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Full text of "Die badische societas latina"

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DIE BADISCHE SOCIETAS LATINA, 


VOX PROFESSOR HEINRICH FUNCK IN KARI.SRUHE. 



„Es 1st kein schbnrer Anblirk in dor Welt Als einen Ftlrsten sehen, der klug regiert; Das 
I .and zu sehen, wo jeder stolz gehorcht, Wo jeder nur sich selbst zu dienen glaubt, Weil ihm 
das Rechte nur befohlen wird. — Mit diesem Ausruf verllsst jeder Fremde das l.and.“ So lautet 
in der Xationalchronik der Deutschcn vom Jahr 1801 der Schlusssatz einer Schilderung Badens 
unter dem Markgrafen Karl Friedrich. Noch heute wird das Andenken an ihn von unserm Volkc 
gesegnet, und der Name Karl Friedrichs glanzt schon lSngst in der Geschichte unter denen der 
besten Ftlrsten seines Jahrhunderts. 

Und doch, wie viele und treffliehe Werke auch bisher dazu bestimmt wurden, die aus- 
gezeichnete Wirksamkeit dieses wahren Vaters des Vaterlandes zu beleuchten, das hervorragend 
erzieherische Moment in seiner Regicrung ist noch immer nicht ins voile Licht gesetzt worden. 

Was ihn aber vor alien dazu befshigte, als Rildner seines Volkes so einziges zu wirken, das 
war jene p&dagogische Neigung, welche mit den andem menschenfreundlichen Eigenschaften der 
Zahringor einen Grundcharakterzug dieses ganzen Fflrstengeschlechts bildet, und die in Karl 
Friedrich in hOchster Potenz zur Erscheinung kommen sollte. 

Eben diese W&rme und das Geschick, womit unser Fiirst eine freie Entwickelung der geistigen 
Kultur seiner Unterthanen unermUdlich betrieb. musste in dem kleinen Gcmeinwesen herrlichc 
Blflten entfalten und trug einen schOnen Nacheifer weit iiber die Grenzen des engen Heimatlandes. 
Insbesondere war das badische Schulwesen der Stolz des Landesherrn und die Zierdc der fast sprich- 
wbrtlich gewordenen glflcklichen Markgrafschaft. 

Unter den Bildungsanstalten des I*andes leuchtete die F'urstenschule hervor, d:is Gymnasium 
illustre zu Karlsruhe, fur dessen moglichste Vcrbcsserung Karl Friedrich unabliLssig die aller- 
vaterlichste Fttrsorge trug und an dessen Bestrebungen und Interessen er fort und fort eine rege 
person liche Teilnahme bezeugte. 

Seine eigene Vorliebe ftir die exakten Wissenschaften tind filr die neueren Sprachen, nicht 
nur die Zeitstrfimung, trieb dazu, dass man hier mit dem veralteten System der scholastisch theo- 
logischen Pedanterie vollstiindig brach und bei der ganzlichcn Umgestaltung des Lehrplans die 
Forderungen des praktischcn Lebens viel mehr als friiher berilcksichtigte. 




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I nter Karl Friedrichs Linger Regierung erhiclten der mathcmatischc Unterricht und die 
Xaturgcschichte bctrachtliche Erweiteningcn und besondere LehrstQhle , das Deutsche und l-'ran- 
z&sische fanden sorgsamerc Pflege, aber auch Philosophie, (ieschichte und Bcredsamkeit bekamen 
cigene Professuren. und in das Studium der alten, sogar der morgenlandischen Sprachen kara ein 
neuer Schtvung und frischeres Leben. Selbst die speziellen Vorbereitungskollegien zu FakultSts- 
wissenschaften, welche das Gymnasium bereite aber die gewohnliche Sphare der gelehrten Schulen 
hinaushoben, wurden auf einen noch griisscren Kreis von Disciplinen ausgedehnt, und Lehr* 
gegenstandc, welche niemals vordem an der Furstenschule Eingang gefunden hatten, wie I.itteratur- • 
geschichte, Englisch, Chemie und Zeichnen, kamen zur allmalilichen Geltung. Ja es entstund im 
llerbst 1766 an unserer Anstalt eine Societas latina, wie solche bisher nur auf Universitaten ein- 
gerichtet worden waren 1 ), und es hat diesc-lbe das ganze letzte Drittel des vorigen Jahrhunderts 
hindurch fortbestanden. 

Sie war zunSchst „zur Ausbreitung der rotnischen Litcratur" gegriindet. aber als Glied eines 
< Irganismus, welcher mehr fur eine allgemeine als speziiisch philologische Vorbildung der studiercnden 
Jugend eingerichtet war, musste sie zugleich weitergesteckten Zielen dienen. 

Ihr eigentlicher Stifter und Dircktor war der damalige ordentliche Professor der Philosophie 
Gottlob August Tittel.*) 

Derselbe war ein bedeutendes Talent, ein trefflicher Latinist und ein packendcr Lehjer. 
Er besass eine tuchtige philosophische Bildung und ein ausgebroiteles historisches Wissen. liei 
aller (rriindlichkeit der Arbeit verier er sich nie ins Einzelne, sondem suchte Uberall allgemeine 
fruchtbare Gesichtspunkte zu gewinncn, und trotz seines ausgesprochenen Idealismus hatte er eine 
entschieden praktischc Geistesrichtung. Ein solcher Mann war wie geschaffen dazu, am Gymnasium 
Karl Friitlrichs I.eiter einer lateinischen Gesellschaft zu sein, die er donn auch nahezu 40 Jahre 
lang durch manchc Stflrme der Zeit glQcklich hindurch gefuhrt hat. 

Wie es bei ahnlichcn Gesellschaften auf Universitaten der Fall war, so liess man auch an 
unsercm litterarischen Institut die begabtesten und fleissigsten unter den Studiosen oder Exemten, 
wie die jctzigen Primaner am Gymnasium damals hiessen, einen besonderen Anted nehmen. Die 
Zahl der Mitglieder sollte imraer 8 sein. Durch extra ordinarie vorgenommene Aufnahmen konnte 
dieses Statut umgangen werden. Die Bewerbung urn eine frei gewordene Mitgliederstelle hatte 
schriftlich mittelst lateinischer Eingabe zu geschehen. Die ersten 8 Genossen wurden vom Direktor 
selbst ausgewahlt. Dann ergSnzte sich die Soeietat durch Cooptation. 

GewOhnlich trat man als sog. Medius, d. h. im mitlleren Exemtenkursus, in den Verein ein 
und verblieb in ihm wahrend der z letzten Studiosenjahre. Viele konnten jedoch erst als Veterani 


i) Die Geschichte der Jcncnser Societas Lat s. in: ExcTcitationcs Soc. Lat. Jen. hcrausg. v. Hallbauer, Leipzig 1741 und 
1743. Acta Soc. Lat. Jen. hcruusgb. von E. J. Walch, Jena 1752 — 56. Eichstadt, Acroasio I’ro Soc. Lat. Jen. lnstrauratiorve, 
Jena 1800. 

Ucber die ahnlich eingerichtete HalUsche lateinUche Gesdlschaft a. Pieride* Sive Latium Iiteraturo CootincitS Stkcton 
Elabnmtionnm A Mctnbris Soctetatix Latinae Exhibit arum, Anno Soc. I -at. II, Halic 173b. 

Da* Pmtokollbuch der Snckdt beginnt mit den "Woden: „Originom debet Societas haec latina Vim PrncccUcnti»*imo, 
Doctfoftimo, GOTTL. AUG. TITTEL, Philosophize in hoc lllustri Gymnasio Profcssori, qui ad litterarum latinarum culturam pro- 
movendam cam instituit* 4 . 

*) NSheies zu dem hicr tiber Tittel gesagten s. u. a. ira Archiv Air den Mcnschen und Burger, III. Bd. Leipzig 1781, 
S. 229 ff. von Schlcttwcin, der Tittels Berufung 1764 dem Markgrafen nahe gelegt hatte; in Brunns Briclcn iiber Karlsruhe 1791, 
S. 181, und in Tittels Sclbstbiographic als Vorrcdc zu semen dreissig AufsaUcn aus Litcratur, Philosophic und Geschkhte, Mann- 
heim 1790. Ausscr die*em Buch sind von Ttltels zahlrrichen Schriften noch besondors zu verglekhcn: „Phflo»ophische ErlSuterungen 44 , 
5 Bdc., Frankfurt 1783 — 1786 ersie Ausgabe und 1787 — 91 zweitc Ausgabc; und ..Ausfuhrungen zur teutschcn Rcichsgescbichte* 4 , 
Ntkmberg 1787, 2 Bde. — Die folgcndcn Angaben sind leils einer handschriftlichen Relation Tittel* ttber die lateinische GescU- 
acluift, tcils dem Protokollboch dersclbcn entnommen. 


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Zutritt erlangen. N'ur wenigen gltlcktc es dagegon, schon vor Ablauf ihres Noviziats eingelassen 
zu werden. 

Die Gesellschaft zahlte im Ganzen 272 Schuler unter ihre ordentliehen Mitglieder, und da 
sie ein Menschenalter uberdauerte. so wurden in der letzten Zcit boreits Sdhno von denen auf- 
genommen, welche ihr in den ersten Jahren angehOrt hatten.') 

Zu den frilhesten Socii ordinarii gehOrten mehrere auswiirtige Cavalierc, besonders aus 
Franken, Schwaben und der Pfalz, welche damaLs in Karlsruhe sich zur Universitit vorbereiteten. 
Spaterhin finden wir unter den Vereinsgenossen einc ganze Reihe von JOnglingcn aus unserer 
engeren Heimat, die nachmals teils in der badischen I-andesgeschichte, teils in der deutschen Schrift- 
stellcr- und Gelehrtenwelt einen hervorragenden Platz sich erworben habcn. 

In den siebziger Jahren, wahrend welcher unser Sodalitium einen wahren Ueberfluss an 
ausgezeichneten Talenten hatte, waren in der Gesellschaft u. a. thatig: Heinrich Sander, welcher 
bald als I.ehrer, sowie als Schriftsteller viol zu versprechen begann, aber schon 1782 von der 
Zehrung dahingerafft wurcle, ein Sohn des wackern Pfarrherm von Kondringen; der genialc Peter 
Hebei*), in dera, wie sich bald zeigen sollte, der an geistigen Xotabilitatcn nicht mehr armen 
Markgrafschaft nun auch ein einheimischer Dichter erstanden war; Theodor Zandt, der nachher 
30 Jahre hindurch, darunter langere Zeit als Direktor, mit grosser Gewissenhaftigkeit an unserer 
Schule wirkte; Krnst Ludwig Posselt, spiiter ein gefeierter I.ehrer, der Begrtlnder der Allgemeinen 
Zeitung und Verfasser der Historischen Annalen ; Gustav Konrad Hugo, der nachmalige berflhmte 
Rechtsgelehrte und Stifter der sogenannten historischen Rechtsschule in Deutschland. 

Aus der Zahl der ordentliehen Teilnehmer wahrend der folgenden Jahrzehnte sollen noch 
hervorgehoben werden: Von kiinftigcn Pfarrern: Friedrich Wilhelm Hitzig, den wir aus Ilebels 
geheitnnissvollem Oberliinder Freundschaftsbund und aus der Jugendgeschichte des beruhmten 
Orientalisten F'erdinand Hitzig als geistreichen Menschen kennen; von Padagogen; Jacob Friedrich 
Gerstner, der dann von 1797 — 1833 als Professor am Gymnasium seine ausserordentliche Lehrgabc 
zur Geltung gebracht hat; von Aerzten: Karl August Seubert, dessen Vater und Gfossvater wir 
schon in der Geschichte unserer Anstalt begegnen, er selbst in der Folgezeit ein F'reund Hebels 
und wahrend vieler Jahre der gesuchteste und angesehenste Arzt seiner Vaterstadt. Einen bedou- 
tenden F.influss auf die vaterliindische Staatsleitung gewannen nachmals Georg I-udwig Winter, 
als kraftvoller, burgerlicher Minister; Ludwig August von Liebenstcin, der spater so beruhmt 
gewordene Abgeordnete unserer zvveiten Kammer; Karl Friedrich Ernst Nebenius, als Verfasser 
der badischen Konstitution. Im weiten Gebiet der Altertumswisscnschaft nahm August Boeckh *) 
spaterhin eine tonangebende Stoll ung ein. 

Die ordentliehen Mitglieder wiihlten jeweils einen aus ihrer Mitte zum Schriftfuhrcr und 
Statutenwart. Wer unsere Societat bei diesem Gcschaft nilher verfolgt, dem kann es nicht entgehen, 

*1 Zur Feststcllung des Folgcnden dienten ausser den Akten der Socirtnt, besonders das Album Gymnasii und amlcrc 
die Schuler betrelTendc Aktenstiickc unserer Schule. 

h’aheres uber die writer unten angctiihrlcn l’crsdnlichkcitcn a. u. a. in: Von Drain, Geschichte der Kegiernng und Bildung 
ven Baden unter Carl Krieilrich, II. Band, Karlsruhe 1818, Bcilagc XII., Nebenius, Karl Friedrich von Baden, hcraueg. durch 
'■ Weech, Karlsruhe 1868, Hartlcbcn, Statistische* Gemalde der Residcnzsladt Karlnruhe, 1815, llandbrtch fur Baden und seine 
Diencr, Heidelberg 1846, Universallcxikon voro Gmsshrrznglhum Baden, Vierordt, Geschichte der im Jahre 1856 or Durlach 
erofluctcn nnd 1724 nach Karlsruhe vcrpflanztcn Mittelschule, Karlsruhe 1859, 2. Abteilung, von Weech*, Badlschc Biographien, 
Heidells’rg 1875, Allgcmeinc Deutsche Biographic, Lciprig 1875 ff, 

*) Hebels wegen ist Georg I.an gin in -winem Ircflfbcben Iebcnsbild des alemannischen Dichters, S. 26 — 33, auf unsere 
Socici.it eingegnngen. 

*1 Ueber Angnst Bocckhs Karlsruher Schullcben ist in der vorillirigen Progmmmlreilage des hiesigen Gymnasiums aus* 
ftibriieh von mir gelumdeU Worden. Noch 1855 urteihe Brkkh in Berlin s*nn seinem altcn Lehrer: „Ich halie keinen UniversitJUs- 
profrssor kennen gelemt, der den Tacitus so durch nnd dnrch verstnndcn hittc als Tittel.“ (Vicrordts handschriftliche Kammlung 
cur Geschichte des KarlsruhcT Gymnasiums, S. 72.) 


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dass die Adeligen dabei entschieden bevorzugt wurden. Ein Burgcrlicher kam nur dann zu dieser 
Ehre, wenn cr sich .schon langere Zeit vor den andem wirklich ausgezeichnet hatte. Nur Karl 
Ludwig Ring ward sogleich am Tage seiner Aufnahme einstimmig zum Sekretar eingesetzt, Aber 
Rings Vater war ja ein Mann, der als badischer Prinzenerzieher in der Karlsruher Hofgesellschaft 
eines ungemein hohen Ansehens sich erfreute , l ) 

Alle graduierten Personen, und die schon offentliche Amter bekleideten, hiessen Ehrenmit- 
glieder. Ihr Kreis umfasste eine stattliche Anzahl gelehrter und vorziiglich um die Humanitats- 
studien verdienter Manner. Darunter befanden sich viele Cclebritaten der damaligen Zeit und 
auch Auslander. *) 

Zu den einheimischen Ehrenmitgliedem zahlten der Rektor, die Ephoren und die ersten 
Professoren des Gymnasiums. Der Professor der Naturlehre, Johann Lorenz Boeckman, fiihrte 
das erste Sekretariat der Gesellschaft. Eemer befanden sich unter ihnen der a us Korrespondenzen 
von Klopstock , Wieland u. A. bekannte Markgrafl. Hofbibliothckar Molter und mehrere 
hohere Staatsbeamten und Geistlichen der Residenz, welche Vorlesungen an der Furstenschule zu 
halten hatten. 

Unter den badischen Mitgliedcm, welche nicht in Karlsruhe anslssig waren, begegnet uns 
der oben envahnte Superintendent der Markgrafschaft Hochberg Nikolaus Sander. Auch des 
Letzteren Neffe und Pflegling, der Eabeldichter Pfeffel aus Kolmar, mag hier mit aufgefuhrt 
werden; denn er freute sich immer, von seinem Vater her, als Landsmann bei uns zu gelten. 

An der Spitzc der auswartigen Ehrenmitglieder stand ein geborener Badener und ehemaliger 
Zdgling der Baden -DurlachLschen Schule, der konigl. franzosische Historiographas Johann Daniel 
Schopflin. Als dieser im Anfang des Jahres 1767 in einem hochst freundschaftlichen Schreiben 
der Societat seine Teilnahme zugesagt hatte, beschloss sie in ihrer Freude hieriiber sofort, ihn zum 
Ehrenprases zu ernennen. 

Wie der beriihmte Strassburger Geschichtsprofessor, so gehorten auch Christian Adolf Klotz 
und Joh. Ernst Imanuel Walch, die Professoren der Beredsamkeit in Halle und Jena, welche um 
dieselbe Zeit sich aufnehmen liessen, zu den Koryphaen der Wissenschaft, deren besondere Pflege 
unser Verein sich zur Aufgabe gemacht hatte. 

Walch hatte in den fiinfziger Jahren die Societatis latina in Jena zu neuer Blutc gebracht, 
Klotz war 1761I62 ihr gewissenhafter und gewandter Sekretar gewcsen. In diesen Jahren war 
auch Tittel an der Sachsisch-Ernestinischen Ilochschule beschaftigt. Xachdem er 1760 daselbst 
doktoriert, hatte er philosophische und historischc Vorlesungen an der Universitat mit Beifall zu 
halten begonnen und war nicht lange hernach von der philosophischen Fakultat zu ihrem Beisitzer 

*> Hofrat Ring war i. B. — wie cr uns sclbst in scincn Aufzcicbnungcn vcrsichert — der einzigc Burgcrliche, dcr far 
gcwbhnlich an dcr MarschallstafeJ sitzcn durftc. — Hier sci cs cingcfagt, da** cbcn jene Manuscripte Rings auf unxere Societal 
cin eigen thiimlicbes Licht werfcn, dutch da* wir uns aber nicht blendcn laaaen diirfcn. Denn wie derartige despecticrliche Berner- 
kungen unseres etwas hunrischen Hofgclehrten zu ncluticn sind, darttber liisst uns cin tieferes Studium der Ring'scken Advcrsarien 
nicht ini ZweifcL — VgL auch David Fr. Strauss, Kicinc Schriftcn, Bonn 1862, ..Klopstock und dcr Markgraf Kari Friedrich 
von Baden," S. 38. 

*) Von denjenigen Ehrenrailgliedern, weldie bis zum Frflhjahr 1769 aufgcnr*mmcn wurden, sind in den bciden gcdruckten 
BA mien dcr gescUschaftlkhcn Aktcn Verzeichnisse beigefugt. In Betrcfi' dcr spSter erfolgten Auftuihmcn sind wir zunnch»taut Xotizcn 
dcr handachriftlichen Aktcn angcwicscn, welche aber dcr Ehrenmitglieder nur Ejwiihnung zu thun pflegen, insofern diene pcrsdnlich 
in die Verhandlungen eingreifen odcr Schriftstocke von ihnen zum Vortrag kommen. 

Xaberes nber die hier angefohrtcn Persdnlichkcitcn s. u. a. bei: Jocher-Adclung, Strodtmann, Hnmberger-Me tisel, 
Schlichtcgroll, Ersch und Gruber, in der Biographie umvewllr, anciennc ct modcrae, Paris 1 8 1 1 ff. in der Allgcmeincn deut- 
schen Blograptue, Leipzig 1875 ff. Ausscrdcm s. Bougini, Gedanken von den Schulcn nebst cinigen biographUchen Xachrichten 
fiir die Jubelfcier unserer Furstenschule. (In den Abhandl ungen bei der Jubclfeicr dcr Kailsruher Furstenschule wegen ihrer vor 
zweihundert Jahren, 1586, zu Durlach gescbchenen Stiftung, Durlacb 1787.) Gradmann, das gelehrte Schwabeu, Ravensburg 1772. 
Weycnnann, Xachrichten von Gclchrten etc. aus Uhn, Ulm 1798. 


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ernannt worden. Im Hcrbst i764erfolgte dann seine Berufung nach Karlsruhe. So hangt es mit 
Tittels mehtjahrigem Aufenthalt ira Saale-Athen wo hi teilweise zusammen, dass eine ganze Reihe 
von Gelehrten, welche bereits an der dortigen lateinischen Gesellschaft beteiligt waren Oder sonst 
zur Universitiit Jena in naherer Beziehung standen, unter den fruhesten Ehrenmitgliedern seiner 
Societat in Karlsruhe erscheinen. 

Die Universitiit Gottingen war vertreten durch die geachteten Namen eines Heyne, Beck- 
mann, Kacstner und Hamberger. Auch aus Helmstedt. Leipzig, Giessen, Tubingen und Erlangen 
hatten sich bedeutende Lehrkrafte der Verbindung angeschlossen. 

Mehrere Gelehrte. welche bereits als Magister cooptiert worden waren, darunter Gel lores 
kunftigen Nachfolger, Johann Georg Eck, ubergehe ich und nenne jetzt aus der Zahl der dem 
Vereine angehorenden Schulmanner Johann Peter Miller, den vorziiglichen Leiter des Gymnasiums 
zu Ulm, bekannt durch die seiner Zeit hochgeschatzten Berliner Ausgaben von romischen Klassikem, 
und den Stuttgarter Professor und Poeta laureatus Balthasar Haug, dessen Name im Jahr 1771 
auf sein eigenes Verlangen hin ins Album der Societat eingetragen wurde. 

Am 3. Dezerilber 1775 erhielt durch Vermittelung von Serenissimus selbst der Historiker 
Andreas Grandidier aus Strassburg das Ehrenburgerrecht „im neuen Latium“. Infolge eines 
empfehlenden Schreibens von Grandidier ubersandte die Gesellschaft am 9. Mai 1777 einem fran- 
zosischen Artillerieoberst du Moustier de la fond das Diplom. Am to. Juni 1797 entsprach sie dem 
VVunsche des Grafen von Vargas aus Siena, ihr beitreten zu diirfen, durch seine Emennung zum 
Ehrenmitglied. Derselbe empfahl im folgenden Jahre der Verbindung die gelehrte Florentinerin 
P'ortunata Sulger Fantastici. Von dieser, einem Mitglied der ehemals so beruhmten Arkadier- 
Akademie in Rom, trafen am to. Juni 1797 Proben ihrer italienischen Poesien ein. worauf alsbald 
die Aufnahme erfolgte. Zwanzig Jahre vorher hatte das romische Hirten-Institut unserc Frau 
Markgriifin, Karl Friedrichs ungewolmlich begabte Gemahlin Karoline Luise, als Cleonice von Delas 
feicrlich unter ihre Mitglieder aufgenommen. *) 

Von Karlsruher Ehrenmitgliedern wurde der Societat zuweilen ein Besuch abgestattet, sei 
cs, dass dieselben bei den gesellschaftlichen Zusammenkunften nur als Zuhorer erschienen oder 
selbst als Redner auftraten. Die Socii honorarii, welche nicht am Orte wohnten, trugen in lateinischen 
Briefen oder durch wissenschaftliche Arbeiten, die sie einsandten und die dann vom zweiten 
Schriftiuhrer der Gesellschaft mitgeteilt wurden, zur Ermunterung der aufstrebenden Jugend das 
Ihrige bei. Die jungen Leute unterhielten ihrerseits durch ihren Sckretar den schriftlichen Verkehr 
mit den auswSrtigen Gelehrten, und den mit Tod abgegangenen Ehrenmitgliedern wurde ein 
Nckrolog gehalten oder auch ein poetischerNachruf gewidmet. 

Die Elegie auf den Tod von Klotz mag hier eine Stelle finden. Sie wurde auf dem Convent 
vom 21. M&rz 1772 von Christian Gottfried Petersolin, dem gewandten Poeten des Kreises, vor- 
getragen und lautet in ihrem Hauptcile: ’) 

Et vos qui colitis cuncti linguamque latinam, 

Queis hac nil unquam carius esse potest: 

Ilanc colitis merito doctrinae ac artis amici, 

Sola haec illius fons et origo manct. 

Hoc est omnino clavis, quae cuncta recludit, 

Haec est doctrinae nobilis atque parens. 

r l Vgl. Adunanra Tcnuta Dagli Ar.adi P« 1 ‘ Ardarnaziont di S. A. S. Carolina Luisa Margravia Regnantc Di Baden 
Baden c Baden Durlach, Rom 1776. 

2 ) Das Folgende isi «l«m zwriten Qoartband der handschriftlicbcn Aktcn (coll. I^rotokollbuch Bda I, S. 1 14) enlnomtnen. 


O vos cultores huius iam funditc fletus, 
Ausoniae linguae iam cadit ille pater. 

Klozius ille perit, moestis nunc auribus illud 
Audite attoniti, Klozius ille perit. 


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Et vos qui bellas et cultas discitis artes, 

Queis his nil unquam gratius esse potest: 

Qui donum praestans naturae creditis esse 
Et quoque perpetuo qui celebratis eas. 

Quod monstrant splendor qui sit virtutis honestae, 
In vitiis quantum dedccus esse simul. 

Non secus ae rutili solis eircumvagus aestus 
Et vogetat terras et quoque cuncta fovet, 

Cuncta hoc sic etiam donum foecundat ubique 
Oblectat vulgus procreat atque viros. 

Flcte simul cuncti qui iam coluistis easdcm, 
Illarum cecidit conspicuumque caput. 

Klozius ille perrit, bellae fuit artis amator 
Inque ilia semper culmina summa tenet. 

Ipsius ingenium metuunt mirabile multi, 

Qui libros viles scribere saepc solent. 

Pectora cingobat semper constantia mira, 

Cum qua consuevit spemere cuncta simul. 

Ipsi quas digno tribuit natura benigna, 

Hits miras dotes amplificare cupit. 

Nunquam desidia corruptus nil et agendo, 

Est quod pulvinar fons et origo mali. 


Artibus ingenuis servivit nocte dieque, 

Quarum postremo gloria finis erit. 

Xonque gulac servus fuerat, qua sensus hebescit. 
Qua mens brutescit, bestia qua fit homo. 

Servavit semper divina modestia vitam, 

Perversi mores, abfuit asperitas. 

Mentis acumen erat connexum rebus agendis 
Ingenu mira dexteritate valens. 

Virtutes odium consuescunt gignere saepe, 

Est quoque doctrinae nobilis ira comes. 

Hinc illud vitium rebus commune secundis 
Invidia est tristis facta secuta sua. 

Sed verbis vexent, addant convicia factis 
Et dicant hostes aspera verba sui. 

Attamen insignes dotes, doctrina stupenda 
Ipsi erat ac omni comtus honore fuit. 

Ipsum devoveant hostes ac diva prece.itur, 
Dicant: is sprevit iussa verenda Dei, 

Impius ille fuit, fuerat contemtor et aequi, 

Ipsi turpis erat religionis amor. 

Attamen admiror verum pietatis amorem, 
Iustitiae semper minis amator er.it. 

Ut decet ac ilium qui Christi nuraen adorat, 
Perplandae morti Klozius occubuit. 


In der Ueberzeugung, dass eine so gute Einrichtung durch furstliche Autoritat geschiitzt werden 
miisse, gestattetc der Markgral wahrend der Weihnachtsferien 1766,67 dem Erbprinzen Karl 
Ludwig, dem Wunsch der Gesellschaft zu willfahren und sich zu ihrem Protektor zu erklaren. ') 

August Johann Freiherr von Hahn, der seit 1764 mit der Leitung des Erziehungswesens 
im Badischen betraut war und diesen einflussreichen Posten mit grossem Gcschick und hingebendeni 
Eifer fast ein Vierteljahrhunden lang verwaltet hat, iibcmahm im Februar des Jahres 1767 das 
Presidium der Societat. *) 

Der 18. Februar 1767 war der Tag der feierlichen Einweihung, welche der Direktor der 
Gesellschaft durch ein Programm „de imperantiuin nominibus a fati opinione liberandis“ angekiindigt 
hatte. Vor einer hdchst ansehnlichen und zahlreichen Versammlung erdflfhete Tittel dieso Handlung 
mit einem Panegyricus auf den Erbprinzen, wozu dessen kurz zuvor eintretendes Geburtsfest noch 
besondem Anlass gab. Geheime Hofrat Ring erziihlte sodann in einer ansprechenden lateinischen 
Rode die merkwurdigsten Lebensumstande des Herrn Schopflin und wiinschte darin seinem ehe- 
maligen Strassburger Lelirer nestorische Jahre. Der Rektor Sachs brachte hierauf in heroischen 
Versen nicht ohne Originalitat die Gluckwiinsche des Gymnasiums dem Princeps iuventutls dar, 
und Magister Bruns — der nachmalige Helmstedter-IIallenser Professor — las ein Elogium unseres 


*) Den unvorges -.lichen Eindruck, welchen seine Attdieoi bcl Karl Friedrich bei ihm bin ter Lassen hat, schildcrt Tittel in 
dt?n gcdrucktcn Aktcn, Bd. I., S. 40. 

*) Dps PribiUlrntrn v. Hahn ausserordentliche Yerdicnstc um das Karlsruher Gymnasium sind cingehend belundeU in: 
„Dcm verewigten Job. Aug. Freihcrrn v. Hahn etc. Im Xaiucn der Karlsruher Furstenschule, die er boch&trte, vom Ephorus 
Freihcrrn v. Drais“, Durlach 1788. (Vgl. Misccllen der Karlsruher llofbibliolhek, Folio-Bund XI., No. 19.) Siehe auch Gerst- 
lacbcrs Sammlung allot Badcn*DurlachiftChcn An«uli<*n und Vcrordmingen, 3 Bdc. Karlsruhe 1773 — 1774, Bd. I, besonders Vor* 
rede S. 14 und 2. Kapitel „Von der Vorsorge vor die Wissenschaft and Erzichung der Jugend.“ 


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beruhmten Landsmannes Johannes Reuchlin ab. Mit cinigen historischen Xotizen und Verlesung 
der samtlichen Mitglieder der Gesellschaft beschloss der zweite Sekretar den ganzen Akt.‘) 

In iihnlicher Weise wurde dieses Doppelfest, sowie der Geburtstag Karl Friedrichs, der auf 
den 22 . November fiel, die niichsten Jahre hindurch von der Gesellschaft festlich begangcn, bis 
ein Dekret des Landesherm die Schulfeiem der Geburtsleste im furstlichen Hause aufhob. *) 

Um von den Bemiihungen der ni;uen lateinischen Societat etwas in die Oeffentlichkeit zu 
geben, vereinigte Tittel die am Stiftungsfeste gehaltenen Vortrage nebst seiner Einladungssehrift 
zu einem ersten Bande Acta Societatis Latinac Marchico-Badensis, dessen Druck die 
Lotter'schc Buchhandlung in Karlsruhe besorgte. 

Als diese Inaugurationsschriften eine giinstige Aufnahme in der gelehrten Welt gefnnden 
hatttn, Hess er 1 ytnj cinen zweiten Band von ActLs folgen. Derselbe erschicn bei Cotta in Tubingen 
und enthalt ausser verschiedenen Reden, welche der Direktor aus festlichen Anlassen fur die 
Gesellschaft niedergesehriebcn hatte, auch Abhandlungen, welche von auswartigen ilitgliedern ihr 
zugeschickt worden waren, so von dem riihmlich bekannten Historiker Andreas Lame y aus Mannheim 
und dent Aegvptologen Samuel von Schmidt zu Rossan, der damals als badischer Legationsrat 
und Resident in Frankfurt a. M. fungierte. — Ein dritter Band unterblieb. 

Unsere Gesellschaft hat somit zur Ausbreitung der Gelehrsamkeit nach aussen hin nicht 
viol beigetragen, aber trotzdem herrschte in ihr selbst fort und fort ein reges litterarisches Leben. *) 

Die gewohnlichen Versammlungen warden wochentlich jeden Sonnabend Nachmittag unter 
dem Vorsitz des Direktors in dem ordentlichen Horsale abgehalten. Der erste Sitzungstag war 
der 8. November 1766. Im Ganzen kam man fiber 8oomal zusammen. 

Die Verhandlungen der Gesellschaft warden in keiner andern als in der lateinischen Sprache 
geffihrt. 

Den belebtesten Teil der Unterhaltungen machten die Quaestiones aus, welche vom Direktor 
gestellt und dann entweder ex tempore oder erst nach hauslicher Vorbereitung von der Corona 
erortert wurden. Zum Beschluss der Debatten gab der Direktor ein Resume der von den Einzelnen 
vorgdbrachten Meinungcn und liess dabei seine eigene Ansicht fiber den Gegenstand mit einfliessen. 

Zur Erhohung der Aufmerksamkeit suchte man bei diesen Uebungen mitunter die Preis- 
fragen berfihmtcr Akademien der Wissenschaftcn zu benfitzen. Um eine Kritik der von den 
neuern Autoren vorgetragenen Ansichten zu veranlassen, wurden die Fragen von Zeit zu Zeit 
ausdrficklich zu litterarischen Erscheinungen der Gegenwart in Beziehung gesetzt. 

Eine Hauptrolle bei den Quaestiones spielten Erorterungen fiber die Bestimmung des 
Menschen, fiber die rechte Art, wie man die Welt und das Leben nehmen und darin sich bewegen 
mfisse, fiber die Bildung des Verstandes und des Herzens, fiber die Unsterblichkeit der Seele und 
das unerschopfliche Thema der Glfickseligkeit. Ebenso behandelte unsere Gesellschaft in ihrer 
Zeit vielbesprochene Themata, wenn sie den Wert des Nachruhms, den Nutzen der Schaubuhne, 
die Aufgabe der Geschichtsschreibung, die Vorteile des Stadt- und Landlebens, die Vorzfige und 

*) Dieser Abschnitt ist im wesentliehen aus cincr handschriftlichen Relation Tittels geschdpfL 

*) Ucbcr da* Folgendc s. das Niiliere in den beiden gedruckten BiiiuU-n der SocietiUakien. Wir verglichcn noch das 
l’rotokollbuch der Gesellschaft und die QuartmbceUen der grouh. Hof- und Landesbibliotbck. — Recensionen der Acta soc. lot, 
march. Bad. linden sich u. a. in <lcn GdttingUchen Anzeigcn, auf das Jahr 1767, Bd. 11 , S. 715 und auf 1770, Bd. I, S. 372, in 
den Lcipziger Neuen Zeitungen von gelehrten Sachcn auf 1767, Tcil 1 ., S. 557 und in „Ephemeridcs litcrariae Helmstadien.**es 4, » 
Bd. L, 1770, S. 166. 

*) FOr das Folgende si ml die *chon mehrfach citicrten handschriftlichen Aktcn der Gesellschaft benfitzt worden. Diese 
M*Uen sich zusammen aus mi grosseren QuartbAnden, in denen der Inhalt der Verhandlungen protokolliert ist; se-ebs klcineren 
Quartan ten, welche die Abschriften der besten VortrSge enthalten, und einer Relation Tittels fiber scin Institut, die allcm Anschein 
nach in die Mittc der Sicbriger Jahre fallt. 


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die Gefahren der Einsamkeit, die Anordnung der Lekture, den moglicherweise schlimmen Einfluss 
der Wissensehaft auf die Moral des Menschen u. s. w. naher untersuchte. 

Wahrend Untersuchungen dieser Art ganz im Geist der datnaLs verbreiteten Glfickseligkeits- 
und Xfitzliehkeitstheorie angestellt wurden, welche als hochstes Ideal der Bildung die sogenannte 
schone Individuality erscheinen liess, traten unsere jungen Leute in andem Erorterungen, wie fiber 
das Wcsen des Patriotismus, die Quellen der Vaterlandsliebe u. s. w., fur Dahingabe an das Ganze, 
nicht den blossen Kultus des eigenen Ich mit beredter Warme ein. 

Andere Male schenkte man den Verhaltnissen im engem Heimatland eine besondere Auf- 
merksamkeit. Die Reform der Kriminaljustiz in Baden regte z. B. folgende Fragen an : Wie muss 
man denen begegnen, welche die Todesstrafe angreifen? Von wem hat der Ffirst das Recht fiber 
Leben und Tod seiner Unterthanen erhalten? Bei diesen und ahnlichen in das Naturreeht ein- 
schlagigen Quaestiones wurden ztigleich Montesquieus politische Schriften in Betracht gezogen 
und das berfihmte Buch „Von den Verbrechen und Strafen" jenes Marquis de Beccaria, von dem 
Pfeffel sang: Fur Menschenrecht hat or mit Kraft Und mit Gefuhl geschrieben; Die Galgen hat 
er abgeschafft. Die Schwcngel sind geblieben. 1 ) 

Mitten im Hauptstrom der geistigen Bewegung ihres Jahrhunderts steht die Gesellschaft, 
indem sie die Aufklarung, den Skepticismus, Rationalismus, Philanthropismus, das Recensententum, 
die litterarische Massenproduktion u. s. w. des vorigen Sakulums ins Bereich ihrer Betrachtung zieht. 

In die Zeitcn der alten Scholastik scheint sie zuruckversetzt zu sein, wenn sie Bibelstellen erklart, 
die Theorie der Redekunst erlautert oder den alten Klassikem entnommene Fragen ventiliert. Zu den 
letztem boten den meisten Stoff der gedankenschwere Tacitus und vor allem der jfingere Plinius, in 
dessen Reflexionen sich ein dem modernen so nahe verwandter Zeitgeist am getreuesten widerspiegelt. 

Waren bei der eben beschriebenen Art der gesellsehaftlichen Colloeutiones alle Mitglieder 
in gleicher Weise beteiligt, so hatten an den Controversen in der Regel zwei von ihnen einen 
hervorragenden Anted. Wenn diese die Thesis und Antithesis verteidigt hatten, wurde die Sache 
von den Uebrigen noch einmal nach beiden Seiten hin envogen. FUr wesson Behauptung zuletzt 
sich die Mehrzahl entschied, der blicb Sieger. Da aber gerade bei dieser Uebung es ganz bcsbnders 
auf eine gewandte Darstellung abgcsehen war. wurde mitunter auch dem thatsitchlich Unterlegenen 
„ob orationls nitorem“ wcnigstens der Preis zuerkannt. Der Abwechselung wegen musste dann 
und wann Einer fiber ein selbstgewahltes Thema sich aussprechen und darauf die Anwesenden um 
Zustimmung oder Belehrung bitten ; oder es fiel einem Dritten die Aufgabe zu , in Vertretung der 
Uebrigen zwischen den beiden Parteien zu vermitteln. 

In der ersten Zeit lieferte die Geschichte der romischen Republik den grfissten Toil des 
DisputierstofFes. Man stritt sich fiber die Verdienste eines Romulus und Xuma, fiber die Gerechtigkeit 
des Sabinerkrieges , das Recht des Horatiers -zum .Schwestermord , das ROhmliche am Tod des 
Tiberius Gracchus, die Erfolge des Sulla, die Vorzfige eines Cato und eines Regulus u. s. w. 

Dann wurden philosophische Thcmata gewahlt, wobei die aus der praktischen Philosophic ent- 
lehnten uberwogen. Uierzu bildeten die philosophischen Schriften Ciceros Ofters den Ausgangspunkt. 
Tullius selhst wird wiederholt in den Vortragen der Gesellschaft als ein grosser Philosoph gepriesen. 

*) So hat getriss Karl Friedrichs Schulrefurm a. B. die Fragc vcranjasst! ,,Quam vcrc ab aliquibus statutum sit, cuir|uc 
provincial! bonum cssc su.im habere academism ?** Denn im Ztuammcnbang mil jener war das alte Prnjekt tviericr aufgetaucht and 
nnmrntlich mr Zeit des *dcbcnjahrigcn Krieges stark davon die Kcile gewesen, in der Badcn-Dnrlachischen Kcsidcnz cine Hoch- 
schulc cinzurichtcn. — Von den der badischen Regierung hierzu gemaebtrn Vorschlagen liaben zwei ein bcsondcres Inleresse, 
ntunlich : der von Wieland 1756 eingercichte ..Plan einer Akadcmie der schbnen und niinliclien Wisscnschaften zu Bildung des 
Vctstandes und Herzens jungcr Leute** und Pfeffcls ..Vorvchlag rur Krrichtung einer freien UniversilSt in der Rcsidenzstadl Karls- 
ruhe’* aus dem Jahre 1761. Das Wielandische Manuscript enthalt eine alterc, vidleicht die ursprtlnglichc Fassung des 1758 vom 
Dichter durch den Druck verbifcntJiehtcn , .Planes einer Akailemie zn Bildung des Vcrstandes und Herzens juugcr Leute**. Hier- 
liber soil an einem andem Ort demnaebst cingchender beriehtet werden. 


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Spater kehrte roan wieder zur Histone zurflck und behandelte namentlich das deutsche 
Altertum. Ob die alten Germanen durch Tugenden Oder Laster sich auszeichneten, ob auf die 
modemen Deutschen die guten und schlimmen Eigenschaften ihrer Vorfahren iibergegangen sind? 
waren Ofters aufgeworfcnc Streitfragen. 

Zulctzt vcnveiltc man am licbsten bei der eigenen Zcit. Im Hinblick auf sie wurden u. a. 
(iber die Zutriglichkeit der unbeschrankten Eflrstenmacht , die Notwendigkeit der Glcichheit und 
Freiheit der Bilrger, die Abschaffung der Tortur bei den Gerichten, die Bestrafung dcs Kinds- 
mordes, die Unwiirdigkeit dcs Vemunfthasses, die Verderblichkeit einer allzugrossen Denkfreiheit etc. 
entgegengesctzte Meinungcn aufgestellt und verteidigt. 

Damit nun aber die jungen I-eute mit den Alten selbst und dem ..Romanus Sermo" noth 
vertrauter wurden, empfahl ihnen der Direktor folgende Uebung. Sic sollten die guten Autoren 
wieder einmal vomehmcn, und was bei der LcktUrc derselben ihnen bemerkenswert erschienen 
wire, in der Sitzung ..concinno et solution orationis genere" zum Vortrag bringen. 

Aus bcreits grtindlich tTaktierten Schriftstellem, wie Cornelius Nepos, Justinus, Plinius und 
Quintilian, legte Tittel zu dem Ende eine lange Reihc von besonders bedeutsamen Abschnitten vor. 

Je nach der Art des Gegenstandes ward von dem Excerptor eine anderc Form der Dar- 
stellung gcfordert. 

Aus der mannigfaltigen Natur dieser Excerpten ergaben sich mit der Zeit filr die Gesellschaft 
zwei gesonderte neue Gattungen der Beschaftigung, die Commcntatio und die Narratio. 

Das eine Mai wurden ausgesuchte, geistvolle Stellen aus den klassischen Schriftstellem 
kommentirt, der Inhalt derselben, „das Starke und SchOne darinnen, das Erhabene Oder Naive" 
aus einander gesetzt und anschaulich dargestellt. Das andere Mai kamen interessante StUcke der 
alten, besonders der rflmischen (ieschichte, die Lebensumstande und Thaten grosser Manner des 
Altrrtums „in kurzen und kemichten Auszflgen" und „freien Erzahlungen" zum Vortrag. 

Die Commentationen lehnten sich vomehmlich an Cicero und an Horaz an, deren appetitliches 
Philosophien-Allerlei bei den AnhSngern der euditmonistischen Lebensanschauung in hoher Ehre 
stand. Aber auch originelle Einfalle von Plautus, sprichwOrtliche Citate aus Terenz, Gemeinplatze 
eines Sallust, sinnreiche Verse von Virgil und Ovid. I-ebensregeln des Stoikers Seneca, empfindsame 
Worte des weichherzigen Plinius, wie Krafhvorte Juvenals, prftgnante Dicta des Tacitus, beruhmte 
Stellen aus Quintilian und andem Klassikem fanden bei dieser Uebungsart die reichstc Vcrwendung. 

Den Narrationen dagegen liegen vorzflglich die lateinischen Historiker, aber auch Plutarchs 
Biographien zu Grunde. 

Hunderte von Citaten aus der lateinischen Prosa und Poesie, darunter viele, welche den 
klassisch Gebildeten unserer Zeit im fremdon Idiom gelSufig sind oder schon im Altertum gefliigelte 
Worte waren, wurden von den Mitglicdcm unserer Gesellschaft in den Kommcntationen naher 
beleuchtet. 

Die moisten erlauterten Sentenzen betreffen das Moralsystem, mit dessen ErklArung Tittel 
auch in seinen Vorlesungen eine EinfUhrung seiner Schfller in die alte I.itteratur zu verbinden 
pflegte. Durch eine solche Verknilpfung des Studiums der Alten und eines modemen wissen- 
schaftlichen Unterrichts konnte nach seiner Ansicht auf das beste jener damals noch neuen Forderung 
tQchtiger P&dagogen genilgt werden, bei der Behandlung der litterarischen Denkmiller des klassischen 
Altertums noch mehr als die Form, den Inhalt derselben ins Auge zu fassen. *) 

Aber nicht nur Autorenstellen , sondem auch historischc Aussprtlchc , d. h. geistreiche 
Aeussemngen hervorragender Griechen und Romer , die uns in der alten Litteratur aufbewahrt 
sind, wurden zu den Kommcntationen herangezogen. 


•) Vgl. Title!, Erlaulentngtn tier tbeorctischen und prakli«chen Philowiphie, Moral, 1786 (1791), Vorwort „Ueber die 
beste Art, den Geist der Alten fruchtbar tt» verbreiten," 


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Auch lateinische Bikta , die erst im Mittelalter entstanden sind, odor deren Ursprung sich 
urkundlich nicht belegen lasst, liefen mit unter. Man griff wohl auch einmal in die neuefe l.ittc- 
ratur herilber und kommentierte u. a. ausgewahlte Sentenzen aus Popes Werkon. 

Solche Uebergriffe geschahen bci den Narrationes in grossercm Masse und mit mehr Absicht. 
Schon sehr bald wurde hier neben dem Altertum das Mittelalter oder die Neuzeit behandelt. 

Wic die deutsche Geschichte ward die franzOsische, englische, portugiesische, niederlandische, 
schwedische u. s. w., in iliren inhaltreichsten Teilen von Anfang an bis auf die Gegenwart herab 
dargestellt. Mit den Lebensbildern unserer heldenhaften deutschen Kaiser, mit Schilderungen der 
Thaten eines Henri IV., Gustav Adolf, Wallenstein, Prinz Eugen, Ludwig von Baden, Karl XII. u. s. w. 
wcchselten Charakteristiken unserer grosscn Glaubenshelden , vor alien von Luther, und hervor- 
ragender Papste. 

Dazwischen tvarf man einen Blick in das Leben zeitgenOssischer Philosophen, Dichtcr und 
Kilnstler, besprach mit Interesse die glanzenden Erfolge von Benjamin Franklin und horte gem 
etwas von den Schicksalen des abenteuerlichen Prinzen Heraclius, des unglucklichen Grafen Olavides 
und des berilhmten Cartouche. Besondcrs beliebt wurden mit der Zeit artigc Anekdotcn von Friedrich 
dem Grossen, DenkwOrdigkeiten aus dem Leben Bonapartes, beachtenswerte Zuge von Joseph II., 
interessante Erzahlungen Qber die Sclbstherrscherin aller Reussen. 

So strebte man mehr und mehr dahin, in diesem Teil der Verhandlungen sich durch allerhand 
ridicule, curiose, miraculose llistorien zu uhterhalten, Wer im elegantesten Latein die andern am 
moisten lachen oder staunen machen konnte, der gait schliesslich fur den besten Narrator. Uin 
ettvas recht Amusantes der Gesellschaft auftischen zu konnen, wurde ofters der pikante Klatsch 
Kotzebues oder Lichtenbergs unubertreffliche Laune von dem Vortragenden geplundert. 

Ausschliesslich mit der Gegenwart hatte sich die Gesellschaft bei einer weitem Cbung zu 
beschiifiigen. In dieser wurden „aus offentlichen Nachrichten, Anzcigen und Beurteilungen neuer 
Schriften kurze Relationen gcliefert". Eine besonders lohnende Aufgabe war es fur den Refe- 
renten, wichtige dffentliche Aktcnstucke, Reden, Proklamationen u. s. w. bei seiner Arbeit in 
gutes Latein zu iibertragen. 

Xachdem der politische Wochcnbericht eine geraume Zeit lang aufgehort hatte, kam er in 
der Mitte der siebziger Jahre wieder zum Vorschein, trat von da an immer starker in den Vorder- 
grund, bis er endlich die wOchcntliche Btlchcrschau ganz verdrangte. 

V'on fremden Joumalen wurden anfangs lateinisch geschriebene Leipziger Zeitungen, wohl 
die „Xova acta eruditorum", benutzt und seit 1772 die Ephemerides literariae Helmstadienses. 
Spiiter liess die Gesellschaft es im ganzen bei den Blattem bewenden, welclie „hic loci*' aus- 
gegeben worden. Der Direktor selbst referierte Ofters aus franzosischen Nouvelles. 

Die Relatio und ein anderer \ : ortrag, zu dem wir sogleich kommen werden, die Oratio, 
waren integrierende Bestandteile der gesellschaftlichen Verhandlungen, wahrend die tlbrigen nur 
zeitweilig in Aufnahme waren. 

Neben den beiden stehenden Uebungen hattcn sich in den ersten Jahren jene Quaestiones und 
Controversiae ahgelost. An die Stelle dieser traten dann die Excerpte. aus denen in der Mitte der 
7oer Jahre die Commentationes und die Narrationes hervorgiengen. I'nd da um dieselbe Zeit die 
aufgegebenen Disputadonen wieder eingefflhrt wurden und auch die Relatio ihre alte Vollstandigkeit 
wieder erhiclt, so muss diese Periode als die BlQtezeit unserer Societat bezeichnet werden. 

Ende der 7oor Jahre verschwinden die Kontroversen wieder, diesmal auf immer, die Ou.istionen 
kommen nur noch hie und da vor, und die flbrigen Beschaftigungen werden allmahlich so mit 
einander verbunden, dass in der Regel die Oratio den Anfang macht, die Commentatio und Narratio 
folgen und die Relatio den Schluss bildet. Sobald dieser bcstc „Ordo Collocutionum" gefunden 


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ist, wird das Leben in dcr Gesellschaft mehr ziim Geschaft. Zu dcm glficklich errungenen Schema 
fur die F'olge der Unterhaltungen gesellt sich mit den Jahren unwillkfirlich auch eine gewisse 
Schablone far den Inhalt der einzelnen Vortrage. 

Ueber die eigentlichen Reden kann ich — obwohl ihrer circa tausend sind — nach dcm 
Vorausgegangenen kurz sein. 

Von der zu haltenden Oratio musste die ganze Oekonomie in der vorhergehenden Versammlung 
vorgelegt werden, ..damit die jungen Talente schon frahzeitig bei jeder Art dcs Vortrags an die 
nOtige Uebersicht des Ganzen, an einen richtigen Gang der Gedanken imd eine schicklichd Ver- 
bindung und Anordnung der Ilauptmomente sich gewohnten". Die Oratio sclbst wurde, so wie die 
Commentatio, nur ausnahmsweise auswendig gesprochen. Wenn die Vorlesung geendigt, durchlief sie 
die Censur der samnitlichen anivesenden Mitglieder. Die Kritiksollte zutreffend, aber bescheiden sein. 

Was den Gesammtinhalt dieser Vorlesungen betrifft, so umfasst dersclbe alles, was in der 
Societat irgendwie zur Sprache kommen konnte. llaufig wurde das, worQber bereits in einer 
andem Form gchandelt worden war, in der Oratio ausfuhrlichcr und abschliessend wiedergegeben. 

Oefters hatte der Orator die Aufgabe, fiber das, was or im Kolleg bei Tittel gehort hatte, in 
selbstandigem Vortrag mit eigenen Erganzungen sich auszusprechen. Freilich sind solche Aus- 
fuhrungen, wie eine Vergleichung der einzelnen Vortrage mit Tittels Lehrbfichem ergiebt, oft 
nichts writer als frcie Uebersetzungen des Kollegienheftes oder des Kompendiums selbst gewesen. 

Wahrend die Themata aus der Philosophic in den beiden ersten Jahrzehnten bei weitem 
vorherrschcn , treten namentlich gegen des Ende des Jahrhunderts ganz andere Vortragsstoffe 
ungleich zahlreicher auf. Reden uber die Segnungen des Friedens und die Schrecken dcs Krieges, 
Abhandlungen fiber die Pflichten des guten Bfirgers und den Fluch des Aufruhrs folgen aufeinander. 
Insonderheit sucht man in emst anregender Rede „uber das Unvermogen der Schriftsteller, 
Emporungen zu bewirken", die damals gegen die Philosophic oft wiederholte Beschuldigung, dass 
sie zur Revolution treibe, nach Kraften zu widerlegen. *) 

Von einer erfreulichen Emporhebung des Nationalstolzes zeugt eine Anzahl von Reden, in 
denen Deutsch lands Lob verkfindet wird. Aus solchen nur einige Details! Am 19. Mai 1798 hatte 
v. Liebenstein begcistert die Sittenreinhcit und Ruhmesthaten der alten Dcutschen geschildert 
und wollte nun zeigen, dass auch jetzt noch unscr deutsches Vaterland vor alien andem Landem 
sich auszeichne. Da verherrlicht er zunachst F'ricdrich den Grossen als „den Heros“ von Deutsch- 
land. Nachdem er dann u. a. an dem Glanz und der Menge der Hofe, wie an der Heeresmacht 
der Staaten dargethan, dass Germania nicht nur an Tapferkeit, sondem auch „ad quaeque perferenda" 
an machtvollen Mitteln einen reichen Schatz besitze, fahrt er fort: Sed multo illustrissime liberalium 
quarumcunque scientiarum cultu et doctrinae cuiuslibet gravis utilisque studio gentibus pracstare, 
quin, ut ita dicam, praevolarc Germaniam, omnibus compertum esse opinor. Diva enim Calliope, ut 
a liberalissima omnium arte exordiar, jucundissimam et dulcissimam sedem sibi Teutoniam elegit, 
complures quippe gcrmanos poetas sinui suo benigno adhaerentes fovisse et nutrivisse, celsumque 
istud ingenium et verum decori sensum, quem Graecis longe omnes superantibus indiderat, illis 
inspirasse videtur. Nullus sane populus tarn egregiis divinosque Graecos tarn prope accedentibus 
gloriatur poetis, quam Germani illi habentur, Klopstokius atque Wielandius, Schillerusque. 

Nec graviores et seriae Germaniam perosae fugiunt Musae, sed latae nobis intersunt, libenter 
nobiscum versantur, et beata dona copiosissime nobis largiundo Germanos ante omnes nationes 
illustrant. Nunquam enim inter peregrinas gentes nascebantur Philosophi ac Mathematici, Germanis 
illis Wolfio et Leibnizio, Federo ac Ilerdero Kantioque, Eulero Kaestneroque et in 


*) Die Schiiler • Kedcn , aus ilcncn wir im foigeudcn Exccrpte mittcilcn. stchen im 4^ 5. und 6. Band der handscbxift- 
Hchen Akten. 


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numeris aliis praeclariores; nullus derm j ue populus religione gaudet tam pura, vera et rationi sanae 
tam consentanea, quam nostram Theolugiam fecere Semlerus, Spaldingius Griesbachiusque. 

In einer andern Rede, welch e Deutschlands Vorziige preist, wird u. a. auch unserer Kultur- 
aufgabe gedacht: Scripta et populares nostri Kussiam eaeterasque regiones septentrionales moribus 
atque doctrina collustraverunt, et tbrsan in nostris diebus Germania magistra atque exemplum 
ab iis nationibus assumeretur, a quibus usque adhuc didicimus, nisi sermo noster tam difficilis et 
cum illo sermone, quo caetere populi a Romanis victi utuntur, non tam parum cognatus esset. 

Auch unsere Schattenseiten vehschweigen die jungen Redner nicht. So wird z. B. in einer 
Rede „de praeiudiciis" aus dem Jahre 1804 u. a. die Vorliebc der Dcutschen am Fremden, namentlich 
das Lateinsprechen der Gelehrten und das FranzOsischreden der vomehmen Welt, auf solche Vor- 
urteile zuruckgefUhrt. 

Wahrend in mannigfachen Redewendungen der Eindruck des lasterhaften Lcbenswandels der 
damaligen Kiirsten deutlich zu versptrren ist, wird andrerseits eine neucrdings eingetretene Besserung 
in diescm Punkte anerkannt: Praeterivit, ruft einer am 6. November 1783 aus, praeterivit, inquam, 
triste illud tempus, quo plerique principes vitam vilibus conterebant rebus, quo litteras minime duce- 
bant, et quo earum studiosos vcxabant. Jam nunc intelligunt, se auxiliantibus tantum scicntiis 
felices sapientioresquc evadcre posse; iam nunc intelligunt, ex his tantummodo se discere posse quo- 
modo salutem civium augere possint; iam nunc intelligunt, nihil esse incundius, nihil utilius. nihil 
denique principe dignius, quam earum cultum. 

Der junge Posselt liess sich am ib.Januar 1779 „Qber das GlQck seines Zeitalters" u. a. 
also vemehmen: 

Adest tandem beatum illud tempus, quo-quam felici connubio sentiendi diccndique libertas 
cum veritatis studio conjungi queat, pcrspicitur. Non privatae possessionis instar literarum secreta 
sub sancti silentii Sacramento traduntur, sed omnibus liberalitcr acqualique cedunt jure. Quicquid 
unquam in religionis cogitatum est detrectationem , ingenue promi licet, ut sive extirpari possint, 
qui adhuc supersunt erroros, seu veritas contra calumniantium ingenia fictasque omnium insidias 
se ipsa defendat. 

Jam vero Philosophia, vitae ilia dux, ut egregie Tullius inquit, virtutis indagatrix, expul- 
trix scelenim, qua non prius quidquam consequendae felieitati potest cogitari neque adcommo- 
datius, quantis decoribus aucta! quam mirum in modum ex subtilitatis umbratilis siccitate amplissimo 
reddita atque laetissimo campo! ut quae prius foeda erat et deformis anus, illam mihi nunc augusta 
et humana maiori specie intueri videar, splendido Gratiarum dulciumque Pindi puellarum comitatu 
omatam, tantasque spirantem Veneres ut, qui non victum se ad illam trahi sentiat, omni euni pulch- 
ritudinis gustu carere necessc sit. 

Satis hoc superque ingens Philosophorum proventus docet, quos quae Sapientiae praeest Dea, 
in splendorcm actatis nostrae nasci voluit, Ecquis cnim Mendelsohnios ignoraret, Bonnettios, 
Basedovios, Kaestneros, Sulzeros, Kantios, atque ilium etiam quern mors praematura et 
luctuosissima haud ita pridem extinxit, Lambertium, qui iis omamentis quae Musae praebent ac 
ista elegantia, quam eaedem suis alumnis tradunt, severitatem et subtilitatem Philosophiae incredibili 
gratia et amoenitate exhilaraverunt, adeo ut, quicquid attingerent, rosa fieri videretur. 

Quid? quod Theologia novam induit faciem, eamque multo amabiliorem? Cum antea mor- 
tales proposito aetemorum suppliciorum mctu servili et indigno timore a pemiciosis actionibus 
deterrerentur, nostro tempore qui christi doctrinam profitentur, toti in eo sunt ut, quam infinitus 
omnemque modum exccdens Summi Xuminis in humanum genus exstet amor, persuadcant speciosa 
orationc auditoribus suis et egregia in luce collocent. Non statim exsecationibus cumulatur, qui 
secus sentit atque Luthcrus. Fortissimum quidam pectus obiecerunt invidiae, quae subeunda ipsis 
erat, cum herculeo labore sexcentas resccarent fabulas, quibus homo omnium malorum sistebatur 


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domicilium inque hoc procreatus exhibebatur ut ima ejus viscera haud intermorituris aliquando 
dilacerantur furiis. 

Jurisprudentiae insigne accessisse decus, nemo paullo aequior harum rerum aestimator 
mficices ibit Non litterulis legum inhaeretur, sed vis ac potestas altiori indagine elicitur. Divus 
ille et barbarus quaestionis mos, quo utrum aliquid potucrit pestilentius reperiri atque immanius 
vehementer dubito, prorsus e rebus humanis sublatus. Non ea sanciuntur praecepta, quae explore 
idem csset ac hominem, non esse neque ullus fere conspieitur legumlator, qui non idem Philoso- 
phiae sit instructus doctrinis. 

Quo tandem sermone in depingendis, quae merito adomamenta suareferunt patriae Cam oen a e, 
poetarum ingeniis utar? Quo modo Klopstokium efferam, cujus divino carmine non memini Latium 
vetus neque felieem Graeciam quidquam praestantius habere? Qua ratione Wielandium depraedicem, 
cuius iocosa Musa honori est Germaniae atque decori? Qua Stollbergiae comitem definiam nota, 
qui sublimi cum arte ilium ex ipsa rerum natura exquisitissimarum imaginum copiam petentem, 
poetarum omnium principem Homerum, mira felicitate teutonica lingua expressit? Sed dies pro- 
fecto me deficeret, si omnes, quorum laudes ne eloquentissimus quidem consequitur, viros recensere 
in animum inducerem. 

Quo circa pedem hie figo, satis multa me protulisse putans, ex quibus quanta sit praesentis 
aevi felicitas, constare possit. 

An die Stello dor bishor in cinzelnen Beispielen vorgefiihrten Oratio konnte auch ein Poema 
treten. Unter den Gedichten historischen Inhalts, welche gegen die philosophischcn uberwiegen, 
findet sich cine Elegie auf Maria Stuart. 

Die bestgelungenen Vortrage der Studiosen vvurden „ex summa directoris gravissimi bene- 
volentia“ von diesen eigenhandig in Quartbande eingetragen. Wichtigere Bemerkungen, die zu 
den Quaestiones gemacht wurden, nahm der Schriftfuhrer mit in die Protokolle auf, die in den 
Tagebuchem der Societat niedergelegt sind. — Besonders gut ausgearbeitete Reden Hessen die 
Studiosen auf ihre Kosten wohl auch im Druck erscheinen. *) 

Noch sind zwei Geschafte der Gesellschaft zu erwahnen, die Begriissung neuer und der 
Abschied von alten Mitgliedern. Beide waron mit ciner gewissen Feierlichkeit verbunden. In 
wohlgesetzter Rede pflegte der Ein- oder Austretende dem Direktor und den Sodalen seinen Dank 
abzustatten und seinen Gruss zu entbieten, worauf ein vom Kreis bestimmter Rcdncr im Namen 
der Gesellschaft die Gliickwiinsche enviederte. 

Diese Formalitaten wurden gem auf festliche Gelegenheiten verspart, um beiden Akten 
gegenseitig mehr F'eierlichkeit zu geben. Bei dem Hinzutritt oder Weggang eines besonders 
Vomehmen jedoch, mit dem die Societat Staat machen konnte, wurde zu dem Zwecke der Salutatio 
oder Valedictio eigens ein „congressus publicus" anberaumt, auf dem auch die in der Stadt an- 
wesenden Ehrenmitglieder zu erscheinen hatten. — Die letztc und allgcmeine Verabschiedung fand 
am 30. Mai 1805 statt. 

Altersmiide liess Tittel die lateinische Societat nach einem arbeitsvollen Leben eingehen, 
zumal da der Ausbruch eines neuen Krieges mit Frankreich eine geordnete Weiterfuhrung der 
Studien unmoglich zu machen schicn.*) Drei Jahre spater gab er auch seine ubrige segensreiche 

’) Sokhe Drucke linden sich z, B. im 28. Band der Quartmiscellen anf der grrtash. Hof. und Landesbibliotbek . 

*) Die folj-enden Mitleilungen beruhen 7um Toil auf Titlels ohen enter 3) erwahnlen Selbstbiographie, zum Toil auf von 
ibm selbst stammenden hamivehriftiichen Eintriigen im Album Gvmnazi. tom. ![.. vji. Ephorenverzeichnis S. 7, und Schlusdiemerkung 
zur Schiilcrlizte 1807. Den Todcztag gaben Vicrnrdtz liandzchrifllirhe ..BiographUchen Xotizen der Durlzchcr und Karlsruher 
Gymnw.*Lehrer“. 


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und allseitig anerkannte Thatigkcit am Gymnasium auf, zu dessen Leiter der friihere Socius seiner 
Gesellschaft, Hebei, emannt wurde. 

Wiedcrholt war wahrend seiner mehr als vierzigjahrigen Amtsfuhrung in Karlsruhe von aus- 
warts her der Ruf auf einen akademischen Lehrstuhl der Theologie oder der Geschichte an ihn 
ergangen, 1788 war cr von der Kurmainzischen Akademie der Wissenschaftcn zu ihrem Mitglied 
erwahlt worden. Unterdessen hatte ihm der Markgraf von Baden 10 Jahre hindurch einen Teil des 
wissenschaftlichen Unterrichts seiner Sdhne fibertragen und ihn zum wirklichen Kirchenrat befordert. 
1789 want or von seinem Fursten zum Ephorus des Gymnasiums bestellt, 1797 mit der Direktion 
der Schule betraut und im Jahr darauf durch den in der Markgrafschaft damals zum erstenmalo 
verliehenen Titel eines Geheimen Kirchenrats ausgezeichnet. 

Nach eincm achtjahrigen otium cum dignitate starb der ehemalige Direktor der badischen 
Societas latina am 21. September 1816. 


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