodus unter Maria 52 

Glasmalereienim Chor, Anfang 13. Jahrh., 
restauriert. Leben Christi und vorbildliche Ereignisse 
des alten Bundes: Typologie 

Wandmalerei des nördlichen Chors (Marien- 
chörchen), Ende 12. Jahrh., restauriert. Maria als 



Abb. 
Nr. 

z 

12 

35 

47 
48 

Z03 



50 



50 



oiijij^uj Ly Google 



Verzeichnis der bemerkenswerten Kunstwerke in Soest 119 



Hagia Theotokos, heilige drei Könige, zu Füßen Halb- ^^^^ 
figurenPatrocli und Melchisedechs, unten zehn Gestalten 
aus dem alten Testament. — Reste von spätromanischen 
Wandmalereien, Mitte 13. Jahrh., in der 
südlichen Kr3^ta; von gotischen, Anfang 15. Jahrh., 11 
in den Laibungen der Hauptkrypta 54 

Glasfenster, nördliches Querschiff, Maria, 
beseichnet 1549 

Patroclusstatue an der Empore, Stein, 
bemalt, stark restauriert, Ende 12. Jahrh., in der Rüst- 
kammer gefunden 11 

Säule, als Basis, Ldwe und Drachen, über- 
wundene Dämonen, Stein, Mitte 12. Jahrh 

Tympanonrelief, nördliches Querschiff, 
Christus, Kalkstein, nach Mitte X2. Jahrh 65 

In der Eingangshalle hierzu antikes Marmor- 
kapitäl, aus dem Kreuzzug mitgebracht 

Glocken, i. Sturmglocke, aus dem 13. Jahrh. : 
O cives rite cum pulsor ad arma venite. Opus magistri 
hermanni de lemgo. — 2. Marienglocke : Cu trahor audite 
voco vos ad gaudia vite. O rex gloriae christe veni 
cum pace. A. D. 1469 sancta maria. Johannes de 
tremonia fecit me. ,,Im J. 1469 do wart", sagt die 
Chronik, ,,dey stormclocke in deme munstere van 
mester Johann clockengeyter van Dorpmunde up 
eren alten sanck und noten weder gegoten." — — 
3. Patrocliglocke; Solvit in hoc dono pia plebs sua 
Vota patrono . . . renovata mense septembri 1633 ^3 

Fünf kleinere Glocken. — Ein Soester Glocken- 
gießer Hermann Vogel wirkte nach Nordhoff von 1492 
bis 1514, er goß Glocken zu Weslarn, Werl, Marsberg, 
Berge, Harsewinkel, Eickel, Suderwich und Lünen. 

In der Sakristei (Domschatz) : 

Triumphkreuz, Vorderseite holzgeschnitzt, 
Rückseite bemalt: Christus tmd die vier Evangelisten- 
symbole. Vorläufer Meister Conrads, Ende 14. Jahrh. 84 

KreuzfuB, silbergetrieben, allegorische 
Figuren; am Schaft: Verkündigung, Heimsuchung, 
Fhicht. Arbeit des Anton Eisenhoit von Warburg 



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120 



Soest 



(geb. 1554, gest. um 161 4), dessen Hauptwerke, Silber- S*'*® 
schätz des Fürstbischofs Theodors von Fürstenberg und 
Paderborn, auf Schloß Herdringen bei Neheim (zwei 
Stunden mit Ruhr-Lippe-Kleinbahn von Soest). Bildete 
sich in Rom an Michelangelos Formen, war als Kupfer- 
stecher tätig, imd steht in künstlerischer Beziehung zu 
Aldegrever und zu Heinrich Gröninger in Paderborn . 103 

Reliquienbüste des heiligen Patroclus, 
silbergetrieben, Anfang 16. Jahrh. (?) 13 

Wetterfahne: Patroclus auf Mauerzinne, 
14.— 15. Jahrh 13 

Drei Bruchstücke von Glasmalereien, An- 
fang 13. Jahrh. 

Kissen, Leinen mit Seidenstickerei : Himmel- 
fahrt Alexanders des Großen. Ende 12. Jahrh. Gehört 
zu den ältesten deutschen Stickarbeiten 

Kasel, italienischer roter Sammet; 15. Jahrh. 
Gabelkreuz gestickt: Krönung Mariae, zehn Propheten, 
burgundische Arbeit (?). Wappen von Cleve Mark 16 
und 1446 90 



Abb. 
Nr. 



104 
14 



114 



16 



Abb. 104. Kreuzfuß, Silber getrieben. Anton Eisenhoit. Domschatz. 



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Verzeichnis der bemerkenswerten Kunstwerke in Soest 121 



N 




S 

Abb. 105. St Petri. Maßstob 1 1 600. 
pi 1. Periode, um IISO. 

m 2. Periode, Anfong 13. Jolirh. 

B ^ Periode» ca. 1275- UOO. 

ST. PETRI, olde Kerke. Gründung durch Er«. Seite Abb. 
bischof Cunibert 633, nach anderen durch Karl den 
Großen, oder Bruno, Wittekinds Enkel, 815, sagenhaft. 
Drei Bauperioden. i. Periode: Um 1150; drei- 
schiffige Pfeilersäulenbasilika, dreigeschossiger West- 
turm mit Pyramidendach. 2. Periode: Anfang 
13. Jahrh.; Erweiterung des Baues zur hallenartigen 
Anlage, die Seitenschiffe mit Emporen und muschel- 
artigen Gewölben. Im Querschiff schon Rippen an den 
Gewölben; dessen äußerer Dekor (Rosenfenster) ähnlich 
wie am Domturm. 3. Periode: Letztes Drittel 
13. Jahrh., nach einem Brand, vielleicht 1272, wo Erz- 3 
bischof Engelbert II. in Soest weilt und Ablaß für den 38 i 
Bau ausschreibt. Frühgotischer Chor, zweiteilige Fenster 44 33 
mit strenger Dreipaß- und Rosettengliedening . • . 59 105 

Spätromanische Portalreliefs am Quer- 
schiff; südlich: Siedung Johannis; nördlich: Bogen- 
stellung mit Metall und Steineinlagen, Ende 12. Jahrh. 
In der Vorhalle schöne romanische Kapitelle mit flach- 
gemeiOelten Linien, Flechtbändem und Masken. ... 65 



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122 



Soest 



Wandmalereien, frühgotisch, Überreste an 
den Pfeilern : Verkündigung, Kreuzigung, Christophorus, 
Anfang 14. Jahrh., vielleicht 1325, wo Indulgenz für 
Ausschmückung der Kirche. Ganz restauriert. Das 
Innere von allen Soester Kirchen am ärgsten entstellt. 81 

Klappaltar im südlichen Chor. Im Mittel- 
stück Holzschnitzerei: Kreuzigung und Passionsszenen. 
Flügel: Malerei, innen Passionsszenen, außen Heilige 
(Patroclus) und Stifterpaare. Wappen Klepping-Suder- 
mann. Gefälschtes Dürermonogramm. Flämische 
Arbeit (Antwerpen), um 1530 lOi 

Im Kirchenschatz : vorzüglicher Kelch, silber- 
vergoldet mit Pelikan, Phönix, Adler (Symbole von 
Opfertod, Auferstehung, Himmelfahrt), Soester Ar- 
beit (?), Ende 15. Jahrh 

Petrusstatue, kupfervergoldet, i. Hälfte 
14. Jahrh 

Drei Glocken, nach dem Brand von 1701 . . 



Abb. 
Nr. 



106 




Abb. 106. Kelch, Silber, vergoldet. 
Ende 15. Jahrh. 
Petrikirche, Sakristei. 



VerzeichniK der ^bemerkenswerten Kunstwerke in Soest 123 



N 



W 




s 

Abb. 107. MorioBurHÖhe. MaSttabltm 

m 1. um 1180-90. 



H 2. Anfimg 13« Johrh. 

MARIA ZUR HÖHE, Hohnekirche, maria in altis. Seite 
Zwei Bauperioden. i. Ältester Bau um ii8o 90, 
Hallenkirche mit schmalen Seitenschiffen, wie z. B. die 
Kirche in Weslarn; Westturm. 2, Erweiterung nach 
Süden im Anfang des 13. Jahrh. Nordwand und Unter- 
geschosse des alten Baues bleiben stehen, daher die 
Verschiedenheit der Nordwand (Pilasterstreifen, scharf- 
kantige Rundbogenfriese, Bogenstreifen über den 
Fenstern) von der Südwand (Spttzbogenfenster, klee- 
blattfönnige in Tropfen ausgezogene Hängebögen 
darüber). Turmhelm von 167 1. Dach erneuert 1889I 
Langhaus ca. 23^ m lang, 19^ m breit. 45 

Tympanonreliefy sfidlicfaes Portal, Christus 
am Kreuz, Geburt Christi, Frauen am Grabe, Anfang 
13. Jahrh., byzantinischer EinfluO 65 

Ausmalung. Aufgedeckt 1879 — 84. Restau- 
ration begann 1889. z. Gewölbe der Mittel- und Seiten- 
schilfe: schwarze imd rote Muster; aus jedem Zwidcel 
wächst ein Rankenbaum zwischen zwei gegenständigen 
Fabeltieren, Greifen und Drachen; Nachahmungen 
orientalischer oder sizülanischer Stoffmotive. An den 



Abb. 
Nr. 



40-44 
107 



31 



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124 



Soest 



Wänden ein gemalter Vorhang, Imitation von Stoff-, Seite 
Kreis- und Quadratmuster. Anfang 13. Jahrh. — 

2. Südliche Seitenschiffnische: Kain und Abel. — 

3. Chorgewölbe: Maria als Himmelskönigin (Hagia 
Theotokos) zwischen Johannes dem Täufer undjohannes 
Evangelisten; sechzehn Engel im Kreis. Auf den 
Zwickeln, durch Kranz von zehn Propheten getrennt, 
vier Szenen aus dem Alten Testament: Abraham und 
die drei Engel; Isaaks Opferung; Eherne Schlange; Elias 
und Weib von Sarepta. Rückwand: Daniel in der 
Ldwengrube; zwölfjährige Christus im Tempel; Moses 
schUgt Wasser aus dem Horeb; Taufe Christi im 
Jordan und Kreuzigung. Vofginge des Alten Testa- 
ments, die sich Im neuen Bund erffiUen, speziell Hin- 
weise auf das Kreuzopfer. — 4. Grabnische der n6rd- 
lichen Wand: Kreuzigung; Frauen am Grabe; Christus 
erscheint der Magdalena; Osterlamm: Erfüllung des 
Alten Bundes* In dem Grab lag der Corpus Christi, von 
GrÜndonnerslag bis Ostermorgen. i — 4 sind um 1220 
bis 30 gemalt. — 5. Nördliche Apsis(Mariench9rehen): 
oben Krönung Mariae, Magdalena tmd Katharina. 
Unten Legende der heiligen Katharina : Sie weigert sich, 
das Götzenbild anzubeten. Sie besiegt in der Dispu- 
tation vor dem Kaiser die heidnischen Philosophen; diese 
werden verbrannt. Radwunder. Enthauptung der 
Heiligen und ihrer Freundinnen. Spätester romanischer 54 
Stil, Mitte 13. Jahrh 57 

Vortragskreuz: 4 m hoch. Holz, bemalt. 
Rundscheibe mit acht Passionsdarstellungen in Relief- 
medaillons, vom Einzug in Jerusalem bis zur Vorhölle. 
Anfang 13. Jahrh. Die Kompositionen zum Teil in 
Anlehnung an byzantnische Vorbilder. Kreuz und 
Grab sind die wichtigsten Elemente des Osterspieles. 
Das früheste Stadium dieses geistlichen Schauspiels, 
wo es noch ganz In der Kirche, im Anschluß an die 
Osterliturgie gespielt wurde, wird in der Hohnekirche 
sehr deutlich. Die unteren Flächen mit Rundfeldem 
(Chimären, Fabelwesen und Drolerien) aus der zweiten 
Hälfte des 14. Jahrh., gotisch 65 



Verzeichnis der bemerkenswerten Kunstwerke in Soest 125 



Taufstein, Flachrelief, acht Heilige unter Sehe Abb. 
Arkaden, Anfang 13. Jahrh. Byzantinischer Einfhiß 

Tafelgemälde, Kreuzigung und Passion, 
Schüler des liesboraer Meisters, um 1480 („Meister der 65 43 
Li|>pborger Passion'*) 98 83 

Im Kirchenschatz silberrergoldete Kelche des 
15. und 16. Jahrh. Altarleuchter, Hostiendose, usw. 

MARIA ZUR WIESE, Wiesenksrche, Maria m 
Palude. Ein kleinerer Bau bestand schon zur Zeit Erz- 
bischof Philipps (um 1x80); die Fundamente 1884 
aufgedeckt. Den Neubau begann Johannes Schendeler 
13 14, nach Inschrift (latein. leoninischer Vers) im 
Chor; Tappe liest sie 1343, Lübke 1331. 1376 (Inschrift) 
Weihe der Seitenaltäre; noch 1371 war ein Bauablaß 
ausgeschrieben. ( 1392 erscheint in den Bürgerbüchern 
,,mester Godert van sunte druden, Werkmester tho der 
wese**.) 1421 laut Inschrift über dem Eingang zum Nord- 
turm Grundsteinlegung der Türme, wozu Notiz im 
Stadtbuch: 1421 in die Sixti pape do wart dey erste sten 
an dem lesten fundamente tor wese in unser leyven 
vrouwen kerken gheleget, dat was in der westen dore. — 54 
1839 beschließt Friedr. Wilhelm IV. den Aufbau der 56-58 
Türme, die kaum bis zur Höhe der Dachgalerie ge- 68 
kommen waren. 1846 Grundsteinlegung, 1882 Weihe. 69 
Die Kirche lang 27 m, Höhe der Gewölbe 24 m.. . . 59 xo8 

Glasfenster im Hauptchor : unten Propheten 
des Alten Bundes, oben Maria und Heilige, Reich der 
Kirche, gotisch, nach Mitte 14. Jahrh. — Im südlichen 
und nördlichen Nebenchor Heilige und Ssenen aus dem 
Leben Mariae, Anfang 1$, Jahrh 82 

Nördliche Wand: oben Patrodus mit Maria in 
Glorie und Stifter, Ende 15. Jahrh 13 13 

Darunter zwei Heilige, daneben Stammbaum Jesse, 
Anfang x6. Jahrh. Über dem südlichen Portal: „west- 
fftUsches Abendmahl", um 1500, stark ergänzt ... 2X 

Skulpturen. Im Hauptchor: sieben Apostel- 
statuen, Sandstein, nach Mitte 14. Jahrh. — Südliches 
Portal: Maria am Pfeiler, in den Laibungen vier Heilige, 



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126 



Soest 



W 




s 

Abb. 108. Maria zur Wiese 1314-1421. Maßstab 1:600. 



Ende 14. Jahrh. oder Anfang 15. Jahrh. Verbindung 
gotischer Form mit Naturbeobachtung 65 

Holzstatue Patrocli, Anfang 15. Jahrh. — Ma- 
donnenstatue, Stein, an Chorwand, zweite Hälfte 
14. Jahrh. — Sakramentshäuschen aus Stein, zweite 
Hälfte 15. Jahrh. — Zwei kleinere, unbedeutend. — 
Zwei Standleuchter, Stein, 14. — 15. Jahrh. — Alabaster- 
relief im Chor eingelassen, Dreifaltigkeit (Soest?), 
Ende 14. Jahrh. — Schnitzaltar, bemalt, Szenen aus 
Schöpfung und Passion, Renaissancearchitektur, 1520 
bis 1530. Kreuzabnahme nach Dürer 

Gemälde, Altarpredella im nördlichen Chor. 
Christus als Gärtner, heilige drei Könige, Begegnung 
mit Thomas, gotisch, Ende 14. Jahrh., Vorläufer Con- 
rads. Das Altargestell, Kleeblattbogen mit Kruzifix, 
holzbemalt, ist wie die Predella wohl ein Überrest des 
Altars von 1376 82 

Klappaltar, südlicher Chor, sogenannter 
Jacobialtar. Kreuzigung, Anbetung der Könige, Tod 
Mariae. Außen auf den Flügeln Heilige. Rohes, aber 



Abb. 

Nr. 
62,63 



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Verzeichnis der bemerkenswerten Kunstwerke in Soest 127 




Abb. 109. Leinenstickerei. Maria zur Wiese. (Ausschnitt.) 1. Hölfte 14. Jahrh. 



charakteristisches Werk eines Schülers Conrads, 1420 

bis 1430 85 

Klappaltar, nördlicher Chor. Heilige Sippe. 
Auf den Innenseiten der Flügel: Leben der heiligen 
Anna und Joachims, der Maria und Christi. Außen: 
Messe Gregors, Beweinung Christi; bez. 1473. Äußerster 
Realismus 98 

Klappaltar, nördliche Wand. Mittelstück 
geschnitzt und bemalt. Madonna, Antonius (Patron 
der Tönnisschützen), Agatha. Auf den Flügeln Ge- 
mälde: innen Geburt, Anbetung der Könige. Außen 
Agatha, Anthonius. Predella: Verkündigung, Geburt, 
Anbetung, Apostel. Um 1525 100 

Altartuch, Leinen mit Leinenstickerei in 
Flechtstich: Anbetung der Könige, Verkündigung, 
Krönung Mariae, Christus und Magdalena, Einhorn- 
legende (unbefleckte Empfängnis). Lang 4,30 m, 
breit 1,26 m. Gehört zu einer Gruppe westfälischer Ar- 



Abb. 
Nr. 

81 



89 



91 



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128 



Soest 



W 




Abb 110. St. Thomas. Maßstab 1 : 500. 

1. Ende 12. Jahrb. 

2. Anfang 13. Jobtk. 
■ 3. ca. 12S0-7a 

beiten der ersten Hälfte des 14. Jahrh. Andere Stücke 

in Xanten, Laer, Paderborn und Berlin 

Im Schatz fünf einfache gotische K e 1 c h e , 
15. Jahrh. 

ST. THOMAS, reformierte Kirche. Drei Bau- 
perioden. I. Dreischiff ige Pfeilerbasilika, sichtbar 
noch an der unteren Fensterreihe der Nordwand. Ende 
12. Jahrh. 2. Umbau zur Hallenkirche, das nördliche 
Seitenschiff mit halben Kreuzgewölben. Bau des 
Turmes. Anfang 13, Jahrh. 3. Anbau des Chores, 
Erweiterung des südlichen Nebenschiffs (mit Portal) 
und Anbau der Kapelle an der Nordwand. Früheste 
deutsche Gotik 1250 — 70 

Glocke von Rochus Nelnuui von £s8en 1571. 



Seite 



44 
58 



Abb. 
Nr. 

29 
109 



38 

39 

55 
zxo 



MINORITENKIRCHE, jetzt Thomaekirche. Drei- 
schiffige Hallenkirche mit Rundpfeilem, vier Joche 
lang, langgestreckter Chor mit FünfachtelscfaluB; ge- 
baut Mitte 14. Jahrh 63 



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Verzeichnis der bemerkenswerten Kunstv/erkc in Soest 129 



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Abb. III. Minoritenkirche. Mafistob 1 : 700. 



Barockaltar, holzgeschnitzt und bemalt. [ ^V^* 
Unten Abendmahl mit Portrats von Luther und Soester 
Predigern, datiert 1 668 iii 

Kreuzgang, Kreuzgewölbe, nördliches Fenster I 
mit Flamboyant - Maßwerk. Remter zweischiffig, ! 
Sterngewölbe, Säulen ohne Kapitell; Ende 15. Jahrh. 64 | 

Interessante Konsolen mit Meißelarbeit. 



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Abb. 112. Si. i'aui. Malsstab 1 : öÜO. 

m 1. Mitte ICJahrli, 

m 2. Äntuiiy 15. Jahrh. 
Schmitz. Soest 9 



Digitizec v^oogle 



130 



Soest 



ST. PAULI, dreischiffige Halle, dreijochig, Rund- Seite Abb. 
pfeiler mit vier Diensten, steile Kreuzgewölbe mit 
scharfen Rippen. Drei- und vierteilige Fenster. Quadra- 
tischer viergeschossiger Westturm mit Halle. Nach Mitte 
14. Jahrh. — Chor im Fünfachtelschluß, vierteilige 61 
Fenster mit Flamboyant -Maßwerk, Anfang 15. Jahrh. 63 112 

Wandstatuen im Chor, Stein, Maria, Jo- 
hannes, Jakobus, Anfang 15. Jahrh 65 

Sakramentshäuschen mit Statuen, Stein, 
Anfang 15. Jahrh 65 

Altargemälde, Kreuzigung und vier Pas- 
sionsszenen. Schule Meister Conrads, 1400 — 20 ... 85 , 7^ 

Altarvorsatz, gemalt, zwölf Apostel unter 
Baldachinen, Schule Meister Conrads, um 1420. . . . 

Barockaltar, Holz bemalt, aus dem Mino- 
ritenkloster als Ersatz für einen an Prinz Karl ge- 
schenkten Altar in der Johanniterkirche zu Sonnen- 
burg 103 

Reste von Glasfenstern, 14. — 16. Jahrh. 

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Abb. 113. Nicolaikapelle. Maßstob 1 : 600. 

NICOLAIKAPELLE, südlich vom Dom, Ende | 36 

12. Jahrh 43 1 113 

Wandmalerei der Apsis , oben Christus 
Salvator mundi, Maria, Johannes, Augustinus, Patroclus, 

unten zwölf Apostel. Am Triumphbogen: Maria mit 1 

dem Kind, Propheten und Vordeuter der unbefleckten I 

Empfängnis (Gideon und Aaron), rechts St. Nikolaus, ■ 

die drei Mädchen und drei römischen Hauptleute. Mitte j 

13. Jahrh. Ohne Grund einem Maler Everwin zuge- | 



Verzeichnis der bemerkenswerten Kunstwerke in Soest 131 



schrieben, dem Dekan und Kapitel von St. Patroclus ' ^jJJ*- 
1231 ein Haus vergaben 11 »57 

Altargemälde, Nikolaus, Heilige und knie- 
ende Kanonici, Schule Meister Conrads, Anfang 15. Jahrh. 74 

Brunsteinkapelle, St. Nicolai confessoris, 
(nicht sehenswert) einschiffiger viereckiger Raum, 
Fünfzehntelchor, gotisch, erste Hälfte 14. Jahrh. 




9» 



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132 



Soest 



2» Weltliche Gebäude usw. 

OsthoTentor. Rechteckiger Turm, Durch- Seite Abb. 
fahrt und zwei Geschosse; Grundsteinlegung 1523. 
Im Stadtbuch: Anno d. 1523 up vridags na Viti et 
Modesti martyrium (Juni 19) wort dat fundament der 
Os^oivenporten, de nu weder up dat nyet gebueth is, 
de erst steyn gelacht tmd op dem ersten steyne was der 
▼an Soist slottele m3rt dem datum wu yorgen. gehouwetii. 
Bürgermeister waren Joh. Gropper und Albert Grere. 
,,Des mesters name was Porphyrius und was eyn ge- 
boren Hesse." Vollendung des Baues 1536; Jahreszahl 
im oberen Maßwerkfries. Meister Porphyrius stammte 
aus Neukirchen (Kreis Ziegenhain) und hat auch an 
der Wiesenkirche mitgearbeitet; nachweisbar noch 1529. 
Vor zwei Jahren ist urmötigerweise ein hohes Dach auf- 
gesetzt worden lOI 

Altarbild, Reste eines Triptychons: Petrus vor den 
Richter geführt, Petrus ins Gefängnis geführt und Petri 
Kreuzigung. Später zu Schranktüren verarbeitet; die 
Rückseiten mit eisernen Bändern rautenförmig be- 
schlagen, zeigen gleichfalls Reste von Malerei u. a. 
Bruchstück einer Anbetung der Könige. Schüler des 
Meister Conrad, um 1420. Meister des sogenannten 
Jakobialtars der Wiesenkirche (S. 85) 

Außerdem werden hier tausende von Pfeilen 
aus der Soester Fehde, früher in der Rüstkammer im 
Domturm, verwahrt. 

Haus auf dem Burghof, Ende 12. Jahrh. 43t^ 37 

Rathaus. Offene neunbogige Halle, oben 
Giebel mit heiligem Patroclus imd Stadtwappen. Erbaut 
1713, an Stelle eines älteren Baues aus dem 13. Jahrh. xzi 99 

Im Archiv: Nequambuch, Pergament- 
manuskript f „Historisches Verzeichnis verschiedener 
Stadt- und Landesverweisungen item wegen verschie- 
denen Exzessen hingerichteter Personen, item welche 
nach der Verhör den Eid der Treue geschworen.*' 
Dreizehn Miniaturen in grellen Wasserfarben: Gerichts- 
szenen und Bestrafung von Verbrechern. Gemaltumz35o. 81 5,6 



Verzeichnis der bemerkenswerten Kunstwerke in Soest 133 



Vehmgerichtsordnung. Karl der Grofie 
und Richter. Ende 15. Jahrh 7 

Im Stedterchhr xiüilreiche wertvolle Urkunden, 
Akten, Briefe, Handschriften, Siegel usw. 4 

St. Patroclus, Statue, Stein bemalt, vom 
Wattmrger Tor, Anfang 15. Jahrh ix 

Gobelin, Dreilaltigkett, Georg, Michael. An- 
lang z6. Jahrh 

Bürgerhäuser. Mit gotischen Formen: 
Daelengasse 23, 15. Jahrh. Marktstrafie 7, datiert 
1540; Thomaestrafie la, datiert 1543. Osthoven- 
straße 37, Marktstraße 10. Mit Renaissanceformen: 
Burghof (Erker, innen Stuckreliefs), datiert 1559, i 
Grandweg 38, von 1569, Petrikirchhof von 1574 ; Wiesen- '64-67 
Straße 6, von 1585 67 | 70 

Die Wälle mit den Unterbauten der dreißig 
in die Gräben (Gräfte) vorspringenden Rundtürme, 
davon der halbrunde Kattenturm an der Südseite 
ganz erhalten ist. Der zweite Außenwall (Buten- 
wall) ist zum Teil noch kenntlich. Die Türme, 
Bastionen und Tore sind 1816 20 abgerissen worden. 
Der Wallteil zwischen Soestbach und Nöttentor wird 
wahrscheinlich demnächst abgerissen (unter Erhaltung 
der Schonekindbastion). Im wesentlichen geht die An- 
lage in das Ende des 12. Jahrhunderts zurück. ... i 19 

Die große fünfeckige Schonekindbastion stammt 
erst aus dem Ende des 16. Jahrh. (1599). Die Bastion 
am Grandwegertor ist wahrscheinlich von Hermann 
Becker aus Hildeshetm 1589 gebaut. Hier ist ein Stadt- 
wappen von 1570 vom ehem. Archigymnasium ein- 
gemauert Die breiten Gräben sind in Obstgärten lun- 
gewandelt; vor allem sieht man Kirschen und Pfirsich. 
Zur Bifite» im Mai, ist der Besuch von Soest besonders 
zu empfehlen; wenn man nicht dem Juli und August, 
wo das Korn reift, den Vorzug gibt. 



134 



Soest 



DIE WICHTIGSTEN DATEN DER 
SOESTER GESCHICHTE; 

Anfange 625 bis 1100. 

625—39 <?). Erzbischof Cunibert von Köln erhält die Sodsaten- 
höife vom Frankenk6nig Dagobert geschenkt. 

836. Bei Gelegenheit der Überführung der Gebeine des heiligen 
Vitus nach Corvey wird Soest als volkreicher Flecken erwfihnt 

Im 10. Jahrh. besucht ein durchreisender Araber Soest auf der 
Reise nach Schleswig. Er beschreibt es als Kastell im Lande 
der Slaven, wo Salz bereitet wird. 

964. Erzbischof Bruno von Köln (f 965) überbringt die Gebeine 
des heiligen Patroclus von Troyes; begründet das Chor- 
herrenstift und das Münster Patrocli. 

Blfitezeit. 1100 bis 1450. 

1x44 wird Medebach mit Rechten beliehen, wie sie der Markt 
Soest bereits besitzt. 

IZ48. Viele westfälische Kaufleute nehmen am Kreuzzug Kon- 
rads III. teil. Mit dem Erzbischof Arnold (1138) begimit die 
stärkere Teilnahme Westfalens an den Kreuzzügen. 

Um II 50 Beginn des Handels nach Schleswig. 

Um ZI 65 erscheinen zuerst Bürger neben den erzbischöflichen 
Ministerialen; ein Schultheiß neben dem erzbischöflichen 
Vogt. Soest wird Stadt genannt In diese Zeit fällt die 
Entstehung des Stadtrechtes. f 

1x65. Gründung des Augustinerinnenstiftes St. Walpurgis durch 
Erzbischof Rainald yon Dassel. 

xx66. Einweihung des PatroclimQnsters durch denselben. 

ZX67 — 91. Erzbischof Philipp yon Heinsberg erweitert die Stadt, 
teilt sie in sechs Pfarreien und baut die Befestigung« 
Es treten consules (RatsmAnner) nach lombardischem Vor- 
büd auf. ^ 

(xx8o. Philipp von Heinsberg wird nach dem Sturs Henlnchs 
des Ldwen Herzog von Westfalen und Engern.) 

X217. Kreuzpredigten Olivers. Starke Beteiligung am ' Kreuz- 
zug am Niederrhein und in Westfalen. Gottfried von Arns- 
berg zieht mit starkem Gefolge ins heilige Land. Die Soester 



Die wichtigsten Daten der Soester Gesdüchte 



135 



Propstei zahlt 88 Mark Kreuzzugasfeeuan im Jahr* (1219 

Erstürmung von Damiette.) 
1225. Erzbischof Engelbert yon Köln auf dem Wege von Soeit 

nach Köln bei Gevelsberg ermordet Die Soester zerstören 

die erzbischöfliche Pfalz. 
1336. Erzbischof Heinrich von Molenarc schließt einen Vergleich 

mit den Soestem. 
Z338. Ein Bürger von Soest beteiligt sich an dem Vertrag der 

Kauileute von Gotland mit Fürst Mittslaw Dawidowitsch 

von Smolensk. 

1239 erscheinen zuerst zwei Bürgermeister. Die Skra des Hofes 
▼on Nowgorod bestimmt: daB die Alderleute von Soest und 
Dortmund den Schlüssel zur St. Peterskiste von St Marien 
in VTisbj verwahren sollen. 

1230. Ein domus consulum, Rathaus, zuerst erwähnt 

1231. Gründung des Dominikanerklosters. 

1232. König Erich von Dänemark erteilt den Soestern ein Privileg 
gegen Strandrecht. 

1233. Gründung des Minoriten-(Franziskaner-)klosters. 

1240. Stiftung des Zisterzienserklosters Welwer in der Börde. 

1241. Handelsvertrag zwischen Soest und Lübeck. 

(1246. Stiftung des Zisterzienserklosters Himmelpforten an der 
MöhneJ 

1251. Stiftung des Augustinerstiftes Paradies. 
Z252. Wilhelm von Holland verleiht Soest Privilegien für den 
Handel mit Holland. 

1253. Margaretha von Flandern gestattet den Kaufleuten von 
Köhl, Dortmund, Soest und Münster Verkehr in Damme. 

— Westfälischer Städtebund von Wemersbrück 
zum Schutz gegen Pfändung und Raub. 

1254. Aufnahme des Westfälischen Städtebundes in den Rhei- 
nischen Städtebund. 

1259. Die Zahl der Ratsmänner wird auf vierundzwanzig fest- 
gesetzt Büdung von Zünften. Die Gleichberechtigung 
aller seßhaften Bürger wird durch die Wollenweberzunft 
durchgesetzt 

(1266. Gründung einer Deutschordenskommende zu Mühlheim 
an der Möhne.) 

1278. Verkauf der erzbischöflichen Vogtei durch Graf Ludwig 



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136 



Soest 



▼Oll Arnsberg an die Stadt. Diese durch Siegfrid von Wester- 
burg mit dem Interdikt belegt, das durch Appell an den 
Papst aufgehoben wird. 

X28i. Der Erzbischof verlegt die Vogtei aus Soest nach Neuen- 
Geaecke. Kein Bürger darf dort vorgeladen wenten. Die 
Gerichtsbarkeit ganz in den Händen der 
S t a d t o b r i g k e 1 1 

1304. Erzbischof Wicbold von Holte verpfändet das SchultheiBen- 
amt mit allen GeffiUen und die Mfinze an die Stadt für ihre 
Unterstützung in seinem Kampfe mit Eberhard von der ICark. 

1328 kauft Soest die Freigrafschaft Rüdenberg. 

1332. Streitigkeiten der Stadt mit Erzbischof Walram von Jülich» 
im Vertrag von Rüthen beigelegt 

1332 70. In dieser Zeit werden die Statuten der Schrae verfaßt, 
die Zahl der Kapellen darf nicht mehr vermehrt werden, 
kein Bürgergut in geistliche Hand gegeben werden. 

1369 kauft Soest die Freigrafschaft Heppen (Verkauf der Graf- 
schaft Arnsberg durch den letzten Grafen an Köln). 

1370. Erzbischof Friedrich II. von Saarweden sucht die Ober- 
gewalt über alle Freigerichte zu erlangen. 

1393 verlegt die Stadt das Freigericht Deiringsen vor die Elverichs- 
porte. Zerwürfnis mit Friedrich von Saarweden. 

1398, 6. Juli. Freundschaftsbündnis zwischen 
Soest und dem Herzog Adolf von Cleve. 
(Herzog Adolf vereinigt Cleve mit der Grafschaft Mark.) 

Anfang 15. Jahrh. ziehen die Salzbeerbten von Sassendorf in die 
Stadt; sie bilden den Grundstock des Patriziats. 

1404 08. Reformation der westfälischen heimlichen Ge- 
richte durch König Rupprecht von der Pfalz. Aufblühen der 
Vehmgerichte, besonders unter Sigismund. 

1414. Dietrich von Mörs, Erzbischof von Köln; er will 
sämtliche Freigerichte in seiner Hand vereinigen; erweist 
Soest zuerst mehrere Vorteile^ um die Stadt auf gütlichem 
Wege zu gewinnen. 

X430. Erstes Freigrafenkapitel unter dem Vorsitz des Erzbischof s 
in Soest. 

1437. Generalkapitel in Arnsberg. 

X441, 19. Juli. Beschwerdeschrift des Erzbischofs. — 22. Oktober. 
Verbrüderung von Rat, Brüderschaften, Gilden und Gemein- 



Die wichtigsten Daten der Soester Geschichte 



137 



heit zum Schutz der Freiheit. — 24. Oktober. Erneuerung 
des Vertrages mit Adolf von Cleve. 

1443 wird Soest vor das Kammergericht geladen. Protest der Stadt. 

1444 49. Soester Fehde. Soest kommt an das Herzogtum 
Cleve, als Nebenquartier der Grafschaft Mark (S. 00). 

Niedergang, seit etwa 1450. 

Nach 1450. Schaden der Stadt durch kölnische Rauhritter. Der 

Handel leidet Die Stadt wird isoliert 
1505. Nächtlicher Anfall des Erzbischofe Hermann von Köln. 
1505 — ^49. Streit der Stadt mit dem Propst von St Patrocliis um 

das Bäckerkom. 

15x2 verbrennen die Soester das Schloß des Raubritters Hildebrand 

Gogreve im Grund zu Assinkhausen. 
1517 siedelt das ErbsilzerkoUeg von Sassendorf nach Soest in 

das Haus zum Stern über. 

1530. Beginn der Reformation, Unruhen. Gesell- 
schaft der Eidgesellen. 

1531. 13. Oktober. Zusätze zur Schrae werden vom Rat bewilligt. 

— 20. November. Borchwede schlägt lutherische Thesen an. 

— 21. Dezember. St. Thomas- Aufruhr. Johann von Campen 
mit Gewalt befreit. Die beiden Bürgermeister ins Gefängnis 
geworfen. 

1532. 16. April. Ömikens Kirchenordnung. Die katholischen 
Pfarrer vertrieben. 

1533» 28. April. Schachtrops Hinrichtung. — 31. Juli, Auszug 

der katholischen Ratsfamilien. 
1534. Gründung der Lateinschule (des späteren Archigymnasiums). 
1548 — 52. Interim. Vorübergehende Aufrichtung des Icatho- 

lischen Glaubens durch den Kardinal Gropper. 
(1586 vernichtet Martin Schenk von Nideggen, Parteigänger des 

Erzbischofs TruchseB von Waldburg, ein Bauemheer bei 

Dinker). 

Ende z6. Jahrh. zahllose Hesenprozesse. 
X609. Jülich-klerischer Erbfolgestreit. 

1614. Vertrag von Xanten: Soest kommt mit der Grafschaft Mark 

an Brandenburg. 
1636 — 40 ist Simplizissimus in Soest. 



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138 



Soest 



1662. Gleichstellung der Reformierten mit den Protestanten 

durch den Großen Kurfürst. 
X69Z. Intriguen des Grofirichters Schmitz. 
1704. Bau des Waisenhauses. 

1707. Aufhebung der letzten Vehmgebriuche durch Dderet der 

klenschen Regierung. 
17x5 — 14. Neubau des Ratiiauses. 

1752» I . — 24. Juni. Friedrich der Gro0e löst die Verfassung auf und 
setzt einen neuen Rat ein. 

Z761. Treffen bei Vellinghausen zwischen dem Herzog von Braun- 
schweig und Soubise. ' 

Z770. Der große Gott von Soest aus dem Patroclidom gestohlen. 

1794. Einffihrung der preußischen Landgerichtsverfassung. 

Z797. Die Stadt verkauft den PatrocUturm an das Domkapitel. 

z8o6, 14. November. Besetzung Soests durch französische Truppen. 

1808. Soest dem Großherzogtum Berg angegliedert (vgl. S. oo>. 

1809. Aufhebung der Klöster Paradies und Welwer. 

18 12. Aufhebung der Stifte Patrocli, Walpurgis und Paradies. 
18 16. Abbruch der Torbauten und Türme. 
18 19- 20. Neubau des Gymnasiums. 

1854, 22. Oktober. Gesicht auf der Schlückinger Höhe (vgl. S. 00). 
i86x. Beginn der Restauration der Wiesenkirche (beendet 1882). 



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Literatur 



139 



LITERATUR. 

1. Zur Geschichte von Soest. 

(Chronologisch. ) 

Zeitschrift des Vereins ffir die Geschichte vim Soest 
und der Bdrde» z88i ff. Die wichtigsten Aulsitxe stammen 
von dem um die Soester Geschichte Überaus verdienten 
Professor V o g e 1 e r in Soest 
1696 C 1 u t e , Susatum vetus et novum. 

17x2 Stute» vita et gesti Patrodi martyris, Susatensium patroni. 

Leipzig. 

(1750) Ludw. Eberhard Rademacher (t 1750), An- 
nales oder Jahr-Bücher der uhralten und weit berühmten 
Stadt Soest mit Fleiß und Mühe von Anfang biß auff das 
Jahr 161 5 zusammengetragen von einem Liebhaber der 
Historie seines Vaterlandes L. £. R. Handschrift im Soester 
Stadtarchiv. 

1748 Emminghaus, Memorabilia Susatensia. Jena. 

1749 D. Ludwig von Roßkampf, Monumenta Zusatensia 
oder Alterthümer, so sich in den acht Hauptkirchen zu Soest 
befinden, 1740. 1 Handschrift im Soester Stadtarchiv.) 

1825 Geck, Topographisch -historisch -statistische Beschreibung 

der Stadt Soest und der Soester Börde. Soest. 
X855 B a r t h o 1 d , Soest, die Stadt der Engem. Ursprung, Blüte 

und Niedergang eines altdeutschen Gemeinwesens. Soest. 
1855 Cornelius, Geschichte des münsterischen Aufruhrs. 

2 Bände, Leipzig. 
1857 W i s k o 1 1 , Beiträge zur Geschichte der Stadt Soest. Soest. 
z88o H a r k o r t » Beiträge zur Geschichte Westfalens und der 

Graibchaft Mark. Hagen. 
z88z Hausberg, Die Soester Fehde im 15. Jahrhundert. Trier. 

— Schröder, Chronika von Sauest. Leipzig. (Im Soester 
Dialekt) 

1886 Holthausen, die Soester Mundart. Norden und Leipzig. 
z888 Hansen, die Soester Fehde. Bd. 34 der Publikationen 
aus den KgL Preußischen Staatsarchiven. 

— J o s t e s , Daniel von Soest, ein westfälischer Satyriker des 
x6. Jahrhunderts. Paderborn. 



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140 



Soest 



1888 Lindner, die Vehme. Münster und Paderborn. 

1897 Zurbonsen, die Sage von der Völkerschlacht der Zu- 
kunft am Birkenbaum. Köln (2. Aufl. 1907). 

1902 Van G u 1 i k , Der Scholaster Johannes Gropper und seine 
Tätigkeit im Kurfürstentum Köln bis 1540. Münster. 

Z905 Rotherti Zur Kirchengeschichte der ehrenretchen Stadt 
Soest. Gütersloh. 

2. Zur Kunstgeschicltte ▼on Soest. 

(Chronologisch.) 

1823 Tappe» Die Altertümer der deutschen Baukunst in Soest, 
Essen. 

1825 Westfalia 1825: Urkunde, die Entstehung des Patrocli- 

schreins betreffend. 
1831 Westfalia 1831 — ^32: Publikation des Nequambuches 

der Stadt Soest von Moyer. 

1843 Becker, Deutsches Kunstblatt 1843: Nach- 
richten über die aus St. Walpurgis nach Münster gekommenen 
Altartafeln. 

1851 Organ für Christ 1. Kunst 1851 u. 52. Nachrichten 
Lübkes über die aufgedeckten Wandmalereien in St. Pa- 
trocius und Nicolaikapelle. 

1853 L ü b k e , Die mittelalterliche Kunst in Westfalen. Leipzig. 

1854 G i e f e r s , Drei merkwürdige Kapellen Westfalens. Pader- 
born. 

1863 K a y s e r, Die Soester Patroclikirche und Nicolaikapelle. 
1879 Nordhoff, Die Soester Malerei unter Konrad. Bonner 
Jahrbücher 1879 (Bd. 67) und 1880 (Bd. 68). 

1881 Nordhoff, Grert van Lon. 2^itschr. f. bild. Kunst. 

1882 Heeremann Zuydtwyck, Die älteste Tafel- 
malerei Westfalens. Münster. 

— Die Wiesenktrche. Denkschrift zu ihrer Einweihung. 
Soest. 

1883 Ludw. S c h e i b 1 e r , Reoension sämmtUcher westfälischen 
Gemälde von 1450 — 1500 nach Stil und Herkunft West- 
deutsche Zeitschr. 1883, II, S. 300. 

1875 Aldenkirchen, Die mittelalterliche Kunst in Soest 
Winckehnannprogramm. Bonn. 



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Literatur 



141 



1886 Nordholl, Studien über altwestläUsche Malerei. I Bonner 
Jahrbücher 1886 (Bd. 82); II ebenda 1889 (Bd. 87). 

— Sümmermann, Die Wandmalereien in der Kirche 
Maria zur Höhe in Soest. 14. Jahresbericht des westläl. 
ProyinzialTereins lür Litt u. Kunst. Münster. 

1890 Josephson, Die wiederhergestellten mittelalterlichen 
Malereien in der Kirche Maria zur Höhe in Soest Soest 

— Soest, seine Altertümer und Sehenswürdiglceiten. Soest 
1897 Benkerty Ein vermeintlicher Heidentempel Westlalens. Soest. 

— S o e 8 1 in Vergangenheit und Gegenwart Soest 

Z899 Ferdinand Koch, Ein Beitrag zur altwestfäl. Malerei in 
der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Münster. 

2902 R o t h e r t , Das älteste Bürgerhaus Westfalens. Zeitschr. 
d. Vereins für Gesch. u. Altertumsk. Westfalens, Bd. 6 (1902). 

X903 Katalog der kunsthistor. Ausstellung Düsseldorf 1902. 
Besprechung: Giemen, Zeitschrift für bildende Kunst. Leipzig. 

1904 Katalog der kunsthistor. Ausstellung Düsseldorf 1904. 
Besprechung: Scheibler, Repertorium 1905. Publi- 
kation von Giemen und Firmenich - Richartz (Bruckmann). 

1905 Witte, Der Patrocli-Dom zu Soest. Ein Beitrag zur 
westf. Kunstgeschichte. Dissertation. Münster. 

— Herrn. Schmitz, Die mittelalterliche Malerei in Soest. Zur 
Geschichte des Naturgefühls in der deutschen Kunst. Münster. 

— Josephson, Die Kirche Maria zur Höhe. Soest 

— Die Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen. Heraus- 
gegeben vom Provinzialverbande. Bd. 16. Kreis Soest 
(775 Abbildungen!) Einleitung von Vogeler. Münster. 

1907 W. Käsbach, das Werk der Maler Victor und Heinrich 
Duenw^ und des Meisters von Kappenberg, Münster. 

— Josephson, Die alten Glasmalereien in Soest „Nieder- 
sachsen*' 1907, „Soestnununer" (mit Arbeiten von Wilms» 
L. Schröder, Hub. Schwarz u. a.). 

— Katalog der Ausstellung für kirchliche Kunst zu Soest vom 
ZI. Aug. bis I. Sept. 1907, verbunden mit einer Ausstellung 
von Werken Aldegrevers. (Leiter: Pfarrer Ciarenbach in 
Borgeki). Besprechung: Herrn, Schmitz in „Die Rhein- 
lande'' 1907. 

— Max Geisberg: Die Münsterischen Wiedertäufer und 
Aldegrever. StraBburg, Heitz. 



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142 



Soest 



REGISTER. 

(Di« ia Soest selbst befiadlidieii Kunstwerke sind ottsf&lirlidier im Aaliang 

▼erseidinet). 



AUegrever 22, 24, 26, 27, 2Bk 102 j Abb. 22 

-27. 92-9R 
Ampen 8. 

Arnold, Erzbisdiof von Kdln 1. 
Arnsberg 4» 6^ 7. 15^ 48» 75j Abb. TL 
Amsberger Wold 16^ 72, 78. 

Böckerkoni-Streit 14. 

Berlin, Museum 9, 13, 18, 54^ 57, 82,92} 

Abb. 9, 86. 87. 
Bildhauerei in Soest 64. 
Bordiwede, Thomos 23, 28. 
Bdhmisdies Söldnerheer 1& 
Börde 4. 31. 68, 72, 75^ 19. 
Borgeln 23. 
Bornholm 51. 
Bremen, Dorf 40. 
Bruno, Ersbisdiof von Köln 9. IL 
Bmnsteinkopelle 59. 
Burghof 43, 67. Abb. 37. 
Burgundisdie Malerei, Einfluß 86. 
Burriditer 3. 113. 

Byzantinisdie Kunst, Einfluß 51, 52, 54. 

Campen, Joh. von 23, 25. 

Cleve, Herzöge von 15, 16, 20,24. 25, 89. 103. 

Conrad von Soest 8L 

Daniel von Soest 27. 

Doruis Ta^gemfllde 85; Abb. 83L 

Dialogon 27. 

Dortmund, Gemälde 85, 98; Abb. 90. 
Dunwege 30. 9ö; Abb. 20. 28, 90. 
Drüggelte. Kapelle 47; Abb. 44 -46. 

Engem 1, 15. 

Enkesen 8. 

Eidgesdlen 22. 

Eisenkoit m 119: Abb. KM. 

Fehde 15 ff. 

Franzüsisdie Herrsdiaft 113. 
hrcckcnhorst, Tafelmalerei 9L 
Freiligrath 31. 68. 
Friedridi der Große IIL 
Frommesdies Hans 111$ Abb. 102, 



Fröndenberg, Tafelgemälde 87 ; Abb. 80. 

Glocken, 13, 119. 122. 12a 

Goldsdimiedekunst 11, 13, 103, 119. 122. 

Gothland 21. 

Gotische Malerei 81« 

Gropper 23, 28. 

Großer Teich. 1. 3, 21. 

Gymnosium 30, 134. 

Haarstrang 16, 35, 791 
Hacketüuer 115. 
Hallenkirdien 44, 46, 59. 
Handel 1, 21. 22, 75, 86, HO, 113. 
Hanso 110. 
Harkort 76. 
Hellweg 1, 32, 71. 

Schlacht auf dem H. 33. 
Hohnekirdie siehe Maria zur Höhe 
Hoventeilimg 1, 3. 

Idensen 52. 

Itolienisdie Treeento- Malerei, Einfluß 

84, 86. 
Isselhorst^ Altor BS. 

Jostes 21, 27 

Karl der Große 6, 7, 8b 32; 7Z 

Kleinsdinitjer 70. 
Kloster 22. 30. 

Köln, Beziehungen zu K. 1, 9. 
Kdlnisdie Malerei 8ft 
Körbeeke, Job. Ton 92. 
Kreussfige 32, 48^ 51, 52; 55. 

Lake, Bortholomfius ron der L 19. 
Langenborst, Gemälde aus L. in Munster 

92; Abb. 84, 85. 
Liesbomer Meister 98. 
Li|»por9er Meister 9& 
Lii>p8todt 17, 30, 57. 
Lippstaedter Reimdurottik 15b 3Ql 
Lohne 17, 24. 
Lon, Gert von 100. 
Lflnen, Alter MXk 
Lutber 25, 10& 



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Register 



143 



Moria zur Höhe, Bau 45, 123; Abb. 40 
-43» 107. 
Woiidmolereieii,54k57, 123; Abb* 51. 

Scheibenkreuz 65. 124; Abb. 23. 

Skulpturen 65. 125; Abb 31, 

Altargemälde 98, 125; Abb. 88. 
Maria zur Wiese, Bau 59, 125; Abb. 54, 
56-58» 68, 69, 108. 

Gloafimster 13,21,82, 123; Abb. 13» 21. 

Skulpturen 55, 125; Abb. 62, 63. 

Tafelgemäldc 82, 85» 98» 10Q,!l25; 
Abb. 81. 89, 91. 

Altartucb 127; Abb. 29. 109. 
Morimifeld, TolelgmuAlde oat M. in 

Hfinster 92. 
Mark, Grofodi. 20. 75. 77. 
Mauern von S. 1. 19, III, 112» 134; Abb 19. 
Meister Wilhelm 86. 
Mergelsandstein 72. 
Methler 57. 

Minoritenkirche 22, 63, 128; Abb. 59^6(1 

Barockaltar III. 129. 
Munster. Museum 11. 52, 91. 92, 96.1Qa 

Neqoamsbudi 3, 81; Abb. 5, 6. 

Nieolaikapelie. Bau 43. 130; Abb. 36. 113. 
Wandmalerei 57, 130L 
Tafeigemaide 131; Abb. 74. 

Niederländisdie Malerei, Einfluß 9L & 

Niederwildungen, Altarbild Meitter Con- 
rads 85; Abb. 76. 

Omiken, Gert 24. 

Orient, Beziehungen zum 0. 11, 51 ff. 
Osthoventor 4, 101, 132; Abb. 4. 
Ost-Onnen, Freistuhl 8. 
Kirche 39; Abb. 34. 

Paetmn daeale 16» III. 
Panidle, Kloster, 22, 75, 

Patrocltts, der heilige P*, 9l 23 

Patroclisdiü^en 13, 22. 

Patroclidom 10, 11. Bau 41, 48, 117; 

Abb. 1, 12, 35, 47. 48, 103. 

Woadmqlerei 11, 5^ 54. 118; Abb. 50. 

ReUef 65b 119; Abb. 30. 

Kruzlfixtts, gemalt 84 ; Abb. 75b 

Kasel 90, 120; Abb. 16. 
Potrodusstatue 11, 119; Abb. 10. 
Fotroelttsbäste 11; Abb. 14. 
PotrocUsdireiii 11, 16^ 18» 66; Abb.9. 18^ 
Ftoiililurdie, Boa 63^ 123; Abb. 61, 112. 



Skulpturen 66, 123. 

ToCelgemaido 85; Abb. 78. 
Petras, der heilige P.. 3b 9^ 14. 
Petrikirdie 2, 33. 

Bau 38, 44. 59. 111,121; Abb. 1, 33, IQS. 

Relief" 65, 121. 

Keldi 122; Abb. 106. 
Pfarrteüung 3, 10, 42. 
Philipp TOB Heinsberg, Ersb. r. Kdln 1. 
Rademadter, Eberhard 8. 
Rathaus III. 133; Abb. 99. 
Recklingsen, Freistuhl 8. 
Rothert 33. 
Rtthrtol 16, 73. 
Rumeney 43L 
Sammelbretler III. 

Sassendorf 21, 73. 

Sauerland 22, 75,78. 

Schaditrop 25. 

SdimiQ, GroiSriditer 8. 

SdiSppinger Meister 92 £; Abb. 7, 17. 

Siegerland 75. 

Simpliaussimus 75. 

Sdileswicker 43. 

Stadtardiiv 4, 7, 27, 133. 

Stenkyrka 51. 

State. J. P. IL 

Stute, Assessor 115. 

Sünninghausen 96. 

Tappe 2(). 

Thoniüskirche 44, 58, 128; Abb. 38, 39, 

55, IIÜ. 
Tliidreekssoge 32. 

Topp. Wirtsduift TSb 116; Abb. lOQ, 101. 
Tudimadier 1. 

Vehme 6 ff., 15. 
Vrie, Prediger 25. 28. 

Waisenhaus III. 

Walpurgisstift 17, 20. Gemälde aus W. 

91. 96. 113; Abb. 82» 86. 
Wappen von S. 31 

Warendorfer Altar i. Mfinsler 85;Abb.77. 

Welver. Kloster 8. 22 
Werl 14, 16, 32, 73. 
Weslarn 11. 57. 

Westerburg.ErsbiBdiof Siegfried V 4. 
^dttkindsmaner 32» 

Zigefried, Goldsdunied 11, 29l 
Zorbonsen 33. 



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Drudi TOn Ernst Hedridi Nadif,» 6. m. b. H., Leipzig 



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