AETAS
KANTIANA
Joogle
IKIll
AETAS KANTIANA
Das kritische Werk Emmanuel Kants, 1724-1804, bedeutet einen
entscheidenden Wendepunkt in der Geschichte der deutschen Philo-
sophie; besser, der Philosophie uberhaupt. Zwischen 1780 und 1800
liess Kant erscheinen : Die Kritik der reinen Vernunft, 1781; Die
Kritik der praktischen Vernunft. 1788; Kritik der Urteilshvft,
1790; Die Religion innerhalb der Grenzen der bhuen Venatnfi,
1793; Die Metaphysik der Sitten, 1797. Nicht aufgefQliit siiid dabei
jene iiiizjEhli^ Sdiiiften, die dazu bestiinmt waren, die in dieflen
gnindleg^den Weiken ausgespioGiienen Frinzipien zu verteidigen.
Kant lutte niclit nur Sdiiilar und Bewundeier. An Gegnem fdilr
te es nidit Es waien dies vof aHem die Verfediter des WoifTsdien
und Leibniz*sdira Rationalismus. Anderefsdtz waien es Fidite,
Sdielling und andere Idealisten, die aus den von Kant aufgesteHten
Prinzipien die extiemsten Fofdeiungen zogen.
Wenige Peiioden waien so fiuditbar an AuseinandeisetEungBn
von Ideen, an Veisudien von SystembOdungen. Die Kant*8die Kiitik
gab den Anstoss zu einei ganzen philosophisdien, kiitisdien und po-
lemischen Litexatur. Sie ist auch heute nodi sdu mSditig.
Tiotz der veisdiiedenen und oftmals gegensStzlichen Stifimun-
gen, die sie chaiakterisieien, bilded ^AetasKantiana ein unteilb»-
res Ganzes : etwa die ersten vieizig Jahre der Bewegung. Dieses Gan-
ze, diese Aetas Kantianat besagt dne enocme Literatui. Sie umfasst
viel mehr als die grdssten Autoren dieser Epoche, sie seien nim kan-
tianiflch oder nidit.
Dies ist der Gmnd, warum cs nuiziich, ja notwendig schien, die
Werkc in eincin nioglischt vollstandigcn Corpus zusamnicnzustellen.
Unter dem Namen Aetas Kantiana werden also, im Neudruck, die
Originale odcr dic bestem Ausgaben der reprasentativstcn Werke der
Kanfschen Aera publiziert werden; mit Ausnahme, wohlgemerkt,
der grossen Gesamtausgaben, die leicht zuganglich sind.
IMPRESSION ANASTALTIQUE
CULTURE ET CIVILISATION
1 1 S avenue Gabriel Lebon, BruxeUes
1968
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BEYTRAGE
Z V B.
GESCHICHTE
DER PHILOSOPHIE.
HERAUSGEGEBEN
VOH
GEORG GUSTAV FULLEl>. RN.
FROVESSOA AH. >t.ISASSTHAII1JM 19 BJIRSr.Ar*
TXBRTES STtiK.
mn
ZULLIOIAU UND FREYSTADT,
I* BSB mODClCAVllISCBKll BUCBHANDX.V?r«t
»794-
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LCMN STAQC
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V. 77:-l
l n h a i t.
UebcT CLriHijLn Tkomaflns Pliilofopliie,
Mit Antzfigen aut feinen pliilofup?u.
fclien Scliriften.
Seltc \
%
Ueber Gerdiichte der philoropliirchen
Xnnft-Sprache nnter dcn Deutrdien.
iiG
Einige All^emeine Refiiltate aot der
Gefchichte der Philofophie.
Knrxe Gefchiclite dcr Logik bey den
Griechea,
5. Plan
190
Plan zu ciner Gefchiclite der Plii-
lofopliio, Seite j8o
Von der Verfclileclenheit der ulten und
ncueu Pliilofopliie. jB?
Alles vom Herausgebcr.
UEBEK
Ober
CHRIST, THOMASIUS PHn-OSOPHII.
Mit Auszligen
aus seinen philofophifchen Schriften»
£ine vollftanclige Biographie des TerdienA»
vollen Thoiiialius ift dem Zweke diefer Bey*
trftge nicht gemftlk *), £ben Xo wenig ift es
meine Abficht, zu nnterfucfaen: inwiefem
Thoiiiaiius durcb die Anwendung feiner plii-
lo-
*) So Tiel idi weilit ift aodi Imn» faellen niid
▼oUrtgndigm e vorhaaden > aie die Ton Schrakh
geliefiBffte» All^. Biog. FOnStm Theil. 8. aSS L
gewirs inehr, «b blorier Verfuch» wofax lia
der II i. VeijCarCer ausgiebt.
A
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lolbplurGlm IdMn dli Wohkbgler feliiet 2ek-
«Itm lowoblf «It ^ devtldieii Kaiioli
fiberbAupt geworden fej. Icli babc mir ndr
Jio Flrage voigekgt: WMiet fitiA dit Vti*
diemfle ChriftUm Tkmnfiui mm Ae fkUofophU.
als Wiffenfchaft? Da. aber clie Beantwortnng
dieier ipedelkii Frage Ib Tortfaeilbaft aicbt
ensfidleii luuini wht mtm Unterfaebimg ftber
die geDunmten Verdienite unfers Philofopben:
Ib wird eine Verwabning gfegen mOglidie
Vorwiirfe der Ungerecbtigkeit vnd Verkltt»
nerungsrucht TieJlieidbt tiieht ganz unndthig
leyn. Dazu mag folgendes Uitbeii TOH
SefarSkh dienen« welebes gewi& jeder Un-
partheyifche mit mlr unterfchreibt: n£id
nHlanh I lagt er der weiter nicbts Grofses
nenigeliyirt biltet ale dali er die Freybeit
^zu denken, zu lehren und zu fchreibeni
,imit einem folchen Kampfe fo bocb gebracbt
Jblttet wte ThomaAntf wHrde Idion danini
,,an eine unaafbdrlicfae Dankbarkeit der Nadi»
nwelt Anfprucb macben kfinnen. Aber wer
Mandb Ib Tiel lichl in sudimie Willenlchefr
«tea
<)Aai.& s.aa^t
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fitQ& clhzufuhreti) fo Viele Vorurttieile zu
ffiiXrzen^ und aberhaupt fo unermudet unil
„gluk]ich 2um Beften der Gelehrramkeifc und
i,der MenfcJjen - Rechtfe zb arbeiten wiifte,
pVfFie tgr: dcr wtlrde mit g]eichem Vertrauen,
„wi« Thomaiiusi Ilch atif dasjenige btfruieri
^k6nneii, Was er getban hat; wenn gleich
Mmanches davon nut ilinerbalh Verfuche Ite*
i^hen geblieben ifk^
AttS der Lebenf und Zelt-Gerchichte un-
9trs Philorophen ift natttrlich faey dlefer Un-
terfur.hung nur wenig mitzunehmen. Wir
fragen nicbt: Wie Thomalitis das geworden
ky^ wofUr wir ihn anerkenneu) nichtf
warUni cr nur fo vi^l, und jlicht mehr ge-
Jeiftet h^be? fondern» vas er, Zeuge fei*
aer ▼orhandnen Stshrift^t wirklich geleiftet
habe. Da fich aber die Eigenheiten des Gei-
Ifes und der ganzen Individualitat eines Man-
nes yot dlen in feinen philofophirehen Wer-
ken, zumahl wenn diefelben auf Originallt^t:
Anfpruch machen, deutlich alMirukeny und
daraiif weientlichen Einfluik haben: fo miif-*
fen liier Toraus einige allgemeine Puncte be«
rUhrfc wetden, die den Geifk und Quu*a€tec
A 9 die*
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— 4 —
diefes Mannes angehen» und iu feine Bemft*
hungen t&r die Phllofophie ubergcgangen find.
Erftens feine Idee von dem Zweke der Ge»
lehrfamkeit Hherhaupt. Die Gelehrfamkeit»
ragt er *), ift eine Erkenntniis , wodurch
der Menfch gefchikt gemacht wird, das
Wahre von dem Falfchen, das Gute Ton
dem Bofen zii unterfcheiden , nnd deffea
wahre oder wabrfciieinliche Urfacben anzn-
geben^ um dadurch feine und andrer Men*
fchen zeitliche und ewige Glukreligkeit zu
befdrdem Icb halte den fiir einen ge-
lehrten Mann» der et]iche wenige Wahrhei-
teh gewifs weifs, die er zum gemeinen Nu-
tzen anwenden und daraus in andern WifTen*
fchaften mancherley Wahrheiten herleiten
kann, der iibrigens abei wohl weifs, dafs
die Welt voJl leeren Wahnes fey, und da-
her fmne Wahrheiten fowohl, als diefen
leeren Wahn der Welt Anderu deutlich vor
Att-
*) EinL sur Vmunft* Lebre S. t. ViaR» AulL
T. J. xy**-
«*} Ebend. S.
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5
Augen fteHen kann AI]e GelehrCimkeit
zerfallt in zw^y Theile : Gottesgelahrtheic
und Weltweisiieit , wovon die erfte ihre
Quelle in der O/Tenherung, dle leztre im
meufchlichen Vcrftande hat **). Alles das-
jenige ift keine Gelehrfamkeit zu nenneni
was weder im menfchlichen lehen Nntzen
hat, noch zur Seeligkeit anfiihrt. Gemein-
niitzigkeit alfo, d. h. augenblikiiche Brauch*
harkeit der Kenntnifle im gemdnen Lehen
ift ihm der Zwek aller Gelehrfamkeit, und
alle KenntnilTe) die diefen Zwek nur mittel-
bar oder langlam befdrdem helfen» z. B.
Sprachftudium lind in feinen Augen gering
und von keinem fonderlichen Werthe. Aus
diefer Idee eutfprang^ oder erkl&rt Hch
wenigltens»
Ztoeyiens der Eifer^ womit er die Sehota*
Jtifche Philofophie %u verdranp;en fuchfe» Man
weifs ja wohl, wie es den Syftemfiurmern
in allen Widenfchaften zu gehen pAegt. Sie
werfen gemeiniglich das Gute mit dem Schlech*
\ 3 tcn
S. II. R
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ttn zugleich iibar Bor^» und fuclien iiberan^
irenn nicht den «ntgegoigerezlen, 4och einen
•ndem Weg zvl geben. $ie bekommen
inililig, aucb wenn Ite die beiken Menfchea
find» «inen gewiiXen Relbnnator«Stolz, der
thnen nicbt erlaubt, eucli nur im Mindeften
lich den^ bekriegten Syfteme wieder zu nH-
hemt «ind der Be zukzi eneh gegen elle
andere Syftencie aufhringt. Heftigkeit, Spdt-
lerey und em fc beid e nder Too finden fich uu*
Termerkt ein, nnd mechen ein^ Iblchen
Reformator zulezt Alr «lle hilligen Urtheiln
unzug&nglicb. Diefs war ohnftreitig auch bey
ThomaRus der Fall* Da er die AriftoteUfche
oder Scholaftifche Fhilolbphie thcils wegen
ibrer fyftematifcben Sclavereyi tbeils wegen
ihrer (jpiziindigea » fchweren und niohtgCH
meinn&tzigen Speeulationen hafste und zu zer*
ftdbren fuchte: fo bemuhte er licb dagegen»
«ine gewifle Freyheit im Pbilofbpbiren gemnn
Xtt machen, nnd| mit Uehergehung «ner
Speciilation, uber allgemeine Gegenltande fo
leichtt rerft&ndUch nnd angenehmt als mOig-
fich, zn fchwatzen. Ab«r alles practifehn
Philorophiren wird fchal und feicbt, wenn
es £ch nicbt aof Torhejrgfganign» grundiicbn
Spe-
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Speealadon ^a&det, und um fttr die Welfc
recht gemoinniitzig raifonniren zu k6nnen,
uuCs man fiir Aoh fehr fpizAndig fpeoiilixt
kahen. Hent ik der erklilrterte Gegner aller
blofs IpeoitlatiTen WifTenfchaften doch wenig-
Xtens billig genung, zazugeben» dals es guC
iind YortbeiUialt ley, wenn eina belbndre
KlaCfe Ton Gelehrten Jicli damit abgebe nnd
l^eiohlam ein Tribunal der erlten Principien
ansmaobe. Aber Tbomalias «rklirt darohaat
Iblche Berch&Ftigimgen BSlt nnnfttZf Thorheh
und Miiniggang. Daher kain es, dals er
hefonders in den Theilen der Fhih>fophi€|
die ohne Specalation nicht grfiUidlich hehan-
delt wcrden konnen, duferft feicht und ober-
fl&cblich raifonuirt, nnd alle, felbft did
wichi^ften Fragen, bey deren Unterfudiung
eine gewiffe Subtilitat unvermeidlicb ist^
Jeichtferdg iibergieog. £r erUilrt iicb hier-
fiber zieralidi artig: nlch w&rde es wahr*
^licb nicht lefen, wenn auch bundert B&nde
ji&her die Frage gefchrieben wftren: ob die
^Bewegung oder das licht der Sonne wftrmt?
^oder ob das Licht der Sonne die Urlkche
^der Hewegungt oder diefa di^ Urlache Ton
njenem ley? Xch w&rde micfa in Einfalt des
A 4 „Licbts
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yiLicbts und der Walrme der Sonne bedieneni
nund andre unterdeden bey einem Kamin*
„feuer oder Wacfaslicht datiiber disputirea
^larren. Ein hungriger Wandrer ilst im Gaft-
nbofe die Speife, die ihm vorgefezt irt« und
„1it(st unterdeCTen clie Philofophen unterfdiied-
nner Syfteme ftreiten: oh der Gefchmak in
tider Speiie oder in der Zunge ftecke? *y*
AUes ztt leiner Z^t und an feinem Ortet
wiirden wir dai^egen fagen k5nnen, aber
Tbomafius gUcb in der Tbat einem bungngen
Wandrer, der iich immer bald zu Tlfchc
fetzen wilJ. Zu diefem £.i/er fiir Popuiaritat
gefellte Ach dann
Drittens feine GleiekgiUtigheit iit BSJifiche
4er pkUofophifchen Spracke, So gut auch dia
Anmerkungen find, die er in feiner practi*
fchen Logik uber die Beftimmtbeit der Aut-
drQke beybringt ; fo wenig befolgt er Ae
in XiBinen pbilofophirchen Scbriften felbfu £•
ift
AusAb. d«r Sitmilehfe S. 546L Dritt» AuA.
J. X704.
**) Ausab aer Vem. 5. HanptftOk. Nacb der
Autgi ir. J. iTxet.
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irr einerley, ob es fo oder anders nennrt;
bemiihe dich diefe Tugenden auszuiibeC) und
ftreite nicht uber ihre Benennnng; mdgen
es andcre nach ihrem Gefdlen nennen; ich
ftreite mich nicht um ein Wort oder Aus-
dmk; binde dich in Definidonen nicht an
die Worte; die Wahrheiten zu nnterfchei*
den, magft du Namen brauchen, welcbe
dn willft: diefe und ihnliche Aeufernngen
linden lich anf allen Bogen leiner Lehrbiicher*
In unfern Zeiten ift es iiberRunig , das
Seichte und Schiidliche einer folcfaen Fadlitas
in Terbis erft erweifen zu wollen, und Tho«
mafius felbft wiirde, wenn er unbefangner
Ijewefen wftret durch feine ^gne £rfahrung
belehrt worden feyn, dafs Worte und Be-
griife genauer zufauimenhangen) als cr glanl)-
te» Wir haben gelemt, wie wicbtig z. B.
die Unterfchcidnng der W6rter: Empfindung,
Vorftellung, Idee, Gedanke, Begrif, Er-
kenntnis u. a. ift> die er alle zuCimmen ffir
gleichbedeutend nimmt, und wir fuchen a]]e
Wortftreite eben dadurch zu vermeiden, dals
wir die Wdrter ▼orher beftimmen* fo wie
er im Gegentheil folchen Streitiglceiten da«
durch zu cntgeben glaubte, wenn er einem
A 5 leden
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lO —
)eden die firlaubnis g^U^e» Wdrter zu bran-
chen» welche er wolle. loh will hter nicht
bey der Fraga verweilen; Ob ciie deutfche
Spracbe ddmals auch rcbon von der Befchaf^
fenhmt war» dals dn philoropbircher $GhriftiF
ftellcr, der fich ihrer beynab zuerft bediente,
eine fQlohe Beftimmtbeit einfiihrea oder auch
felbrt mtr ahnden lconnte. Thoinafias hat
gezeigt, dafs er feinar Spraohe Herr werden
konnte) wemi er woUtBt luid kein Schrifl-
fteller pflegt gewdhnlibh pMnlicber in feinen
Ausdruken zu feyn, als der, welcher in
^ner nocb nicht zubereiteten und binUnglich
reicfaen Sprache fchreibt» wie das Beyfpiel
Ciceros und Wolfens beftEtlgt. Aber, wiii
erwslhnt^ bier ifc imuxer nur die Kede da*
▼on: ttai bat TbomafiuSf Zeuge felnflr
SchriFten, getban, nicht: warum hat er
es nicht beffer gemacbt?
Etn wicbtiger Punot ift viertens feinM reli»
giofe Ueherzeugung y feine feHe Anh&nglichk^
an das Syftem feiner Klrclie, die zulezt in
Mylticismus ausartete. loh will gar nicht
unterfucben, in wiefern Qberbaupt die An*
biinglichkeit an ein pofitives Heligionsfyftem
«inem Philofophen hinderiich oder befdrder-
lich
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II
lioh fky^ Wabrheit aq ftnclon. fiey
ThoiiMfias war fi« ohnftreidg das erftre. Er
brachte zu wcnig Zutrauen auf die menfch-
liche Vernunft und Willenskraft zu der Un*
lerfoobnng diefer Soeleniormligeii mit» und
hielt es daher l^r nnnutz oder Tergehlich,
tiefer in ihre Natur einzudringen* Dem Kir*
chonhiftoriker prigt or in einar leiner Schrif*
ten fehr nachdruklich die Regel ein: feine
Religion ganz zu vergeiTen» fo lang er un-
terfucho und fchrdhe ; or hfttto fio ouch bey
feinem philofaphilchen Stu^um hefolgen fol*
len. Es ift uns heut f^ift unbegrei£lich , wio
ThomAftus boy feinen Tollkommon Rogolg)iu«
brgen Aeulbrungen dennoch verkotzort wor*
den konnte. — Bey den Bemerkungeo iiber
leino Sttienlehro wird dieler Punct a&bor
orlftutert worden.
Fimft^ns darf ich auch feine Streifereyen
dureh aUe Wiffetifckaften und Kiin&o nicht
unber&b^t laflen, Ton denen or beftttndig
einige Beute fur die Philofophie nach Haufe
brachto: Ton wddier Art, davon zougen
mehrero Beyfpielo* Eino ohymilbhe oder
phyAologirche Eintheilung veranlafie ihn fo-
floiGbi in dor PbilofbpMo auf otwas &hnli«
<&os
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12
ches ZQ denken: ein anatomifcher Lehrfatz
gab Ilim Gelegenheit, irgend eine philofophi-
£bbe Hypotheie aufzuftutzen » wiewohl er
ihn nie Jange verfolgte, und die Ueberein*
ftiminung mehrerer WifCenfchaften in der
Zahl gewilTer Diviiionen oder KlaOificationen
war ihm fchon ein halber Beweis fiir die
Jlichtigkeit feiner Eintheilungen in der Logik
oder Moral *). Sogar ein zufiillig gewfthltot
Beyfpiel aus einer andem WilTenfchaft filhrl
ihn oft durch fortgefezte Vergleichungen auf
Behauptungen » die er ohne die&s Beyfpiel
kaum gewagt haben wurde.
Endlich geh6rt hierher felne Begierd^
uach OriginalitSt t die ihn oft abhielt, das
GutCf was andre vor ibm und zu feiner
Zeit lehrten, zu benutzen und in fein Syfcem
anfzunehmen. Man weifs z. B. ^e hart er
uber Tfcbirnbaafen u. a. urtbeilte.
Viele andre Puncte , welche in einer
Characteriftik Thomahus des Gelebrten oder
des Menfchen Plaz finden miiftent geh6ren
in
6. sum Beylpiel Auuug der pract. Morftl }• 14*
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— i3 —
tu den gegeQwHrkigen Verfucb niolit. Icli
wage est zu der Beantwortimg der obea
angegebnen Frage fortzngehen , wenn ich
vorher noch mit Thomaftus Worten feine
Schilderong eines ftchten Philolbphen einge»
rakt hahe*).
„Ich verftehe unter einens ftchten Welt-
lyWeifen einen Mann, der einen fcharf-
„finiiigen und durclidiingenden Verltand
i^hatf der ftets richdg und bundig ur*
^thalt: der mit dem aligemeinen und
^hocbftnothigcn Werkzeuge aller Wiffen-
,)(chafteni der Gefchichtef genau he-
„kannt ift: der feine Philofophie von
„der SelbfLerkenntnis anfangt nnd durch
^die D&mpfung feiner Leidenfchaften fein
Mhdchftes Gut, dte innere GemHthsruhe»
„fich zu verfchaffen l^emiiht ift; der die
„Bosheit der Welt kennt, und dnrch
„eine tftgliche und auf fichre Kegeln ge*
y^griindete Erfahrung allen Menfchen, niit
i,denen er umgeht, wenn fie lich auch
i,noch fo fehr verfteUen, his ins Inuere
wfteht;
Dodkation dar EinL sux Vflnu fi. 5.
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— 14
„fielit'. Jer gerdiikt ift, eine feinem
i,Geifte gemHise Lebensart 2a erwablen»
,,uiicl die dasu gehOrigeti Gater dee Le-
„bens, welfche felbrt feiner TugendUnebr
nGelegenbeit geben» reehtmiisig zo er»
wwerben, 2a erhalten, zu rermehr^it
«lUnd anzuwenden: der in allen feinen
«iHandlungen ein rechtm&fsiges Decorum
lyzeigti ohiie welches elle Pfailofophie
i,eitel und blofie Pedanterey feyn wiirde.
Diefe, an lich gewils nieht fchlechte,
Schilderung kann zuvorddrft Statt vieler an-
dern Stellen zum Belage dienett| was Tfao-
InAJius in feinen Begrif Toa Pfailofophie zw
/ammenfafte.
Man iiefat a^Yenfalls aus einem fladitigeA
Stadium feiner Schriften, dafs er Rch die
Philofophie fo eigentlich gto nicfat als Wif*
lenfchaft dachtei das hei(st| als einen In*
begrif gewirfer eigenthiimlicher, von andern
z« B. matbematifcben und faiftoriichen Kenni»
iliffen unterficfaiedener Erkenntni0e, die ftlt
iicfa ein Ganzes ausmachen , und auf Einem
Grunde bcrafaeii» nDie Wekweisheit» biff,
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— i5 —
iier *)» die uber die Kreatiuren raironnirri
sierftrekt fich ilber gegenwirtige und ver-
„gatigne Dinge,^ himI er hat in d^fer hin*
geworfenen AeuXierung die beftini nteTie De-
fuulion feities B^rifs von Phirolbphle gegebeni
wie er tiu allen Mnen Sdirifteil herTorleuch-
ttt. Wenn er ferner die Vernunftlehre und
)Se£iehiGhte die beyden Inltrumente der Welt*
weisheit nennt*^: tj Aeht man M'cfat, da&
tr lich dabey darchaus kein befummtes Sy-
Ibm einer wiflTenfchaftUehen Philofophie g«-
dacht habe. Sie ift ihm eine Sammlnng Ton
Bemerkungen und Kaifonnements iSiber Wahr
imd FalfiBb, Gut unli Bdfe» wozu die Ver-
nunftlehre die Regeln^ und die Gefehichte
den Stoff liefert; Man darf alfo nlcht erwar-
ten» dals er zu einer beiTeni fieikimmung
des Begnfs von ^hliofophie oder zu einer
fyfteinatirchern Anordnung des Ganzen und
deHen Theile beygetragen habe.
Was die Metaphylik angeht, fo nahm er
Ite in XiMnen philofophilbhen Curftts gar ni^t
•) EinL »ar Vein, S. 7.
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auf. Fieylicli war fie unter den HSnden
d^r rcboIaCtifcben Pbiiofopben nichts weiter,
als ein W6rterbucfa rabtiTer Kunft w6rter und
Unterfcheidungen geworden, und Thomafiu»
hafte die ganze Secte mit allen ihren SabtiH«
taten*). Einen Theil der Ontologie nahm er
in die Logik (drittes Hauptftuk) auf, die
natiirlicbe Tbeologie war ihm gegen die geoA
fenbarte zu gering und unbedeutend, uni
ihr ein befonderes Studium zu widmen. £r
erkl&rt iich hieriiber in der Moral belHmmt
iind richtig (S. Ausz ige §. 8. f.). In Riik-
iicht der Pneumatologie, die damalils einea
wtcbtigen Tbeil der Metaphyfik ansmachte^
fieCs er fich durch die Schriften der foHe-
nannten Mofaifchen PbUofopben za Tr&ume-
reyen
*) Von der Meuphyfik, Cigt er» habe ich znir
eine widerw&rtige ImpreOion geroachtt indem
ich mir eiagebildet, i»tk die darinn enthaltenen
GriUeu fiihig Cnd, einen geriinden Menfchen
foIcliergeftaU zu verdeiben , dafs ihm Wnrmer
im Gehinie wachfen, und dafs dadurch der
meifce Zwiefpait in ReUgionsfachen entftanden.
«nd nocli erhaUen werde. Sehen- und emft-
hafu Gtdankmu Mon. Man, Yeigt Setne
Gauttlen Xap. la.
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— 17 —
reyen und Paradoxieen verleiten, die ins Ab*
gefchmakte fallen. Zwar geht er Ton dem
bercheidncn und richtigen UrtheUe aus, dala
die Vernanft von dem Wefen eines Geiftes
nichts wiffey aber eben darum glanbt er,
diefe Kenntnis aus der heiligen Schrift fohdp-
fen zn m&den* Hier fand er alfo Grund zu
der Meyttung von einem allgemeinen Welt*
geifte und von zwey Geiftern iivi Menfchen,
dem guten und b6(en. Sein ganzer Verfuch
wm Wefen tinef Geifies ifk eine Sammlung
von myftifchen und biblifchphyficalifchen
Subtilitilten, und fcbeinXi wie aus feinem
ftbrigen Gedankenfyftem , gleichfam ahgeril-
fen zu feyn. Wenn man nach feiner Pfycho-
logie fragt: fo darf icb ztt feiner £bre auf
die Erkl&rung yerweifen, die er in der Lo-
(S. Ausz. §. 6.) thut: eine Pfychologia
aus blolser Vemunft bielt er fiir unmdglicbi
und er erholte itch auch dafilr in fdnen
myftifchen Speculationen.
Kein denkender Mann» und das war doch
Thomalius gewifs, kann nur einen Schritt In
irgend einem Theile der Philofopliie thun,
ohne auf die Fragen zu ftoHsen: Welcbes
Jind die Grfinde« Gnmdfiltze und Grinzen
B der
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— i8 —
mcnfdilichen Erkenntnis? Waruin nennen
wir dte£s wahr, jenes falfci]? Was berecb-
Uf(t uns Urth^len vnd Schliilsen? n* d.
Wir rechnea jezt die erften Unterfnchungen
uber diefe Fragen znr Metapihyiik) inwiefem
lie die erfien Piincipien des Erkennens &u£>
ftell6n und prufen foll. Thoinafius hat fie,
wie inehrere <ere PhiloXbpheny in der Lo«
gik abgehandelc, nnd ith darf ohne Scheu
fag€n, ciafs diefer Theil feiner Logik gewifs
nicht der fchlecbtefte ift. Die iblgenden
Ausztkge werden jeden unpartfaeyifchen Lefer
davon uberzeugen. Wicht nur dei geinachte
Unterfchied swifchen Jeidenden uud th&tigen
VorfteHnngen (er nennt et Gedauken}« fon*
dern die gefammte Entwikelung dcr Art, wie
wir Erkenntnis erlangen, feine Diftinction
zwifchen EmpJindlichkeit und Verftand (Re*
ceptivitlt nnd Spontaneit&t), und vor allen
das aufgeftelhe Princip der Erkenntnis,
dunkt mich« fo SUiht pbilofopbifch , dafs
mehrere Lefer eine grofse Annfthernng an
die Kantifchen Darftellungen Hndcn werdem
Der ganze Abfchnitt von den Gegenft&nden
der Erkenntnis ze\igt Ton emer befeheidnen
uud, faft muclite ich fagen, critifclien Art
sn
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zu philofophieren, wie man fie fonft an kti*
nem Pbilofopben jener Zeit iindet. £s w&re
zn wfinrcben, dals Tbomafius, doroh irgend
einen Umrtand veranJaist, dieren angefange-
nen Unterfucbungen weiter nacbgegangen
leyn mSchte) oder dals fie Wolfens Aufmerk*
famkeit auf fich gezogen l^atten. Vielleicht
wftre dann Ibbon fr&ber eine kritifcbe Durch*
forfchung des menlehHchen ErkenntnisTermd*
gens veranlafst worden.
So lebr auch diefer Tbeil der JLo^k nn«
fers Thomafins den Beyfall und <)ie Aohtung
denkender Lefer verdient; fo wenig bat er
doch fiir die eigentiicbe Logik» in unlerm
Sinne, etwas Neues oder Merkwi&rdiges ge-
leifier. Sein ganzes Verdienft befchrankt lich
auch hier Tornemlich nur darauf) dais er
die WilTenfehaft von SnhtifitSten reinigen
balf die Aufmerkfamkeit des unfcholafti*
B 2 lehen
*) In der Logioi ^nU ich mehf » dafs ttnf PMU
dicabiliaa zebn PTHdicamentt vmi dtej FigurS
Syllogismoriini feyu. Icli h*ltc dafur, ^.1^8 di*
Logik, die wir in Scliuleu und Acadeniiecn ler«
nenf sux £iforfduui(s dec Wabrbeit ja fo viel
lieUs^
20
fchen PubUcums dafiir gewann, und dabcy
Gelegenh^t nahm^ tnanche fdr feine Zeit
trefliche und heilfame Wahrheltert zn fagen,
nnd durch eine Art von wifrenrcbaftiicher
Dedaedon dng&nglicher zn machem
Alle m der Folge mehr beylauHg genHlten
Urtheile iiber den Unwerth luid die Un*
Urauchbarkeit der damaligen PbiloXbphie uber»
haupt, hatte er in einem friiher erfchienenen
Werke: Eiiileitung in die Hof - Philofophie
(wir k5nnten fagen, Lebensphilofopbie) aus-
ffthrlicher und grandlicher auseinandergefeztt
Er zeigt hier mil vieler Laune und Bitterkeit^
wie wenig die damaJige Metaphyiik, Logik
nnd Moral Emfluls anf das wirkJiche Leben
habe , entwikelt die Fehler der Ariftotelifchen
nnd Cartefianifcben Philofophiei und empfiebk
▼or aUen die Bearbeitnng der Vemunftlehre
oder Denkwillenfchaft. Zu fehr eingenom-
men gegen die Pedanterey der Gelehrten und
fiir den Ton der grolsen Welt, und flberall
▼on der Idee der Gemeinniitzigkeit geleitet)
?er-
helfe, alt wann ich mic «idem Strobhahn eitt
S^iH-Pliuid aufheben wolUe. Ebesd.
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21
ierfehlte er aach in dieTem Werke die ricfa-
tige Mittelftrarse, und fo interersant auch
ein Auszug daiaus zur Kenntnis des dania1i«
Tons unter den Gelehrten und der Be*
bendlung der WiirenrchaTten feyn wnrde, fo
wenig fchien er mir fiir den gegenwartigeu
Zwek pafFetid *)» Die wiilenichaftlichen Be«
merkungen hat er ohnedem in feine beyden^
im Auszuge gelieferten, Lehrbucher mit auf*
genommen*
Was feine Slttenlehre anbetrift: fo haben
Jich auch hier die Eigenheiten feines Geiltes
nnd Characters deutlich abgedriikt. Dent
Syfteme der geofTenbarten Bcligion treu und
ein abgelagter Feind der Ariftotelifchen und
zum Theil auch der Carteftfchen Philofophieii
erklart er das Zutrauen auf dle Krafte der
menfchliciien Vernunft und des Wiilens fur
ungegr0ndet« und die fubtilen Speculationen
B 3 fei-
*) Tboraafiut hat diefs niit allen Refomnatoren
gexnein, dafs er uberali lieber eincei£it» als
«ttfbaut. Auch in dielem Werie Junn er ror
lanter Streitigkeiten nnd Widerkgpingen nichc
dtsu koninien» ieine eig^en Ueeti grAndlieh
nnd aaffiihYlicli anseinmder sn toen.
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aa —
Xeiner VorgHnger fiir unbraachbar* Uebertfl
bem&fat, das Unpracti(€he» odar vne er et
oft nennt, Aen Utiradi aits der Gelahrtheit
forfcfcfaaifen zu helfen, lucfat er die Sitten*
lehre nacb M6gliebk«i xu Termfachen und
l^r das prac^fche Leben anwenclbar zn »*•
cben. Darinn ftimmt er zwar mit den
jtfeiften der fruhern Moralilken ftberein, da&
das hochfte Gut des Menfchen Glackfeeligkeit^
d. h. wahre Gemuthsrube fey. Aber in der
fieftinunung des Princlps der Sloral» oder
wie er fich ansdrQkt, des IMBttela zn ^eCiem
Zweke , nnterfcheidet er fich von ihuen*
£in groliier Theil der Moraliften gianbte, die»
fes Princtp in der Selbltliebe gefunden zii
haben, in dem allgemeinen Trrebe der Men»
fcben^ ihre Glukfeeligkeit zn bef6rdem, Sie
lahen in diefem Triebe nicht nur den Grund
alles Handelns, fondern auch den lezten
Zwek delTelben. (cb will bey diefem Prin^
dp nicht Terwdlent aber wire es anch noch
£> unrein, fo konnte fchwerlich diefe Un*
reinigkeit nnlem ThomaAns Verleitet habeny
es ztt Terwerfen: es wilrde Tielmehr fciner
Idee von der Verdorbenheit des menfcblichen
Willens treflich zu Statten gekommen ieyn.
SoU
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SoH itfa lAir felbft einen Entwnrf machen^
wie er auf fein Princip gekommeii feyn kann:
fo wurdo ich ohngeiabr Fol^endes aa wahr-
fisheinlicfaften finden. Es war ifam «nlencfa«
t«nd, daGi dfis Wohl des Ganzen der Zwek
der UandJungen eines jeden Individui leya
aiftfle, niid dalk jedet «nselne Ittitglied fein
eignes Wohl durch das Ganze befdrdre^
Ueberall und 2u jeder Zeit leinen Neben-
menrcfaen nutzHofa za werdeny das war die
i)]geineine wohlgemeinte Abficht aller feinar
BemikhuTJgen<, und er konnte felbrt diejeni-
gen KennmiiliB nieht leident die .iich nicht
fogleich fih* die Welt brauchbar macfaen lie*
fsen. Da er nun jodc gute Aeuferung und
Ablicbt des Willens Liebe naiinte: fi> giefat
er auch dem Beftreben, fUr das Woh> des
Ganzen tbatig zu feyn, den Naujeii Liebe.
Da er ierner in feineu Begri£ ron Liebe
durchaus zwey Subjecte aufnahm, eins, wel*
cbes lieht, und das andrc, welches geliebt
wird) oder nacfa leinen Ansdruken, da die
liebe aufer fich gefat: fo war es naturlichf
dafs er die SeJbftliebe nicbt aJs alJgemei nes
nnd erftee Princip auffteUen konnte. AUe
Liebe gefat auf Dinge aufer uns» und da
B 4 *inrer
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— «4 —
«ttlSnr «nd mn iins nidits Edlem vmd nit
tms Verwandteres da als der Menfeh,
auf andre Menlcben* Nun konnen wir aber
<Ue Menfchen, (nm micb eines neuern Auc-
druks /u bedienen) entweder als Zwek oder
als Mittel lieben: die erftre Liebe ift die»
weiche Thomaiius die yernunftige nennt^
Lieben wir die Menfofaen als Mittel, fo be-
trachten wir fie offenbar als Mittel zur Be-
friedigung nnfrer Sinnlichkeit. Alle iinnlichen
l^eigungen find theils Ton Mhern Mondiften,
theils in der Bibel *J, unter die drey Klaf-
fen, der WoUuft, des £hi^izes nnd der
Habfucht gebracht. Folglich erfcheinen diefe
drey Hauptneiguogen bey ThouoaHus unter
dem Namen der unvernunftigen Liebe« die
zwar ebenfalls die Ablicht faat) GemQthsrufae
zu befordern, aber Itatt deren nicbtS) als
Unruhe^ heryorbringt.
Cin fefar wicfaiiges Hindemisy welches
ficli bey Thomaiius einer tiefern und griind**
licbem
*) Hieiiof berufc «c licfa aiitdralilich Sitc. Th. s.
8. (Aa^enluft, Fleifchiwlttft und faol&itU
get Lebea.)
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— 25 —
lichern Unterfuchung der pracufchen» wie
^er theoretischen Philolbphie entgegenfielltei
ift die Gleichgiiltigkeit, womit er die SpracliQ
behandelte* Seinerleits feft uberzeugt» dafs
cs auf die W6rter gar nicht ankomme, wenn
nian nur, wie er oft lagt, iiber die Befchaf-
fenheiten einig fey, braucht er Gemuthsnei*
gung, Aflect» Leidenfchaft, Paffion, Trieb,
Verlangen nnd Begierde eins fiir das andre,
und ohne diefe ganz verfchiednen Begriife
aucb nnr einigermalsen zu unterfch^deik
Pie erftern drey fincl ihm fogar xnft Laftern
beynahe ganz fynonym. Daher kann derje*
nige, welcher ficb einen Unterfchied bey
diefen Begriffen feftgeftellt hat, faft in jedem
Paragraphen des Verfaffers Widerfpriiche und
Irrthumer linden. Daher wird es einleuch*
tend, ^rum er ganz tind gar keine Riik*
iicht auf die in der Natur des Menfchen ge*
gr&ndeten Triebe nimmt, warum ihm die
grofse Verfchiedenheit zwifchen Trieb und
Leidenfchaft gar nicht in den Sinn kommt,
und warum er fo mancfae wicfatige Tfaemata,
die in unfem Ethiken abgebandelt werden»
unberuhrt ]an%t. Er hat immei fchon die
volle Leidenfchaft vor Angen, und faat iich
B 5 alfo
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Mif Aar Sl&he entabffigti den erften ReimeB
derfelbfn naohzurpQreA imi, iie m ihreni
Wechsthum zu belaufcben. Seine Ir^ee Ton
Gemfitbsrahe» die im Gronde ^ne Stoilcbe
Apathie ift« erlaubt ihm nicht, an irgend
einem Triebe etwas Giites zu finden» weil
ibm jeder fchon Leidenfcbaft, d. b« anrubige
Bewegung ift. Sdne Belchretbungen der Lci«
denfohaften iind nichts» als Charactere wol*
li^riger, ebrgcitziger nnd bab(iiGbtiger Indiy
Tidaen, gemeinigKch fehr riebtig, aber im«
mer auf das ftarkfte gezeichnet. Das einzlge«
was aucb diefer Cbaraoteriiirang fcbadet, ilt»
dals er die Leidenfchaften zu abgefcbnitten
und irolirt nimmt, und daher oft der einen
ellein beylegt» was die iitbrigen eben ib wobl
an licb faaben.
Die Unheftimmtheit in der TerminoJogie
rttcbt hcb an ibm aucb in die£em Theile fei-
ner PbiJofophie. AHe ' Augenblike. lieht er
Jich genothigtf feine Benennungen zu recht-
fertigen, nnd vorbergehende Ausdriike in
der Folge «nzufchrilnken oder zurAkznneb«
men. Wenn er z. B. Anfangs beliauptet,
Freude und Scbmerz feyn keine Leidenfchaf*
teni nnd Ae demobneracbtet gcgen das Ende
unter
— 27 —
aiiter cUeler Geftak au/Fuhrt» Ib mub er
feine Zuflucht zu einer Kiinfteley nehmen,
welche viel fubtiler und fpizfindiger ilt, als
manobe andre* die er an frHhern MoraliAen
bitter tadelt. Und wenn er fo oft feinem
Lefer zuruft: Kenne es fo oder fo} nur
ikreite nicht um Worte; fo haben ihm meh-
rere feiner Gegner gezeigt, dafs er eben
durch diefe WjUfahrigkeit wahren Sachen*
Streit» wenn ich £> fagen darf, Teranlalst
iiabe.
Eins der fchwerften und wichtlgrten Pro-
bleme, die Frage uber die menlchiiche Frey*
beit^ hat er ftuferft feicht al^efertigt. A1>er
er ift zu entfchuTcIigen. Denn da er bey
aHen leinen philofopiuichen Unterfuchnngen
immer das Syftem der geofTenbarten Religlon
T^r Augen bebielt: fo muCste es ibm unntits
icbeinen» tinen Gegenfund zn unterfuchen»
fiber welcfaen ihm die Bibel fchon ganz ab-
gefprochen zu haben fchien. Fr erldiirt iicb
daruber ansdrilk.tich fo: «^u der Erkennt-
9,ni$ des natdrlichen UnvermSgens und Unzu*
»l&ng1ichkeit der menfchlichcn Krifte haben
sKmich fo Tiel klare Sprudhey die in allen
«,6iicfaera heil. Scfarift ftehen» durch Gottes
«Gnade
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— s8 «-
yjGnacle gebracht, iind gewiefen, wie dle
Dtnir noch ankiebende gemeuie Lehre unfrer
f^Leute von dem freyen WiUen des Menfchen
,,damit nicht beftehen konne „Gott, fagt
5,er in feinem Glaubensbekenntnisi ift alleiii
^der Urheber und Vollender der hdcbften
^Gliikfeeligkeit , und der Men£ch tragt daza
^nichts bey, als Hindemis und VViderftand»
^und} wenn es hoch kommt) Unterlalsang
),diefes Widerftandes **).** Er Terfteht alfo
unter Freyheit eigentlich die freye Macht des
menfchiichen Willens» beCTer zu werden»
ohne gottlichen Beyftand, aus und durch
hch felbft; und es ift daher conlequenti
wenn er, ofaue dem Menfchen freyen WiUen
2Q lafTen , dennoch eine Zurechnung annimmt.
Aber wohl zu merken, nur eine Zurechnung
des B6fen zur Strafe» nicht aber des Guten
zumLobe: aucb diefes^ wie mir dlinkt , fei«
nem ubrigen Syfteme voUkommen gemais
Wi«
•} 8. 53u
s. G43.
•••) In der Folge hat er zwar diefe Behauptungen
(in den Cauteien Kap. 14. S. 36i. L) eiuigeir-
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29 —
Wie leicht es (ey, bey «ner relbTtgemach*
ten philofophirchen Terminologie die Mey-
nungen Andrer falfch zu iinden und zu wi-
derlegen) beweift feine Moral ebenfalJs* Da
in feiner Sprache, wfe erwfthnt, die Be*
nennungen der Triebe und ihrer Grade alle
fynonym lind» da er fie ein fur al]emahl
nar als unvemllnftige Liebe ge]ten lafst; fo
hat er mit der Wlderlcgung der Peripateti-
ker, Stoiker» £picur&er und Carielianer
(im zweyten Hauptftake der pract. Moral)
leiclites Spiel. Ich hahe in diefem ganzen
Abichnitte nicbts gefunden, was eine kriti"
Iche und nnbefangne Priifung Terrietbe.
Da(s
inaCsen znrilkgenoninien. Aber <!f>r Grund die-
fer Aenderong ift eben nicbc der leftefte. Er
unterfcheidet nemlidi (in den Fundainentit Ju«
ris N«t. et G. Kap. i. n. (jj. ii8 nnd Kap. 2. n.
104. f.) swifchen Fwywillifrteit rnid Freyhcit
des Willens, und will duTcli diefe Tlntevlcliei-
dung die Kr<ifte des Menrchen fowohl, wic die
Nothwendigkeic euies hukern Beyltandes retteii.
Die FreywiUi^clt nennt er in dem Uu Werlu»
libertat «rbitrii» die Freybeit fpontaneitat» und
mau Jiebt alCo» ohne naein Ednnern, worauf
die ganxe Belmnaiung hinauilauft.
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— ao —
. Dafis er iibrigens feine pbyiioiogirchea
Lemmau beynabe nur znr Anslcbmllkaiig
gebrauchte, und bey der erften Gelegenheit
fallen liefs, ift fcbon oben erinnert worden.
Der Verftandt (egt er in der Logik« wird
durcb die Bewegungsgeiftercben in den Senn*
Adern (Nerven) geriibrt. Der Wille, er-
Uirt er in der Moral, wird dureb die Le>
bensgeifter in dem Geblfite in Bewegnng ge-
Xezt. Ware er mit diefer Hypotbefe weiter
gegangen und htttte er lie bey der ErklArung
der Triebe und Leidenfofaaften zum Gmnde
gelegt: fo mufte feine ganKe Darftellung eine
•ndre Wendang genonunen baben. Er be*
dient Bcb ihrer blos dazn, eu zeigen, dais
die naturlichen und eigenwilJigen Eindriike
der &ufem Dinge» (nnter jenen ▼erftebt er
folcbei die aus der Natar der GegenH&nde»
unter diefen folcbe, die au5 der Befebaifen-
heit des Herzens oder der Etnbildang cin*
zelner Men&ben berrUbren) Tttllig einerley
feyn, und dafs folglich zwifchen Naturinftinct
tind Leidenfcbaft kein Unterfchied Slatt finden
k5nne. Allein eben da, wo inan' die nfthere
fieft&tJgang diefer Idee Terla»gt) weifc er
iias mit einer Vergleicbung ab und fezt hiozu;
Die
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— 3i —
Die G^mCithsbewegungen werden deutlicher
empfunden als berchiiehen»
Was nnn den Werth diefer Tfaonidiafifchen
Sittenlehre ubeiiianpt bctrift: fo ift dasjenige^
was der VerfaCfer felblk da^ron rfibmt» frey-
lich nieht eben lehr bedeutend. Vorausge-
fezt, w«s er iilierall lehrt, da(s der Wille
uber den Verftandi nicht diefer ulier jenen
lierrfche> und da& der Wille des Menfchen
rlurcliaus verderbt Xey, kaun nach feinem
UrtheiM ^ne Sitienlehre eur BelTerung des
Slenfchen nur wenig beytragen : lie kann nur
fo viel bewiikcii, dafs der Menfch vor dem
SchliiriiBerwerden fich hiiteu iemet dals er
Jtch felbft und Andre ^enauer ftudiere» iind
aus diefem Stndium Kegeln des Uuigau^s ab-
siehe. Ausdriiklicii befiiinmt er ieiue Sttten*
lehre nur filr Verfahrte und Verftdirer» als
einen Spieoel, worinn fie fich Ijctrachten
Ibllei). Haben lie darinn ihre Fleken erbiikt»
fo verweift er fie auf die helHge Schrift, wn
]5e lernen folJen^ unter dem Beyftande der
guttlichen Goade iich von dieieu Flekeu Kit
reinigen nnd zu der ehriftlichen) allein dui^ck
den Glauben moglichen) VoUi^ommenheit auf
Erden zu gelangeo. Wenn wir jezt uber ditf
Ver-
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— 3a —
Verdienrce diefer Moral eine UnteiTachung
anftellen: £o falTeii wir die Frage al]gemei«
ner: Hat Thomafius ein gfiltigeres Princip
der Moral aufgeftellt? Hat er pafTeude Mo-
tive zum Handeln gegeben? Ha( er die
fcbwere AuFgabe von der menfchHcben Frey*
heit ibrer Entfcheidung naber. gebracbt?
Hat er neue BinAcbten in die moralifche Na«
tnr des Menfchen gebabt oder Teranlafst?
Hat er insbefondre das Begehrungsvermdgen
des Menlcben tiefer unterfucbt nnd zerglie-
dert? Auf diefe und &hn1]che Fragen wird
Jeder, der feine Werke ftudiert bat» dreuft
mit Nein antworten kOnnen, wenn er gleicb
eben fo zuveriicbtlich nachgeben kann, da0t
Thoraafius auch in diefem Stiike zu einem
freyem Nacbdenken uber Moral und Sittlidi-
keit beygetragen und manche fehr richtige
Bemerkungen iiber menfchliche Cbaractere
geliefert hat, deren weitre Unterfuchung und
Anwendung fiir die fogenannte Philofophie
des Lebens gute Folgen gehabt bat. Darf
ich m^ Urtbeil iiber diefes Gleichnisreiche
Werk mit einem GleichnilFe fchlielsen: fo
ift der theoretifche Tlieil der Thomafiusfcben
Moral keine Anatonue oder> PbyAologiet und
der
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— 33 —
der practKche keine auf jene gegrundete Hei-
lungs- oder Gerandheitslebrei fondern das
Ganze ift eine Befchreibung der vornehmrten
Krankheiten und ihrer Zeichen, init Klagen
Ikber die menrGhliche Gebrechlichkeit und
einlgen difttetifchen Regeln durcfawebt, nnd
mit der Anweirung befchloIIeQy einen tuch-
tigen Arzt um Rath su fragen, wenn man
mit diefSm Rrankheiteo bebaftet fey *)•
JMit der Moral milers VerfalTers fcheinfe
lioh am beften der Beytrag Terbinden zu ]al«
fen^ den er zu elner practifchcn Antbropo*
logie geliefert hat^ die neue Erjinduug einer
wohlgegrUndeten und /Ur das gemeine Wefen,
hochftnothigen Wiffenfchaft t das Verborgne des
Uerzens aadrer Menfckent auck toider ihren
WUUn^ aus dem tUglieAen Umgange kennen zu
lernen. Schon Hltere Gelehrte wollten das
Pr&«
£in Hii^tCehler ift lodi diefer, da(t Th. fich
niciic einmahl efaie beftininite GrSnxe swifdien
tlieoretifcher iind piactifclier Moral feite. lu
feiner Ausiibuvrr komnien viele Puiicre \()r, dio
eigcntUch in di« theoieuTche EiaUuun§^ gehoret
htticen»
C
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^4
Pr^dicat einer neven Erfiiidung mclit ge)ten
iallen^ und beruFtcn iich auf das hundert
Jabr friiher ej-lbbidiiene Werk des Petrns
Pontius» delTen Ideen und Methode fie fogar
leichter, einfacber und niizJicher fandefi.
Docb wir baben tins bier nicbt auf Literatur
einznlaiTen. Thomafius fucht zu beweifen,
d^s die von ihm geruhmte PhyHognomik
indglicb fey^ da£i man nacb gewiilea in der
menfcblicben Natnr gegrundeten Begeln erft-
lich den HaaptaiTect eiues Menfchen, dsnn
die befondern L^enfcbaften deHelben er»
grunden^ und hieraos fowobl feine Braneh*
barkeit fQr den Staat, als hefonders feine
GeAnnung gegen uns felbft erkennen k6nne«
Dals eben diefe Kunft aber ancb gewifs fey,
erhelle theils aus dem Zuiuf jenes Weifen;
Loijuere» ut te videaui! tbeils aus der £r*.
fabrnng, welcbe uns feine Kfipfe genung
aufrtelle, die einen Menfchen aus einigen
Mienen, beym Spiele» bey Tafel und bey
andern Gelegenbeiten irollkommen kennen
lernten, theils auch daraus, dafs alles Thun
und Lafifen, wodarch Menfcben ibre AHieo*
t€n 2u verbergen fucbeUf aAectirt fey und
dergleichen Affectation nie lange daueru oder
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— 35 —
iinmmrfthr«nd gleich bleilien k6niie. Tho*
nialiQS felbft rahmt fieh , diefe Kunft fo
ziemlich inne zu baben, und erklart fich
su Proben bereit. Was er indefiGm in den
beyden hierher gehdrigen Schriften fagt, ift
abermahls nichts weiteri aU Scliilderung der
Yerfchiedenen Aeafernngen menfchlicfaer Lei*
denfchaften^ mit den VorzQgen nnd Fehlem,
die wir fchon bey der Sittenlehre angeraerlu
faaben. Seit £nner Zeit i(k ftber Menfchen*
kenntnis nnd PhyRognomik fchon fo manches
Gute gefcbrieben worden, dafs ein Auszug
ans diefen Werken, den ohnedem der Aas-
zug ans der Sittenlehre fchon QberfllirBg
macht) keinen ronderlichen Beyfall finden
wurde. Auch nahm er in der Sitteniehre
IMancbes wieder zuri&k.
Ueber das Natnrrecht waren feine Ideea
Jich ntcht gleich. In frilhem Zeiten legte er
das PuifendorBrrhe Princip der Gefelbgkeit
zum Grnndet eus welchem lich, wie es
fcheint, fein Grnndlatc der Tem&nltigen Ltebe
entfpann. In der Folga vcrwarf er jene
3Mteynungt nnd ftdlte dagegen den Grundiatz
tttf: lifan mufs dasjenige thun» wes das
C 2 Le*
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Lebdn der Menfchen danerliaft und glAldieh
macht) und iin Gegentlieil f. w. Hier uri-
ler£cheidet er drey Grundltoe, der Morel
(Honefti)) des WoMfiandes (Decori), nnd
des Naturrechts (Jufti). Der erfte lautet;
Wa$ du wilift^ dafs dir die Ijoute thun £oh
len, das thne du dir aueh» Man fieht, ohne
niein Erinnern» wie wenig diefes Princip
aiifc leiner Sittenlehre Itimmt* Der zweyte:
Was dn wiUft) dafs dir die Lente thun fol^
leni das thue du ihnen auch; und der dritte^
Was du wiUfti dafs dir die Leute nicht thnii
Iblleny das thne du ihnen nueh nicht. Ich
weifs fehr wohl, was in duii neueftcn Zei*
ten etnige Philofophen« und vor allen Kant
felbtb gegcn diefe Maxinie eingewendek
haben. Aber ich kann inich von der Kich-
tigkeit diefer Einwendungen nicht ilberzeu-
gen. Weder dec Unbarmherzige, nodi der
zum Tode gefiihrte Verbrecher konnen fich
hinter diefen Grund{atz Auchten, da er oHen-
bar die Beftimmung : unter de^fetben UnJtSn^
den^ in flch fafst. Und wenn alfo der reiche
Unbarmherzige iich entfchuldigen wolltei dal^
er
*) Grundleguog zur IVIeuph» det Sitten S. 6S»
- 37 -
er kelne Wohlthaten an Arme auszutheilen
brauche, weil er von Andern keine erwarte;
fo cLilrfeii wir ibn nur fragen: ob er nicbtt
wenn er arm und hedHrftig wilre, dergleichen
erwarten wiirde? — < fiey der grofsen Fa£s-
Kcbkeit die&r Aegeln wftnle es Tbomafius
leiebt geworden feyn, ern deutliches und
brauchbares Syftem des Naturrechts daraus
abzuleiten) wenn ibn bier nicbt abermabls
einige feiner Licblingsmeynungen auf allerley
X^ebenwege und Parado3;ieen gcleitet b^ten»
die dem Ganzen fcbaden. Die Lebre ron
der Untertb&nigkeit des VerAandes unter den
Willen tritt auch in leinem Naturrecht allen
pbilofopbi£cben Beltimmungen in den Weg^
ttttil feine Unbeftimmtb^t tiber dle Freyheie
des Menfchen lafst ihn zu keiner Entfchei-
dttng uber die Gultigkeit der meorchbcben
RecbtsanfpHicbe konunen. SelbA die Lebre
vom GewiCfen verwirft er als faft ganz un-
brauchbar lurs Lebent und der feftgefezte
Unterfcbied zwifchen innerer nnd ftuferer
Verbindlichkeit, (wovon die erlke den JVlen*
fcben tugendbaft) die leztre aber gerecfat
mache) ifi offenbar febr fchwankend. Diefe
Ideen gehdren jedoch nicht eigentHch zum
C 3 Na-
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— M —
NatniTeebfeey xmAi weiui HiomifiM, nacti
HuieJands Bemerkung die Principia ho-
Befii et decori gtnz weggeichiiitten fa&tte» (b
w&rde ihm die Ebre zu Theil geworden
Xeyn, die fein Schiiler Gundiing durcb ge*
vinge Miihe erworben hat, daSk man mit ihm
cine nene Epocfae in der G^lelnclite diefer
Widenrciiaft erofnen w&rde.
Ich darf die grofsen Kenntniffe nicht ver*
geCTen, welche Thomailus in der philofophi«
fchen Gefcbichte befitfs« nnd anf welche er
fich felbft etwas einzubilden fchien **). Viel
daTon hatte er geftAndUch den Handlchriften
feines Vaters Jacob Thomafios zu Terdanken.
Seine Gefchichte des Naturrechts ift noch jezt
m brauchbares Werk» nnd feine gelegenfe-
liohen Bemerkungen fowohl» als die befon-
dern Abhandlungen uber Puncte aus dieDer
Gefchichte zeugenf dals es ihm nidit an
hiftorilcfaen Datis$ wofal aber an derjenigen
Unpartheylichkeit fehlte» welche zu jeder
Arfc
*) Yerfoeh ttber den GmadlStts im Natnncediis»
8. aS. VeigL 8. 65 ond 91 L
**) S. Voixede xux Einl. ia die Vesn. 8, 561
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- 39 -
Art von Gerchichifchreibung unentbehrlich Ift.
SchQn der gehii&ige Name Scctirer, den er
/aft a]len philofopbifchen Schalen beylegt,
worunter er cinen eingebildeten und unduld*
ramen Vielwi (Ter Terftehtv und die Kennzei*
ehen der Secdrereyy welche er (z* B. in
den Cautelen Kap. 6. S. ii3.) angiebt, und
weiche grade in den Uduptlehren der SyQe*
me Ielb(t beftehen, multen ibm den ganzen
GefichtspYinct bey diefem Studiam Terriicken.
Wie dem aber auch fey, fo machte er doch
^e Gelehrten daranf aufmerkfam» yme riel
aus der Gefchichte der Philofophie iUr ciie
Bearbeitung diefer Wiilenfchaft felbft zii holen
ley, und wer die Schriften unfers Philofo»
pben und die Gefchichte des gelebrten Brukei'
gelefen hat> wird wifTeQy wie maiiche Be*
merkungen der leztre ihm verdankt, wenn
er gleich nicht immer die Qnelle nennt.
Da die Philofophie iu jenem Zeitalter an
Leibnitz und Wolf zwey tp wichdge
C 4 und
•) Leibnitz furb 1716. Thomaritis 1728. Wolf
1764. Des le2t.eni eifcex Au^BAthalt zit HaUe
£iiit Ton 1701 bia i^ai.
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— 40 —
und eifnge Bearbeiter gefundcn hatte: fo
driDgt iich uns die Frage von £elbrt auf: was
Tfaomafias Yon den Bemi&bangen ilieliBr Den*
ker gehalten habe? Offenbar zeigte er gegen
die Leibnitzirchen eine auHallende Gleichgiil-
tigkeit, und in Riikfiofat deflen, was Wolf
bis dabin verfucht hatte, ftuferte er Teine
Unzufriedenheit laut* £r tadelte die WolH-
fcfae Abfaandlung ilber die Moral der Sinefer
lcharf und bitter, nnd zog dcn Hochmuth
der Mathematiker durcb, die fich erkuhnten,
die Pfailolopfaie und insbelbndre die naturli-
ofae Tfaeologie nacfa den mathematifisfaen
Grlindfatzen zu yerbeUern, oder vlelmehr
zu ▼erderben a« £ w* Wer indeflen die
oben angeflftbrten aflgemeinen Puncte 0ber
den Geift und Character des ThomaHus ver>
gleicht^ und daatu nimmt^ da(s er, gegea
die lezte Zdt befonders» fone Thfttigkdt an
ZU vielerley und verfchiedne Gcgenftiude
wenden murte» den kann diefes Benefamen
water nicht befremden: gewifle Menfchlicfa-
keiten nicht einmahl gerechnet, von welchen
der gute Mann iicfa iiBlbit nicbt Ireyfpricfat^
Dia
*) S. delfea Anhang zu den Gmttifehun Uanddttm
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Die mjttelbaren Verdlenfte dlefes unver-
ge£siicben iUanne« um die Pbilorophie zu un-
terfuchen^ Uk hier m^e AbHcfat nicht. lch
babe dalier Ton feinen Schiileni und Nach-
roigern, von dein £inilu£se und der Verbrei-
timg feiner Pbiloibphie nichts zu lageii. Viel-
Jeicht wurde auch eine Erfirterung diefer
Art febr fchwer feyn, und ohne voUftandi*
gere Zeitgelchichte nicht grundlich ausfallen.
Tbomafius wird uberall gelobt, aber we*
nig gelefen. Sein Styl und feine ermudende
Weitfchweiiigkcit mdgen viel Schuld daran
baben. Ich glaubte daher, keine unnfitze
und zwekwidrige Arbeit zu unterneiimen»
wenn ich aus feinen beyden Werken uber
Logik und Moral einen kurzen imd k6mich«
ten Auszug Jieierte, und das, was er zur
Bericiuigung einiger Ideen in den Cautelen
nachgebraoht bat» hinzufezte* Da(s ich da-
bey Styl und Sprache reformiren mufte, ver-
Itand lich von lelbrt: aber ich habe mich
fehr gehfitet, feinen Ausdrftken, befonders
in wichtigen Satzen, foicbe neue unterzu*
fchieben, die ihm etwa zngleich neue Be-
grifle andicfaten k5nnten. Wo fch daher
einen beute gebriiucbiicbern pbilofopbifcben
C 5 Knnft*
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RanAaiiscTnik gebraaclit habe^ ift der deff
ThomaHus zugleich mit bemerkt. Jeder Le-
fer, der lich die Muhe nimint« dieie Aui-
zilge mit den Schnften felbft zu vergleichen,
wird mir das Zeugnis einer treuen Ueber*
fetzung nicht verfagen kdnnen. Binzelna
fehr trefUche Bemerknngen und Ideen dea
Verlarrer^ haben mich fiir die Miihe belohnL
Einleitung zu der Vemunft-Lehre u. £ w;
Vierte Auflage. Halle 1711. 8.
Ausuliung der Vemunft • Lehi e u. £ w»
Halle 1710. &
Von der Kunft ▼emfinftig und tugendhaft
zu lieben , oder Einleitung zur Sitten-
Lehre u. £ w. Ualle 1710. 8.
Von der Arzeney wider die unTern&nftige
Liebe , oder Ausiibung der Sitten*
Lehre u. £ w. Ualle 1704« &
H6cbftn6thige Cautelen, welche ein Stu-
diofus Juris u. {. w. Uaile 1729. ^
AUS
43
A V S ZV Q
AUt
CfflL THOMASKJS VERNONFT-LEHRE.
Die Vernunftlehre bat die Abiicbt» die
Menfchen zu unterweifen, wiejie ihre Ver~
nunft in dcr Erkcnntnis der Wahrheit uberhaupt
recht und gemeinnStzig gebrauchen /ollen, Sie
Itk in der Natur der men(ch]ichen Vemnnrt
fclbft gegriindeu Die Regeln, welcbe lie
giebt, Hnd ganz allgemeini ilber den 6e-
branch der Vernnnft uberhaupt zur Nachfor-
fchung fowohl als Erforrchung der Wahrheit:
die Anwendung diefer Keg^ln ift andem Wif*
llenfcbaften iiberlaffen.
Sie hat zwey Theile. Der erfte enthalt
die a]]gemeinen Begriffe von Vernunft, Wabr*
beit»
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— 44 —
lieit, PrincipieB und Kriterieii cler Walirheit.
Der zweyte begreift eine Anweifung zur Er-
forrcbuog und Mttheilang der Wahrbeit, fo
wie zum Verikeben« Beurtfaeilen nnd Wider-
legen fremder Meynungen.
Theoretifche Logik.
Ii Von der menfchlichen Vernuiift
Um die Vemunft gehOrig braucfaen za
lerneH) mufs inan erft wiflen, was eigent-
lich Vernunft (ej. Um dieis zu wiflen»
muls man Torher unterfachen^ was der
ganze Menfch fey.
Der Menfch gehfirt unter das Gefcfalecht
der Tliiere. Aber er ift von allen Thieren
unterlcbieden, nicht fowolil durch liBin Aeu-
feres und den Bau feines K^rpers: a]s riel-
mebr durch innre Eigenfchaften.
§. 3.
Der aufiallendfte Unterfcfaied befteht in
der Rede. Kede ift die Bczeichnung menfch-
licher
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— 45 —
ficher OeilAnlcen (Vorftenungen). Gedanken
find innerliche Reden. Wenn ich denke>
fo rede ich mit inir £tlh£t iiher die Formen,
Vorfcellungen CBUdungen), welche durcb die
Bewegung auferer Kurper vermittelTt der Or-
fane meineleii Gdhirne eingedrUkt werdem
Unter ftofern KSrpem ift alles das zu
verftcben) wa$ aulerhalb meiaes Gehir*
nes ifi»
§. 4.
IKe Suuilichkeit ift dop]pelt« aufere^ wenn
das Grehirn unmittelbar durch Aufere KOrper
vennoge der Organe afiidrt wird> und ianre^
oder fiewuistfeyn.
im gemeineA Lelieit verfteht man un*
ter auferer Sinnlichkeit die Sinnorganc.
AUein dUfe habea heine nfirkliehe Sinnlich^
heit, weil diefe nie ohne SrkemitHis und
yorftellung ftyii hann,
Zum innern Sinne gehoren Einbildungs*
kraft imd GcdAchtlus»
§. G.
Die Gledanken (Vorftellangen) £nd ent«
weder Leidend oder thiitig* Jenes find dtc
Vor*
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4b —
Vorrtellfingen der &urem Sinnlichkeit. Diele
belteben darinn, da£5 der Menfcb die em*
pFangenen Eindrake znlkmmeBfezt« ordnct^
unterfcheidet (ReeeptiTitftt und Spontanei-
t*t.)
1. WabrrcbeinU<:h gebt das Denkgefchilt
im ganzen Gehim Tor. Man wurde rie]-
leicbt durcb JViicroscope die Eindriike
der Formen im Gehim entdeken, felbltt
nrenn man, ohne den Menfcfaen zn tdd«
ten, iboi cUe Hirnfcbale abfagen kdnnte»
die Bewegungen beym Denken im Ge*
hirne entdeken k6nnen.
2* Unterfcbied der Vorftellungen und Hand-
longen der Thiere. N&chft dem« was
Inftinct und Gewohnheit thut, haben lie
wohl eine Art von innerein Bewufstfeyn,
aber wir kennen diels fo wenig» wie
das innre Wefen andrer Dinge.
Der Menfch ift rnn k5rper1icfaes Wefen,
welches iicb beweoen und denken kann. Er
befteht aus Leib und Seele* Die Seele ift der
Tkeil^ •melcher denkt, Weiter kann ich tton
der Seele nichts fagen.
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§. 7-
Die Gedanken des MenCcben be£tehen in
zwey Terfchiednen Arten » Verftand nnd
Wiilen.
Verftand heiOst aucb fonik Vemunft^
wir brauchen diefe AusdrSke einen fQr
den andern. Ocfters umfaf^t das Wort,
Vernunft» Verftand undWillen zufammen.
$• 8.
Der Verftand ift die leidende oder th&tige
Vorftellung Tom Wefen und der Befchalien-
heit der Dinge.
Die Wirkungen des Verftandes, in l\uk-
licht der &ttfem Dinge) find entweder atetei*
felhaft oder von alUm Ztomfel frey. Bey jenen
fragt der Menfcli immer nach etwas: die
leztern beiahen oder Teramnen etwas be>
llimmt.
Sie gchen auf ein ^uferes Dlng entweder
an und fUr Jich » oder in Verk<nis mit an*
liem Dingen. In jenem Fail^ wird das Seyn^
Wefen und dic Bcjchaffenheit eines Din^es
ftberhaupt oder der Theile dellelbeni auf
die Fragen: Ob| Wenn^ Wo, Wie, In*
wieferD? unterfucht. Im leztern wird eine
Gieitik-
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- 48 -
OUichheit oder Uaterfckied^ auf cUe Fra-
gen: Wie Tiel» Wi^ grofs, Wie glcich?
betracbtet» Aulerdem kommt der Dinge
Beutegung^ Oaaer, Vrfpnmg und Wirkung au£
die Fragen: Wohcr» Wohin> Worau«, zu
was £ade? in Unterluchung.
§. 9.
Bey allen dielen Vorrtellungen wcrden
dem Gehirne Formen (Bildungen} eingedrilkti
Welche durch die Bearbeitung des Verftandes
Abftractionen werden. Die AuAafsung diefer
Abftracdonen, wie lie ron rorhandnen Din*
gen an nnd f^r fich reranlaist wurden, ift
Cedachtnis, Die Zufammenietzung oder Un-
terlcbeidung derfelben nach eigner Willkuhr
ITt Werk der Biabildungskraf^^ Aus erkann*
ten Abftractionen unerkannte hervorlucbeni
ift das Verm&gen zu fchliefsenm
$. 10*
Diefe Wirkungen des Verrtandesi oder fir*
kenntnilTe, lind k]ar u. f. w. Eiwe klare Er*
kenntnis ift die, welche dem Verftande» von
vorhandnen iinnlicben Gegen£t&nden} clurcb
die aLufem Smne und durdb eine Aarke Be-
we*
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- 49 -
wegung mitgetfaellt winL Dttnkel ift Jie»
wenn der Gegenfumcl von den Sinnen ent-
fernt iit» oder fie nur fchwach afhcut.
DettHich^ wenn ich die Theile eines Ganzen
erkenne. Undeutlichy wenn ich nur das
Ganze (Mannigfaltige) mir vorltelle.
IL Von logifcheii KuDftwdrtern.
$• 11.
Kunftworter find allgemeine Begrifle von
dem V/efen der Dinge uberiuiupt.
§. 12.
Ein Ding^ Btufos ift das, wodurch ich
aHeSf was in nnd aufer dem Menrchen war,
ift und feyn wird, verftehe. Das Gegentheil
ilt HicJits. Was feyn kann, ift ein mdglick
tiingf was blols in der Vorftellung ift, heilst
ein Gedankendingy was aufer der Vorftellung
wirklich ift» heifst ein reelles Ding, Jedes
reelle Ding ifl^ Das Seyn cines Dinges ift
ch dcs Menfchen Sinnlichkril alK-
cirt wird. Das Seyn ift iiberall Einerley»
das »^«11 i£t fo vieUldtig, wie die IKnge
felbfu
D Alles
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— (io —
AUeA ttbrigei wit ia den gewflliiili»
cbea Ontologieen*
UI. Von der Wahrhelt.
Wabrhdt ift die Uebereinftiiiimiiiig der
aenfcblichen Gedanken (VorfteDungen} nrue
der BercbafFenheit der Dinge auXerhalb der
Oed«nken.
fS.ub der Verftand mit den I^gen,
oder diele init dem Verfcande iiberein*
Aimmen? Diefe VebereinftimmMng wird
9on beyden itMgieiek vorautgefezit die
fera Dinge mechen nur ^leichfam den An»
fang daziu Denn die Aufexn Dinge find
fo befcbafleny dals £e Ton dem MenfcbeiK
erkannt werden konnen, und der Ver-
ftand ift fo befcbaHeny dais er die &ufeni
Dinge erkennen kann. Die Sitfsm Dinga
afjiciren die Receptivitut (EiuplincllichlceiO
4es Verftandes: diefer aimmt die Eindriili§
vergUiekt mnd tmterfeheidei fie^
Die NichtubereinfLiramung zwifchen Gc-
danken und G^enltiindeB erzeugf das Faifchek
Bin fi&r wabr gebekcnes f^allbfaei ilb tmktmu
D a Die
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— 6i —
IMe Schold cler Irrthftiiier Hegt mehr as»
VerftaDciei als aa den Dmgen*
f 14-
Das Wahre ift entweder unftreitig reokr^
oder nur wahrfGheinlich.
Uifireitig wakr ift das, tob ietSen Ueher»
einftimmung jeder Ternunftige Menfch, dem
wir es mit deutlichen Worten erki&rt haben»
mit uas ▼ergewiflert iSu IVahrfcheiidiekf weim
der innere Beyfall mit dem Gedanken verge*
rellfohaftet ift, da£s die Sache hch andert
Terheiten fc6nne.
Diefe Unterfchlede des Wabren rubren
fon der verfcbiedenen Befchaifenheit der Ver*
nonft in einzehien Sal^ecien her*
Alle onlere VorfteDungen lind nur wahr
oder faUch» la Btziehung aiff etteat aafer
iknem
IV. Von den Onindwahrheittii imd a]I«
gemeinen Frincipien*
$. 15.
£ine Wahrheit i£t mit der andem Ter^
iuifipft, ond Te lange eine Wabrheit aus der
J) 2, an«
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— 6a —
andern erwiefen wird, i£t jene me der Uaupt*
gnind. Eine undwahrheit mnft nnerweifs-
lich feyn, d. h. weder hewiefen werden
kfinnen, noch dftrfen. Man nennt fie Prin*
clp, indefreii ift Grundwahrheit und Princip
unteifcbieden.
Ein Princip ilt ein unerweilsliclier , allge"
meiner, einziger Grundfatz, welcher den
Grundbegrif aller wahren Erkenntnis enthaltk
£s heifst: Alles uaas mit der Vernunft des
Menfchen Ubereii^immt ^ ift taakru Altes^ WM
ihr zuiaider ifty ift falfch»
Aher worinn beftehet diefe Uehereinfrlm»
mung? Wir faaben gefagt, dafs alle Gedan-
ken (Vorltellangen} entweder leidend oder
thatig iind. Jenes die Anfchauungen (Sinnen ),
diefes die Jdeen des Verftandesj Begrilfe.
Mthin zerfallt Jenes Princip in zwey be^
fondre:
Was der menfchliche Veiftand durch die Sinne
erhetmtt ift idoAr. Wat den Siimen zm*
iftider ift, ift falfch.
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^ 53 ~
Ks wlrd Torausge&zt, daft cler Menfbh
gate Sinnen habe und in dem Zuftande
des Tollen BewuHstreyiis fey.
Die Sinne trugen nicht. Man unterfcheids
nur die yorftellungen von dea Gegen/tiin^
den felbfi* Jene tiiufcken luu memaU%
diefe kionnen nnfich gan% anders feyn^ als
unfre Vorft. van ihnen. Pie Schuld fol»
dier Taafchuag Uegt keinesweges an den
Sinnen^ /onder» aa d^r yareHigkeit
fers Urtheib.
Wir miinen die ErkennUiine (Vorlt.)
von mem Objecte nicht dem Objecte
fclbft afufchreiben , wenn fie fich ver-
mittdft der Sinne bey uns Teiftndern
z. 6« Warme.
Wir mufren eben ddrum nie abfolut,
londem relati? Ton folchen Vorftellun*
gen nrtheilen.
Die Begriffe ftehen mlt den Anfchauungen
(Sinnlichkeiten) in der engften Verhindung.
Die Sinnlichkeit ftellt mir lauter Individua
vor, ohne Ordnung und in ManrilgfaJtigkeit.
Die Verkniipfung und Unterfcheidung diefer
Eindrftke ift eine Wirkung des Verftandes»
welchc theiU vorher im Vermda;en des Men-
D 3 fui.eii
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^ 54 -
fcben gexirefcn feyn mii(s, tholt nachlier ane
«gner Willkuhr entrteht.
Obne Verltancl warde der MenCcb nicht
Menfeh leyn. Ohne Snnlichkeit wftrde Sm
Verftand nicht thatig feyn kdnnen. Die Be-
^''iff^ fitzen durcheuts Anfehammgen wrmu,
Kihil eft in intellectn, qned non prins Aierit
in fenru. BegriiTe find DeHnitiones rerumi
d. h. allgemeine Befttmmnngen der Dinge.
Alfo lahtet der zweyte Satz:
fVas tnit den Bcgriffen.^ welche Jtch der
menfchliche Verftand von den durch dit
Sinne ikm porgeftelltea Ob/eeten macktn
Uhereinkommt y ift loahr* JVas ihaen ZM*
•mder ift, ift/alfch*
Von den apodictifchen Wahrheiten und Un«
wahrheiten« die darch die erften Prin*
cipien erwiefen werden.
$ 18.
Das anfgeftellte Princip wird ichlechtw^
verftanden. Und mit ihm find alle Wahrhei*
ten verkniipft. WDl ich alfo andre Wahr-
heiten begreifen« fo muis icb ihre Verknilp»
fnng mit dem erlten Princip begreifen«
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$; 19*
Bet^eifen heifst darthun, dafs und wie
eiae Wahrhcit mit dem eriieu Princip. ver-
knftpft ley.
90.
Es ift ein grofser Unterfcliied zwifchen
Wahr mid FeUch reyn, wid zwifbhen Cr«
keuiettt dals etwec wahr oder falljbh fey:
zwifchen erkennen, dafs etwas falfch fey,
und eiwas Falfches erkemien. Jenes hei£ist|
«nfehen* daft ein Snbject nnd Pr&dicat iich
widerfprechen : dieCs heifst, zwcy wider-
fprechende Begrifie als nichtwiderlprechend
li^greifen woUen*
V. Vom NichterkeimbareD»
Btwas ifk nickt erkennbcr» entweder Bax
Veraunft fiberbaapt, oder filr duizdno
Menfchen. Unter das erftre geh5rt z. B. der
Begrif Ton Gott. Die Vemnnft erjunm, dafii
cin Gott fey, eber das WeAn deflelben er«
kennt Ae nicht; fie kann nur lagen, was
Gott nicfat fey. Die leztre Art des N. ift ea
lidi dentlififa.
D4 VL
56
VI. Vom Wahrfchdnlichen.
22.
Wahrrcbeinlicb ift^ wobey der Verrtaud
einfiebt» daik es euie blo($e Ide^^nung fey«
die er zn kelner Gewifsheit brln«en kann.
( Ucber eigne unfl fremde Erfahrung; von
der biltorifcben GlaubwurdigkeitO
Aller Beweifs ift nur wabrrcheinh*ch, wenn
der Gi und delTelheii auf fremder Crfabrung
oder Inducdon berubk.
V0. Von den GegenftSnden der Er-
kenntiiis.
§. 23.
Der Menfcb wiU erkennen , entweder die
Dlnge aufer ibni« oder Hcb felbft.
I. Duijgie aufer ibm.
Uier kommt ^uerft in Betrachtung, ob
JU gegenwlirtigy yergangen oder kunfdg find ?
Von abwefenden Dingen ift unlre Er*
kenntnis nur wahrfcheinlich und dunkel,
weil wir fie nicbt durcli die Sinnlichkeit
nns forftellen kSnnen. Eben fo ver*
gan^ne und i^iinftige Dinge.
£m
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- 57 -
Ein gegenwlrtiger «nd KlnlAnglich na*
lier Gegenftand allein giebt klare und
deuUiche Erkenntnis» und zwar um ib
mehr, je l&nger dieler Gegenibuid Tor
uns dauert.
$• 24-
Der Menfch hat keine gewifFe Erkenntnis
Ton einer SubCtanz» Xbndem nur ron den
Accidenzen.
Die Accidcn^en kunnen unter zwey Klaf-
len gebracht werden, Korperlichkeit und
Bewegung. Von beyden liaben wir klaro
und deutliche Ei kenntnis.
Alle Beweile fetzen eine Subftanz voraas»
▼on welcher etwas pr&dicirt wird. Aber
nlchi die Subftanz felbft, fondern nur die
Accidenzen werden dcmonririrt.
Wir erkennen an den Dingen die Materie^
infofern fie uns afHcirt, klar und deutlich;
die Fonn^ d. h. die Vereinigung der Theile
in der Snblbinz nicht fo* Wir erkennen die
vorhandne IVirkung einer Subftanz, den Ur-
fprung nicht immer, £$ giebt eine erfie wir*
ketide Urfaeke^ aher ihr Welen erkenncn wir
nicht. Die Endzt^eke nur wahi fciieinlich.
D 5 $.25.
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^ 58 «p.
Die Einfcheilung in geiftige und korperli-
cbe Sttbftanzen fAllt weg, fo lange mm nacii
der bloCsen Vernunft Terfkbrr* DerVerftand
kann iich von Geilt keinea Begrif inacben*
$• s6i
Eben fo wenig darf man die kdrperlichea
Subftanzen tn einfaefae und zalammengefezte
thalem Das Elnfache kann der M enfch nicht
erkennen. Alle Gegenftilnde unfrer £rkennl<*
lut iind zulammengefezti
Ueber die Eingefcfarinkth^ un&tlt
phyfifcben Kenniniffe.
$• flf.
II. Der IVIenfch felbft.
Der Grund aller Wahrheiten liegt im Men-
Ibhen lelbft, nnd der Menfeh hat ron licb
die ge^-ifTefte und meifte Erkenntnis.
Kur inXbfern nidit^ als er ein Wefeii
liat« welches mit den Dingen aufer ihoi
cine Gemeinfchaft har.
Der Menfch kanit Tcrmdge leines Ver-
Jbndes mle Wafarfattten eriindenf und fae-
ilzt Kunlkfertigkeit.
Xwar
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- 59 -
7war welfs er nlcht, was feine Secle
fey, dic in ihm denkt» aher er weilc» was
die Gedanken ibyn, die in ibm Ton der
Seele gewlrkt werden.
Von andcrn Dlngen erkennt er die Zweke
nnr walirrcbeinlich: feinen tignen £ndzwek
nnftreidg gewits.
£ben fo gewifs kennt er da« Prindp Jbis
nec Thiuis nnd Laflens.
Er kann fogar andrer Menfcben Gedanken
und Eigenbeiten kennen lernen» und weilii
iSsine Beftimnmng aof Erden.
VHL Von ErfindnDg neuer Wahrheiten*
Die Erfindung neuer Wabrheiten ift die
Ablcitmig neuer ScbJuffe aus bekannten Mit»
te1*$ttzen. Experirey Defim, Divide.
DeHniiion ift eine Bezielmng dcr Gedan-
fcen Ton allgemeinen Begriifen. Sie ift ent*
weder nominal, d. h. lie ftellt das Allge-
meine dar, ah ein mit andern verbuncl-
nes oder in Tbeile theilbares Ganze liber»
hftupt: oder real, d. h. fie ftelh es vor«
als ein mit andern nfthern Ganzen verbund-
nes
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^ €o
nes und m die Tornehmften Tbnle theilba*
t9S Ganze,
Man kann keine Definidon haben, wena
nian niclit das Ganze zuvor in Theile getheilt
hat« Delinition und DiviHon find aifo genau
Terbjinden* Denn man kann wiederumt ohne
zu deHniren, kein Genus in feine Speclcs
theilen. Jede neue Theiiuog giebt eine neue
Wahrheit»
Ueber hypothetifch, afiinnatiT) ne*
gatiT u. £ w,
IX* Vom Irrthunu
§. 29*
Irrthumer haben ihren Grund a) in der
luiturlichen Unvollkommenheit des Menfchen
Ton Kindheit am Alles muGs dem Kinde
durcb andre IMIenfchen beygebracht^ oder in
ihm cntwikelt werden, und diefe Menfchen
fmd felblk toU Irrthamer. b) in der Neu*
gierde, welche felten Aufmerkfamkeit nnd
ruhige Betrachtung zulafst, und ftets mit Un-
geduld Terbunden ift» daher wir Schein mit
Wahrh^t, Vorfielluugen mil Objecten Tcr^
wech-
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— 6i —
weclifeln. c) in allzugrofser Sinnlictikcit und
Leiohii^liiuliigkeit.
Man nennt <lie Irrtbiinier Vornrtheilc^
the^ls, wei] fie pewShnHch dann entrtehn,
wenn die Urtheilsivraft n icli niclit reii" ift»
theiU» weil der Meiifch eher urtheilet» als
er gepriift hat.
Es giebt Vorurtheile des Anfehens und
der Uebereilung. Jene find itlter und fchwe-
rer loTs werden. Gew6hn1ich /ind lie
beyde verelniget. Nachlafslgkeit, Ei^^enliebe,
Gewohnheity Furcht Tor Neuerung) Ehrgeitz
und HerrrchfuGlu bekr&ftigen und (t&rken fie.
Practirclie Logik.
l Von der Erforfchung der Wahrheit.
$. 3o.
i) Hebe dle Hindernifre weg» und be*
ftreite die Vorurtheileb
Zw^ifle. ZwelFeln heifst entweder fragen,
ob €t'-:>as m der Welt wahr oder falfch, oder
ob nlcht Yieimehr aUes blofs wahriicheinlicb
fey? oder fragen, toas denn wahr oder
falfcii oder wabrfcheinlich fey? Jeuei; ili'
der
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— 62 —
der ibeptirciie) cliefes der dogmatifche Zwei*
fel. Der erftre iA Xborlieiti der leztrc^
Weg zttr WeitheiL
Woran XbU man zweifeln? Nicbt an den
erften Grnndwafarheiten oder Principien. denn
diefe bediirfen keines Beweifes. Sonderxi an
den Fo]gerungen aus den Principien» Zwei"
/€/a hei&t nemlich, die Vrmeipien. auffueken^
und darnach alle Vorftellungen priifen. £s ift
alfo einorley mit fragen und fuchen*
Zweifeln ift nicht gradebin etwaa ftlr
falfch halten* Denn
a) was man fiir falfch halt, deOett Ge-
gentheil erklftrt man llir wahr* Ift die(S|
fo k5nnte man nicht Xagen, da£s man die
Wahrheit noch fucke.
b) die Sceptiker fellxOt, welcbe an allem
xweifeken, hielten alles l^r wabrlchetniich
oder unwahrfcheinlich , nie furfalfch, dena
jfonft biUten £e das Gegentbeil fur wabr er«
klAreu mftCfen.
c) £twas anders iltf eine Sacbe fur falieiiK
und iie nicht (Hr wahr hafeen. Ecwai anders
blind feyn und nicbt fefaco»
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— 63 —
9) Vet^aCTe dich in Erforrdinng cler Wahr*
bcit iiienials auf das Anfeben irgentl eines
Menfcheii.
Unfre Handlangen follen wir nach dem
Willen andrer einfichtsvollcr Menfchen ein-
richten: dtr Ferftand ober i/t keineii Gefetien
matenoorfeiL,
5) Hiite dlch ciner Sache als unftreitigen
Wahrheit Beyfall zu geben« wenn du die-
1le]be nicht niit allen Umltladen unterfuchfe
uiid gepriift haft.
4) Lerne unterfcheidenf was Wahrheit
«nd Wafarlcheinlichk^t ift» was wir gewils
erkennen und was tvir blofs wabrrcheinlich
einliehen kdnnen.
5) Unterlcheide nttzlidie nnd beloftigende
WiJCTenrchaften. Unter jenen lerne vcr aUen
die« welche dich glukiich macht.
Die wahre Weish^t fnche in ditv
nicht aufer <lir.
Lerne dich jCribft erkeaneni Das
heilst:
1) Siehe unter dicb, betrachte den Un-
tierfcbied zwilchen dir und den Thieren.
2) Siehe um dich» nnd bemerke deina
VciLaltnifle mit andern Menfcben.
3)
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— 64 —
3) Siehe uber dich, auf Oott.
Nach dem SnfialTe auf diefe Weisheit,
nicht nach ihren erlten Grundlatzen und ih-
rer Gewifsheit, beurtfaeile den Werth einer
jeden WiHenfchaft.
II. Vou der Mitthdliing der Wahrheit,
(Mehr eine Anweifung PSlt Jngendlehrer,
als eine allgenieine Melhodik. Folgeade
einzelne ideen Jbbienen mir des Ausbe-
bens wertb.)
$. 3i.
]VIan lagt oft, die allgcmeine Ruhe wurde
▼erlezt werden, wenn die Unterweifung der
Menfchen, wie fie die Finftemis ihres Ver»
Itandes vertrelben foUen, (Aufkl^rung^ Je*
dem frey ftand& AUein JSlenfcfaen) die
diefs behaupten, wollen mit Fleifs das Keich
der Finfcemis vertheidigen, weil fonft ihr
Interefle nnd Anfeben litte. Die aligemeine
Rube kann durch die Lehre der Weisbint
iiicht verletzet werden, iie hat viehnehr
keine feftere Stutze, ak diefe, und keinen
gelahrlicherea Feind, als den Irrtbum.
Der
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— 6» —
Der Verfund l&£st ficfa nicbt zwingen:
wer ihn von Irrthiimern reinigen will, mab
es vvie cin Arzt maclien. Der Arzl erziirnt
Jfich nicht, wenn (ein Kranker nicht gefund
wird. Wir ddrfen Andere^ die wir beleh-
ren wollen, nicht verfolgen, und Nieman-
den unlre Meynungen mit Gewalt aufdringen.
Wer andre wegen ihrer Irrtfai&mer nicht dnl-
den wiil, gleicht einem Arzte, der in eine
Stadt ▼oU Kranker k&me» und verlangtei
fie foUten alle fort gehn oder gefand werdon.
Aher man macht hier einen Un leiTciiiod zwi-
fchen gemeinen und anftekenden Krankhei-
ten. Ich antworte! je geHhrlicher eine
Krankheit, defto treuer fey der Arzt. Der
Irrthum kann der Wahrheit nicht Icbaden,
wenn He einmahl Raum gewonnen bat*
ni. Vom Verftehen fremder Mevnungen.
$. 32.
(Voraus eine Anweifong zur Benutzung
des Unterrichts.)
Allgemeine Regeln der Hermeneutik.
i) Betracbte die Perfoni welcbe fpricfar,
nach allen ihren VerhlLltnirren.
E 2)
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— 66 —
2) Verg^fs nichtf wovon otiieiitlicfa der
Autor reden wi]]. Nimm a)fo atif das Vor-
hergehende und Nachfolgende KiikXicht.
3) Unttr zwey Auslegttngen einer Stelle
ift die ▼em&nftigfte Torzuzielieii , ausgenom*
meni der Autor habe nicht Ternunftig icbrei-
ben woUen.
4) Man muls der Anslegung folgen, weV
che mit den Principien und der AbHcht eioes
Autors am be(ken itimmt.
IV. Vom Betirtheileii firemder Meynungeii.
(. 33.
1) Urtheile nicht von Andrer Meynungen>
wenn dn nicht in deinem Kopfe aufgerftumt
haft.
2) Urtheile nlcbt iiber Schrlften aus einer
Wilfenfcbaft» welche du nicbt verfteh&.
3) Urtheile nidht von einem Bucbe, wenn
da es nicht gelefen haft, und zwar mit ge-
b6riger Aufmerkfamkeit.
(Man mt gew5hn]ich fiber die Htel
der Biicher her. Je auHallender dlefe
find, defto beder (cb^t das Bucb felbft.
Etn polidlcher MauIaAe oder Feuermauer-
keh-
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kehrer yerkauft fich reirsend. Eme Dis*
patadon» welcfae nebft dem lateinUcbea
Tltel noch einen dentichen hat, rerkauft
Ach belTer, als andre. Wenn das Wort
csnriOs oder Cariofititen aof dem Titel
Itehty fo glauhen die Verleger, dals £e
das Buch defto eher lo£s werden.)
4) Urtbeile nicht Ton «nem Bucbe» wenn
dn nichk Hermeneutik verftehft.
5) Urtheile nicht» wenn du das Budi
nicht m!t geh5riger Unbefangenheit und Kalt-
blatigkeit gelefen halb
Kennzeichen eines kritifchen Ca*
lumnianten.
1) £in Calumniant dichtet einem Schrifi*
fteller einen Veritand «n» den er nie
im Sinne gehabfc*
2) Ein Cal. hebt zweydeatige Aasdrfike
aa$ dem Zufammenhange, Ift&t WOrter
aus, und riikt eigne ein*
3) £in CaL rechnet die Febler des Ueber-
fetzers dem Autor, des Sehiilers dem
Lebrerj des Buchdrukers dent Verfaf*
Sjsr zvt.
Ua 4)
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— 68 —
4) Ein Cal. giebt ftir die Meynung des Ver-
faHers felbft aus, was diefer aiidern Per-
fonen in den Mund legL
5) £in Cal. Aeht nicht auf die wafare Ab*
ficlit des Verf., fondern fcbiebt ihm eiiie
erdicbtete unter.
6) Ein CaL vergleicfat nicfat die dunkeln
Stellen eines Autors mit den deutlichern.
Ein Cal. legt einem Autor leine alten Irr*
tfaClmer immer von neuem zur Laft.
8) Ein Cal. macht irrige Confequenzen aus
dem Satze eines Autors.
9) Ein Cal. legt das Siillfcfaweigen feines
Gegners als Bekenntnis, dafi er iiber-
wunden fey* aus.
10) Ein Cal. richtet fich nach Andrer Tor*
l^ufigen Urtheilen.
V. Vom Widerlegen Andren
(Das Gew6bnlicbe uber Disputiren nnd
Streitfchriften, mit fcfaarfen AusllOIen
auf die Streitigkeiten der Gelehrten.}
AUS-
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69
XVBZVO
CHR. THOIVIASIUS SITTEN - LEHRE.
I. Einleitung.
Wahr und Falfch, Gut und Bofe beziehen
iich nur auf die Verfaiiitniire der Dtnge gegen
«inander. Wahrheit befteht in der Ueberein-
rtimmung der aufern Dinge mit dem menfch'
Hchen Verftande. Gut uberhaapt heifst,
wenn zwey Dinge llbereinftimmen « biife,
wenn eln Ding dem andcrn zuwider i£t,
Ueberein£timmen hei£st hier, we«.<« ein
Ding das andre in feiner Sabfiftenz crh<»
und deilen Wefen vermehrt.
£ 3 Das
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^ ^
Das Giife bedeutet aUo dle Ueherdnlkidi*
mung der DLnge mit einander iiberbaupti
Die Oinge, Ton denen man fragen kann»
ob lie in Rftkfiebt des Menibben gufc oder
b^fe find, Hnd entweder in und an» oder
«uier ibm*
Die Dinge in und am Menlbben fihd gut|
t^dl lie zu feinem Wefen gehdren, (den
Willen ausgenommen }. Die aufer ihm find
an iicb f^r ibn weder gut nocb bd(e« fie
werden es erft durob Beziebung auf ibm
Das allgemeine Gut des Menfcben ift die
SttbBftenz, und diele ift gut.
A]]es alfo, was clie Sabfiftenz det Gfan*
zen oder eines Theils, als den Grund
des Gutent A6brt oder Temicbtet» ifi;
bfile.
•) AUe Dinge iuid airo gut oder bdfe^
je naehdem die Subfiftenz des Men»
fchen dadnrcb erbalten oder geikObrt
wird.
b) £in knrzes Gute, welcbes nit a*
nem langen Uebd Terbnndfln Ift» ilb
bdfe.
o)
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— 7» —
c) Das Gute, welches die Sabfiftenz
emer meofchlicben Kraft befdrdert^
nnd der andem fubfiAoiitem Knft
Terringert» ift bfilb.
AHes, wa« det Menfcfaeii WeCiui wid
Kr&fte am dauerndTten erhlUt und ver*
mebrt) ift gnt»
§. 3.
Der Menfch foU fich bemuhen, das Gute
csii erlangen. Dte Anweilung dazu ^bt die
practifcbe PbOoropbie. Sie ift alfo die Wif«
fenfchart, welche den Menfchen unterweife^
wie er glukfeelig werden XoU.
Wir miiilen aber erft wilfen, was Gluk*
feeligkeit ift, nnd dttnn die Hindernif&t bin-
wegr&nmen , die ibre Erlangung bindem»
Diele HindernifCe kommen entweder aus uns
ielbft, d. b. aus unlem LeidenlcbafteQ
davon bandelt die Sittenlehre — • oder Ton
auisen , tbeils dUrch Mangel — Haushal-
tnngskunft , tbdis durch Furcbt vor Ge-
walt nnd lall — Politik.
£4
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TL Von der hdchften Glukfeligkeit.
§* 4-
Die Sittenlehre ifr die WirTenfchaft, wel-
che den Menfchen unterweilet, worinnen
fetne wahre tind hdcbfte GIikkfeHgkeik beAeht»
wie er diefelbe erlangen, und die aus ihm
enrfpringenden UindernilTe uberwinden und
hinwegr&umen foUe.
$. 5.
GlQkfeelig feyn, hdfst, das wahre Gut
beRtzen. Dle hochfte Glukfeeligkeit ift ent-
weder der Belitz des edelften Gutes, oder
der Befitz aller Gilter iasgefammt.
Das Leljen, oder die Verelnigung des Lei-
bes und der Seele» i(t der Grund alles Gutes
des Menfcben.
Unter den Gutern des Leibes und der
Seele iind die leztern die yorziigUcheni.
Die wahre und grdfte Gl&kfeeligkeit des
Menfcben Ijefteht in einem ruhigen Vcrlangen^
und gemSfsigten VorfteUmgen. Sie ifk ein
Wohlbefinden, welches darinn befkeht, dafs
der JVlenfch weder Schmerz noch Freude
aber etwas empfiudet, und in diefem Zu-
Itande
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- 73 -
ftande fich mit andern Kenfchen Ton gleiclier
Stimmung zu Tereinigen tracbteL
Sie Bielst ans einer vetnU/^tigen Uebe xu
mndem Menfehen, welche das eigentliche We-
fen des IMenfchen ausmacbt. Denn der
Henfcb ift ein gefelliges Tbier« nnd fein
fadchftes Gut ift, wenn t$ andeni) die er
Vuthtf woblgebu
Dcr Grund aller Moralitiit ift verniinftige
Idebe zu andem Menfcbent nicbt Selbftliebe.
Aber follte nicht Zt B. ein Geitziger»
Wolliirtling iicb felbft mehr als andre
lieben? Neint er liebet nicbt bcb, fon*
dern die Gegenftftnde ieiner Laiker*
§. 7.
In der zweyten Bedeutung ift die Gliik-
feeligkelt Inbegri/ der GemiUhsruhe mit deii
wefentiichen Giiternt iseiche dazu n&tldg Jindt
Weisbeit nnd Tngend. Andre GQterf Ge-
fundheit, Reichthum, Ehre, Freiindfchart
n. a. iind nicbt welentlicbe Beftandtbeile die-
tet GJftkfeeHgkeit.
E 5 UL
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UL Von Gott
Ohne & Brkemitiilt von Goti ift hiaB
Tollkommne Gemiithsruhe mo^liob*
$. 9*
Von dem Dafeyn eines Gottes ilberseagc
nns die ganze Natnn Er ifi: Scb6pfer nnd
Erhalter des Ganzen; wie? dariiber woUen
wir nicht griibeln, fondern loit Ehrfurcht
•nbetben. Die menfoblicbe Vernnnft ftebt ia
diefer Erkenntnis Gottes fdll, und hiitet fich»
da(s fie nicht weiter gehe, als in ihrera Ver-
m6gen ift. Aber &e bemubt Acb» ibre Be-
grifle von Gott znr Bef6rderung der GemfLtbs-
rube anzuwenden.
$• 10.
So Kndet fie» dals der Menfcb fchuld^
fey, fimie Handlungen nacb dem Willen
OotteSt als des b6cbften Gntes nnd des Ge-
bers alles Guten» einzurichten : die(s unbe-
grdBiobe Weien su lieben : und ibra sn ynx'
trauen. Diefes oitf Liebe und Vertrauen her»
rUhrende Be/trebea» nach Gottes iVUleri zu hcmi'
- t5 —
deln, er^ennt fie als den eiittigen wahren Got'
teuUenft: yon ikurern Ceremomen wei£i Ha
olchu,
$. 11.
Wer glaubt, da(s er zn diefem Gebor£inii«
cliefer Liebe , diefem Vertrauen nicht verbun-
den C&Yf entweder weil er an Gott und Vor*
fehttng zwttfeltt oder weil er Jich Gott als
abhRngig, als Inbegrif der Krea*^uren u. f. w.
denktf der iit ein Atheift einer der grolten
imd miglftklicfaften Tboren.
Wer etwas fiir Gott h^lt, was unmog-
lich Gott feyn kann, ift ein Abgbtter. Der
leztre ift in pracd(cber Rllkficht rchlimmer»
der Atheift.
Atheismus und Aberglauben ftOhren und
hindem die Gemiithsnihe : innerer Gottes-
dienfk allein befOrdert und ftirkt fie.
IV. Von der vernfinftigen Liebe zu an-*
dern Menfchen aberhaupt.
§. 12.
Die Mittel zur Giiikfeeligkeit iind in der
vemUnftigen laebe zu andera Menfchen ent-
faalten.
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- 76 -
$. 13*
Llebe ift ein Verlangen des WlUens, fidi
lult dem, u as der Verftand fiir gut erkennti
zn yereinigeoi oder io diefer Vereinigang zu
bleibeut
Man kann fich alfo nicht felbft ]ieben.
SelbftJiebe ift entweder £inbildung« oder
Hlangel eigentlicher Liebe.
Vereinigung mit Menfchen befteht da-
rinn» dais wir unfre Seele, befonders
den Willen^ mit «ndem fo rereinigen»
dafs Ein Wille daraus werde, und kei-
ner ficb eine Herrfcbaft fiber den an-
dem anmalse.
§ 14.
Diefe Liebe ift entweder Teraiinftigt oder
unvernuDftig. Die unvernfinftige ifc a) «n
unruhiges und hitziges Verlangen, welcbes
uufre Vernupft ubermeifiert, b) fie gebt auf
Dinge, die mehr fcbftdlicb, als gnt lind.
c) fie fucht eine unm6gliche Vereinigung, z.
B. eine Vereinigung mit Gott, wie etwa mit
Menfcben. Sie yerlangt, da(s Gott feinen
Willen nacb dem unfrigen richte. Sie will
lilier den WiUen andrer Menlbben berrlcben;
oder
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— 77 —
oder fie unterwirft ihren WilJen Andem
ganz* Sie liebt leblofe nnd nnvernttnrtige
Dinge, wic Menfchen. Sie wird zur Sclavin
defTen» was iie Jieht. dj iie liebt mehr dei|
KSrper, als die Seele» oder den Kdrper
ganz allmn*
$. i5.
Die verniinftige Liebe ift das einzige Mit-
tel zur Gliilireeligkeit, d. b. zur wahren
Gem&tbsruhe.
Aber wo Liebe ifi, dn bcRndet fich
auch Eiferfucht iind Unruhe. Ich ant-
worte, wo Eiferfucfat ift) da ift Mi(s-
trauen, und wo Mifstrauen berrfcbt,
da ift keine verniinftige Liehe.
Wenn andre Pbilofopben die Tugend
als ein folches Mittel preifen : fo ift die*
ler Begrif dunkel und unbeftimmt. Denn
was heilst Tugend anders» als der Mit-
telweg; aher wie unbeiyRimt ift diefer
Begrif! Die liebe ift das rechte Maafi
aHer Tngenden, wer nach Liebe han*
delt, findet imnier das rechie Maafs.
In der Liehe kann man xiie zu yieX
tbiin.
Andre
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- 78 -
Andre fagen, cBe Liebe Gott^s fey
das iVlittei ziir htichften Glukfeeligkeit.
Aber Gott weift ans durch die Vernunft
auf dle Liebe zq den Menfcben, als
den elnzigmdglichen wahren Gotte$dienli|.
iind je vemftnftiger man die Menfcfaen
liebt, defto mehr liebt man Gott. Ce*
remonien und Speculationen iiber Got^
And keine GottesJiebek
Aus der liebe zu Menfcben entfpringt
«uch die wahie liebe zu Thieren*
V* Von der allgemeinen Menfcbenliebe*
§. 16.
Die Menfchen find verraoge ihrer Natur
alle einander gleicb* Sie haben einerley Ur-
fprnng, Bed&rlriirrei UnvoHkommenheit, Fft*
higkeit, Schikral, Beftimniung und Ende:
iie haben einerley Liebe nnd einerley Eechte
bey Gott iich zu ▼erfprecben. Darauf grun<-
det hcb eine allgemeine Liebe zu allen Men*
fchen« welche alie iVIenfcben in fo weit ver*
bindet) dals lie einander fo bebanddn, wie
iic Ton einander behandeU leyn wollen.
E»
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— 79 —
Es giebt noch einige fpecielle Verfaaitnillb
der Gleichheit , z. B. des Gefchiechts, Alters^
Stanclest der £inAcbt, des Vaterlande^, dev
Neigungen. DieA luid Bef6rderungsniittel der
Uebei aber nicht wahre Grunde derfelben.
Die allgemdne Liebe ilt mebr negatiT, Ab-
wefenhdt des Hafles.
Koine Ungleichheit der Menfchen kann
ibrer Matnr nacb fo viel wirken, dais ein
MeaTcli den andem deswegen baflen Ibllte*
Die angemttne MenXbbenliebe begreift funf
Tugenden in itch.
1) Leatfeeligkeitf oder die Bereitwilligkeit,
ailen Menfchen» die es bediirfeni mit Din-
gen bcyzuftehen, deren Mlttheilung uns nicht
lcbwer ankonunt. Diefe Tugend ift leicbt^
nnd darf keine Dankbarkeit fordem; man
kann uns aber auch nicht dazu zwingen, aufei>
wenn jemandes Bedarfnis fo gro£s i£t> dal^
er obne Iblcbe Lentfeeligkdt Terderben miljfte^
und wenn er Ach an Kieinand lonft, als an
uns wenden kann.
2) IVaktkaftigkeit^ oder die Verbindficbkei^
allen Menfcben uiifer Verlpiechen treu zu
hal-
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baUen, wclches wir mit Wirfen und WUUn
gethan haben.
Dtefe beyden Tugenden find pofitive Tu-
genden der Gleichlieit. Die folgenden zwey
Hnd negadv, iie hindern die Ungleichheit.
3) Se/1'heideafteit beHzt deri welcher aUen
Menfchen menfcblich begegnet) ihnen glei-
ches lleciit mit iich verftattet, nnd fich
nichts mehr heraus nimmti als ihm von
Rechtswe^en gebllhrt.
Trotz alles UnterlchieJes des Standec
und Vermdgens* Der Gebrauch des WiU
lens ift daS einige^ taas- der Menfch fiir
uirkLich fein halten hxina, und inomack
er Jich hoch zu achten oder iu verachten
Urfache hat*
Man mufs rcfc!ieidcnheit Tilcht mit
Deinuth verwecbfein. Demuth ift keine
Tagend, die die Vemunft kennt oder
einpliohlt; denn die Vernunft Jieht
nicht ein ^ warum iich ein Menfch felbli;
lur geiinger halten follte, als andre.
4) VertrUglichkeit ift diejenige Tugend,
nach weicher cin 3Ienfch Andre dds Ihrige
in lluhe genufsen lilfst, und ihnen in nichts
zo
- 8i —
Stt fcbaden facbt» oder» wenn dieik za*
AUIjg gcfchehen wtre» Ertktz leiltet»
5) Gedtfld CNachficht, Lfndigkeit, BU-
ligkelt) ift die BorcitwiJiigkeit, Beleidigun^en
au8 aligemeiner Liebe za verzeiben» and ficb
feiner nat&rlichen RechtCf um des aligemei-
nea Fricdcn« wiileni zu begeben.
Diefe Tugend ilt keine Tugend der
Gerechtigkeitt Ibndern blofi der Liebe.
Beweifs, dafs nicht Raclie und Gei ech-
tigkeitf londern Geduld die Gemiithsruhe
erhalte. Gedold macht Frieden» nnd
gewinnt das Herz des Beleidigers. Al)er
Geduld ift nicht Furcht. Wer aus Fui cht
geduldig ift, ift es dgentlich nioht:
denn er wollte Hch gern rftchen^ wenn
er nur Acher k6nnte. £ben fo wenig
ift ite Niedertr2chtigkeit.
Leutfeeligkeit und Geduld lind die edel-
Iten diefer Tugenden, denn es ift dabey
auch nicbt der minde&e Zwang denkbar.
Ztt den ilbrigen kann man wenigftens cini»
germalsen gezwungen werden.
F VL
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— 8a —
VL Von der Liebe gegen Einzelne.
$. 18.
Die belojidre Uebe ilt die Vereinigung
2weyer tugendhafter Seelen, die durcb weeh»
felsweife GeflHligkeit nnd Aufmerkramkeit
gefuchtt durch wechfelsweife Guttbaten er*
langt, nnd durcb GiBmeinfcbaft aller Quter
erhalten wird*
$. 19.
Die verfchiednen Gefcblechter macben kei«
nen Unterfcbied. Denn es kommt bier auf
die Vereinigung der Seeien an. Der Unter-
fcbiedf den einige zwiicheii Freundfcbaft und
Idebe machen, ift unnQtz und leer*
Ueber den Umgang beyder Gerchlech-
ter. fintfemnng reizt zur unordentlicben
liebe) und bniTt bey lilHgen Perfonen
doch nicbts. Ihr lagt : Gelegenheit macht
Diebe. Icb antworte: durch Gelegenbeit
probieret man einen ebrlichen Mann»
§. 20.
Han balte ficb nicht an die Zabl Zwey*
Je mehr tugendhafte Seelen Tereiniget iind»
defto groDser ift ihre Glukfeeligkeit,
Bey
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— »3 —
Bey Ternfltiftiger tdebe kanii keSne
Elferfuclit Statt haben. Hat nicht Jeder
das Kecht» zu lieben, was wir ]ieben?
Wer eine Perfon Hebt, dSe icb llebe»
lieht mich aucb. Wir durfen alfo auf
eine geliebte Perfon nicht zurnen, wenn
fie liob noch von Andem ]ieben Iftlst.
Sind diefe Andem tugendhaft: fo ift
dadurch unfre Gemuthsruhe befordert.
Sind iie lafterhaft, fo verdient jene Per-
fon, die lich von ihnen lieben l^Gst,
unfre Liehe nicht*
Die 7.tt Tereinigenden Seden durfen
fich niir in der Neigung zar Tugend,
nicht eben auch in den Graden der Tu-
gend gleicb feyn.
$. 21.
Der Grond aHer tugendhaften Liebe iik
Hochachtimg^ d. h. die Meynung, nach wel-
cher wir einen andern nach feinen Hand-
langen fo lange A&r tugendliebend baJteni
bis wir uns vom Gegentheile ilberzeugt hflben.
Aus diefer Hochachtung fliQfst
1) Oef&Uigkeit und Au/nwrkfamkeit^ wenn
«nan anf des andern geringtka Handlungen
F z Ach-
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- 84 -
Acbtung giebt» tbeils um ibn immer melir
kennen zu lernen» tbeils um ibm den Un-
terfchied zu zeigen, clen man zwifcben ihm
und andern macht. Damit ift die Berehwil*
ligk^t yerbunden, dem Andern allerley kleine
Dienfte zu l^Tten} die er uns nicfat zumu*
iben wurde.
Die(s ilt das Zeicben einer angehen-
den Liebe. Ueber die AnszeichnQng
gewilTer Perfonen in einer Gefellfcbaft,
ohne auffaUende Zuriikfetzung der Ue-
brigem
Ein kletner Dienft » der uns gemeini»
gUch ttichts koptetf i/t von grofser Wir-
hung^ und geviinnt oft ollein das Herz
einer Perfon, fVer Jie entiucder nicht be»
merkt% oder ein andermald meder for*
derty ift zur wahren Liebe ungefohlkt.
Niclit weniger auch die, vjelche Jie nicht
annekmen oder atff der SteUe eruiedern,
Jene geben uns zu rerfteben, ihre Liebe
fcy zu koftbar, als da£» wli* mit
Iblcben Kleinigkeiten gewinnen kfinnten*
Diefe fuchen unfer Nichts mlt dnem
gleichen Nichts zu bezahlen, welches
«ber nocb unzHhligemab] gennger ift,
als
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85
%]$ da$ Niohts eines Danks. Man kann
mnen Menfoben nie mehr befchimpfenf
al« wenn man SnoM kl^en Dienfte
niohl: annimmt.
a) So lange zwey Perfonen licb diefe
Aufmerknimkeit nocb faeweifen) Ib
fuchen fie erft Liebe.
b) Haben ite diefelbe erlangti Xo hdrt
diefe Gef&lligkeit anf.
Perfonen, die uns lieben, und den-
noch diefe Gefalligkut weiter Terlan*
gen, Iieben nns nichk wirklicb.
2) VerfraiiUche Gutthaiigkeit (Wohlwollen,
W<ihlthatigkeit) eine Tugend, welcbe uns
antreibtf einer Perfon» Ton deren Liebe
wir verhchert hnd, unfrc Liebe und Ver-
trauen in aHen guten und edaubten FiUlen
und ohne Eigennnta 1 felbft mit Aufopfemng,
zu beweifen.
Grolse Wohlthaten gegen Perfonen»
die man nocb nicbt kennt, nnd die nns
jioch nicht lieben, find nie wahre Gut-
thaten» fondern Wirkungen des Eigen*
nntzes.
Eben fo unverniinftlg iiiiJ Gutthaten
gegen Mefifchen» die uns baiTea) oder
F 3 ihre
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— u ^
ihrt Liebe Terfiigeik Denn es i(k der
Vernunft zuwider, etwas zu lieben^
was wir nicbt erfaaUen k^nnen.
Alle Guttheten, die mebr nnfer eige*
nes Interelle befdrdern, oder uns felbft
Vergnilgen macben« Bnd nur Ibbeinbar*
Bey allen wabren Guttbat^ kommt et
euf dle GeRnnung an.
Der Gutthfttigkeit folgt die Dankbar-
keit auf dem Fu&e, die tbeils blolse
EinpAndung, tbeils tb&tige Aeuferung itu
3) Gemeinfeiqft der Gftter nnd alles Tbuns
und LalTens.
Diefe bebt den Unterfcbied der St&nde»
nnd die Arbeit niebt auf. Nur die
Stande, die auf Thorheit und Eitelkeit
abfebeni wiirden dabey leiden» und
diels ift gut.
Eben fo wenig hebt diefe Gemeinfchaft
das Eigenthum und mit ibm die biirger*
liebe Gefellfcliaft «nif. Das Eigentbum
ift eher gewefen, als die Gefellfchaft,
und diefe kann ohne Eigenthum beltehen.
Ueberbaupt bringe nur erft Temilnf«
tige Liebe in die Menfcben > die Gemein-
fcbaft
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fehaft der GAter wird keme fcMimMep
Folgen habeii*
VIL Von ei]i]ge& Arten der bebAdem
Liebe.
CVorent nel enniideiide Sabtifitftt llber
glelcbe und nngleicbe Liebe, naeh ihren drey
Graden und Kennzeicben, woraus folgendo
Fragen beantwortet werden:)
i) Giebt es mebr Vergniigen, zn HebeB|
oder geliebt zu werden?
Beydec mats ziiraninien leya.
2} Ist die plGzlich entltandne, oder die
langfauie Liebe AlLrker und dauerbafter?
Die leztre.
3) ICb es dnem Franenzimmer rchimpflicb,
zuerft zu lieben? Nein, wenn diefe
Liebe Ternilnrtig ift. Warum foU der
Blann den Antrag thnn» und fieh ge*
wi ncrmaTsen erniedrigen ?
4) Darf ein weifer Mann Franenzinuner
lieben? Wenn lie tngendKebend lind, jsu
Aber gew<>bnlicb yerbebt er Acb nicbt
F 4 zaerfl«
^ 88 ^
zuerst, uncl felne Liebesbezeugmigen
iincl leiner Weisheit •ngemeflieii.
VIII. Von der vernfiDftigen Selbftliebe*
f. 33.
Atis Liebe za andein MenTcfaen miifreii
wir uns felbft lieben, cL b. nns bemfiheni
alles zu thun, wodurch un(er I^ben nach
den Regdn der Vemunft» andem Menlcbe»
zum Beften, nicbt rerkfirzet werde*
Unter Leben ift hier auch Leben der
Seele, d. iu ibre VoUkommenheifc zn
▼erfteben*
Unfer Leben mufs aber der Liebe ge-
gen Andre nachrteben.
Zu diefer Liebe geb5rt die Tugend
der Mafsigkeit, Reinlichkeit, Arbeit-
£dmkeit, Tapferkeitp
IX» Von der Notkwendigkeit der ver«
nUnftigen Liebe in den vier menfch^-
lichen GefeUfcbaften.
$• 34.
Es fmd vier Gefellfchalten 1) zwifchen
Sbeleuten Cltera und Kisdem 3) Herr
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nnd Diencr 4) Obrigkelten und Untertlianen.
^eine dieler Gerelirchaften kann ohne Liebe
bescehen. Die beyden leztern find theils
aus Mangel an Liebe^ theils aus Furcht vor
Andrer Bosbeit entftanden.
(Ueber Efae, Ehelcheidang, Polyge*
mie, und allgemeine Ideen iiber die
ubrigeu GerelirchaTten, in lieinttr gewOhn-
Kchea Termittologie.}
Practifche Moral.
L Von den Urfachen des alJgemeincn
Mangels an Glflkfeeligkeit»
«. 1.
Die Menrcben iind faft aile fo gluklich
nicht, als fie feyn konnteni denn die Ter*
niinftige Liebe ift felten. In aHen Verbin-
dungen der MenCclien herrlcht £lend.
$. 2»
Die Urfacbe davon liegt in dein Mcn-
lchen lelbft, thetls in feinen Vorortheilen
und Irrthamern, theils in feinem verderb-
kcn WiUen> welcher aucb gew<)hn1i(^i Schuld
F 5 an
^ 90 ^
aa jenen ift. Ueberluapt, der Gmncl anef
Uehels ift die uivoernunftige Liebe. Denn aus
dieler entfpriiiKt die Gemukbstuiruhe.
3.
Die anTernunfdge Liebe ift des Verlangen
det WDlenSt i^ch mit demf w« der Ver*
ftand, wenn er nicht von diefem Verlangen
rerleitet w&re, fUr b6ie erkennen wArde^
zu Tereinigeni und ih dieCer Vereinigunf
ficb immer zu Tera.ndcrn.
4
Der Wille hat eben fo, wle Jer Vcr-
ftand, feine Vorurtheile, nemlich das Vor«
urtheil der Ungeduld nnd der Nachahmang.
$. 5.
Das Vonirtheil der Ungeduld verleiiet
den WilJen, allem dem nachzuftreben, wat
feine Sumlicbkeit augenbliklicb und lebbaft
aflicirt. Dielt Vornrthdl ift allgemdn, alle
Menfchen ftreben nach Veritnderung und
Gontraft.
Das Vorurtheil der Nachahmang Terleitee
den Menfcbeii, nacb dem zu ftreben, was
er
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— 9»
w von tndern focfien nnd begehren Hebl^
objie dalM er erft lelbrt prufet.
IL Von den Affecten, nach den Mejf-
nungen der Gelehrten.
(Ueber die Meynungen der phalofopbi*
jEchen Secten Ton den menfchlicben Leiden*
fchaften, bis aul Cartefius. Nur zur Probc
folgende eigene UeberCetzungen Uteinilcher
Benennungen:) Inndentia* die Beneidung*
Aemulatio, die Misgunft. Ohtrectatio, die
Eiferfucbt* Pudor, die Blddigkeit* Male*
volentia« der Scbadenfroh. Deleotatio« das
Sanftethun. Indigentia, der Nimmerratt.
Liguritio, Schlekerey. Cupedia, Kinderey.
Indignatio« Ungewogenheit» Jactaiio, dat
KiUbern»
III. Eigne Meynung von den AfFecteii.
$. 7-
Die Gem&thsneigungen find Bewegungen
des menfchlichen Willens nach angenehmen
oder unangenebinen Dingenf welcbe abwe-
fond
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—
fend oder kiinrtig hnd; und rliefe Bewcgun*
gen entfteben aus den ftarken £tndrukeii
auferer Dinge und der daraus erfolgten ail*
fernrdentlichen Bewegung des Bluts*
Streiugkeit gegen CaiteAu« u. a.
IV. Eintheilung derlelbeQ.
Es giebt einen HanptafTect, der alle un-
ter iich begreiftf das Verlangen» oder die
Begierde. Da$ Verlangen geht entweder auf
das Gnte oder BSfe, jenes heifst Liebe die-
les Hafs (eln Verlangen, das Bofe ios zu
werden, und davon entfemt zn bleiben.)
Freude und Schmerz find an lich
keine AfFecten» fondem Empfindungeny
lie werden aber dazn.
Unljeftiinmtheit der bisheri^en Defini-
tionen von den Aflfecten.
Man kaon nun die einzehien Allecten nn-
tcrfcheiden
i) Nach der N&he oder Ferne des Guten
eder Bdfen.
Mifstrauen und Furcht fmd Begierden, das
entfernte Gute zu erlangen» und das nahe
Bdfe
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- 93 -
fiofe los Ztt werdcn. Hofnung^ das Gute
und B6fe, welchet nicbt allzufern imd nicht
allzunah ift, zu «rlangen imd zu ▼ermd^
den» u. f- w.
2} Nach der Schwierigkeii: oder Leich-
ligkeit, das eine zu erlangen, das andre
zu vermeiden. Bofnung entfteht, wenn ich
mir einbilde, das Guce bald und ohne
Schwierigkeit zu erlangen. Das Gegeniheil
Furcht u. L w.
3) Nach dem ftarken und pluzlichen Cin<
druk einer Empfindung.
Befturzung ift eine ftarke 11 nd plozHche
Hofnung. Schreken eine fuurke und pldz-
Uche Funclit u. f. w.
4) Nach dena mittelbaren oder unmlttel-
baren j^ndruk.
Neid ift die Begierde, dafs eln Andrer,
den wir nicbt lieben, leine^ Guts beraubt
werden mage.
Zorn entfteht, wenn mir felhft etwas ztL
Leide gefchieht. Aergernis oder Bekummer*
nis Ikber den Unfall eines Andern.
5) Nach der Dauer.
So umerfcheiden Jich Geldhegierde » und
Geldgeiz, Lftlternbeit und GeiUieit u. ra.
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<• 9-
Alle AEecten find nur verfchiedne Grade
oder Aeuferungen der Liebe nnd des HaHei.
IMtan kann Liebe und Hais entweder nach
ihrem Zweke, oder den Mitteln betrachten.
Der Zwek iTt Streben nacb Gemiithsruhe:
die meifien Menfcben aber fucben ihn iii der
Oem&tbsunruhe.
$• 10»
Nach den angefiibrten Aeuferungen der
lAebe, nemlich GeAllligkeit, Guttbittigkeii!
und Gemeinfcbaft der Gater, giebt es nun
alfo Abwege, auf denen der Menfcb feine
Rube rucbty aber Unrube iindet, nnd nnjl*
hin Tier HauptafFecte, d. h. yier verfchiednd^
Arten der Liebe und des Haires:
1. Die ▼ernunftige Menfcbenliebe und Hab
der Irrthiimer und des Lafters*
A Liebe der ftolzen Ehret Hals der Be*
fcheidenheit.
3« Liebe der Jinnficfaen Luft» Hal« der
£ntbalt(amkeit«
4* Liebe des Geldesi Hais der Anpntli
«nd Gemeinfiduift der G&ten
Nach
— 95 ~
Nacfa den Mitteln betr«cbtet man die Af&o
ten« iiilbfern fie entweder «ntreibend lind»
zunehmend und abnehmend (Hofnung» Ver^
traaen, Kabnbeit) oder infofern lie damadi
Ihreben» die erlangten IMittel za bebalten»
uod allen HindernilTen Widerftand zu ihun,
Einige Ai&cten baben es mit den Mitteln
zu befondern Endzweken fener vier Arten
Ton Liebe zu thun: inan kann Jie Neben-
Affecten nennen* So (ind Faulbeit^ Ver«
fcbwiegenbttt, Unbarmberzlgkeit Keben-Af-
fecien der WoUuft} der Ehrgier, und des
Geitzes.
Einige Aflfecten find aas Liebe und Hals
zulkmmcngefezt) z. £. EiTerfucht.
V. Sind die AfTecten et\vas Gutes oder
•twas Bufey?
l) Sind fie fiberbaupt gut oder bdfe, oder
keines von beyden? 2) Sind alle Arten.von
AHeoten indiHerent oder b6fe? Zwey Fra-
gien) die man untertcbeiden mufs»
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- 56 -
AHe Menfdien Anden ron Kindlheit ao
bey ftarkem Ileizungea ihrer Sinnliclikeit;
mehr Vergnilgen» und gewftbnen Jich nach
nnd nach viel unordentliche Begierden an,
die ilmen die Gemuthsruhe rauben, und
fblglich dielelben In einen bofen Zulbmd Ter-
fetzen» Det Menfchen Sache ift es, aus un*
ruhigen A^fecten al]inab]ig in ruhige uher«
xnjgehn.
Ueberhaupt find alfo die AlTecten indiire»
rent; in Anfehung ihrer Arten aber find Rm
entweder gut, die uns zur Rnhei oder
bore, die uns zur Unruhe fuhren.
Woran Ibllea wir fie erkennen?
Erfte Regel: AUe AlFecten« welche deit
Menfcben eufer fich felbft fetzen, und ein
andres Ziel haben, als die Verelnigung mit
Ruhefuchenden Meniicheni find h6ie* Da-
gegen u* f. w.
Zweyte Regel: Jeder Aiiect, der niit
etner Cb lebfaaften Bewegung ▼erbunden ifi^
dafs dadiirch entweder der Leib gefchwacht,
oder der Wiile in gr6fsere Unruhe kommti
i& bOfe* Wo diefe Folgen nicht jind| da
itk
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— 97 —
i[t dic Bewegung) wu nicbt gut) doch aucb
sicbt b^fet
VL Gegeneinanderlialtung der vier
Uaupt • Affectea.
i3.
Die Temfinftige Liebe ift nur Eine: die
unverriQnftigc hat drey Arten. Es ift nur
Eine grade Liniei aber viel kruinmet eine
«nzige Tugend^ aber viele Lafter.
§• 14*
Man kann diefe drey Arten der unvcr-
nunfligen Liebe auch noch anders, als ge-
fchehen ifC| deduciren. a) Nach der Pohtiic.
Alles Uebel der Staaten ift entftanden, aus
dem Unterfchiede der Geburt und der Auf-
hebung der 6ater*6emeinfcfaaft. A-fo £hr«
geiz tmd 6eldoeiz, nnd daraus Wollnft.
b) Nach der Phyfik. Unfer Korper befteht
aofi Schwefels Salz nnd Quekfilber» als
fdnen Elementen. Schwefel erwekt Ebrgeiz,
Quekfilber fuhrt zur Wollufi, das fchwere
Salz ziebt zmn Geldgeiz* £ben Cb entfpre-
6 chcn
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- 98 -
clieii cKe mr Elemente, das Feuer dem
EhrgeitEt, das Wafler der Wollnft» dle kalte
Erde dem Geitze, und die reine Lult der
reinen iiebe. £iicbt weniger geh6ren ancli
die Temperamente hierhen Man lchreibfe
auch dem Menfchen drey B^uche zu; im
Kopfe berrfcbt der Ebrgeiz, im Herzen der
Geldgeiz, im Unterleibe die Wollnft. c) Nadi
den St^nden. Der N^rftand leidet am mei«
ften ¥on der WoUiiIt} der Webrltand vom
Ehrgeiz und der Lehrftand Tom Geldgeiz.
(Die Aerzte haben fich vor der Wolluftj die
Kecbtsgelebrten Yor dem £hrgeiz| und dio
Theologen yot dem Geldgeiz zu haten.)
VIL Alle Tugenden kommen aus dec
vemOxiltigeii laebe»
Denn fie erhftlt das Ebenmaafs der Ver*
itandeskrlLfte, ift Yerfcbwiegen» oifenberzig^
freygehig, firenndlich, herzhalt» milsig nnd
keufcb, fparfam, gefchiftig und munter^
geduldigi groLsm&tbig und dienftfertig.
VIII,
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— 99 —
VnL VoB der Wolluft und den daraus
£iefsenden Untugenden.
$. 16.
Dle Wolluft ift eine Leidenfchaft, die ibre
Auhe m ftets Terinderlieher Belulltgung det
Verftandes und der Sinnlichkeit, hauptfich-
llch des Gercbmaks und Lurtgefiibis vergebens
fucht» und nach Vefdnigung adt gleichgear*
teten Menfcben ftrebt.
Tabellarilche UeberHcht der Folgen und
Acuferungen der Wolluft *),
1, Unbedacbtfame Klatfcberey.
a. Ltederlicbe Verfcbwendung.
3. Knechtifche SubmifRon.
4. Ungeduldige Zagbaftigkeit»
5. Verfoflfne fr&fsige Geilheit;
6. Verfchwendung.
7. Fauler Maffiggang.
8. Jiihzomlge Weichherzigkeft;
3* Kuppler und Spielmanns - Dicnfte*
10. Ingenieuie firiindung.
6a IX.
Biab mid dia falgnite Ttebellm fiad in elai*
gen Puncten geindeft» ia ftuue Pkadaniia lcta»
xum conXuluitoria. ILap. 4*
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lOO
IX. Vom Ehrgeitze.
§• 17-
Der Elirgeiz ift eine Leidenfcfiaft, die
ihre lluhe in fteter versLnderlicher Hochaoh-
tong und Gehorfam andrer, befonders gleicb*
gefinnter Menfchen, durch Hocbachtung fei*
ner relhft, und Unternehmung liftiger oder
gewaltiamer Thaten yergebens fucht, und
nacb der Verbindung mit gleicbgearteten
Menfcben ftrebt.
T a b c 1 1 e.
1* HartnSLkige Stdkifcbbeit.
2. Eitle Verrchwendimg.
3. Ver&cbtUcber Hocbmutb.
4* Grimmige Tollkikbnbeit.
5. Stoifche Fafie und Uneuipiindlichkeit.
6* Genauigkeit*
7. Wacblame Arbeitfamkeit.
<[>. Zornige Uachgier.
9. Banditen • Dienftfertigkeit.
10* Jttdicidfe Entfcheidung.
X.
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X« Voin GeldgelLze*
$. 18.
Der Geldgeiz ift eine Leidenfchafti die
ihre Rube in fteter verftnderlicher Beiitzung
von allerhand Dingen, clie untei dem Men-
fchen hndy und mit Gelde «ngefchaft wei den
k6nnen, vergebens fucbt, und mit folcben
Dingen , oder gar mit dem Gelde allein
durch deflen Erlangung und Verwahrung hch
zu vereinjgen ftrebt»
T a b e 1 1 e.
1. Tttkifche Liigen und Simulirung.
2. Unbarmherzlge FHzigkeit und Kniker ty.
3. Narrirdie AurgeljlaFenbeit. Schmarotzer,
4* H^inifche Graufamkeit*
5. SchindhUndifcker Hals des Weibes.
6. Lauferey.
7. JUuhlame Efelsarbeit.
8. Vcrbeifsende Nachtragnng.
9. Neidifcher Schadenfroli.
10. Ungemein Ged^chtnis.
t
I
G 3 XL
XI* Affecten, die aiis der Vermifchuog
der drey Haupt-Lafter entftehen.
§. 19.
WoUufe und Ehrgcit, Jn gleicliein Maafse
gemircht, geben eine der verniinftigen Liebe
siemHeh Aholichfcheinende Mifchung. Die
Klfttfcherey der Wolluft und die Stokifcbheit
des Ehrgeitzes gemifcht und ▼on einander
temperirt, gldchen der ▼erichwiegnen Ofien'
berzigkelt der vemunftigen Llebe. Eben fo
kommt die Erniedrigung der Wolluft und der
Hocbmuth des Ehigeitzes» xnlammen» der
gleichm&thigen Freundlichkeit ziemlich nab.
Ift die Mifchung von einem von beyden
ft&rkert fo werden die Afiecten theils fchlim*
merf tbeils beffer. Z. B. mebr ron der Wol-
luft zugemifcbt) macht freunJIicher 9 ver*
triglicherf gutberziger» artiger u. £ w.«
mebr vom Ehrgelz macbt zurilkha1tender«
empfindlicher, rauhcr, ernfthafter u. d. m.
Ourcb den Zutritt des Geldgeitzes wird
z. B. die OiFenberzigkeit eine Art von Heu-
cheley (in der Welt Klugheit genanni), die
fcheinbare Freygebigkeit und Sjiarfamkeit
«ne Art von Knikerey» ( Hansbltldgkeit ge-
jaannt) »
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w io3
aaniit)* Die fcbeiiitMura Freandliehkeik wird
im Glftke fdir intomrtt imd im Ungllike fefar
fdat^irchy (man nennt da5 MenfchiicbkeiO*
E^r- und Celdgeiz zufammengemifcht
aacbt XdenlcfaeBt die mao fOrcfatet und re*
fpectirt. Die Stdkilcfafaeit dec erftem und
tukifche Simulirung des leztern giebt etwas,
was die Welt kluge Zurukbaltung uennt n. £ f.
Attcfa faier kommt es darauf en» welcfaer
Ton beyden mehr zu der Mifchung giebt*
Ift z. B« der Ehrgeiz ftilriLert fo wird ein
Menicfa die Kunftt iicfa zn infinuiren, mic
mehr Scharffmn und Verftellung treiben. Ift
der Geldgeiz ft&rker» fo wird die Scfamei-
cfadey merklicher. Kommt gar nocfa etwae
von der WoUuft hinzu, fo wird dle affectirte
Freundlichkoit der wahren lehr ahnlich fchei-
nen. Solcfae Lente dienen treflicfa) wo es
faeilsti es ley eccleAa preHal
% 21.
Wolluft nnd Geldgeiz gelien eine elende
2SAifchung« £in foicher Menfcb wollte gern
l&geni afaer aua Unbedacfatfamlieit Terfchnappt
G 4 er
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er fich leicht. Im Giiike ift er eSn Frah1er«
der keinen Meorchen acfatet, ini Ungliike ein
verzagter SpeicheJleker, Er puzt l>ch nicht
wohlfeiJ, aber es hat alles keine Art, weil
er an dem «nen Stake einbringen wil]) was
ihm das andre zu viel koltet. £r fahrt bald
im Zorne avfy aber, wenn Andre nicbtt
ixanS gebeni Iftlst er bald nacfa»
§. 22.
Man mu(k aber auch bey diefen Mifobun*
gen auf Alter, Stand, Gliik, Gelegenheit
und andre Pancte liiikiicht nehmen. Ein
junger WoH&ftling ift bey weitem fo ver&cbt-
lich nicht, als ein alter. Ein alter Geizhals,
der verliebt ift) welch ^ne elende Perfonl
Kicht die Mifchung der Leidenfchaften Indert
hch mlt dem Alter, fondern das Alter an-
dert nur ihr Auifallendes. So ilt ein junger
Geizhals viel verftchtlicher) als ein alter. Ein
§.hn]ic}ies Vei haltnis ift es mit Jcn Sianden.
Ein Privatmanny der wolliifiig und geizig
ift, fpielt eine elende und unfchadHohe Rolle :
er fchadet nur fich felbft. Ein Fiiift aber,
von diefem Temperamente 1 wird einXaligula
und Oomitian u. L w*
5. 23.
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$. 23.
1) Wir diirfeii daher nie aiis dern il»irern
Schein auf iemandes Cbaracter rchlie£sen. £s
kann nnr eine fcheinbare Mirchnng feyn , oder
es fehlt ihm an Gelegenheit, feine Lafter zu
zeigen n. C w.
2) Wir mfklTen anf die yerfchiednen Srftn-
de Rukficht nehmen, die dem Cbaracter ein
•uderes Anfehen geben.
3) Wir murTen uns vor dem SchTufre ha-
ten, als ob eines Menrchen Ciiaracter hch
ftndre*
§. 24.
Die vernunfHge und unvernunfiige Liebe
laffen iich nicht mifchen, fo wenig wie Tag
und Nacht, wie Fener und WalTen CTu-
gend und Laftcr (ind eiuancler entgegengefezt,
alter die Lafter unter fich iind alle verwandt.)
Wo fie beyfainmen find, da ftreiten fie ent*
weder gegen cinaiider, oder haiten einandcr
unter, oder die eine vertilgt die andre.
Bey alien Menfchen ftekt die vernUnftigf
Liebe unten an , und uiird von den drey Haitpt"
laftern um viele GradCt mehr oder itteniger,
Ubertrofjen»
G 5 Ifir
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Die Mifchung der drey HaupUafter ift nicht
hey oUea Menfchen gleich, Immer herr/cht eiifi
90in ihnen Hher die heyden andern*
Es And diefer Mifchungen feGhferley Arten*
Geldgeiz, WoUoit.
2.
E.
W.
3.
0.
£.
4-
Q.
W.
£.
5.
E.
G.
6.
E.
W.
G.
(Werden nacb Unzen berecbneL)
Es ift die Pilicht der Selbfterkenntnls, sn
uuterfuchen, welches von diefen Laftern in
uns das berrfchende fey. £ben darauf hal;
man auch beym Umgange mit Andem za
fehen.
XIL Von den Snfem Kennzdchen der
Leidenfchaften Uberhaupt, insbefon»
dre aber von den Kiudern der drey
Hauptlafter.
25.
£s ift fchwer, den MenDshen ganz ken*
nen zu lernen, aber eine hlnlangliche Kennt-
nls Andrer kann xnan £ch doch erwerbeu.
— 107
wenn man i) ein ^utes Ange bat, d. h. elneii
VorortbeiUreyen VeriUnd ond Sellifterkennt*
nis; 2) wenn man ttnhefangen Andre beob»
achtet; 3) nicht eine oder die andre) fon*
dem fo viele Handlungen Andrer» als m6g-
lich ift, bemerkt nnd vergleicbt; 4)Aedann
zu belaulchen welDS} wenn iic ^ck am we*
niglien ▼erbeiigen.
§. 26.
Zum Beyfpiele fbUen die Kennzeichen des
M^f/lggangs dienen. Der MttCliggang befteht
in einem folchen Thtin und Laden eines Men*
Xchen« wobey er uberall und allein fein Ver*
gniigen oder einen Zeitrertreib zur Ablicht
hat. Er ift entweder grob oder fein. Selbft
mancbe Art zn ftudieren ift ein f^ner Muf«
^^Si^^^S* wenn man blos zu feinem VergnO.*
gen lieft u. L w.
$ 27.
Der Zorn, oder die Begierde, fich zu ra*
chen (woTon das Zeitwort nicbt ziirnen» fon*
dem zorni^ feyn ift), ift nicht indifferent,
fondern immer. b6fe. (Ueber die Ausdi uke:
Gottes Zom« Gott ift zomig* wofur man
1m<-
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108 —
Jiebcr Eifcr brauchen will: beydes fey indef-
fen einerley* Zwifchen der g6ttUcben nnd
menfchlichen Natnr ift ein zn grolser Unter^
fcliiecl, als dals etwas, \/as beyii. Menfchen
Tugend ift, z. B* Gehoriani| es ancb bey
Gotr feyn k5nnte, nnd fo umgekehrt* Strei*
dgkeit gegen Lacunzem iMeynaiig yom Zoin.}
$. 28.
Der Neid oder die Betriibnis uber Andrer
Giiiky ift eiien fo wenig indifferent. Aa6
ihm flie(st Eiferfacht, oder die Pein dar&berf
dali unfre geliebte Peifon einen andern liebt
nnd von ibm geliebt wird. (Aos welchen
Laftem Re am gewShnlichfVen geinifcht feyt
und wie Ae iich in diefer Mifchuu^ ^ufert.)
XIII, Voa der Kunft, bofe Leidenfchaf*
ten zu dampfen.
Zuerft raufs die Cur auf die herrfchende
Leidenfchaft geriohtet werden, die gewdbn*
lich )eder Menfcb am liebften hat, nnd mit
der Scbwache der menfchJicben ISatur zu
cntTchuidigen weiDs^
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— —
Daher bat man Yor aUen Dingen diefe
Hanptleidenlcfaaft erft in iich aufzufuchen,
d. h. unter den iibiigen Leidenfchaiten lo-
wohl, a]$ unter dem Scheine von Tugend
berrorzuholen. IMan kann fich dabey etwa
die Fragen vorlegen: Wiirde ich eher die
Liebe einer fcb6ne|t Frau^ oder die Gnade
eines Gro&en, oder eine reicbe Erbfchaft
verlieren? Aber wir rniilfen nur dann ent-
fcbeiden» wenn unfre Hauptleidenlcbaft grade
nicbt auf ifarer Hut ifb« und gleicfalam nicfat
jnerkt, dats wir fie helaufchen wollen. I3c-
fonders paffe man licb in den Augenbliken
auf, wo man den Tt&umereyen feiner Phan-
tafie nachhangt, wo rnan fich mit fei nen
Gedanken gleicblaai auf feine Uand eiwas
zu gnte tfaut.
$. 3o.
Hat man diefen Hanptaflect i^funden, fo
nehme inan fich ernftlich vor, aj len Vorur-
theilen, die ibn bisber geniihret baben» ent-
gegen zn arbeiten. Die Vorftellungen , dals
bey demfeluen unmoglich wahre GeuiiiLhs-
ruhe zu hndcn £eyn kunne« aus eijB[ner und
ftemder firiafarnng beftfttigt nnd fich recht
ofi
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IIO
oft wiederboltf werden dabey gute Dienfte
diun* Bey diefem Gelbhftfte aber mftfTen
wir uns nicht iibereilen, und nicbt foL^leich
den Mutb veriieren» wenn es langiam gebu
$. 3i.
Hiem&cbft greife man diefe Leidenfchaft
lalbft unmittelbar an^ nach der Rege): Snt«
tine et abstine, enthalte fich aller Gelegen-
beit» vermeide fcblimme Beyfpiele und Ga*
leUCcfaaftenf nnd fueha dagegen guta anf.
Zu Zeiten prufe man iich, wie weit man
zugenommen habet wie ein Kranker^ der
einmal den Verfttch macht» ob ar aufer dem
Bette bleiben kSnne: aber mit Vorficht, da-
mit mau nicbt durch zu friibes Aufftehen
oder zu langes Auisenbleiben die Krankbett
fchlimmer mache, als lie je war. Nach
einer folcben Probe achte man darauf, ob
fie uns fcbwer odar leicbt geworden lay.
$. 32.
Wir wollen diels an dem Beyfpiela dei
Wolluftigen zeigen. Der Wolliiftige muls
alfo i} oft iiberdenken, wie leer und nicb-
lig im Grnnde dar Genuis von Speifen nnd
Ge-
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Getranken nnd der Gennfr des Weibes fey;
2) iiberlegen, dak in einem niichternen und
keufcben Leben ein viel wahreres und grd«
Ifieres VergnHgen zu iinden ley; 3) das Un«
angenebme emes wolKkfHgen Lebens zufam*
inen rechnen ; 4 moglichen Folgen
deflelben oft Riikiicbt nebmen; 5) die Ge*
felirebaft wonftftiger Mftnner nnd Weibsper*
fonen, ja fogar, iiur Icbdner und artiger
Weiber Aieben; 6) dagegen die Gefelifcbaft
ernfter nnd keufcber Mftnner ttJlmn auffo»
chen ; und jj durcb Arbeitfamkeit und Tha-
tigkeit ii«:h von allen ai||en Gedanken los-
rei&en.
Immer vorausgefezt, dafs er den Vor-
laz bat| iicb zu beflemy den ibm kein Sit*
tenlebrer geben kann.
XIV* Von der Unzulanglichkeit der Ver-
nunft zur Dampfung der Leiden-
ichafteii.
Haben die Menfchen hinlinglichc Kraft
des freyen Willens, zu einem tugendbaften
Leben sn gelangen? Es aft falich und ge-
f&brlich
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— 112 —
fahrlich, mit CarteAus oder Ariftoteles einen
freyen WiDen anzanebmen* nnd die Zulang-
lichkeit defTelben za lehren. Dies tiatUrltche
yermogeii des Menfchea ift zwar nicht zuliing'
licht die bdfen /^feeten zu d&mpfen^ aher
die LehrfQtze aut der Vernunft von der DSm»
pfung der Leidenfchqften Jind auch nicht gant
aus den Augen zu fetzen, Dor Wille regierk
den Verftand, und der Wi)Ic ift *b5fe nnd
verderbt. Und wenn Wille durch Willen
bez&hmt werden fo]]« woher foll denn der
Menfch den guten Wi]1en nehmen? Er kann
eine Leidenrchafi durch die ancire bcivriegen^
er kann mancbmal feine guten Vorfiitze
durchfetzen. Aber es wird nie etwas Gan«
zes daraus werden. Der Lafterhafte ift
krdnk« er kann fo wenlg tugendbaft wer«
den, als ein Kranker als folcher gefund wer*
den kann. Beym Lafter aber giebt es nicht^
wie hey der Krankheitf Arzneyen von
aufen. — Die angefdhrten Lehr(kt7e und de*
ren Btjrolguni^ hilft aber dazu, dafs er nicht
fciiliminer werde, tind ift das^ was bey
dem Kranken gute Diflt ift: fie mindert die
Hrftiykeit der Paroxismen, und halt den
Kranken in einem leidlicben Zuftande bin.
34.
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— ii3 —
§. 34.
Folgllch finclet auch hey Tugend oder
Lafter eine Zurechnung Statt. Aber^ wenn
der Menfch tftwas Gutes thut, rerdient er
kein Loh; denn im Grunde thtit er nie et-
was Gutes> fondern lauter Bofes, hochftens
thut er nut toeniger BfifeSf als er thun kdunte»
Lob aher fchadet nur, inclem es za Heuche*
ley und Verftellung veranlaf^t.
§. 35*
Die Sittenlebre zeigt» wie die menfchli*
dhen AflTecten gedampft werden Ibnten: ile
zeigt aber auch zugleich, dafs fie durch un-
ier natiiriiches Vermiigen nicbt gedanipft wer-
den kdnnen. Alle wahre Philofophie foU
uichts anders feyn, als eine Leitung zun
wahren Theologie» und wo dlc Sittenlehre
aufhdrt, da tritt die gfittliche Weisheit in
dle Sielle. Die Sittenlelire geht nicht weiter,
als da(s iie dem JVLcnrchen den Zuftand der
Thierheit zeigt^ und ihn zum Stande det
Menfchheit leitet* Wie er von diefer zurri
Cbriftenthum geleitet werden foUef da^ zeigt
^e beilige Scbrift.
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— 114
Befchlufs.
Von der Uebereinftimmung diefer Sitten*
lehre mit der heiligen Schrifk. Diefe Moral
ift Pftr Verfahrtc nnd Verffthrer gefchriebeni
gebelTerte Chriften brauchen He nicht. Coin*
mentar Uber die Bergpredigt Chriftt. Triig«
Schkeit einer fpftten Bekehrung. Gtaiibens*
bekenntnis des Verfa£Cer«. Ueber die ver-
ichiednen Wege Gottes bey Bekehrung der
lilenfchen« welche Betraditung ztir Toleranz
fiihrt. Vortheil diefer Sittenlehre in der
Phyiik und in der Politik. AUe keidmfihe
Ethiken und Politiken Jind^ mit tuther «u r#>
den, fchlimmer als gar heine^ uteil fie der
Onade Gottes und der chri/tlichen Tugend gra^
dezu entgegen find»
Berichtigung
einiger Lehrfatze der Sittenlehre, aus
feinen Cauteien etc. Kap. i4«
(Cautelen bey dem Studiuin der Sittenlefare.)
Auch die Terniinftige Liebe kana nicht
ohne Affect feyn* Die guten Afiecten ddr^
fen nicht ausgerottet werden.
Oic
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— ii5 —
Die vernirnftige Liebe i£t kein befondrer
Aflcct» (biideni fie entfieht aos der gebdrigeo
Binrcbrtnkung der drey Hauptl(*jderirchatten.
Das Verlangen nach Eigenthum) £bre and
VergnOgen ift an iich indilTtfrent.
Den drey HauptalTecten, we)che im Ex-
oefs befteben, ftehen drey Laftei- entj:;egenf
die aus dem Defect entfpringen, UnempHnd-
ficbkeit, Unfchamhaltigkeit nnd Betieley.
Die Hauptabiicht der beilenden JMioral
ittuls dabin gebn: die ezcedirenden uud
Itftrkem Leidenfcbaften sn d&mpfen, die
fchwiM^ern und mangelhaften eniporzubrin-
gen, und fo alle Begierden in ein gleichei
Verbfiltnu zu bringen, worimi ttgentlich die
verniinftige Liebe beiteht.
Die BeCTerung unlrer feJbH ift nicht uii«
ndgficb. Ittan unterfcbeide nnr Freywilfig-
keit und Freyheit des Willens. Die pbilo-
Xopbifcben Tugenden iind mitbin auch wahre
Tugenden, nemfich nach dem Verhaltniffe
menfchlicher Schw&che. — Die befte Zeit
der moraJifcben Kur ilt diejenige» in wel«
cber die Leidenfehaftcn nibig liiid^ 2. B.
naqb iiirer Sjiuigung.
H z UE-
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UEBER GESCHICHTE
Dica
PHILOSOPHISCHEN KUNST-SPRACHE
UNTEH DEN DEUT8CHEN.
Die Deutfclien erMelten bekanntlich ihre
Philofopbie in dein Gewande der lateinifchen
Sprache) nnd die «rften deutlbhen PhOofo-
pheii) von allerley Secten, fchrieben und
lehrten in derfelben Sprache. Auch Luther
nnd Melanchthon foedienten- (ioh ihrer bey de*
nen Schriften, die zur Pbilorophie geboren^
ond das Wentge, was der erftre mehr gele*
gentlich in deutfcber Sprache vortrug, hat
erft in der Folge einen wohlth^tigen Einflufs
gehabt. Je weniger die alteren deutfoben
Pbilofophen auf ilcbtes Latein Helten, und
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— 117 —
je bequemer dielie Spracbe war^ um durcb
barbarirche Zofamnienretzungeii und Formen
eine Menge feiner Diftinctionen und Beftim-
mungen zu erfinden) wie das B^yfyiel der
SeholalHker lebrt; defto rchwerer mufKte
es den deatfchen Gelehrten fcheinen, diefe
Benennungen und Wendungen in ihre iVlut-
terfprache zu liberfetzenf wenn lie aiich
nicht allgennein davon iiberzeiigt gewefen
rent dals aller wiirenfchaitliche Unterricht
durchaus lateimfcb abgefafst feyn mHfte. In
der That wurde es auch fobald nicht zu ei*
ner deutfchen Bearbeitung der Philofophie
gekommen Ujn% wepn nicbt ein Oenker
mit der Verwerfung der gefamviten Syfteme
damaJiger Zeit tich auch von lien Fcffeln ih-
rer Spincbe )ols gemacht baite, und Tho-
malius wilrde feine LebrbUcher nnm6g1icb
haben auch nur fo gut deutfch fciirciben
kdnnen^ wenn er ein Anhtnger der Scho-
lafHker oder Cartefianer gewefen wftre. Wir
haben es doch heute zu einer ziemlichen
VoUkomtnenbeit in der Spracbe gebracht,
aber wir wftrden dennooh oft verzweifeln
miiffen, die Scbriften dcr Scbolaftik.er in
▼eritijidlicbes Deutfcb uherzutragen.
H 3 Von
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^ 118 —
Von Chriftimn TkomeffiuM baben ^ir allb die
GefcHichte einer deutfcben Kanftfprache fiir
die Phi^ofuphie anzufangen Sein Eifer
l&r Gemeinniltzigkeit nnd Popnleritftt yeran-
lafte ihn zu der Unrernebmung, uber Phi«
lofophie dputlch zu Ichreiben und zu lebren:
nnd fdn Umgang mit tielen gelnldeten Men*
fchen, aucb feine flei^ge Lecture franzdfi*
£cbi'.r Werke erieichterte ihoi dieft Gefchaft.
ffKxne der vornehmften Urfachen» lagt er»
9twaruni icb diefe meine Philofophie in denl»
^fcher Sprache ausgehen lalFe, ift, um
,idnroh die That zn beweifen, da£s in
^Sachen, die durch die a1)en Nationen
Mgleichformig eingepflanzte Vernunft erkannt
i^werden^ die Kenntnis auslftndificber Spra-
^cheR nicht nAthig fey. Die Weltwdsheit
,iif: f«> leicht, dafs He von allen Leuten aus
Mallen St&nden begriffen werden kann. So
^fchrieben anch ntcht die griechifchen Philo-
„fophen hehriiifch, nocb die R6mifchen grie-
iichiiohi Ibndern jeder bedient iioh ieiner
iiMnt-
*) Eini|:e {rflhere Verfiidie wasen theils sn ein»
seln. thciU von zu wenigcm EinauOe auf aie
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113 ^
«I Mutterfprache. Die Franzofen wUTen fioh
sidie&t Vortheils heut zn Tege fehr wohl za
^bedienen. Warum follen denn wir Deut*
ji(bhen uus beftftndig deswegen auslacbeii laC»
nfen, als ob lEe Philoibphie nnd Gelehrikaf
9,keit nicht in unfrer 'Spraofae vorgetragen
lywerden k6nne? Dafs man vor diefem die
iideatfche Spraehe aicbt gebreacht hat| kom«iit
nwohl daher, weil man glaebtei AriftoteleSf
Thomas, ScotuSy Cartelius, GafTendi u.
)iC w* feyn der Probierlkein der Wahrheitt
„und man murfe fo1g1i<^ die Sprache behel-
„ten, worinn diele j^llanner gefobrieben ba-
«hen»* ♦>
Was ThomaRot tbat, ift immer ein gu«
ler Anfang. Sein Styl wimmelt zwar von
fremden Wdrterni und viele KunAausdrake
hat er ohne Noth kteinifbb beyhehalten. So
iinden wir Concept| ftau Bet^riff oder Vor«
fiellung» diftinot» canfoSf Imprefhoni Af-
feett Connezion u. a. Einige lind nichk be-
Itimmt ^enung uberfezt, wie Senfus, bald
H 4 duroh
*) yoKvede ter VemmiAL 8« i3 t Ifih habe im
8^ stniges |;eSn4eKb
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120 —
darch Sinnlichkeiten , bald durcU Empfind*
lichkeiten» bald dorcb leidende Gedanken»
Sehr viele aber hat er mit Glukc umgefchaf»
fen; da he in der Folge von Wolf und an-
dern beybehalten worden Jind, fo wiU ich
fie hier nicht erft aufz&hlen. Gegen die Thor*
beit, alle liuoftwOrter zu verdeutfchen , ei«
flBrt er aus guten Grundan und mit Tieler
Laune. Ich glaube, Manchem einen Ge*
fallen zu thun, wenn ich cine Uauptftelle
faier ganz einriike *ji
,,Ich weifs wohl, dafs von etlSchen we-
^nigen, die bisher einerley Zwek mit mir
«^gehabt haben» darinn nicbt wenig verfto*
^rsen worden, dafs fie die Konftw6rter alle
i}in die dcutfche Sprache iiherfetzen wollen»
,)Wodurcfa he entweder GelAchter oder Ver-
«ydrolk bey dem Lefer erweken. Wenn aus«
^liindifbbe Sprachen zu uns uherkommeni
^fo kommen anch bey den naeiften anslftn-
^difche Namen mit, und naluraliliren Jich
„gleicbfam in unfej er Sprache. • • . Eben
„fo ift es auoh mit den Kiinften und Wiffen-
^,&haften bcwandt, die uns Ton andem
*) 8. ebend. 8. 14 f.
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121
,,V5]kern mitgetheilt werdei*. Wer in Gce-
,,rqs Schriften bewandert ift, wird wi (Ten,
,,dalk erin phllofophifcheii Gegenfranden oiters
I» griechifche Wurteri die er nicht gut iatei-
vinifcb gehen konnte« beybefajUt. • . • •
„Ei ift aber niclits deftou eniger aiich nlcbt
f^zu Jeugnen, da£s verfchiedne Kunftw^rter
Peutfehe iiberfezty wi darch Oftem
,,Gebrauch der Gelehrten in Schwung ge-
„bracht worden, deren man lich zu lch&-
ftmeii, mchf femer Urfkcfae faat. Man mnts
hierinn feinen Verftand brauchen , und die
MXdittelftrafse gehen. • • . Daher» fo wie
niith mich nicht entbrechen werde, zuw^*
,,len von dem Selbftft£lTKligen "W^efen, von
))dem Gegenftand eines Dinges, Ton dem
MStoif u. L w. zu reden, eben fo werde ich
„ mich anch manchnial der Ausdriike Obiect,
f,Subftan7.9 Materie u. f. w. bedienen^ aber
MniemaU werde ich anftatt Snbiect Unter*
„lage, oder ftatt Natur die Zeugemutter al-
^ler Dinge brauchen. Ich erinnere micli
^hierbey einer Logik» die im Jahr 1621 zn
Cotben gedrnkt ift, und den Titel bat:
^Kurzer Begrif der Verftand -Lebre zu der
i,Lehr-Art. In dief«r hat der Verfafler alle
H 5 Kunfi
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MKanftwdmr detttfcb geben wollen, wel^tt
^oft fo luAig und dunkel beraus komint, daft
y,man iich des Lachens unmoglich enthaltea
,ikann» Icb wil) jezt nnr das Vornebmite in
„Ge(ta1t eines Briefesy den ein Sobn an leines
MVater Ichreibti dem LeCer xu GefaJlen mlH
iitbeilen:
„Ge1lebter Vaterf Icb babe nun nacb an-
yigewendetem fauren Fleifs die Verftand-Lehre
ngelernti nnd babe zn deden Beweils obn»
yylilngft dlTentlicb eine aus diefer Lebre ber^
lygenommene Streitfchrift als ein Beantworter
iiTertbeidigt; nnlers Nachbars S6bne iind Ge»
tyg^^fif^^'' gewelen. Der titefte hat folgende
ijFragen aufgeworfen: Ob der Menfch eine
f^unterfte Art Sej^ und ob er nicbt Yiebnebr
i,zn den GelbUeobteni oder docb sitm we-
,,nigften zu den untergeordneten Arten geh5re?
iiWas die Urikche feyi daOs allein die Men*
nfcben und etlicbe TbierCi nicbt aber alle
ijDinge eigentliche Einzele w^ren? Ob das
^VernU^ftUehe tn der Befchreibung des Mcn*
iflcbeii ein tkeilender oder Artmachender CTjg.
^^terfchied fey? Ob Vater und Solm zu dem
i^Orden des Selbft/tandigen oder des GegenbUkt
^tgebAre? Ob Fcoft nnd Hitse wtderufOrtig
^,oder
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~ 193 —
poder beiiekndiek'Batg§gengefizie wliren? Br
«wolTte fieh aticli zo den Naehorden wendeii)
,,und aus denfelhen die Weifen des Fdrdern und
pHintern nnterfuchen* • • • Sein Bnider be*
Mriifarte den Sto/f Ton den AMtflfrUchen mit
y,reinen Gegenjatzen, Er woUte bebaupteni
tida(s die Unterlage mancbmal weitl&tfftigep
«leyn kAnne^ aJs das Ausgefagte^ dalS der
^edingte Ausfprucb beffer u iire, als der ein-
iifache» und der Mafshmbende deutlicher, aU
9ider Niektmaftkabende ^ Sng1eichen« dals eln
^allgemeiner hejahcadtr Ausfpruch allczeit fchUcht
ff^mgesoendet werden k6nne: dieweil er aber
nOfters Schluft-fleden ron vier Bnden machtei
j,das mitlere Ende zuwellen in den Befchlufs
Meinniifchtef auch manchmal Schlufs - Reden
nTorbrachte^ die in der erften Qeftalt feyn
^follten, und doch zu keiner Weife gerech-
Mnet werden konnton, auch 6fters*der klei»
^nere FUtfatz Terneinend war, anderer Be»
fftrugs-Schliiffe zu gefcbweigen : fo babe icb
nihn derge^talt mlt Atifldfungent Grundfatzen^
ffiintheUnngent An/Ugungen und Begr&nzungen
„zuruk getriel^en, dafs mein Herr Vorfitzer
wtt. £ w.^^ Viele von diefen Verdeutfchun*
geni fezt TbomaJius binzu» find got und
nun-
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— 124
nunmehr im Umlaufi aber liie mei&e» £nd
dunkel und iScberlicb.
Da Thom^riqs einiQahl die Bahn gebro*
cben batte^ fo folgten ibm bald mebrere
philorophifche Schriftfteller nach, die ich
jedoch iibergehen kann, weil fic nichts Vor«
z0gUcbes geleiftet baben«
Es ift zu bedauern, dafs Leibnitz fich der
deutfchen Sprache in feinen pbiiofophifchen
Werken aus mebreren Grunden nicht bedie-
nen koiinte. Einer Selts wollie und mufste
er auch Tdr AusJ^nder fchreiben* nnd andrer
Seits hiitte ibn die Sprache felhft bey feinen
Untei fuchun^jen zu fehr aufgehalten. Er fand
htf nach feiner ausdrukhchen £rkl4rung *)y
fiir abftracte BegriflTe nocb zu arm, aber dals
er, wenn es die Umfiinde gewoUt hiitlen,
£e felbft hattc bereichern konnen, zeigen
mebrere 7on ibm verdeutfcbte Kunftw6rter,
z.
*) S. deCTeQ miTorgreiflicbc Ged&nkea etc einge-
zlikt in den Be||ru»gen sur deutfchen Spnich*
^unde Ton Acsdeniie sn Betlin. i. Tb.
8. 29 und s6t
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2, B. abgezogene ErkenntnilTe, SchluCiform,
Gnindr^el, Denkkanfc, Welenlehre, Be-
grenzung u. a. *). Auferdem zeigte er zwey
Quellen an **)» aus welchen die philofophi-
fche Sprache anfehnlich vermehrt werden
konnte, die Schriften gelehrter Thtfologen
ond der Schwarmer, „welchc leztern, wie
er fich ansdrukt) gewifle lchdne Worte ond
Reden brauchen, die man als gftldene Cre-
fatse der £gypter ibnen abnebmeu, vou der
Befchmizthejt reinvgen, und zu dem rechten
Gehraiiche widmen k5nnte: welchergeftalt
wir den Griecben und Lateinern bierinn felbft
wiirden Trotz biethen kdnnen.^^
Die wichtigff^ Perlodc fiir die dcutfche
Terminologie der Phiiofophie begann indeflen
mit IVol/, Ueber diefes grofsen Mannes Ver-
dienfte um unfre Sprache iiberbaupt, ift fcbon
fo yiel gefchrieben worden^ dats ich ^er
nabern Cntwiklnng derfelben enti\brigt feyn
kann. Obnitreitig bat er aucb fur die philo-
fophi-
•) Ebend. S. 2u
**} Ebend. S. sa^
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' I2t)
Xbpbifclie Spracbe mebr getban, als fie blofis
durch UeberXetzung fremder Kunftwdrter
oder Erfindung neiier bereiohert: er hat ihr
eine gewiffe Beftimmtbeit undt icb mdchte
lageii, eine Mauier gegebeii« durch welche
fie erHb lUiig wurdef ein Organ der Pbilo*
fopbie abzugeben. Seine Voriichtigkeit und
ge£ammte Verfahrungsart ift mulkerhaft. Die
Tor ihm gebrauchten deutfchen WOrter be«
hielt er bey, und fuchte iie, fo Tiel n>6g-
lichf sa beftimmen. Bey den Umformon*
gen der fremden nahm er genau auf den Croft
der deutfchen Spracbe RukJicbt, und uber*
(Ss^te nicht, wie diCf deren llioiaAfitts fpot*
tet, w6rt1icfa *)• Die deutlchen W6rter»
woraus er Kunftw6rter biJden wollte, unter-
fuchte er vorber nacb ibrer eigentlicben fie»
deutung, nnd entwikelte aua diefer die tecb*
nifche, immer mit der mdglichften Ann&he>
rung an den Spracbgebraucb. £s war frey*
lich nnTermeidlidi» nnd mehrert ISeiner Geg«
ner
Alfo nicht: initleres Etide einer Schlu£irede»
fondern : Mittel-Glied eines SchhilTet. Kicht
Befchlufs (ConcUifioj ibiideniHaAt«*Sats eiiMe
Schiuilet*
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— 127 ^
ner Uagten daiixber^ daXs durdi diefe A^Qr
demngen nnd Nenernngen mancberley Bfif*
verftiindnirre veranlafst wuiden, von Seiten
derer» die einmab] an die iiisherigen Bedeo*
tungen der Ausdriike gewohntt lie in dem
vorigen Sinne nahmenf und auf die Art
Wolfens Ideen zum Theil alt, zum Theil
widerfprechend nnd Terwirrt fanden; nnd
der gute Jo. Lange war nicht der einzigei
der deshalb den Stab ikber Wolf brach. Bey*
ffnele von a]lem dem anzufiihrent wird nm
fo weniger nothig feyn, tla jeder Lefcr aus
den Rcgiftern bey WoJfs deutfc^ien Lehrbu-
ohern nnd am Tollftftndigften aus den Sarom*
lungen bey Ludovici *) fich leiclit iiherzeugen
kanUf wie Torfichtig und grol^entheils uui*
flbertreflicb Wolf die Sprache der PhilofopU»
reformirt hat. Viel davon verdanken wir
der matheniatifchen Methode^ deien er fich
bediente, nnd die ihn mehr» als den Tho« /
r
xnafius fein populaires Raifonnement, an Be- ,
iiiinintbeit und Deutlichkeit erinnerte* Man-
cha
*) Hiftorie der Woinrchen Philofophie. i. TheiL
I. t a. TlieiL i. Sag L VergL & XheU.
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— 12» —
che feiner Nachfolger fanden fich ebenfalls
berafen» an der Sprache ztf Arbeiteny und
nicht ail6 thflten es ohne Glak. Das Ver-
zeichnis bey Ludovici *) enthalt viele treHi-
che Beytr&ge» welcfae von Wolfianern der
damdiigen Zeit geliefert wurden.
Von Woifens Zeiten an , macbte die deut-
fche philofophifche Sprache Kiefenfchriite,
befonders durch das Studiuin der Auslilnder
und die mancherley Verfuche im ftfthetifchen
Fache. Cottfched koinmt auch in diefem
Sttike irorztLgHcb in Betrachtung» und ob«
gleich mehrere feiner Ausdruke die Probe
nicht halten , fo veranlaften iie doch manchen
nachfolgenden Denker zu neuen Verfuchen*
tBin JerufaUm^ DarjeSy Crujins, tSellert wer-
den auch bier unvergefslicb feyn, und die
Verdienl^, weicbe fich vor ihnen Reimarus
VLva die Behandlung der Logik und natlirli«
chen Tiicologie erwarb, bud ailqemein aner*
kannt. Die erCtere zeichnet iicb unter den
▼ielen Lehrbuchem diefer WilTenfchaft, be-
fonders durch ihre Sprachei vortheiihaft auS|
und
*) Bcronder» L 2. Tbttl
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uiid ilie lcztere hat die Kunrtfprache fo weife
unil anvermerkt in die Sprache des Lebens
und der Empfindung eingewebtf dals fie be*
ftandig fiir iliefe Art von Behandiuiig ein
jytufter bleiben wird. Eben das kann man
Yon Jernralem rilhmen. Crtfius Schriften aus
dcr theoretifclien Piiiiofophie Jefen fich auch
heute noch angenehm» und man darf nur
den Vorbericht von den philofophirchen Kunft-
wortern vor feiner Logik, und das fiinfte
Kapitel dieies Lehrbnchs vom Gebrauche der
Begrifle und den WSrtern ftudieren, um zu
felien, welche trefliche Ideen diefer Denker
iiber Sprache iiberhaupt hatte, und wie ge-
wandt er mit den Kunftw6rtern der Philo-
fophie umzugehen wufte. Das Recht der
Gelehrten» £agt er neuc Worier und
Bedeutungen zu beftimmen, befteht in FoK
gendem: i) man foU den Sprachgebrauch
nicht ohne iiinl&ngliche Urfache verladen;
2) folglich die W6rter nicht um einer blofs
granamatifchen Aequivocation willen verwer-
ien» 3} Wenn taan eine fchwankende Be-
deu«
Weg zur GiwUsh«it» Auig, 1747. S. 406.
I
— i3o —
deutuDg genauer bertiinint, fo foll man des-
w^en die andern nichl fogleich Terwerfen,
fondern, wo es angeht, die Obrigen zugleicb
mit berdmmen. 4) Neuentdekten BegrifTen
darf man neuo Namen geben, aber die Na-
^ien murfen bequem, und die Bcgriffe wicb-
tig leyn. Meiers A.nfangsgrunde der rch&nen
Wiflenfchaften nnd alle Scbriften dieles Man«
nes, ro troken lie aucb im Ganzen genom-
* men find, werden dennoch immer fiir die
GefcbicAite der pbilofophifchen Spracbe wich-
tlg bleiben. Es gelang ibm in dem erftern
Werke gewifs nicht ube]) die feinen Nuan-
cen der fimpfindungen nnd der Aeuferungen
des Gefehmaks zu bezcnchnen , nnd fein Styl
jft durchweg, zwar wafTerig, aber mdg-
licbft rein. Wie konnte ich hier dte ehrw&r»
digen Namen Sttlzer^ Bafedoi» *), Lamhert^
Heudelsfohiit Le/sing, ifelin^ Feder^ Garve,
Diefer originale Kopf yerftiTir mit der Spnclie
der Pliilofopliie oit etwas gewaltfam , abei er
gab ihr doch dnrch feiu analytifches VerFahren
viel Gewaiultheit und Scharfe. Vergl. fein
Theoretifches Syftom der gefundea Verannft*
und das £lementarweik i» Th»
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— i3i —
Platner *), Eberhardy MeinerS^ Tetens **\
und Bagel ▼•rgelleni unter deren H&n-
den die Philofophie nnd ihre Sprache fo un*
endlich viel gewonnen hat! Was auch man*
cfae allzufeurige AnhiLnger der neuelten Phi-
lofophie ttnigen diefer MSinner anhaben wol*
len : He konnen ruhig leyn, und Hch mit
dem Bewuistleya erheben, dais Deutfchland
I 2 nie
•) Man machte diefem fcharfrinnigen Philorophen
bey feiner eiften Aiisgabe der philojophijclun
Aphorismm den Vorwurf, clafs er oft ohne
l^oth Ton der heig^braehten Tenninologia ab*
weiche. Mandie (einer nenen Ansdrtlle hat er
jeat mit pbi]oIb|^fcher EntliRgnng zunlkg^onu
neB, nnd in jedem Falle hat er doch dazn
beygetragen, dafs feine Lefer und Schaler die
BegriiFe feibrt, die er umgekleidet hatte, nun
wieder auf einer neuen Seite befahen, uad dat
ift inuner Gewinn fiBr die Wiflenfchaft»
•*) In feinen Unterfuchungen herrfcht viele Krafc
der Sprache, und manche neue Wendung^
der Begdffe hat er fshr gloUich beaeichnet.
Das meifte Verdienft hat llch dicfer trelliche
Denker um die Sprache der ?fychologie uad
Aefthetik erworben* Seine Mimik ift un»
fchizber.
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l32
nie fo weit zurukfinken wird, ihre Nanaen
unter der Zahi leiner grdfteii Wohltbater un*
dankbar zn Tergeflen.
Um indellen kein blo&es Nameil*Regirteri
oder) welches noch ttnfchiklicher wftre, eine
leere Declamation zu liererni woJlen wir
hier einen Augenbhk Terweilen, und einen
Blik auf den bisherigen Gang dcr philofophi-
fchen Kunftfprache werfen.
Wenn eine Wifrenfchaft in dem Gewande
einer fremden Sprache zu einer Nation
kommt, deren Sprache mithin noch nicht
dafiir zubereitet ift; fo kann naturlich dic
BemCLhung derer» welche diefe WifTenfchafe
in ihrer Sprache bearbdten wollen, Anfangs
nur aufs Ueberfetzen gerichtet feyn. Wir
kdnnen daher den Zeitraum von Thomahus
bis auf Wolf fuglich die Uberfetzende Periode
nennen. Wo eine worlliche Ueberfetzung
nicht m5glich oder undeutlich feyn wiirde^
werden gew6hn1icb in einer folchen Periode
die fremden VViirter beyjiehallen , und zum
Theil durch Endungen» wie Thomafius lich
fehr richtig ausdrukt, naturaliBrt. Es hat
auch damit um fo wenj|;or einige Schwierig-
keit,
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keit, weil die Gelehrten diefe fremden Aus-
druke verltefaeii» und die Ungelebrten iie
noch nicht zn Terrtehen braucben. Dabey
behalt die Sprache in wifTenfchaftlichen Bii-
cbern nocb eine gewille Fremdartigkeit) in
Ruklicht der gerammten Manier, welcbe fich
fobald nicht veHiehrt. Oft, wenn man Tho-
mafius Scbriften liefti glaubt num eine Scbu-
lerm&fsige Ueberfetzung aus dcm Lateinifchen
7.U ]efen : fo genau ift Conftruction und Wen«
dung des Lateins in ieinen Styl ubergegangen.
Die zweyte Perlode konnte man, in Be^
ziebnng auf uns, die verdeutfchende nenneni
d. h. eine folcbei wo auf der einen Seite
nicht inehr blofs tlle Worter einer Wilfen-
fcbaft uberfezti fondem die ganze WiETen-
fcbaft gleichlam in die Form unfirer Sprache
eingepafst wurde, und wo man auf der an-
dern Seite die Ichon vorbandnen Worteri
wie Miinzen nidit mehr blois durch mn Zei*
chen zum Gebrauche der WifTenfchait eignete,
Ibndern eiuen ganz neuen und paflenden
Stempel machtei womit nun neue und giil*
tige Munzen aui^i^eprdgt wui den. Diefer Zeit-
raum gehti uiit einigen Modi&cauoneni von
I 3 Wolf
; Wolf bifi anf die lezten Frennde Ceiner Phi-
lofophie in clen nenern Zeiten. Die Modifi*
cadoncn lelbft beftehen erftens in der groCsern
oder geringeren Purilterey (Leibnitz £agt R^n»
d&nkel) «nzelner Schriftfteller. Wir linden
auch hier Griilen und Lacherlichkelten. £i-
nige bemubten Ach« darchani rein deutfch zu
rchreiben: andre fanden in dem Gebrancfae
fremder Kunftworter mit deutfchen Endungen
eine grd&ere Grundliehkeit nnd einen philo-
fophifchem Anlbich. So kamen zu einer
gewiffen Zeit die Worter Tendenz, Proba-
bilitat» Perfectibilitat, nnd eine ganze Menge
logieen und tiken ohne Noth in Umlauf ^ und
die meiften phiiofophifchen Scliriftfteller ver-
mieden die gebr&uchlichen deutCchen W5rter
recht abfichtlich, nm nicht das Anfehen zu
haben« als fagten iie etwas Gemeines und
Bekanntes. Andre Ichufen Ikatt der fchon
Hblichen deutfchen Benennungen nene deut-
fche, oder gaben jenen folcbe Bedeutungeni
die fie zu neuen zu machen fchienen. Die»
fes Schiklal hat befonders die Moral und Pfy-
chologie, niclit weniger die Theorie der fcho-
nen Kiinfte erfahren: wo faft kein Kompen-
dium mit dem andem dne gleiche Sprach^
redet.
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— x35 —
redet. Die£$ fuhrt micb zu deui zuieyten
Pancte, der hier in fietrachtung kommen
inufs, die verfcliiedenen Syfteme der Philo-
fopbie und ihre noch verfcbiednere Beband-
Inngsart. In jedem Syftem und ibgar in jedem
Kopfe nehmen die philofophifchen Wahrhei-
ten eine eigne Form an, nacb welcber fich
folgUch auch die Bezeidinung richten mufs*
Und es macht einen grofsen Unterfchied, oIj I
ein Philofopb einen Satz fiir Pbilofophen er« •
weifen^ oder ihn einem gemifchten Pubficuni
deutlich und angenehm vortragen will. Wer
das Leztre kann, verftebt nicbt immer das |
Erftref und ich zweifle £ehr» ob GeDert
ein brauchbares Lehrbuch der Metaphyiik zu
fchreiben im Standc gewefen wilre. Unfer
Zeitalter hat iich bisher Torzuglich durch die
allgemein Terftlndliche Bearbdtung der PM-
lofopbie ausgezeicbneti und man konnte da-
her» Ton Sulzer an^ «ne popidSre Periode an-
nebmen , (im befteit Sinne des Wortes) die
vielleicht der WifCenfcbaft, als folcber, gc-
fchadet hat, aber zur AufklAmng und Bil*
dung der Narion fiberaus woblrh£ltig gewefeii
ift. Wem faJien nlcht eine Men^e neuerer
Schriften einf in welchen philofophifclie S&tzet
I 4 ohna
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— i36 —
\ obne aHe Kiinftrprache yorgetragen und er-
ISLutert find? Ich weifs wohl, wie fehr die
Fretincle der fcientiHfchen Methode ddinil un-
zufrieden, und wie fefar he deshalb far die
Verderbung der Wiflenfchaft felbft bange
find *), Es k^me hier auf die Frage an:
Ift obne Kunftfprache keine Gr&ndUchkeit
mdf^lich, und giebt es nicht auch eine po-
pul&re Gr undiichkeifc ?
Ich gehe zu der neueften Periode fort^
f&r die ich keinen Namen babe. VieUeicbt
ift nie an der feinen Beftimmung der phiJo-
Ibpblfchen Terminologie fo eifrig und gliik-
lich ^earbeitet worden, als feit Kants Refor*
men in der Phiiofophie. Dals er eine ganze
Menge neuer W5rter d. h. alter mit neuen
Beftimmungen, zu feinen Ent^klungen n6-
thig hatte, dafs er in der Wahl und Erfin-
dung derfdben iitieraus gluklich war^ dals
er, wie Wolf, durcb diefe Aenderungen
auch mancherley iVljsdeutungen und Klagen
▼cr-
Schon langft Uagte Kant in Cnnen Brielen an
Lauibert dacuber. S. die Saninilung YOn Ber*
nouIU.
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- i37 -
Terurfaebte, das alles ilb bekannt genung.
Kach ihm hat indcfferi wohl kein Denkcr
'mit Iblchem Scbarfiinne an der Beftimniung
und Feftftellung der pbilofopbifcben Spracbe
gcarbeltet, als Heinhold^ deffen Analyfis der
Ausdruke oft fo fein und fcharf ift, dals
man erftaunen mulk. Kein Wort entfkllt
ihin, welches nicht bey ciner grammatifch-
pbilolbpbilcben Anatomie ausba]ten konnte»
ond oft, fo fcbeint es mir, oft And ganze.
Lehrfatze und Ideen nur durch die Anfiu-
fung ond Beftimmung eines Wortes enrftan*
den. Und fo ^e Kant mancbmal der Kei-
nigkeit der deutfchen Sprache zu vic] ver-
^eben bat: fo bemubt Hcb Reinbold» wo es
feyn kann, fremde Wdrter zu umgeben.
Im Ganzcn ift freylich der Styl der kriti-
fcben Fbilofopben fehr bunt^ und wenn
diefe ganze Reforme nlcbt in einen 2eitpunct
trafe, wo Dichter, Gefchichtfchreiljer imd
AefLhetiker fo vielen FJeils auf die Sprache
wenden, (b wfirde fur die leztre febr viel
zu fiirchten feyn. - — Unbeftritten aher ift
)ezt grade der Zeitpunct, wo die phiiofo-
pbifcbe Spracbe eben fo retcb und bequem
ift fiir diie fcmften theoretifchen Specnlaiiu-
I 5 ^i^^»!,
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nen, wie fi&r die populftre DarfteUaag plu«
lofophifcher Wabrheiten : und die grotse
Menge von Freuoden der ryftematifcben Phi»
lofophie wird es Terhindern, daft die Po»
pularit&t nicht in lidchte< und leeres 'Ge*
fchwatz ausarte.
«Alfo i£t e$ doch mdg|ich, daia die Kan*
tifchen Ideen, die wir bisher immer we-
gen der eignen Sprache nicht verftanden
haben« mit der Zeit einmabl faislich und
f^r Jedermann kdnnen dargeftellt werden?
Ift nicht auch dle Wolfifche Phi)ofophie durch
neaere Schrift(teller iur aile StSLnde und Ge«
fcblecbter lesbar und Terftandllcb gemacht
worden? Hat man iie nicht in Briefen, Ge«
fpriichen, Erz&hlungen, Romanen und Ge-
dicbten fogar auf Toiletten zn bringen gewuft?
Und kann denn irgend ein Syftem wahrhaft
gut und Ton Wertb feyn* wdcbes nur einer
kl^en Auswahl Ton Gew^ten begreiflicb»
allen iihngen aher ein vcrKegeltes Buch ift?**
Ich giauhe» die Antwort auf diefe Fragen
lalst jRcb febr kurz faOen. Nicbt die Wol*
iifche Logik, MetaphyHk nnd Moral felb£t
war ess die neuere Schriftfteller zur unter-
bahenden Lectftre macbten: es waren nnr
Be-
- i39 -
*
Betraebtuiigeii fiber gemeinwichiige Gegen*
ftftnde^ wozu fie den StolF aus ienen Syfte- >
raen entlehnten, und die fie mit fteter Riik-
iiciit auf die Principien, welcbe Wolf aufge*
ftellt hatte, Terarbeiteten. Das Syftem ei«
nes Philofophen, wenn es wirklich auf fpe*
culative Principien gegr&ndlet und daron mit
fyftematifcber Gr&ndlichkeit abgeleitet ift,
I&Cst fich durchaus weder obne Kunrtlprache
Tortragen, aoch zur Volkslectftre verdeuti-
lichen. Nur die gemeinndtzigen Refultate
deHelben k5nnen unter den Handen gefcbik-
ter Kdpfe k la port^e de tout le monde wer>
den. Lichtenbergs Nachricbten Tom Him*
mel hnd eine uuterhaltende Leciure filr Je-
dermann» und pafTen in ein Tafcbenbucdi»
aber fie find nnr Refaltate einer grofsen Reibe
tiefer Unterfuchungen und kiinftlicher Rech-
nungen^ die 60*9 bey aller feiner Laune und
Popularitftt, nie zu einem allgemeinfalslicben
angenehmen Aufdatze wiirde einkleiden k6n-
nen. — Es g^ebt nur drey Ittittel, wie man
dergleichen Speculationen populSr darftellen f
konnte: entweder man uberfezt die frernden
Kunftwortert dem Sinne nacb, ins deutfcbe:
oder man bedient fich Ibatt der WOrter felbft
der
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— i4o —
der Definitionen derfelben; oder tnan fucfat
l&berall, fbitt der Theoreme» in lamer Beyfpie-
len zii philofophiren. Das erftre ift von kei-
ijem fonderlichen Werthe. Denn abgerecbnelt
dafs die deutfcben Kanftw6rter immer Kunft«
woiter b]eiben, fo find fie gemeiniglich durch
ihre halbe VerfUndlichkeit nur nooh unver*
ftandlicher. Was Denken, was Form iH^
glaubt der deutfche Lefer zu verftehcn, eben
darum wird es ihm noch fchweirer werden»
^nznfeben, was eine Denkform ift. Er
weifs, was Sinnlichkeit bedeutet, wiirde
fich auch bey iilierfteigend etwas denkeui
aber eine iiberlkeigende Sinnlicbkeitslefare
wiirde ihm gewifs" eiwas anders /n feyn
fcheinen» als Kants transcendentale Aelthetik
fagen will. Das zweyte itt iiberaus weit-
Idiiftig, und der Lefer wurde durch diefe
WeitlsLuftigkeit fehr vcrwirrt werden: nicht
zu gedenken* dals in Delinitionen fo mancfae
Worter vorkommen, die erft durcfa das De-
hnitum felbft ihre beftimmte Bedeutung be-
kommen* Wenn wir ftatt SinuHcfakeit Xagen
wollten: die Art und Weife, wie unfer Ge-
muth afBcirt wird, fo wiirde dem Lefer,
der jenen Ansdruk nicht Terfteht, eben £b
un«
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— 14» —
unbegreiflich feyn^ was Gemiith und was
Afficiren des Geuiiiths bedeutet: er wuicle
llch hucUItens leidenrchafiliche Bewegungen
darunter denken. Die dritte Verfabrungsart
ift noch waglicher. Beyrplele zur Erliute-
l ung ganz abftracter BegriiTe zu iinden} ift
kein leichtes Gefchtrt: und wenn fie auch
noch fo gnt gewUhlt waren, fo murfen fie
doch immcr enipirifch feyn. Dadurch wird
aber der Lefer allm&hlich von der abftracteii
Idee abgefiihrt, und indem er das Beyfpiel
ficb niogUchft verdeutlichet und verfinnli-
cbet, hdrt er auf, den abftracten Satz za
denlcen, oder verwirrt ihn ganz und gar.
Welches Beyfpiel wiude im Staade feyn, ei-
nem Layen deutlich zu macheni was Kant
unter reiner Sinnlichkeit verfteht?
Kunftfprache bleibt immer ein wefentH«
ches Stuk einer Wiffenfchaft oder Kunft» und
es ifb eine unverftftndige Forderung, zu ver^
langen, dafs der Mathematiker , der Philo*
fophf der Bildhauerf odcr irgend ein andrer»
uns felne Winenfchaft oder Kunft ohne Kunft*
fprache lehren und deutlich niachen folle.
Freylicli ift die, welche der Kiinftler ange«
nomulen hat, von der phlJofophifchen fehr
ver-
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verrchieden : er kana vorzeigen ocUsr zeicb-
nen, was er mit feinen Aatdrilken meynt:
in der rhilofophie ift Wort und Begriff fo
genau verbunden» dals ' man den leztem
nicht immer mit andem AusdHiken faflen
kann. Der Lehrling der Kunft nimmt mit
dem Kunftworte zugleicb ein Bild des Gegen-
Ibuides aof: bey dem Lehrling der Philoro*
phie kann es oft gefchehen, dafs er nichts
aU dds Wort aufnimmts uud mic demfelben
einen BegrilF zu haben glanbt; wenn man
ihn aiiffordert, den Begriff zu entwikeln,
Ib zeigt iichSf (iafs er nur das Wort gelernt
habe. Hieraus entftehen mancherley Nacb-
theile fur die Wirfenfchaft felbft. Die Schu-
len, fagt Herder wiLhlen Hch gewiCfe
Lieblingswdrter « die Ae als Spaziergfinge
branchen , nm eine Materie nach Belreben
zu betrachten. Man hat einige Grundfadeny
die zu allen Schriften dienen miifiren» und
in die man nachher nur die Terilnderten Vl»
guren hineinwirkt. Daraus entfteht eine ge*
wifle Bequemlichkeit im Denken; man kdnnt»
frcy-
*) Ueber aie aencie dentCcIie lit. Dritte Sanm,
6. 48£
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— 143 —
freylich Ton allen Seiten hernmgehn« um
den Gegenftand aus allerley GeJichtspuncten
zu betrachten; allein man lezt fich anf diefs
oder jenes Wort, als eine alte JluheMtte^
ond iieht, was andre Tor uns fahen und
nach uns fehen werden. Oder man fchich-
tet feine Materie nach gewiHen a]ten £inthei«
luni^en, die Itch auf Schulen Tererben, nnd
ein befchwerliches Joch im Denken auflegen.
£beu Xo wahr ift es dafs die iatei-
nifche Sprache, in der wir die Philofophie
bekommen haben, einen machtigen Eindruk
auf den philofophifchen Vortrag gemacht»
und in die deutfche Sprache der Philofophie
einen gewiHen Zwang gebracht hat, der dem
Ganzen dne fremde Geftalt giebt» Lehrbu«
cher und Streitfchriften haben dazu das Mdfte
beytragen belfen. Hifsmann fchob die Schuld ]
auf einen einzigen Mann^ auf WoJf» aber •
die Uriache liegt wohl in dem ganzen Gange :
der wiffenfchaftliclien Bildung unferer Nation.
Kann indeHen irgend eine Art zu philo-
fophiren dem Unwefen des Wdrterkrams fb<
wohl»
*) Ebead. S. 117« Vergl. Erfie Samml, 8. 175 f«
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- 144 —
wohl , als dSerem Fefaler des Latinismns nach
und nacii ablielfen: fo ift es gewifs die kri-
, tirchc. Die Torhin genannten deutlicben Phi-
. lofoplieii hahen fiir die practirchen Theile
der Wiffeufchaft viel, fehr vlel geleiftet.
Wir diirfen yon den kritifchen Philofophen
far die Theorie ein Gleiches hoflen. Da die
Kritik iminer auf die Piufung der erften
Principien einer Behauptung dringt, und ei«
nen Gang nimmt/ der fich von dem bisheri-
gen merklich unlei fcheidet , fo ift weniger
; fur philofophifchen Pfitudsmus zu fiirchten,
und die WifTenfchaft mufs a]]ma,b]ig aus der
lateinifchen Fonn heraustreten. Im Anfange
war freylich, wie ubera]] hey dem erften
Auftritt eines origina]en Kopfs, Naclibatbe-
rey und Glauben an die Worte unvermeid-
lich. MsLn mufte erft Kants Gedanhtn ]er-
nen, ehe man in feinem Syfteme dtnhefi ler-
nen konnte.
El-
— 145 —
& I M IG £
ALLG£M£IN£ R£SULTAT£
AVt
D£R 6£8CHIGHT£ D£a PHILOSOFHIB.
Die Gefchiclite der Philoroplile wiirde fchon
dana ein belohnendes Studium reyn^ wenn
lie uns attdi nnr mit einec groiseii Menge
menrchlidier Meynnngen bekannt machte^
und uns daran einen Stoff zur Uebung dea
Scharffinns nnd der Urtheilskraft vorlegte.
Aber ihr Natzen ift nnftreitig viel grGlser.
Sie gew5hnt uns an Billigkeit und philofo*
philbhe Daldfamkeity indem lie uns den
Quellen der Meynnngen nnd Triumereyen
nachforfchen lehrt. Sie macht Torhchtig
K gegen
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— 146 —
gegen die mannigfaldgen Arten des Aberglau-
bens nnd der Scbwlrmerey, indem iie war-
nende Bey^iele tas der torigen Zdt anlftelki
Sie xnacht gegen ^rahlerifche Ankiindigung
neuer Erfindungen mifstrauifch. Sie zeigt an
unzfthficben Beyfpieien die Urlacben philoib-
phircher Streitigkeiten, die Maeht der Vorur-
theile, und dle Hinderniffe, welche jede nene
Wahrbeit zu iiberwiflden batte» ehe iie «na
angemdnere Anfnafame fand. Sie giebt uns
mancherley Proben, wie genng und zuf^Ilig
oh die Urfacfaen der wichtiglten Enideknn*
gen im Rache der Wafarheit gewefen find,
und erinnert uns dabey nachdruklich an eine
hdbere Uand, welche die Entwikelnng des
menlchficben Geiftes nnfiditbar aber weile
leiteL Sie ftellt uns Martyrer der Wahrheit
nnf t an deren Bey^piel wir eben ibwohl Be*
hntlanikeit, als Standhaftigkdlt lenien kta-
aen. Anderer individueller Vortbeile nicht
zn gedenken.
Ich wiU hier bey einigen a]]gemeinen Re*
fultaten ftehen bleiben, welche fich aus der
gefiunten Gefcbichte der PbiJofopbie ergeben.
Sb ift mcfats neues, was icfa zu (agen faabe^
aber es ift. vielleioht nicht ganz obne Nutzen.
Wel-
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— i47
Wddie Wahrbdt leliit tins diefe Ge-
(cbichte nachdriiklicfaer, als die: <ia/)
menfcUid^ Geift siir fkUofofikie kerf/€m ifi.
Troz aller glaUichen niid UB§^k1ichen Ver-
fuche der Vorganger unterlielsen die Nach-
Iblgeniien ibre Forichmig^ nicht) weder
muthlot gemacht dardi die anfcheitiende VoH*
kommenlieit der erftern, noch durcfa das
GefiUirtiche and Troftloie der leztem abge*
fchrekt. Kanm hatte ein denkender Kopf
eine Mcynung ge^uferti als fogleich eine
groise Menge belchAftigt war^ fie zu erllu«
tern, ausznfilhren» und weiter anznwendeiiy
eine andere, Ae zu widerlegen, und noch
«ne andere^ fie durch neue Ideen zu vec^
drfingen. Hier Aanden Minner auf « di«
eine betrftcfatlicfae Zafal Ton ErkenntniHen und
£iiiRchten ausbothen: dort erhoben fich an»
dre« die aHe ErkenBtiiiik HLr nngewils imdi
tiLufcfaend erkl&rten. Dennoch lieJCseu fich
«ndere nicht irre maoheni yon nenem nacb
Brkenntnis und Walirbeit tn forlcfaen. Jezl
verfuchte maa auf dem Wege der bloisen
Specttlationy jczt nuf dem der £rfahrun^
ins Reich der Gewififacit zu dringeiL Wo*
fCkr follen wir das iialten? F&r einen kindi-
R A icbca
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— i4« —
fbben VorwitZy der in einer Ark ron Erb-
i^bel feinen Grund hat? Ftir eine rtrafljare
LiiAemheit^ die nar mn des Verbotbs wil-
len nach der Frucht rom Baome des Er-
kenntniCfes begehrt? — Ohne dafs uns die
Fbilofophie Telblk zvt beweifen breucbty da£s
der menrchliche Geift in feiner cignen Natur
alle Anlagen zum Philofophieren hat, lehrt
uns die pbilolbphifche Gefcbicbte, da£B dieie
Anlage, dieCer Beruf iich unter keinen Um-
ii&nden und zu keiner Zeit verleugnet hat.
Oder lollte d«r Schluls zu gewagt £eyn:
Was der menfK^liche Geift fo viele Jahrhnn*
derte faindurch unter verfchiednen Himmels-
rtricben, troz aller HindernilTe und S<^wie*
rigkeiteni mifc raiUofem i;;nd nnermftdetem
Eifer gethan hat, dazu mufs er durch feine
innere BelcbafFenheit iahig, und durcb £eine
Beftimmnng berufen Ibyn? Docfa, wer bas
)e geleugnet, dafs Denken die wafare Be«
itinimung der menfchlichen Vemunft ieyt
und was heilst Pliilofopfaieren anders, als
nber den beftimmten Zufammenhang der
] Dinge denken? Wer das geleugnet bat?
Ucfa diknkt« a]]e diejenigen, wekfae den
Gebrauch der Vernunft nur auf die gew6hn-
licben
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— 149 —
Jichen VorfiLlle und Verhaltnifle imrres irdi<
Xchen Lebens einfchr&nken wollen: alle die«
jemgen» wdche eine Ohnmacht der Venmuft
5n Riikficht derjenigen Kenntnine behaupten,
welche den Kreils des Sichtbaren uberrteigen:
alle diejenigen, welcbe nns auf Belehrnngen
und Oflenbarungen von aufsen yerweifen : alle
diejenigen a]fo, welche eben aus der Gefchichte
der Pbilofopbie dat allgemeine Reritkat zie-
hen, dats der menrchliche Geift snr Er»
kenntnis der Wabrheit aus und durch Hch
felbft nicht beltimmt (ey* HoJfentlich wird
iich diefe Folgerung ans einigen der folgen»
den Puncte hinlHnglich berichtigen lalTen*
Hier bleibe ich nur dabey ftehen» dais» wenn
der menfchliche Geift zur Philofophie berufen
iftf kein Gegenftand fo hocb oder heilig
feyn k6nne, su dem fich nicbt die Philofo*
phie erheben dilrfte. Und gefezt, dafs feic
einer beftimmten Zeit hdhere OfTenbarung
uns ToUft&ndig iiber Gegenft&nde belehrt
hfttte, denen Torher die Phtlofophie dlein
nachforfchen mufte: warum waren denn
grade jene Menfchen dazu beftimmt« dem^
jenigen mOhfam nachzufbrfcfaen, was wir
oiine aUe Miihe erkenncn foUen? Und find
K 3 denn
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^ i5o —
denn durch diefe iufere Belehrung wirkiich
alle inneren Zweifel bey allen, denen Re za
Theil geworden ift, aufgehoben und yer-
nichtet? Ift es blofs Verftokthett und Bos*
htatf dals die Menichen anch feit jenem
Zeitpuncte nicbt aufgehdrt haben, mit ibrer
Vernunft uber jenc GegenftS.nde nachzufor-
lcben? Oder beweilb es nicbt Tielsiehr» dais
die Gottheit wirklich den Menfchen zum
Philofophieren berufen hat, inJem fie fogar
da, wo £e Ach nftber olfenbart» immer noch
kmne ToDfi&ndigen AuflcMflfre giebtf und
damit der eignen Forfchung der Vernunft
keine beltimmte Grenze lezt? Docht wenn
a)le diefe Pragen und Anfiditen nicht hinlftng-
lich feyn follten, die Wahrheit unfers Satzes
Ztt beftiltigen» £o fubrt uns die Gefcbicbte
der Philoropbie noch auf eine andre Bemeiw
kung, die flch nicht zuriikweifen lafst, dafs
I nemUchin eben demVerh<nilTe, in welcbem
das Studium diefer WiOenfchaft Itieg oder
fank, die Geiftescultur eines Volkes iiher-
baupt zu- oder abnafam» und dals von die-
fem Studium« felbft die richdge ^ficbt in
die Lehren eiuer hdhern OflTenbarung zu alTer
Zeit mit abbieng. Oder war es niobt die
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— t5i —
Philolbplue, die tSlm fohwirnwrilcheii wiA
myrdrchen Auslegungen diefer Lehren in den
Weg trak? die a]le erkiin&elte Deutungea
serltdhnn ha]f? d&e dnroh Bire heilera Be>
gnffe von dem gottlichen Wefen alle die un-
w&rdigen Vorltellungen auXhob» welche
der blolse Wortverrtand eraeugte nad begilii*
ftigte? die mattche Ton Menfchen erdachte
Dogmen erft verdsicbtig machtei und dann mit
Hii]fe andrer Wiflenlchaltep aus dem Wego
fchafte? Ich weiis v^ohi, wie fehr man dar-
itber Idagt» daCs die Philofophie iich zu Tiele
Ilechte angemaist habe» aber das w&rde ln
fceinem Falle ihre wahren Verdienlbe anfhe-
hen. Und wenn noch je eine gereinigte gei-
Hige Rehgion allgemeiner werden kann: Ib
ift dfls blos Ton dem Beyfiaade der Philofo»
phie zu erwarten«
£in anderes wichtiges Refttltat ift die Be-
trachtangf dals die troftreicktm Lekren der
Vernut\ft durcham mehr Freunde und Vertheidi'
ger, aU Gegner «ju< Leugm^ gtfmadem kaiem*
Gegen dnen^ der dagegen Zwmfel erhoh,
fanden £ch zehn andre, die he ia Schutz
nahmen $ und der geh&&ige Name eines Athei-
Qen erihheint demienigen» der GeCsfaichte
K 4 der
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l62 «—
Hiilorophie itndiert, bey weltem iti kei*
nem fu geb^Csigei7 Lichte, wie einem andera«
der ibn auTer dem ZuAimmenbange ansfpre^
cben b6rt. Bey kmem Pbllorophen war fein
Atheismus boshafter Unglaube, oder verzwel-
feltes Wegwerfen aller Wabrbeit. Sie )agtea
«De der Erkenntnts «nes Gottes nacb« aber
fie wurdep entweder von bangen K&thfeln
nnd Unaufldslicbkeiten aufgebalten, und wag-
ten nicbt zu beweifen, was lie docb im
Uerzen wiinfchien und glaubten ; oder iie
|t)aubten Gott nnr da zu iindent wo Sem
Werk ift, im AIl laben lie das Eine und im
Einen das All. — - Es ift unftreitig kein ganz
▼erwerilicbes Argument» welcbes man zum
Tbcdl far die Begr&ndung gevofler Wahrbei*
ten angefiihrt hat, dafs Ke vori allen, nur
einigermafsen gebildeten, V6lkem geglaubt
worden lind. Wenigftens burgt es £ilr die
AUgcmeinheit des Bedurfniffes folclier Wahr-
beiten» und felbCt die kriiirche Philofophie
bedient iieb in einem gewiflen Puncte dea
BedurfnifTes einer Wahrheit als einer Art von
fiewei£s dafiir* Aogenebm und troftreicb ift
es» zu bemeiken» wie bemilbt die Denker
Ton jeher gewefea find> fiir da^ Dafeyn eines
Got-
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— i53 —
Crottet tmcl die Fortdauer milrer Seele Be*
we\£s aiif Beweifs zn eriinden, bald aus Be-
grilFen und Syllogisinen t9a die Speculation»
bald aas Geftkhlen, Holnungen und Erfah-
rungen fiir den gemeinen Menfchenverftand.
AUe Bedenklichkeiten und Zweifel dagegen
waren nur Auffordemng , die Bewelle immer
iefter zu machen, und neue Wege der De-
monlbration aufzufnchen. Aber ift nicbt
Tielleicht diefe Bemfthung mehr die Wtrkung
eiaes philofopbifchen Phlegma, welches fo
gem Ruhe hat, oder der poiitiTen Religionen,
die neben der Philofophie beAanden^ und
denen die Denker nicht gern nacbftehen woll-
ten? Mag es: ich brauche nicht zu wider*
ikreiten. Auch in diefem Fall bleibt das Be-
durfnis unverkennbar. — Aber haben denn
alle diele Bemuhungen fur die Auiidfung je*
ner Probleme etwas Erhebliches geleifket?
Sind jene Hofnungen oder Glaubensartikel bis
znr hdchlten Evidenz erwiefen? Wir kdnnen
die leztere Frage Temeinen, ohne die erltre
verneinen zu diirfen. Hochfte Evidenz foil
nnd kann bey Gegenftftnden diefer Art dem
menfchlichen Gei&e nicht zu Theil weiden«
aber» was ihr am nslchften kommt, das ha<
K 5 ben
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— i54 —
ben die Forfchniigen der Dankflr geHefert
Allerdings fmd die Beweife far jcne Aufga-
ben, wdche die Phiiolbphen «nlIkellettY aur
Bntmklung cler GefWe, welche jeden den-
kenden Menfchen zum Glauben an Gott utid
Un£terblichkeit £a£t unwiUkubrlioh dringea:
und der, welcber ent der Verpfiiebtnng «nm
Guten, oder aus dem Misverb&Itnis zwi-
if^en Tugend und Gliikleeligkeit, «uf die
Noihwendigkeit elhes Gottes und einer Fbrc-
dauer fchliefst, fagt fo wenig etwas Neues*
als «n andrer, der an den HimmelA die
£bre Gottes erkennen lebrt» nnd ans den
Gefetzen der Natur die Unverganglichkeit
des GeiCtes folgert. Aber es ift aucb niciiC
die Beltimmnng der Pbiiolbpbie» den menlbh*
lichen Geift Dinge zn lebren, die ihm nen
iind fremd iind, fondern, aus den in ihm
Torbandnen Fftliigkeiten nnd aligemainen An-
lagen zum Denken die befondem Gedanken
und Wabrheiten herauszubucbftabiren.
Cndficb aber, bat denn.nicbt die Kritik aUe
die bisherigen Grftnde fHr jene trdAlicbeB
Artikel fo gut, al^ auFgeboben, hat fie nicbt
ibre Unzu]in(picbkei» dargetban» nnd folg-
lioh die fohttnften Friichte einer lo vieljlhrj*
gen
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— 155 —
gen mftlilkmen Arbdt mit Snemmahle zer-
It6hrt? Ich darf auf diefe Einwendung nur
ftn das eriniiern, was bekannt genung ifif
und keiner weitem Ansfohrung bedarf, dafis
die Kritik den bisherigen Bewelfen zwar
a|KMlicd(che Gewilsheit, aber nicht 2^ulftog*
liehkMt znr Ueberredung abfpricht, und dals
fie es eines Jeden individuellen Bedurfnifren
nnd Gefnhlen uberiftist» welche Argnmente
•r ztt den leinigen machen wi)l« So wahr
alles ift, was iie z. B. gegen den phyfico-
theologilcben Beweils aufltelltf fb wenig wird
darum m Menfcht der Sinn ftbr die Nator
und achte Empiiiidungen hat, diefen wahr-
haft ehrwurdigen und erbaulichen Beweils
faliren laOen. Was ihm an fpeculadTer Blin-
digkeit abgeht, erfezt unfer lebendiges Ge-
fub]. In der That hat die Kritik uns erft
gelehrt, welohen Gebrauch wir von aHen den
fruher aufgeftellten Beweifen fiir jene Ver-
nunftprobleme machen foUen, indem iie uns
zeigt» dals wir mit ihnen nicht die ftolze
Ruhe dcs WilTens, fondern die ergebne Bc-
ruhigung des Glaubens begrunden foUcB*
Endlieh glaube ich auch die Bemerkung
duroh die Gefcbichte der Fbilofopbie bcftatigi
ge.
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— i36 —
gefunden zn baben : dafs fieh die Wakrkeii
dem menfchUchen Geifte nie ganz und ainf eia-
mahl zeig0* W&re je der Zeitpiinct cla gewe*
fen, oder wilre er es jezt, wo «lle Den*
ker ohne Ausnabme mit ihren Unterfucbungea
fertig werden, nnd ficb dreaft rabmen kdnn*
ten, die Wabrbeit ganz und obne den min*
deften ZuCatz von Irrtbum und Zweifel ent-
dekt za baben; Xb wUrde em Stiliftand em»
treten, der der MenCcbbeit nicbt anders als
gefihrlich werden miifte, ]>iur die forfe»
daaemde Moglicbkeit immer neaer £ntdekun«>
gen, die Ungewilsbeit nnd Zweifelfacbt aaf
der einen, und das Streben nach Gewilsheit
aof der andern Seite vermag den Geift rege
nnd leine Krftfte in beliindiger Tbfttigk^t za
erhalten. Icb will damit nicbt lagen; da&
der MenCcbbeit gar keine Wahrbeit Tergdnnt
1 ley. Die Gefcbiebte der Pbilofopbie lebret
vielmebr, dafs jede philofophirende Parthey
wenigltens Cine Seite der Wabrheit entdekte»
nnd dai^ der Grad von licbt nnd ErkenntniSf
den gewiffe Zeiten oder Nationen unter Jicb
vertbeiltenf aach immer zar indifiilaellen
GlfikfeeHgkeit derer zureicbte, die ibn zn
brauchen verftanden. Die Vorfehung bat da-
ffir
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— 157 -
iiir geforgc, dafs jener Stillftand des Geirtes
nicht leicbt eintreten k6nne. Das Menfchen- ^
gefchlecht ftndert fich beynahe taglich, nnd
jnit ihm feine Bedurfniffe, feine Anfichten
nnd feine Uofnungem Wir haben lelbft in
den neueften Zeiten Begebenheiten erlebt^
welche den trotzigften Dogmatiker, der fein
Syftem ▼on Natur* und V6lker-Recht Iftngft
gefchlofTen glaubte, zn einer Revifion leiner
Philofophie bewegen muften. Und fo wird
es in der Gefchichte der Menfchheit nie an
neuen Schwierigkeiten £ehlen* Alle Philolb*
phie aljer hat den Zwelv, Schwierigkeiten
aufzulofen. £ben £o «rerden einzelnen Indi*
Tiduis nie die immer neuen Cvegenftftnde des
InterefTe ausgehen, und mit jedem neuen
IntereHe entftehen in< uns neue Anhchten,
oder« wenn ich fo lagen darf, neue dunkle
Fleke, die erleuchtet feyn wollcn. A]le
Fhilofophie aber gewinnt eben dadurch Werth
und Zufpruchf dais lie unfre dunkeln und
unentwikelten Ideen aufhellt und entwikelt»
und uber die fchattigten Gegenden unfers Ver-
Itandes iicht Terbreitet. Eine Meage Ideeoi
die yor Jahrhunderten FQr Denker und Nach*
bether beruhigend und vollkommen geniigend
wa-
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— i58 —
wum^ wilrclen hente kamn cUt Volk melir
zufrieden ftellcn, . und vielleicht wird ficli
eine Ip&te Nacbweit fehr wundern, wenn
fie ibre ErkenmnifliB mit denen yerglttcht»
die wir fiir allgemein giiltig und beruhigend
ausgebexi und aunebmen. Icb leugne nicbi»
dals die aUgemeinen Geletse det Denkent im
Menfchen yon jeher fo da gewefen find, wie
fie es nocb beute And» und dafs iie eben £6
unTerftnderlicb bleiben werden: aber daraoi
folgt nicbt, dafs ficb. mit den GegenftSnden
imd VerbftknilTen die Anwendung derleiben
nicbt Andem, das bei&t, entweder erw^
tern oder verengen foHte. Newton dachte
nach keinen andern Formen und Gefetzen^
wie Tycbo de Drabe» demiocb bat er Ent*
dekungen gemacht^ die der leztre nicht ahn«
dete. DUurften wir nicbt» ohne zu ablpre-
chend za urtbeilent aus diefen Bemerkungen
auch den SdiluCk ziehen, dals die Bemfihnn^
gen der kritilcben Pbilofopbie wohl nie alJge-
mein werden anerkannt, und ibr au%eftell>
tes Syftem nie zn eSnem allgemeinen und
unbefcrittenen Glaubeusfymbolum iicb erheben
werde? Viebnebr darf man iagen, daft daa
VerdlenJft dielSsr Pbilolbphie ebea darinn be-
Xtebe»
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— 1^9 —
1kehe$ dalis f\e die Denlcer an eine beMndige
PrOfiing ttnd Darehforfchnng altttr nnd neuer
Ideen erinnert, und ts ihnen zur Pflicht
nnacht» nie auf gutes Gl&k zu behauptea
und za ▼erneinen.
Und in diefer Rukfichr macht, relbfc nach
dem Zeugnifle ihrer Gegner, die Kritik eine
der merkwardigften Cpochen m der Ge«
fohichte der Philorophie.
KUIU
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K V R Z E
G£SCHIGHTE D£A LOGIK
BEY DEN GRIEGHEN.
So wie <31e Sprachc einer Nation fchon cine
geraume Zeit im Gange gewefen und zu einem
anfebaficlien Grade Ton Bildung gediefaen feyn
mufs, ehe an eine fdrmlicbe Grammatik der-
felben gedacht werden kann : eben fo muilen
fchon ¥iel und mancber^ey Uebungen nnd
Verfucbe im Denken Toransgegangen feyn,
bevor es einem rcbarfnnnigen Kopfe einfallen
kann, liber die Natur und Regeln des Den*
kens einige Betracbtungen anzufte]1en. Wir
wiirden es mit Zuverficht fur eine £rdichtung
oder fnr ein Aiisverftandnis erklftren dilrfeni
wenn irgend tm olter ScbriftfteUer nns die
Nach-
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— i6i —
Kacbrielit gftbe, daSk Thales ein ToHftandSges
S^Iiem oder aucb nur einige richilge Ideea
voa Logik oder Dialektik gebabt habe;
Lange Zeit faatte ficb das Nacbdenken der
Hlteiten Forfcher mit Betrachtung der aufern
Gegenftftnde» mit Fragen uber ihren Urfprang
nrid Znfammenhang und Hhnlichen Pancten
befchjLftigt. Man war unvermerkt, al)er
iehr natilrllch auf die Frage i&ber die Wahr-
lieit linnlicher firkenntnlfle gekomnien, fchon
gah es einige, welche diefelhe beftritten, und
dagegen der £rkenntnis durcli Vemunft oder
Nachdenken mehr Gewifsheit nnd 2uyer]ftfsig«
keit zufprachen* Man hatte Verfuche ge*
macht) ttn beweifen^ und zil wideriegen.
Dadnrch wurde das Bedarfhis gewifler Re»
geln fuhlbari nach denen fich das Nachden«
ken bey dem Erweiiie eines gefundnen Be*
grilFes oder bey der Widerlegung eines an«
dern dagegen aufgeftellten richten konne. Je-
der Nacbdenkende war iich folcber Aegeln
bewu(st, und die Bfindigkeitf womit z. B,
Xenophanes aus dem Grundfatze: aus N|chts
wird Nicbts» eine ganze Menge Fo]gerun|^en
ableitetet wiirde uns leicht aaf den Gedan*
L ken
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— i6a
keo Imngen kdnnen, dtlk er die Theom
der Scfalane wiHenlchaftlich Itudiert habe.
Aber wir haben zn dieler Meynnng 16 wenig
Grund, wie zu der Behanptung, dals Ho-
xner oder Arirtophanes ibre Spracbe gr&mma«
tafch unterfacbt haben.
Die Frage ift nnr diele: Welcfaer grie>i
chirche Philofoph hat zuerft i\egeln und Ge-
ietze des Denkens» Urtbeilens und ScbluXCens^
wenn aucfa nur rhaprodiftiichy aufgeftellt?
Ifi den erften, und wenn man will, iiicon»
ieguenteften Philofophemen , webt das Prin*
cip det Widerlprucfas und des Grundes: aber
wer dtirfte, um bey unferm Gleichniffe fte-
hen zu bleiben, die Gefchicbte einer Gram*
matik nut den Schxift&eUem anfangeni die
Sub)ect und PridBcat in ricbtigen Beaefaun*
gen verbunden haben?
Nach einer Anmerkung des Sextus *) legte
Ariftoteles in einem Terlohmen Werke dle
erften Verruche in der Rhetorik» dem Ge-
genltuk der Dialectik» wie er fie nennt) dem
ICffl-
Adr. Matk VH. 6.
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Empedodes bey. Scxtus halt anch den Parme'
nidet fur kehieit Layen in dieier Wiflenfchafr»
mA ein fpftterer SchriRfteller Iftfst ihn, icb
wei£s nicht, nach welcher Nachrichti in
^em FeJfen wobneni nnd dort als c»nen
philofophiGsben Afceten den Regeln der Lo-
gik nachgriibeln *). Eininiithiger nimmt man»
nach Ariftoteles Angabe **)^ den Zenn von
Elea flar den erften Erltnder der Dialectik an*
Die Data hieruber find nicht fehr voUftan*
dig und deutlicb. Nur fo nel ergiebt fidi
ans allemt dals Zeno gewifle tftnfchende
KunftgriHe ausgedacht hatte, einen Gegner
irre zn fiibreni und durcb allerley ver^kte
Fragen fo weit zu bringen, dals er wider
feinen Wilien die Wahrheit der gegnerifchen
Meynung eingefteben mufte , lelbft obne da«
▼on iiberzeugt zn feyn* Kne Probe daTon
^ebt feine Meynung Ton der Bewegung, die
er durcb vier blendende Scbifiile wegleug"
nete. Ich erinnere midb nicbt, diefen Punct
▼ollft&udiger und mit mebrerm ScharfKnne
1« a beban«
*) Jobannes Samber. Metal. 2,
**) ^cztnt 1» 0. 7« md Diog Laftt. 9> A Z» 57»
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bebandelt gefunden zn baben» als bey 'He*
demann *}» und ieh kann alfo dahin rer*
weifen* Ein unbefangner Lefer cliefer Ent-
wiklung wird etngertehen, dafs Zeno uber
allen Glauben fein grubelt, und feine Spe»
culation in die foharfften SchluIIe einkl^idet,
Dennoch w^r die&s dialectifcbe Verfahren,
wie «8 fcfaeint, mehr «ine zuflUlige Form
^efes Kopfes, als dic FaJge eines wiflen-
fchaftlicben Studiums. £r fand die Ideen
nicbt vernnttelft des SchiafiCens, Xondern er
gerietb auf tiieie Schliiffe diirob f«ne Ideen»
und wir konnen nicht einmabl entfcheiden»
ob nicht Ariftoteies, der lie am aosfubrlich*
&en wittheilt, ibnen erft die Xyllogiftifche
Form gelieheu babe*
Die Einrichtang des Staats und der 6f«
fentlichen Gefchafte machte Beredfamkeit
nothwendigi und BeredCunkeiti als die
Kunft zn Hberreden und zu lenken, konnte
obne gewiffe Kunftgriffe in der Darftellung
der Materien nicht be£tehen. So Jange eine
Tlation nocb auf der Stnfe Homerifcher Zeit-
cnltiir
•) Geift der fpee. FbxL Tfa, i» S. S90 f.
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— i65 —
cuTtur fteht» da vermag freyiicb die bloike
Feitigkeit im Aasdroke^ init BerufttDg auf
•Tte Begebenheken nnd tiglielie Erfabrong,
fo fehr auf die horcbenden Zuhorer zu wir-
ken» da£s fie fcbweigend da iUzen» und die
Ilede des gewaltigen Spredim anftanaen.
Aber die Griechen wurden feiner , einiichts-
voller nnd redferdger; ibre Staatsverb^t*
niffe wiehtiger und ?erwike1ter« und ein-
zelne Partheyen bedeutender. Beredfaiukeit
ward alCo ein Studium» worauf £ift alle
Hbrigea WirTenfebaften losarbelteten. Mit
den 6fl'entJiohen Lebrern der Eeredfamkeit^
dtn Sophificn^ begann daber der Zeitrauui«
den man eigentUcb den dialectifcben neiuien
kann»
Die mancherley kilnfilicben Wendungen»
denen diefe fmnen Kopfe nacfafpiirten) zum
Behuf 6n'eru]icher VortrSge, drijigten lich
Sbnen natiirlicb aueb bey ibren pbilofopbi-
fcben Unterfttcbungen auf, und das Syftem
elnes Protagoras oder Gorgias iiber die Rela-
UTit&t der menfcblicben Erkenntms entlkand
augenfcbeinlicb aus dem RafHnement» womit
iie politifche Streitfragen auf alle Seiten zu
drebeQ« nnd in mfcbicdenem Ucbte darzu-
1« d AeUen
Itellea wuileii. Die Qialecdk» immer aiir
i]s Ranft zu beweUen imd zvl widerlegen
betrachtet, mufte durcbaus auf den Satz gc-
baut werdeut da£s deii alles beweifeii und
alles widerlegen ]aOb« oder mit andeni Wor*
tcn: daXs es iiber jeden Gegenftand zwey
einander grade widerfprecbende Vorftellung^
arten gebe. Aucb daroals iehon batte man
haufig die Erfahrung gemacht, dafs dic IMen-
rchen iiber alle Gfegenft&nde des Denkens
verfcbieden, und doch nicbt alle ganz fallch
urtheilten. In den aufFallendften Behauptum
gen war doch immer eiiie Spur von Wabr»
beity und man fand keinen Gegenfiand, der
mcht mehr und ganz entgegengefezte Sei»
ten und Befcbaiienheiten batte. Von diefer
Beobacbtung bis zu dem Lebrlatae von der
Relativiiat aller menfchlichen Vorftellungen
war der Schritt nicht grofs und gewaitiam*
Aber eben diefer Lebrfatz war aucb das ein»
zige Prinzip des dialectifchen Verfahiens,
und macbte eine eigentliche WilTenfchaft die>
les Namens unmSglich* Immer blieb es nur
dem Scbarflfinne eines Jeden, feiner Kennt-
nis von dem fcbwebenden Gegenftande des
Streits» und JSnner Fertigkeit in Wendungen
iiber-
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- i67 -
HberlalTeii» wie er Innem Oegner die Rela»
tivitlt Ceiner IVleynung deutlich und dadareh
die Idee felbft verd«lchtig machen konnte.
Slit Recht haben daher di6 hierher geh6ri*
gen neuern Schriftfteller fur diefen 2eit»
raum die Ueberfchrift ; Logikf als Kunft ge*
wfthhi und (bhon an dem Ver£dirett dei
Socrates mit den Sophiften erwiefen, wie
wenig Achre Gfunde fUr ihre Behauptungen
und BeweiTe.die lezteni haben mafken.
£ben dlefer Gegner der Sophiften erfcheint
in Platons Dialogen als tm fertiger Dialecti-
ker, er unterfuoht da mit grofser Genauig^
keit und Strenge die vorgelegten Deliaitionen
nnd Eintheilangen, zerlegt Syllogisment ttnd
fteih die fuhtilften Wortforfohungen an.
Aber wir wirTen, dafs PJatons Socrates ei-
gentiich Piaton felbft iftt und wir haben al*
fo diefen Namen faier einzutragen. Wer
aucli nur feinen Parmenides gelefen hat|
wird wiflen» mit welcher Schlbrfe. Platon
BegriflTe theilt und unterfcheidet. Seine Suh«
tilitaten werden fiir heutige Lefer oft uner-
irHglioh: fiir die fylkematifche Bearbeitung
einer Logik bat er nur Materialien gefiefert.
L 4 In-
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— i69 ~
Itidefli>ii warcl feit felner Zeit die EintheUong
der gcfa nmten Philofopliie in Phyfik, Ethik
und Dialectik in Gang gebracht, Sextus legt
fie f>anz befbimmt dem Schuler Platons dent
X«nocraies l)ey. Durch diefe Abtheilung
murte nat&rlich der erfte Grund zu einer b&*
Ibndern und zulammenh&ngenden AbhandF
lang der Logik gelegt werden, und man
ileng an^ die Fragen iiber Wahrheit und
Kriterien der menfchliohen Erkenntnis« die
Kapitel voin Beweifen und Schluffen, und
eine Art von philofophifoher Spracbforfchung
unter dielem Namen au bearbeiten. Eine
der Socratifchen Schulen, die IVlegarifchQ,
gah duroh ilire Kiinfteleyen und Streiugkei*
ten dem ganzen Studium einen "wichtigen
Stofs. Es ift bekannt, wie fehr Euclides
und feine AnhSnger fich ipit Erhndung lifli-
ger Trugfcfal&fCe befch&ftigten « und wie ge«
AlhrKch ihre EriAik den damaligen Doguiati*
kern werden mufte. Die fieben Trug-
fohiuife welche Subvlides erfaiid nnd
Stil.
*) S. Diog. 2 , 10. 4. Sie find nnter den Namm
des lii<;endcn , des t.uifchenden . der Elecrra,
des yeihi&Uten» det Sontety des gehdmten imd
det
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Stilpoii benuzte) maoliteii viele Fhilofophen
irre^ oder ermunterten andre, euf elns
Aufiofuiig derfellicn zu ftudireii.
£s wurde leicbt ieyD« aus Seztua nnd
Diogmies ein langea Verzeiohnis von Philofb*
phen hierher zu fetzen, die iiber Joglfche
GegenltlUide gelehrt und gerphrieben haben*
Aber die blolsen Titel ihrer Abhandlungen
geben uns zu wenig Kenntnis von 4en Fort-
fchritten der WiHenlphaft leibft.
Sowohl um die KQnfte der Eriftiker zu
vernichten, als uberhaupt ge^^en al]e fernern
Angrtlfe einer iiberfeinen DlalcctLk geficbert
su Ihyn, wendeten die Stoiker vielen Fieiis
an, die DUlectik auf beftimmte Regeln zu
bringen und in einem zufammenbangendern
Ganzen aufzuftellen. Folgende Puncte mach*'
ten den Hauptinh.ilt ihrer I^Halectik ans:
3) die Unterfuchung iiber den Urfprung und
die Wahrheit der Begriife, und die Kenn-
zachen des Wabren, 2) eine Aufftellung der
yerfcbiedneq Scbiufsformen und Beweilsarten»
L 5 3)
det laUen bduuiat; Ihre Anfldfmig hat befim*
dan GaaSmdi yerfncht;
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S) grammatirche ForXbhungvn ftW dea Ur*
fprnng, die Bedeutqngen nnd Formen der
Worter, als 2eicben der Begriffe, wobey
zugleich die Lehre Yon Definitioii» £imbei«
lung nnd Unterfcbeldu ng a])geh«ndelt wnrde*
Der erfte Tbeil war es vornemlicb, den lie
gegen alle Arten Yon Sceptikem tls Bollwerk
Brauchten. Wir rechnen heute zwar dia
Frage vun der metaphyfifcben Wahrheit der
Erkenntnis nicht zur Logik» aber hey den
Alten ward lie durchaus dazu gez£lb]t, um
To natiirlicber, da wei^ige ihrer rbrlofophen
einen ganz deutliohen und beftimmten Unter*
rchied zwiCbben metaphyBfcher und logifbber
Wahrbeit macbten oder benuzten. Die bey-
den Partheyen der Academiker (tellten der
Stoa zwey fehr wlchtige Prohleme entgegent
Carneades die Frage: o1) es fiir uns irgend
einen Satz gebe» deHen Gewifisheit Ib apo*
diottToh fey, daCs an gar keine Mdgllchkelt
eines Irrtbums gedacht wertlen diirfe, Arce-
Jilas die ; ob wir bey jedem Satze gleich Tiela
und gleich ftarke Beweife filr und wider ha*
ben? Die Stoiker bebaupteten das erftre und
▼erneinten das leztre. Sie nahmen ajlgemeine
erfte Gruadbegriife an| die aller Srkeimtnis
zum
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— 171 —
znm Brande fiegen ttnd unfern SchliiCfen Sir
eherhttt geben. Aber ihre ganze Sntwiklang
diefer I<leen geiiort nach unferer Gienzbe-
Itinimnng der Wiflenlbfaeften eigenllieh in die
Jifetaphyfik. FAr die Gefchiohte der Logik
ift iie wichtigi als ein nicht unbetriichtlicher
Verfuchf den Queiien der BegriAe und Ur*
theile tiefer nachznfpilren, nnd durcfa die
Feftftellung des Begrifs von materialer Wahr-
faeit auch die formale zu beiUmuen. fieyde
Arten Aelen in dem Syfteme der Stoiker nar
turlicb zufammen, infofern he zum Krite-
rinm des obiectiv- Wahren die fubiectire Be*
greiAichkeit annahmen. ^ Dia Stoiker, nnd
namentlich Chryfipp, vermehrten auch die
Syllogiftik mit einigen Eriindungen, wohin
der Schluis Tom Haofen geb6rt» 0egen die
ganze Dialectik der Stoa trat in der Folge
Epikur als Gegner auf. Bicbtiger* «Is he»
gab er den Urfprung der menCbhlichen Er*
kenntnis an, und bey der Einfachheit feiner
Kriterien der Wabrheit, (Sinnlicbe Einptin-
dungi reine Vorftellung a priori und Gc«
flihl der Luft und Unluft) muften von felbft
auch feine Kegeln iiber Unterfuchung der
Wakrfaeitt fiber Bewei& nnd Wideriegung
viel
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viel ekiFaober ausfallen. Seine Ranoniky wor»
inn er eine Art ▼on Elementarphilolbpfaie ab»
bandelte, enthilt, fo viel wir noch davon
nrtheilen konnen, einen fehr guten Abnls
der Lotnk, (a)s Kanon des VerIiandeS| niobt
als Organon betrachtet,)
Bey der ycrftnderten Geftalt* welclie die
philofophifchen Wiffenfchaften in den neuera
Zeiten bekommeu habeni iinden iich fiir
den Gercliicbtfchr^ber einer Iblohen WiflSen-
fcbaft mannigfaltige Schwierifrkeiten vor.
£atweder er felbfr kann iich nicht leicht er*
wehren, </er Beftiaimung eingedenk zu blei-
'ben, womit man in neuem Zeiten den In-
balt und die Grenzen diefer Wiffenfchaft fefc*
gefezt hat) nnd dann ift er in Gefahr, wi<*
der feinen WiHen die Nachriohten der Alten
zu ▼erfcllfchen oder zu deuteln; oder die
Lefer» die beftilndig die neuere WilTenjbhalt
Tor Augen haben, vermilTen in itnner £r-
z3.hlung Vollftandigkeit und Befriedigun^
lowohl» wenn er iich getr^u an den Namen
htt]t und nur aHes das nutnimmty was die
Alten unter dem Namen der Wiffenfchaft
begriffen» alSf wenn ef^ Qhne auf diefen
m
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~ 173 —
za aditeiif hlob Aaf die Sachen Riikricbfc
nimmt, welcbe nach unferer VorJOellung
dazu gehOren. Die Gefchichte det Logik»
ttm hierbey (tehen 2li bl^ben» lillst iich aa£
zwey Arten behandehi« £inmahl| Wenn wir
die Frage uns vorwerfen: Was nannten die
Alten Logihi was rechneten iie dazu, mit
Kecht oder Unrecht, wer bearbeitete fie,
und welchen Werth legte man ibr bey ? Wie»
wann und wodurch ward iie Termehrtt ver»
engt, umgerchaffen? Zweytens^ wenn wir,
Kiit fteter Riikficht auf unfern Begriff von
Logik» die Unterfuchung anftellen; Wann
nnd Ton wem And Siltze aufgefahi't und Spe-
culationen Unternomraen worden, die in
unfre liOgik . gehoren? Wo hndet £ch die
erfie Spur einer Idee, die der unfrigen nahe
kommt? Wie viel haben die Alteu unfern
Logikem Torgearbeitet? Die erltre Frage
Itrst fiehy meiner JUeynung nach, in der
Kiirze fo beantworten: Bis auf Ariftoteles
muls man drey Perioden unterfcbeiden. In
der erftem zeigen lich Spuren eines logifchen
Verfahrens in Urtheilen und Sciijuirea iiher
GegenUlLnde der Speculatioii > uhne dafs man
iedoch diels Verfahren auf befondre dentJich
Digitized by Google
— 174 —
g«d«dit6 ll«gelii bracbtA. In cler zweyten
Beng der ScharfKilil ail «n H^welgen, und
fiGh in SpitzRndigkeiten ztt gefallen. Man
iUierfiefs fich aUerley lEiBiiieii oiid tiufcheii-
den Raifonnements, ohne dem Princip der-
fblben nachzuTpareti » die mehr gebildeta
Sprache tbat zit Wortverdrebttngen imd Wort*
Ipielen guten Vorfchub; Mangel an Tuhiger
iind tiefer Uaterfuchuiig lia£i die SpriUige in
Urtheilen nnd Scb]il[Ien« weniger bemer»
ken« In der dritten Periode fiengen die
Philofophen an^ diefer Fertigkeit fich mehr
stir Unterfncbmig der Wahriieit, als zu blen-
denden Raifoiincments zu bedienen , und ftatt
fich von der Scheinbarkeit der Syllogismen
betrllgeR zu laflen, wagten fie ficb an die
allgemeine und erfte Forfchung iiber obiectivo
Wahrheit* So wic man in jener Perioda
durch abgerilsne SyDogismen die Vorderfiltze
der Wiffenfchaft entweder iiberfprang oder
umftiefs: fo fieng man jezc an, aus guiti»
gen PrftmilTen Schlfille zn leiten und eine
Theorie zu begriinden. Die erftre Periodo
characterifirt fich alfo durch Uebung des lo*
gifchen VemoiiftTermOgens, obne Theorie
und l\egeln ; die zweyte, durch Uebung des
Ver-
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— 175 ~
Verftaiides an fyllogirtirchen Spiz£ndigkeiteii^
die drittes dorcb Unterrucuiig aber das We*
len de« VerlVandes, ftber Erkenntnis, Walir-
heit und Irrthumi mit logifcher Anwendung
diefer Primiden auf TorkommeDde Probleme
der Philofophie.
Die andre Frage, die man bey einer
Gefcbicbte der Logik Torlegen kann, wird
fich am beftimraterten beantworten lalTeny
wenn wir unfre Aufmerkfamkeit auf das
richten» was Atifioteles verfacfat tmd ausge*
^hrt hat. In feinen hierhcr gehorigen Schrif-
ten Andet iich alies weiflich gelammeJt uad
geordnet» was ron fruhern Denkem ent-
dekt worden war; an elnzeliieD Namen
kann uns bey einer lolchen Gefchichte we-
nig Hegen*
Ariftoteles ift wohl ohne Zweifel der
erfte^ der hch den Unterfchied zwifchen
metapbyfifcher und logifcber Wabrbeit am
heftimmteften dachte, und auf die Idee ei-
nes Organons der Philofophie gerieth: eia
Name« welchen daber Neuere der Samm-
lung Ariftotelifcher Schriften bey^elegt ha»
ben, die xur Behandlung «ler Logik gehu*
ren.
6e«
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— 176 — •
Genan hatte Ariftoteles £mpEndungsver«
Mdgen und Denkkraft unterfchieden. Ziir
lezterii rechnet er Vorftellungsyenndgeii und
Urthei^skraft , und fclireibt ihr die unbe»
dingterte Allgemeinbeit^ d* h. das Verm6gea
zUf Alies denkbare zu denken» Immer ein-
gedenk des Unterfchiedes zwifclien Materie
und Form» der ihn faft uberall bey feinen
Unterfuchun^n leitete» unterlbhied er lehr
richtig auch bey BegrifFen uud Urtheilen das,
was dem Verftande, und was den £indr&*
keh zugehGrt, und fo wie er das Vorftel*
lungsvermogen an fich mit einer leeren Ta»
fel vergleicht, auf we^che erft die Eindruka
fttiCerer Gegenlkainde eingetragen werden» fo
fand er in clem Wefen der Urlheilskraft das
Vermogen, bcltimmte Formen anzunehmen*
Freylich hat er dielk Vermdgen nicht aus-
driiklich reinen Verftand, und die Art und
Weife feiner Thiitigkeit nicht reine Stamm-
begrifFe genannt; ab«r man wird es nur zn
deutlich gewahr, dafs ihm eine dunkle Idee
Yon der Prioritiit der AUgemeinbegriHe und
Urtheilsformen vorfohwebte. Neuere Philo-
fophen haben diefe Prioiitat aus ihrer Noth-
wendigkeit und Aiigemeinheit gefchloffen,
Ari-
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— 177
Ariftoteles Xah die leztren beyden ebenfallA
deutlich ein^ aber er folgerte daraus ger-ade*
2u nichtS) fondern veilucnie nur, dierel-
ben aus der Natur der Sprache» nicht des
Vrtbeils iiberhaupt, zu erklftren.
Von den allgemeiniien Namen, womit
wir Gegenfi&nde l&berhaupt bezeicfanen, geht
er zu den allgemeinen BegriHen fui t, unter
welchen wir alle denkbaren Gegenlrftnde
denken, (Von Kategorieen) Subftanz, Quan*
titHt, Qualitat, Relation u. f. w, Wenn
er gleichy nach Kants Bemerkung, mehrere
einpirifche Beftimmungen unter diefe Katego-
rieen aufnimmt, und von kelnem iichern
Princip ausgeht; fo ift doch bey dieler gan«
zen DarfteUung fein nicht gemeiner Scharf«
Jinn unverkennbar. Aus Veibindung eines
Subiects und Pr&dicats entftehen Satze oder
Uitheile. Vorlftulig handelt er alfo, gewif^
fermafsen grammatifch, das Kapitel von der
Terfchiednen Form der S&tze oder Urtbeile
ab (Von der Interpretation ). Aus der Ver*
gleichung zweyer Begriffe mit einem dritten
entfpringen SchlufTe. Davon handeln die
Analytica Priora* Hier entwikelt er mit
JM gro-
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— 17« —
grofsem Scharffinn das Wefen eines SchlulTes,
bildet aus der Stellung des Mittelbegrifs die
drey fyllogifdfchen Figureni ftdlt cinfaclie
Regeln uber Gegeneinanderfetzung , Umkeb-
rung und Zergliederung der SchluITe au^
und wendet diefe Lehren anf dat Kapitel
Vom Beweifen, als deni wichtigften, in den
Analyticis Pofterioribus an. Auler diefen
SchuJgerechten Arten zu beweifen giebt et
aber noch mancherley, die fich auf Erfah-
rung, Aehnlicbkeity zufallige Bemerkungeo
u- d. gL gr&ndeu, undf wenn audi nicht
evidente Gewilsheit, decfa wenigftens Wahr-
fcheinHchkeit hervorbringen. Davon wird
in den Topicis ausfdbrlich gehandelt. Der
Widerlegung falfcher SchlafTe und Beweife,
die theils im Ausdruke» theils in der Ver-
wirrung der Begriife ihren Grund habeni ift
die Abhandlung Elenchus Sophiftamm g^
widmet.
Ohne lich in metaphyfifche Unterfucfaun*
gen l&ber die Natnr der Seele, fiber die
Quellen und Arten der Eikenntnis, u6er
£influ(s des Kdrpers auf das Denken und
ahnliche Materien einzulafren, betraditet Ari-
ftoteles bloOs das Denken Xeibft, ais ▼orbao*
denes
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ileMt ufi^ uiileiigbAFet Factuin» DiefiMr
]iiten AnHcht baben wir zwar einer Seits
die VoUrtftndigkeit (einer Logikt andrer Seitt
aber aueh den Mangel eines erAen Prindpi
zuzurcbreil^en» welcbes in der Tbat feiner
DarfteJlung mebr Zulammenbang nnd ]3e*
ftimmtbeit gcgeben bfttte.
Von Ariftoteles an kann airo die Logik
erft ais fViffeafckqft gelteui und leit AriTto*
teles bat lie) nach dem Urtheile Rantt *\
iin Wefentlichen keine Fortfcbritte gemacbt.
Sextus bat der Widerlegung oder Beftrei*
tung der Log^k einen betrachtlichen Tbeil
feiner Scbrift gegen die dogmatifcfaen Philo-
Xopben gewidmet» und da er dat ganze Feld
der griecbilbhen Logik vor Heb bhf to \Sk
Sur den» welcber die Logik der Alten ganz
genan kennen lemen will« das 7. und 6r
Buch deflelben adrerfnt Matbematicott wd«
cbes gegen die Logiker gericbtet ift« dev
belte Leitfaden.
*) Ijciuk der xeioca Vtninnft. ate Voxr. VUX«
flAK
— i8o — .
FLAN
ZU EINER GESCHICHTE
DER PHILOSOPHIE,
Pliine und Entwurfe zu Bearbeitang literari*
rcher GegenftSnde iind gewirs nicbt ganz
Verdienftlos. Sie dienen dazu^ manchen
allsudreaiten Kopf abzafchrekea ond an leine
UnBQiigkeit zu erinnern: Re machen auf die
Mangel und UnvoJlkommenheiten in fchon
Torhandenen Werken auinierkliun) und kdn^
nen fttr denjenigen, der lich an die Bear-
beitung wagt, einen Leitfaden abgeben, Ich
wfUiIchtet dafs die folgenden Bemerknngen
wenigftens einen Ton diefen Vortheilen ge*
wiihren jziochten*
Alle
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Alle bisHerigen Werke iibcr Gefchicbte
der Philofopbie iincl entweder G>inpendia
zum Unterrichte, oder Bftndereiche mit Li«
teratur, Biographien und kritirdjen Unter-
Ittcfaungen angefiiUte Werke, oder raifonm*
rende OarrteDungen ohne Belage. Die er*
ftern geben nur Mdterialien zum weitern For-
fcben» und bey den leztern ift man nie £•
cher, was Gefehiehte ift nnd was dem Ver*
fafXer zugehort. Kritik, Literatur und po-
]iti£cfae Gefcfaiefate Hnd bey einer ▼oUft&ndi-
gen Bearbeitung der philofophiCehen unent*
behrlich) aber fie unterbrecben die Erzith-
lung) verwirreR den X«efer) und erfcfawe*
ren ihm die Ueber/tcht. Am beften fcheint
cs mir daher zu feyn, wenn die Gefchichte
der Fbilofopfaie in Vier Haupt • Tfaeilen bear-
beitet w&rde, woTon {eder ein lilr fich be-
ftehendes Ganzes ausmachte.
Der vrfie Tkeil mftCle die Literatur und
die kritifchen Unterfuchungen uber die Quel-
len und Hulfsmittel (befonders der alten 6e>
fchichte) enthaltea. literarifck^kritifche Vor*
arbeiten*
U3
^ 182 —
J. Neuere Literatur,
u) Werke, die eine aUgemeine Gelchicbte
der Philolbpliie enthflten. Stanley,
Brucker —
Compendie, Balchingr Garlitt, Eber^
hard —
ii) BeyliLuhge ErlAiiterungen derlelbei^
Haet, Bayle, Platner
«) Abbandlungen llber einzelne Sectett
und Syrtetne, Epicur, Stoa) Spino-
za u* C £ aber die Philolbpbie einzel*
ner Nadonen*
d) Entwikelungen einzelner LehrlUtzea
wie in den Memoires de i*Ac. dea
Infer. u. a*
e) Allgemeine Gefchichte pbilorophifcher
Lebren, Meiners, Bardili, Werdcr*
mann —
/) Specielle Gefchichte philofophifcher
I^hren, wie Tennemanns Unlterb"
liebkdislebre der Soeradker, u. m.
Abhandlungen liber einzelne Perfonen,
Begeiienheiten u* £ £• in Bezicbung
aaf G. d. P.
Beurtheilung ihres Werths. Die Gefichts-
puncte der Verfanier, ibr eigentblunUcber
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— i93 —
LeitFaden dardit Ganze, Haben He Rritiki
oder blors Sammlung oder fch^ne DaiTtel«
lang? *-> Ihre lllftogel nnd deren Urikcbe.
/f. Littramr umd Krii&u
a) J)i]icherkntik» Aechtheit der Quelleni
worant man die «Ite Gelobichte Icbdpftt
ihre VerfafTerf ibr Alter, ifar Tezt.
Verfcbiedoe Bearbeituogen derfelben
enf neaem Zeiten*
h) HiftoriTcbe Kridk*
1) Philorophen) deren Meynungen und
SyCteme wir atts ihren ^gnen Scbrif-
len fchdpfen* ZnTdrderft; Ana wel-
cben von ihren Werken ? Lafst Acb
onter denfelben me Zeitfolge bc.
ftiinmen? In welcher Manier fcbrei»
ben fie, und was foll man auf diefe
JManier abrecbnen? WoUttn.fie «n
Syftem geben, oder nnr Hber ein»
zelne Puncte philofophieren ? Sind
kt £rfinder« oder Bearbeiter ones
Syftemt?
2) ScbrirtfteUeri die andrer Fhi]ofo-
phen Behanpcangen anAkhren* Slnd
ihre Nachrichlen treu? Haben Jie
Tielleicbt ibre eignen Gedanken un-
M 4 ter^
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ter£»efohoben ? Sahen fie die Ideen
Andrer aas dem rechten Geliohts-
pancte an? FaCtten fie den Sinn»
oder hielten he fich blos an Aus«
drake? Welchen Denkem fcheineit
He am wenigtken hold zn feyn?
Wer hat ira Colliiionsfalle die meiltd
GJaubwurdigkeit fur fich?
3} Bey den Compilatoren, DiogeneCi
StohiLaSy Suidas u. a. find ziierft
die Fragen zu heantworten: Wana
lebten Ae? aus welchen Werken
haben fie hier und dort corapllirt?
init welchen Abficbten? (befonders
ift daranf bey den Rirchenvllrern
Riiklicht zu nehraen) wie hocb
darf man ihre Glaubwilrdigkeit an«
fchlagen?
Der z-veytc Theil wiirde der hiftorifch'
hiograpkifche feyn. •
a) Gefchichte der VSlker, bey welchea
Fhilofophie gebliiht hat, fummarifchi
smt fteter KiikRcht auf diejenigen po«
litifchen und literarifchen Verh&knifle^
we]che auf die Philorophie EinBuls
hatttiL
h) Bio«
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- i85
I) Biograpfaieeii der wicbtigrten PhHofo»
phen, mit mehrerer GrQndltchkeitv
a]s die Ton Fenelon» Dupont Bertris
oder gar Saverien.
Der dritte Theil enthielte die eigentliche
OBfckickte tUr Phiiofophie-
Berdmmnng des Begrifs. Einldtnng
von der Entwiklung und allmahligen Bil-
dung des menfchlichen Geiftes zur Pbi«
lofophie. —
Die Gefchichte felbft nach Volkern
und Syftemen, chronologifch » die ]ez«
tem am Ende in einer Ueberficbt nach
ihrer Verwandtfchaft zurainmengeftellt.
Bey ]edem wichtigern Abfchnitte ein
R&kblik auf den Fortgang nnd die Scbik*
fale der Wiffenfchaft. — Soll man hcy
den AJten die eignen Worte der Philo-
fophen anFfthren? Bey den mehr ppe«
tifchen ift es beffer, den Sinn heraus-
zuheben) aber durcb Belige zu recbt-
fertigen. Ariftotelest Plato und fthn*
liche muffen felbft reden, wenigftens
muHen Uauptltellen wdrtlicb iieygefiigt
werden. Gefcbieht dieCs nicbt, fo ift
der Lefer nie gewifs, ob er die Behaup-
J\i 5 tnng
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tung des Phnofophen o^er nur eine
des Gefchicbtrcbreibers hat. (Man uber*
lezt z. B* m^9K durcb SiimUohkeit, Atf
fchauung, Empfmdung: alle drey W5r*
ter geben aber einen ganz yerfcbiednen
Sinn, nnd Ib ift es in mebrem Fillen.)
Gate Ideen iiber die Bebandlung felbft
in GiirUtts Vorrede zu feioer Gefcb.
der PfaiIofophie«
Man biite Fich vor Kunfteleyen in der
Tbeilung und BenenAung der verfcbie»
denen Perioden.
Ein vierter Tkeil, welcher die fpecielle
Qefchichi^ der Tbeile der Pbilofophie und
einzelner ^ohtiger l,ehren in fich falstc^
wiirde zur Erg3.nzung des dritten dienen.
HAafter deza in Keinholds Briefen.
Dab bey diefer TrennuQg nnnfttze Wie-
dcrbolungen vorkommen wikrden, ift nicht
zu £&rcbten: und durcb Berufungen des ei*
nen Thmls enf den «ndern wftrde keiner
aufboreni ^ beftebendes Ganzes za
feyn.
toH
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TON DER VERSCHIEDENHEIT
ALT£N UND NCU£N PHILOSOPHIE.
Fa£t alle ScbriftrteUer» welche ein« Ver*
gleichung der alten nnd neuen Philofophie
angeftellt baben, find in eines von den bey«
den Extremen verfallen, entweder der alten
Pfailofophie aUen Wcrth abzufprecfaen , oder
Jie anf Unkoften der neuern BemUhnngen
uberm&lsig zu erheben, Das erftre war der
Fall bey etner groften Anzahl pbi]oibpfaifclBer
Gefcbichtfcbreiber, die, aufer einigen Ideen
eines Socrates» PlatO| Ariftote1e« und der
Stoa» aHes Uebrige geradefam ffXr Triume-
reyen erkl&reni oder mit eineut ftolzen
Ruk-
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R&kb)ik «uf OiFenbarung die armXiBdigeii Spe*
cularionen einer lich Celbft uberlaflenen Ver»
liunft inlt]eidig ])efp6ttelri. lch will dabey
nicbt erlt an diejenigen erinnem» welcbe
aus Mangel an Kriuk und ▼oH frommen &
fers flea alten Denkern alien Ruhm der Er»
Andung abfpracben und iie eines Plagiats aus
den heiligen Buchem der 01Fenb«ung be-
fc;:uidigten. Diefer Parthey entgegen fteht
me andere» welcbe eben fo zuverAchtlicbj»
aber mit mehrerm Scbeine Ton Wahrheit be«
bauptet, dafs das Verdienft der neuern Phi-
lofophie blols auf die genauere Beftimmun|^
tind ToUft&ndigere Entwiklung und Erl&ute»
rung der Von den Alten gefundnen Wahrheit
^ngefcbrankt ley. Diejenigen^ welche ihr
noch einen betrftchtlichern Vorzng einrfta-
men, fchreiben ihn den Lehren und Auf-
ki^ungen der Oiienbarung oder den Fort«
iGshritten in der I^aturkenntnis zn. Ich kana
niich liegnugen, zwey Schriften diefer Art
zu nennen: Dutens recherches fur rorigine
des decouvertes attribuees aux moderoes
(Paris 1766 2 Voll. ) und Biifchings Verglei-
cbung der grieciufchen Philofophie mit der
neuera (Berlia Beyde haben zwar
nicbt
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— i89 ~
aicbt denlelben Plan» aber docb einerley
Abficht, die a)te Pbiloropbie in einem bel»
lern Licbte darzurtellen. Dutens erzahlt die
Itteynnngen der Alten in feiner Sprache nnd
in einem binzugedacbten Zufammenbange an«
genehm und deutlich» und erlaubt iich hia
nnd ber, unvermerkt von dem Seinigen hin*
znzutbun. Bufcbing reibt eine Menge phi*
lofophifcher Grundlsltze und Wahrheiten auFj
und bringt bey einer jeden die Stellen bey»
worinnen alte Pbilofopben daffelbe oder et-
was Aehnliches Tagen. Bald ift es Arifto-
teleSf bald Plotinnst bald Cicero, bald
Plutarcb, bald Seztus u. L w., mit deren
Stellen er das Alter jener Erfindungen er-
wei£it» und fo fcb&/.bar lieine Gelcbicbte der
Pbilofopbie im Ganzen ift» fo leer und on*
bedeutend ift diefe Zufammenftellung. Ich
Inn nicbt der erftCt der diels Urtbel faUl^
und kein unpartfaeyifcher Lefer wird es barC
Hnden.
Wenn wir aucb nur auf die Zeitkuhur»
KeIi||^on« Sprache und die ftufem Verb&It»
ni£fe der Alten B.uklicht nehmen : fo mu£s
ec
S. hieruber einiga Bemexkungen im dritten
6tak S. 52 f.
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— 190 —
cs nns Ton felblk ein]eachten« dals ihre Pbi-
lofophte Ton der nnrrigeir durchtac Terfchie*
den feyn muffe. Die PhiJorophie entfteht
eben fbf wie die Poelie$ nns Bed&rfnifiTen,
nnd nimmt, wie diefe, die Farbe der Zeit
nnd des Nationalcharacters an, und felbrti
wenn fie auf den leztem znr&kwirkt^ kann
Ae es nor dadurch, dafs lie etwas von ihm
•ngenomnien hat. Was inshefondere die
Sprache betrift« £0 bemerkte anch Bafching
(Vorr. S. V.) fehr richtig die dahey cintre*
tenden Schwieiigkeiten. Da^ fchwerfte
war» lagt er« die griecshiiche philofophifcba
Sprache mit der unfrigen zu Tergleicbent
deun obgleich die meiften griechifchen W6r-
ter nnd Ausdriikei auf eine fthnbcbe Weife
in die deutfche Spracbe-y entweder nnmit-
telbar, oder welches von den meiften giltf
Jiacb dem Vorbilde der lateinilcben fiberg»»
tragen worden: fo haben docb neuere Phi*
lofophen Ausdriike eingefuhrt, bey welchen
man nacbdenken mofsy ob iie etwas fcboii
Bekanntes oder etwas Neues fagen.** Diefer
Nachiatz iffleer; wir wiirden ftatt defCen
(agen k6nnen: Ib ift docb zwifcben dner
alten und neuen Spracha llberbaupt ein fo
gro-
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— X9i —
grofser Unterrcfaied, da(s man, befonders
bey Ausdr&ken fOr abftracte Begriffe fich oft
Bur flberreden mufkf den wahren Sinn det
alten Wortes durch das a.hnliche deutfche ge»
tro/fen zn baben* Wir denken unt jezt^
nachdem wir fo ▼iel durcbfpeonlirt halien»
bey einem pbilofophifchen Ausdruke fo man*
cherley, woran die Alten nicht denkenkonn-
ten^ und leihen daher dielen mit nnfem
Ausdruken nur allzuoft auch unfere BegriiTe.
Werden nnn diefe nach nnlerm Ideengan((p
weiter fortgeBlhrt« fo ifteht auf einmahl nut»
ten aus den Ruinen der alten Philofophemen
ein modernes und suiammenb&ngendes Sy*
Item anf.
Vokausgefezt alfo, was kaum eines Be-
weifiBfi bedarfy da& drtlicbe und perfdnliche
Verh<niile aOer Art bey der Erfindung und
Ausbildung einer Wiffenfchaft eine fehr U-ich-
tige Rolle fpielen» und da& mitbin aucb die
Philofophie Term6ge dieler Verbftltniire bey
den Alten etwas anders feyn und weiden
mufte, als fie bey unt iJGt: £6 entftebet nuQ
die Frage: Worinn befteben diele Unter-
fchiede? Wenn ich einen Verfuch mache,
dariiber einige Ideen mitzutbeilen « fo merke
ich
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— 192 —
ich iin Voratit an , dallf ich hier, abgefeheo
Ton den aufern Verfcbiedenheiten » biofs die
innern in Betrachtuug nehme. Jene foUeii
nur zur Erl&uterung dienen. Alles koDiml:
vornemlicb darauf an: dafs wir dasjenige
«nshebeot was alle oder doch die meifieD
und wiclitigften Secten der Alten mit einan*
der in diefer fieziebung genaein baben. £i-
nige Bemerkungen liber die Aehnlicfakdten
diefer Wiflenfchaft in beydcn Zeiten luugen
forbergebn.
Es zdgt fich bald, da(a der Haaptzwek
philofophifcher Forlchungen bey den Alten
derfelbe war, der die beutigen belebt, Auf-
klSrung der Vernunft 0ber wlehtige Pro-
bleme und Beruhigung des Herzens, Weif*
beit und Zufriedenbeit. Wer Ton gemeinen
Vorurtheilen frey$ leine Glfikfeeligkeit auf
einem Wege fuciite, den der Haufe nicht
betrat, wer mancbe Giitber und Freudea
entbehren, oder auch nur mit Ueberlegung
genuffen lernte, konnte auf den Ehrennamen
eines Pbilofopben Anfpruch macben: ond
noch heute ift man geneigt, jede Entfernung
Ton der alls^emeinen Art zu denken und zu
handeln» inlofem Xte ^e Folge ▼on Erfah*
rung
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rung und NacVidenken ift, durch diefen
Kainen, ich weiiis mcht, ob auszuzeichnen
oder zu verlacben. Auch das leztere w&re
iu eigcritlich keine Eigenheit der nenern Zei-
ten. Denn es war Icbon im Alterthum nichts
felteneSf daCs es nnter den fogenanntcn Phi*
lofuplien eitle, ruhmluchtige, ftolze und ab-
gefchmakte Thoren gab« die ihrem Tiiel
Schande machten nnd ibrer Lehrerin man*
oherley Verdacht zuzOgen, und das Wort
Sophilt z. B. bedeutete zu verfchiedenen Zei*
ten ttnen Weifen nnd einen Wiisling. Ue«
berliaupt ift die Aehnlichkeit unter alten und
neuen Philofophen fehr auffallend. Hieri
wie dortf herrfehte Sectirerey, Eitelkeit^
Widerfpruchs- und VerfolorMngsgeift: hier,
wie doit» ward ort der reine Eifer fiir das
Wahre und Gute durch menfchliche Leidea*
fchaften und Schwachheiten ▼erflllfcht und
— erfezt. Und wenn PJato ausdrukJich,
allen unm6ra]ifchen un^ unwiilenden Men»
fchen das Pliilofophieren unterfagt fo
durfte ein iihnUches Yerboth wohl auch in
On-
Lysifc £d. Blp. y. S. 941.
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— 194 —
unfern Zelten tntht ganz unnatz feyn. Es
war aber auch im Altertbumo nichu XekneSf
JaCs man weifa Zurilkbaltung Tbo den Tbor»
heiten der Welt, vernunftigere Urtheile und
Aniicbten der Dinge, und eiu riilies Zuriik-
^ehen in den engen Kreils eines denkenden
und fiihlenden Selbft fonderbar und lacher-
lich fand* Nur darinn unterlcheiden hch die
neuern 2dten von den elten» dals jezt kma
Pbilofoph durch thierifche Naktheit dem Vpr-
urlbeUe der Kleiderpracht, durch Hunde-
koft der Tborheit der Scbwelgerey, mid
durch die Wohnung in einer Tonne oder
unter freyem Himmel den Albernheiien der
Baupracht dfTendicb Hobn rpricfat. Wir
fdmmen vielmehr allgemdner dem Urtheile
Pltttarcbs bey; dals derjenige der grufte
Pbilolbph fey» der Wenigften darnacfa
eusfehen wolle *).
Aucb in Anfehung der HauptgegenftMnde
der Pbilofopbie ftimmen wir mit dem Alter-
thum xufanunen. Der Menfch, die Welt
und Gott waren einft, wie jezt^ dic wich-
iig-
Sympof. i. s*
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tigrten Beziebungspuncte aller Forfchungen:
wir onterfcbeideii uns in Aukficbt des erlteni
darinn, dafs wir den Menrchen in mehre-
ren Verh^tninen gefafst und betrachtet ha-
ben. Wir widmen dem menfchlichen» dem
intellecttteDen und dem moralifchen Theila
des Menfcben, der Unterfuchung feiner
FAicbten, der Beliimmang feiner Recbte und
der Beftfttigung feiuer Hofnangen befondere
Speculationen : ein Kecbt der Natur kann-
ten die Alten gar nicbt* Von der Betracb-
tang der Welt haben wir alle phyficalifche
AnFichten in eine eigenthiimlicbe Winenfchaft
vereinigt; wir unterfucben in der Pbilofo*
phie nicht die Befchaffenheit der Natnrer*
fcheinungen aus gegebenen Datis, fondern
denken &ber den Zulammenbang des Uni-
Terfams aas blofsen Vemanftbegrifien* Voji
der Theojogie nacbher*
Eben fo mannigfaldg und Terfchieden»
wie ehedem, Hnd nocb jezt die Wegei auf
welchen die Denker licb der Wabrbeit za
Hfthem fachen, Behaaptang nnd Zweife],
Erfabrung und reine Vernunft, Glauben und
Srkenntnis. JHar das Vertraaen auf &ttfere
N 3 Ofien-
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— t96 —
Ofr<>nbarttiiK ilt eine neue Quelle pbi]ofopM*
fcher Einfidit» die die Alten nidit kennea
konnten. Uebrigens habezi iie, wie die
Keuenis die Grenzen» in welchen die Ver-
nunft bleiben foll^ Gberlcbritten, und die
Ideen derrelben zu ErkenntnilTen erliol)en.
Auch waren, wie in neuem Zeiten> lolcher
Ratioiialpbilofophen immer Mehrere.
WoUen wir endlich einzdne Meynungeii
und Ideen alter Pbilofopben mit denen der
iieuern zufammenftellen: To ift die Aehn-
lichkeit noch auifaUender. Zur Probe nur
einige^ und zwar folcbe, die /ich am mei-
ften den Satzen der kritifchcn Philofophie
jiabem. Epikur z. B. lehrte ausdruklich:
dafs die Sinne nicht t&ufcben> weU fie nicht
urtbeilen. Platon behauptete; daH, dasjeiiige,
was m^r durch die Sinue empiindeny nicht
das Ding an fidi, fondera nur Brfcheinung
fey *). Koch bertlmmter erklart fich uber
diefen Punct Sextus Und was kann mit
der
*) ThfliCi B. fi. 8. 144. V«rgl Sotus adr* Lc^.
1. 14S.
**) S. das rwcyce Stiik U. B. S. 70. 72,
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dw Kantifcben Tbeorie: da£g die Sinnlich*
keit nicht in der blofsen Organifiition beftehei
Xondern ein Theil des Vorrtellungsvernidgens
fey, aulFallender zuianiDienftimmen» als die
Aeureriing des Ariltofeeles (de Mor. 6« 9.)*
das Gemiith enthalt drey Grundvermogen
aller Th&tigkeit und Eikenntnis» Sinnlicb-
keit» Vernunft und Begehrungsvermogen
(iui^ctft ¥ovf, «ff^'c<) "ncl Platons Satz (Plu«
tarch» de pl. 4, 8.) die Sinnlicbkeit ilk
ein Verm5gen des GemQths« die Organe ge«
horcn zum Korper, (>| tf*c3-if<r/c J»/v«/t<»c ^/i^zn^»
M opymw ff«|Mm)* Ganz jlbnlicb der Kan-
tjfcben Lehre: dals alle Erkenntnis von der
EiTdhrung anfange, liod die Worte Arirtote-
les: •vitwa ffli i»§9 ^mwrm9fuw 4 ^xn *)•
Der Kantifdien Reoeptivitat und Spontanettdt
der Sinnlichkeit, k6nnte die Arirtotelifche
3>Ieynung gegen iibergeftelk werden: dafs das
Gemutb bey iinnlichen Bindriiken nicht hlob
leide, fondern auch thatig fey (de An. 2,
4. 5.^, und den Unterfdiied zwifcben £m«
pfindung oder iiDnlicber Anfcbauung und
N 3 Ut'
*) De An. 3, 7.
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firkenntnif gieht fchon Platon m (Tfaeftt. S.
l44* ^ mt^9tc 99 mtt Ivififipn» ravrlv. Arirto*
teles de An. 3« 3* §u rmvrS^ §fi rd al-^dvi-^tfi
mt rd v9Hv}, Seztot bemerkt die Verfcbie*
denheit zwifchen Gedachtwerden nnd Wirk-
lichreyn ausciruklicb Cadv. Fiiys. i, 49* ^
iO' Und
wie leicht iSlfst fich der Satz des Ariftoteles:
Ohne Seele giebt ei keine Zeit, (Pbys. 4f ^4*)
mit der Kanrifchen Idee; da(s die Zeit eine
urfprun^liche und reine Form des Vorftel-
lungsvermdgens rey« zulammenpalTen? —
Sind nicht auch d:e kosinologifcben Grnnd*
fictze der neuern Philofopbie bey den Alten
anzutrefien? Die Natur thut nichta Terge*
bens. (Ariftot. de rep. i, 2. im^iv 4 ^vcic
99tH fiftrifv). In der Natur gefchieht nichts
durcb einen Sprnng. (Arift, de part anim»
4« 5> n 0v«ic fiffra^MfVfi €wiX»it ti" f* W.) Bcy
aller Erzeugung giebt es ein Hrftes (Arlft.
Met. 3f 2. evK mwtif§ 4 yi9§9i9 M rm» mm)>
Den Satz des Nichtzounterfcbeidenden (lellt
Cicero auf (Lucull. 17. 18.), die BegriiTe
der M5g]icbkeit« Zuf&lligkeit ond Notbwen-
digkeit £nd fchon bey den Aken beftimmr»
wenn
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— 199 ^
wenn wir mui die Worte fehen. Doch wo»
zu eine Aufzslhlung mehrerer Ideeii) worinn
«Ite uml neuere Philorophen beynahe wort-
fidi zulamuienltimmen? Nur wer mit Aach^
ligen und unkritifchem Auge dergleicheo
ZuCmmenftellungen anlieht, kann auf den
Cedatken kommen, delsha]b den neuem
Bemuiungen ihren Werth abzufprechen,
oder hn, wie BuTching thut, einzufch ran«
ken. HoflTentlich wird fich diels aus dem
Folgenden belTer beurtheilen lafTen.
Eiaer der wefen^cben Unterfchiede zwi-
fchen alter und neuer Philofophie befrehet
ohnftreitig darinu, da£5 die Alten ihre Phi-
lofopbie nicbt mit der Unterfuchung des
menfchlichen ErkenntnlsverinOgens anfiengen.
SelbXt diejenigen Philofophen, welche eme
dergleichen Unterfucbung anftellten» z» B.
Ariftoteles, betrachteten fie nicht als die
Grundlage aller Philofophie, fondern als cl-
nen Theil derfelben. Icb leugne nicht, da(s
z. B. die Eleatifchen Philofophen, dafs Plato,
Ariltoteles, Epicur und Pyrrhon mehrere
fcharflinnige Geilankett Hber Erkenntnis durcb
die Sinne und die Vemunft, deren GewiCs*
N 4 heit
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bfit oder Tr&glicfakeit* ilber den Unierrchled
zwifchen Empfinden nnd Erkennen, zwi-
fchen Anfchauen und Denken und verwanclt3
Gegenftilnde vorgetragen baben: abcr cb
kann dreaft behaupten, da(s keSner von ih«
nen auch nur etwas Ganzes und Vollftindi-
ges (gleicbviel, ob es wohr oder faird ley)
geliefert, dals keiner diefe Unterfacbingen
fur das Erfte und Wiclitigfte anerkannt, kei-
ner endlich auf feinen dieisIUiigen Ideen fort*
gebauet habe. Wie bekannt, giebt es bey
diefer ganzen Unterfucbung zwey Wege;
entweder die fchon Torhandnen) erlernten
oder erzeugten Vorftellungen zufammenzu*
nehmen und Ihre rvichilgkclt durch Analogic,
durch Nachforfchung in das Innere derfel-
ben, durch ihre Vergleichung mit einander
zu priiferi, und aus diefer Pruiun^ auf die
Erkennbarkeit ilberhaupt fortzufchliefsen ;
oder» von allen TOrhandnen Vorftellungen
abgefehen, nach der Leitung des Selbfibe-
wulstfeyns zu unterfuchen: worinn uber-
haupt ein ErkenntnisTermfigen beftehen mulTe,
was der IMenfchy der erkennen foll, fur
Anlagen haben miiffe, um es zu kdnnen?
Der er(te We^ iit ohne Zwdfel der unfi-
cher-
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Gherrte» und er ilt es ebeU) deu dlc altea
Denker betreten haben. Ans der Zalammen-
haltung einzelner finnlicher Wahrnehmungen
fchloik der eine auf die Triiglichkeit aller
Erkenntnis durch die Sinne: aus der imiem
Corifequenz einer Reihe Vernunftfchlufle ent-
fchied der andre fiir die Sicherlieit aller £r-
kenntnis dnreh Vemunft: und relbft diefe
Kefuhate waren bey ihnen mehr eine Art
von Pfychologie, a]s Metaphyhk des £r*
kenntnisYermSgens: fie ordneten fie als phi*
lofophirche Wahrheiten, nicht als Grundla-
gen aller Philofophie. Oft genung Itielsen he
«uf eine folche Kritik: aber es ilb» als ob
iie ihre Tiefe gefcheut hatten: bey dem
Streite z. B.» den die Stoiker und Academi-
ker fuhrten» ward die Frage: ilber die Griin*
zen und die BefchafTenheit des Erkenntnis*
TermdgenS) oft beruhrt, aber eben, wenn
man ein tiefres Eindringen erwartet» tritt
platzltch eine Erfahrung oder Analogie da-
zwifcheny und der Streit geht von neueni
ao* Einem kritifcben Lefer der Ariftoteli*
fchen Schriftcn mufs es ein fehr unangcn^h-
mes Gefiibl verurlachen^ ihn bey der Prii*
liing fremder Meynungen in einer Staubwolke
N 5 von
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DiftinetioneR nm den Pnnkt lieranitiiiiiinelji
zu rehen» den er oft genug nicht trift, in-
deflen wir init mem Grnndlaize aus der
Natur des ErkenntnisTermdgens die ganza
Schwierigkeit Idfen kdnnten Immer
nehr
Wmn dalier ebea fo eiafidiityoUe» al»
biUigfl RecenCent des drittea Stackes d. B. in
der AUg. lit. Zeit. wflnrchtt deHi in der Ah^
liandlung Aber Ariftcytelet Theologie S 86 f«
mehr Riikfichc auf AriHoteles Ideen Aber das
Voi^itelhingsverinugen iind deren Einflufs auf
feine Theologie ^enominen Teyn nioGjite: fo
Sej es mir erlaubt, dagegen zu benierken» dafii
uh Bwiibben jenen Ideen und den anderwei*
tigen metapbyfirchen Behauptiiiigen diefes Pbi«
lofophen heinen lolchen ZnGunmenhang ent*
decken kann, daCi ich diefe aus jenen erlan-
tern k6nnte , ohne etwas hineinzulegen. Ift
der That fand doch AriAoteles leine Ideen von
GotC» wie in jener Abhandlung S. 94 und 9S
bemerkt i&» blofs auf dem Wc^ der Welu
betraditttng» «r fuchte nnr ein erfies Glied
der Kette. Ei war ihm nicht um einen £r*
kenntnisgrund des Bafeyns einer Gottheit zn
thun, auch will er diefe Exiftenz nicht wei-
ter beweifen , als durch die Uani6glichkeit
eines EegcdliBS ins Unendiiciie« info£srn die
Ter-
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mehr mt deni Subiect des EjrkenntiusyermA»
gens, der Seele, als mit dicfpni Verm6gen
lielbft befchllfugty nahmen faft alle ihre Un-
terrnchnngrn einen Weg, anf dem ec nicht
mojlich war, zii bertimmten GrundlUtzen
fttw die Befchaffenheit und Einfcbr&nkung
des menfcfalichen £rkenntnisverm6gens su
gelaugen. Der Antheil, weJchen die aufere
Sinnlichkeit daran hat, ward gemeinigliGb
za hocfa oder za niedrig «ngelehlagen» und
uber
Vemunft dabcy ermudet, nnd dnrcliaus etwas
haben will, wobey fie ftehen bleibe. DieT*
B^g^rdbaft der Vemunft» (das Suchen nach
dem Unbedingten) h«t er in £niieB Uttterfti-
dmngen iiicht «ntwickelt» ct war m«far dmtm
Uct GeAlhl dcrlclben, welchet ihn s. B. bey
dicfcr Gotmotheologie leitete. Tch hatte ec
CBt zu ge&hrlich, den altcn Philofophen einen
Ideengang, wie der tmfrige » unterzufchieben.
ff^tr wfirden alierdings boy ciocx Behaiiptung,
wie diefe AriAotelirche, fragen : wanun llist
fich dic Vctniuift keincn Solchm Rcgicft
bUcn? iSt ci ihier Nuur cntgegen? worinu
beftcht diefo? darf sch cin Erfict Unbeding*
tes annehinen, und was bercchtigt micb dazn?
Aiiltoi^let fragte fo uicht»
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ftber die Katur und EatTtehung der abitrae*
ten BegrilTe, «nec der wefentlichlken Stuke
diefer ganzen Unterfuchung, haben Togar
die Stoiker nichts Beftiinmtes angegeben*
Anftatt dnes ausftlhrlichem BeWttfes diefer
Bemerkungen kann ich auf die Darftellung
verweifent welche Tiedemann (Geift der
fpecul. PHl. Th 3.) Ton Ariftoteles nnd der
Stoiker Pfychologle und Logik giebt. Diefer
rchar£Rnnjge Gefchichtfchreilier der PiiiJofo-
phie hat anf die Lucken in beyden, und
die darinn hauFigen Widerfpi iiche aiifinerk-
Xam gemacfat» fo wie er uns Pata genung
Kefertf wodurcb wir bewogen werden, de9
Scharffinn jener Weltweifen zu bewundern.
Kaum darf ich es ausdruklich erinnern) dals
diefer Mangel der alten Philofophie fidi
duich dcn natiirlichen Gang der Ausbildung
des menfchlichen Geiftes crkliiren und recht»
fertigen Ufst. Alle Geifteskrafte entwikelii
fich durch Verfuche auf Gerathewohl: die
philofophirende Vernunft verftieg iich uberall
bin, und dacfate, fcfalols, abftrafairte^ TergUcfa»
behauptete, leugnete, ohne fich zu prufen,
ab ihre Natur und Krafte dieOs erlaubten,
ob ibr nicfat vielleicfat ein andrcr befdmmter
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— 2o5 —
firkennUu^kreiCs angewieCen fey» und ob
daSf was fie anf ibrem Wege entdekt battey
wirklich Erkeiiutnis oder nur Form des
Penkens fey? Wie et lange Torber Dicbter
und fcbdne Kiinftler geben mnfte, ebe je*
mand auf den Gedankcn kommen konnte^
nach dem Wefen und den Gr&nzen der fchii«
nen Kunft zu fragen: eben fo war es bey
der Philofophie. Nur dafs jene Verfuche
aucb obne ^e Xblcbe Theorie beller gelin-
gen, ala die pbilofopbifcben, wobey weder
Sinne, noch Gefchmak leiten und emfchei-
dent
Zwe^rtens ift es wobl unverkennbar, da(s
der alten Phiiofophie das Syfteraatifche fehlt;
icfa meyne damit nicbt) allen Zulammenbang
der S&tze und Ideen unter einander, fondem
die Verbindung des Ganzen, die von Einem
Grundlatze ausgeht und alie Tbeile genaa zu*
&mmenbft]t. Oder um es nitber zvl be(dm«
men, einmahl fehlt es Uen Lehrgeb^uden
der Alten entweder gans an einem Principe»
oder es ilt nicbt binl&nglicb angewendet. Die
Behauptung fcheint vielleicht ctwas hart zu
feyn ; denn man darf Ja nur z. B. im Arifto*
teles blftttenii Ib iiiidft man (lOeUfk 3, 3.
40'
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~ uoS — »
411): der gewiflefte Gnind(ktz luiter «nen ifE:
Nichts kann zugleich feyn und nicht feya
^murn Ifi fi$fiat9TArn rtfv i^xfi* mtwtrw
ifUi Svmt tuA $dl mvmi)^ oder (Analyt. poft»
17.): Jede Wirkung hat ihre Uridche
(ifn
9wmpx** ktrlmrtVf rd «Triav wi^xti^
Vergl. Ploto Tim. Ctc de Univ. 2. Omne
quod gignltur, er aliqua caufa gif^ni neceffe
eXt). Erkennt nicbt Ariltoteles die Notbwen*
digkmt eine$ erften Grundliatzes felbft, (AQe].
poft. I, 2.) wenn er allen Beweifs nur aut
einem unmittelbaren Satze C^^^c» |c|
Irw «AA« flrMTff') gefilhrt wiflen will? Und
wie allgemein ift nicht unter andern der
Grundlatz; Aus Nicbts wird Nicbts» in dea
pbilofophifchen Schulen der Alten gelehrt and
2um Principe ihrer Forfchungen angenommen
worden? Ibrer Cosmologie allerdings^ a1>er
diele ift nur ein Theil der Philofophie. Und
was difi oben angefiihrten Grundfatze beti ift,
£b baben Ae nie bey den Alten die Steile der
erften Principien behanptet, ite dienten nicht
zu Erkenntnisgruntlen der Wahrheit, fondern
zu geiegentlicben Bericbtigungen des IrrtbumSi
nicht zum Beweifef Ibndern zur Erlftuterung.
Aber vielleicht fahen die alten Pbilofuphen
«Ul|
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— 207 —
ein, dafs diefe Satze zu erften Prindpien
iiicht tauglich lind? In keinem Falle kann
diefer Mangel an GrundlSltzen ibnen zua
Vorwnrfe gereicben. So lange der menfchli*
obe Geift damit befch&ftigt ift» zu erJindeni
raft er Materialien zufammen, wie und wo
er lie findet^ crft wenu eine Menge Ideen,
wahre oder falfcfae» Torhanden fiud, nnd
gepriift oder zufammengcftellt wcrden foDeny
fangen die Denker an, nacb dem erften
Gliede der Kette zu fragen, woran lie dieie
Ideen reihcn wollen. Immer mufs das Sam*
meln dem Ordnen vorangehen. Und eben
darinn Uegt etn Unterfcbied zwifchen der alten
und iieuen Philofophie. Zweytens fehlt der
erftern aucb ein genauer Zufammenhang ibrer
einzelnen TheUe. Zwar lind diefe noch
nicht fo genau und fcharf abgefondert, wie
in der neuern: alles was den Menfchen an-
geht, fa&t die Logik und Moral in fich» die
Kenntnis der Dinge aufer dem Menlcben 5ft
der Inbalt der Ph}Hk, Aber alle drey grei-
fen in keinem Sylteme der Alten in ^nander»
aus dem Grunde, weil Jie nach keinem ge-
meinfchaftiicben Erkenntnisgrunde phiiofupbi-
feher Wahrheiteii forlisfaten. Die fiintheilang
der
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— 2oa —
der WiCCenrdiarc uud ihrer einzelnen Theile
JA reiiie und empirirche fehlt bey ihoen
giinzlich. Denn wenn He auch von theore-
tifcher und praciircher FhiJorophie rprecben^
Ib verftehen ke unter der erftern die Betraoh*
tunfy der Welt, unter der andern die Art
und Weifei Xein Leben einzurichten, k^n^hm
nnd ipy99, Daher kommt es, dals die Mei»
fien von ihnen die Logik nicht als einen
Theil der Philofophie, nicht als einen Haupt-
endzweky ibndern als Mttelzwek anlaben ^}.
Icb
*) leh, mntk hierbey der trefltchen Gefdiidiie der
Logik erwahnen, welche Hr. Pr. Platner in
feinen pliilof. Apliorismen i7Cj5. Tli. I. S. kj f.
gegebcn bat. Zur Er^anznn^ Jes vorhergelien-
dcn Aniratzes fey es mir cr].xnbt, folgcnde Stol.
len daraus hier einzuriicken. S. 22. Ariftoteles
inadit unter der Dialectik und Logik keinen
TJnterfdfued — erft die Semmler uad illteni Ans«
leger feiner logifchen Schriften unterfcfaieden die
Logik von der Dialectik , wie etnen Theil vom
G«inzen ; indem fie ncinlich diefe Scln lftcn , mit
Vorausfctzung des Gattuiigsbegrifs Logik, ein*
dieilten in Analytik» -welclie von den Hreng
apodiktifcben, und in Topik oder Dialectik»
welehe von den ihetorilck wabrfcheiniidien
Schliif.
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^ 209 —
ich habe nlcht nothig» zu erweifen, wie
nothwendig eine folche Eintb^ttng der phi->
lofo-
&chlu(tcn nnd Bcweifen liandett, bcy denen
tnan nickt Von den h6cliltcn Grundfatzen dec
Vemtitift» fondera Toii den aUgeineinen iinter
den Mcnfchen angeiioinmenen Meynungen «iit.
geht (^vdoltfy). Abcr anch hier bleibt det Be*
grif der Dialektik noch lieinlich in feincr ror*
jiiaUgen Weite; ziimahl wenn man bedeukt»
dafs in dem Organon die Leine von den Prddi-
kunenten (anch fon den Pradikabilien) ganz,
iind die Lehie den S^itzen xam Theil dazu
gehOrt, ond felbft die Lehre Von der Befinitioa
in der Diiilekiik enthalten ift. Ble Analjtik
(wirUibh eine Erfindung des Ariftoteles) Ter-
balt fich zur Dialektik, ohngefehr, wte diefe
zur alihetifchen Rhetorik. S. 25. Die StoiJter
li.iiiilclccn ia einein dcv wichti^ften und ausfnlur-
lichften Hauptfi.acke diefer Wiirenfchaft, unter
dem Titel ^vr«rte, alle Arten von Vorftellun*
gen and Begffifien ab: die finniiche VoifieUuDg
(^««rarlx c«;^iK«) ui Verbindung mit det
Frage i ob fie etn wirkticher Abdruck dei Ge-
gcnftande (rosratfic) odct nuT eine geiAige Ver-
anderung der Seele (^^rt^otuffit) tcy. Sie un-
teifuchten die BegriiTe des Veritandes , ^etvrariai
Mynuttf nnd die daranf beruhenden aUgenieinen
GTundfiltM» «f0A«^f<«» fiemer die Oberfinnli*
O dien
210 —
lofoplilfchen WifTenfchaften flir die richtige
BehancUang ^ner jeden fur licb, und fiir
den genauen Zufammenbang des Ganzen ift.
So lange inan nicht zwifchen reiner uiid
erapirifcher PbUofopbie unterfcbeidet, ift es
nicht m6g1icfa, etwas BelUmmtes und VoU-
fiandiges zu Uefern.
Drittens die neuere Pbilofopbie bat in den
Problemen ikber Freybeit, Unrterblicbkeit
und Gott den geiurinrchaftlichen Beziehungs-
puncfc aller ibrer Forfcbungen *)• Die i«hre
von
chen Jdeen eu lili rijc hmvtx^ ^avra^iat ,
wobey B» aUe mugliche Arten und Grade, alle
mfi^iiclie Merkmalile der wahxen iind der faU
fdien Ueberaeugung anzugeben bemObt wafen.
*} Fo]|2ende Aiimexkung fcheint hier uicht am
nnrecbten Orte su fiehen: iit merkwat*
dig genung, lagt Kant» ob ct gleich natflr-
lieberweife nicfat andert sngefaen konnte» dab
die Menfcfaen im Kindeaalter der Pfailoropfaie
daron anfiengeu, wo wii jezt lieber endigen
mSchten , nemlicli, zuerft die Erkenntnis Gou
tes , und die Hofniuig oder wolil gar die Be-
fchaffenheit einer andera Welt su fiiidieren.
Wai andi die alten Gebrfucfae» die nodi toii
dem rofaen Znfiaade der Vdlker flbrig wtren,
Ittr
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211
ron Materialiiat oder Immaterialitat der Seele
Wiirde uns Tehir gleicfagaltig feyn, wenn lie
O 2 nidit
Mr grobe Keligionsbegriffe eingeffihn haben
mochten , fo hinderte diefes doch nicht den
aufgeklarwm Tlieil» ficb freyen Nachforfcliiui*
gen flber diefSBn GcgsnAsiid «i Yridmen, niid
anan bh leidit ein, dalli et lieine grOndliclie
imd suTerbrsigexe Art geben kOnne, der un*
Achtbaren Macht, ilie die Welt rcgicrt, zn
fijefallen, um wenigftens in einer andern Welt
glilkUeh xn feyn» aIs dcn gnten Lcbenswan-
del, Daher waren Tiieologie und INIoral die
svrey Triebfledemt oder befier, Bcuebnngt.
pnncte sn «Hen el^|;eeogenen Vernnnftforfchmi-
gen, denen min lich nachher jedeneit gewid»
met hat. Die erftere war iMdefrcii eigentlich
das , was die blos fpecnlative Vcvnnnft nach
und nnch ia das Gefchitfc zog, wclciies in
der Folge iinter dem Namen Metaphyrik fo
berAhmt gewoiden.<* 8. Kritik der reiiien
Vern. 8. 886. Zw. AnA Mit eller Acbttiiig
gegen den grofien Urheber diefer Idee fey et
mir erUnbt, elnige Bedenklichkeiten darfiber
zu anrcrn. Es fcheint inir nicht natiirlich zu
fcyn, nnd die Gcfcluclire fclbft wideiTpncht
der Meynung, dafs dic ahcfle PUiloIophie von
den genanntcn Forfclr.mgen angcfangen habe»
Kicht dic Eikemitiiie Goitet» fondem die Spe-
cnU*
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niolit m\t der Lehre von der Unfterlilicfakeic
zulaiumeiiiungei Uad di^ Streiiigkeu uber
etilation fiber Urfprung und Zufaninienliang d«r
lichibaren Welt, (und beydes ift docli weit
verfchiedeu) war cs, womit eia Tliaiet nnd
nachfolgende Denker fich belch&fdgten. Das
Pjroblcm der Unfi«rbllGlik«it kim wohl an den
ieligi6len Myliericn» abet nidtt in der Pbilo-
Ibpbie der illtelten Welt Yor, Oder woUten
wir hier aucb nor «nalogifdi fdiliersettt fo
lafst es fich g^anz naiurlich vernmthen , dafs
jene alteften Phiiofophen , bevor hch ihr Geift
zu feinercr Speculation auigebildct batte, vor«
lioiig sufrieden mit den gemeinen Religftons*
lebzen» die ibnen weni§ftent G«>tter sum An«
bethen gewihrten» ihre Aufinerklamkeit suerli
aiif das» WM fie tungib t lichten mufien*
Daft Gdtter die Welt erfchaffen hltten, davon
fagte ihnen die niythifclie Rtligion nicLts : fio
liefs vielmehr Elemente aimehmen» aus denen
dai Univerfum sufamroengefext wordeu war:
fie gab Gefchicbte, aber keinen phyfifcben
Auffcblufik Und die(iBr war cs yomemlicha
wekhen die Sltefte Phiibfopbie fiiohte: cift
da fie auf dieldn V\'ege lange vergebltdl ge»
forfcht batte, betrat fie den der blofsen Spe.
culation ans allgemeinen Grundfatzen. Nicht
xxiit dox Idee» Gott zu ^dena waid ibre Kos.
inoio>
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2l3
BerchafTenheit und Grenzen der Vernunftcr-
l^ejmkiuft wilurde oicbt fo hitzig gefuhrt wer-
jTiologie angelegt; cinige Denker fanden illit
hey der ForfcUung nach. «inem Erften. Und
wie lange dauerte es, ehe ein Denker darauf
liftl» dieiiB [Trradw der UrHicben von der nio*
xalifchen Seito ansalehes» ihr WoliI|;efidIen
zur Bedingung der GlQkCbeligkeit, und einen
guten Lebenswandel znr Bedingung ihres WobL
gefallezis zu niachen. Socratcs war dcr eriie,
imd er und Plato die einzigeu» die einen foL
cUen Zufunmcnliang zwifchen Moral und Theo-
Ingie iehrten* Nacb ihnen ^tten die philo-
Ibphifcben SpecuUtionen wicder in du bloft
fpecnlatiTe Gebieih ant» und ]cne Probbsuie
wnrden elt G^nfUnde der Forfchung initge*
uoramena aber nicht zu ihren vomehmllen
.Be7.jchiuigspunctcn gcniacht. Ariftoteies INIoral
hat mit ihnen nichis zu fchafTen, fie koinroeu
iiur in feinen fpcculativen Unterfuchungcn vor,
imd fo trclUch die Xdeen der Stoa darubei lind»
fo wenig hAngen iie dodi mit ihrer Ohrigen
Philofophie sofammen» g^fchweige dafi fie die
Beziehiuigspiincte der lezteni ausmachten. —
Was insbefondeTe die iilteite Unfterbiicfakeits«
lehre anbetrift, fo find die Zweifel , welche
Piamer S. 636 Pii. Apli« aufwirft, fehr wich»
tig: ob auch geoau befiinunt Bsy^ was das
heiiie»
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dpn, wenn nlolit die Erkenntnls Gottes als
clas lezte Ziel den Pbilofophen vor Augen
fch«irebte. Ntcht fo bey der alten Philoro»
phie. Hi'»^ wa» d z. B. das Problem der
Freyheit nicht als £i kenntnisgrund aller Mo«
ralUSkty fondern a7s dne metaphyfiCche Auf«
gal>e angefehcn: den wenigften i\loraliften
iie] bey der Unterfuchung: was der Menfch
thun folle, die Frage ein: ob ees auch k6n«
ne? Die beyden audern Pruljlemc fmd dcu
Aiten gr6(stenthe«Is nur Zugabcn ihrer Specu-
lationen: das leztre insbefondre hat fi^r lie
jnehr ein fpeculatives , als praclifches Inter-
elfe, iie fehen in der Gottheit iiur die erfte
Uriache der unermelsHchen Reihe der Er^
fcheinungen, nicht den moralirchen Gefetz-
geber, das Centrum aller Weisbeit und Liebei
die fchone Aufldfung des grofsen Riithrels der
Welt, den h^ichften Troft im Leben und Tod.
Alie Pi^dicate» die he dierem Inbegrifife allec
Rea-
IieiClM» dia nnfierblicUkeit der Seele gbnben?
ob itoxn aHezeit das denkende Wefen iles iMen-
fchtfn, und jtSa «tov cine EcifUfie Unflerblich-
keit, und nicht auch Tehr oft niur die fhyiifche
Unzexfi6hrbarJLeit anseige?
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Aealitftten bayl^en, Biid etwan Ewigkeiti
Einheit) Verftand nnd Allgenugramkeit, alle
aber aus der allgenieinen Idee einer erften
Ur&cbe entwikelt und mit Antropomorphis»
mus aasrgef^hrt. Ich glanbe^ da& auch in
dlefer Rukficht die neuere Philofophie fehr
viel der chriftlichen Ueligion yerdankt, die
fo ganz den moralirchen Begrif der Gottheit
auffafste und aJlgemein machte* Den Alten
war der Gott ihrer Keligion und der ^ott
ihrer Philofbphie nlcht Ein Wefen, nnd
kormte es naiiirlich nicht feyn, Den neuern
Philofopben ift der Gott, den Chriltus ▼er'-
kiindigte, derfelbe^ den Be als Poftulat der
reinen practifchen Vernunft anerkennen, und
die Pbilofophie bat in diefem Puncte der Ke-
ligion eine ibrer fchdnften tmd wohlthftrtgften
Verbefferungen zu verdanken, Denn oifen-
bar ift eben dadurcb der theoretifcbe und
practifcbe Theil derfelben aufs genanfte ver*
bunden, jede Speculation wird von einem
boben IntereiTe der Menfcbbeit gcleitet und
belebt, und es ift, als wiirde jede Mnbe
der Nachforfchung leichtcri wenn wir nur
am £nde Gott iinden. Es ift nicht zu leug*
aen» dals neuere Pbilofophen aus eben die^
O 4 fcm
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^ si6 ^
fem Gr unde nur allzuoft aucb in InconfequeB-
zen geriethen: Locke z. B. fah fich getiothl^t,
von feinem Syfteme abzurpringen» als er auf
diefen Begrif ftjels« und Cartes nahm Ihn
Ton feinem allgemeinen Zweifel mit einer
Art von Gewaltfainkeit aus: da hingegen ein
Epicar oder Pyrrhon auch bl« auf diefen Ge-
genftand ibrer Forfchiing fich gleich blieben.
Aber das hnd Ausnahmen^ die nur noch
mehr fur das alJgemeine und unverleugbare
IntereHe jenes Vernunftproblems Zengnis ge-
ben. — Und diirfen wir nicht Teleologie
imd Theodicee mit zu den VorzSgen der
neuern Philofophie rechnen? Sie verdankt
Zwar allerdings den Stoff dazu einer Menge
andcrer WiffenfcbaFten » aber die Verarbei*
tnng deHelbcn ift ihn Bey den Alten hat lie
wenlg vorgefunden.
Den entfchiedenlken Vorzug bat viertens
die neuere Philofophie in den empirifchen
und practifchen Theilen. Studium des Men- .
fchen und menfchlicher Verhftltniile ift einer
vQn denen Gegenft&nden , welche erft in
neuern Zeiten mit Fleifs und Gjiik bearbeitet
worden fmd» Bey den AJten kann nur die
Oe&hichte und Pichtkunft darauf einlgen An-
fpruch
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iprucb machen, berondre Bearbeiter bat diele
Materie nur wenige gefunden, und felbli
diefe liefern uns nicbt fowohl Beytrage zur
Kenntnis des Menfchen iiberhaupt, sds viel-
mehr zur Kenntnis des Griecben oder Rdiners
insbefondere. Je grSfser und ausgebieiteter
die Gefcbichte und Erdkunde waid, defto
mebr nahm diefer Tbeil der Pbiloropbie an
Allgemeinheit und Wichtigkelt zu. Ich ka nn
jbgar hinzuletzen) dafs fe]l)ft die gcfellfcbaft-
licben VerbiQtmfre der Menfcben in neuem
Zeiten verwikelter geworden lind. Dic Mo-
ral der Aiten, deren Unterfchied von der
neuern von einem unfrer gr6[sten Denker
entwikelt worden ift , mag im tbeoretifchen
Theile viel Vortrefliches enthalten: der prac-
tifcbe ift obne Zweifel ziemlich dilrftig. Wie
unbeftimmt nnd flfichtlg z. B. die Materie
von Collilion der Pflichien, von den Alten
behandelt ift, bedarf keines n&hern Erweifes.
Wie wenig fie dcn Menfchen und Burger
unterfcheidet, wie wenig fie auf die niedern
Cla£fen des Volkes Riikficht nimmt, ift
fcbon von Garve angemerkt worden, Die
neuern Pbilofophen hahen, manche vielleicht
Stt yielf bey der Pbyhologie und Patbologie
0 $ Un-
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— 2l8 ^
Unterricht gerucht: he haben den Menfchen
Ton Seiien des Koi pers zu einem Gegenfiaude
ihrer Unterruchiing gejnacht^ und die £rfah-
rongsleelenkunde ift eln eben fo wichtiger
und interefi>anter TUeil der Philofophie, als
er der neuern ganz ausfohlieDBlich zugehdrt.
Von ihr hat hinwiedorum die Arzneykunde
manche weife Lehre hekoininen; erfahrne
Aerzte werden in yielen FHllen ihre Kur
inehr auf die Seele, als den K6rper richten.
Wir habexi eine Piiyfik der menfchlichen Na-
turf wozu wir von den Alten kaum einige
Ideen entlehnen konnten: k^ Theil, keine
Handlungs- und Aeuferqngsweife des Men-
fchen ift der phiJofophifchen Beobachtung
entgangen« vnd der Umfang der Phtlofephiei
wenigfiens in Riikiicht ihrer Anwendung, ift
unbegrilnzL Icb weifs nicht» ob ich dariiber
mit einigen neuem Philofophen klagen foll.
Wenn man auch iiher diefer mannigfaltigen
Anwendung diefer Wiffenfcbaft ibren eigent-
lich wiCfenfchaftlichen Theil wirldich dniger-
mafsen vernachlafsigt bat; fo hat doch die
Aufklarung des grofisern Tbeils der Meufcben,
fo hat doch eine Menge andrer WilTenfchaf*
ten unendlich viel dahey gewonneni und
die
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mr
die Ackerlie und znrammenhangencUte Meta*
phylik, (die ich abrigens in allen Ehren
halte) wurde nur ein todt«r Schatz feyn,
wenn lich ihre Kefaltate nicbt fiir das Leben
anwenden lielken.
Diefs find einlge Verfchiedenheitcn, die
mir befonders aufi'al]end fcheinen. Die)eni«
gen, welche mehr in der Darftellung felbft
liegen» tibergehe ich. Das ganze Theina
iCt von groisem InterefCef ich wunfchte»
da(s diefer klcine Auffatz einen tiefern Ken-
ner der alten und neuen Pliilofophie veraa-
laflen m6cbtef daflelbe ausfuhriicber zu be*
handeln.
F.
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BEYTRAGE
ZUB.
GESCHICHTE
DER PHILOSOPHIE.
HERAUSGEGEBElSr
GEORG GUSTAV FULLfiBORN.
PHOVBMOII Jtaa SX.»ABETSAnVW VK 8A»tlAV«
ZUIXICHAU UND FREYSTADT,
W VKOMMAllllItCIUN BVCHBAIIDLVIIO
»795.
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I n h a l i»
Ueber Juliiu Qfar yanim*
Ueber Tfduniluiirent YedUenft imi cU«
Fiuloropliie.
9b Ztir GefcLidite der matheiiiatifclien Me>
thode in der deutfdieu FlulofopLie.
4> £in]ge £emexkungcn zux GefcUicbce der
IraiizdfifchtB Pliilofbplue»
5. Waf boiht GeUc eiiiw Fhildlbpliie
darftcUcn? g^j^
6. Ein Beytrag zur Uiueriuohuiig fibev die
Meuphyfik dee AxiAocelet« 204
AUei Toxn HeKaufgebei;
UEBER
UB£R
JULIUS CA«SAR VANINL
(JuUut CBfia^ Vanim^ tkier^ tsie er eigentlieh
hiefs, Lucilio Vaniniy gebohren zu Taurozano
im K&migreich Neapel^ ohng«f&hr um idd^
uerhrmmt zu Touloi{fe 1619»^
Die Gefchiclite der PhUofophie hat mit der
Kirchen- und Ketzer • Gefchichtei wie es
fcbeinti geni^nfchaftUcbe Sache gemacht: eiit
gro&er Theil der berfichtigten Ketzer prangt
unter den Verzeichninen der Philofophen. Es
w«r «ine Zeit, wo tnan beydes fiir ejneriey
hielt , ▼ieDeieht ift diefe Zdt noch nicbt ganz
voriiher. Wie dem aber auch feyn inag: fo
ift es keinecwcges za l«agnen, dafi mander
& Sta^ ^ Ge*
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GefiBbidbte der Fhilofophie keinen GefaUen er-
weilii, und ihren Begrif ganz verkennt, wenn
xnan jede reJigidfe Retzerey, jeden fchwJlp.
merifchen Einfdl, jede thfirichte Meynung
gewiffenhaft in derlelben aufzeicbnet, undiie
auf diele Art, mit jenem SpGtter bu reden»
mebr zur Gefcbidite der Thorheit, als der
Weisheit macht. Waa bat die Philofophie^
«18 Wiflenfchafr, dureh die GriHen einet Se-
pnlveda» Zabarella, Pomponatius, und wie
fie weiter heiffen , wa« hat fie durch die Trlu*
mereyen eines Poiret, Jaeob Bdhm und and«
rer Queerlc5pfe gewonnen oder verlohren?
Mogen dergleichen Dinge in etne Gefchicbte
des menfcblicben Geiftes fiberbaupt aufgenom-
men werden: in die Gcfchiclite der Philofo-
phie gehoren fie nicht.
Ein ftbnlicber FaU ift e«, mdnes BedAn*
kens, mit dem Manne, deHen Andenken
diefe wenigen BJatter gewidmet iind. ♦) £s
ift
•) Hdlfoiiattd kux Gefcliiclite dciTeibcn find vor.
nemlich :
De vita et fcriptia famofi Athei JuUi Cwfiim
Vanini Tractatiis fingttlaas ttab a Jo. Maar«
Schiamni* Cu^* ijo^
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— 3—1
tft Mcannt, dais Vftnini feincr Meynungen
iregen beynahe fein ganzes Leben bindurcli
mit Verfo]gung und Elend zu klmpfen Iiatte^
nnd endlieh ak Gottesleugner verbrannt ward.
Ich habe mir die Frage vorgelegt: Gehort Va^
nini in die Gefchichte der Philofophie? wat
berecbtigt ihn ta einem foTchen Piaize?
Die PhiJofophie war um die Zeiten des Va-
nini in einer Art ron Crifit, Sie woUte lich
«n dem Anleben des Ariibteles emporheben,
und
tJeb«nnM pmrtheyirdi, waad nie» sum Thcil Ahx
annfiBeligen Widerkgungen des Vanini.
Apologia pro Vaniao ron CoimopoJii (Rou
teYdam) 1712.
Vcrrflclt den riclitigen GefichtSptmct, nud Jei^
XI et , anfUtt zu yerthaydigen.
La Vie et ]es (entinieiis de Lnailio Vamni. (ron
Sarid Dnvuul,) Rotterd. 1717.
Ift in fanatifchem Eifcr g^rdiiieben, und VoU hitt*
rer Auaialle.
Andre Hal£unittdl f. bey Bmekcr HUt. erit. phiL
T. IV. P. a. p. «70 £ Bndsm' felbR hat lidi nidu;
dia Mflhegenoninien, detVaniniSchriftcn diucli-
snftndleien, lbnd«m ficK mciftens nach dem Du-
xand geriditet — Cramaziano fpricljt, wie ge.
WuhnUdiy in Fiod^ und Figuxeu ttber ihn ab»
A st
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— 4 —
uiid haak nur delto mehr zuraak. G^gta
die zablreiche Ferthey der Ariftotdiker lehn-
ten ficb Anhilnger des mitsverrtandnen Plato,
und befonders Kabbaliltiker, Magiker und
Aftrologen auf: andre yerfachten, das aHet-
zuXammen in £in Syftem zu bringen, Wo
Ariftoteles nicbt mit dem kircblichen Lebrgo»
bftAde zubmmenftinimen wollte, fchob man
den Plato vor , und Problemen , die von bey-
den nicht geldft wurden, mufie die Aftrolo-
gie und Rabbala zu Hfilfe kommen. Die Na-
men eines Agrippa, Kamus, Cardanus, Bruno»
CampaneUa» die tbeils Tor tbeils mit Vanini
lebten» m6gen ftatt eines aasfiihrfichern Com-
mentars diefer Erzahlung dienen. Sehr we-
nig waren der Mtoner, die einen freyem
Blick wagten»
£s kann keine Frage feyn: ob Vanini nn«
ter die letztern gebdrte*
Er hatle viel gelefen, und Terfchiedene
Fakultiitswiffenfcharteii auf verfchiedenen Aca-
demieen Itudiert. Unter den Pbilofopben
fch&tzte und benutzte er ▼ornehmlich den
Ariftoteles, Averroes, Cardanus und Pom-
ponadttt. Den erftern nennt er den Gott
der Philofophen) den Dictator menfchlicher
Weifs-
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— 5 —
Weiisfaeit» den Hofaenfirierter der Weifen:
aber er gefteht auch, ihn oft auf Trftttine-
reyen und leerem Gercbw3.tze betroffen zu
faaben. Die Schriften des Arabitbhen Philo*
fophen cmpfahl er, um den Scharffinn gegen
die Scholartiker daran zu wetzen. Am, Car-
dann$ gefiel ihm hefonderc dat Sdtfiime und
Ungew6hnUche. Den Pomponatius nennt er
dfters leinen treiiicben Lehrer« einen zwey-
ten AyerroeSt einen Mann von leltnem Schirf»
finn. Es ift bekannt| dafs Pomponatius meh-
rere Siitze des AriftoteleSf die den Lehren der
diriftlichen Religion znwiderliefen» ▼erfbcht»
dafs er gegen die Beweife von der Unfterlj-
lichkeit der Secle, gegen den £influ£5 der
Vorfi^ung aiif die Welt« gegen die Freyheit
des Willens, gegeu Wunder und Typen u.
d« mit £ifer ftritt, und fich dabey immer
fainter den Unterfchied zwifcben phijofophi-
fcber und tbeologifcher Wahrbeit zu recbter
2eit zurUckzog.
Von Vanini's Scbriften haben eigentlich nnr
zwey *) die Aufmerkfaoikeit der Welt erregt,
A 3 und
*) E« iil wohl noch nicht ausgemackt^ ob dia AbnU
gen alle, deim TUel num baym Dorand
und
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6
vnd fein Ung)uck gemadbt. i) Das Amplii*
tbeatrum aeternae provldentiae diYiao^magi-
cnm, chriftiaiio - phyiicitm » neo noii aftro»
3ogO'catho1icum, adverfus veleres philofophos,
AtheoSy Epicureos, Peripatetico^ et Stoicos.
Lngd. i6t5. 8. s) De admiraadis natarae re»
ginae Deaeque mortalium arcaiiis. Libri qna-
tuor. Lutet. i6i6. S. *) Die Urtheile uher
lieyde Werke liad einaiider durohaua entge-
gengefetzt, Einlge fGhen iiberall Naturafismus
und Atheismus : andre iinden durcbaus nichu
AoitOffiges, wenigftenc nichts Athtfimfcbes da«
rinn
nnd BnidEar fiadat» wiiUicii befini|[aleimn«n
find.
Beyde find cwm privilegio et approbedoiie ge^
druckt. Das letztere abcr ward auf Erkcimtnir»
dcr Sorbonne« verbrannt. Roffct in feinen Hi^
lloires tragiquet S. 193. macbt dabey die r.hriftli»
ehe Anmorkuiig : qne lon auteur meritoit enoove
d* 4m jett^ dxo$ h Ibu. 6onderbar « dtla mm aL
]e diejenigen. welche diels Bucb ooifirt» enipfob*
len nnd bewundecthaben» fo ungefinft dorcbge*
laflen hat. Das Werk felbil i& in Gefpri-
chen zwifchen einem Alexander und Juliug CS-
far abge^t, und Vanini Aeckt gr6rtentheiU
unter dem erftem Namen : abcr «x wiU untac
dtto aweyuui n fieflben fchaiiiw»
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— 7 ~
tiniu In der That hat 6ms Atnpliitheatriiitt aiif
den er&en Anblick ganx und gar niditt Auf-
fallendes. Die Meynungen alter Pbilolophen
werden darinn beltritten, freylich mil leicb*
ten GrOnden) aber doch nnt Grfinden. Oft
i.urert fich der VerfalTer fehr ernft und lehr-
glinbig: durch das ganze Buch herribht ein
ziemlieh gefetzter Ton* Aber der Plan war
fein angelegt. Unter dem Scbeine) dieAlten
Stt widerlegent ruttelt Vamni eigentlich an
den Behauptungen der Nenem» befondertan
den Dogmen des Chriftenthums. £s gieht keine
Ichwftchere Griinde» ak diejenjgen lind, wel*
che Vanini dem Epicnr, Plato nnd Zeno nnt^
gegen fitellt: die neuern Argumente verwirft
er» um nocb nenere an deren Stelle sa fe^
tzen, nnd diefe lind entweder &ttferft anor
feelig, odei ganz finnleer. Gleiohwohlkonnte
ilm iNiemand eines ofienbaren Atheitmas oder
Natnrafismns zeiben. — Weit dendicher liegt
feine Meynung in dem andern Buche zu Ta^o.
2war uuCcht er mit den Namen ieiner dialo-
plirenden Perfonen, und Terbirgt Itdi bald
unter detn Alexander, bald uuter dem Ju«
lins: aber man darf ihn nur ein Paar mahl
gelefen hoben» um fogleicb zn fehen» dafs
A 4 er
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er «Ufl&uJil oRter «tar Perlba fteektt aai
beiflendrten fpottet und am unverfchamteften
IdLftert. Der Hauptplan dieCsr Gelpr&che ili:
dte medianiicbe EniTtehnngsart aOer Dtnge zn
erweifen, nnd den Zufainmenhang des Gan»
zen aus mechanifchen Urlachen zu erklaren.
Diefer Planliegt eiaigerniAairenTerlkedLtt nnd
die Gerprd.che baben das Anfehen von wjlTen-
Xchaftlichen Unterbaltungen Uber phyiifcfae und
Natnrbiltorifche Gegenftftnde, dabet dennanch
die einfichtsvollen Cenforen der Sorbonne An»
fangs nichts darinn fanden rehgioni catholicae
apoftoUcae et romanae repngnans ant contra*
rium. *) Wenn Vanini griindlichere Kennt-
niHe in der Phyfik gehabt Iiatte> oder wenn
liberbanpt diele Wiflenfcbaft damaUs lchoa
ta aasgebildet gewefen wftre, wie fie jetzt
itti Ib wiirde er allerdings feineBeweifeganz
anders angdegt baben. So aber iind es mci-
Aens unerweiljsHcbe Hypotbefen und nicht fel'
ten
*) Et wiie inteiellaBt m laben» wie die gorbonne
]A der Folge diefe Cenfur surfic3[gaionuDen babe»
Ueberbaupt ift et fehr an bedraem » dab die Sor.
bonne die Acten in dierem VxoztU nicht bekannt
geniacbt bac»
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ten htkktk alberne Grillen. Man erlcemit den
Schalk, wenn er flch hinter die Ehrfurcht
yor dem Chriftenthum Aiiebtet. Ich wiirde
die Swigkeit der Wdtglauben» lagter« wenii
ich nicht ein Chrirt ware : ich wurde dem
F]ato n. f. w. bejrpfiicbten» wenn icb nicbt
in cbri(Uieben Scbulen nnterricbtet worden
w^re, und was dergleichen Wendun^en
mebr iind»
In beyden Sohnfbn leucbtet Scbarflinn*
eine ]ebhafte feurige Einbildungskraft und eine
fityrilcbe BitterlLett benrort die der Volture*
fcben febr abnlicb ift. Zur Probe will icb
einiges aus den Dialogen hier iiberfetzt mit*
tbeilen, obne ^edocb an den gelLttferten Ideen
den nundeften Wdblgefallen zu bezeugen.
Vanini ift Alexander.
A 5 Fier*
*) Einig9 allxa fcMap&ige Stellen habe ich» fo
Tiel mdgUcb» ▼erwifcht. Vanini goliiUt fieb in
Iblchen Befchreibmigen fthr: ein Beweift, dafs
Hkm die Sorbomie wemgfiant in RfidEfidic ioner
8itten nicht Unrecht that.
Alle diefe Gefpiache haben etwas UnordentKche»
mid einen gewifren Mangel an logircher Ditpofi*
fiott» Vanini fpriclit ban£g nur ad Yocem » vmd
koninit
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lO
ViertesBucfu
Erftes Gefprach.
V o n G c tu
Alexanderm
Wir haben nnii dle Kapitel ▼o» der Ge^
burth und dem Wachfthnm det Menfbheo^
▼on leinen Sinnen und was dazu gehdrt^ al>"
gehandelt. Haft du Luft: ib woUen wir nnt
jetzt iiber die Unterruohung vom Endzwecke
des Menrchen, das Keifist von Gott, macben.
JuUus.
Endzweck des Menfchen? Gott? — Da
wirfi: dn bef gewilTen Philolbphen ubel aof
kommen. Gott der Kndzweck des Mett«
Ibhen? werden £e ausrufen, dann wire ja
der MenTcb vorajuglicher, als Gott. Gott,
fagen fie, ift fein eigner Endxweck* Frey
licb bedenken die Harrn nicht, was fie fa-
gen.
loonnt oft Ton feiner Hanptideft «b. D&durch
gBWinnen faina Dialogen einen JattAm Ton
tfirli^lkeit. Das Letem ifi, im DuxcUamitt genonip
men » fcUecht • und der Scyl ▼«IWUXC*
. j ^ by Google
II
gen. Denn wie kann Gott als ein Wefen
•hne £nde und obne Anfang» obne Bewe-
gung, obne Tfaeile» ohne Eingang imd Ani»
gang, welches nichts ift, als ein einiges
Selbrt, wie kann^ iag icb» dieles WeleA
Verbiltnifle baben ! Gleiebwobl bebeupten {ene
Philofophen cben fo beftimmt, der Menfch
fey aucb nicbt um (^ottes wiUen da^ denn
dieler bedarfe Nienundes*
Alexander,
Wenn alfo Gott den Menfcben niebt nui
feinetwillen fchufT, weil er als das voUkoni-
menfte WefeH Miemandes bedarf; fo Xcbuif
er den Menfcbenium dei Menfchen wlHen:
und dann ift der Menfcb doch der Endzweck
Gottes.
Jatiitu
Jedes handelnde Wefen wird durch einea
Bndzweck beftimmu Aber wie konnte der
Menfdi» ak er noeb liicbts war« die Gotfe*
beit befkimmeny ibn zu erfchaffeu?
AUxanderm
A]ib wjLre der Menfch zu keinem Eud-
wecke «rfcbafien?*
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12
JuUuu
Bewahre der Himitiel ror dem Epiearnt*
mus! Ich halte es mh den Theologen: der
JVIenfch irt ron Gott erfGhaf&n worden» rnn
ewjger Gl&ckfefigkelt tfaeUhaftig zo werden»
AlexiMder,
Gleicliwoli] ift cler Menfch mit fo Tleleni
und grofsem Jammer fein Leben ]ang umge*
beus daisf wenn es nicht der chriftlichen
Btfligion , fttr die ich herztich gem mein Blnt
bingeben will , zu wider ware , dafs icK be-
baupten mGchte: wenn es Teufel giebt, fo
find lie in MenfchenTeiher gefahren, nra darinn
ibren Frevel zu biiffen. Aber frey]ich, wenn
icb die g6tt)ichen Ausfpriiche leCe, dann er*
kenne ich die nnzllb]igen Wohlthaten Gottei
gegen die IVlenrcben^ und recbne feft auf eine
Unlkerblicbkeit.
Juliut*
Eecht Ib. Alle Thiere haben ein Verlan*
gen nach Fortdauer, fie wollen in ihrenNach-
kommen fortdauern und in Ehren b]eiben.
Aber nitr wenige haben die Sehnfucbt nadi
der wahren UnlkerUichkeit. Kaom ciner fehnt
fich
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— i3 —
lieh nach dem Tode» nnd dielier eine mnrs
fehr tingluckllcb reyti. Scblechte Beweife yom
wahren Giauben! Drum glauh* ich gehen dle
Worte Chrifki in Erfilllung, das £ndeder Well
naht ficb, denn fpricbt er: Wenn des Men«
fcben Sohn kommen wird, wird er aucb
Glaahen finden auf £rd€n?
Alexander,
Die Wone» die du her£agftt erkl&rt Cap*
dan auf folgende Art ^ dafs er eine Vereini*
gung des Jupiter und Saturn im Winkel dea
Abends damnter verftebt, nm derentwilleii
das Gefets der Gerechtigkdlt — —
Julius^
Setzt er da dle Gerechtigkeit dem Glauben
entgegen? fand Cardan in der chrilklichen
Religion etwas Ungerechtes? Das kann nicht
feyn* Denner fagt ja felbft irgendwo : die Chri*
ften haben den Jupiter in der Zulammenkunft
mit der $onne« daber ihr Sonntag: Sonne
aber bedentet Gerechugkeit und Wahrheit:
das Gcfetz der Chrirten enthiilt Wahrheit und
macht dic JBlenlcben einfiUdger*
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— i4 ~
Alexander,
Die lelztern Worte» fallt mir elien eiiti
nillshandelte einmahl cin goulofer Atheift ab-
fclieulich. Der heilige PauJus, fagte diefer
Bdfewichtt habe keine andrc Abficht gehabtt
ftls die Chriftcn recht einlkJtlg zu machen.
Daher habe er f]le Ehe zu einem Sacrameut
gemachtt und damit eme Vereinigung Chrifti
mie der Kircfae angedentet. Er befiehlt den
Ehein^nnern, ihre Weiber zu lieben» wie
Chriftus die Kirche geliebt hahe. Wenn ana
Eheleate diefien hdligen nnbefieckten Eheftand
immer im Sinne haben, £o geht dcr Gedanke
daran in die Lebensgeilter, und won da duroh
die bekannten Wege bis in das Kind, fo daf^
▼crmoge der Wirkung der Einbildung^kraft^
nof diefe Art Chriften gemacbt werden.
JuliusL
Ueber die teuflifche BosheiL Wie Ikgt der
heilige lohannes: Er gab ihnen Macht Gottcs
Kinder zu werden^ nicht die da aus BJuk
nnd dem Wilien des Fleifches» fundem die
ens Gott gebohren find! ^ Zudem, wer kana
})cym Werke der Liebe an bimmUfieiie Dinge
denkenl
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— i5 —
Akxanderm
Das geht recht gut an , fagte cler genannte
GoUesleugner. Jenes Madchen war liber und
fiber raucb, weil ihre Mutter bey der Em*
pfangnifs das BiTd Jobannes des Tanfers ange-
lehen hatte. Liefs doch der Patriarcb Jacob
feine Schaafe iich an abgefcbnndnen Strfta-
chern verfehen, um
Teuflifche Einfkllel zum Krankargern!
Alexander,
Ich mufs dir die Idee jenes B6fewicfatS
Vollends aus erztLhlen. Paulus, fagt er, be*
fabl den Sbemftnnern , das Gefchftft der Liebe
als eine Pflicht zu betreiben, das heifst alfo,
]angfam und ohne Luft, und aus folch einer
trSgen PBichtleiftung kommen denn dnmme
und trftge Klnder, wie lie fvlr das Chriften*
thum ficb fchicken, denn ieelig find die Ar*
men am Geift* Ich» kannft dn deriken»
machte ibm fogleicb £!nwfirfe, denn ich he«
bauptete, Chriften wiireii keine triLge, fchwach*
berzige Menfchent er foUe nur an ihre bel«
denmUthig^ M&rtyrer denken. IVlilrtyrer?
fagta
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— 16 —
fagte er, «u* Phantafterey , aus Ehrgeiz oder
Uypocbondrie. In den nnrinnigrten Religio*
nen het es folcbe Narren gegeben, die Adt
fur ihre vfiterJiche Religion zu tode martern
KeOen, unter Tiirken, Indianem n. C w« —
Da nannte ieh ihn ant hei^tai Eifer, deii
Antichrilit.
Und er?
Alexandern
Ladite. Was lachft da, fmg ich. — Weil
du mieh em Unding nennft, oder glaubfk da
an die Liigen vom AHtlcbrirt? —
Und fo legt er diefem nngenannten Athei-
ften die fchmthlichften AusfkUe auf Chriftui
und Mofes in den Mund. Unmitteibar daran
fchiielst er die Aufzfthlnng der Meynungen
gnechircher Philofophen Ton Gott^ preifst in*
direct ihre naturJiche Religion, und zeigt,
daft die 6fientliche KeJigion der Alten blodt
eine Brfindung fUr den Pdbel gewefen fey.
Ihre Wunder erklilrt er in den foJgenden Ge«
fprftcheni theils aus nat&rlichen Urfachen,
tbetls aus Tftufcbnngen: dberall wirft er hS-
mifche Seitenbliclie au£ ciie WuAder ChriTti
und der Apoftel.
Aucb
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^ 17 —
Aach ans dem foJgenden Gefpr&che, iu
welchem Vamni JuHns feyn wUl, laufcht dct
Satyr Uberall hervor.
Vier und funfzigftes GefprScb.
Von Befeffenen*
Alexander,
Hier ift Cardans Meynung llber die Befef-
fenen. Card. de anim. immort. foL 3o4* Was
haltlt du von diefea Leuten?
Julius,
Ich nnterwerfe mich in Demuth der Hei*
ligen RSmifchen Kirchc. Uebrigens w«Is icht
clafs fehr viele, ich darf nicht fagen, alle,
die man ffir befeffen halt| eigentlich Melan-
cholici iind. Dcnnfie werden gefund, wenn
man auf die Melancholie curirt. — Viel
trigt auch die Einbildung und Leichtglaubig-
k«t dazu bey« daher gieht es nur in Spa*
nien und Italien Befeffene, in ganz Frank»
rmch kaum eineii, in DentfchJajid und Eng»
land gar k^nen. Ich will das nicht auf das
6.Stnck. B Clima
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— i8 —
Climft rchieben» denn 2tt der Zeit, als in
diefen Lindern der CathoJlcIsmus herrfchtei
wareii, wie icb theils gelelen theiis von wei-
len Mftnnern gehSrl habe, unz&hlich viele
Befeffcne dafelbft. — Ich kann folchen
JKlAnnem gkuben, wenigltens mit ErlaubniJs
derer, die da wiTGsn» daft im Spanifchen
und Italianifchen Himmel kein Philofoph und
kein Theok>g belerien ifc
Allerdings. Aber das gehdrt nicht hiei
her. Als ich in Padua war, fah ich ein
Weib, die vom Teufel befelTen war, unc!
lauter fremde und unbekannte Worte redcte:
aber fie £cbwiegt wenn he der Priefter mi
WeihwafTer einfprcngte.
Behiite der Himmel, dafs ich die Wum
derkraft des WeihwaCfers leugnen loUte, da
es Pabft Alezander der Lehrer der Chrifien*
heit und Dollmetfcher des gdttlichen Willens
mit unzilhligen Frivilegien verlehen hat» Ich
wili auch weiter nicbt daran denken, daik
diefes Weib nur eiuige auswendig gelemte la-
tei*
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— 19 —
tmnircbe Worte fprach. -~ Ich «rklire mir
die Sache fo: u. f. w.
Was nun folgt) ift eine alberne Anwen-
^ung der Platonifckeii Idee Ton der Renunii-
cenz. Man fiolit, Vanini hatte die fchalfc-
faafte Abficht, das UnglaubUche durchs Ab-
geichniackteza erklftren* Das Gefpr&ch (chfielk
foJ^endermaaffen : *)
AUxandtr^
Ich will es nicht machen, wie Thomas
lilorusy der einft den Erasmus in einer frem*
den Trachti und ohne ihn zu kennen» dis*
nitiren hdrte, und nachher ihm zurufte:
.ntweder bift du der Teufel , oder ErasnHis;
ich will und muls vieimehr lagen» entweder
bift du ein Gott oder Vanini,
Julius»
lch bin Vanini.
In diefem Tone, das heifst, mit Spott
und PerhAage bebandelt Vaumt nicht nur die
kiruh-
*) Diafini ScUuls habeii neuaw litsfatoten dem Vs*
nim gewaltig flb«l genominaB» ttsd iba fthfln imi
dcswiUen vcvdaianitt
B 2
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20
kirchlichen > londern auch dle philofophircben
Dogtnen. £r batte und konnte^ £o weuig
wie Volkaire, ein eigentJiches Syftem haben:
wo iliin irgend ein Gedanke gegen ein Dogina
ztt ftreiten rchien» da war er ihm wiUkom-
men, und er lieft ihn fogleich fahreut wetin
er feine Abficht erreicht hatce. Man kann
ihn mcht einmahl des aftrologifchen Aberglau»
bens befchuldigen» denn er wendet diefe Gril-
len nur dazu an, um einen Contraft mit
philolbphifchen Behauptungen henrorzubrin*
gen, und felne Leler zn &bertftuben. Hac
cr z. B. ein Dogma mit derTen Beweifen um-
geltoCFen; fp verfpricht ^r zum Belten des
Cbriftenthums und def Philofophie einen weit
ftirkern Beweis zubringen, und nun kommt
er mit aftrologifchem Uniinn angezogen*
Ich finde in dem Amphitheatrum und in
den Dialogen nur zwey ganz verfta.ndliche
und beftimmte Aeuferungen uber £e wjchtig*
ften Probleme der Vemunft, uber das Da-
feyn Gottes und die UnfterljJichkeit der Sede.
Die erftre athmet den Geift des Pantbeis*
mus. nlch weils nicht^ fagt er, was Gott
ift. Wenn icli es wiifste, ware ich felbft
Gott. Denn Niemand keimt ihiii Niemand
weifs
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st
welis» was er ilXt als £r klh£u Nur wie
der Soime Glanz diircb dle Wo1ken« fo er^
kennen wir fein Wefen durch feine Werke. —
AUe con^ete Benennungen itnd unfiatthafi:
attd leeir. Er ift nicht gut, rondem die Gute»
nicht weife, foiidern die Weif^lieit u. f. w.
Diels ift alles ib in ihmi dafs Lr es felbft
Ut. Er ift fein Anfang, fein Ende^ und
hat weder Anfanj^ noch Endc, ])cdarf auch
beydes nicht» und ift doch der Urheber Ton
beydem. Er ift ohne Zeit, f&r ihn |^bts
keine Veraanyenheit und keine Zukunft. Er
herrfcht uberall» ohne an Einem Orte zu
feyn: er ift unbeweglicfay ohne rtill zu Ae-
hen, er ift fchnell, ohne fich zu bewegen.
£r ift Ailes aufer und in Allem, aber nicht
darinn eingefchlofleny und nicbt daTon «ns-
gefchloffen. Gut ohne Qualit^t, grofs obne
QuantirlLt. Ganz, ohne Theile zu haben ; felbCt
unTer&nderiiclit aber alles verftndernd: fein
Wollen ift That, fein Thun ift Wollen. Er
ift einfach, nichts ift bey ihm blofs m6glich»
a]Ies wirklich) er iCt rein^ der erfte, der
mittelAe, der 1etzte« Alles, ubel- Alles»
«n(er| in, vori nach AUem.*^
B 3 Dic-
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22
Diefe ganze po0d(bb6 Tirade ift luebtf, als
ein lahmer Verfuch, die Superlativ . Vorftel-
Inng Ton einem aHerrealften We(en einiger-
maafTen auszndriicken. Zwar nennt er in an«
dem Stellen die Natnr eine Higenfchaft Got-
teS| fbgar Gott felbft» findet in ibr das Prin*
cap der Bewegung, rnid erhebt die Lebie a1«
ter Pbilofophen von der Ewigkeit der Welt
bey Tielen Gelegenbeiten : aber das a1]es iind
Aenierungen, wozn er die Grilnde fcbuldig
bleibt, und die er hch lelblt in keinen Zu-
liuDmettbang geordnet batte*
Ffir die Unfterbficbkeie der Seele ftbrt er
einige von den gew6hnlichen metaphyJifchen
Beweilen ant aber zpletzt geftebt er^ dafs
er» wenn er nicbt als Cbrift die AnferCte-
hung glauhen mufstCy gewifs die Unfterblich*
keit der Seele nicbt annebmen wttrde« Auf
die dringende Bitte feines Mitfprecbers (S.
432)9 iich nclher dariiber zu erkliiren, ant-
wort^ er; icb babe gelobt» diels Thema
nicbt zn bebandeln» als bis icb alt nnd reich
und ein Deutfcher d, h. in feiner Sprache»
tin Dnmkopf £eF^ werde.
Man liebt leicht, wie Tergeblidi die Mil»
he feyn wurde, zu unterfuchen, zu wel-
cber
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— a3 —
cher Secte Vanini eigentlich gebCirei ob er
Spiaozismns oder Materialismuc gelebrt babe«
AUeSt 'ves mlt Wahrheit fagen kann, ift»
dals er als ein Skeptiker aus Laune und Mnth-
wiUen erfcheint, dals er pbilofopbifcben
Ropf Terrftth , tind mandierley giite Kennt*
niHe gefammek baben muls.
Aber er geb6rt darum fo wenig in eine
Gefchicbte der Philolbphie, wie Damm oder
Edelmann. Durch ihn ift keiae einzige Lebre
der Pbilofopbie befeftigt» erlftutert, oder am*
geftoflen worden: er hat das allgemeine
Reich der Wabrheit weder erweitert nocb
Terengt: er kannte nicbt einmabl die Fbilo*
fophie, als Wiflenfchafti ein Syftem ftimmte
mit feinem Kopfe gar nicbt zufammen. Dais
er nnter feinen Zeiq^enoHen mandie Sp6tter
nnd fogenannte Irrgliubige geoMeht habeB
moge, ilt wabrfcheinlich, und fogar hifto-
rifcb «rwieien; dais diefe vieUeiebt weiter
nm fieh gewirkt, Tielleiebt auch plulofopbi*
fcbe Ideen erregt haben kdnnen, ift nicht
nnwebr£chein]icb ; aber das alles find nur
klelne Tropfen in den groffen Ooean. Wer
eine Naiurbefchreibung des Meeres liefert|
muCs alie grotfe Flilfle und Str6aifl ncnneiii
B4 «•
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— 24 -
die in dalXel^e fich ergiellen, aber er kana
ntcht bey jedem Feldbache verweileni der
in diefe Strdme einlaufu
F&nde lichs in der Gefchichte der Phllo»
rophie, dals irgend ein wichtiger Denker dne
Idea zuerft aus Vanini gerch6pft h&tte; fo
kSnnten wir feiner im Vorbeygehen geden-
ken. Eine Sammlung von Meynungen und
Einf&llen ift uoch keine Gefchichte dcr Pbi*
lufophie*
Ich will noch mit mer Prohe der metaphy
-iirchen Spitzfindigkeit fchliefien, worinn Va-
nini nicht wenig gethan hatte. Man h6rt hier
den durcbtriebenften Scbolaltiker; aber man
weifs nicbt, ob man ibm trauen fol). Ant
dem ganzen Tone feiner Gefpriiche zu fchlief-
fen) ergreift er die Dialecdk nur, vm darch
.jhre Feinhcitcn zu ▼erwirren, und die vor-
geleglen Probleme entweder IScherlich zu ma»
chen, oder durch die Rftnftlichkeit der or»
thodoxern Satze die entgegenftehenden nat&r*
licbern zu empfehlen.
Sech-
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— a5 —
Sec hftes GefprSch.
Ueber die Ewigkeit des Himmelii
(Weltalls;.
Al^xaader*
Befter Freund, ist es denn wahr, was
man mir neulich erz&hltei dafs du es blois
•Is Cbrif^ glaubfV, aher dich nicht durch an*
dre Griinde iiberzeugen kannfti der Himmel
werde einft ein Ende haben , weil jede Ver«
nlchtung durch ein Gegcntheil bewirkt wurde?
Dem Himmel, raeynft du, ift nichts entgegen,
das Feaer nicht einmahl, denn das verzehrt
ja den Himmel nloht. So rprichft dn die ganze
Weltmaffe vom Untergange frey, weil der
Materie nichts entgegen wirkt?
Jttlius,
Was geht das dicb an? Solche Dinge mag
die Religion ausmachen. Oder willft du ein
wenig daruber pbilofopbiren ?
Alexander,
Mit Vergniigen. Aber fo]l ich die Wahr-
B 5 heit
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— 2b —
beit gefteben) fo kannich als Philofoph deina
Meynnng nicht billigen.
Juliuu
Warum nicbt?
Alexandert
Wire dler Himmel nnendlicfat £o wftre
Ein UnendJiches gioffer als das andre Unend-
licbe; dieler Satz ift iairchf aJIb auch der
erlbre»
Julius,
Ich leugne dir oder vielmebr deinem
wXbrsmann Algazel diele Folge aus dem Vor^
derlatze.
Aiexander.
Icb aber beweife /ie. Denn die Sonne hat
mebr Uniw£llzungen als der Saturn, und
beyde lind unendiich» nach der Meynun^
aua der du die Ewigkeit des Himmels an-
nimmrt.
Jttlius,
Fa1(ch Terftanden. Icb gebe dir nicbt za»
dafs die Umw&lzung der Sonne der dreyHig*
Ite Theil von der des Saturn feyy fondem
lie ift ein blols denkbarer Tbeil ihrer Unend-
licbkeit) zwar eln Tbell , aljer im Unend-
Ucben« ^eil fie ftber alle Zahl fortgeletz^
und
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— 27
und ein Unendllches weder grSfTer nocli klei-
ner ift» als das andre. Die Bewegungen
find niir, in Ruckficht der Theile, mehrere
oder wenigere: die Dauer aber ift einerley
und diefelbe in allen, nnd nicbt einzehien
TbeUen nai^theilt*
Alexander.
Ich erftaune ! Weiche Miihe und Anftren*
gung faat es mioh gekoftet, um Algazels 6e-
weifs zu verftehenj und du niacfaft mir die
Sache mit drey Worien klar nnd deutlich»
Aber es giebt noch zwey Grilnde gegen
die Ewiglceit des Himmelsaus PhiloponuS) die
micb lehr Iicunjruhigen.
JttJlfCf»
Sag^ £e; im Augenblick^ will icb fie wi»
derlegen.
Alexander.
Wenn die Welt ewig ifty und nie elnenAn*
fang der Zeit gehabt hat, fo find die Theile
wirklicb unendlich.
Juliut»
Der Scfalufs ift falfch. Verftefae fo: Dic
Tbeile find nnendUch in der Succelfioni nicht
ia
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— 28
in der ge^enwlLrtigen Zfthlung* Jetzk endlidi;
wcnn antlre dazu koTnmen, unendllch. Das
geichirlit durch die Zeir, die Zeit aber ifk
nncncUich wegen der unaufhdrlicben Bewegung*
Das Oracel des Apo)]o h&tte nicht richti*
ger aiuvorien Ivunnen. Dic zvv«yte Herku-
les-Silule des PbiloponuSf die du umrtoITen
mufstf hefteht in folgendem SchlniTe: AWes
Endliche kann unlen^ciicn. Dcr Hiinmel ift et-
was EndlicbeS) allo wird er unterge*
hen. Der VorderJatz ift fo zu bewdfen: Was
eiidlich ifl:, ift nicht von iich, es hat An-
fang und mu£s alfo aucb ein £nde hahen.
Was endlich itt, hat nur endliche Kraft, alfo
kann es untergehen. Der Himmel ift endlich.
denn er ift ein Korper, die Grenze eines
KSrpers ift die OberAAche, die Grenze der
Obernache, die Lujie, der Llnie der Punct.
Julius»
Hierauf anlwortet Averroes alfo : Wenn
gleich ein K5rper endlich ift, fo kann er
^och unendlichen Mangel (privatio» Kichtlipyn
einer Befchaffenbeitj haben, denn nicht der
Mau»
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— 29 —
Iflangelt ronderu die Wirklichkeit bangt von
der Kiaft ab» So hat die Erde unendJiche
Kuhe» weil £e keineForm bat, die fie dar-
aos bringti Da nun die Abwefenheit einer
bewegenden Foi m unendlich iii, !□ wird der
]\Iangel der Bewegung in ihr auch unendlich
feyn, Mangel der Bewegung ift Ruhe^ alfo
ift die Ilulie der Erde unendlich. Eben fo ift
der Himmel von unendlicher Dauer» weil in
ihm flin unendlicher Mangel ift.
Aiexander*
PoIIenl
Jkliitt,
Die leerften von der Welt! Denn auf die
Art w&re der Himmel dnrch Mangel unend*
lich , und da tiie Befchaffenheit, wenu iie iich
nach dem Wefen richtet, auch unendlich
feyn mufte : fo beftunde das Wefen des Him-
mels im Mangel, nicht in der Form. Ein
grober Irrthimi! Denn wenn gleich beym
Entftehen der Mangel eher ifif, a]s die Form,
die eHtfteht, fo ift doch bey dem Entftand-
nen das Wefen fpftter als die Form. Z. B. Ju-
lius Calar ift nicbt ein Adler, wml er Menfch
ift: in maiuem Wefen ift alfo das Menfoli-
feyn
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— 3o —
feyn eher, als das AcHerfeyn. Dahcr ift cs
ein Lehrfatz der Fbiiofophie, dals die Beja-
buug eher fey* ilf & Verneinoiig. Hat nnn
der Himmel unendlicbe Abwefenheit der Ver-
nichtungy £o muQi er eine unendliche Kraft
haben* das immer zn leyii* was er ift, da(f
iiin alfo keine VernichtuDg treiSen kann*
AUxander»
Ldfe doch nur auch die Schwierigkeit in
dem JBeweife des Pliilopomii»
£s ift falfch, dals allef Endliche Terging-
Uch fey. Xlnfer Verftind ift endlich, unddocb
nicht verganglich. Beyde haben eine unend-
liche Urlache, die^ weii &e nichts faerTor-
bringen konnte, was ibr an unendlicber
Kraft gleich war, ecwas hervorbrachte , das
ibr an unendlicher Dauer glich. Der Himmel
ift endlicb nacb GrOfle und Rraft, aber un-
endllch aii Dauer. Gott i<.onnte nicht einen
Gott erfchaAen, und das w4re gefchehen»
wenn er einen der Kraft nacfa unendlichen
Himmel gemacht h&tte. Oder genauer iu. Das
erfte Princip konntft nichts macheo • was ihm
gauz
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— 3i —
ganz ftlmlicli ocler ganz tin&liiilich war* I9lchu
ahnllches, denn, was wird, ift iin leidenden
Zultandef wi$ von einem Andcrn leideti lei-
det nicfat Ton etwas AefanHchem, fondern Ton
etwas Stiirkern. I>fichts un^hnliches, denn
die Wirknng nnd das Wirkende iind bey ihm
einerley. Da nnn Gott Eins ifk^ fo ward die
Welt Eins: da er nicht Ei ns, fondern Alles
ift, fo ward die Welt AUes und nicht Allef :
da er ewig ift, fo ward die Weltewig undauch
nlcht ewig. Weil fie Eins ift, ift fie ewig , denn
iie hat nichts Gleiches oder £ntgegenwirken*
des: weil fie nlcht ^ns ift» ift iie nicht
ewig) denn iie befteht aus entgegenwirken-
den Theileni dieeinander vernichten. Ihre
Ewigkeit beDbeht alfo in der Folge, ihre Ein*
]ieit in der Forirt^tiiuiig uud deui Zufammen*
hange.
Aiexaadtr,
Mehr als menfchliche Weilsheit!
F.
Ueber
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U B £ R
TSCHIRNHAUSENS V£RDI£NST
UM
DIE PHILOSOPHIE.
(Ehrenfried Walter von Tfchirnhaufen ^ gebohren
1.U KiesUngswalde in der Ober-Latfitz den
lo April i65i , geftorben den li Oct6b6r 1708*
Tiiat Anfangs Kriegsdienfte in den NiederlaH'
dent rei/te viel und privatifirte zuletzt^J
U« die Befdrderer der Pbiiofophie richdg zu
beurthttlen, mals man dreyerley Verdienfie
uxiter*
*) Mehxex» Nachrichten Ton ftfinem Lebon finden
lieh in der su GOrliu i^i»^ heraufgekomnmen
Lebenti-
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33
unterrcheiden. Erftens das Verdienft der £r-
findiing , und zwar entweder einzelner Wahr-
heitrn, oder ganzer Syfteme. Zweytens das
Verdlenft der Anordnung uad Syriematifirungi
wodurch einzelne Sriindungen erft gemein*
niltzig und fruchthar werden. Und drittens
-das Verdienft der Ani^tendung und Populari*
firung.
Ohne Bedenken glauhe ich dem deutfchen
Denker Tfchirnhan/en eine Stelle unter den £r-
Jindern anweifen zu k6nnen» ohgleich feine
Erlindungen nur mittelhar f&r die Philofophie
wohlthatig geworden find. In den Schriiten,
we]che eine aUgemeine oder particulare Ge-
fchichte der Philofophie ]iefern« wird Tfchirn-
haufen gewohnlich — und der Umlang fol-
cher Wcrke erlauht cs nicht anders — - ganz
kurz abgefertJgt. • Seine Schrift fe]hft wird
heute wohl nur von Wenigen gelefen. Ich
furch-
Lebensbefchreibung. Vergl. Fonienelle in tlci Ili-
Itoire du Reuouvellement de racademie dcs fci-
ences. To. II.» voa welchcr Academieer Mitglied
War. Eine ParaUele dcffelben mit Xulilcxn rielice
Btmnuijhr an* de egnffis Kohkn meiitis ete.
GflrL 1757.
5. Stiisk. C
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- 34 -
flkrcbte daher nicbt, getadekzn werden» wenn
ich ihm bier eine ausfiibrlichere Betracbtung
wiedme, und einen kornichten Auszug aus
dem fcbiltzbaren Werke, ieiner lledicuw
Mentis mittheile.
Als Tfchirnhaufen auftrat, war dle Phi-
lofophie in Dentfchland nicht in den UiUiend-
ften Umft^aden. Leiinitzent Ideen hatten noch
wenig Wurzel gerafst: Tkomqfius arbeitete da*
ran, die Pbilofopbie zn «nem franz6(ircben
RaifonnemeTit l&r alle Stftnde zu machen:
Bnddeus trieb fich in Unbeltimmtheiten und
dunklen BegriAen beram» aus denen er Bcb
entweder durch Bernfnng auf die OfFenba«
rung, oder durcb eine Art von Idyrticismus
her-
*) Medidna Mentit fiTe atdt inTeniaBdi genenlia
Sia \am suerft heriat Amfivrimn
1687 und dann mit der Medicina Corpoiii ver-
mehrt, Leipzig bey J. Th. Fritfcb. ih^S, 4. (tlie
Zueigniing iii an Ludwig XIV. gerichtet.) Im
Buche felbit lieifsc fie : Tenlamen gcnuinae Lo*
H^M, ubi difCeritnr de methodo detflgendt
Teritatet ancognitu. (Die Medicina Coipoiis
ffh er mit einem swe^tea Theile vennehrt»
dentfch heraus, uuter dem Titel: ZwOlff niiti*
Udie Lebeuire^clii u. f. w.)
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— 35 —
herausbalf : bey RUdigtrn durchkreuzte fich
dialectifcher Scliarffinn nnd Hypothefenfncht
aus Manoel au Principien: in der practifchen
Phiiorophie kam der einzige fufftndarf in An»
fchla^. Bey keinein deutfchen Philofophen,
Leibnitzen ausgenommen » konnte alfo ein fy*
ftemadfcher Kopf^ wie Tfchirnhaafen* einige
Befriedignng finden , und Leibnitz felbft hatte
nur einzelne Ideen bingegeben , die nocb ge-
nauer bewiefen und zu Einem Ganzen ver-
bunden feyn wollten. Auch erwahnt Tfchirn-
baufen aller jener Scbriftfteller nicht mit dem
Flftchtigften Worte^ man m&fte denn anneh-
men, dafs er bey dem Ausdruck gemeine
Pkiiofopken^ oder iVort - und kiftorifche Philofo'
phen mit an Ire gedacht habe.
Das Studium der Mathematik und Phylik
hatte ibn friih zu den Ausliindern gefubrt. £r
rfihmt und citirt einen Descartes, Vieta, Ar*
nault, Malleljranche, Mariotte, Newton,
BarroW) Uobbes, Galiiiii, Fontenelle und
«ndre* Aber ob er gleich Ton diefen mancbe
Ideen aufgefafst hat: fo kann man doch nicht
fiigen, dafe er ihnen gefolgt fey . er gieng
ganz feinen eignen Weg, und die mathemati-
fchen Studien leiteten ihn darauf.
C -JL A]ler.
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— 36 —
AHerclings wird es vms fehwer, l&ber den
eigentllchcn Geift feiner Philofophie ein be»
fdmmtes Urtbeil zu fa.Ueii» da uns fo xnanche
Fragen auirtoiren, die er felbft erlk in kiinf-
tigen Schriften zu beantworten verfprach. Selbft
die Unterluchung iiber die l\ealit^t unfrer £r-
kenntnifle, i&ber die Mfiglichkeit der Erkennt-
niffe a priori, verfchlebt er nebft andern
auf kunftig herauszugebende Werke. Sie
find nicht erfchienen, und wir bleiben
alfu auf das einzige, was wir haben) einge-
Ichraukt.
Man denke Jlch die Philofophie, wie fie
damahls war> und nun einen Mann, wie
Tfcbimhaufen, den weder Beruf noch Er«
werb, fondern Neigung v.uni Stiidieren trieb^
der in der jVlathematik und Phyiik fo groffe
l^ortlchritte und fo trefliche Entdecknngen ge^
macht haue, der iiberall nach reeller Wahr-
heit ftrebte» der Wafarheit nicht zum Stoife
mi&ffiger Specnladon) fondern als Bedfirfnifs
feines Geiftes und Herzens fuchte, der dabey
entfernt Ton Sectenzwang und Nachbetherey
ganz fich felbfb ttberlalTen war; nnd man
wird iich oliu^efahr feibft denken konnen,
wel-
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- 37 -
we]cheii Gang er in philofopbircbeii Unterfu*
chungen nehmen miifte, und wie wenig ihm
dasy was man damahls Philorophie nannte»
(veniige Jeiften konnte* Er felbft unterlcheidet
fehr hcftimmt flreyorley Gattiingeii von Philo-
fophen; einige l>egnugen iich mit der Kennt*
nifs der Kunftwurter und £inthei1nn§en der
Philofophic, wozu allenfalJs noch eine Na-
menkenntnifs der phUofopbirchen Secten
kommt^ IVortphilofophen: andre gehen etwas
tiefer in die Gefchiohte tler Philofophie, nnd
baben eine gcnauere Kenntnil^ dcr Terlcbied*
nen Lehrnitze der Philofophen^, des Fort-
fchritts dcr Wiffenfchaft, und andrer PunCtc,
hifi4trifche Fhiiofuphen: iichie PiiiJofopben iind
allein diejenigen» die felbft denken, und
durch ihren elirnen Verftand unbekanntc Wahr-
heiten entdccken. Aus diefem GcHchtspuucle
iiebt er das, was damabls fiir Pbilofopbiegalt^
als eine Sammlung gemeiner Dinge, in ei-
nen Haufen dunkler Ausdriicke gebiillt^
nnd als etwas ganz Entbehriicbes an: es
giebt nach feinem Urtheile nicht mehrere
Theile der Pbilofophie, fondern nur £ine
Wiffenfcbaft , die Knnft zu erfmden» von
welcher die gemeincn Philofopben uichts wif-
C 3 feii«
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— 38 ^
fin. *) Uebera]] iindet tt Mangel an erften
feft lieftehenden Prindpien **) und an Kennt*
nifs der Mathematik, bhne welche kein Phi-
lofoph etwas Betrichtliches leiften kann«***)
Selbftbeobaehtung und Erfahrung ift es,
WOYon er hoy feiner ganzen Unterfucliung
ansgeht. Hier hatte er fich Xelbft foJgende
Fragen Torgelegt, die er in die Seele den«
kendcr Lefer wiederholt. i. WeUhe Kenntnijfe
find /Ur eitt^n Jeden Menfcken, die nothutettdigften^
und welche Befcka/tigung ift cdfo die vorziig'
lich/te? £r antwortet, die Unterfuchung
der Wahrhttt. 2. Wie finde iek Wahrheitl
Diefe Frage zerftllt in drey andre: Wie foll
ich das Wahre vom Falfchen unterfcheiden?
Wie foU ich meine Erkenntnils der Waiirheit
ins Unendliche erweitem? Wie ibll ich dse
Hindernirfe bey diefein Gefch^fte uberwinden?
3. Welches find nun die GegenfiAnde^ mit de»
ren Unferfitchifnp; ich mich befchilftigen /ollf
Bcy diefer Unterfuchung mufTen, nach
feinem Urtheile, allerdings gewifle er(te Prin»
cipe
•) S. 3o.
•*) S. m.
•••) S. 277.
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- 39 -
dpe snm Grunde Iwgen, die allgemein} ge*
wils und onbeftreitber find. Solche Prindi*
pien kdnnen allein aus der Erfahrung genoiu»
men feyn, fo dafs iich jeder durch lein eig»
nes Bewurstfeyn zu jederZeit da?on ttberxen
gen kann. Des Cartes hatte zum erften Prin*
op die Erfahrung: iek denke^ angenommen.
Tfehimhaufen fa(st diefee noch allgeoieiner
fo: lch bin mir mannigfaltiger Dinge beuuifst,
Ueberzengtt dals ielblt der Sceptiker diefes
Factum nicht lengnen k6nne, zerlegt er nun
dafTelbe in folgende drey Erfahrungen: i.
Bimge Dinge machmt einen gutent nndre einen
Men Bindrach aiff unt» 2« Einiges kSnnen wir
begreifen , andres nickt» 3. Einiges nehncn
wir dwreh die Aufern Sinne^ einigei durch innere
Verftellungen und Kmpfindungen wakr^ Oas Fac*
tum des Bewufstreyns ift ihm das allgemeinfte
Princip alJer Vorftellung und £inpfinduiig«
Der erfire Grundfats, Prineip der Moral^ der
andre, Princip der Erkenntnifs der JVakrheitf
«nd der dritte, Princip aller Erfahrungm
Man Iteht hieraus, dafe er unter Ph'il6fo«
phie iich eine IViffenfchnftslehre. dachte, die
aut dnem tbeoredfchen und eincm praeiifchen
Theiie beftandt wovon der erAre allgemeine
C 4 Grund-
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— 4« —
OruncK^tze ttnd Begeln der Wahrheitsfor*
fcbiing, der andre eine JMFetbodologie, oder
Anwendiing diefer Grundfatze und Begeln
euf die ftbrigen radonalen und empirifcben
Wiffenrchaften enthalten foHte. In diefer R&ck^
ficht nennt er fie eine Erfmdungskunft, und
liefert denn in der Medicina Mentis die allge-
meinen Regeln derfeilben. Die Fbilofophie oder
Eriiudungskunft , fagt er *), gleiclu eineni
Banme, der ans drey Stacken, aus Wurzeiu»
Stamm nnd Aeften mit Fracbten befieht. Die
Wurzeln find die allgeineinen Regeln der Er-
lindttngskunft: der Stamm iind fpecieliere
Begeln in RQkficht der Kniilichen, matbema-
tifchen und phyfifchen Gegenfiande : die Aefte
neblt den Fruchten fmd die ganz fpeciellen
Regeln far Moral, Gefondbeitslehre der Seele,
fiir Medicin, Gefundheitslehre des Korpers,
tind far Mechanik, Anwendang beyder au£
ftttfere Dinge. Und fo wie Wurzel» Stamm
und Zweige aus Mark, Kem und Rlnde he-
ftehen: fo befteht die ganze Pbilofophie in
aDen Tbeilen aus phyfifchen, mathematilchen
und finnlichen Obiecten. Nach diefer liinthei-
ung
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— 4i —
lang hatte er hch vorgenommen , auf die in
dtt Medicina xDentis dargeltellten allgemeinen
Kegeln nocli «ne Bntwicklung der befondem
und ganz befondern folgen zu larTeu. Alle
Gegenltftnde der Unterfacfanng iind von der
Art, dafs iie entweder durch blorTe Vernunft,
oder durch Erfahrungy oder durch beyde zu*
gldch nnterfucht werden* Er woJIte in einem
eignen Werke zelgen: wie man das Unbe*
kannte in der Mntheuiatik finden kdnne, in
einem andern: wie man Erfahrungen machen
inufTe, um neue und nfitzliche Wahrheiten
daraus abzuleiten, in einem dritten: wie man
in der Phylick mit Gewifsheit fortfcbreiten
k6nne. Den Befehlufs feiner Bevniihungen
wollte er mit Darlegung ganz fpecieller lie>
geln madien, die eine practifche Anwendung
der erftem auf die erapirifchen Verhiiliniffe
des iMlenfchen enthalten foUten.
Da die . IVIfi<]lcina mentis dlc allgemeinen
GAnndlatze der £rhndungskunft cnth&jt: fo ifc
natllrlicb das Grundprincip« worauf er foi*t«
baut, diefes: Einiges konnen wir begreifen,
einiges nicht. Begreifen nennt er* zwey Bc-
grifle Terbinden. Aber gefetzt, wir wo]N
C 5 ten
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— 4a —
ten ftatt des unbeftiminten Wortes Begreifeii,
das nnter nns betdmmtere Wort Erkennen fe-
tzen ; wie viel Fi ai^en blelben gleicbwobl
noch iibrig, an die Trcbirnhauien gar nicht
gedacht hat? Gorgias leognete gradehin, dali
-^ir etwas begreifen oder erkennen kbnnten,
nnd da(s wir im Stande w&ren» nnTre etwa*
aigen Erkenntnifle Andern mitzuthdlen. Und
eben diefe^ ift es , woraus Trcbirnbaufen das
Criterium des erftern hndet: Wir faabens (agt
er, etwas begriflen, nnd k6nnen daron ge-
wi£s feyn, wenn wir es Andern mittbeilen
k6nnen: iignum fcientis efk pofle docere.
Der Unterlcbied z^fchen Verftandeserkennt-
nils und finnlicher Erkenntnifs, wie ihn Wolf
in der Foige feftletzte» ichwebte ihm aUer-
dings Torf aber er faiste thn nicht beftimmt
genung, wenn er Inte]1ectus und Imaginatio
fur die beyden menfcblichen ErkenntniisTer*
mdgen erklArte, und dem erftem die Erkennt-
niCs realer Wefen, der letztern die Erkennt-
niis iimilicher» und einem dritten^ nur bitt»
weife angenommenen , der Vernunft die Er*
kenntnifs matbematifcher zufcbrieb. Sinnbche
Vorftellungen nenm er ferner blolTe Bildert
ItrkenntniiTe des Verftandes Realitftten, Irr*
thum
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— 43 —
thum iCt ihm Verwechslung der Bilder mit
U^alitiiteii*
Ueberall leucbtet der Msngel an einer ge-
nauen Unterfuchung des menfchlichen Vorrtel-
lungevermdgens bervor. Wenn er alle Obiecte
der Erkenntnifs m finnlicbe, mathematifcbe
und pbyfifche odcr rea]e eintheilt : wobin ge-
bSren denn nun die abltracten Ideen? wo
bleibt diejenige Erkenntnifs, die wir dnrdi*
aus durch den Namen der philofophirchen von
den genannten drey Arten unterfcbdden milf*
fen? Was ift denn nnn eigentKcfa Wabrhat?
£r amworret: das Begreiiliche. Und woran
erkenne ich diefes? Darant da(s icb et be-
greife. Und wenn begreife ich es? Wenn icb
eine DeBnition davon machcn kann. Und
wodurcb weifs icb, dmb diefe Deiinition ricb*
tig ift? — IVIan kann diefe nnd fthnliebe Fra-
gen durch fein ganzes Syftem hindurchfuhren,
nnd fo oder anders beantwocten: aber man
kommt immer zuletzt anf das Bewnfstfeyn des
Begreifens zurnck, welches un^ durchaus ia
dieler Form nichts erkllUrt.
Mehrere Tftufchungen lind es, wodurch
iich Tfchirnhanren in leiner Unterruchung irre
f&hren Hefs, Die erlke war f<nne Idee tou
mathe-
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— 44 —
mathematifcher Gewifsheit, die er bcy philo-
fopbifchen Gegenft&nden nicht verladen wolltei
nnd durch die mathematirche Procednr zn er«
fetzen fuchte. Daruin legte er auch hier De-
linitionen zum Grande^ fiicbte den inteile^
tuellen Wahrheiien eine Art Ton Anfchauang
oder Confiriiction zu verrchaflen, und «laubtc die
Begeln des Verftandes beym Unterfuchen
inathematifcher Wahrbeiten ganz allgemein an-
wenden zu konnen. Elne andre Taufchung
entfprang aas der Idee Ton Erfindung und
Entdeckung nener Wahrbeiten, in welche er
das Wefen der PhiIofo^)hie fetzte. Diefer ge-
in&C& konnte er fich kein «gentliches SyfteoL
einer WifTenrcbaft denken: das einzige ausge-
nommen, welches die Gefetze und Regeln
zur £rfindungskunft enthielt. Hieruber Ibll*
ten fich die Menfchen wiflenfchaftlich beleh»
ren laffen, und dann jeder fcinen Weg fiir
lich fortgehen, d. h. feJbft denken.
dritter Punct, fein Urtheil uber den Werth
dcr Wiffenfchaften, unter denen er der Phy-
Jfick den oberften Rang anwieDs» liaif diefe
Anficht beftatigem Hier nehmlich fuchte er
die cigentliche AnwenJung dcr Fertigkeit im
Sclbftdenken : er felbft, Erfinder mehrer
nfitzli*
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— 45 —
natzliclica Ideen und Werkzeuge der Pbyriok»
dachte licb nicbts grfifTeres nnd angenehmersi
als Erfinduns, uiid mitbin keine nutzlichere
Grundwillenrcbarty als die» wclcbeeine Anp
weifnng zum Erfinden entbielte. Viertent
macbte feine unbegranzte Achtung fiir Erfah-
rung, und der WiderwiUen» den er gegen
aUe rcholaftifcbe SpitzJindigkelten in leeren
Begri/Ten gefafst hatle, dal,s er, feiner eig-
nen £rk]&rung zufolge, die Unterfucbung
i&ber Prioiitilc der Erkenntnifle, ilber trans-
cendentaie Principien mit Flei fs uJ)ergieng,
da wo iie dgentlicb bin gebort b&tte» und
lie an£ eine andre Zeit yerfcbob, wo fie zu
fpat kam. *) Statt alfo z. B. bey dein Satze:
Einiges ift mir begreiAicb» einiges niciity die
Urlacben und Bedingungeil in der Katur de«
Vorriellungsvermogens auizufuchen, analylirt
er dieles Selbftbewulstfeyn empiriicb, und
erklftrt das Begreifen aus dem empinfch Be-
greiflicben, aus ge^ebenen Gegenrt^iden, tiie
man
Sr leugnet daher eigentlich tdchu wie Bmcker
wiU* die Priotitst des Cattefircbeii GnmciretBes :
Ich denke, loxidern cr iaXst (ie bios dakin ge«
AeUt feyn«
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— 46 -
man fchon begril&n babe. Daber ftiftbrte Uin
anch die Frage aadi der 0}>iectiYitit nnferer
Erkenntniffe nlcht im Mindeften: felne Lehr^
HLtze blieben Itebeni die Gegenftilnde anfer
dem menrohlichen Erkenntnilsvermugen tooch-
len Uealiiat hahen oder nicht^ denn He wa-
ren voa Erfabruiigen abgezogen und (bllten
anf Erfahrungen angewendet werden. Tfchirn*
haufen war hier eiiier gliicklichen Idee auf
der Spnrs aber er verfoJgte iie nicht. Nicbt
minder aalTallend ift endlich auoh die Ver»
wechfeJung, die er zwifchen Erkenntnils-
grund nnd Grundiatz sbachti tind die licb
in dem folgenden Anszuge deutlidi seigen
wird.
Ein neuerer Denfcer urtheilt uber Tfcbim*
haofens Medicina mentis: nfie fey mehr eln
wilder Disoours, in welchem einzelne Fun-
ken det Lichts aufliJickeni als ein allgemeinet
I^bVbuch zum Gebrauch onferer Vemunft in
Eihficht jcdor Wabrheit^^ und ich iinde an die*
fem Urtbeil nichts zu ermaOigen, als den
Aus»
•) Bujch in der Encyclopidie der liiftor. plulof. luid
matheni* WifTeafcluiftea 3. afiS. Alie Auig.
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— 47 —
Ausdruck wild« der imiDcrbui von dtn Sa«
dken, aber nicht toii der DarfteDung gelten
kann. Diefe ift vielmehr mufterbaft ordent-
Hch nnd zuiammenbftngendt und macbt dia
Lectflrc det Werks ilberaut lebrreich und an-
genebm. Der VerfalTer gebt an dem Faden
der SelbAbeobacbtung fort» eniwickelt unt
fetne ganze Geiftesgefchicbte ^ nnd bleibt fet«
nem Plane durchaus getreu, £ben um des*
wiUen babe ich mirs nicbt Teriagen k6nnen»
den erften Theil deflelben ganz zu Qberfe-
tzen. Der Verfafler erfcheint bier in eig-
ner Perlbn, alt Jtfenfch und Denker» und
kann dem Anf&nger, wie dem Geubtern, fo
lebrreicb werden» wie ein Montaigue oder
«ndre Selbltbekenner. Man bOrt allen leinen
Urtheilen das practifche Leben und die eigue
£rfabrung an» und wurde ibn fchon wegen
feines reinen Eifers filr Wabrheit hochacbten
muflen» wenn er iich auch nlcht durch fo
wiebtige Entdeckungen die Hocbacbtung der
gebildeten Welt erworben bfttte.
Sein
*) Eine Uebcrretzung des ganzen Werks verfprach
Gottfched in feiiieK Oratio de ini^uiuie extero-
rnm etc. 1734.
Seib& ChxiAiaa Tbomariuf , dcr An&ogp ia let.
ncn
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S^n Bi i tf i flb fiet VeiiSejilc m £e Ailo*
fojJiie wird aus demjenigen erbeilen , was
fn der knrzcB Vei||]ciciiiiBg aut IF«^
blogt t&
Nocb eine Beinerkung innls ich voraus-
IbbicfceOf welcbe licfa mii' bey dem Dorcb*
leCen der MeclicSna ntentie wieclerbolen lHcIi
aulgedrlngt haty iiber die AehnJicbkeit eini*
ger Ideen nnfert Pbiloibphen nrit den Pkto*
nifclipn. Plato nannte die Philofophie cin
Streben nacb der gottlichen Weifsheit, and
letzte das b5cb[ke Gat mit in den Reiz der
Speculafion. Bey ihm war dle Dialectik
( Tfckirnhaufen nennt £e Logik) eicie WiHfen*
fcbaft dei Endzweckt, und der Jfittel zn
dem-
ticii moiiaililicVipn Untcnreduiigen i688> Mon,
Mirz ( fo ii.tniirck und bitter iiber die ■ Medicina
wentii beirge£ilitn war» g^fiand binterher in der
Vorrede sur Pnctifchen Logtk» viel daraus ge-
lemt zu baben. Ueberbcupt <>laube ich auf dieret
Werk anwenden cn bOnnen , was Gartfe hej Fer-
piifon S. 287. fagt : Es giebt Biiclier , die blof
Vcrratben , was dcr Verf<ilTcr gclexnt hat. E» giebc
andre , die cugleich anxeigen , was er fey • wio
ar Celbft denke* wi* ac amp&nde und wia er ban»
dtln mflgt.
- 49 -
^emfelhen zu gelangen. Sie mftlTe die Seele
durch Analyfe Jeilen, und durch Erklilrung,
fiintheilung und Induction za der Wahrheit
fflbren: der Anfang der Philofophie fey For^
fchritt zur Tugend , ihre Vollendung Tugend
felbft, d« h. Vo]]kommenheit unferer Na-
tur. Tfchirnhaufen kannte die Syfteme
der Alten, und gewiis auch Platon, wenn
er gleich feiner nioht ausdrucklich gedenkt.
Gleichwohl geh6rt noch mehr daza« nm be*
ftimmt zu behaupten, er fey bey dem Gange
feines Nachdenkens Piaton a]s Anhanger ge*
folgn IndefTen ift die Vergleichung der vor*
kommenden Aehnlichkeiten zwifchen beyden
intereflant und lebrreich* Uier die Ueber^
fetzung des erften Theils nnd der Auszug
der beyden andern. *)
•) Wm Brueker To. IV. P. 11. p. 699. iind aus ihm
andre z. B. der logeiiannte Crontaziano in der Ge-
fchichte tlcr Uevohitioncn in der Philofophie
(Uebeif. von Heidenreich, flter Theil S, 177 f.)
g^eben luben , ift obnedem ntur ein Auwn^ au$
Tfchindiaafent Vorrede und den Randxubriclten.
6.Silii1i. X> Br.
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Erfter Tbei].
Gang meines Qetjtes xum 2Uele der Wahrheits-'
Wenn ich mich felbft aufmerkfam betrachte^
und iiber dasjenige nacfadenke, was mir Ton
Jugend an daza behlllfllch gewefen ift, dett
richtigen Lcberispfad mit Gliick zu betreten:
fo finde icb, bey genauer Unterfucbnngf ror*
nehmlich drey Sdicket die ich mit allem Reeht
unter die voriichtnften Leitungsmittel rechnen
zu k6nnen glaube. Icb habe nebmlicb yon
Jugend an erfiliek die Neigung gehabt, Nie*
mandem zu fchaden) fondern vielmehr einem
Jeden das Befte zu g6nnen, und ibm nach
M6glichkeit dazn bef6rder1ich zu feyn, ^toey»
tens eine auferordentlicbe Beglerdci immer et«
was Neues und Wiflenswilrdiges zu lemeni
und drittens ein emfiges Beftreben, nuch fo
g]ucklich als moglich zu machen.
Das erftere batte die Wirkung, dals ich
lelcht die Guten von den Bofen unterfcheiden
lernte* Die let^tern baben keinen andern Ge-
dan-
danken, alsden, wielSeandeni fchaden kGnnen,
iie freuen ficb, ihre Nebenmenfchen bintergan-
gen ztt baben» und rikbmen iich lolcher
Handlnngen mit Entzilcken. Ich flob diefe
Gattung von Menfchen, fuchte den Umgang
derer« die mir &bnlicb warenj und fo kam
ich in die Bekanntfcfaaft rechtfchaflner Men*
fchen , die fiir meinen Character wohhhatig
ward* Allein nicbt alle moraliTch gute Men-
fchen haben dabey ancb ansgebildeten Ver*
Itand; im Gegenthcil Knd Ae nicht feiten von
der Erkenntnils des Wabren weit entfernt,
und voll grofTer und mannigfaltiger Vornr-
theile : daher konimt es^ dafs fie durch ihre
UnwiOenheit Andere unter dem Scbein des
Guten und Wabren oft mit wichtigen Irrtha-
mern anfcecken, die iich nacliher nicbtleicbt
«usrotten lalXen.
Gegen diefe Gefabr fcbfttzte mich meine
Wif^begierde, die mich mehr zum Lernen
nnd Forfcben antrieb» als andre die £rmab-
nung eines Lebrers, oder die Hofnung auf
Gewinn* Sie fiihrte mich in die Bekanntfchaft
der gr6ften und weifeften llilftnner der Vor-
welt und unfrer Zeit : lie madite, da& ich
mchtfo leicht vom rechten WegeabirrtCi oder»
D it wenn
— 5« —
wenn es ja gefcliah« leichtwieder daranf sn«
riick kehrte. Allein, indem ich mir die
GrundllLtze Anderer bekanni machte, kam
ich in den eigentllchen Kenntniflen und in
der Fertigkeit, felbft etwas Gemeinnutzliches
ztt erBndeni nicbt TorwartSi ich er-
langte die Gefchicklichkeit ntcht, die Fr*
findungen raeiner Vorganger zu veimeh-
ren oder zu erwditem, ich ward fogar Ton
jedem Verfuchef felhft etwas 'zu erfinden,
zuruckgerchreckt. Wenn wir die Geiftvollen
Werke Andrer anfeheni denken wir felten
daran, wie Tiel Mtthe ihre Verfertigung, wie
viel Zeit ihre Anordnung gekaftet hat, durch
welche VeranlaCfungen die Urheber darauf ge-
riethen, wie klein der erfte Anfang gewefen
feyn mag, wie die eriten Entwiirfe nacb
und nach bey Laune wieder Torgenom^
men, ausgebefTert und allmahlig Terarbeitet
wurden^ bis lie die Stufe der VoUkommen*
heit errncht hatten, dafit ite difentlich be*
kannt gemacht werden konnten. Im Gegen-
tbeil beym Anblick foJcher ausgezeicbneter
Werke fetzen wir ftiilfchweigend Toraus» dali
ihr Urheher alle folche gew6hnliche Minel
nicbt n6thig gehabt» lundern fein Werk auf
de r
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— 53 —
der Stelle und im erften Entwnrfe to^ wie
es da ift, niedergerchiieben babe. Diefes
Vorurtheil nahren die Autoren felbft : einige
unwUlkuhrHch, indem Ae des Syftemswegen
alles fo zufaininen ftellen, als wenn fie es
gleicb von Anfang fo exfunden und geordnet
h&tten , wobey Re denn Manches « was nicht
zu ihrem Gegenltande gehort, nehinhch, die
VeraoJalTungen und Mittel» wodnrch lie auf
dlefe Bntdeckungen gekommen find, die Zeit,
die fie ihnen gekoftet u. d. in. ganz uljerge-
hen. Oer grofte Theil von Autoren aber thut
es abfiohtJich. Sie rQh men lich dann, allein
Uiheber aller diefer Entdeckimgen zu feyn,
und verfichern» iie ohne viel Mahe und in
kurzer 2eit gemacht zu haben. Noch andre
iind liftig genung, Ach dadurch ein Anfehen
zu geben» daEs Re die ganz leichten ISeweifei
wodnrch lie eine Wahrheit fanden , nicht mit-
theilen, fondern niit vieler Miihe fchwerere
auffuehen und in ihren Werken darlegen. Da-
her kommt es, dafs man folche Autoren ehrer-
bietig bew^undert, fie fur gottlicbe» und uicbt
mehr menfchiiche Genies h<» nnd dafs nun
andre, dle nur menfchliche nnd fremelne Fal-
higkeiten in ficb iinden» an ibrem Vernadgen»
0 3 fo
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- 54 -
fo etwas zu lelften , glnzlich Terzwoleliii ddt
fie alfo, anftau nach der erften aller Wi£fen-
fchaftent die ani daa Verborgne ofFenbart^
«u ftreben, lich Yielmehr einen Filhrer er-
w^len, und zwar den, welchen iie am m^-
ften bewundenii und fftr mehr, «Is einen
menfdilichen Kopf halten. Diefen ziehen fie
dann allen andern von und bleiben fo fcla*
Tilch an ieinen Grundfiltzen haften^ daCs ile
fieber die Wahrheit felbft eufbpfem , als Ton
feiner Lehre ein Haar breit abweichen, oder
dnrch ihren eignen Verltand eineneue Unter^
fuchung wagen.
Am wohlthHtigften war es daher fiir mich»
daft ioh» atifmerkCisim auf die gew6hn]ichett
W&nfche der Sterblichen, meine Bemiihuii*
gen daraof richtete » fo gliicklicb zu werdcn ,
aU es ein Menfch werden kann , dols icb mir
elfo den weireften Lebensplan entwarf , den
ich mir denken konnte» und dabey aiiheng)
dals ich micli mehr von mdner eignen Neigung,
als von Andern , leiten liefs. Aber eben hler
liegt die gr^fte Schwierigkeit » auszumachcns
welches denn elgentlich der richtige Weg fey*
Uiid wenn das Sprichwort; fo viel Kopfe, fo
Tiel Meynungeni irgendwo eintrift» fo ifies
bier;
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- 65 —
iiier: znan mag entweder auf die unz^h*
ligen imd oft Himmelweit ▼erfchiednen Sylie*
me der Denker , oder auf die Meynungen
des groHen Uaufens iiber Gufe und Bdfe, liuck-
iicht nebmen. Hierzu kommt noch dUe trau.*
rige Erfahrung, d^is unter beyJen Wenige
das wirklicb iind, wofur iie £ch ausgeben.
Diefe fietrachtungen machten mir wenig Hof-
nung, diefen riclitigen Weg auszufinden, es
fcbien mir nicbt wahrlbbeinlicb 9 da£i unter
fo Tiel Taufenden, die alle ▼erfcbieden den*
ken , ich aiiein und immer da& Belte enide*
cken wiirde.
Dennoch fieis icfa mich nicfat afafcfarecken«
fondern ftellte Vergleichungen iiber Vcrglci'
chungen an. Icb bemerkte bald, dals nicbu
fchwerer fey, als eine befiAndige Befonnen*
beit und Aufuierkfamkeit auf f.ch felbft: da
wir uns in einem Zuftande fteter Ver&ndcrung
befinden. Da es nnn die Menfchen nicht in
der Gewalt haben, ihren Character und die
daraus entfpringenden Handlungen efaen fo
Incht, wie ihre Worte« zu ftndern: fo durfte
man nur immer mehr auf die HandlungcTi Aii*
drer, als auf ihre Worte aurnierklam feyii,
darfte nur Gelegenfadt faafaen, lange mit ih-
D 4 nen
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— 56 —
nen umzvgebn, und Xelbft gnt fejrn, um aach
die kilnrtlichften Taufchangen Anderer mit
leicbter Muhe zu durchrehen. Damit Heng ich
an» in das Wefen der Dinge einzudringeni
und lie nicht mehr nach dem ftnfern Scbeine
zu beurtheilen, wo fie oft nur gl^nzendes
Elend find, das heifst, ein grolses Uebelunter
dera Scheine eines grofsen Guts. AUe Dinge baben
zweyerley Gcftalten» eine ficbtbare und eine
nnfichtbare, welche beyde von einander ganz
▼erfchleden find. Bey diefen Pralujigen fand
ich nioht nur ieichtt was denn eigentiicb von
Andern fdr wahrhaft Gut und f^r wahrhafl:
Bofe gehalten wird, wenn He gleich ganz
etwas anders» felbft gegen ihre Ueberzeugung,
dariiber ftufem: fondern ich hemerkte auch,
incleru ich iiim nieine Aufnierkfamkeit auf
micb felbft richtete» zu meiner Freude» dafs
wir, wenn wir nur nicht mit Fleils unferm
eignen Bewufstfeyn widerfprechen wollen, von
uns £<^b£t befCer ais Ton andern Jernen kdn*
nen, was nns gut oder nicht gut afiicirer«
was uns fchwer oder ]eicht ift, was uns Luft
oder Unluft macbt u« C w.« und daOs wir da*
raber fo gewifs feyn kdnnen, dais alle Wi*
deif|iiucbe Auderer unlre Erfabrung nicht
wan*
u ly i^ - o I y Google
- 57 -
wankend zu machen verm6gen: fo wie wir
2. B* am belteii wiflen» ob uns eine Speile
angenehm fchmeckt, ttnd Andrer Einwendnn*
gen dagegen nicht achten. Diefs ift lo augen-
fcheinlich, da& man fich nicht genung wnn«
dern kann, wSe Menfchen — nicht tkber
Wahr und Falfch , denn hier gieht cs aller-
dings mnige nnbekannte Materien — • fondern
Hber ihre eigue Vorftellungen vom Leichten
und Scbweren, vom Aiigenehmen uad Unan*
genehment n. f* w* ftreiten oder vielmehr
zanken k6nnen, die doch fo dentlich findf
daCs wobi Niemand , fejhft mit VoiUtz^ da-
rinn irren kann. Selbft die Sceptiker) die an
Allem zweifelten, und die Lehrmeynung
hatteo» dafs die Dinge vielleicbt nicht fo an
iich wftren« wie iie erfcheinen, lelbft diefe
konnten, ohne gegen ihr Bevcufstfeyn zu
Itreitenf fchlecbterdings nicht leugnen» dals
die Dinge ihnen nnter gewiden BefchalTenhei-
ten wirklich ei fchienen, und dafs ejnige die-
fer Erfcbeinungen (angenommen» dafs aile
Dinge nur Erfcbeinnngen fur nns iind$ aber
nicht wirklich fo exiftiren) ihnen Luft, andre
Unluft ▼erur[acbten » undalfo angenehmoder
anangenehm f&r lie wftren. Denn wenn ein
D 5 Scep-
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58
Sceptiker Schlige bekomiiit, fo mag er im-
jnerbin dlaran zweifeln, ob es wahrlefi dalk
«r fo unwQrdig bebandolt wird, er mag fich
aUenfalls einbilden , dafs ihm das nur fo vor-
komme: das wird er wenigtkens nicbt leug*
nen ktfnnen, dafs er Schmerzen fiihlt und
licb alfo ubel befindet. Dieles Beyfpiel foll
Bnr zeigen, wie ficber nnd unbeftreitbar
meine obige Behauptung ift, da[s man nicht
n&thig hat) bey dem Entwurfe eines weifen
Lebensplans zu den Eatblcblagen Andrer feine
2uflucbt zu nebmen, fondern am licherftcn
Sean eignes Bewulstfeyn daniber zu Kathe
ziebt.
Auf diefe Art hatte ich einen fcffen und
iicbern Gruadj eine gewilfe und unbczwei*
ISelte Erkennmils, worauf icb das Geb&ude
meiner Gliickfeeligkeit, fovveit das natiirliche
Licbt zulangt, auffuhrte. Durcb mein eignes
Bewulstreyn gewifs gemacbt, da(s micb ei-
nige Dingc gut andrc Jiicht gut afficirtcn , fah
icb nun aucb deutlich, was mir fcbwer oder
leicbt war, das erftre nebmlicb afiicirte mich
gut, das letztre nicht gut. £ben fo unbe»
zweifelt konnte icb nun aucb wilTen (wenn
icb anders nicbt meinem Bewuistfeyn wider^
fpre-
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— 09 —
Iprcchen wolitc) wa« ich unter mehrern leich*
ten nnd gnten Diqgen, aU das leicbtere und
beflfere erfahren hatte: und hleraus erkannte
ich denn auch naturiicbt welcher Ton den
veribhiednen Wegcn, die ich betreten batte,
der berfere war, der jenige nehmlich, der
mich am heften afficirt hatte. Einzelne fieob-
acbtungen iagten mir daCTellie. Ich kenne
kein grSrferes Hmdernifs der Gluckfeeligkeit^
als Leidenfchaften; denn diefe uberwftltigen
feibrt die Itarkften nnd tugendhafteften Men-
fchen oft fo fchr, dafs fie mit Recht klagen
k6nnen :
lch wcifi und biilige, was Gal aber
ich tbue docb das Bdfe.
loh babe femer kein belTeres BePSrderungs-
niittel der meufchlichen G]uckfeeli^I<eit ge-
funden, als die Entdeckung unbekannter
Wabrbeiten und eine zweckraaflifTe Auswalil
derfelben. AlJes Gute, was vvlr jetzt haben»
war uns einii: unbekannt» und wir rerdan*
ken es alfo dencn, die es zuerft entdeck?
haben. Endiich weifs ich nichts, was zur
Krhaltung unfcrer GJ£kckfccligkeit mehr beytra-
gen kann, a)s Gefnndbeit, und Freyhcit von
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— 6o —
iingrtlichen Sorgen ; die Grundlage aller andera
Guther des Lebeiis. Alle diefe jetzt genannten
Puncte kamen nun bey dem Wege, den ich
eingefchlagen hatle, vorzugiich in Betracht;
icb Undf da^s icb aaf demfelben am leich*
teften meine LeidenrcbaFten fiberwinden, am
fchneiirien unbekannie Wahrheiten eniclt ckcn,
und alles, was vom Gliick abbidigig iCt, Ge-
fundbeit, Sicberheit ▼or Feinden, Netdern
u* d. am berten ia meine Gewalt hekoinjuen
konnte; das aUes^ fand ich bey ernftem Nach*
denken, war ndr anf diefem Wege ]eichter«
aJs auf irgeud einem andern$ den ich kannte;
und fo durfte ich keinen Augenb]ick zwei-
feln, den beften unter allen betreten zu
haben.
Es ift keine Gefahrt Ach bierinn zu t&u-
fchen, wenn man nur nicht glaubt, dafs
dast was uns fo fchcint» auch andern eben
fo fcheinen m&ne: denn^ was mir leicht,
angcnehm , gut fcheini, das kann vieDeicht
einem andern fchwer, unangenehm» nicbt gut
▼orkommen. Die Menfcben Termengen oft
die Ndtur Andrer mit der ihrii^cii , und wun-
dern Hch dann, wie Andern etwas gefalien
kdnne» was ibnen milsALUt: ja lie gehen fo
weit,
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— 6i —
wcit, ficb feft einzttbil4eii 9 dals es andern
nicht wirklicb gefalle, fondern dafs diefe
aus Sonderbarkeit oder EigenHnn, uin ihre
Bebaupiung durcbzufetzen, ein folcbes Wobl-
gefaDen nur Torgeben. Allein fie wttrden
bald die Nichtigkcit diefer Einbilduus; ei ken-
nen, wenn fie beobacbtet biltten, dals Nie-
mand Ton freyen Stiicken fich mit etwas Un-
angenehmen befalktf und dals Niemand etwas
fucbt oder biiligt, was ibn nicbt gut afficirt.
Ein zweytes Mittel, fich gegen allen Irr-
th nm zu lichern. ift die Behutfamkeit, das
Erkannte nicbt mit dem nocb nicbt Erkann*
ten zo verwecbfeln, und mithin nicbt dem
Leiztein beyzuiegen, was nur vom Eirtern
gilt. Da.« w&rde z. B. gefcbeben « wenn wir
eine Sache, die uns unter den erkannten als
die leichteite und befte und angenehmfte vor-
gekommen ift, filr die abfolut leichtefie, belke
und anrfpnehmfte unter allen, alfo auch den
nocb unerkaunten, erklilren wolJten. Wir
haben nocb nicbt alle kennen gelerntf und
diirien airo auch nicht von allen fpi echen.
£ben hierinn baben febr viele gefeblt : kein
Wnnder daber, wenn lie auf fremde Entde-
ckungen wenig acbtetcn, wenn iie, in der
Vor-
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^ $2
Vorausfetzung, daCi Rit den belten unter allen
Wegen lchon ^geTcUagen hfttten, und mit*
hin ein befferer unmdgllcbzn firjden fey, An-
drer Ideen ikberrahen» nnd iich anf die Art
den Zugang zu mmer grdflerer VoQkonuaen*
heit feibfc verfchlofren.
Doch daiuit es nicbt das Anficben habe, ala
ob ich emen Fehler^ den ich an Andem
tadle^ relbCt begienge, das bej£st, Dingei
die nm* fiir mich palTen, Andern aufdringen
woHte t fo werde ich *in der Folge zeigen und
mit deutlicben Erialirungcn erweifen , dafe
diefer mein Weg znr GiackfeeJigkeit auch Alr
Aiidre der ricbtigftc fey. Ich werde mit Ge*
wifibeii fagen konnen , dafii Andre hieriiber
lulr mir einftimmig denken • oder ich mOfte
nicht mit Ueberzeugung behaupten dHrien,
ei»e Speifc, die licb dcr oder jener» aucU
wenn tie ihm nocb £b fcblLdJicU wAre, nicht
vcrfagen kann, fchmecke ihm gut. Doch
verbcbre icli beiiig» dA[s icb auf Niemanden
desba]b '/.iime) wemi er otwa glaubt, mein
Weg fey iiicht der befte : (daruber miliren an*
dre urtbtiilen} icb kann aucb ivicbt verlangcn^
dafs man ihn dafur ha]ten foll» denn ichhabe
felbft noch nicht alle erdenklicfae Wege ken*
nen
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— 63 —
neD galinit» Ich gebe ibn niir den beften
unter denen, die icfa Terfacht habe) und ich
mufs zugleich die Erinneruiig voranfchicken,
dels ich mir darnm nichfc der Weiieite dOnke^
weii ich Andern gnten Rath gebe: denndlet,
was ich hier fagen werde» ift fo klar und
Terft&ndlich» dals jeder und felblb ein noch
unwiflenderer Menfch, als ich, es eben fo
gut biLtte beobacbten k5nnen. Wenn umer
unzfthligen Abwegen nnr £in Weg zu einem
gewifTen Ziele l^hrt, fo wird es fchwer, Ver-
irrungen zu vermeiden: indeilen kann doch
vielieicht unter aUen WanderCm gerade dner
zur^llig den rtchtigen trelFen, ohne darum
ein beCTerer Kopf zu reyu, als die Uebrigen.
Ich fahre fort, zu zeigeUf wie ich von die-
fcm feften Grunde der Wahrheit Mebreres
mit gleicher Gewii&heit ableitete.
Indem ieh nun fiiber . die Gewiliheit aDee
deflen nachdachte, meine eignen EmpRndun-
geu beobachtete, und aufmerklam auf alles»
wu «nen guten oder ftblen Bindruck auf
mich machte, alie Vergniigungen , deren ich
f^ig w&re» unterfuchte, um die grdltea
nnd dauemdlten auszuhehen, kamen mir Ztt*
erft die finnlicheu Vergnugungen entgegen.
Diefa
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- 64 -
Diefe madieii nns das Leben fefar ange*
nebm: worinn gewifs jeder einftimmen wird.
Der grolse Haufe ergiebt fich ibnen fo ganz»
dalfi er anf andre griindlichere Freuden gar
nicbt aebtet: keln Wnnder, wenn er fie
fur die groften unter allen halt. AUer viel*
leicht t&ufchen ficb Oiejenigen nocb mehr,
welcbe glaiiben, daCs eine Sache, die ihnen
anfiiiglich Vergnugen gew&hrt, ihnen defto
grOfTeres Vergn&gen geben mufTe, ^e 6ftrer
Re diefellie genarfen: da doch die Natur die-
£er Fieuden einer folchen Meynung durch*'
aas entgegen ift. Denn anr der feltne Ge«
nufs macbt Re angenebm. Speife und Trank
z. B. find uns nur dann angenehmf Wenn
wir bnngern nnd dnrften» Ae erregen Ecke),
wenn wir fchon gefittigt find und Jie ohne
Appetit zu uns nehmen miiQen. Das fch6nfte
Scbanfpiel w&rde nns zum Ueberdmis wer*
den, wenn es nicht in Acte eingetheiit ware»
oder auch, weun wir es zu oft ikfaen. Da«
her kommt es» dafs diejenigen, welcbe
prachtige Palliifte bewohnen, oder herrliche
G&rten behtzeni wegen des beAHndigen Ge-
braucbs bey weitem fo Tie) Vergniigen nicbt
daran flndeni wle andrci die iie hloh ein-
maliJ
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65
nah) befehen, zmnabl wenit fie fie lelten
oder gar noch nicht gefehen haben. Homane
amuliren nur» wenn man iie einmabl lieftf
oder nacb langer Zeit einmabl wieder lielb
Manche fehen zwar diefen Irrthum ein, aber
iie fuchen iich durch Manni^faitigkeit und Neu*
heit in den VergnOgongen gegen Ueberdmls
zu verwahren. AUein fie k6nnen ihren Zweck
nie erreichen: denu es ift unmoglich, Alles
fo in feiner Gewalt zn habent dais man ein
Vergnugen, deffen man iiberdruffig ift, fo-
gleich nach Gefallen mit einem andem ver-
taufchen kann« znmabl da unlre Freuden oft
mit vieler Bitterkeit geniifcht iind.. Ich be*
bauptet fo feltfam es klingen mag» dals die
Vergnftgungen um fo angenehmer And, jefelt*
ner wir iie genufTen, und ani angenehmften,
wenn wir ihnen Widerltand thun» "Die £r-
iabrunglehrtes. Speife nnd Trank fchmecken
beller, wenn wir unfern Appetit nicht fogleicb
befriedigen» fondern ihn bis aufsAeudeiite kom«
men laffen. Um alfo die iinnlicben Vergniigun*
genim hochftenGrade zugenuffen, mulsmanfie
felten geniillen , mufs beym Genulfe alles » was-die
Be^ierde verft&rken und reitzen kamTi benn*
tzen, mufs dabey gegen feine Neigungen
6.Staek. E ^ k&m.
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— «6 —
k&npfen» und £6 dem Rdrper nicfat elier ma
befriedigen Terftatten , als bis fie durch Kampf
und Widerltand aufs Hocbfce getrieben lind*
Aber indem wir unlem Empfindangen
nachhangen, und k6rper]iche Vergniigungen
genuOent wird uns das Angenehmfte oft fehr
fchftdlicbt wie es den Thieren widerfahrtii
wenn fle der guten Speifen zu viel genuften.
Und weil uns daraus unangenehme iunpfin*
dungen erwachfen, Xbbald wir es inne wer«
den, fo fuchen wir uns von diefenj Ungemach
nach M^ghcbkeit zu be(reyen. Wie gliicklich
wftren wir « wenn alles, was uns Unluft und
Schmerz verurfacht,[(?had]ich, undiui Gegentheil
aDes» wasLuftund Vergnugenher?orbringt, im«
mer n&tzlich wftre : dann wurden wir nicht fo viel
Neigung zum Bofenhaben, umi das Gute und
Un(bhiidlicbe aus eignem Triebe luchen* In«
dem icb nnn die b^chften und dauemdlken
Vergnugungen mit EmHgkeit auffuchte, und
diejenigea -vermied« die nach dem Genulfe
Unluft geben: bemerkte ich, dals das hOcfa-
fke Vergniigen uns dann zu Theil wird,
wenn wir «nem Genuffe, der zwar iehr an*
genehm ift, aber aucb bisweilen, Zeuge der
Veraunft und lirfahrung, fciiiidiich wird,
feft
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- 67 -
feft widerfteheii und die Neigongen, die nns
zam Gegentfaeil ▼erfuclien, fiberwinden.
Diefeii Vergniigen ift grSffer, als die iinn*
Hchen alle: wie die Beyfpiele derer bewei*
feny welche der Welt und den finnlicfaen
Freuden entfagen und iich ein ftienges und
Freudenloles Leben erwilhlen. Diefe k6nnen
die innern Freuden, die fie genuITenf ntcfat
genug befchreiben und erheben; wie ihre
Schriften bezeogem Koch kriiftiger beweiien
es die, welche Martern aller Arten ausftan*
den» und miuen in der FJamme Zeicheu ih-
rer innern Freude gaben» ineinem Zuftande»
wo keine Verftellung Statt iindet. Allein faier
k^dnnen wir in groffe Irrthiimer iaJlen, wenn
nnlre Vemunft nicht gehdrig gebildet ifu Wir
Jind Menfcfaen, alfo unzahligen Irrthflmern
unterworfen, und halten daher oft etwas fur
gut) was uns ILuOerrt fchftdlich ift. So gewils
es alfo ift, dafs der Sieg aber b5fe Neigun-
gen ein groffes Verguiigen giebt: fo wenig ift
doch ein folches Vergnligen« eine folche See*
lenruhe, fo grofs fie feyn niag, ein ganz
ficherer Beweifs von der Gdte unfi er Hand-
lungen* Denn wir empiinden ein gleiches
Vergnugen, wenn wir in einem entgegenge-
£ a fetz-
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— 68 ^
femen F«lle» Ton fdlclien, aber uns wabr
fcheinenden, Voritellungen geleitet, entgei
gengeCeta^te Neigungen ilberwinden, dieaniicb
gut lind» uns aber b6le fcbeuien* Die Ge-
fchichte enthiilt Beyfpiele genung yon Men-
fcben^ die eben fo Itandbaft und mit der
gr6ften Gem&tbsrube die beftigften Martem
fiir eine fchlechte Sache erduldeten. Und
wenn ficb dann mit der Zeit unfre £inficbt
aufbellt, nnd vnr die Falfchbeit und Scbftd*
lichkeit deflen, was wir einft fur wahr biel*
ten, erkenneni dann entftebt Aeue nnd
SelbftTorwurf , die Qnelle der bitterften Leiden.
Um mich nun gegen folche Fo]gen zu ver-
wabren» nnd allein das Nuulicbe, d. b. alles
was mem Wefen erbalt und zvk meiner Er-
haltung beytrigt, zu fuchen» alles Sch^Uili*
cbe im Gegentbeil zn Termddeni undfo eine
dauenide und nnunterbrocbne Gl&ckfeeligkeit,
fo weit He es auf Erden feyn kanji, zu iin-
den; belcblols icb, mdnen Verftand aus2u«
bilden , und durch deffen Hulfe das wahrhafj
X^utzliche von dem bloXs Xcheinbar Niitzlicben
zvk unterfcbeiden.
Bey diefer Befch&ftigung genofs ich das
bocbftie und reinfte Vergnttgen, delfen ein
Menfcb
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- «9 -
nUug iSt* das Vergn&geii, welcfaes au< dem
Befitze der Wahrheit entfpringt, und womit
ich kein andres zu vergleichen weils. Das
werden alle zugeben, die jemahls eine Kennt*
nifs vieler und wichtiger Wahrheiten erlangt
haben: befonders aber die» welche fu weit
gekommen jind, Wahrbeit dnrch iich felbft
zu finden : gewifs haben iie es erfahren , wel-
che Freude es ihnen machte» wenn iie neue
Erfindttngen gemacht, oder einzelne niitzliche
Wahrheiten entdeckt hatten. Es hat Leute ge-
geben» die Jich durch keine Ueberredungs*
^&nde Ton dem Uebermaafs finnlicher Freu-
den zuriickhalten liefsen, die aber, fobald
Re die Freudeu der Wahrheit gekoftet hatten^
fogleich alle Vergniignngen des grolsen Hau*
fens fiir Nichts erklirten , alles andre vergaf-
len^ und fich Speife» Trank» Schlaf und alle
{Lbrigen nnnlicfaen Frenden verfagten, nm de«
fto freyer der Unterfuchiing der Wahrheit le-
ben zu kdnnen. Ja es hat Leute gegeben « die
lich fehr leicht und ohne Mahe Ehrenfte1)en«
Reichthum, und andre Freuden der Welt
(die Gdtzen der Sterblichen) haiten verfchaHen
k6nnen9 und dem allen freywillig entfiigten»
weil He furchteien» es nu3ciite ihnen in der
£ Uuier*
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Umerrneliung der Wahrbett hinderlicli leyn.
Das ift kein Wunder: denn wer gr6flere
Freaden gekoftet bat| Ulst gern die kleinem
fefaren.
6ey allen ubrlgen Vergnugungen konnen
wir getftafcht werden: hier niemehls. Denn
ans Wabrheit fliefst nichts als Wahrheit, nnd
alle Folgen derfelben find alfo nothwendige
und unbeftreithare Wahrheit. Aach dfirfen
wir nie heforgen, dafs wir eine fo feftge-
griindete Ueberzeugung jemahls werden £ln«
dern mUlfenf oder dals kiinftig einmahl ir*
gend ein Kicliier unfre Erfindungen fiir falfch
erkl^rt, unfre Irrthumer aufdeckt und unfer
Andenken Tertilgt. Das Wahre kann, wie
die Mathematiker wiffen, nie Falfch werden.
Kur mUCfen wir darauf fehen> dals wir Al-
les nicht aus WahrfcheinlichkMten, fbndern
aus rulctieu Griinden ableiten, die einem je-
den augenfcheiniich und von dem geringften
Verdachte der Faifchheit frey And« Wie w&re
cs fonft moglich, dafs wir heute noch Lefar-
£itze haben, die Tor zweytaufend Jahren er*
fnnden worden lind, und die auf den erften
Anblick zwar unglaublich fchienen, aber
dennoch fo gewiis iind| dafs £e his aaf die-
len
~ 71 —
Un Tag nocb Ton memandem widerlegt wer-
den komiten , and auch wohl inskl&uftige
ielbft Yon den fcharrrinnigrten Denkern nie
werden als falfcb erwiefen werden* Wahr-
heit allein ift unverftnder1!eh| fie allein kann
ihren Freunden Guther verfchafFen , die nie
rergehen oder lich Andern, lie allein kann
nns Freuden geben , die von Dauer iind nnd
iich nie in Lcid verkebren. Doch ura aUen
Irnhnm gftnzlicb 2u vermeiden, wird es
nothwendig feyn, dafs wir uns bey Unler*
fucbung der Wabrbeit kcinen andern Zweck,
ala das Vergniigen» welcbes iie verichallt,
vorfetzen, und dafs wir alle Begicrde nach
Kuhin und Lob bey unlern Zeitgenoiren oder
der Nachwelt unterdr&cken. Diefe Begierde
verurfacht Unruhe und Mngftliche Sorgen.
j^anche Eutdeckungen Icbeinen Anfanglich
nicht fo ntktzlichi wie iie nachher in der
Anwendung fich bewihren, und der Ehr-
geitzige bat alfo nicbts als unangenebme £m-
pfindnngen» wenn man den Nutzen feiner
Erflndung nicht fogleich anerkennt, er glaubt
Aun die gefuchte Ebre bey Andern nicbt zu
erlangen* Am unangenehmlten mnfs es dem
Ebrgeitzigen feyn> wenn er bey feinen Un-
£ 4 lejifu-
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terfuchongen aul nOtzUche Entcledninge&
kommtf die eber fchon lingft von Andem
bekannt gemacht worden Iind, fo dafs ihm
alfo der Auhm, nach welchein er Itrebt^
fchon ▼oraus entrillen i(L Hat der Ehrgei-
tzige ferner Nebenbahler um Bch, die mebr
Genie oder beOere Gelegenbeit baben, Ib
wird er iich bemHhen, ifanen heimfich ent-
gegen zu arbeiten. Und wenn er ibre tref-
lichen Geilieswerke fieht, oder )oben hdrt^
|b erwacht in ihm der qutiendfte Neid, und
eine gramliche Unzufriedenheit mit iicb» dafs
et das nicht felb£t entdeckt habe. Im Gegen*
thal, wer die Wahrheit blols nm des daraos
cntfpringenden Vergniigens willen fucbt, der
£ndet lelbft in dieJiBz. Dingen StofF zum Ver-
gniigen. Er hat hier noch mehr Gr&nde , den
Kubm zu vefachten» tbeils weil er iicb und
leine Kr&fte befler, als andre, kennt, und
lich folglich von Andern immer entweder «u
fehr oder zu wenig gefcb^zt Anden mUfte.
tbeilSt weU er Jich Gfinner nnd Neider zu-
ziehen wurde, die ihm Zeit rauben und in
dem Genufle leines Vergnugens ftdhren. Und
wenn der Nntzen feiner Sntdeckungen auch
nicht foglelch anerkannt wird, fogenugtihm
die
~ 73 -
dieFreude» dieAeihm macben. Er weilsy dafs
es nichts NiitzHcheres gielit, als diefe feine
Fertigkeit, immer etwas Neues zu entdecken^
eine unrerfiegende Quelie der wohlth&tigrteD
Werke. Man mii(s anch iiicht gYaaben, da(s
die Urheber niitzlicher Erfinduugen gleich An-
fangs darauf geriethen: Re hahen oft viel Ua*
ni&tzes vorher durchYerfacht. Und was das
ZufammentreHen mit Andern anlangt: lo muls
es ihm Frende feyn , Dlnge entdeckt zu lia*
ben, die fchon von den grdften Mannern zn
ilirem Ruhme bekaniit gemacht worden iind.
Da iemer noch unztthJig Vieles zu entdecken
ift, und er nnm6g1ich allein im Stande feyn
kann, das alles aiis der Dunkelheit hervorzu-
holen» fo wird es ihn frenen, da(s es Meh-
rere glebt, die zn diefem Gefchafte Fs.higkeit
beAtzen, er wird an Allem, was Andre ge-
fnndei» haben» oder noch finden werdeui den
freudisCten Antheil nehmen. Und wenn er es
filr Pflicht halt, Andern nutzlich zu feyn» fo
wird er diefe PQioht vorzi&gltch dann ausfiben«
wenn fich Gelegenheit zeigt, andcrn Erfindera
zu dienen: indem er andern dient, dieut er
fich felbfiy fo wie hinwicdernm die vernunf*
tiffea Wahrhaiuforfcher, wenn He auchdurch-
£ 5 aus
«tis keine anJere Abficht hfttteii, als lichrelblt
si&tzlicb zu werden , docfa eben dadurch anch
Andern niitzen wurden. Beydes iallt liier zu-
fammen» und keins ift obne das andre. Aua
diefer Gelinnung wftrde wahrer Seelen - Adel
entfpringen: da wir im Gegentheil, wena
wir h\o£s unfern Vortheil auf den Antrieb
unfrer Leidnnfchaften, und neben dcr Wahr^
heit auch noch £hre bey der Welt und der*
gleichen Zwecke fuchen» andem dnrchaus
fch&dlich werden. Der Uchte Wahrheitsfreund
wird endlich auch Andre wegen ihrer Entde-
ckungen nicht beneiden, denn £e machen
ihm ein Vergniigen, welches er fonft eut-
behrt h^Ltte, und konnen ihm zu andern wich*
ligem Entdeckungen behaiflich feyn. Wenn
man alles, was ich hier gefagt habe, wohl
uberlegt, fo kann nicin keinen Augenblick
daran zweifeln» dafs der Weile unendfidi
gllicklicher ift , als der Unwirfende. Unwif>
iende erlangen nie eine fefte Kuhe der
Seele. fiinmahlf weil Ae beynahe immer nur
auf das allein merken, was ihnen fehJt : da
lie nun diefes fiir lo wichtig halten; ob es
gleich gemeiniglich nur Tergftngliches GTut iA^
uod da ihuen natiirlich in jeder La£|e des Le.
bens
- 75 —
bens immer etwas febleti mn&^ fo finden jlie
hilufig Verarilairang zur Unluft. Zweytens
aber feben fie nie oder felten auf das, was fie
wirklicb baben^ nnd weil ite den Werth da*
von nicht kennen, fu ift ihre etwanige Freude
dariiber kindifch und tb6richt. Sie lind alfo
in beyden FHllen, wenn fie etwas haben,
oder nicht haben, niemahls wahrhaft fiolich.
Der Weife hingegen achtet nicbtaiif das^ was
er nicfat bat: denn er wafS) da(s diels bey
einem endlichen Wefen, auf welcher Stufe
der Vollkommenbdt es fteben mag, nicbi
anders feyn kann. Nocb Txel weniger wird
er fich dariiher betriiben, denn er weilis, dafs
es eben fo thdricht w&re, als wenn er fich
tUaaher betr&ben wollte^ dafs die drey Win*
kel in einem Triangel nur zweyen, undnicht
vielmebr drey rechten Winkeln gleich fmd*
Er ricbtet f«ne Gedanken auf das Gute und
auf den Werth des Guten, welches er be-
fitzt Sne Betracbtung) die die r^Ite Fr6«
liehkeit in ibm wirken mols. Denn er fin-
det hier
ErftenSf dals der Weife einen viel frey-
ern Geift, und unermefslich viel Kraft vor
dem UnwilTenden voraus hat: fowohl wegen
fei*
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- 76 -
feiner groffern Einfichien, als auch wegen
der nnz&hligen Hindernifle nnd Vornrtheilei
▼on dcnen er, als ein Weifer, frey ift, und
die bey Andern allen Fortfchritt in der £r-
kenntniOi der Wahrheit nnd a]le Wirklamkeit
hindern : da er hingegen unzahiige Entde-
ckungen machen kaan» die Andre nur be-
wttndern^ nicht nacbmacben kSnnem Daza
kommt, dafs er feine Veifucbe fo einzu-
richcen verftehty wie fie gemeinntttzig werden
k6nnen» Ibitt dafs Andr« mit groisem Auf-
wand von Zeit und Kuliea ganz unniitze Dinge
probireni wenn iie nicht etwa das Gliickha-
ben« wie jener Hahn, eine Perle zu Bnden*
Der Weife wird feine Leidenfchaften leichter
Hberwinden und iicb eine grdllere Kube der
Seela erwerben* da Leidenfcbarten immer ans
faJfchen Vorausfetzungen oder Vorurthcilen
entftehent und er fich$ zum GefcbAft macht»
diefe aufzufucben nnd zu ?erck*&ngen*, Und
wenn auch andre fich bemiihen, ihre L^iden*
fchaften zu beli^en; fo ift doch der Weg,
den fie gehen, febr mQhfam, nnd, was das
Schliramfte ift, immer ungewifs. Denn durch
die Mittel « wdcbe auf der Furcht vor Strafe^
oder enf der Hofnang einer Belobnung bern*
henf
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— 77 —
heiTi wird dia wabre Uriacbe der Leiden»
fchaften nicht weggefcbaft: nnd da diefes
nicbt gefchieht, fo ift es kein VVunders wenn
Jie bey Gelegenbeit Ton jedem neuen StrQaae
fbrtgerilfen nnd Terfehlungen werden» Der
Weg hingegen, den der Weife einfcbliigti ift
nngleich ▼orz&gUcber ^ er ift leichteri denn
der Widle kennt die wahre Quelle der Lei-
denfcbaften und yerftopft fie* er ift iichrer»
denn wenn einmahl die Wurzel derfeJben her<
antgeriflen itk^ fo darf man mcht fo fehr be«
forgen, dafs iie bey der erften beften Gele*
genbeit wieder ausbrechen werden. Endlich
der Weife kann lieh wegen feiner grOfTern
Einficht weit leichter Gefundbeit und Seelen*
rnhe TerfchaiTeni als andre, die durcfa ihre
Handlungen beweifen, dafs Thoren keine
gr6lXere Straie baben k6nnen, als ibre Thor*
hrit, fo wie )ene hingegen durch die That
erkennen, dafs der Weife keinen belTern
Troft babei als die Weisbeit»
Zweytens wird er inne werden, da& der
Weife weniger Leiden hat, d. h, frey von un-
z&bligen Wimfcben, Sorgen nnd Bek&mmer»
niCTen ift, wonut iich andre aus Unwiflen-
heit oder aus Vorurtheiien uber das Ver*
gangnti
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- 78 -
gaagfie, Gegflnw&rtige und Kflnftige qnalen*
Was die Menfchen am meiften beunr»ihigt und
martert» ift gemeiniglicli nur eingebildetes
UebeL Vieles, was nns in derNacht fcbrec&«
te, verwandelt der Tag in Lachen. Und.
wem nun das Vermdgen zu Theil geworden
ift» lein Gemlith Yon der Qual eitler Sorges
zu befreyen , wer das mit den gewdbnlichen
Vorf&Uen des I«ebens Tergleicht, der wird
erkennen, wie groCs diefe Gl&ckreellgkat ife.
S^ne Gedanken werden gewifs dem gleicheoi
was Lncrez im Anfange des zweyten Bachc
fagt:
jLuffXuikm ifU , Tom Ufer herab cUe brauCendea
Wellai
Und ih Nodi inid Ge&hr d« mgeBdea S6biL
fers zu iehen,
Nicht* als £mitea wix uBt. wena Andw» neboi
wu IddeBi
Abcr« eiu Uebel zu fehn, von dem wir telbcx
beficeyt liiid»
Gtelyt mit firohas Gefishl ik L w.
Drittens wird er Hnden, dafs der Weife
mebc Freudeni d» h. das VermiSgea hat^
taufend Freuden, d!e andem unbekannt blei-
ben, aucb bey dem einfamften Leben» in
£eh
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— 79 —
fich 2tt crwackent Freudeii« dle uns nie^
wie etwa die fmnlichen, zum Ueherdruls
werdeni die mit jeder neuen wichtigen Wabr-
faeit zunehmeni und die er baben kann, fo
oft er iiberlegt, wie wichtig das ift, was er
weils« und wie wenige dazu gelangen. Er
faat hier nicht ndthig, feinen Neigungen zu
widerftehen, eine grofle Schwicrigkeit bey
moralifcben Har^lungen: ja er kann einer
fo edd]n Neigung nicht genung nacbhdngen»
weil alles, was zum Guten ftreht, um fo
beffer, }e eifriger, ift, und weil clie Freu-
den, die daraus flieCren« fo iicht Jind» daft
man kein Uebermaafe fQrchten, keine trau-
nge Stohrungt keinen Eckel beforgen darf.
Wir kfinnen nichts BefCieres, nichts Edieres
tbun, als uns mit der Erforfchung derWahr"
heit befchiifiigen , und eine fo vortrefliche
Befchftftignng mufs die reinften Freuden ge-
wiihren. Wir lemen ia Wahrheiten, die
nns in den Finfternilfen des Lebens» wo es
fo fchwer ift^ licher ^nherzugehen, wie
die hellften Fackeln vorleuchten: Wahrhei*
ten» ohne deren Erkenntniis Andre fo un-
Jicher gehen, daJs ihre Handlungen» wenn
£e ibnen auch noch fo gut fcheiaen, dem
Weifan
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— 8o —
Wttfea #niir wle die Icbwankeiiiien Schriue
eines Tappenden oder Betranknen TOrkom
jnen. Eine gebildete Vernunft macbt endlich
wckf. dalk wir die Freuden der Sinnlicbkeit
nnd der Tugend befler, aU es fonft ge-
fcbiebt) emptindent dals Re nie in Leid ver«
kebrt werden, nnd znr Kube nnlerer Seele
beytragen. Etne gebildete Vernnnft giebt une
Regeln an die Hand, wie wir alle Fren-
den — der Sinnlicbkeit» Tugend und Wabr*
beit — - g^ntlfTen follen, obne da(s Re uns
Icbaden; fie lebrt uns nebmlich, diefelben
nur in £o weifc zn genuflen) als be unfere
Fortrchrttte in der Erkenntnils der Wahrheit
befordern, und davon abzuftehen, wenn iie
der Ausbildung unters Geiftes fcbadem Alle
diefe Betrachtungen Oberzeugen nns, dafs
nur aus der Erkenntnifs der Wahrbeit die
wabre Tugend und aus dieler die ▼oUkomoine
Ruhe der Seelc entfpringt, wekshe die Welt
nicbt kennt: oder, dafs diefe drey, Weis*
beitf Tugend und Seelenruhe in einem Men«
fcben nur beyrammen und ungetrcnnt Statt
biiden» und dafs in diefen drey Stiicken 2u«
iammen, das b6chfte Gut befteht^ was uns
in diefem Lebeu auf dem natutlicheii Wege
7.U
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^ 8t — ,
cn Theil werden kaniu Wenn ich nim dSe*
fes Alles genau prtife, fo kann 5ch mir nichts
deukenj was uns mehr antreiben k6nnte»
nach dem Beiitze diefer &chten nnd Ton uns
ahbaDgenden Giither zu ftreben, nichts, was
uns Jeichter uiid ichneller dazu verhelfen konn"
te» als der Weg, auf dem wir alles Unan*
genehme von uns entfemen* und fo nHtzIicht
Freuden erlangen kunncn.
Genung, um zu zeigen, wie und auf
weiche Art ich die vornehmften Gattungen
Ton Frenden beobachtet, ihren Mifsbrauch
benrierkt, und ihren richtigen Gehrauch he*
ftimmt habe» fo da(s ich leicht und ohne zu
irren beurth^len konnte, was mir unter al-
len das grofte und dauerndfie Vergniigen ge-
macht habe^ und dais ich folglich behaupten
kann: der befbe Weg» den man in diefem
Leben gehen kann, fey der Weg der eigaeii
Sntdeckung der Wahrheit.
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82
Zweyter Theil.
BMUitoortw^ tfer Prmge: Wie fimdem «cr
Wahrkeu?
Aber wie gelangen i[i4r in den Befi» dcr
Wabrheit? £i mufs eine WineDrcbalt gebeo,
die ntu daza TerfaiUt; dieie WilTeiilcbaft wnrd
die flHgemeinfie nnd erfie, die QueHe aHer
fibrigen, der Weg zu allen feyn: von ihr
wird erit der Werth der ubrigen beldnunt:
fie fetzt nns in den Stand, unTerinderficfae^
ewjge Guther zu erlangen: fie erhebt uns
i&ber die MenfcbHcbkeit nnd biingt nns in dne
Gemein&baft mit Gott, der Quelle aHer
Wahrbeit.
Die Philoropfaen Ton gemeinem Schlage
kennen und lehren fie nicbt. Der VerfaHer
fand he in der Matbematik irorgezeiGhnet, et
ift die Brfindungskunft, die Algebra der Phi*
lofopbie*
— «a —
Erfter Abfchiiitt.
Princip der menfeklieken Oewiftkeii^
Criterium der Wahrheit,
Unfer BewuHstiieyn lagt uns: dals wir ei*
niges Legreifen, einiges niclit begreifen. Dals
da« Ganze graner fey, als Teine Theile, be-
grdfen wir ; aber dafs dac Ganze kleinerrey»
als feine Theile» begrufen wtr nicht. Jenes
erkJ^en wir fiir wahr, diefes fur falfch. Je-
nes mula alfo b^reiflich, diefes unbegreif-
jenes bejahens dieJes vemei-
nen wir.
Der Satz: niniget ifl hegrei/lick, einiges
unbegreiflich <i ift der Grundfatz der menfch-
Hchen Gewisheit. In ihm iind alle die Prin-
cipien, welche yon Andem aufgeftellt wor-
den, entbalten. Denn was heilst z, B« der
Satz: Atts Nichts wird Nichts» anders» als:
•ns etwas UnbegreiBicbem kann etwas Unbe-
greifliches nicht hergeleitet werden? Oder
wenn man fagt: £s hh unm5g]ich, dals et«
was zugleich fey und nicht fey, [o fagt man
im Grunde : Eine Sache kann nicbt zugieich
begreifliob und unbegreiflich feyn.
F 2 Aus
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— 84 -
Aus dexn angegebnen Satze folgt nothwen-
Sgt dalis wir txa VermGgen liaben, etwat
zn begrelfen, und das G^entheil daTonnicbt
zu begreifen. Diefes Vermogen nennen wir
VerftamL AUe ▼ern&nftige ]\Ienfchen haben
ein folchet Vermdgen: clenn alles, was be*
wiefen werdcu fol], wird entweder auf et*
was Erkanntes oder BegreiBioheSf oder auf
etwas Unmogliches oder UnbegreiAicbes za«
rlick»eruhrt. Und da nun alle Menfchen
durch Beweife uberzeugt werden^ fo m&ilen
alle Menfcben ein folches Verm6gen habem
Aufer dem Verftande aber glebt es noch an-
dere £rkenntnisverm6gem Wir bekonmien
Vorftellongen , durdi die ftaferr Sinne, und
aucb durch die innern , iui letztern Falley
ohne dals ein ftuferes Obiect gegeben ift. AUes
das faflen wir unter der Einbildungskraft zn-
fammen. Der Verftand hangt mehr von uns
ab, durch den Verftand begrei/en wir^ die
Einbildungskraft 1%fst uns blos wahrnekmen: der
Verfund ift thatig^ die £inbildungskrafc
leidend»
Um alle Irrung zu Termeiden, miifs
man unterfcheiden Zwilchen etioas begre{fen
uiid fich von etwas einen Begrfff macken: das
erftre
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— 85 —
heifst, zitfey Begriffe verhinden, Was icli niehl
begreifen kann, das kann icbmir aucli niclit
Torrtellen (einbilden) z. B. dafs das Ganze
kleiner fey, als feine Theile. Aber was ich
mir Torftelle (einbilde, durch die Einbildungs-
kraft wahrnebme) das kann icb begreifen,
aber von einigem kann ich niir keiiien Bo:^rilT
machcn» z. B. von der rotlien Farbe. Daher
kommt es, dals allcs Unljegreiflicbe ft^rker
auf uns wirkt, weil wir es weder begreifen
noch auch uns einbilden kGnnen» und dafs z.
B. Beweife ad abfurdum raehr ausricbten, a)s
oftenfive. Wir baben uns dabey felir zu hii-
ten, dafs wir nicht glauben» etwas zit be*
greifen, was wir uns eigentlich nur einbilden.
Aber woran erkenne icli, dafs 'n \\ wirk-
Hcb etwas begrifien habe? Vorausgefetzt» dafs
a1]e Menfchen gleicben Verlland baben, wie
oben bewicfen ift, fo mufs ich alles, was
ich begreifen kann, aucb andern ver(t&ndi«
gen Menfchen begreiflicb machen k6nneny und,
was niir unbegreiflicb ift, mufs es auch An-
dem feyn* Das beweifeu die matbemailfchen
Demonftrationen. Im CTegentheil alier i(k es
ausgemacht, dafs tlie ]]inhiltlnu«;^ki aft nichl
bejr allen Menfchen gleich fey % iiihI d^fs wir
F ; uif^
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alfo anrre Wahrnehinuiigeii nioht Immer «n«
dern niittheilen konnen. Wie konnten wir z*
B. dein Blinden Yor£te]langen von Farben bey*
bringen? Hierans Bielst folgende Kegel:
Wenn mir etwas beliannt ift, was dem
andern unbekannt ift , und icli Bnde»
dafs ich in ihm diefelbe Erkenntnils» die
ich davon halie» und fo ToHkommen»
wie ich fie habe, durch blofle Worte
hervorbringen kann: fo kann ich gewils
feyn, dafs ich die Sache mir nicht blos
einbilde) fondern iid begreife*
Wenn das nicht mogllch ift: £o kann
icb ficber feyn» da(s icb die Sache nicht
begreife, fondern fie mir nnr einbilde.
Weun ich endlicb iindei dais ich dein
Andem nur Einiges von mdner £rkennt*
nifs mittheilen kann , Einiges aber nicht:
fo kann icii daraus fchliedeni dals ich
nur jenes begreifet diefes aber mir ein*
bilde.
Wer z* £. noch kein Feuer gefeben» nnd
deflen Wirknng erfahren hat, dem kann ich
mit allen luui^lichen Worten keine Kenntnifs
^avon beybringen: eben weil Fener kein
Gegen-
Gegenftand des Vicrftandes, fondern der Ein-
bildangskcaft ift*
Alle Einwendangen, die man gegen das
aufgeftellte Princip der Gewifsheit machen
k6nme« kommen aaf folgende Tier Uaupt-
puncte hinaus.
s. DieCes Princip, wftre es auch noch fo
gewiis, ift doob Ton keinem Nutzen
bey Erforfchung der Wahrheit,
2. £s ift nicbt das achte Princip.
3. Es ift nicht unbezweifelt ge^is.
4. Andre haben beffre Prindj^ aufge-
ftellt.
1. Diejes Priacip ift ohne Ntttnen Bey Vnter-
fuchung der Wahrheit : denn alles, was darau«
abgeleitet wird, kann ja vielleicbt nur in un-
fern Vorfkellungen» nicht aber an fich wahr
leyn.
Zugegeben, dais nacb der Meynnng der
Scepdker alle Dinge nur Schein find : gilt
das Princip doch, um den dauernden Schein
Tom nicht dauernden zu unterfcbeiden » und
der Nutzen defTelben ift in diefem Falle eben
fo groCs.
Ueberhaupt aber gehSrt dUe Frage ; ob die
Wahrhttt in meiner Vorftenang aucfa der
F 4 Wahr.
— 88 —
Wahrheit der Gegenltande an Hch entfprcchei
nicht in die erfie Fhilorophie. Sie gehdrt da*
liiii, wo vvir dleNatur des Vei ftandes a priori
unterrucheu. Sie ift hier nicht nothwendig.
Denn da mich mein Bewulstfeyn lehrt, dals
icli clniges begreife, einiges nicht: fo kann
ich auf diefes Factum ungeftdhrt fortbaueny
ohne dafs ich zu wififen hrauche, wie die
Dinge an fich befchaiicn iind. Ich habe eine
Hand, und kann Re eben Xb gut brauchen»
ohne ihren iunern Bau zu kenneD» wie der
befte Anatom, der diefen Bau kennt.
2. Es ijt nicht das Uchte Prindp. Dennwenn
das Kriterium des Wahren und Falfchen im
Begreiflichcn und Unlicgreiflichen lilge, fo
w&rden doch die fcharffinnigfien und Geift*
reichften Denker nicht fo grode Irrdifimer ge-
begt halicn. Solche IVlanner miiffen doch wohl
begrifTen haben, befonders einfacbe Ideeut
wie die Principien felbft lind. Aber wie un«
einig Hnd fte alle unter einander!
Antwort: Nicbt alle Irrtbumert die wir
Ih Andrer Schriften finden, geh6ren auf die
Kechnung der Verfaffer , die meiften find in
nnferm dgnen Kopfe» Wir lefen oft nur, um
zu tadchi und zu widcrlegen , oder wir le*
fen
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- 89 -
fen zu fliiclitig, oder wir (chieben deii Wor*
ten des Verfaffers unfre Begrifte unter. Aucli
find die Irrthamer grofler M&nner niemahls
fo grols nnd abgerchmackt) wie lie Manchem
fclielrien, und iri jedem fFalle vernunftigcr,
aU die Ideen des groilen Uaufens. Die Unei-
tugkeic nnter den Denkem ift auch bey wei-
«
teni fo grofs nicht « wie inaii iie maclit.
Hierzu komrat noch, dalk allerdings grofle
Genies fehr leicht irren kftnnen, weil wir,
wie erwShnt, uiclit blofs Verfiand, fondern
auch EiiihilUungskraft haben und folglich fta-
fem Etndriirken unterworfen /ind.
3. Dieft s Princip ift nicht ausgemacht gewifs:
denn es giebt doch unz&hligfe Dinge, die wir
nicht begreir<*n kAnnen, nnd die dennoch
wahr iind, iiaLurliche fowohl z. B. die Z.ihl
der Sterne) aU ubernatarliches alie Lehi«n
der Offenbarung.
Antwort: Man vergeffe nicht den Unter^
£(Bbied zwifchen Begreifen und lich einen Be-
griff inachen. — Was wir gar nicbt begrei-
fen konnen, das ift Fiir uns unbekannt, und
wir wiCfen alfo auch nichr, ob es fa1fchift« —
Ueliematfirliche Dinge gcbuien zu dem, was
wir mit dem Verftande nicUt begreifen kdu«
F 5 oen:
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— 90 —
nen: fie kdnnen aber detwegen immer ge-
wifik feyn. — Endlicb gilt der obige Grund*
latz nur yon etnfachen oder folcfaen znTam*
mengefetzten Begriifen) dte in etnfaciie anF
geloft weiden konnen.
4* yon andern find heffere Princtpien a^fge»
fteUt vtorden, Man mo(s folche Pnncipien an*
nebmen , an denen wir ^ keiner KuckHcht
zweifeln diirfeni wobey iich unfer Bewufit-
feyn ohne Schwierigkeit beruhigt, oder, wo«
¥on man immer eine klare und deutlicbe £r-
kenntnifs hat.
Antwort: Allerdings find foldie Prioclpien
JViittel zur Wahrheit. Aber woher foJIen wir
Jie nehmen? — Und inder That n8hern lich
alle Syfteme Anderer dem gegenwftrtigen:
maiLTergleiche» was die Carte/ianer Xagen.
Zweyter Abfchnitt.
Wie kdnnen wir in der Rrkenntnifs der
Wakr heit mit S icher heit /ortfGhrei»
tenf
Alle erfte Begriffe m6gen D^nitionen heif-
fen» darant hergeleiteten Eigenlchaften
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Axcome, und die aus diereii abgeleitete Wahr*
lieiten Tkeoreme*
I. Von Delinitionen.
DeHnition ift das erfte» was Ton dner
Sacfae begriffen wird* Hierbey ift zn be*
merken :
a. Wir k6nnen Delinitionen machen, denn
wir kdnnen beobacbten^ was an jeder Sache
frflher oder fpatsr begriffen wiid, und was
das allererfte ift, das nehmlicii, vor dem
fidb nichts noch fr&heres begreifen Iftfsv»
h. Jede Definition eines einzelnen Dinges
rotils die erfte £utftehungsart deHeiben niit in
lidi rchliefifen: denn diefe ift das Er&e bey
iedem Dinge. Eine untriigliche Regel beym
Erimden und Beurtheilen der Dehnitionen.
Wenn z. & die Definition des Lachens gut
feyn foll, fo mufs fie fogleich Lachen erre-
gen. So ift CarteAus Definition von der Be*
wegnng fehlerhaft, denn fie zeigt nicht die
wahie Natur oder Entftehung der Cewegung.
Denn wenn fie wegung nichts ift, als Entfer-
nung eines KOrpers yon ^em damit zufam>
menhangenden : wiirde daraus nicht fo1gen>
dafs beyde« der ruhende nnd der bewegte
K5rper fich bewegen? n. £ w.
— —
c. Wenn eine rulche Defipition gcgeben ift,
fo Andet iiber die GewiGbeit des Definiti kein
Zweifel mehr Statt. Denn was idi begrilTen
habe, an deffon Be|^i eiflichkeit kann ich
nicht inehr zweifeln: und wenn icb Jeman-
dem die fintftebung einer Sacbe zcige, niu&
ibm aiicli die Moglichkcit derfclben einleuch-
ten. In der DeHnition elnes Dinges muls die
Wirkung denelbei& bertimnit feyn* Daher
Hnfi die Deriiiitionen von der Tugend nicht
weit her: denn wer erkennt daraus, da£6
Tugend das Vorzuglicbfte fey, da(s lie gliick-
lich mache u. f. w. IVIan follte fp denniien;
Tugend ift wahre Vervollkommung oder Ver*
belTerung unfrer Natur nach den Gefet^en
der gefunden Vernunft.
Hieraus erhellt^ dafs die Forderung der
gewdhnlichen Philofophen nicht Ton BeUinge
fey: eine Defuiition mutTe aus Gaitung und
Unterfchied beftebcn. Das alies ift in dem
BegrifFe der Entftehungsart mit enth^lten. Auf
dem lichligern Wegc lind die, welche in
die DeHnition die wirkende Uriache mit auf«
nebmen»
Wle foll nian Dermitionen finden?
Krfie Kegel:
Wenn
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- -
Wenn wir einen Gegennand behandeln
wollen, nnd nun alle Vorfte]lungen i die
wir davon liaTien, durcblaafen, niflflen
wir keine fpeciell, fondern alJe, fo yiel
xndglicli, allgemein betrachten : dann anf
die Acht haben, die uns verfchiedentlich
afiiciren» und dabey fo viele Gattungen
-fertietzen, als wir Verlcbiedenbeiten be*
merken, iiberall aber uns hiiteni keinc
diefer Gatiungen zu uberfehen.
Jede diefer Gattunsen mufTen wlr nun
nach derfelben Piozedur wieder betrach-
ten: und alle neuen verfchiednen Gattun*
gen eben fo behanddn.
Dicfes Verfahren mufs fo lange fortge-
Xetzt werden^ bis wir auf folche Gattun-
£[611 kommenf mit denen ^e &brigen
Dinge niclits gemein, fondern die, jede
ibre verfchiedne Entftebungsart baben*
Gattungen der Dinge find die, welcb»
mehrere Dinge von verfchiedner Entftehungs-
art aber gemeinfchaftlicher Natur imter iich
begreifen.
Unter Verfchiedenheiten find hier nicht fo-
wolil ^ufere, a)s innere zn verfteben.
Wenn wir alle unfre Kenntnine» die xtnr
durch
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durch Sehcn, Lefen, Horen, erlangt lia*
beD« Ib aaf eineo Haufen zalammen tragen:
fo entfteht daraus ein verwirrtes Chaos. Lafst
Re uns nun n&her zerlegen: fo werden wir
folgende Verfcbiedenheiten darinn flnden.
Einige davon hahen mehr \^'ahrnehmbare,
als begreifliche Gegen(t&nde; wir kdnnen lie
fimtUehe^ imagiiuAU Dinge^ oder Brfckeimut'
gen nennen.
Andre find von der Befchaffenheitf dafs
wir Re begreifen, anf mannigfaltlge Art be-
greifen koniien ; Figuren, Zahlen, u. d.
BatiotuUe oder Mathemati/cke Obiecte*
Nocb andre laffen Jich nur anf Eine feft
beftiniinte Ai t begreifen : fie find gleichfam
uiit una gebildet: Gegenlk&nde dieler Art er^
kennen wir nor ak exUtireiid. ReaU oder
fhyjifche Ohiecte.
£s giebt alfo dreyerley Obiecte der Et^
kenntnilsy und mithin auch dreyerley Wir-
kungen des Erkenntuirsvermogens , Einbil-
dungskraft, reine Vemunft und Verltand.
Was nun fene Obiecte betrift: fo begrei*
fen fie wieder mehrere Gattungen unter licb»
1. jy%» JianUekieni dazu gehOren
«. felcfae« wosa die Gegenwart Anferer
Din-
IXiige erlbrdert wird: Gegenft&nde des Ge*
jichts, Geh6rs» Gefiihls u. f. w. — £;n-
jpfintUiu
b. folelie, welclie Yon jenen abgeleitet
find: Vorftellungen abwefender Gegenft^de)
Bilder. Eiabiidettm
c. folche» die wir unt nlcht gegenwArtig
macheni und vorftelJen konnen, ob wir fie
gleich wahmehnienf z. B. Schmer2» Freod^
Hais, Hiinger u. dgl. — ^fftcirtwerdetu
Mehr kann es deren nicht geben.
2. Die rationaiea^ oder mathematilSBhen*
Hier ift zu bemerken:
a» Sie find entweder gleich oder nngleich,
im letztem Falle entweder grofler oder
kleiner.
b. Das ToUkommenfte Be^fpiel ift die grade
linie.
c. Die Kenntnifr aller mdgHclien krnmmen
Linien ift in der Mathematik der Weg» alies
Unbekannte zu entdecken*
3. Die phy/ifchen,
Hier ift nur der al]getneine Unterfchied
der KOrper zu bemerken^ dals fia entweder
ruhen uder Rch bewegen*
Zwey
- 96 -
ZweTte Regel:
Wenii man Alles auf die letzten Gaitun*
gen zuriickgefuhrt hat, fo muts mindieCe
iD ihrer Ordnung beirachteny m jeder
deiTelben die Dinge einzein unterrucben»
uiid auf das Ge.iieiofchafillche derfelbea
Acbt haben. Dlefes Gemeuirchaftliclie glebt
die Elemente der DeAnition.
Aus demfelben alfo muls mait die De*
Hnjdonen bilden, fo dals man emigesda-
Ton als icit» einiges als unbeftimmt an-
nimmt, und aus der richtigen Verbin*
dung Yon beydem die Entftehung d^
Dlnges ableitet.
Diefe £Iemente mu0en auf aUe mogli*
che Arten mit ei&ander zulammen geltellt
werden,
Dritte RegeL
Haben wlr eingefehen, wie erlVe Be-
griife auf alle mdgliche Art zu bildenrmd:
fo miilfen wir nun diefelben fo ordnen»
dafs iie auf einander in der Zahlordnung
folgen, nach welclier mehrere Elemenic
anf einander folgen follen , oder je nach-
dem eines des andern Dafeyn vorausfetzt,
und Ib» dafs das Mogliclie der erftern
auch
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— 97 —
auch hernacH in letztern ingetroffim
werde.
Danut mnfi maii fo lange fortfafareii«
bis fich der Fortgang der^ben in8 Unend-
liche zeigt.
M&n muls dabey dnrch Beweife des
Unmoglichen zeigen, dafs mehrere oder
^on diefen Terfchiedne Cegrifie hch * nicht
bilden larfen.
|L Von Aicio men.
Axiomelind» aus Definidonen abgeleltete
Wahrheiten.
1« Sie hftngen alfo Ton Definitiojien ab»
und man muCs fie nach diefen pr&fen«
2. Es iCt unriclnig. wenn man fagt, fie
Teyen allgemein verftiindliche Wahrheiten; man
lemt dadnrch anch immer nieht» wie man
Axiome finden kann*
3. Man darf keine Axiome aufnehmen» als
die ans einer Definition abgeleitet, und zu ir«
gend einer Unterfuchung nothwendig fiud.
UL Tkeoreme»
Aus der Verbindung mehrerer Definitlonen
entftehen neue Walirheiten ubddieCe heiCsen
6. SiticK G Theo.
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- 98 -
Theoreme. Einlge find ganz allgemein^ «ndre
fpeciell. Dle fpeciellen Falle ocler Folgerun-
gen der Theoreme m6gen CoroIJaria heiUen.
Ueber Probleme: ganz mathemgtirch*
Dritter Abfchnitt.
IVie konnen wir die HinderniJJe bey Unterfuchung
der Wahrheit h^egenf
Die vornehmfien HindernilTe bey Erforfchung
der Wahrheit lind IrrthUmer, Siehaben ihren
Urfprung iTi der Einbildungskraft, und ent-
Itehen auf folgencle Art. Alle ilufcre Eindru-
cke machen, dafs wir entweder Dinge als
verfchieden betraditen, die es find; oder als
verfchieden, wenn fie es niclit iind; oder
als einerley» wenn fie Terfchieden find. In
den letztern beyden Fallen entfteht Irrthum:
und diefer Irrthuin iindet bey hnnlichen, msf
thematifchen und phyfifchen Erkenntnifleii
Siatt.
Mittel dagegen:
1. Anwenduiig des Verftandes, Unterru-
chun^ der Sache vou vorn an, lUickgang auf
das erfte Princip der Gewiisbeit.
2«Da*
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a. Dabey kSBBeti wir uns itft geregdten
^inbildungskraft mit bedienen, wenn wir
o. Terrcbiedne Ausdriicke fur die ver*
fchiednen Begri£b brauchenf
b. die verfcbiednen Begrifie durch Cliarao*
tere z. B. Buchltaben bezeichnen»
c. oder Mafcbinen anwenden, wie z» B.
Leibnitzens aritbmetirche Mafchine.
3. £in gates Mittel iiod £rfahrungen» £jc-
perimente.
Ein anderes Hindernife cntfteht daraus,
dafs wir das Bekannte geieohnlich nicht fehr ach*
ten nnd folglich nicht aufmerkXam darUber
nachdenken.
Idittel dagegcn:
1. Auffachung des Allgemeinen in nnfem
KenntnirCen.
a. Hiiunge Verfuche, aus denlelben neue
Wahrheiten abzuleiten.
3. Eine griindliche und wiffenfchaftb*cbe Er-
kenntnifs Ton dem, was una am haufigrcen
Torkommt.
Ein drittes Hindernifs verurfacht das be-
ftftndige Fragen naeh dem augenblicklichen Nw
ixen einer Kenntnils, und die Gleichgultig-
keit gegen diejenigen, die nicht fo gleicb als
G *2 uiktZ'
nutzlich crfcbeiiieny die nicbt de pane lu-
crando find.
!• Wir follen Wafarheiv am ihrer felbfi:
willen fucben, und jede Wabrbeit ift durch
iich fieibft nutzlicb.
2. Es ift Pflicht, aiit minder nHtsllcfa fcfaei*
nenden folche z\x entwickeln» die wahrhaft
nfitzlich find«
3. Wir wiflen anch nicbt iuuner^ woztt
eiuQ Wahi heit nutzlicb Icyn kann. Zeigt dem
UnwilTenden eine JMEagnetnadel» welchen Nn-
tzen wird er wohl davon erwarten? — Aue
den geringften Beobachtungen find oft die ge-
meinnutzigften Erfindnngen entftanden.
Anch Uble Laune gehdrt za diefen Hinder-
niiTen: wir fii^d nicbt immer zur Unterfu-
chung der Wahrheit aufgelegt.
1. Es ift aher mdglich, iich dne beftfin-
dige gute Laune zu verfchaflren. Die Urla-
chen der Ikblen Laune fiud niaftent nur Aa*
fere, und diefe kdnnen wir in unfre Gewalt
bekommen.
2. Das befte Gegenmittel ifk gnte Hftethode:
durch iie k5nnen wir Fortfcbritte macheni
felbft wenn wir nicbt aufgelegt find.
d* Wir m&flen unfre Srfahrung zu Rathe
zieben.
lOl ^
aaehen* WeBn wsren wir am beften aufr
gelegt? Der Verfaffer lagt von fich, er habe
am gl&cklichrten ftudiertt nach ^em m&f-
figen Mahley dae gehdrige Zeit nach dem Et"
fen, in der Nacbt, vor Tagesanbruch, im
Winter» nach der Lectlire ryftematirqher
Schriften, nach elner Unterhaltung mit M&n-
nern von gleicben Studien» nacb einer kur-
sen nnd miifAgen Zerftrenungy nach eiuer
frQditlgen Bewegung, mit der Feder in der
Handy nach dem Aufbdren eines groffen Ge-
rftulches, in wel6hem er lich jedoch auclt
denken gew5hnte. — Diefe UmftSnde
woh]gemerkt, mu[s man den Augenblick der
guten Laune gewilfenhaft benutzen, undnicht
ga,nz gerelllbhaftliche Unterhaltung fliehen, nm
nicht pedantifcb zu werden und mit Ueber*
drufs ZB arbeiten*
Funftens ift auch die Erfchlaffung der Seele
bey einer allzuproflen Anrtrengung ein Hin-
demils des Studiums.
I. Man mufedaher eine Unterfuchung, die
man vor }iat« theileni und fie StuckweLfe
behandelm Denn die Einhildangskraft» die
hier fo gefchaftig ift, fafst zn vlcl zufammcn,
will ftlles mit Einer VorlteUung begrei-
G 3 fen.
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fen, ttod TerTieUUdgt die GegenfiSnile «u
lehr.
3. Die wahre Metbode ift Ton groireia
Natzen. Denn Re redudrf eHes aof einfache
Gr undfaltzey und erleichtert alTo die Ue*
berAcbt*
3. Man mu& felne Einbildnngskraft« fo
viel es fich thun Ikfst, ausbreiten , und feine
Gedanlsen liziren durchc mederfchreiben*
(hier giebt der Verlafler eine treflicbe Ail-
weifung zum fchriftlichen Denken) und durch
die Lectttre anderer Werke* Uebcorbaupt
aber aouls die Einbildungskraft fcbon in der
Erziehung riclitig geleitet werden. (Hier
folgen goldne Worte uber Erziehung nnd Un-
terricbt, die einen ganz befondern Commen-
tar verdicncn. Ueberaus philofophifch und
tiefgedacht ift, was der Verfafiter iiber das
Spracben - Studium fagt. P&dagogen» bier
ift Bento 7.13 machen!)
Das fechfte Uinderniis ift Mangel an Ze/f»
Celegenheit und SufBref Unt^rftHtzmng*
1. Man mnts feiner Neigung im Studieren
Folgen : diefe uberwindet die gruften Schwie*
rigkeitcn.
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— io3 —
3. Gttte Methode erfpart um manciien Auf-
wand an Zeit und Koften.
3. £s herrfclu ja Miubeilung unter den
Gelebrten, durcb Journale u« L w» Auch
felilt es niciit gaiiz axi M&cenen.
Dritter Tlieil.
mtches jfiitd die wichtigften GegenftamU^ nut
dereu Vttierfuchung wir uns befchii/tigen
foUen?
Bey der Wahl der Studlen muls man feiner
elgnen, wcifen Neigung foJgen. Von allen
WiCTenfcliaften iind die mathematifclien in
mehr als einer R&ckficht durchaus unent*
behrlich.
Die angenehm&e unter allen ift die Phyfick.
1. Ihre Unterfnchungen find die leichteften.
2« Sie ift die allgemeinlie, imd die Grund-
lage der iibrigen. 3. Sie Uefreyt uns Ton
nnzfthligen Vomrtbeilen und Leidenfchaften.
4. Sie ift der lieligion wohUbaiig; he erin-
Q 4 nert
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— i<i4
]i«rt uns an unlre Abfaftngigkeit Ton Gott,
lehrt uns die Gewifsheit einer Vorfehung, zejgt
nns Gottes Dafeyn vmd Eigenfobafteny nnd
giebt uns die Hofnnng mer ewigen Fort-
dauer. *) 5. Sie ift am fruchtbarften, und
eina nie TerAegende Quelle von Entdeckungen.
Wolff batte dieles Werk fchon fruh zu
ftudieren angefangen » nnd mit Anmerkungen
▼erfefaen, die den T61Iigen Beyfa]! de« Ver*
faffers fanden. Aus dem zweyten Theile
faitte er Rcb einen Auszug gemacfati uber
welehen er academifche Vorlefungen hielt.
Von jenen und diefem ift| fo viel icb weiiS)
nichts erhaken worden»
Sicht*
*) In den knrzen BemeTkungcn , dic der yerfaXfex
fiber dicrcn Puiict mittheilt , wicd dex aufmexk-
iamo Iiftfer die Usbchen wenigfiens yon wettem
fdiinimexn fehen* warum Tfcb« Spinoia^n mcbt
fdr «iaeB Atheifien erUirte, Ibndem feine Theo>
logie fogar grflndlicher und ftirker hieh • tlt
die Cartefifche. S, Ooufched ia der Lobjchrijt
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— io5 —
Slchtbar ift der Geilk der GrUndlichkeit
und maiiienadCchen Methode, der in Tfcbim*
liaufen lebt, durch diefes eifrige Studium in
Woli£Bn iibergegangeii* Befonders entlehnte
nnd Terarbeitete er den Vorfchlag, welchen
Trchirnhaufen that, die fynthetirche Methodei
mehr^ als es fonlt gefchehen war, mit der
analydfcben za Terbinden: mehrere wolleu
behaupteni dafs WolfT hierinn zu weit ge-
gangen fey. Die genaue Verbindung» in
welche TfchimhaQfen alles, was wir philo"
fophifche WifrenrchaTten ncnnen, durch die
Idee feines h6cbiten Guts zulammenfteUte« ver«
anlaAe Wolifen znerfr, fiber ein znfammen*
hiUigendes Syftem der gerammten Philofophie
zu denken« und die Disciplinen nach ailge-
zneinen Grnndl^tzen einander unterzuordnen.
Wenn er Leibnitzen in Buckftcht des Materi-
ale viel verdankte: fo verdankt er eben fo
Tiel der Medicina MentJS in BetrefF der Form.
Auch Wolff geht, wie Tfchirnhaufen , voa
dem Factum des Bewuistfeyns auSf aber er
▼ermifste bald eine beftimmtere Erkl^rung
deffen , was der Letztre unter dem Begreifen
.nnd Nichtbegreifen Terftehen wolltei unil
lchob diefen WOrtern die Ausdr&cka M6g1ich
G 5 und
— io6 —
mid Unmdglich, GedeDkhar nttd I^cfatgedenk*
bar iinter. Trchirnhanfen drang €lbera]]»
durch die Mathematik veranlafst^ auf foge-
nannte Sacherkl&rongen: WoliF gieng defer,
tind fand, dafs fie in der Pliilofophie nicht
£o leicbt zu geben und allenfalls durcb Wort*
erklArungen zu erfetzen wftren. Tfchimhan*
fcn hatLc iilcht deutlich genug gezeigt, was
Arten und Gattungen wftren» und wie xnan
au8 den BegriiTen jener die Begriffie Ton die*
fen, und eben fo aus beyden dle Begrifie
«ndrer Arten ond Gattungen finden k5nne;
feine Anleitung, Definitionen zu linden, war
bey wejtem nicht deutlich und beftinimt ge-
nug» nnd auf pbilofophifche Gegenftiinde nicht
nnwendbar; Wolffbemfihtelicb, diefeoLMangel
abzubelfen. Tlcliirnhaufen hatte iiberhaupt
die mathematilchen Erkenntnilfe nicht forgHU-
tig genung Ton den philofophilchen nnterfchie*
den, und fich fiir die letztern keine befondre
Wiffenfchaft gedacht: er erkliUte £ch gegen
die ScholaTtifcbe Ontologie ond alle Syllogiftikt
die er fiir Y6l1ig unoiitz erkliirte. In allem
dielem wicb Woiif von leinen Ideen ganz ab^
iind rettete die Ehre der Philofophie» L(^k
uiid Metapbylik.
Wabr-
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, — 107
Wahrfcheinlich hatte WoliF durch das Stu*
dium cles TfcMmhaufenfchen Werks auch
eine gcwiffe Zuverficht und Dreufiigkeit Hch
KQ eigen gemacht, die ihm fo oft iibel ge-
deutet und fiir dogmatilbhen Stolz ausgelegt
worden s£t-
In )edem Falle kann man lageni dafis an
den grolTen Veiciienften WolfFs nm die Auf-
ftellung eines philofophifcHen Syftems undum
dle Beffirderung der Wiilenfchaft Tfchimhatt-
fen durch mittelbaren und unmittelbaren An«
itols Jich einen Xheil mit allem Kechte zu-
elgnen kann*
F.
Z U K
— io8 ^
zua
GESGHICHT£ D£R MATHEMATISCBEN
HBTHODE IN DER DEUTSCHfiN
FHILasOPHIE» •}
w olff » der A\e matbenMtifcfae Lefaran un-
ter uns am meiften in Anfehen gebracht hat, und
fie niclit nur in der Flulolophie anwendete^
rondem
*) Auf VeraiilafTiing dcffcn, wa» Kant gcgen den
Gebrauch der znatLemacifchen Methode in der
Philofopliie erinnert, famniche ich mir einigo
Notizen und UrUieile andeiec Fhiiofophen ilbec
diefelbe. Biefe» XoUectanenm ift et» was idi
faier gefae. Vielleidit kuuk es einigen jangem
Trettnilen der Pfailorophie nfltslich feyn, um
die Sti.eiL>gk.eit darubex beHcr zu verftehen.
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— I09
dern for alle WiCTenfobaften bnacbbar fanii,
beriift llcb in der Vorrede zu feiner Abband^
lung *) auf den yo» Tfchirnhaufen , und delTen
Crklinmg und Anwendang diefer X^brart*
Was Tfchimbanfen in feiner Me^cina mentis
davon beybringC) ift ziemlicb deutlicb und
beftimmt: nnd man liebl, wenn man lein
Werk darcbgeht, fiberaU den Gang des Ma-
tbematikers. **)
Wolff
KufUf UntmcM von dtr maikmnati/ehm
^toie, Tor Ceinea Anfimgsgranden dtter matftd-
matifchm JVipnfchaftmu Tergl. die Voned« sn
feiner deutfchen Lo^ik. — Wenn man weiter
zurfick gehen will, findct itian allerdings fchon
Spuren dielier Methode in dcr Philorophie bey
Pythagoraf nnd Flato. Aber man mufs hiei:
daa Worc Ma^utde mcbt im ftrmgwn Smna nah^
men* Pytbagons machte von der Mathematib
nidit logif^ent fondem meAaphyfifehen Ge-
brauch. Auch Des Cartes, Spinoza, Xjribnittt
l^ewton kommen in Betrachtung. Rddiger
riihmte Hch einer Methode» die eine iy/oc/i-
ahmung d«r matbematilchcn S$fn foUta.
**) S. laS. erkUrt er fich dber den Wertb 4er fyn-
thetirchen Mediode , die er jedocfa mit der ana-
lytifclien, ieiueni Vorgange gemafi, verbundcn
willeu wilL
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« f lo «
Wolff relliTc batte die Idee, diefe Medip»
de ench eof die Tbeologie ensnwenden. E>
jier feiner Anhanger Croon ver fuchte es fchaq
1730 in leiner Abhendlung de pietete cbrM
rdane^ eber die Theologifcbe Feeultftt regte
lich dagegen. Auch Pfaff 17^6 macbte gegen
diefe Anwendung erbeblicbe Infienzen* £in
gewiffer Kelfch (de utilitete nietbodi matb* in
docenda iuventute Altd. 1735.^ empfabJ liebey
dem Unierricbte der Jogend» vnd zog bch
eben To viele Spdttereyen za, wie neoere
Fadagogen durch ihre (alten) Veriiiinlichungs-
Jdetboden* SteUtoaag wendete Jie auf die be*
br&ifche Spracbe an, (defTen Mediratio cri-
tico-phi]ofophica. len. i^j^*) mehrere luriften
auf die BechugelehrCimkeit. Die Vertbeidii
gungen derfelben von Feuerlin (Altd. 1726) und
Hageti (Medit. phil. de 111. m. Norinib. ij3^
cnm praef. Woiiii^ und einigen andem, ent»
halteu nichts mehr , als was WoIfF lelbft vort
getragen hatte»
Den fcbarflinnigften Oegner fand lie da«
mahls an Fopito, (Spinozismus detectus oder
verniinftige Oedanken vom Unterfcbiede der
pbilofophifcben und niatbem. Methode. Wei«
i/jur I^ai») gegen weiuhen Wajfer eine Apolo-
gio
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gie derralbeii (lena 1723.) fofaiieb: TCcfchiednc
Satyren nicht zu gedenken.
Bis auf O^fius fiude ich nichts Neues und
Brbebliches liber ihre Anwendung. Unter
Fhilofophie im weiteften Sinne begreift zwar
Cru&us auch die Mathematik, aber Philofophie
im engem Verftande unterfcheidee er forgnil-
tig von der letztem, vor allen in lluckfichl
der Hlethode* JQIe Mathematik, lagt er^ *)
kann 1} Terfichert feyn» dafs alle walirge-
nommene Qualitaten eines Groflenwefens dem*
felben wefentlich iind, uur den Umfang aus-
genommen. Denn weil lie die Gr6(fen nur
als Groflen betrachtet: fo werden ihre OU-
secte fo einfachy dais keine andern Accidenzen
des Wefens als magnitudo (Umfang) mdglich
And; und durch das Hinzuthun oder Hin-
wegnehmen einer jeden Qualit&t entfteht ein
neues We(en, oder es wird m neues ▼or-'
ausgefetzt; welches in der Philofopbie ganz
andersilt. Deswegen kann he ^^auchyoneinem
«inzigen Exempel des Definiti die Definidon
abftrahireni wciches bey anderu Obiectea
ordenfe-
*) W«g aur Gewifshcit, yorbtncbc (. le.
— 118 «
ordeotlicher Weiie nidit angeliet, nnd wo ee
«ngeben foU, reine beibndem ReftrieiioneB
crfordert. Daher giebt auch 3) in der Ma-
thematik eine jedwede m6glicbe JSntltebiuigt*
ert einer Grafle cine Definition derfislben, nnd
dle DeFinitionen , welche ron der moglicfaen
Entftefaangsart beigenommen Jind, iind da-
felbft die Tollkommenften ; welcbes man iii
der Pbilofophie nicht zulaffen kann. 4}
moralifcbe Betracbtung des EndzweckeSf ja
aller wirkenden Urfacben bat in der Natur
der GrdfTpnweien, wie Ae in der Matbema*
dk betraohtet werden, keinen EinAnis, nnd
wird alfo dafelbft nicht in Erwllgttng gezogen»
In der Pbilofopbie a^ysr btngt in den meiften
F&llen das Wefen der Dinge davon ab. 5) Die
Matbematik brancht gar felten DiTiiionen in
Species. Denn eines Tbeils lind ibre Obiecte
gemeiniglich zvl einfach dazu; und wo licb
aucb Di?ifionen anbringen laflen, fo ift dea
IVIatbematikern doch deswegen nicht Tiel daran
gelegen, weil iie, wenigftens nach der ttn-
yefuhrten Lebrart, ficb der disiunctiven
Schluile gar lelten bedienen, und iie auch Ja,
wo fie lich derfeJben bedienen, nicht uueni*
behrlicb iind. Feruer 6) gebt die JVIatbema*
tik
Aik allezeit den Weg der DemoBTtratioQ,
lange lie rein ift, vnd swar) weil Ite ans
definirten moglichen Groffenwefen die Eigen*
fchaften und Verhaltntrfe derfe2ben heraus*
bringt; fo fcMicffet fie aus nothwendigen
Principien nothwendige Folgerungen, und es
ift ein Fehler darinni wenn es nicht alfo su*
geht. In der Philofophie aber wiirde man fich
feiir irreni wenn man glauben wollte, daDs
xnan ea eben fo nuichen m&lste» oder auch
nur, dafs es der Vollkomraenheit der Philo-
fopbie zutragUcb feyn wiirde» wenn man es
allezeit fo machen kdnnte. Ueber dieles 7)
bat die reine Mathefis nirgends ein andresPrin-
cipi als den bloCfen Satz vom Widerfpruche
ndthig. Denn dasjenige» was Rft betrachtet,
find entweder Exiftential • Abftracta, oder
Principiatai welcbe von principiis exiftentia-
liter determinantibus abhftngen* Diefe mHOen
nothwendig aus den definirten Gr^fTenwefen
durcb den bloffen Satz vom Widerfprucbe be-
greiflich feyn* In der Philofophie im engera
Verftande aber mufs man auch noch andre
hinzunehment wenn z. £. tbHtige Urfacben
oder ftuferliche Abftracta zu nnterfuchen Jind*
8) Diejenigen Satze in der Matbematik , da
6,Stadu H eine
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^ 114 —
eiue Gi*6Cre durcb die andere befiimiiit wird|
laffen flch alle univerfaliter uuikehren; dage-
gen in der Pbilolbpbie die univerialeii beje;-
benden S&tze nicbt £0 umgekebrt werden d&r»
fen, NaLchft cllefen Converfionen bedient inan
fich 9) in der Matbemadk faft lauter fubfum-
tirifcber Scb]u(re« oder eigendieh fo genann*
ter Syllogismen. Der inenrchliche Verftand
macbt aber aucb nocb andre Scblallei wel-
che in der Pbilofopbie unentbebrlicb lind. ^
Wer diefe Unierfcbiede wohl uberlegt , der
wird begreiflen^ warum die Pbilofopbie au«
fer dem Nntzen) den Ae in einigen Stllcken
gezogen hat,. in andern auch wieder Schaden
dadurcb gelitten babe» nacbdem einige be«
rubmte Ulftnner dem bin nnd wieder eingerif-
fenen Gewafche in der Philofopliie cladurch ab-
zubelfen gedacbt baben , da(s fie licb in der-
felben der matbematiicfaen Lebrart baben
bedienen wollen, dabey fie aber auf die
unterfcbiedne Natur beyder WilBBnfcbaf-
ten nicbt allezeit aufmerklkm genung gewe-
fen fmd.
Scboii im labre 1763 erklarte fich Kaat
febr
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— ii5 —
iebr bdHmmt darUber. *) In der VorredA
feines Verfiieh den Segriff der negatioen Grbfi
fen in die Welti^eiiheit einzufuhren^ fagt er:
der Gebraucb» den man in der Weltweisbeit
von der Matfaematik machen kann, beftebet
entweder in der Nachahmung ihrer Methode,
oder in der wirklichenAnwendungibrerS&tze
anf die Gegenftftnde der Pbilofopbie. Man
iieht nicbt) dafs der erftere bis dahervonei-
xugem Nutzen gewefen fey« fo groflen Vor-
tbeil man licb auch anf&nglicb davon Ter.
Iprach; und es find auch allmahlig die viel-
bedentenden Ebrennamen weggefallen, mit
denen man die pbilofopbifcben Sfttze aus Ei-
ferfucht gegen die Geometrie ausfchmuckte,
weil man belcbeidentlicb einfabt dafis es nicbt
wobrftebe, in mittelmftOigen Umftftndentro»
tzig zu thun, und das befchwerlicbe non li-
qnet aliem diefem Geprftnge- keinesweget wai-
<sbea woHte.
Eine befondre Anwendang der mathema-
tifchen Methode macbte Lamhert in feinem
»764
*) Ztt Ter^leiGhen Ut feine Schxift tbtxdie BvidmM,
1764. 4,
H 2
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— ii6 —
1764 errdbdeneBeii Organmif md der daraaf
gefolgten Architcctonilc. *)
Um diefelbe Zeit erkliUrte fich Bafedoia[^
hefdg dagegent in feiner PhUaleekie a B*
5. 178 f. Diefes Werk wird jetzt zu wenig
gelefen» als dais ich es fiir unnutz halten
Ibllte • die SteDe anlfilhrlicb abcnlbfaroben*
Die mathematifche Lehrart befteht darinn»
dalk man den UniTerlalbegrifF Ton derjenigen
Gattungf von der man reden oder denken
wi]]» gem^iglich in einer Definition feftle-
ezet; hieranf dnrcfa GmndllUzeTon derfelbett
Sacbe zu urtheilen fortfahrt. Diefe Grund-
0Uze lind entweder nnmittelbare Folgerungen
aus der ge(etzten Defimtiony oder andere^
welche man mit der DeAnition und ihren
Theilen znglttch zugeben rnula. Wenn die
mathematifcfae Lebrart ganz rein ift, fo wer»
den unter die Grundfiitze die allgemeinen Er*
fahrungen nicht milgeredinet Diele Arbeii»
DeBnidooen nndGmndOttze zu machen» wie»
der-
Vergl. Eberhard • Gefchichte der FbilofQphie in
DtntfchUnd. i Xh. S. 392. t
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— 117 —
d«rhoIet man anoh bey aBdeni GegenftAnden
lo lange» bis naan aDe diejenigen Sstze hat^
welche zum Bewei£e eines Hauptlatzes gehd-
ren« den man desw^en fo nennt» weil er
entweder wegen feines zufemmengefetzten Be*
weifes , oder da er hernacb zuni Beweifean*
dcfrer Siitze haufig gehraucht werden folli fehr
zo merken ift. Einen folchen Haoptfittx
driickt man alsdann unter dielem Nameii auS|
mit irg^d einer AnfkUirang oder Erinnerang
der beweifenden Sttze, die ▼orher Ichon als
wahr angenommeo Tmd. Sobald der Haopt-
lets hewiefen ilk» brancht mau ihn Ib gntals
einen Grundfatz, um aberma]$ Folgen daraus
zu ziehen» od^ ihn neb£t HiiUe anderer £r-
kenntniise, znm Beweile folgendar Hanpt*
fktze anznwenden. Ift nun der Hauptfatz ein
Zweck» der durch gewiHe Mittel erfiallt wer-
den mnls; fo nennt man den Aasdruck des
Zwecks ein Problem, oder eiiie Aufgabe. Z.
£• Wie wird der Innhalt eines Cylinders ge*
meflen? Die Anfiihrang der Mittel beiist als*
dann die Aufl6fung, worauf die Demonftra-
tion folget, dais diefes die rechten MittelBnd»
welches man dorcb Anfilhrung der beweilen*
deo SHtzG zu erkenneu gie1)t. Hiu und wie-
H 3 der
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— u8 ^
der fetzt man Anmerktuigieiit die entweder
den MjTsverftand Terhftten, oder die Hiftone
der Siltze enthalten» oder den Nutzen derlel-
ben zeigen, oder in andem gelegentlicben Re*
llexionen beftehen. Diefes ift dic fo berulimte
mathematifche Methode» welche gemeijiiglich
in der rynthetircben Lebrart ausge&bt wlrd*
Sie hat etwas mit alJen guten Beweisarten ge-
mein; £e bat aber aucb etwas ganz befon-
deres. Das gemeinlcbaftUcbe itk diefes» dab
kcin zur Ueberzeugung gehoriger Satz ausge-
lafliBn» und aifo im nfitbigen Falle die Bewei*
lenden Sfttze fo oft wiederholet werden, aSt
inan neue Folgerungen daraus herleitet. Aher es
ift nicbt alleu guten Lebrarten gemein, londern
ibr cigenth&mUch, erftfieh, dats fie iaft immer
der Definitionen bedarf, daL he einen Mainen nnr
einer einzigen Sacbct einer einzigen Gattung
widmetf und nicbt unter demfelben Namen
von andern Dingen redet, die gleichfalls nacli
dem Spracbgebrauch diefen Namen fubren.
Denn da in der roinen Matbematik die Gat-
lunc:en der DinsfC allefammt feftfteheod und
incbt fchwankend Bnd; fo ift es ihren Leb"
rern 1<»cbt, die Bedeutung der Namen fo
feftzufezen» dafs fie dcnfelhen JMamen nicht
zu
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— 119 —
zn andern Dingra widmen darfen» «Is lie
elnmal clabey denken; nnd dals es ibnen
nicht n5thig lit^ dem Namen eine zweifel-
hafie Bedenknng za geben, das ift» bald
folche, bald andre Gegenftftnde dcr Gedan-
ken damit zu bezeicbnen. Diele Notbwen*
digkeit kdnamt aber in den andern IVirten-
fchdften haufig vor, we die Gegerrfiiinde
Ichwankend Hnd und alfo aucb die Namen
keine feftftefaende Badeutung baben; nndwo*
rinnen iiber die Befchaffenheh der Gegenftaiide
bald fo bald anders geurtbeiiet wird* Denn
hieraus folgt» dafs man in diefen andern
Win'enfchaften unter demfelben Namen, bald
meiir , bald weniger, bald andre Pinge ver«
fieht. lA&i man Jidi nun durcb die mathe*
matifche Methode verleiten, von den WCir-
tern nur eine einzige Deiinition zu geben,
wie z« E. von dem Worte Seele; nnd bauek
man nur aui dicfe DeHnition weiter fori, fo
TerurliBcbt man iicb nnd andem oftmals da«
dnrch einen dreyfachen Schaden. Der erfte
befteht darinn, dafi wenn wir unglucklicbei
Weife den Namen der in der Katur wirkli*
cben Gegenftinde wider den all^e i neinen Spracb*
gebrauch deiiniit hdbeii} wlr feibU uiid andip
H 4 ^•^**^^'»
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— 120 —
leidtt Terfilbrk werden^ lUsjenige» wes nmt
eitie erweisliche An ron den deHQitionniafsi*
gen Gegejaft&uden e)s wabr oder ▼ermutblich
gilt, bernacb eucb Yon denenjenigen gelten
zu lafTen, die in einer andern nicht deutlicb
gedacbien Bedeatang nach dem Spracbge*
braacbe diefen Namen Htbren. Icb will ein
£xempe] gehen« Gefetzt, nian deHnirt eine
Pflicbt, da(s iie fej eine Handlnng, woza
nns das Bewulstreyn unferer Dependenz von
einem Oberberrn die Bewegungsgriinde giebt.
£s ift bekanntf da(s viele Xmenicben diefet
Wort aucb anders yerfteben nnd folcbe Pflicb-
ten glauben , die auch ohne Dependenz , oder
obne Bewufstfeyn derfelben zu den Pflicbten
gebdrten, Baut man non mit matbematifcber
Ueberzeugung auf die obige DeHnition, fo
wird man Tiele Unwabrbeiten erwetfen k6n«
nen, z* E. dafs ein jeder, der weift» daft
cr PHichten hahc^ auch eine Dependenz er»
kennoi )a wobl gar nat&rliober Weife einen
nniicbtbaren Bicbter glaube. Hierzn k6mmt
der zweite Schade. NehmJich weun man im
Definiren die Mode der Matbematiker beob-
acfatet, fo bekiimmert man lich oft niobt
um die Unterfucbung derjenigen Gegenftftndei
wel-
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— 121 —
welcha hie und cbt mit Terrcbiedeneii Belchaf*
lienhdten gedacht, aber aHelamint mit kei*
neur andern NameyD belegt werden, als mit
dierem» dem man in der Deiinition eine
feftftehende Bedeutang gegeben bat. Piefe
veri^umten Unterfuchungen fmd aber oft fdbr
wicbtig, und wichtiger, als diet welche
man anftellt. 2. E. ift es nicht wiehdg, zu
unterfuchem, auf welche Art zu einem Be-
HrifiTe ¥on ihren PAichten auch Xolche Leute
kommen, welche dabey keine Dependenz
zu glauben entweder vorgeben, oder viel-
leicht mit Kenntnifs ihrer Xelbft und mit Auf*
richtigkeit bebaupten? Wenn aber dn fcien«
tivifcher Syftematiker auf feine einmal gege-
bene Defiiiition feine AufmerkCamkeit feft
richtet, fo denkt er faft gar nioht an diefe
U/iterfuchung. Man kann noch den dritten
Schaden hinzufugen, welchen man dnrch die
aflfektirte Nachahmung der Mathematiker im
Definiren ftiftet. £:» giebt nehmlich taufend
VmgSf daron die Idee nur die einfache»
nicht die durohdrlngende Dentlicbkeit Imdet.
LafTen iich diefe definiren ? Z. E. Luft, Schmerz,
Idee« Beyfall, Vermutbung, Zweifel» Be*
gebren, Verabfcheuen , Dauer, Raum, G]eich«
H 5 heii.
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122 —
beit, Aebnlichkeir, K5rper« Nibet Ent*
ferniing, Vorhergebn, Nachfolgen, Ruhe,
BeweguDg, £inheit« nnfer Icb, oder die
Seele, n. a. m. In welche langweilige nnil
oftmals lohwere Wortfpiele mufs man nicht
▼erfailen, wenn man folche BegriHe definiren
wjll? Von folcben fchweren und l&berfl&lsi*
gen Wortfplc]en fmd fo gar einige S^tze nicht
frey, welche in der reinen Mathemadk Tor*
zukommen pflegen und dafelbft Definidonen
heiffcn. £s glebt ferner erftaunUch viele
Nometti deren Bedeutnng zu fchwankend
ift, um feftgefezt zu werden, oder die das
Publicum mit klarem und deutUchem Begriile,
naeh dem Zwecke des Vortrags, gut genung
verftebt, und darpn die Definitionen alsdann
ganz uberAiinig find* Z. E. Wird ein Predi-
ger nicht gut genung verftanden, wenn er
von freyen Handlungen, von Obrigkeit und
Unterthanen, von Urfache und Wirkung,
von Bewegnngtgrund und HindemilSs, von
Verfpredien und Zeugnifsen redet? Ift ea
nicht in den meiften F&lien iacherlich, wenn
er Xeinen Vortrag mit den Worten anningt:
l*'h will euch anfangs riohdge Begriffe von
(iicfen Dingen machen» £ine Obrigkeit ift u*
L w.?
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C w.? Ich kenne einen Cateeheten, ^er
fragte elnen Knaben : Was ift der Zuftaiid?
Der Knabe war lo klug, nicht zu antwor«
teu. Da kam endlich die Weisheit des Leh*
rers hervor: Ein Zuftanrl ift eiiie uirklichQ
Beftimmung des verfchiedentlich jBefiinamlichen
in mner Sache» Ih das nicht felir fciendvirch
und zugleich lacherlich? Zu folclien Fcblern
Terleitet uns die afiektirte XHachahmusg der
Mathemadker im Definiren.
ZweytenS) leidet die JVlniliematik keine
Bew^e aus der Analogiet liefondersy wenn
lie nicbt aD^meine Erfahrungen lind* Von
dem Zufammenfetzen des Beweifes aus vie*
len wahrXcheinlichen GrQnden* Ton dem Ar*
gttmente aos der Sicherheit oder Zweckmfi-
Jfsigkeit des Denkens, von Collifionen der
Beweiiet ¥on nutzlichcn Wahrfcheinhchkei*
ten^ Ton Ansnahmen aus den ordentlichen
Wahrheiten in einem aufferordentllcben Zu»
ftande, ilt dafelbft gar nicht die Rede. Alles
ift vielmehr gleich anfangs gewifs, und zwar
auf die feltene Ari; auf Ansnahmen darf
man gar nicht denken. L&fst fich diefe Denk*
art in tmfeni andern ErkenntmffiMi auch ans(\«
iteu? $o bald wir die Siuenlebie, die TJieo*
logie,
— ifl4
logia» die Logik, die RechttgelebrCiiakgit^
die Arzneykimft, die Staattwifleolcheft, die
Critik, und die Rege]n der fch6nen Wiffen*
fcbafteii tind K&nrtes in die(e mathematiiche
Lehrart emkleiden: fo philofophireii vir nichi
inehr, Tondern wir pbantafiren, und zwar
zum groCTen Schaden der menrcblicheii Ver-
nimft nnd Glackfeeligkeit. Wie mnls man
alsdann die Ana]ogie nicht verfteckeni da-
mit iie nicht Analogie fcheiae? Wia muls
man zn diefem Endzwecke nicht mit den
Worten fpielen, damit die Satze ein demon-
Ibrationm&Csiges Anfebn bekommen ? Ich will
hier die Worte anf^ren, womit in diefer
Abficht am uieirten gefpielt wird. Z. E.
Michts, £twas« M6glich, Unmaglich, Itoth-
wendigt Verinderlich , Unverttnderlich , We-
fen, Grund, Einfach, ZufammengeTetztt
Zwangi Freyheit, Uebereinftimmiuig« un*
endfiche Vollkommenheit, Heiligkeit, Weis*
heit Gottes« wahre und nicbt wahre Verbind«
lichkeit o. a. m. Ich lage, man fpielt mit
diefen Worten, i.) durch falfche nnd fiber-
Aulsige Deiioitionen ; a.) durch den Mifs-
brauch ihrer Zweydentigkeit; 3.) durch das
ewige Beweifcn eine$ gleicbniiltigen Satzes aus
dem
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1125 —
dem «ndern» worinnen diefe Wttrfer oder
gleichgultige vorkoromen. Wenn diefes Spte •
werk nicht wSlre» folhe man denn in Onto*
logien wohl fo Tiel» als inan gemeiniglieh in
befondern Hauptftucken fagt, zu fagen ha-
ben» vooi Mdglicheni vom zureichenden
Grande) rom Dinge iiberbaupt, von der
Einheit der Dinge, von der Ordnung aber-
haupt» Ton der Wahrheit aller moglichen
Dinge, von EealitSten und Vemdnungen^
von dfer Vollkominenheit aller moglichen
DingOi Ton dem I<]othwendigen und Zuf&l-
ligen ?
Mit welcher Heftigkeit gegen diefe Metho-
^e» wie gegeid WoJff aberbaupt, Hifsmann
losfubr, ift bekannt.
Ein fehr gemaffigtes Urtheil ift es, welches
Biifck in feiner Encyclopftdie darliber fallie.
Slan muls eingeftehen, fagt er $• 2^3»
x) dafs diefe Methode in ihrer Anwen-
dung auf die Pbilofophie uns die Pr&fungder
Wahrheit und die Verglelchung der znra
Grunde gelegten BegriiTe mit ihren Folgen vicl
leiofater machei als wenn eben diefelbenSftt^e
in einem unordentlichen Raifonnement vorge-
tragen werden. Wenn wir fo viel aus der
Wolf-
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— 126 — •
WoJAifcheii Schule bebalteDt itdk eiii jeder
engeheDder Philofopli angefilbrt wlrd, dierelbe
als einen Probierrtein der ibm wabrrcbeinlicfa
vorkominenden, oder tod «Ddern als wahr
behanpteten Sltze ancnweoden, fo gewinnt
die Pbilofopbie gewifs fortdauernd fehr viel
dabey; aber man b^Ute es ftcb nie einfalleii
laffen follen, alle^f was znr PhiIofopbiegeb6rt^
das Gewiffe uad Ungewiffe , Hauptwahrheitcn
und ibre entfernteltea Folgen, in diefer Fonn
Tortragen za wollem
2) Dafi» iu kciner Schule die Philofopbie
lind ihre einzelnen Difciplinen in foIcberVoIl*
IkAndigkeit Torgetragen Itnd, und dafs aucb
in kelner die Difciplineii lo richtig unterfcbie*
den und den fpecieUern durcb ailgemeinere
nntergebauet lind — als in der WolfHfchen.
(Folge der Methode.)
Viel gnte Ideen entbalten die OedoiJkmi
Mber die Lehrmethoden in der Pkilpfophie^ von
K. F. von Irwing. BerJin 1773.
Das Scbickial der Pbilolbpbie in Deutfdi»
land wollte, dafs nicbt nur die matbemati-
fche Methode, rondern mit ibr aucb eingrof«
ler Tbeil der Gnlndbcbkeit m diefer Wiflen-
lehaft Terlobren gieng, lo dai^ mehrere
Freun*
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Freunde Wolfis angelegendich das Studiumder
Maf hematik and ihre Verbindung mit der Phi'
lofophie einpfohlen.
Bs gefehah a]fo nicht fowohl» nm einem
berrfchenden Fehler der Zeit ▼orzubeugeji,
fondern es §eb5rte xnit in den ganzen Plan
einer Critik der Vernnnft uberhaupti wenn
Kant die Unftattfaaftigkeit der mathematifchen
Methode in der Pbilofophie ausfuhrlich darthat.
Nur wenige Gegner der Critik haben lich
ganz lant gegen diefen Punct erklttrt, diemel-
ften Freunde derfelben baben bloli Kants
Worten nachgebethet, vieUeicht» weil es
auch heute der Fall ift, der es fonft war,
dafs wenige Philorophen zugleich MaLbemati-
ker iind» Indelfen ift es ron ainigen Freun*
den der mathematifchen Methode der Critik
zum Fcbler gerecbnet worden, dsS& fie nicbc
in der gedachten Lehrart Yorgetragen ilk, nnd
dafs fie eben darnm einer genauern PrQfung
iicb entziebe. Dieler Vorwurf ift um fo lee-
reTf da es dem Wefen einer Critik wider*
rpricht, dogmadiiren zu woHen. Oder was
ift dainit fttr die Wabrbeit der critifchen riii-
lofophie gewonnen, wenn iie in )ener ]tfe*
thode Torgetragen wird? HC>cb£tens w&rde iie
die
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die Mlhige]» weiin Re deren iiat^ tuiter dem
Anrcfaeia der Metfaode befler TerAecken
hjbnnen.
Icli will iiier einen kletnen Verfach macfaeiw
Tyanfeendentnle Sinnlekre*
Erfte £rklarnng.
Die Tranfcendentale Sinnlekre ik die WiiTen-
fcfaaft Ton allen Prindpien dec Sinnlichkeit
a priori.
Zweyte firklirung.
Sinnlicftkeit ift das VermSgen, von Gegen*
Itftnden aHicirt 2u werden: iie Hefert nnt
Vorliellungen , welcfae unmittelbar find und
Aiifchauungen heiXren.
AAunerkung.
Attlcfaaanngen werden Ton dem Ver-
ftande auf Begriffe gebracht d« h* ge»
dacht. BegrifFe iind mittelbar.
Dritte Crkl&rnng.
Binfifiadung ift die Wirknng eines Gegen*
ftandes anf die •^innfichkeit, der unbeiHmmte
Gegenftand lieifst Erjcheinun^»
Vierle
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— 129 ~
Vierte Erklftrung.
Das)enige in der Erfcbeinung, was der
Empfindung entrpricht» heilst Materie^ das,
woriunen fich die Empfindungen ordnen, die
Ferm.
Erfber Lehrfiitz.
Die Form ift a priori im Gemfkthet
Beweis.
Denn fie ift nicht Empfindung« iiicht Wir*
kung des Gegenftandes, fie ift dasjenige,
worinn lich die Empfindung ordnet, und
kann alfo nicht «ugleich relb(t En^iindung
leyn. Sie kann auch nieht mit der EmpBn-
dung zugleich gegelien feyn, denn fie falit
und ordnet erCt die Empfindung*
Funfte Erklarung.
Diejenigen Vorftellungenri in denen nichtr
aur Empiindung Gehoriges angetroffen wird,
hciiren rein.
Sechfte ErktArung.
Die Formen der «mpirifchen Anfchauuiip
gen find reine Anfchauungcn^ und da fie inn
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Gemuthe liegen ( i Lehrf.) reine Formea der
SittttUehkeit (2 ErkL)
Siebente Erkli&rung.
Das Vennfigen, ron Gegenftteden auCer
uns aiTicirt zu werden» ift der dufre Siotta
▼on innent itv mncrc Siaiu
Zweyter Lehrlatz.
Vermittelft dcs Hufern Sinnes Itellen wir
nns GdgenftHnde als aaler nns Yor« u. L w.
F.
£INI*
— i3i —
EINIGE
BEMERKUNGEN ZUR GESCHIGHTE
11«»
fKANz6SISCU£N FUILOSOFUIB.
IncliBm icli mich iinfcfalcktet die Gelcliicfate
der franzoftfchen Philofophie durchzugehen^
nnd dazii irgend einea Leitfaden in der fran-
z5Jifdien Literatur facbte, Itiefs ich zwar auf
mebrere Notitzen und Raifonneisents in ihren
Dictioimairest £ncyc]opedies und ])IemoireS|
fand eine Itfenge gefammelter und einselner
Biographien von Fhiiofophen , zutn Theil
beflert anm Tbeil nocb fcblecbter, als die
Samneleyen Ton BertrSs und Saverien; aber
eine Ge£chichte der franzofifchenoder eine allge-
melne Gefcbicbte der Piiilofopbie Uberbaapt^
I S war
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— l32 —
war icb nicbt fo glaeUicb zn litiden. Es kann
feyn, dafs (le mir entgangen lind: indeJTen
hnden fich Grunde genung, um einen folchen
Hlangel zn erkl&ren, Was insbefondre die all*
gemelne Gefohichte betrift: fo fcbeint lie Yor
der Hand ein au&fchlieXTendes Eigenthum unle*
rer Nation zu feyn. Wir baben niobt nur
alle philofophiiche Syfteme und Lehrmeynon-
gen aller Nationen in allen Zeiten kennen ge-
lernt, fondem aucb benDtzt« d» b. lie aufge-
fiihrt, hefeftigt , gelndert, widerlegt, und
aufjgenommen. Weicber £ngIILnder oder Fran-
zofe bat irgend eine Bebanptung rorgetragen«
irgend eincn Theil der PhiJorupliic hearheitcr,
ohne dais wir uns fbgleicb damit bekannt ge-
macbt* uns dafilr oder dagegen erklArt bllt*
ten? So ift dic Philofophie aller gehildeien
Nationen fUr uns da gewefen» wir baben die
Gefchicbte derCelben gewiHeraiaalTen mit er-
lebt, wir flnd daher auch im Standet etwas
Vollftftndigeres daruber zu fcbreibeut und ib-
ren Wertb ticbtiger za beitiiiimeat th es
die Ausliinder veniiogeu.
Die
*) Einen Beweif» davon , hefonJei» m Ruckficht
der dcutOciieu PhiluIbpLi«a g«bcn di« bekann-
— i33 —
Pie frmBRtkhm Pli9orophie faat «n Jich
lelbfc fo Tiel Cigeniliumlicbes, und ift von
Seiten ihres £infii»£EiBs auC die unfirige fo wicl>
ttg, dMlk fie einer nSliern Attfmerkramkeit
fehr wurdig ift. Ich gcbe hier einige Ceiiiei-
kungen daruliert Ib gut ich fie geUen kann ;
obne eof den Rabm der Vollfrfiiidtgkeit oder
tiefea Ergriindung den mindelcen AnfiJrucU
gn machen.
Die erfte Periode der franzdfilchen Pbilo*
fophie war die Scholafdjche, Die Verfaffer
iler hiftoire literaire de France *) entwerfen
Ton jenen 2eiten ein Bild, welches die Phi-
loroplien des elfiun und zwolften Jahrhunderts
iehr vortheiihaft heraosheben w&rde, wenn
es aucb nnr ha)h fo klftglich ansfilhe. Sieiind
zu hart in ihrem UrtheiJe iiber die Scho]afti«
Iche Piiilofophie» nnd befonders fehr par-
theyifcfa gegen die NomtneHfteat Wie follte
ficfa
ten Werke des ItaUener» Buouajeda (genanut
Agfttapifto Cromaziano)^ dcr iudefCen QOter Bntm
i^wrs Anleitnog imnMff no«h mehr wei& nad rich*
tiger nrtheik» tb Bminm n. a.
•) Hiftoire hter. clc Fr. p»ir B^^n-tJicrins Jc i.i
Congregatiun de Sc. Meore. To. 'j.{\'Atis^ 1740.
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- i34 -
Bch bey clem Mangel an Iiterari£chttr Raltur
die Philofophle anders» als duich blofTeForm,
zvL entwiekeln anfangen, nnd wie folhe he
nicht) bey der fclaTifchen Anhftngnchkeit an
einen alten fchwer zu verftehenden Philofo*
phenf und bey der erften kindilcben Freude
Hber ihren Tieninn, auf formellen Spitzfin*
digkeiten vcrweilen? Auch bey den Griechen
snachte die dialectifche Periode den Ueber*
gang 2u einer wiffenfchaftlichen PMIofophie»
und fie wiirde auch da l^nger gedauert haben^
wenn lief wie in Frankreichi einen fo liber*
feinen ond frnchtbaren Stoff, als die Theolo-
gie» gefunden h^tte. Aus dem Gelichtspuncte
einer allgemeinen Gefchichte der neuern Philo»
fophie angefehen, erfcbeint die Scho1a(Hfche
als Vorbereitung, und man kann nichfc Jeug*
nen^ dals aus diefer in der Folge» wo ge«
fnndere Beurtheilung und heflTere Kn/ioht in
den Zweck der Philofophie aufkameni die
allgemeinen Begriile herantgehoben und Ter*
arbeitet wurden, ein Gefchaft, welches nicht
fo gldcklich von Statten gegangen wlire, wenn
nicht jene I>ia]eotiker diefe Begrille auf meh*
reren Seiten herumgeworfen und durch den
MKsbrauch lelbft eine ¥eciianftigere Anwen*
dung
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— i35 —
dnng erleichtert h&tten. £ben lo wenig kana
jnan leugnen« dais unter allen Sebola&ikern
die franz^fircben im DurchTcbniu genommcn
licb am wenigften vertiefken: es war clerfraii*
zSfifdie Witz, der fieh bier zum erAenmafal
in cler Pbilofophie verruobtei und nacbhcr
nie daraus gewicben ifi;
Scbon die erfte genauere Anwendung der
Philorophie auf die Theologie erzeugte Hetero-
doxie* Idan kennt die Bebauptungen und
SdiickiSda des berilbmien Petef AMUard^ ei«
nes Mannes von vielem Scharffinn und grof-
fer Freymuibigkeit, wie alle die Werke yon
ibm bewmfen, die wir Baben, nnd Tid-
leicht diejenigen nocb mehr, die wir nicht
baben. — Seitdem indeflen AbAlard und
einige
^ S*. Dnntfid nnd Msnena Tonade sn ihson Thes«
Tob r. Ett penet eoe eiaidem Abaehrdx liber, in
quo genio fuo indulgens» omnia clirijuanac re-
ligionis mvsteria in utramque partem verset , ne-
gant ^Qod aireruei&t. ec aCrerens, quod negaverat;
^nod opuf aliquando pnblici iuxxs fiioere tenUYe-
xat ttostcr Acheriiif » ▼emm fincio «zunbutom «e»
temae leQebiie podoa ^nem luee digmun de Tiio-
nuB anidstonun eoBCnnu eziitimaTii»
14
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136
einige leiner ScbQler wh ihrer Dialeclak der
Theologle gefahriich geworden waren, ward
maa auf die Scbriftea ihres Meifters Ariltote*
les, belbnders die datnabls trSt bekannt wer»
denden aurinerkfara , und eine Menge der
Icbjirfften Verl^tbe Icbreckte die Philofophen
«ne Zeit lang Ton dem dffentlichen Stadiuin
clerleiben al), aber unterdriicken konnten
fie es nicht.
Teter RantMs wagte ei, mit andem Waflen
dagegen zu kamplen. Er priefs die Alien
als Mu(ter einer brancbbarea Philofopbie, be»
mahte ficb, in diefe Wiflenfcfaalt Populari*
tit nnd Gemeinnutzigkelt zu bringen, und
beftritt oder verlachte die fiemttbangen der
Dialeodker. Icb finde an ibm fehr Tiel Aebn*
lichkeiten mit unferm ThoroaJiuSt w^nigrtens
In Riick&cht des Vurhabeiii« die Philofophie
zur IiebeQswiflenCchaft zn machen, ond der
fturmifchen Mittel, deren ilch beyde zu die-
ler Ablicht bedlenten. Bamas warde felbft
•of OentfcUnul mebr gewirkt babco» wenn
*) S. T.auiu»i dA trim Aristoidia ficntnBa ae aetd.
PanfiMiii. ed. Ebwiek Wht. 17^- ^
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- i37 -
rein PYaa fkberlegter» vnd die Ansfahnnig
weniger leichi und nnToHfttndig gewefen
w&re. In Frankreicli wirkte der Geiit leiner
Piiilofopbie nar im StiUeit fort.
UagMcfa ▼ollenifeter «md gllnzender er>
bob er iich in der Folge m dem fcharfftnnip
gen Mimtaigite^ der durdi leine Beobachtungt'
gabe» dnrch prychologifchen Gebrauch der
Aiten, und durch eine iiberaus fafsliche Art
Ku philofophiren , einer der Lieblingsfchrifib"
fteller feiner und unferer Nttion geworden
ili, und In Bayle, Voltaire und mehrern
nanehe Ideen ▼eranieiate» wofilr iie iich bey
ihm nicht bedankt haben. Das Syftem, wel*
ches Charron aus fetnen Schriften aufrtelltei
ift freyjich nichts weiiigert als ein wiflen*
IchaftKches Syftem der Pbilorophie, aber es
il( reicb ao neaeu und kuhnen Anficbten der
Jtteta^
Wai mao; fich Marmus litwfwrtus «ntcr einem
A t he ifta u geiUcbi habenf wenn er in Ceinem Comm
mmumr fiW dtV Gmtefit 8, fl33 berichtet, dalt
vm den Aniang det Jahrluinderts in Pam al-
lein 5oooo Athetfttn exiftirt bntten ? Phtus Cr^
gorius Tholofamis ojrbt ciic Zahl tliefex Frcvkr
xu reiaer JUit auf 60000 «n.
I 6
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— i38 —
Idetaphyfick, Pfychologie wid MoraL fis i£b
eine Philofopliie tfkr den erften Anlaaf , za
welchcr fich noch jetzt der grof&je Theil der
philofophifchen Diiettanten hekennt. Die da«
mahlige Geftalc der Philofopbte, und der
ganze Ton der Zeit Aimmte Montaignen znr
Xceptifchen Unzurriedenheit. MDiejenigen
neiner Zeitgeno£ten« iagt er, welcfae vor
andern dle feltenften Vorziige und eine ausge*
seichnete LebhaftiglLejt dea Genies befitzent
bauen faft alle llber die Schnur binaus, fo»
wobl in ausgclanenen Meynungen , als in den
Sitten. Heutiges TageSt da die JMienfehen
alle auf einem Pfade geheuy qui certls defci*
natisque fententiis addicti et desdnati funt,
Qt edanit quae non probant, cogantur de*
lendere, Cic nnd wlr die lCanfte durch
biXrgerliche Autorit&t und Vorrchrift erhaltent
fo dals die Schulen nur eiuerley Hnftert
«nerley Lehrfomit und einerley einge*
fchr&nkte Discipiin haben; fieht man nicht
nehr darauf • wat die Muiisen wigeB und
*) Bucili H. Kip. la Iin 9iartm BmkU der txaftushai
deutTchea UeberfiMsung Bedm 179^ 8. & 1
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— i3d —
■n iniienii Gefaalt haben, ~ aian lifit
Scbrot und Korn dafain geftellt feyn, wenn
<iie Munze nur gangbar ilt/^ Piele IclaTircbe
AnbftngHcbkeit an ctie Form, verbnnden nut
einer ubertriebrien Ungebundenheit und Dreu-
Itigkeit in Bebauptiingen, die Unbeftimmt*
lieit erfter Prindpien und ilie Li&cken in Jiien
Widenfchaiten jener Zeit, konnten in einem
HSannet wie Montaigne» der fo viel auf
wahre Brancbbarkeit und Lebenswttsheit bielt^
nicbts anders, ais einen entfchlorreucn Zwei-
felfinn an der Moglichkeit einer Metapbyfik
Ibwobl alt einer rttuen Moral erzeogen* Der
Menfcb kennt nicbt einmahl feinen eignen
Kdrper: wir kdnnen die Wabrbeit nicht nn«
terleh«den: die Gegenftinde erfcbeinen una
nicbt, wie fie lind, fondern unfern Empfin-
dnngen gem&fs: es giebt ketnen einzigen un*
beftrittenen oder unbeftreitbaren Satz: unlre
Urtheile andern ficb tkglich : unfre Seele
hingt Ton den fteu abwecblelnden Ver&bde^
rnngen det KOrpert nnd von ftufcrn Einfliir*
fen ab ; wir haben kein Criterium der Wabr-
heity weder an den Sinnen, nocb an der
Vemunft : wir felbft haben fo wenig , als die
Obiecteau£er unS|. einefeltbeftimmtei dauernde
Wefen*
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— i4o —
W«Cenbeit: unlre ibgenannte WcUsbcit wird
▼on den Sinnen nnd Ton der Wirkfidikeit
befUlndig uberliftet; diefe und khaliche Be-
nserkungeu find es« welebe Montaigne der
dognMdfcben Pbilofopbie en^gen Ikellt, obne
fie iedoch ro abfichtlich, wie etwa Seztni
Empiricui, zn beftreiten. Unznfrieden mit
flllem Dogmatismus und Sectentbum^ warnt
cr angeiegcntlich vor der polaunenden Auf*
nabme jeder nenen Lebre. f»Wir beben, Ikgt
er, groITe Urrache» dagegea iuir&trauifch zu
Sitjn^ und zu erwagen» dals» betor lulche
erseugt wurdet dtt Gegentb^ devon im
Schwange war, und fo wie durcb lie das
▼orige umgefto£Een wurde« tn der Zukunft
«ncfa etne dritie Brfindong entfteben kfinne^
die der zweyten dcn StuLs verfetzt. Bevor
Prind^n, welcbe Ariftotelet eiogefubrt
hat» in Aulnebme kemen» war die menlch»
iiche Vernunft mit andern Principien zufrie-
dea« fo wie wir nns heotiget Teges mit den
Ariftotelifcben beguugen. Welcbe befondere
Briefe und Siegel haben diofe, dafs unfre
Erfindong bey ibnen ftiile (tehen mulfe» nnd
de& es ibr befonderes Privilegiom fey, un-
£em Glauben fur immer zu fedeln? Sie fmd
eben
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— i4i —
eben fo wenig vorm Rimipelboden geficliertt
als alle ilire Vorwelen^^
So leer et bis hterher aik ausgezeicbneten
Denkern ift: fo reich werden die folgeiicien
Perioden^ die wir von De# Cartes rechnen
kSnnen, an Bearbeitern der yerfchiedenen
philofophifchen Wiflenfchaften. £r felbft,
CarteSt war der erlkei nnd wir k^nnen
yielleieht (agen) der letzte franzfififche Phi*
lofopb, der die Idee eines wiCrenfchartlichen
Syftems der Philofophie Falkte, nnd Stftck-
weife ausftlhrte. Wie? davon ift an andem
Ortea die Rede gewefen. *) So viel ift hier
gennng zn erinnern, dafs er in der Beftim-
uijjng mancher Begriffe weit genauer und lo-
g^cher za Werke g^ng, als fieine Vorginger»
und dafs er lich lelbft c3ne zieinlich felke ond
palTende Terininologie zu bilden fuchte. £r
belchAftigte die Philofophen beynahe dn gan^
set Jahrhn&dert» nnd Teranlalste mehrere
fcharf-
•) S. das 3te St. diefcr B«yt, S. 32. t loa L
VogL Bsydsnrwiehi diginalidffon. Esku Band.
8.39II
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— i4a —
fcbarninnige Unkerrachungen &ber die Grunde
der pbilofophUcfaen BrkenntniJs, and maii-
chen iieuen Verfuch, die WifTeiircbaft zu be-
reichern und zu befeftigen. So macbte Ci|^
fendi enf die ganz yerkannten Ideen des Epi*
cttr aufinerkfaui , und unter den vielen Car-
telianern bat UalUhranche aucb in neuem Zei-
ten manchen Anhilnger gefanden. Vcr ihm
wirkte der originelle und oft feltlame Pascal
mit feinen despotifchen Behauptungen auf dat
Pnblicnm der Dilettanten: Nicolm fteDte in
Xeinen moralifchen Verfuchen eine vernunfti*
gere Moral auf| als diejenige war* welche
Saint Eorenmad und fein luftiger Anbang em*
pfoblen und ausiibten, und Bruyeres machte
die Aufmerkfamkeit auf den Werth der An*
tbropologie rege. Die Bearbeitong der Ge>
Xcbicbte» der matbematifcben WillenfQbaften»
der Spracbkunde und Aefthedck blieb auch
in Frankreich nicht ohne Einflufs auf die
Phiiofophie. In den erricbteten Academieen
ward ihr ein fehr aasgezeichneter Flatz ange»
wiefen. Der Streit init Leibnitz batte einige
metapbyfilcbe Kdpfe aufgemuntert, und das
Studinm der Gefcbichte der alten Philofophie
gab Mateiialien zu alierband neuen Anficbten
nnd
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— 143 —
und Verfuchen her. *) Den wenigftfin Bey*
fall fand indeflen die MetaphyAck» dle et-
wanigen metaphyfifchen Verfuche befch&fdg»
ten jfich meiftens mlt unfruchtl)aren Gegenftan-
den« Ober Pfycbogonie» Seelen der Thiere»
Spracfae der Thiere u. a. Der grdfte Theil
dcr
•) Bey diefer Gelcgcnhcit gedenke ich einet gewif-
fen Brunet ans dcm Anfango de» iSten Jnhrhnn-
deitt» deflTen philorophirdie Schriften ich naher
lceDiien zn lernen wfmfchtc, Seine Philofophie
w«r der imrerholenite und entfchkiflenfte Egoit-
mns» der lich niur denken ltt(sr. £r gab ein Fio»
jct d*une nouvelle Metaphysiqne heraiit» ftber
die fich der Hcransgebcr der Pi^ces fii>>itivet d*
Illstoire et de Litteiatuie ancieniies et mod. Pa-
ri» 1704 — 6. nach der genieinen Ait, wie man
gegen die Egoiltcn zu Itreiten pflegt , fchr hifi^
SDftcht. BrTerrprich auch eine Abhandhing da
Part de fure parler les bdt^aaTec raison, nnd wir
der felUn Meynung» dafs, wenn dieThiere nicht
fprechcn kOnnten , e» blos daher komme , weil
wir lle nicht cben fo> wie unfre Kiuder^ er-
ziehen.
Di« Werke eines AmauU det rrAyes et des hvt^
fes id^, eines Marfann^ La Tecite des fcienoei
contrc les Sccptitjues, rtnes Silhon de la certitnde
des connoifrances hmruines, cines Charubre lc
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— 144 —
Piiilofoplieii wendete ieine Benfibitiigeii eiif
popu)ftre uiul ftfthetirche Gegenftande wnd
erkliirte Ach, mit Hlntauretzung aller £ie-
mentarphilofopbid ond metapbjAicber Specn»
lation, far den (bgenannten Sens comnian
und die fceptiTcbe Frcybeit. Der einzige Pbi-
lofopb, den man nock als Ricbter geftenlielc»
war Locke; einige erklarten ftch furNewton,
aber nur wenige verftanden ibn. La Motte^ le
Vayerf Bayle und Hmet trngen das ihrige daza
bey, das Mi&trauen iri eine eigentlich wif-
fenfcbaftlicbe Pbilofopbie ond in die Gewi£r>
fceit der menfcblichen Erkenntnifi fiberhaopt
zu beftarken. Bayle fireitet allerdings nur,
wie Voitaire lagt, *) gegen einen Cartefianis-
mnSt
fyrcenie dt Tanie» cmes/s^Mlof for rezirtefiM
de Dieut cinei Ldmiy gegen Spinoza NoutcI
Atheifitte renTerfe , diefc und eine noch g;r6rrero
Menge andrer, aus dein Ende des 17 tmd Anfan^e
des 28 Jaluiiuuderts flnd theiU uor hifiozifch»
dicib aiif dic gewdbnUcbe i^ctaphyfi^uc du bon
feus gebauL Dafs ct iibrigens danahU in Fr«nk*
rcich nnglciGh bcflcr ftand , als in DcmfclUand.
thut diefer XTcbccficht \mtica fantrag.
♦) Siide dc £4>uif XIV. Tom, I. Cwd. dd ^
Tains.
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mof, dcr nicbt mebr ift: «lier er dMfate
fieh unter diefem Cartelianismus gar rieles,
was er nicht ausdrucklich nennen woUtt.
Ohne Zwetfel ift er jedoch ntiter etnerganzcii
Auzafal von Philofopben am diefe Zeit nocb
cler graBdlicbfte und fcbarfluinigite. Mebrere
um diefe Zmt erfchienene Schriften flber Mo*
ral, PfychoJogie und natarliche Tbeologie, z.
B. Ton Feneion^ wurden geleien» gelobt, wi«
derlegtf nnd maehteB eben nicht EpocAe.
£ine allzu lange dogmatifche Periode mag
eHerdjngs der Pbilofopbie mcbt Tortbeilbaft
feyn: aber ein fortgefetzter Seepiieiflma ift es
gewifs noch wenlger. Man hat bier ein fCir
al]emabl alle erften Principien der firkemnl*
nits aofgegeben, man ift fiber die Unm6g*
]ichkeit, Wahrheit zu iinden, einig, man hat
a]le Unterfiicbnngen Aber allgemeine Begrifie
als leer nnd ttnniltz hey Seite geworfen, und
man ift alfo der Laune und jedem luftigen
Knfalle Preifii gegeben. Die kleinfte Scbwie-
rigkeit eines Gegenftandes ift hinl&nglicb, um
ibn fur fcbolaltirchen Kram zu erklaren, und
ein wenig gefunden Menfchenverftanda dient
ftatt ailer Theorie. GrUndliche Zweifel cr-
lcbopfen licb, und man f&ngt alfo an, mit
5*tf«ddL K feich*
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feicliirm Gefchwitze eiiumder abznfeitigeii»
oder, um neu zu fcheinen, nitntttC man feine
Zuflucht zu Verdrehuage|it ^Vortftreit nnd
finnlofeii Meynuiigeii. — Oder wiJl man <lie
Periode in der fi anzoKfchen Pliilofophie, wel*
cbe wir Torz&g^ch Ton Ia Motte anfangen
kttnnten, die ee/aef i/SrAe nemien: fo war auc^
diefe Eclectik. in mehr als einem Betrachte
TerderbUcbt und es gik beynabe Ton diefer
Denkart daflfelbe, was man der fcepttfcben
Schuld geben kann. Die Syfteme werden aus
ibren Fiigen geriXfen» einzelne Lebrlktz»
durcbdie W&nlchelruthe des Sens commanzn'-
fammengeliegt , und der Mangel an Princi-
pien erzeugt zulelzt eine Seichtigkeit und
Frechheit, die alle WiflSenfcbaft zu Bodeo
wirft.
Eine folche PhDofophle war cs, welche
die Franzoren dem an 6i Uodlichkeit und Leib*
nitzifob • Wolflfcbe Syftematik gewohnten
Deutfchen aufdringen wuUteu. Unmoglich
kann man ohne den bitterften Uawiiien die
unphilofophifcben Raifonnemdits eines ii^Ar»
gensy La Mettrie^ Maupertuis ^ Voltaire und
ftAietnbert &ber Pbiiofophie ieien. Voltaire
gab
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— »47 —
gali lieh das Verdienft, die Newtonrclie Piii«
lorophie in Frankreich empor zu bringen und
die Leibnitzifcbe zit Terrpotten. ^Man £age
doch eine wichtige Wiifarfai^t, die er «nt
Licht gebracht hat , eine erhebliche neue Er«
falirung, die wiv ihm^ dem unaufhdrlicbtBn
Nachfchwfttzer des Baco in Anpreifung des
Werths der Erfabrung » zu danken hatten,
nur ein wicbtiges vor ihm noch nicbt erkann*
tes Refoltat fremder Crfahrting, das dnrch
ibn zuerft einleucbtend gemacht wiire. £t
wulste vieles aus der FhiJoIophie» wnCtte es
zu benntzen, fo ^e es Alr ieine Abfichten
diente> wuDste einzukleiden « umzuarbeiten
nnd angenehmer zu fagen« was tanfendmafal
Ton andem richtiger gefagt wary nnd den
Anftrich , den er der Unwabrbeit| wie der
Wabrheit gab| £o neu zn machen, dals man
nocb immer den Selbftdenker zii lefen glaub-
te. £r war eiu Qompilator, lo lebr es
je ein Menfch gewefen aber nie
hac ein Compilator fein Hand\vcrk fo
gutf «is er» zu verftecken gewufst. Und
cBefer Mann foll nun auch in der Philofo*
pliie i:!poche geiuaciii; haben. So rpricht
neblt taufenden der Verfafler eines Dis*
K ^ cours
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— i4B —
coitri fur les progr^s des connoirfantet hu*
mtaxm ete. lik dlaiis oim afliemb]^ pnUi^e de
racademie de Lyon par Mr. & tncien Magi*
Xu-at 1781. ni^t £nde des Jahrhundertt Ludp
^wigs XIV erafbeien fieh trturige Erwertan-
,,gen. Aber Voltaire kam , um den Ueber-
tigang ztt machenf er, der allein die Kunft
MbeCa&t «Ue Nazioiieii bia znm Wmen za
^rubren) der die Wahrheit liebte, gegen
welles, was tiefilomg ilct &n Milstrattenhatte^
«isur daa Nntzbare Ineht», tind was nodi
f^fch&tzbarer ifc, dem groilen Haufen eiaen
nGdflliiiiaGk darao beybracbte.** *^ — Nie
mdchtt
Antftlhrlinhtr handelt ▼on dieTem ZeiiwmHe Hiw
Wbmhasrdi ia ISnnem y»fmA eitur (hfihm im
Forifckntu Atr FhUofophia » DmttfMuuL Sa>
fter Theil S. aSS f.
Aimant le vrai , Te d^fUnt de «OQt ce qui eft
profond, cherchanc rutile ct ce qtii eft plus pr^-
cieyx» le Culaift gouter k U foulc. — X>ie
ganse obige Stelle ift ans der grOndlichen
ond wohUneynenden Abhandlong von Bafcki
Uebec Ffanifififche mid Deutfche Fiiilolb|i]iie»
(hn DentldMa MnliNmi, Mins 1768» a. eia l)
entiduit»
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mSchte icfa den als mmn ftnfgddirteii Freaiid
der Wahrheit anfehen, nie ihn andcrn als
einen richugen Fiihrer anpreiien, fielweni-
ger ihn felbik znm F&hrer wShlen^ im ieb
cs anfehe, dafs er in Unterfuchung derWabr*
beit ein Miistrauen gegen alles bat, wat tief
gedachi Itu Vo!'*aire felbft wflrde licfa «nes
lolchen Lobes nicht erfreuet haben. Denn fo
wenig Tiefdenken leine Sacfae war« fo viel
er dazu beygetragen haf , den l^ehlfinnigen
Tbell feiner Nazion in die Meynung zu fetzen^
dafs man obne tief zn denken Tiel wilTen
k5nnte, fo bat er doeb wobl inemals geftn»
liert, der Wabrheit blos deswegen minder
faold 2u ieyn, weil iie £eh im emfien He^
Itnn darftellte* Br hat lidb an mancfao tieffin*
nige Wahrheiten, er hat ficb z» B. an New*
tons ftttlSurft tieffinnige Entdeckungen gewagl^
nnd obne im Stande xn feyn, ganz in ihr
Tiefrtes einzudringen « lie docb ricbtig genug
dargeftellt) wobl aber leinen Stolz darina ge*
fuobt, ihnen einen folchen Anftrich zugeben,
als w&re der TiefHnnt der fie an den Tag
brachte, keinesweges »a deren Entdecknng
nothwendig gewe£en« Manche folche Wahr*
fae&ten fteben in fsinen Scbriftea fo da» da&
K 3 man
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— s5o ~
naui verleitet werden i&5chte zn glaubeii,
wcim aucli kein Bakon, kein Loke, kein
Newton gewefen wiirei Xb wiirde Voltairens
Scharflinn das alles nsit weit leichterer Miihe
an den Tag gebracht haben."
Die franzdiifce Literatur lelbfr war gegeit
die Mitte diefes labrhnnderts nicht arm an fo
genannten philofophifchcn Schriften. *) Da
erlchien ein neues Syftem flber die ^atmr der
geiftigen IVffen^ defTcn Verfatfer es fich znm
Vcidienfte recbnet, da£s er vor feinerUnter-
fnchung gar nichts ▼on dem Gegenlbinde der*
felben gewulst habe, nnd der das ganzePro-
blem durch die Wirklaizikeit eines gottlicbea
Athems auAuft* Da traten Penfies philofopbi*
ques auf, die geradebin das Dafeyn einee
Gottes zweifelhart machen, die Hofnung auf
ein anderes Leben als eine Qoelle von Un«
ruhe in diefem darftellen , und alle metaphy-
fifche Grillen, d. h* alle pbilofopbifche £r«
kenntmfs ^ darcb Beweife ad hominem Iftcher-
lich
*) T«.h hijttc micJi alleufalls fchon aus Hifsmanns Li-
tciatur der Philofophie luit einer Menge von
Titeln verfehon lUinnen» wenn es hia darauC
anlLaaie.
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— i5i —
lich tnadhen* Auf eSnem leiclitern Wege ver-
fuchte ein andrer die Erkenntnifsgrunde der
Aeligion und ^loral in einer Theorie dts ytrr^
gnUgens zu iinden. Die Anwendung der Phy
Jiologie auf die Pfychologie und Moral be-
miihte lich der bekannte lallemant zu erleicb*
tem ; und viele herausgekommenen Melanges
raifonnees enthalten ein Gemifch von bekann-
ten Dingen und feltfamen H jpothefen. An<
der Anzahl der Metaphyliker diefer Zeit gc-
dcnke ich des bckannten Bujfiery welcher
mit ziemlichem ScharfBnne Lockifche Ideen
bearbelLete. Es fehlte nicht an Miinncrn, die
(ich dem emreillenden MateriaUsmus und
Scepticismus entgegen zu fteUen wagten: fo
fuchte Deiirslc befonders die erftre Denkart zu
bekS.mpfeii» aber er ftritt nicht fo wohl mit
den Neuern, als -vielmebr mit Descartes und
Spinoza, und feine Einwendungen gegen Leib'
ratz hnd nicht von Belang* Einen neuen
Vertheydiger fand der Pyrrhonlsmus an fieaii-
fobre^ der eben fo, wie feine Vorqanger von
der Schwachbeit der menfcblichen £rkennt-
nifSf yom Truge der Sinne, von der Uiiei<
nigkeit der Pbilofophen, vori dcr beftandigen
Wiederluihr und VercirSnguff^ der Lehrmey*
K 4 nuu-
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— tSz —
nvmfen u. t nr. «asgehey nnd den Zwmfel
empBehlt, in apboriltircher Mothode und mit
franzdfifcbem ^tze. Zur Gefcfaichte der cos«
mologifchen Hypothefen gebdrt ▼omebnilieh
das Werk von Boutfier de raction de Dieu fur
les creatares oder Ton der premotion phyfi-
que. Uiuer eineui grolTen Regifter von Re-
flexions morales erregte das bekannte Buch
Les Moeurs Tieles Auflbben: eine Moral k
]a portee de tout le monde, die fehr nacb-
dr&ckticb dem reHgidfen Aberglauben entge*
gen arbeitet. Ungleioh wicbtiger ift jedoch
Bi^ffons Verdienfc um^ die Philofopbie der Na«
turge£cbichtei tind Motites^uieifs um die Pbi»
lofophie der Ge&tze.
In feiner ganzen Macht erfchien der Ma-
terialismus in den Scbriften des H^tfetita* *)
Man kann diefeoi Maune darchaus nicht eine
tiefe Menfchenkenntnils und die Beobachtung
des menfcblicben HerzenSi wie es Uk^ ah-
fprechen. Er und Rnche/oucauldy im vongen
labrhundert, liefern zufammen eine ziemiicb
richtige Naturhefchreibung der wirklichen
Hand-
*) 8. Sbidiaxdc Im angat Bociw 8. 843 t
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— i53 —
Handlungsart«n und Maximen der Menfchen.
Aber Drine Pliilofopbie iik eine feiclite nahall^
bare Hypothefe. Wcniger feicht, aber fehr
^nCeitig lind die Philolbpheme Rouffeau*!^ dai
ausgenommenf was er Qber Wander entwarf«
und zur Philofophie der Erziehungskunft
beytrug*
Das Syfieme de la Natore vollendete, waa
Ir&faere Materialiften und Fata]iften angefangen
liatten. £s ift eine ergrunmtet verzweifielte
Philofophie, die «ller Wahrbmt Hohn fpricht»
und kein Princip kennt, als das einiger zu*
flUigen Erfahrnngen. Sie bAtte gar nic^t wi-
derlegt werden follen) wenigftens nicbt von
Pinto und Caftillon und Sauri, Mit fchonendem
Stillfchweigen kGnnen wir die Schriften eines
Fwrmey , den Difconrs «nes Merian fur la Me-
taphylique) «iie verfchiedenen Raifonnements
fiber Indilcbe Pbilofopbie» die Refiezions fnr
la liberte und Hhnliche Dinge ubergehen.
£twas Neues und Ausgezeichnetes ift feit«
dem nicfat in Frankreich erfcfaienen* Das
Meifte ift fchdnes Raifonnement iiber bekannte
Dinge« oder Nachhall des vorbergebendea
Gefchreyes. In nnfem Zeiten hat die allge-
meine Ver^inderung in diefem Staate natuHich
K 5 aack
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— x54 —
«ttch auf clie Philoropbiei oderf wie oidre
tvollen, diefe auf jeiie gewirkt. Man hat
angefangen, mehr aU (anft iiber Natur - nnd
V6]ker-Recbt za fpecttlireii, man hat Mo*
ralen und Caiechismen d6r Vernunft in Menge
verbreitet, in welchen alle Moral nnd £r«
kenntmls auf den AugenbKck eingefohrftnkty
und den Liirten eines wiJden und Gefetzlofen
Haufens angepa($t wird» £s i(t dariun aicfata
Nenes enthalten: es find dle aken Hjrpothe-
Xen und Philofopbeme auf einen neuen Zu*
lland des Volkes angewendet* bey welchenH
wenn er fortdauert» alle Philofophie zu Gruu*
de gehen muls. Ich wiJl einige Beyfpiele
diefer neueften Art zu raifbnniren, aus denf
Werke des Lequinio Les Prejuges detruits
geben, eines Mannes, der niit der erdenk-
lichften Wuth aile Wahrheiten fiir Vorurtheile
ausfcbreyt, der alles, was die Menfchen ge-
tban haben und nocb thun, nur Wahnilnn
iind Raferey nennt» und mit einem Herzen
voll Gron 11 nd Gift und voU der bitterfren
Verachtung der Menlcbbeitt Liebe des Nich-
fkea predigt. Es giebt allerdings noch einige
Schriften, die etwas kilter und griindlicher
Knd: aber Le(|uiiuo ilt der Stimmbalter der
grdOern
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— iS5 —
grSCfem Paithey , utid man kaiiTi !n ibtn am
beften alle die feichtcn Dey-airuniiements der
Hinselnen tkui £inem Platze beyfammen £n*
deft. Die argftcn Arukel mufte ich jedoch
iiedenken trageui hier einzuriicken.
JM o t t
Immer nnd freymfithig die Walirlieit fa-
geH) heifst oft, fich dem GeFchrey und Hals
ausretzen. Ich Arebe nicfat ddrnach» zn ge*
fallen: nutzKch zu leyn ift mein Zweck. *)
Zweytes Kapiieh
Vom Denkan.
Ift der Mcnfch beftimmt, zu denken?
Ich hatte einft die Thorheit| es zu glauben:
aber feit langer Zeit habe ich meinen Irrthum
erkannt, und antworte mit Dreultigkeit Nein!
Gewits^ wenn der IdenTch Ton der Natnr
za
*} Ich will nicht, fagt cr S. 8. zu dcn Philofophen
xe^vn , foiKlern zii den Volkem. — Biiiem Mann,
wie ich» ftix den der Rufam nidits aft» g^t dia
Kritik nock i«el vreiiiger«
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— i56
zu dierem Gefcbafte befumml wire; fo wiir-
er von lelblt denken« die Gedankea wtLp-
den ihm ohne H&Ife der Erziehung kommen«
£e wurrlen Rch Datiirlicb entwickeln, wie
der WuchSf der Uoifang nnd elie fibrigea
Verhftltnjfle des K6rpers ; es wtirde ihm nieht
muhramer kyn^ zu uberiegen und feine Vor^
lUUungen zu erweiternt «Is die Anne zu
bewegen, die Beine auszulbrecken nnd zn
laufen. Allein, anftatt da(s der Menfcb die*
Jelben FAhigkeiien in Jenem St&cke belitzt»
ift es yielmehr ausgemacht« dafs er zu der
KunXt zu denken nicbt anders gelangt» als
dnrch viele Arh^t nnd Muhe, nach canem
fchr langen Unterricht, und nachdem er
Xcbon die UiUfte Xeiner Lebensbabn durcblan*
fen Uk: man nn(f ihn hilden» ihn zn die>
fer Kunft abrichten und ihm die Gefchicklich-
keit mittheilent wie man einen Jagdhond ztl
leiner Beftimmung ahrichtet.
Betrachtet den Menfcben obne Erziehungi
^en einfacheii Bewohner der Dorfer» der
▼on feiner Jugend bis zvt feinem Ende, der
Sitte Ceiner Voreltern treu bieibt, obne zu
«hnden« ohne den Geditiken zu wagen» dalt
er fich deron um «nen Punct entfemen kffn*
ne.
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— i57 -
ne. Welcher Untcrfchied fchon zwifcheti
dem Bewohner anfrer Ddrfer und zwifchen
dem Katui* • Menfcfaen ! Aber U&t nns wei-
ter gehen, lafst uns im SchooITe der gl4ii«
zendften 6efellfcbaft« la&t uns nacli zwen*
zig Lehrjahrenf zulieben» wie viel es der
Menfchen giebt, welche denken!
Wenn der grofle Haufe denken kdnntc^
w&rde er der Karr von Pliantomen und Un*
dingen feyn, wie er es zu allen Zeiten und
bey ellen Vdlkem gewefen i(t? Was ift zum
Beyfpiel der Adel fur einen denkenden Men«
fchen? Was iind alle diefe abftracten Wefen?
Kinder einer erhitzten Phantaiict die nnr in
der Leichtglaubigkeit des Haufens ihr Dafeyn
haben, und die fogleich aufhoren, zu feyn^
Ibbald wir attfhdrent daran zu glauben.
Der grdfste Beweils, dafs der jiVIenrch
nicbt gemacht ift, um zu denken, ift die*
fer, da£s das m&htame Lemen feine k5rper-
liche Conftitution ft6hrt und oft zerftohrt. Im
Gegentheil giebt es lcein belleres Gebeimnils
znr St&rkung unferes Kdrpers, als diefes,
fich einer beftiindigen Tragheit zu uberJaffen,
wie die MOncbsmafchinen i die abwechlelnd
alsen» Ibigent niederknieteni fchHefen und
fich
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— i5d —
licb ml&eten nteh dem Scfaell tmet Globkei
einer eben fo filhlloren Mafchine, wie Ke» die
aber» wie iic, einige Bewegungen hat.
Daretts, da(s einige Menfcben dureb Soc^
gcn und Arbeit denken und urtlieilen gelernt
habeni darf raan eben fo wcnig auf eiae all*
gemdne Bertimniung des Menfidben zn dielem
Gefchafte fchlieflen, als man aus einigen felir
Xeltnen Beyfpieieui wobey eine Eiziehung
inehrerer lahre rorhergi ng, lchlieCren dar^
dafs dai Pierd gemacht ift, Stundcn mit dera
Fuile ztt 2^len| oder Haafci die Trom*
mel ztt Ibhlageni well men einige Thierege-
fehen hat| die durch muhfame Abrichtung
dabin gelangt wareni diefe Abirmngen Ton
ihrem Inftincte nnd ihren Katuranlagen ziem-
licb gut auszuruhren.
£s Uk ganz augenlcbeinlichi dals nicfats
der Btnrichtttng des Menfchen mehr znwider
ift, als denken zu wollen, dafs er dazu
nicbt gemacht ift; und die al]gew6hn]iche
Thorheit der Sterblichen bekr&ftigt diefe lran«
rig6 Bebauptung nur zu fehr: dic VerhaLlt-
niilei worinn lich eben itzt faft alle Volker
Europens beHnden, rcchtfertigen fie voll-
kommen^
Wenn
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— 169 — •
Wenn dia MenTcheu geinacht wHren» xti
denken, wenn lie es von Natar thilten; wftr-
den wlr Millronen Jahre biuduich uns init
Chim&ren gefpeilst* uns ilher Chimaren ein*
ancler gemordet faaben? Wiirden wir — — •
Man diirfte nur ganz kalt daran gedenken,
snan dilrfte nur ftberlegen kdaneni lutt £cb
von fdnen eignen oder fremden Ladenfchaf*
ten fortreilTen zu laflen, kurz man durfte
nnr denkett — doch was habe ich da gefagtl
Es ift dn unnat&rHcfaer Zuftand« zu denken»
und die Natur l&fst fich niemahls ungeftraft
btleidigea»
^ i l / i; e s Ka p i t e U
Von der Tugond,
Wenn micb jemand fragen roIlte« wat ift
Tugend? ich wiirde fehr in Verfuchung
Ibyni su antworten; die njLrrilchefte Sache
Ton der Welt, on Hindem)& des Glftcks»
der Reichthum der Thoren, die GJuckfeelig*
keit der Harren.
Liegt diefe ErklArung nicht in der Natur
der Sache» /o ift he doch unglftckligherwcife
in
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— i6o —
in der wirklichen Ausubung des Menrchenle*
bent zn iindeii. Nicbts in der Weh (ebeint
wenSger gefncht zu werden, alt Tngend:
nicbu ilt weniger vortheilhaft zum Fortkom-
men» alt Tagend: nicfatt Temiag weniger
die Aufmerkfamkeit des Publicums zu feffeln,
•U Togendi alie Tage giebt das Voik Be«
w^e daron* indem et Menfcfaen mit feiner
Guuft uberb&uft, dle gemeinlglich kein an*
dret Verdienft haben, alt betrQgent mit
Drenltigkeit betrOgen zu kSnnen*
Dennoch ftimmt jeder fQr fich darinn etn,
dais die Tugend dat Schtaentwertbel^, daft
fie am gefcfaickteften fey, dat Glilck der Gefell^
fcbaft zu machen ; wober kommt diefe Gleich*
giiltigkeit» die wir docb fonlk dagegen babeiii
wthrend wir Aber ibre Voitreflicfakeit alle
ein^mmig denken? Woher kooimt es, da£s
der tttgendbafte Mann nnbekannt bleibtt wAb»
rend der BAfewicfat, roti Ladenfcfaaften ftro»
tzend und faulend Ton Laftern, mit Keich-
tfa&mem aberb&iift, zn EbrenikeUen erb6bi^
nnd Ton der Qflfentlichen Bewunderung und
Schwachheit zum Gipfel det Kuhms and des
menfchliohen Glilokt emporgetragen wtrd?
Was ift die Urlache dieler beynahe eben fo
allge*
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allgemeineii, als finnloren Ungerechdgkett ? Was ?
Dals d\e Hffenfchen nicht gemacht lind« zu denken :
dafses die iuuljfamrieSache liirlieift, zudenken.
Der Betriiger fchwingt Jich in die U6he;
er t&ufcht durch feinen Glanz nnd fein ge-
rauiciivolles Betragen. Der tugendhafte Biir-
ger ift befcheiden » und falt immer einfdrmig
in feinem Benehmen, wie in feiner Kleidung,
einfacb » wie die Wabrheit, ftiU, wie die
Vernunit; man m&iisteihn fnchen, ihmentge*
gen gehen, ihn bey der Hand nehmen , ihn fahren»
allein das w^re zu viel Arbeit und Bemubiuig
f&r Wefeui die nicht uberiegen k6nnen«
Es glebr noch eine zweyte Urfache dieler
fchrecklichen Sorglohgkeits die dem Men*
fchen aUes fremd macht, was er am m^ften
fucben folke) diefe^ dafs die Menfchen Re-
ligionen haben 9 da£s fie die Larve derTugend
lar die Tugend lelblt nehmen, dals religifife
Gebrauche und Gefetze ihre moralifchen Ei-
genfcbaften verlcblingen» kurz» dafs lie ein*
gebiidete Tugenden f^r die wahre nehmen.
Der iiiJjaner fpeifet mit ciner heiligenEhr-
furcht und frommen Begierde den Stuhigang
des grolTen Lama; der Mahomedaner fetzt
feine Tugend in dieEuihaJtung vomWein; der
6»Stii§k, I* Jude
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— l68 —
Jude in die Entbaliung Tom SchweineBeiicb ;
der Kethofik — — Fftr eine andre Nadon ift
es Tugend, die Sonne anzubethen, und je-
des Voik auf der £rde» welches eine Ter-
rcfaiedne Rdigion bat) fetzt die Tngend in
den Glanben an ibre Religionsmeynungen, fo
abgefchmackt iie anch findf, imd in die gtt*
naue Aus&bnng ibrer Ceremonien« fo lldier-
licb iie immer feyn mdgen. Jede andre Tu*
gend, ohne diefei ilk in ibren Angen nnr
Lafter, Eitelkeit, Thorheit; alle gutevHand*
lungen Hnd yerlohren^ wenn man nicfat die
oder jene Keligiontmeytiiuig glauht: der Haia
der Menge , Mifstranent Veracfatung rerfoh
gen den red]ichen Mann, fo menfchlich» fo
Ueberollt fo ehriicb er leyn ijiagt wenn er
gottlos genung iCt^ aHe religidfe PolTen zu yer-
achten« und ki\hn genung^ fich den Gefe-
tzen zu entsd^en» die Hber einen fo groflen
Haufen von Thoren und Narren herrfchen.
Was ilt die Folge diefes a]]gemeinen Irr^
thnmt? Dafs jedes Volk leine esgne Tugend
hat, die von der Tugend des benachbarten
Volkes unterfchieden ift» und dais keinesdie
wabre Togend kennt; dala bey anen V6h
kern die Jugend von friih an dazu angebalten
wird
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— i63 —
wird, Tiigen^en zn fucben, die nlcbt find;
dafs die Fertigkeit im Irrthum mit den Jafa*
ren zammmti und dals endlich der Geift und
die Einbildnngskraft des Menrcben fich fo ent«
fremdet Hnden, dafs er die Tugend fiir im*
mer rerkennt; dais iie den Kopf toU from*
mcr Traumereyen haben, nnd keine Idee
Ton Morajit&t nnd wahrer gereJITchartlicher Ta«
gend falTen. &e kennen diefe nicht, weder
iti der Theorie, noch in der Ausubung; iie
widen fehr gut^ die abfcheulichrten Lafter
aait dem, was Rb Religion und Tugend nen-
nen, zu vereinigen.
Zwar h6ren diejenigen, welche durch eine
etwas ttberlegtere Erziebung gebildet worden
find) bald auf, an religiofe Ideen zugJauben;
aber fie haben das Anfeheni als wenn iie mit
dem groflen Haufen daran glaubten; iibri-
gens konnen fie dem Strome ihrer Leiden*
. Xcbaiten nieht widerftehen t feitdem der ein*
zige Zaumi der die Regel ihres VerhaJtens
ausmachen konnte, zerrillen ift, feitdem lie
eingelehen haben, da(s das alies nur Iftppi-
fchc Poflen find, unw&rdig eines denkenden
JVlenfchen; iie beobacluen nichts deftoweniger
den &afem Anfcbeini um die Leichtglaubigen
L Q zu
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Att liuitfirgehsn, nnd unter der I.er?e diete
erkunfte]ten Tugend gelingt es ihnen, ihre
wirkiichen Ablcheulichkeiten za verbergeD*
Diejenigen* welcfae im Emft gliubig ge»
bllcben find , in welcher Kellgioii es ift, ha-
ben ein anderes Mittel» ihr Unrecfat zu r6(^i-
fertigen, ond ihre Lefter mit den Gmndfl.*
tzen ihrer Keligion zu Yereinbareni man hat
ihnen dne Tortheilhafte ZuAucht ensgemittelt.
Es ift Schwiiche, lagt man, und Gott enfe*
fchuldigt und verzeiht Schwachheiten} die der
menfchlichen Gebrecblichkeit Ib eigen £nd:
einige Selbftpeinigung, etwas Feften oder ein
Alhnofen, belonders dem Reprafentanten der
Goktheit dargebracht, und die Schwachheit
ift yerzjehen« das Verbrechen ift vergeflen;
derSiinderfelbft vergifst, dafs er feinen Laftern
Preisgegebenift; erbethet, lundigtf tbutBulse»
nach der Rey he, (undigt wieder und kommt oft to
weit, fichfur tugendhaft zu ha]ten, wenner im
Grundenur ein Thor ift| eos Irrthom zo*
fammen gefetzt und mit Laftern uberbftuft»
Uatmannicht fogar ebrliche I.eutegefehen,die
den Preift ihrer Liifte Toraus berechneten» licfa im
voraus mit der Gottheit in Abrechnungfetztenfttr
die Frevelthaten » dte iie begeben woiiten t Durch
diefeit
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— 165 —
dlefen fo gewohnlichen Wahnfinn wurden m
mirenD Vaterlanile in den Jafarlinnderten der
Dnmmheit (b Tiele Familien um Erbrchaften
geplundert, wozu fte durch das naturliche
Becht der Abftammnng beftimmt waren: dnreh
ihn kamen unermefsliche Reichthumer in dic
Hinde der Dlener einer Keiigion, deren Stif-
ter ea zum erjlen Grundfatze feiner Lehre ge*
macht hatte, allen zeitlichen Guthern und
Reichthiimern zu entfagen. Taufendmahl
wnrden die Scbenkungen vor dem Verbre*
chen gemacht, und der Schenkende blieb tu-
gendhaft.
Lefer, denmeine Ideen beiremden, nnd
der du fie Tielleicht fiir Thorheit und Abge-
Xchmacktheit nimnift» wenn du mit
diele Bl&tter durcblauflt, fteht fiill; im Na*
men der GlLickrelif^kelt kiiiiftlger Gefchlech-
ler, die du dir trjlumft; uberlegef nnd du
wirA mfelien, wie ich, dais die Menfchen
die Tugend nie erkennen werden, fo lange
Jie Ton Kindheit an licb gew6hnent diefes
Schattenbild von Tngenden f&r Tugend zn bal»
teni wekhes fo oft der Deckmantel von La-
ftern, und immer nur Verirrung undScfawach*
heit gewefon ift.
L 3 Was
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— iGG —
Was ift denn aber Tugend, (rdgtt dumich.
Was ift Tugend? Liebe des N&cbft6m H«t
dies nicbt Chriftaf wor i8 Jahrbnndeiten ^
fagt: Liebe deinen Nachften, und du baft
das Geleu erfullt? Das ift die Lebre Cbrifti,
und aller Philofophen , das ift der Grand aller
Tugenden. Lafs diefe Lehre deinem Kinde
niit der Milch einA6flen, und du wirlt in we-
nigen Jafaren eine tugendhafte Gren^ation fin*
den; aber vor allen Dingen, vermifche fie
nicbt mit fremden Beftandtbeilen, Ae duldet
keine Mifebung. Willft du den unfinmgen
Pl an entwerfenj der gegenw3.riigen Genera»
tion Tttgend zu gehen? Tolle Hofnung, tfta«
fchende Idee! Gedanke eines empfindfamen
HerzenSi aber eines eingefchrM.nkten Kopfsl
Tr&iimerey eines ebrlicben Mannes ! Erwacbe^
mein Bruder! Gfne die Augen» wirf deinen
BJick umhert beobacfatet hdre und antworte!
RSnnen nbern, die das Alter Terblrtet
hat, konnen Korper, die von den WindeJn
an gelsLbmt iind, jemahls Gefcbmeidigkeit und
Lelien hekommen? Karni ein fmt langer Zeil
brandichtes iind fau]endes Fleifch die Bewe-
giing wieder bekomment die es bis jetzt nie
gebabt hat, kdnnen die Lehensgei&er in die*
fes
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let mliBhrtimprta imd iinreiii« Geweba ein-
kehren? Nein, tbue Verzicht auf «Kefen 1ee«
ren £ntwurf, und denke an das kunftige
GeCcIilecfat» anf dieles mnft dn deine wnhl*
thatigen Abfichten richten,
Der Men£ch iTt nicht gebohren^ nm zn
denken« rondem nm zn empfinden: r&bre
fein Herz ▼on der zarteften Kindhelt an mit
Liebe zum Gnfen, fie werde fnr ihn in der
Folge eine Leidenfchait; lafii ihn empfinden»
dals, wenn er reinem N&chrten fchadet, er
diefBm das Becbt giebt» ihm wieder snlchn*
den; lehre ibn« da&f wenn er Ilnbe beben
wi]], er andre in Kuhe lalTen muis; lafs ihn
einfeheni daiS| wenn er Ton andem geliebt
leyn wtJI, er andre lieben mnfty dala, wenn
er Ton feinem Mitmenfchen ein Vergniigen»
nnen Dienft erwartet» er bereit feyn mnlj^
«llen, die um ibnlind, Dienfteund VergnCl*
gen zu gewEhren. Aber foll dein Unterricht
in leine Seele gelangen» Ib mnis er einen
andern Weg nehmen, als durch die Ohren:
deine edle Fr eundfcbaft) dein lianfter Cbarao-
ter mftllen deine Lebren darftellen, nnd fie
thun es belTer, als Worte, Lafs deine un-
fchuidigen Liebkofungen fein junget dnd rei-
L 4 net
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— i68 —
nes Herz xnit dem EntzHckea des Woblwol*
lent durcfadringenf Das Bed&rfnils zn Ueben
werde feine erfte Fertigkeit, fie wird der
Keim aller Tugenden leyn. Die Fertigkeil
ift alles fur das menfeblicbe Gefcblecbt, nnd
die erften Neigungen entfcheiden unler Loos
Eir die Zukunft. Du baft eine junge Pflanza
unter den Hftnde», du follft fie bilden; beuge
fie zur Wabrheit, Liebe und zur Wobith&tig*
keit) wie Ib vide andre He zum Irrtbum^
zum 2orn, zur Rachfucht, zum HaXTe beu*
gen; vor allem, verbanne alle VerlteUuog^
alle L≥ willft dn» dal^ dein Zdgling aof<»
ricbtig fey, fe fey felbft rechtlich und ofFen;
fcbeue dicb nicht, dein Unrecbt einzurebeOf
aber f&rchte dicb davor^ dals er es bemerkt»
wenn du dich bemuhft, es zu verl>ergen;
fcbeucbe ibn nicbt dureb eitle Scbrecken»
fcbmeicble ibm nicbt mit leeren Holnungen ;
lals feine natiirlichen Neigiingen Jich frey
zeigen und ricbte fie auf das Gute» durch
die Verpflichtnng, dich nacbzuabmen« um
dir zu gefallen, und da feine Gllickfeeligkeit
Ztt finden; biite dich« ibm deine Lafter mit-
zutbdlent dii w&rdeft ihm «nft Ciane Fehler
vorwarfent die docb nur die Deinigen iind.
Ja»
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Ja^ durch Liebe mufii maii die MMifcfaen
leiteq , uncl clie Liebe fubrt zu al]en Tugen*
deui denn iie fmd alle in dem Verlangen
eingerchlofren , Andre gliickltch zn fehen*
Wer es empfunden hat^ dals fein Gluck nicht
beltefaen kann« wenn et dem Gliicke andrer
suwider lit^ arbeitet trenlich am gemeinfcfaaft<«
lichen Beften : aber er kann damit nicht gluck-
licb feynt ^ala wenn er lein Herz mit Tugen*
den erfant» nnd die erlke ift das Bedarfnift
zu lieben, welcbes ihm die Nothwendigkeit
•nAegt» die andern Tngenden lich za er«
werben. Die Liebe ift a33es, lie ift dte Gmnd*
lage» die Sriitzei die Belobnung der Ta*
g^nd: Liebe ift es« die Cbriftus dlen Tn*
gendhaften verheilst, welche beftimmt lind,
^ne faimmlirciie Seeligkeit zu genuITeni eine
•vHge» gdttlichey unausfprechlicfae Liebe^
Liebe ift es, die alle Stifter von Religionen
ihren Bekeunerii verlprocbeii haben; durch
liebe fuchen fie ^efielben an die kilnftige
d&ckfeeligkeit zn feffeln; durch Liebe zu
Gott Xuchten £e die Menfchen wfthrend ihres
knrzen Dafeyns zvl leiteni iie zur Beobaeh-
tung der Gefetze zu bewegen, indem Ae ib-
ntn die Hofuung machten, dals lle einft zu
L 5 d«r
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der idealifcben Liebe gelangen wftrdeut die
lie els die' Krone aller Tugenden und a]s das
h6chrte Gtkt Torftellten. Gebraucht eben die-
fec Mittel, machi euch eben diefe Leiden*
fchaft zu Nutze: nur dafs alle Taufchung
irerfchwinde und nur Wahrheit an ihre Stelle
trete; redet zu den Menlbhen Vernnnft, ein-
facbe Vernunft; es ift ihr Vortheil, fie wer*
den iie faffcn» nnd zugleicb ihr Hera der
Liebe 5fnen; fie werden emplinden, wee
fie nicht faden; nur verhirtete Seelen uber*
Jallen iich der Aachfucbt, der Ungerecbtig-
fceit» dem Hafle; man ift immer tngend-
haft, gerecht und gnt, wenn man liebt.
Liebe» Liebe! Gott der Naturl K6nig
aUer Wefen^ Loft der Stei-blichen , Prenda
der Gottheit, Heiliges Band des Lebens,
Kette des UniTerfnms^ Qnell aller Gate, Ge*
rechtigkelt nnd Tu^end, Gmndlage der ge«
felirciiaftlichen Gieichheit, Gluckfeeligkeit»
die dtt den Sterblichen Terhetfiien bift| wenn
lie nicht mehr feyn werden: komm, ver»
lafle die Himmel» wenn du Re bewohnft^
nnd ttttg «uf die Erde! Denn mn dem Hafle»
an den Klagen, an der Rache, an den Krie»
gen» die bis auf dieCen Tag die £rde TCf-
wiiftet»
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— 171 —
wOftet» uiMi die Oberfiicfae derfelben fo oh
tnit Menrchenbldt befieckt haben, erkennt
mant dafs du fie nicht bewofanrt: konmit
^e^ keime in der werdenden Generation»
nmfane alle Herzen, flelTc WohlwolJen ein,
lehre Tugend^ begleite die Wafarbeit, Idlche
die Grenel eus, die deine Abwefenheit bit
{etzt veranlarsec hat, maciie endlich diefes
begnadigte Gerchlecbt glacklich, dem die
Vemnnft obne dicb Tergeblich Heil und Glilck
verbei&t*
Siebzehnees KapiieL
Vom Tode.
Was ift der Tod? Die Gr&nze unferer
Laufbabn, das Ende unferer Freuden und
Leiden, das Aufbttren unfers DaTe ns, und
nicbts mebr; es ift die Austilgung .er Bewe*
-gung, die Erkftltung der Lebenswftrme, der
Anfang der Auflofung, welche die Subftanz
nnlers Wefens den andern wieder zufilbren
ibn.
Alle Wefen in der Natur bekommen eine
befondre Organiiationt alle lebea und wach-
fent
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fien» nnd «11« geltngeoi naehdam £• ciBfl»
Kml» aachVerhfilnnft ihrar Gattiing befehrie*
beo haben, zu einem Ziele, ixber welchet
liineut fie ihr Dafeyn nicht ▼eriangem kto«
]ien« nnd welches lie wieder auf den Panct
fiihrt, wo ihre Tbeile fich trennen« iicb in
die Yerlchiednen £]emente miichen» aene Zof*
lSmunenret%ungen bilden» nenen K6rpeni dat
DaCeyn geben.
Der Schlamm tMt £ch an nnd ec bilden
lieh Stdne^ Jie bekommen Feftigkeit, wer*
den hart und brauchbar fiir den Menfcben.
Aufigeletzt den EinfllUIen der Lnft» indem
Jie ftch, werden alt und aeigen Ach tftglich
der Zerftohrung zu, die fliichtigere Sub«
StaiDZf die das Band ihrer MaCTe ausmachtc^
entflieht, fie trennen iich, und laffen ibre
groben und erclichten Theiie fallen ; ein Tbeil
derCelben geht in die Vegetacion zur Nahrung
(ler Pfiaiizen, wdhrend die andern, von
Kegen und Str6men fortgefubrt, fich in dia
Flufle ftarzen, wo iie bis an die Ofer det
Meeres fortroilen, um dafclbrc ungebeure
Bette Tcn Moraft aus Sand, Mulchein, Fi-
fchen nnd andem fremden Korpern bilden
zu helfen. Nacb Verlauf einer gewilTen Zeit^
wena
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^ratn ^oGew&Cbtr zurackg^tretttti find» wdcb«
tinauni5r]ich einige ihrer Ufer rerlchliiigent
und von einer Kufte Belitz nehmen» indem
fi* die entgegenftebendft Terlalleni w^en
diefe Morftfte hert* troknen «u»« nnd keh-
ren in die Geft«It von Tuf und Stein zurftok»
die iie mige jAhrhunderte Torher ▼erlafCen
hatten« Anders kdnnen lich diefe durch ih«
ren Umfang ungeheure und durch ihre Weiffc
fo noierkwardigen Steine nicht gebildet hahen»
woraus Paris und ▼lele andre Stadte ganz
gebaut iind, und aus den^ man beym Zer-
Jchneiden ganze Hinde voll verlkeiiiccter
JMwfciieln und Fifche fammelt»
Das Dafeyn aller Wefen dauert gerade Ib
lange^ ale zn ihrem Wachsthnm n6thig ift.
So dauern die Steine, ehe fie aufgeiofc wer-
deQ> Mjllionen Jahrbunderte» eben £bt wim
fie MiUionen Jahrhunderte zn ihrer Bildttng
beduiften* So brauchen Blnme, welche ein
Jabrbundert wacbXen muflen, bis lie ToUkom*
men lind) wiederum dn Jahrhnndert) his
ite ihre Tonkominne Austrocknung und ihren
Tod Anden^ w&hrend der niedrige JLaitig in
dem Zeitraum einiger Wochen wlcbftt <hi iA
und rerivelkt»
Eben
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— «74 —
Bben fo Ut es bey den Thieren. Einige,
wie die Milbe, bekdninien ibr Leben» wadu
fen und fterben gewm6riiiaa(ren an Eineai
Teget wibrend «ndrei wie der £lephant
nnd der Menfehi beynahe ein Jahrhttnderl
dauern. Wie dem auch fey, der Unter*
Idiied liegt nnr in Mehr oder Wenigeri aber
jede Gattung hat ibre bezeichnete Bahn , ihr
befdmmtes Ztel, und noch keine Macht hat
dieies Ziel anf eine merkliche nnd bekanntt
Art verldngern kdnnen.
£s ifx alfo eine ausgemacbte Wahrheiti eine
Wahrheit, die jeder Menlch znerft lemen
follte, fobald er die Augen ofnet, dafs er
lie nach Verlaur einer gewiilen Zeit, nacb
etnem Zekranm, den er nidit Terlangera
kanni auf immer fchlieffen wird. Wenn er
diefen lieilfamen Gedanken» Yon feiner Ja*
gend an« beft&ndig vorAogen hfttte; fowarde
er empHndeni dafs es lein Vortheil ift, zu
genftffeni er wftrde fieh bem&hen« die knrze
Daner« wc^ohe die Natnr feiner Anwenf
dung Ubetlatren bat| zu feinem Gluck so
benntzen.
Diefer Oedanke grimt nnd bennmhigt nnr
fcbwache Seelen, oder folche» die ihn nie
im
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- 175 -
im Alter dtr Jugend tmd Kraft gedacht haben.
Dadurch^ daik znan Ecb dle Idee voneineran-
dem Weltf Ton einem Orte der Strafe nnd der
Freude, gem.ichthat , ift ganz naturlich derGe*
danke au den Tod f&rchtedich geworden « belon*
ders lilr den Menfchen , den feina Unmorft*
litat irr feinen eigneii Augen verdainrnt, Die
Fnrcht vor Strafen ift in dem Menfchen yiel
Mrker nnd lebhafter, als die Sehnfacht nach
Belobnungen; einige fiircbten die Strafe, weil
ihnen ihr bdfes GewifTen fagt« dais Ae iie
▼erdienen, andre furchtfame nnd ftngftliche
Seelen iind daruber bange, ol) be fie ver»
dienk haben ^ und diefe Angft nimmt in ebeit
dem MaafTe zu, als das Aher heranrftckr,
oder Ki ankbeiten , welcbe die Mafchine
rchwftchen, den Menfchen in einem Zuftando
▼on Kleinm&thigkeit erhalten, der ibm a]le
Empbndung von Mutb ranbt, und ibn zum
ohnmftchtigen Kinde macht: das gewdhnliche
Loos derjenigen, welcbe an ein glanzendes,
mufsiges und luftiges Leben gewdhnt iind*
Wenn es irgend Menfcfaen giebt, welcfae^
obne durcb Nachdenken darauf vorbereitet
zu feyn, den Tod mit Gleichguitigkeit kom«
men lehen: fo iind. e$ dle Dilrftigen. Der
Av-
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— »7^ ~
Artnef der auf die bloQiB Nodidnrfe zarftck*
gebraclit ift, und fein Dafeyn nur an felner
Mttbe und an Xeinem Mangel merktes Ter^
)ft&t das Lebea ohne Gram, weil er nicht
eine VeranlalTung hat^ ficb daran zu bangen|
obae Furcbt, weil er feine Gedanken nicbt
nber das Leben hinaua er(b«ckt; Der Tod
ift in Wabrbei^ fiir ibn das £nde feiner Quai,
er fcbeint ibn nur unter diefem Geficbtspnucte
«nzufehen, und oft w0rde er mit dem grd-
ften Pbiloropben in Ruckficht der Seelenrube
bey dem letzten Augenblicke feiner muhvoHeii
Laufbahn wetteifem* Hter, wie aberal), be«
gegnen iicb die beyden Extreme, denn
der Zuftand einer gtozlicben UnwiCTeii-
beit) worinn diefer Arme lebte^ erbebt ibn
zu der Groffe, welche der Fbilolopii nur
durcb Nacbdenken erreicbt. ^ — —
Wenig Menfchen find yermegend gewefen,
ficb der herrlchenden Traumerey von einem
andern Leben zu eAtfcblagen. Die Anatomie
und die Fortfchritte der Phyfik haben uns
endlicb zur Wahrbeit und zur Berubigung
▼erbolfen, und wir wilfen bente genau, dats
der Tod nur die Au^tiJgung des Lebensprin-
«ips ift^ uacb welcbcr es weder Freu*
den
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— 177 —
deVi nodi lieiden glebt: md ant dielSMr Ge^
wil^heit folgt, da£s wir dlefen Augenblick nur
m fo fern fOrcbten k6nnent als su HppigiB
'nnd ansfchweifende Fl-enden nns an dae Le*
ben kniipren: eine Anhftnglichkeit, gegen
welcbe der Weife» und jeder» derdas GJlick
wahrhaft genflffen wiH» Ach ftets lichern winL
Aber wozu diefe Ideeni welcbe den
Grundfttzen aller Vi^Iker fo geradezu widei^
fyrechen? Ift es nlcht gerechter nnd nfitzli*
cher, ein anderes Dafeyn zu glauben, def*
len Lohn nnd Strafe (chon in citeler Welt cin
IKfittel znr. Aufmnnterung oder Fnreliit ab*
giebty um uns durch die Hofnung ewiger
Freude oderdurch die Furcht Tor dnigerewi*
gen Qual aaf dem Pfade der Togend «n Id-
ten? Wiirde nicht die Vemichtung diefes
Vorurtheils dei Ruin der Sitten und die Zer*
il6hrung der burgerlichen Ordnung nach fich
siehen?
Arme Menfchen^ die ihr nicht beobadi*
tcn wollct, die ilir die Welt iinmer nurnach
enrer Art zu leheni nach euren LeidenXchaf*
teui enren eingefchrfinkten Anfichten beur-
theih! Sagt mir, ob das menfchliche Ge*
fciileciit in den Jahrhunderten des ubertrie,
$,Suidu M ben-
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— 17* —
bcnftea Abcrglanbens befler wari ak et
heute ift, wo man anftngt, fich davon ]os
zu machen? Sagt mir« ob ajie eure chimiiri*
lchen fiinbUdangen dem Ehrgeitstt cter Eifer»
fucht, dem Haffe Einhalt gethan, ob iie Un«
keulcbheit, £hebruch und alle noch gr5bem
Unordnnngen Terhindert liabett, und ob alle
diefe Lafter jemahls den frdmmften und gllu»
biglten Vdlkern unbekannt gewefen Bnd?
Sagt mirt ob Trenloligkelti Verrftthereyt
Mord, ob die empSrendftenMetzeleyen nicht
Begleiter religi6rer Uebungen waren? ob die
GefelUbhaft {emahlc mehr m Unordnung, die
Erde mehr mit Menfchenblut uberftrOmt war,
ala wenn man fiir die Sache der Gottheit wii-
thete? Sagt mir, wenn ihr es wagt, beweift
es mtr, dais das menfcbliche Gefcblecht Ter-
kebrter ift| ieitdem man weniger Vorartfaeile
hatft als ec trorher war; fagt, ob die Ge*
fellfchaft weniger gliicklichi weniger gut or-
ganifirt ifk?
Die Forcht vor ewigen Strafen fchreckt
nur denjenigen ab, der ein allzu empfindfa-
mea nnd gutes Herz hat, alt dafii er Bdies
tbnn kttnnte ; den B6fen kann nur die Furcht
vor m§nfcfUichen Strafen zuruck halten» Dio,
Hof*
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Hofniuig auf Belohattag ift dardiAiit von kdi*
ser Wirkung.
Der Glanbe tm em taiArtg Leben erMlt
die Seele unniitz mit Bangigkeit und leeren
Hlutfamallangen) welckeriein einem Zafunde
Ton Einfcbrftnknng ertieltenf worens ftlr des
Individuum Qual und Ungluck und fiir die
GerelirchaTt kein einziger Vorilieil enifpringt»
Im OegentbeOt die Betracbtting des Todes
und die Gewifsheit^ dafs er das Ziel des
menCchlicben Dafeyns ift » befreyt nna Ib*
gTeich von allen kleimnlithigen Scbreeken« und
wSre die Wirkung davon auch nicbt grdlTeri
Ib ift Ae docb f&r unire fierubigung lebr be»
triu^tlicb. Aber icb bebaupte^ dab diefe
Gewilkheit ihre Wirlcungen noch weiter er»
Jkreckt^ ttnd dals nicbts fa viel dastt bey^
tragen kannt den Menfcben Binpfindungeii
des Wohlwollens einzufloflcn. Man mufs ins*
belbndre eingefteben» dafs £e der ScbutSBbrief
fftr die Freybeit der Vdlker Ift, welcbeewig
Yon Despotismus unterjocht und Sclaven blei^
beut fo lange ein Betrlkger fie imNauiendea
Himmels anfiibren nnd ite auf einen Punct
bnngen luuins wo lie aus der th6richten aber feftcn
M a Ue*
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Uebarxeogotig vob ciiiar k&nftigeii Belolmiuig^
ibr gegenwlrtiges Leben enfopfeni.
Die Vertilgung des VonirtheUs Ton einem
andeni Leben dieat desn, die VOlicer sn
fcbHtzen, die Sebwidien nnd BedQrfdgen ge-
gen den Uebermuth der M&chtigen zu Ter«
ibeydifni* In ellen Zeiten liabcn fidi dioLetz^
tern nach Mdglicbkeit der EntfaGlhing diefer
Wehrheiten widerietzt: aber werden diefe
Wabrbeiten ebmabl crkanntt Ib Bad^iofii
Aoken Bdfewichtcr gen6tbigt, heralilalTendets
demiltbiger und ehriicber zu werden, ibr
Beyfpiel, der lielke UnlMTicbt* wirddiedarf>
tigen KJaden erheben und benern, und diefe,
wenn fie die th6riobte Hofnung auf Fortdauer
iluFgegeben haben, werden fieb entfishlieflen»
Eifer und Fleifs zu verdoppeln, uin fich die
kurze Lebensfrilk fo gllkoUjch als ntagUcb zn
macben.
Und da die Vorurtheile eben fo mit ein*
ander fallen, wie fie mit einander entfteben;
fo wird attofa diefet nicht Terlchwinden, obne
andre mit zu vernichteny und das Menfchen*
gefchleciK wird erkennett , dalii das Glftcknnr
in Eittfidit» Ordnnng^ Tngendf Freymft-
tliigkeiti Bruderfinn» 0eiik der Frejdieit, der
Gleich
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— i8i —
Glelcbheit, weehfelleitiger Liebe« midindem
Verlangen beftehty fein Wobireyn in dem
0lftoke des Nebenmenfchen zu fachen. So
wird der Tod, — ein Gegenftand^ vor def-
fen Betracbtung lich der Menfch bU auf dio>
fen Angenblick endetzt bar, und di^r unsnur
traurige tind 6de Vorftellungen zu gcben
Xchicn» — - durcb Ueberlegung»wenn nicht ein
Gegenfbind der Frende, doch wenigQens ein
Sto fT zum Troft und eine Q^iielle der allgemei*
nen Gl&cfc£eeligkeiu
Tod| du unerbittlicher Beherrfcher aller
lebenden Wefen, der du deine Macht eben
to frey llber Kdnige» wie ftber Betder aus*
tibft; Verzweiflung des Bofewichts» Troft
des Unglacklicben; Schrecken des Feigeii»
St&tze des Weilen; Ziel nnfirer Laufliabn,
Ettde unfrer Frcuden und Leiden ; zeige dlcli
von nnnandenSterblicheni wie du bilt, als
Uebergang zur ewigen Rube, als Hing.mr;
zum Kichts. Lafs alie die Gefpenfter, womit
Aberglauben, Angft nnd Unwiffenheit dicb
belehnt baben, yerfchwinden , dafs He niciht
mebr Millionen denkender Wefen an elngebil*
detes Nichtt fefleln» den Grund ihres Un-
M 3 glacks.
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— i8a —
glflcks, die Quelle Umr Vorartfadlaii ihrar
Ohnmacht, die Urfache der Sclaverey dcr
V6lker nnd des Uebermutbi der Tyrannen.
Dtt dienteft lange dem Pespotismns ond der
Terruchten Scheinheiligkeit, dle Ach gegcn
det Glttck der V6Iker Terfchworen katten;
diene nun ancb dem UngluckHobenf beibbatzo
die Schwachheit gegen die Kuhnheit uud den
Ehrg^ Ton Q(»(ewichtern. Da haTt \m ietst
nur kleinmuthlge, Gedankenk>fei Terfdhrto
Haufen vor dir hergetrieben ; nimm nun
freyei muthige Generadonent welche dem Irr»
thum ahgefdgt haben , mlt din Maehe alle
Uaordnungen und Uebel wieder gut, welche
die Fnrcbt ?or deiner Macbt und deioen Fol*
gen bis jetzt veranlalst haben, und werde dio
Stutze der Tugendi die Quello begluckcnder
Bruderliehe, welcha einft alle Vdlker Term-
jaigen (oU; grunde den ewigen Fricden, lalTe
die Wabrheit vor dir hergeheni opfre dich
dir felbrtt und Hl^hta mcht, dein«
Herrfcbaft uber ein ungluckliohej) Ge»
fohlecht zn Hndern, welches rom Beginn
der Zeiten der GeiOisl des fGbrecklichften
Aber^lauhens unterworfen gewefen ift,
der Dir fo oft Trinmphe btreket und
diefet
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diefes Gaicbleebt beynaiie gaas TerniciiteK
•faat!
So weit ich die FreQz6rt(bbe Pbilofopbie
kennen gelernt babe, glanbe ieb davon obne
Ungerechtigkeit Folgendes fagen zu konnen,
!• Die Franxoien haben kein TolKtilndiges
Syftem der reinen Pbilolbpble enfzuweifeKk
Vefcartes^ den man allein anruhren k6nnte«
tinirai«te nur einen Tbeii der WiCliNifcbaft :
fftr die pracHfche bat er wenig oder nicfait
geleiftet. In den andern Syrtematikern , de»
ren es docb nnr Uberaita wentge giebi, liii>
det man Loke oder Newton. *) Der grobe
Materialismus einiger Schriftfteller irt, feinem
Urfprunge und leinen Beweifen nacb) durcb-
eus empinfobf und dieht nnt dat:tt« diefen
Abweg der phiiofophirenden Vernunft in fci-
nem ganzen Umfange kennen zu lemen. —
Wer die AUiandlnngen iiber die Syfteme der
Alten
•) HoHentlich wird xnir NienMind ctwa eincn
Cour» de Pfailosopbta Ton Smuri cnigegenAelltn.
M4
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— xa4 —
Alten in den Mem. de rAcad. des Inscr. kennt»
wird villen$ wie imbeftimmt die Ideen die^
fer Gerchiclurcbreiber iiber das Tindy was
man Syftem nennt.
a. Ueberbaupt baben iie die Pbilofopbie
nie a]s eine eigne ftir fich beftehende Wiffen-
Icbaft beb^ndelt* Sie ift ibnen entweder Ke*
foUat ans Datis der Erfabrong nnd andrer
Wiffenfehaften, z.' 6. der Matliematik und
Pbyiik, oder Inbegriff allgemeuier SHue de»
Sens cominun oder bon lens* Man fehe ibre
Loglken nach| die aus der Scbolaftifchen
Periode ausgenomment und man iindet nicbo^
elt pfycbologirobe Kapitel und • Unterfocboii-
gen in der IManier der Maniere de bien pen-
•en Ihre Metapbyfiken bnd m Cento
ma Pbylik, ACtronomie ond Natorgelebicbtei
unter allgcmeine Rubriken gebracht. Wer
imter ibnen bat an «ne Moral t als Winen<»
Ibbaft gedacbt? Wer eine Winenfcbart dea
I^aturrechts aufgeftellt? Was verdanken wir
ibnen in Aackficbt der UnterlbGfaHng det
menfch*
Die belle» die ich beme. ift die Ton Craiiptu
AmSL 1725. 4 Tom. fl^.jUMK wai ift daiatt JiUet
zufaiuinenj^eliiiuft ?
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— i85
menrchlichen Erkenntinftrami^gillS? MiH
lefe CondiUac und Bonnet.
3. Ste haben keinen Thml «ler Pbilofophie
tief ergranclct und b!s euf allgemeingultige
Principien verfolgt. ^Miistrauifoli gegen alleSf
wat tieifinnig ift« fuehen lie eJleln das Nuts-
bare, (wie IVIr. S. von Voltairc rlihmt) und
hringeo deoi groOen Haufen Gefcbmack da«
jran bey*** WJts ond Leiebtigkeits ficyfpiele
nnd Glejchnifle vcrtreten nur zu ofi hey ib-
nen die SteUe der Gjrondfiltae und Beweifi»:
die neiften fprechen ans dem Tbne det
Mr. David im Journal dePhyfique, Sept. i^dx.
(wo er von ^ewcons Anziebnngsfyltem redel}
de pareilles absurditit^ quelque aocrediteee
qu*elles foient, ne trouvent point de place
dans nn Oavraget ou ifom /ora ene loi do
no montrer ifMO dm Sont eomtmuu
4. Sie ha])cn Kch nie zvi einer phiTofophi-
Ibben Kimltfpracbe vereinigt, Man giebt die6
fo allgemein zu, dafs ieh nicht nadiig habe,
das I^eyfpiel, welches EUfch (ang. O.) aus
Pinto anf^rti mit andem zvl Termehrea»
Cs ift da viel L&rm ilber Sfttze, die ^nt nn-
ter dem Namen contradictoriae und contra-
liie ohne M&he ontericbeiden. Mit der Ver«
M 5 ach«
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^ i86 —
•ebtnng dar DUleotik niMl dm gelainnitmi
Scbolaf^ifcben Pbtlofopbic, mik det Begierde^
fur alle Welt und angenebin zu rohreiben,
Yerlbbwftnd der 0ed«nke an eine Knnlifpracba
gUnzUcb. Sn etwes beiftt ibnen Sarberef
und dialectifche FelleK
5« Ibre Pbilofopbie beMit in der Fertlg*
keit, uber Gegenrtande der finQlieheQ und
intellectueJIen frfahrung deatlicb und «nge*
nebm zu fyrecben: lie beben Beobacbtangi-
gabe und practifchen Sinn : Jie wenden fo-
gleich an« wat &e beQierJ(en« iind laflen
nicbts f&r Pliilofophie ge]ten.| wai fie nicbt
fogleich auwenden konnen, Bey ihren Be-
ebacbtungen aber balten fie Bcb inooier gem
en dte n&cbfte Brleheinung, und iinden la
mit H&lfc der Analogie immer die fcheinbar-
ften ErklArungsgrtlnde auf. Von Natur Feinde
tieflinniger Forlebnngen» zielien lie dat Idch*
ter Begreifliche dem tiefer Ergrundeten vor^
nnd (b entltand bey ibnen die Vorliebe f&r
Materialismus, FatalismQS nnd ZweireUucbt.
Zweifel lind ieichter, und fehen immer fcharf-
linniger anst als dogmatifcbe Bebanptungent
fie geben dem Witze ein freyes Feld, und
diefem bat die Nation von je faer gebuldtgt.
Ibre
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- 187 -
Ibrft PbUoropbio &bte ftch znerUt aii der Tbo*
alogie, und hat an diefer zu aller Zeit eln»
beftige Feindin und Verfo]|;erin gefuDden: da-
ram hat Be belUndig gegen diefe ihrm fcfairl^
ften Pfeile gericluet, und, indem fie Theo»
logie und Keiigion fur £ini nebm, geweldge
Zerrftttangen m der letstem «ngeriefatet —
Wenn Ae uber die nftcbften Erfcheinungen
faineusgebeni geratben iie in unerweiXsliobe
HypotbefeAi oder in zu&Utge Verbindnngt»
arteni oder in Scijwiirmerey, Wie viel
trftumt iiicbt Biifibtt, wo giebt ei ein federee
imd anlbattbafteres GelbhwAl* ftfaer Gefofaichie^
als in Voltaire*s Philofophie der Gefchichtei
■nd wo bndet ficb CeltCmere ScbwiUinereyt
els In ihren Poirets, oder io dem bekannten
Buche: Les erreurs?
^ Der Gbaracter der Beobaobtung and det
Pract)(bhen ift es, daiscb welcben ibre PbOo«
fopbie fo fehr auf den philofopbifchen Geift
auch ilnferer Nation gewirkti und £ribft bey
dem ungelehrten Haafen der ihrigen Eingang
gefunden hat« Qerfelier nnd Regis trugen
einft dem Frauenzimmer Carteitani(bbe Pbiio*
fophie yor: auch der Ungelehrte las vnd
ferltand JCeinen Voltaire und KouHeau. Die
fran*
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fr«iiz6ik£Bhen Pbiloropheii habea imf dam
erhimrt, der pracdrcben Philofopbie nebro»
ren Fi^iCs zu widiDen: Jie verfiibrteii ane
oinft Cbgar ztt einer gewiden Xeiofatttt Peptt»
laritat.
Jjdan vcrg]eiche mit diefen Bemerkiuigen alleSi
was die Eneyelopedte tfberdenBegrUf derPbilo*
fophie uad der philofophifchen Winenfcbaften
|agt| manunterfuche» waa B. Voitairo fo oft la
yraie philosophie , la philosopbie an* deSbl dee
prejuges i la pbilosopiiie raifounable nennt»
and tnan wird nicbt leugnen ktosen» dalt
die firansOfiibhe Pliilofophie kemen Anrpfnch
nuf den ^amen iind Rang einer Wiftenfchaft
«udien kann» Von ibren Philofopben gilt
im Dnrchfcbmtt daa , wa$ Voliaire von Mon«
tesquieu urtheilt: On y trouve trop fouvent
des Seinies Yon attende des raisoDaemenSi
ils donnent trop d*id^s doateoles ponr det
id^es certaines: mais i^ils n instruisent pas
lenr lecteurt ils le fbnt penGer*
Wer mehr Penetradon, nnd mehr Hftlfs*
mittel beDine, als icb, wurde uns eine 6e«
fbhidbtederfraiisAfiicbenPhiloidphiegeben kSn*
nen, die an dem Faden einer gedrilngten
Darlteilung der aligemeinen literariicben Kul«
tnr
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- 1%) -
tnr In Franknieh fortglen||at den Einflnft
dcr politirchen Verhaltniffe auf den Geift der
PbiJoropbie bemerktef die wii^btigen SebHf-
t«n der franzSfifcben Philoibpben in cten Ter^
fcbiedenen Theilen diefer WilTenfchafi Aus-
zugcwMfe oder dureb aUgemane, «ber grHnd*
Kciie, Beurtbeilnngf attlTilbrtef die week*
ftlfeitigen Verkehre derfelben znit Englifcher
nnd Deutlbher PbUofopbie entwiekeke» nnd
nnf dem G^fte der Nadon nnd deren Bildung
die Befcbairenheit ihrer Philofopbie zu beur»
dimlen und zu erklfiren verfucbte. Diefer
Oefebiebtfehreiber wHrde natftrhch auch die
&fthetifchen» biftorifchen und matbematilcben
Werke der Franzofen kennen und benutzen
mafTen, wftrde alles felbft lefen und unter-
fuchen, und lich weder durcb iVlemoiret»
Jbumanx, Bncyelopediesi Oictionnaires^ Vief»
Abieg^s» Reflexions, Catalogues, Biblio*
tbeques, Pieces fugidves, Hlagacinti Re-
caeilsi Fspriu* noch durch unfre fiterari»
lche und philofophlfche Joumale und Biblio*
tbefcen *) allein ieiten nnd irre Gibren laf*
Zur literarifcbeii Xamniilf And aUecdings ualie
AauEiwiitomm, smrerillBgoNtcUcbiea, Acu
plii*
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gen, iab idi woDgitcm weilt, wie idcb
ef tnacbeii tiitils» ob icb e& gleicb ielblt
■mIbk kAmif bI iniwte 9fgo(UMtt rtgntimi in6%
vdJ hoffei da(f mm fieh diefet Bekmmtninet
oicht bedieoen werdet loeiiiea genagem
VerlAcb zn wfy^uen.
Bey einer rolchen genauem nnd rpeciellern
Unterliicbujig d&rfte alierdings mancber £iii«
sdae in eineai mrlli«]bafteni licble erfiBliei*
nen, als es in diefer a]]geaieinen Ueherliciit
geiicbebeii konnte» wo es dareuf aAkaiB, die
Veniieiifte der Franzolett tim dia Pbik»ibpfaia^
a]s Widenlbbaft» liberbaupt zu wurdigen.
F.
jpbiloiopliorum ^ Rebiuoneft de wwu libni , fixiefii
llber die litaianir» Windheiiiif » Btijet* Rie-
deli» StttUtt» Zobeli» Febeit» Fednt u. i. phi.
bfej^fche fiibUotiittkeii* nnd audza Utetixifche
Zdicfditiften , befoiiden iot tieoeni ZeitMi. fehr*
jtu citipffhlcn. Abcr in Rilckiicht der AuszO^
und Urtheiie kann mau i&cb auaiibl iuf die eiisni
ttii ffm fuUiiiuu
W A S
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WAS HEIS8T1
DEN GEIST EINER PHILOSOPHIE
DAESTELLEN?
£& itt die Sftche eiiies critifohen W6rterbuch%
alle die Zufammenftenongen ^ in denen wir
auf Veraolaffung der Franzofen das Wort Geift
braacfaen» zu lainmeln und zvt recbtferdgeii»
Ich bleibe hier bey demjenigen Gebrauche fte-
hen« der (ttr die Gefchichte der Philofophie
^chtig ift« {nlbfem nan es dem Gelcbiciii»
fchreiber derfelben bey jeder Gelegenheit zur
PEiobi; niiobti den O^tft dielts oder jenea
Syftems, diefer odef jetter Pliilorophie dar*
zuftellen. Vor einiger Zeit war diefes Ge-
lcbiUt lohr leicht: nuui fiuBmelte aua dea
cbrif*
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Sdinften bcrftbmter Deiiker «ae Meiige Er-
klSlrungeD» MaximeD, Sentenzen und Ein*
liiiUet nnd gab iins Co onen Ceift des Herm
yon Leibnitz, Hooiet d'Argens nnd andrer.
Wcnn wir bey dein Worte Geilt zunsichlt
in das Nicbtk6rperliche denken: ib baben
wir znr Erkiarung jener Redensart noeh niobts
gewonnen. Wir miUTen den BegriiT noch ge*
Daoer sergUedemt nnd bier findet es ficiit
dals wir mit demfelben Tornehmlich fulgende
Tcrbinden: i) den BegriiT des Jmier» eines
Gegenftandest welcbes man im G^genfatae
der aufern Form die Mdterie nennen konnie.
d) des AU^aneinen oder Ganzent welchet
dnrcb die befondern Tbeile Terbreitet oder
hervorgebrachl wird. 3) des Wefentlichen in
ttnem Gegenltandet im Gegenfaue des Za*
lillligen. 4) des HmiptfMUckpe»^ Vomehm»
fien, Wichtigften. 5) des Reinen^ welchet
nacb der Abfonderong alles Fremdartigaa
Hbrig bleibtt oder Tor jedem Zpfiitze
fchon da war. 6) des Lebendigeny in und
durcb Acb felbft Wirkenden* 7) des MeMen^
ctottt welcbes feine Kraft aofer licb mittbeilt.
Aus diefem allem enU^eht das^ was einen Ge-
genftand zn dem maditt was er iftt dat
Eigen."
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- 193 -
BigettthUmliek0i in welchem mithin der C7itf«r>
fchied von andern fiegenrtanden beftimmt ift.
Diefe Bedeutungen auf die Kedensart Geift
miner Phiiofophie angewendet, was wiid nan
diefe eigentJich fagen wollen?
BilUg unterfcheiden wir hier erltens die
Philofophie als obiective Wiffenfcktft ^ von den
Bemiihungen der Dcnker, eine folche Wiffen-
Ichaft zu finden oder zu befeftigen» d. h»
▼on den Terfchiedneli ^rreit zn philofophiretu
Die Philofophie eines Descartes, Newton,
Leibnitz, Wolff ift noch liicht die PhilofQphie
ttherhaupt^ fo wie etwa ^ie Geometrie eines
Enclides» Karfteny Kaftner die Ceometrie
Uberhaupt ift. Zweytens nnterfcheiden wir die
Philofophie als Wiffenfchaft^ dem ScbnlbegrilTe
nach, von ihr als Weifsheit% nach dem Welt>
begrifFe*
Der Gefchichtfchreiber der Philbfophie hat
■et mit den verfchiednen Arten %u philofophiren
aa thun* Deren kann es, der Haaptlache
nacb, nur dreyferley i^eben. Entweder die
Denker hehaupteten» dals dasienige» was£e
ilber den allgem^nen Zulammenhang der Dinge
ausgedacht hatten, wirklich fo fey, und ftell-
ten daf&r Bewei£e aaft dogmatifche Art zu
& Stiuk. N philo-
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— >94 —
pliUoCDphireii* Oderfie bezweifdteitniid leug-
neten die M4!ig1iefakMt imd Wabrheit foldier
jElniichten und Beweife, fceptifc/ie, Oder iie
miterfuchteii die Griinde diefer Behauptungeni
die Mdglichkeit diefer Hinfichten, die Gewi&*
heit diefer Beweife in der Natur desMenDchen
felbfty critifehB Art za philofophiren. B^haup-
ten^ Betuieifeln nnd Unterfuchen^ ware aUo
das Innere, Wefentliche, AUgemeine-^ Uaupt*
fikshlichlke nnd Lebendige in den Terfciiiede*
nen Philofophieen der Denker, daSjenige, wo-
von alle ilire einzelnen Unterluchungen aus*
gehen» wodurdi lie geleitec werden, nnd
worauf fie znriickkonimen, und wir miiften
a]fo Yon einem dogjnatifchen, fcept^fcken und
^ritifekenQdftB derPhilofophieenfprechen, wo«
Ley natiirlich elnige Unterabtheiluii^eii vor*
komnien*
Wer nur immer anf taM von diefen Ar*
tcn phUorophirt hat, hat nach gewiffen Frin^
tipien piulofophirt, diefe mochten nnn f6rm-
lich ausgedr&ckte S&tze feyn, oder nicbt. Wer
dergleichen nicht iiatLe) oder fie nicht bey
ieinen Unterfucbungen anwendetcy der gehdrt
in eine Gefdiichte derPbtlofophienichL Prin*
pipien iind dos Aligemeine^ was fich in aJle
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195 —
die befondeni Speculatlonen Terbreftet» da»
Innere einer jeden Lehrmeynung, das, was
den einzelnen Forfchungen Kraft und Bezie^
hung giebt, die wefentlichen Beftandtbeile der-
felben, oline welchfe die leutern aufhoren,
etwas mehr als bloHes Meynen zn fleym Der*
jenige Gefchicbtfcbreiber alfo, der die Pnn>
cipien einer Pliilofophic auffpurt, und 6i%
einzelnen Bebauptungen nacb denfelben pruft
nnd erl&ntert, ftellt den Geift einer Vhilofopfue
dar. Er wird bey diefer Darftellung natur*
licb darauf zu feben baben» ob diefe Princi-
pien empirifch oder rationa], und als die letz-
tern ]ogifch oder luetapbyfilch , ob iie allge*
mein und notbwendig, oder nnr befondre
und zuBlllige find. Die Anwendung derfelben
beftlmmi deu Zufammenhang in einer Art zu
pbilofophiren» die £uifaeit, welcbe in den
einzelnen Unterfuchungen herrfcht, mit einem
Worte das Syftematifche* Derjenige 6elcbicbt>
fcbreiber alfo, welcber den durcb Pnncipien
hervorgebrachten Zufammenhang aller Giieder
einer PiiUorophie zeigt» XteUt den Geift der-
felben dar. Der letzte Zweck der Pbilofopbie
ift Beziehung der Erkenntnifs auf die wefent-
Echen Zwecke des Alenfcben» d. b« fFeifsheit.
N 2 Die
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- 1,6 -
Die Denker haben aof diefen bey ibren Beiii&-
httngen mehr oderweniger, mittelUar oder un-
inittelbar bingearbeiteL Der)enige Gefcbicht-
Ibhreiber «11», der uns entwickelt, in wie*
fern diefe oder jene Art zu philofopbiren auf
d«s wirkliche Leben mehr oder weaiger Ein*
flnlf heite nndhaben konnte, in wiefem &e
diefen Einliuls naber vor Augen blelt, oder
ganz «os dem Gehchte Terlohr» rtelliunsden
Ceift derielben dar. Dlefem gem&Is wftre Ton
einem fcientififchen ^ fyftematifchen und practi*
fehen Gelfte der Philofophieen die Rede, wo-
bey ebenfaUs noch einige UnterabtheOangen
Statt Anden»
So wiirde z* B. den Qeift des Seepticumu$
darfteHen, fo ?iel heiCren, a)s zeigen, was
Sceptidsmus ift, wodurcb er ficb von den
fibrigen Arten zn philofophiren unterfcheidei^
anf welchen GrQnden er beruht, wie er in
lidi zufammenbslngt , und welcbes feine Wir-
kungen find.
Diefer Geift kann und mols aus der kdr-
perlichen Umgebung der W6rter, Wendun*
gen und Darftellungen herausgehoben werden»
Wir lafTen die Ausdriicke Zablen, Ideeu,
ilonadeni HomoQmerieen, u. L w. faUeJi,
nnd
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— 197 —
und factieii den rainen, innern nncl MTenii-
Jicben Gedauken auf , der in denfelben einge«
Wickelt ifc Wir Uberlehen die Einfalle und
Hypotbefen, womit ein Denker feine Speou*
lationen ausfchmuckte) oder die er iich ne*
benbey erlaubte, und iialten uns an leine
bauptlachlicliften nnd wichtigfVen Bebauptun*
gen, die unter fich in Verbindung rcehen.
JBs entfteht aber hierbey vielleicbt die Be»
denl^Schkeit, ob nlcht durcb eln folchesVer*
fahren die Gefchichte der Philofophie an der
%VL ^ner jeden Gefchichte erforderlichen Treuft
▼erlieren und zu einem Roman ^erden diirfte»
in welchem alle PhiJofophen grade fo denken
nnd lehrettf wie et dem Gefchichtfcbreiber
gut dunkt. Man hat die Behauptung oftwie-
derholt} daljs eine pragmatifche Gefchichte dar
frhilofophie eigentlich a priori gefisbrieben wer*
den muITe.
AUein es ift von diefer Seite nichts fiir die
Trene der Gefchicbte zu beAlrcbten.
Genau genommen, kann felbft in elner
Gefchichte der Begebenkeiten bey weitem keine
folche Treue Statt linden, a]s In einer Ge«
fchichte Ton Meynungen oder Behauptuiigen*
Begebenheiten hftngen Yon einer Henge un^
N 3 zabl-
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^ 198
tHblbarer mi oh fehr geringfuglger Neben*
umft^nde ab; fie werdea beobachtet, durch
Tra^kion fortgepflanzt» nnd ver&ndern fich
beynahe bey jeder Mittheilnng* Selbft die* un«
mittelbare Beohaclitung wlrd durch die £igen*
lchaften« den Standpunet, und die Stimmung
des Beobaehters nodificirt Ganz etwat an*
ders ift es mit ciner Gefchichte menrchiicber
Gedanken. Hier hftlt lich der Hiftoriker an
Urkunden, die ledermanns Einncht oHen ]ie«
gen* £r darf nicbt den Gegenftand deHen»
was er erzfthltt arft dureh feine Erz&hlung
m Etwas machen: er darf nicht beobachten»
was gercbiebt; er bat lauter Facta» aufge*
zfeichnete Faeta, vor iich, und darf iie nur
verftehen und prufen. Ob cin Denker, def-
fen Syltem er vor fiob bat, Tielleicbt ganz an«
ders dachte» als er Ibhrieb, ganz anderc
handelte, als er dachte, das kiimmert ihn
tii^t: er foll ja nur berichten, was derielbe
uusdrUcJdick gelehrk habe. Aber wird nicht
der Erzahler feine eigenthumlichisn Anfichten
tinterfcbieben? wird nicbt der Woliianer diefe
Facta ganz anders auiFanen und beurtheilent
als der CarteRaner? £r nimmt vielleicht die-
fen oder jeaen Ausdruck eines Piiilofopben io
dftfff
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— 199 —
dem Shxoei den /ei/t Syfeein damit Terbindet ;
er findet das Wefendicbe und Eigentbamlicfae
deilelben eben darinn, woiinn das Wefent-
licbe und Eigentbumlidie fsiner Pbiloropbie
l^eftebt, und Ttellt uns, ebe wir es meynen,
ia einem Pannenides einen rormlichen Spiiioza,
in einem Arifioteles den entiidiiedenrten Locki*
aner dar.
£ben bier lik es, wo» diinkt micb^ die
eritifche Art zu pliilofopbiren ficb vorzuglich
bewabrt. Der chtircbe Pbilofopb nimmt ei«*
gentlicb keine Partbey, er ift weder aus-
rchlufslich Dogmatiker noch Sceptiker, weder
Materia]ift nocb Immaterialilc» und wie die
einzelnen Secten- Namen weitet b^0en« Er
fieht allc dicfc Behauptungen von Seiten ihrer
Beziehung auf die Gefetze des menfcblichea
Gelftes an: er findet in den Lehren des Em-
pirlften oder des Rationalifien nlchts Ausge-
«nachteSf er zweifelt auch nicbt mit dem
Zweifler; fondem er acbtet Tomebmlicb dai»
rauf, in wiefern die Behauptungen des einen,
oder die Zweifel des andern in jenen al]ge«
meinen Gefetzen des menrcblichen Geiftes be-
griindet fiud, in wiefern der eiae oder der
4 andre
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— 200
«lidre Qber die Crrenzen des ErkemitnilsTerr
mogens binaustrat, odei^ ficb darinn zuruck-
zog. Er glaubl ao keioe ^oirkUek vorkandae
Piulorophie, fbndem liebt dieCelbe TorlfiuEg
nur als mogliche Winenrcbaft an, nnd beur*
tbeilt mitbin die Erfindongen der Denker nach
dem Grade, in wdehem lie fich diefer Idee
einer WilTenlcbaft n^erten oder dayon ent*
femt blieben* Eben dadnrcb ilk er aucb in
den Stand gefetzt, eine pragmatircbe Gefcbichte
der PHilorophie zu fcbreiben* Jede pragma«
dicbe Gefchicbte letzt eine Aufgabe Torans»
welche durch diefe]be geldft werden foll: fie
loU iVegeln und Mufter liefem fiir das« was
Boch gefcbefaen kann nnd mnls* Der Dog*
matiker und Sceptiker hat iiber jede Aufgabe
Xcbon entfcbieden, und b^It das Gefch^t der
Ffailofopbie ftUr Ichon Tollendet»
Eine pragmatifcke Gefchichte der Philofopki€
ift a]fo nur durch ^ne critifche Unterfuchting
und Darftellung der verfchiedenen Arten zu
philofophiren m6glich* Und in diefer Voraus-
fetzung heifst den Ceifi einer Phyofophie dar-
ftellen, eben fo viel, als zeigen, in wie*
fern die Befaauptungen .cines PfailQlbphen in
der
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— aai —
d0r INatnr dt» menlchliclieii Geiftes gegrfin*
det, den Gefetzen deffelben angemerfen Rndf
niid ieuie Grftnzen halten oder &berfliegen.
Mithin Irommt es bey der Darftellung des
€f«(kes ewer Pbiloropbia nidit daraof an»
dUia nnan
Brftetv grade die Bilder und Autdrftcke
beybehalre, in welche derDenker feine Lehr*
l^tze einhullte, ob es gleich zur Erleichte*
mng flkr den Beartbeiler gut i&^ dielelbeii
init anzufubren.
Zueytent Jind davon ansgefcbloflen alle
Meynungen ohne Philofophifche Griinde, wio
die Tr&umereyen der Feuer - und Goldpbilo*
fopben, oder die Lebren vom Seelenfcblafe^
Yom Sitze der Seele u. d. lind: alle unzujam^
menkBngende EinfiUle iiber diefen oder jenen
pbilofopbirchen Gegenftand) dte auf keinem
Principe beruhen und unter fich in keiner
Verlnndung Iteben: alle Hypatkefen^ die hei»
neu mBgiichen Gegenftand haben, nickt ^ulang'
lich finds etwas tnehr^ als bloffe pole-
wMb^t Vntkeydigungs 'Uittel feyn foUen* Man
N 5 kann
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lumn Be^ «m dan Philolbpheii Ailbft zn d»*
racterifiren, nebenbey mit enmerkeii, aber
zu dem (jeilte eioer i^iiilo£ophie gehoren &m
nicht»
Drittens^ eine AnflteUang der &ufem Um-
fiftnde nnd VeranlalTangen « welche einen
Denker grade auf diefe Arl zu philofophircn
leiteten, £ndet eigentlich ihre SteUe in einem
GeiAe einer Philorophie nicht. Wir woUen
Ijjcr liur wiffen, i'yas er lehrte, nicbt aber
warum er grede auf dief^ Lehre helf wenn
diefes Warum nicht in dem Gange der philo*
fophirenden Vernunft iiberhaupt zu fuchen ift,
fondern von liufeni Uiuftjfcnden abhing. Die
Hntwicklung der letztern kann hfichAens nor
2ur Ausfchmuckung dienen»
Vierfens^ man kann den Geift einer Philo*
ibphie anch in zweckmaffigen Ausziigen aus
den Sciuriften eines PhUofophen darlteUeni
wenn man orft im Allgemeinen den rechtm
Gefichtspunci: su deien Beurtheiiuiig angege-
ben hat*
Idt
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— 2o3 ~
Icb kaim 6S mir meht einkommeii lafleOf
irgend einen meiner geringen Verfucbe als
^ulter einer folchen Daiftellung anzufuhren:
ftber ich bin mir bewofst, diefes Ideal we«
nigftens vor Augen gebabt %n baben. Fuble
ich mich in der Folge vermogend, mich an
eine ▼olUtdndige Gerchichte der Philofopbie
zu wagcn: fo wlll ich Xtreben, demfelbeii
niiher za komxuen.
filN
— «04 —
B I K
BEyXRAG ZUR UNTERSUCHUNO
HETAPHYSIR DES ARISTOTELES.
Ich biii die Metaphyiik des Ariftotelcs von
neuem durchgegaiigen» und will et wagen»
einige meiner Bemerkungen iiber diefe SchriFt
den Critikern zur Pruiung vorzulegen. Die
Ausgabe» deren ich mich bedientet ift dia
elende in 8. *) BeHere waren mir nicbt zur
Uand»
AurcL Allob. 1606 , oder 7. denn fclion auf dem
Titel ift ein Druckfekler. Dergleichen £nden fich
anish in 4cn Zibkn der Bacfaer nad EapitBL Idt
liabe
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— 205 —
Hand , auch wollte loli Ke nicht zu Rathe ziehen«
weil es rnir fcheint, als ob wir in derglei-
chen elenden Abdr£icken die Werke ile< Ar«-
Aoteles, ich naOcfate fagen, in ihrer erften
Verwirrung und Koheit am beften wiederlin-
den. Gute Ansgaben oder Commentatoren kOn-
nen den Unterfucher l«diter irre liihrcn , oder
jnachen wenigftens, daJCs er den Autor felbft
fl&chtiger fieft. Ich wOrde mich blos anf die
Abhandlung von Buhle iiber dic Metaphyfik des
Ariftoteles hin und wieder bezieben*
Das erfte Buch hallt Buhlefiirein befondres
Stack, und lalst die Wahl» ob man es fiir
ein Brnchftlick der Ariftotelifchen Schrift wtf
itfX&Vj oder fiir einen Commentar iiber das
2te und SteKapitel des erften Buchs der Phylik
nehmen will. Allein dagegen Jbreitet Folgen*
des* Pieles erftefiuch wird nehmlich ineinem
der
habe mich indeffSen nicht nach 4en JDruckfehlem
gedchtet» foncleru jedcs mald bey deu Gitaien
durdigezahlt: welches ich anmerke, damit ioh
mcht fallchex Ciute befcliuldigt werdeu kann.
Bibliothek dcr aken LiteratuK eu. TiCTtes Stfick.
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— ao6 —
der folgenden« wie icbon SyrianMt^ aber ohfie
nftbere Angabe, bemerkt baben foll) ganzbe»
ftlmint angezogen. Ip> erften Kapitel deffelben
ilt aasgemacbt: qiiod lapientialit fcientia circa
aliquas canfaset princlpia, imzweyten, wird
unterfucht; cjuales caufac qualia haeo principia
£nt» und im driuen: fapientiam eflie (cientiam
primarnm caufarum. Von diefem dritten Ka«
pitel an bis zu Ende werc^en die Lehrmeynun*
gen &l|:erer Phiiofopben uber die Principienan*
gefiihit unH beurthcilt. Nun beifst es ini rlf'
ten Buche) im erften KapiteU Quod itaque
fapientia fcienda quaedam cnrca prindpia efi^
paiel ex primis, in rjuibus ad ea, quae ab
aliis de principiis dicta fuerunt, dubitatum eft.
Was find diefe primi ? OfTenbar das genannte
erfte Buch der Metaphyiik. Denn in der Phy
fiky wo zwar auch von den Lehrmeynungen
ftlterer Pbilofopben oft die Bede ift, wird
doch nirgends jener Satz : dafs Philofophie eine
Wiffenfchaft der Principien fey» aufgeftellt
oder erwiefen. Im elften Bocbe wird in Be*
ziehuiig auf das erfte der Umfangder Pliilofo»
pbie nnd ibre Vcrfchiedcnbeit ?on Mathema-
tik und Pbylik unterfucbt: es berrfcht alfo
zwifchen beydon caic Verbindung» und der
Ver-
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Vdrfafler des einen yxrlrd lidchft wahrfcfaein-
Hch auch Verfafler des andern feyr. *)
Das zweyte Biich, von welchein ich nach-
lier ausf&brlicherfprechen werde^ kann nlcht»
wie Bnhle findet, unmittelbar mit dem drit-
ten zulammengehoien. Es fchlieOst iicii fol<
gendermaalTen: ^Wjr haben xuwirderft zii
5,unterfuchen, wat Natur ift. Denn fo wird
ii€S /ich zei^en^ wovon die X^aturwiffenfchaft
fihan«
*9 Bnhle erinntrt» ctiefei erfte Bnch fey am anclem
Stellen zufaniniengertoppelt. Allein tlic angefiilir.
ten (S. 27.) Nacliweifungen bewcifeu das nicht.
Diirftc denn Eiil Schriftiieller , der in einer Mo«
xal den JBegrifl Winfenfchaft entwickelt, deswe*
gen diefon fi<|gri££ in einer Aletaphyfik gar nicht
berHhren» ohiie dafs man ihn einen CompiUtor
fchelten diirfte ? Fexner trSgt Axift. hiex mcht
eine Lehre Vor, fondem zcrolitdert zur tinlei^
tuttg den Bep^riif Wiffenfchaft, imd, wie micli
diinkt, febr zweckmiirfig. — Dcv Gruiid vou
der Spraclie 10 dielem Buche i& nicht licher ge-
nnng. — Die Gefchichce der Fnucipiett dient
xiir Gxundlage einer AufTuchung des Princips allev
Principe. — Uebrigens find der Citationen liler
nicliL jiicljrere, als z. B. in dor Phyfik, wo fjlir
oft anf die Schiifun voa d^r Philofoplue vcnvic-
I«n wird.
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— ao8 —
Mhandeltf und ob die Unterrucliung der £le-
^mente und Piincipien f or fiine oder fftr meb*
„rere WifTenlchaften gehort.*' Und was hit-
ten wir alTo im Vecfolg za erwarten? Was
anders« als eine Unterfnehung flber den Be»
grifl Natur? Statt delTen bekommen wir fo«
gleich eine £r6rterung der Frage: ob die Un*
terfiicbunfv der Princijfnen fiar Eine oder fUr
mehrere Wiffenfchaften gehort? Konnte Ari-
ftoteles» oder wer fonft Verfaffer ift« fo
Terkebrt bandeln, und feinen EntWurf in
dem Augenblicke, ais er ibn angab» aacb
wieder TergeCfen?
Die Beurtbeilung der folgenden BQcher
wil] ich niir durcb eine kurze Angabe ibres
Hauptinbalts zu erleicbtern fucben.
Das dritte Bucb befcbftftigt lich mit Unter-
fucbuug der AnFgaben (airoftm*): ob die Un-
terfucbung der Principien fur £ine oder meh«
rere Wiffenfchaften gehSrt? ob diefe Prind»
pien blofs Principien der Sub(tanZ| oder aucb
allgemeingeltende logifche Prindpien iind? ob
es mehrere Arten von Subftanzen giebt? wel-
ches die allgemrinften und erften Elementa
%u nennen find? ob Jte einzeln und mitbin
unendlicbi odor £ins und einerley Art £nd?
ob
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— 209 —
ob Zalileni Flachen und Puncte aucb^Sub*
ftanzen lind u. t w. Ini zweyten Kapitel be-
ruft fioh der VerfaiTer abermahls auf einen
fr&bern BeweiGs» wenn er lagt: quatenus
primarum causarum ek eius quod maxime fdL*
bile (vergl. Met. I. 2.) definita est (fapieiitia^,
und findet, dais diefe Wiilenlcbafc nur Eine
fey, inrofem die Prindpien derfelben alle
weit allgemeiner und fruher feyn, als die
Principieni womit Acb andre Widenfcbafren
befchaftigen.
Im vierten Buche wird diefe Eine Wiffen-
fchaft, die Wiffenfcbaft des Dinges an iicb
und deffen allgemeiner Pr&clicate nttber be-
tracbtet. Der Verf. beruft fich ^leich ini zwey-
ten Kapitel auf jene Imoftai, d» b. alfo auf
das dritte Buch: quod in dubitationibus di«
etum est — * quae in dubitationibus diximus.
£r bandelt Ton den Tbeilen der Pbilofopbie.
zeigt, dafs die Philofophie fich felbft iiber die
erften Principien dcr Mathemaiik und Phyfik
ausbreite, und da(s es alfo eine Wiflenfchaft
gebe, die noch iiber die Phyfik hinausgehe
und mit den erften Principien aller Erkennl-
nifs zu tbun babe. Kap. 3, Diefe GrnndAitze
der Erkenntnis werden characterifirt» und
5.ft«cJfe. O na
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2IO
namentlicb der Satz des WideriprucLs erl&ii-
tert» i^nne Unerwei&Hcfakeit gezeigt, der
Scepticismus eiiies Piotagoras, Deniocritus
u. a. geprEkft« die BegriHe Wabr und Wirk-
lich, und der Unterrchied des logirdien |ind
metaphyBrchen Wideripruchs entwickelt* Kap.
4 bis zu £nde»
Das /un/te Bucb erkUrt die BegrifTe : Prin-
cip9 Urfacbe, Elemeut, Natur, Nothwen-
dig, Ehis, Ding, Siihfianz, Acckleiiz, Ge-
genfdtze, Erftes und Letztcres, Kraft, Quan*
titat, Quallt&t, Relation, Vollkomnienfaeit,
Grenze, Anordnung, Befchaflenheit, Leitlon,
Beraubung, Haben» Wirkung, Tbei), Gan*
zes, Verftfimmelt, Gattung, Falfdi und
Zufaliig.
Das fechfte fiingt init. der Beinerkung an,
daCs alJe Ipeculative Wiilenrcbaften Jicfa mit
Urfachen und Principien befchaftigen , keine
fonft niit den Principien des Dinges an Jich,
£s fmd drey fpeculative Widenfcbaften» Ma-
thematik, Pbyfik und *nieologie, die erfte
Fhilofophie ift die ailgemeinfte. Sie hat das
Ding an Ach zum Gegenfiandes nnd diefer
BegrifT wird kurz erldutert Kap. 12. und 3.
Im
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— 211 —
Iin Jiebenten werden die Begrifie: Dingi
Sabftanz noch genauer zergHedert. Im 4»
Kap. kommt eine ]ogifclie Unterrucbung iiber
clen BegriiF des Subjects vor, wobey dnige
Zweifel geholien werden. Im 7. Kap. deffen
Anfang mit Phyf. IL i. iibnlich ift:, wird der
BegriiT der Wirkung (eorum quae Hunt) Tor»
genommen, Qber das Ganze und die Theile,
iiber Arten und FormeUy uber alJgeineine
Deiinitionen in Beziehung auf den B^riff der
SubftanZ) der nun noch nlher beftimmt wird^
eine fcbarfiinnige Unterfuchung angeftelJt.
Ini achten ift die Rede von materiellcn und
formellen Subltanzen, von ewigen und end<
lichen^ voA dem Begriffe der Einheit und
dcs ifturaiiinien^efctzten.
Im neunten TondemWefen derKraft, det
Veimogens, des Mogliclien, der Wirkfam-
keit» und deren Verbaltniffe unter fich und
zur Subftanz, endlich toA der Verbindun^
zweyer EegrifTe, und den Urtheilen iiber
Wahr und Falfch.
Im zehnten von dem Begriffe der Einheitj
UntheinMurkeit, wnd Vielheit, Theilbarkeit,
Gleichheit, Contrarietslt , Mittelwefen» Ver-
O 8 fchie*
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rciucileiiheit uberbaupfc uad in BJicldicbt der
Pomi*
Das elfte bandelt wieder von dem Wefen
der Pbilolbpbie» und der Belchaflenbttt der
Principien, dle iliren Gegenftand ausmacben.
Auch die Mathematik ilt ein Tbeil diefer Pbi-
lofopbie. Kep. 3. 3» 4* 7* ikimnieii
zum Tlieil mit dein fechften Buche iiberein,
nur dalk fie etwas gedrlUigter bnd* Vom ^ten
an wird Ton der Einbrit der Kraft, ▼omUn-
cndlichen, von der Verciiid.eruii^, Bewcgung
u. £ w« gebandelt.
Im xtB&lftcn wird der Unterfchied der Sub»
ftanzeUf der natiidichen und der unverunder-
]icben entwickelt. UnTertnderlicfakeit des
Weltalls. Wefen der Seele. Es mufs ein
erlLes Princip uber das Siimliche binaus feyn»
Ira dreyzehnten wird unterfucht: ob es
anfer den finnJicben Subftanzen eine unver«
Anderlicbe und ewige giebt. Matbemarifcbe
Principien, Platons Ideen, Zahlen. Pru-
fung diefer Bebauptungen.
Im vierzehnten geht die Priifun^ der Py-
tbagor^fcben ZabJenlebre weiter^ befondert
in Ruckficht der Frage Ton der Entiiebung
und
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— ax3 —
niid Ersengiiiig der Dinge. Und auf •mmahi
Uk das Werk abgebrocl^en.
Wenn ich aUes znlammen nehme^ wat
AriftoteJes von einer fogenannten Mctapbyfik
Jich gedacbt baben mnCs: lo beftebt es obn-
gefUir in FoJgendem:
E$ mnls noch etvas Allgem^neres und
Friiheres gel^, als die Principien der Ma-
thematik und Phylik: eiwas wovon felbft diefe
Principien erft abgeleitet iind. Die&s zu un-
terfuchen, ill das Gelchaft des Philofophen,
der berufen ift, iiber AUes zu forfchen, was
to das Gehieth jener WiHenlcfaaften nicht ge-
h<3rt. Nun giebt es nichts Allgemeineres, nicbts
Urfprunglicheres, als den Begriff Ding iiber*
haupt. Diefier n&her heftimmt, ift der Be-
SubfranK, Urwefen; das Letzte, wo-
rauf man bey dcm Fortgange der Urfachen
kommen mufs» Die WifTenfchaft Ton diefem
Urwefen nuu ift die erfte Philofophie^ Tbeolo-
gie,. 99^ia, Metapbyiik.
Nun vorausgefetzt, dafs Ariftoteles dicfe
Wi0^n£cbaft, wie er ielbft lagt, erlt (cichtef
fo entftefat in leiner Unterfachung folgender
Gang.
O 3 £kV
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— 2l4 —
Einieitung. Was ift WiOetorcbaft, was Phi.
lofopbie? Erkenntnis derUrlachen und Prin*
eipien, und zwar der erlten und aUgemein*
Aen* Scbon friibere Denker baben fich mik
Unterfuchung der Principien befchaftigt. Dar-
ftellung ibrer Ideen. Erftes Buok,
I(t es nur Eine WiCTenfchaft, welche iich
mit jenen Princijjlen befchaftigt, oder find
as mebrere? £s ift nur £ine« fieweift. Drit-
ies Buch.
Was ift es fiir eine Wiffenfchaft ? Eine
fpeculative, und zwar pbilofopbifcbe* Wo-
rauf berubt ihre Gewilsheit? Auf allgemei»
nen Grundfatzen der Lrkenntnis. Viertes Buch.
Verl^ufige Erkl^lrung allgemeiner Begriiii%
Ontologie. FUnftes Buch,
IVIptaphyfik befchafiigt fich mit der WifTen-
fcbaft des Dinges uberbaupti Subftanz. ^ecA-
ftet Btfch.
Wie kommen wir zum Begriffe einer Sub-
ftanz? Durcb Abftraction dee AIIgemeineB
Tom Befondem. Wefen der Defiiiition* Sie*
hentes Buch.
Die Subftanz wird betracbtet nach ihrer
Quantilat, Achtes Buch. Nach ihrer QualitSr,
Heuntci Buch, I^ach ibrer J\elationt Zehntes
Buek.
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— si5
Bkck. Nach ibret ModalitAft (Wirklichk^
Nothwendigkeit, Zvifalligkeit.) El/tes untl
itwdiftes BugIu
Meynitiigen Andrer iiber die nnTerSnder*
Hch^ und ewige Subfcaxiz* Dreyzehntcs und
viereehntes Bueh,
ITk in diefem Gange ntcht die leSchtefte
Ordnung? Man darf nicht lagen, dafs ii&
hineingetragen ift* Etn fyliteniadfcher Kop^
tirie Ariftoteleay konnta fo yerfahren, und
die Ordnung der Bucber ftreitet nicbt dage-
gen» da(s er to Terfahren ift* Etwas andert
wftre esy wenn wir, nm diefen Plan her*
auszubringen) die Biicher felbft nach Gefalien
▼erCetzen mllften. Arerrhoes Icheiiit mir alfo
Redit zu hahen, wenn er lagt: quod pro»
cedunt (hi libri) ordine peroptimo» et quod
in eis nihil contiqgit praeter ordinem.
Aber wir hahen noch mit * xoanchen £in-
wendungen zu kilmpfen.
Btfiens» Selbft nach ^efem Entwurfe ife
das Werk kein Gaiizes: es hort geriJo da
auf» wo man die eigentlicfae Lehre des Ari*
Ikoteles erwartet. Ich gebe das zu» und wir
Wiirden gerne noch hinter dcm vierzehnteii
cinige Biicher mehr wixitfchen» Aber k6nneit
O 4 dielb
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diefe nlclit Terlofaren £eyn? oder kenii Arifio-
teles nicbt die Unterrncliang feibft abgebrocfaen
haben, nachdem cr gezeigt hAttei womit licii
die HetKpbjRk l)efdiftftige und woranf iie ar-
b^te? Das ganze Werk ift nicht fowohl dog-
inatifcb als unterfacbend gerchrifben: es wi-
derlegt melir, als es felkfetzt. Doch wSre
das alles auch nicht, wird denn durch jede
andte Hypotbefe das Weric voilendeter?
Ztveytens* Ein grolser Anftols find die Tie-
Icn Wiederholungcn. Ich antworte: erftlich.
Wer den Ariftoteles kennt, weilst dafs es
feine Manier ift , fich , oft fogar zur Unzeit^
zu wie.dcrhoJen. Zweytens : Keine einzige
Wiederboluug in diefein Werke i(t ganz wdrt-
lich. IMan ▼ergleiche z. B. das a, 3« 4« 7
nnd 8Le , Kapitel des elften Buchs mit
dem fechften. Einerley Gedanken» aber dort
kurZ) bier nmftandlich Yorgetragen, nnd ich
inuchic alfo nicht mit Buhle lagen, jenes fey
aus dielem zularamen gefcbrieben* Und was
niit der Phvfik zufammenltimrat, ift doch
iiberall auf Motaphyfik anoeu>endet» Wie vie-
Jes kommt nicht in Wolfs Metapbyfik ▼or»
was in femer Moral auch fteht? Icb rerficbret
flaf{i icii die Aciftotehfclie Jdetaphyhk wieder-
holenv
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holendieb imd genaa durcfageleren habe» ond
nirgends auf ganz wdrtliche oder ztoecklofe
Wiederbolnngen gefcoiren bin. Man kann Acb
daTon duich tm gleicbes Stndinm ftber-
zeugen.
Drittens, Aber konunt die Zabl der Bii-
eber berans» vne fie von den Alten angenom*
men wird ? In Riickficht der Zahl der Biicher
ift nirgends etwas bertimmt» und dergleichen
Abtbmlungen der Bilober Imd^ wie bekannt^
fehr zufiilligen Urfprungs. £s wiirde X)hne
Erbeblicbkeit feyn, wenn ich allenfalls bnn-
dert B&cher annfthme.
Gleichwohl will ich nicht behaupten, dafs
^idr die gefammte Ariitotelifche Meta|>hyfik fo
rein nnd unverdorben habent wie Ae atts fei*
nem Kopfe gekoiiimen ift. Unfer Text fteckt
ToU Fehler und fremder Gloflen, nnd felbfl;
dle Abtbellang der Kapitel ifk hin and wieder
ganz falfch.
So kann ^ B. das ^mefte Stteh^ oder das
fogenaniite hleinere Erfte auf keinen Fall m
das Werkgeboren. Warum, daruber hatBjUe
das NStbige beygebracbt. Die Materien fuid
g^nz freriidai tig , die Verbindung darinn ift
oft gar nicbt zu hnden, und Zufammenhang
O S mit
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218 ^
mit dem f rftem iiat es darcbaas niclit Int
erfVen KajMtel ift Ton der Schwierigkeit der
Wabrheitsforrchung, von den Verdienften al-
terer Pbilofd^faen, iind von dem Wefen der
Pfailofopbie mit einem Paar Worte die Rede.
Vds zweyte handelt von der Notliwendigkeit»
bey ttnem erfien Princip ftehen zu bleiben.
Das dritte beginnt mit einigen Bemerkungen
iiher die Macbt der Gewohnheit| gebt auf
die verfcfaiednen Metfaoden der Pfailofopfaten
«nd die Gewifsheit iiber, nnd fchliefst mit
der Ankiindigung einer Unterfucbung iiber
den Begriif der Natun Dals es dem Plana
jjach mit dem dritteii BLiche auch nicht zu-
fammenhiingt « iiabe icb oben gezeigt. Warmn
glaubt es aber Buhle? (S. 33. X Vermutblieb
darum , weil es Jich init den Worten endigt:
f9r«l Iriv* und weil im dritten Bucfae Kap. t.
gefagt wird: «Vi isirogiit vgMTii f^iv iresi ht
wtKASitiviV hrtmitOv S^mftfeaui rh^ «Irtec* Abermfi&
fen diefe «rc0eo//xf«ajxeva ehen das Zi^eyte Buch
feyn» und ift diefe Frage im zweyien Buche
wirklich fo angelegt , dals der VerfaCTer hier
fiigen konnte; er babe in dem Hbgang^ die-
felbe
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— 219 —
felbe fchoii vorgenoitimen (inmplgafuv cUfce-
ptavlmus, dubltavimiis)? *) Ilandelt nichtviei-
mehr das zweyte Kapitel des erften Bucbs
auch von diefer Idee, wenn gleich nioht die*
felberi Woi te gehraucht fmd? Oder wili man
da$ nicht gelten lalfen: lo i& ein andrer Vor-
fcUeg nocb fimpler. Der Schluls des zwey-
len Duchs ift nehmlich in jeder Riickricht
fehfam. Die Frage: ob es eine oder mehr
Principien * Wiilfenlcbarten giebt» kann darans
nicht beantwortet werden: was JSatur ift,
fie ift ¥ie]mehr yon dem letztern Probleme
ganz verfchieden. Wie nnn alfo» wann dia
Worte: ti iT/rifVff ^ xMt6vm t« atrta
tuA vkQ &fscli^ ^iH^mi IriVf ddrt abgerilfen und
als
♦) Sollie nach Ilr. Buhle diefes zweyte und das
diitte Buch in die Phyfik verfetzt weiden: fo
wuite icb niciit, wie dort diefe Fras^ zntzSfe*
Zwas wird iin Ateu Kap. des steii Bitchs dcr Pfiyfh
▼on dem Caterfcliiede des Matheniatilcers «nd
Pljyfikers gcrprodien. Aber daiauf j,.ifst imfer
zwe)ics Uiid dijties BwAi duicLaus nicht. Dciiii
hicr ifr uiclit von dcn Principicu des Pliyli-
kers, fondern ganz befiinimt von den srJUn
Piiiicipien aller Prhscipiea die Rede.
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— 2ZO —
alff Ueberfchrift des dbitten Boclis angcfelieii
wiirden? Aher wo blieben da die 7f^«j-
ium9iuva? Wo iie iind| nehmlicb in dem er«
Aen Bocfae. *)
Hangt denn aber das erfije Buch mh detn.
dritttn zudimmen? Sebr gni. Jenet fcblieliC
licb mit den Worten: Aus den Unterfuchn»
gen andrer konnen wir vielleicbt Manches
far die fblgenden Probleme Qatfimi) gewinnen.
Und das dritte f&ngt fo an: Bey der Wiflen*
fcbaft, die wir luclien, ift vor allen Dingen
ndtbig» da£s wir einige Haupt*ProbIeme Tor-
nehmen , ^^ff) «y kxo^eoiji Ol TrfSTovt und die
Hleynungen andrer dariiber h5ren. Das erfte
icblie&t ficb mit den Worten: tSx» yhf l|
udrSv iuTOf*ifctiniv t« xfiQ Tcci vrtfov otxoftai ^ Ulid
im dritten heifst es bald Aniangs: IVi U rotc
u. r. w.
*} Die Einwendung» dats im ^edachtfin 3. Buche
von mehr Gcgeurtiinden , als dicfer Titcl beHigt,
gcliandelt werde, unJ dafs: Aii(toteles roiill iiir-
gends Ueberfchriften matUc, (fo viel wirfehcn)
i& leicht tn hebeiu Mtn davf atienfalls nitr dca
oft gedachten Titel an den Sclilufa des 0rjim
BtKlu hinaimicken.
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8ai —
ti. t w« Wran Yiier nlclit Zafafn^nenliang ift ;
fo ift er nii Und vvie wilre es denn
ikberbaupt denUliar » dais da« sweyie nnd diitte
Bnch zti der Pli^^fik des Anftoteles gehdien
follte? Die gan/t» UnlerfLichung befonders iin
dritten ift in der Pbyfik durchaus unftatttiaft.
Aber wa$ foHen wirmit dem xufeytenBuchB
anfangea? Ich wiil meine Vermuthung mit«
tbeilen.
Wer Commentatoren gelefen hat, und he-
Xondcrs Cornmentaloren des AiiftoteJes» wird
wiHen, dafslie nicht etwa Wortf&r Wort, oder
Saiz liir Satz evTiatern, das thun nur fehr
wenigCf fondern dafs fie iiber den Autor und
delten Ideen ihre eignen Ideen vortrageni
manche von jenen weiter ausfuhren, heyman*
chen fiomme Betrachtungen anfieiien^ von
nanchen den Znfammenhang zeigen. Non lefe
man dieA^s 7we\te Bnch , und fage, ob es
nicht den iichten Ton eines Cotnmeotars habe?
Es ift aJlerdings n*tr Anfang eines Cominen*
tars, aher man fieht fogleich, woriiber. OHen-
liar nehmiicb iiber das erfte Buck.
Im erften Bnche K^p. f. heifst es: Winen«
fchaft fey die Hrkenntnis der Urfaclien, die
Wahrbeit, und eben diefe wird im zwey«
& ^iM. P ten
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tea Kapitel alt ein icbwera Gelbbift TOf
gefVellt.
Sogleicb tritt der Commentator mit einer
Betraobtang darfiber auf : da(s die Erforfcbui^
der Wabrheit einerfeits leicbt, andrerfeits
Ichwer fey, und dals Tielleicht die Schuld
diefer Schwierigkeit nicbt an den Gegenftln»
den, rondern an uns liege.
Im erften Buche Kap. 3- geht die Darftel-
lung der Lebren fiilberer Weilen an, Ton de-
nen der Verfaffer mit Recht oft unwillig redet.
Der Commeiitator zeigt» dals man aucb
den fcbwacben Verfucben fr&berer Denker
KiuUe Gerechtigkeit wiederfahren lallen, weil
fie uns doch vorgearbeitet baben.
Ebendafelblk ift bemerkt, dle PMIofopbi*
{ey oine WifTenfchait der Wahrheit, und habe
es mit Urlachen zu thun. (vergl. Kap. i.^
Der Commentater findet daa febr wabr,
bemerkt den Unterfchied ^wifcheu fpeculati*
Tdr und practifqber WilTenfcbafti nnd zeigt
nacb Anleitung des Kap. 2., da(s die b6cbfte
Wahrheit in allgemeinen Principien der Dinge
beftehen muHe. Und hierbey macbt er eine
Digreflion flber den BegrilF des Princips, nnd
zeigt> dals man durchaus auf eiu Principkom-
men
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men miiflet wenA man nicbt ins nnendliche
lich verlaafen wo)1e. Er handelt von den
verfchiednen Principien , der Bewegung, der
Urfache, des Entftehens» Ver&ndernSs des
2weckes. Wie er darauf kommt? Man fehe
das dritte Kap. des erften Buohii. „Es mufs,
lieilst es dort| elne Wiffenfchaft der Grund«
urfachen geben, denn wilTen kfinnenwirnur
das , woTon wir die Urfache kennen, nun
giebtesaber der Urfachen viererley, wovon in
der Fhyfik die Rede gewefen ift»*^ Diefen
Wink benutzt der Commentator, und ^iebt
nns einen gedrSlngten Auszug aas dem erlken
Bnche der Pbyfik.
Hiermit geht der Commentator zu Anmer-
kangen fiber die Methode des Verfaffers, und
ftber den Schlendrian mancber Philofophen^
denen alles Uogewdhniiche mi£sf^lt. £inige
sieben den matheoiiiatifchen Vortrag, andre
den Vortrag durch Beyfpiele, andre durcU
Dichterftelien vori nochandre lieben das Apo*
dictifche nichL Man ma(s lich alfo» (agt der
Commentator, erft dariiber imterrichten , wel.
cbe Darftellung fur die einze]nen Obiecte die
paCrendfte iti^ nicbt nberall ift mathemadfche
6ewi(sheit jnoglicb, wenigfieus hi phyiifchen
P 2 Gegen*
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Gegenfianilen nicht. Und hier wirft er iich
die Fi age auf: Was ift Natur, was Natnr*
winenfchaft? nnd damit ift der Commentar
abgebrochen. Aber wozu diefe letztrc £at-
wicklung? A2s Uebergaog zu dem, was in
der Metaph. B. 3. Kap. i un»l 2 uber den
Unterfcbied der fpeculativen WilTenfchaftea
und ibrer Methode im Ailgemeinen erinnert
wirdf und ziiglelch als eine Erlauterung def.
fen, was im erften fiuche Kap. 7. fiber dle
Vermifditing der Philofophie und Blathematik
gefagt wird. Nuftris philofophis malhemata
lacta funt philofophia.
A]Ies« was icb bier gefagt babe« ift ant
der bloffen Lfciure des Aiiftotelifchen Werka
ge(ch&pft. Vielleicbt w&rde icb manches bet
fer beweifen k5nnen^ wenn ith die Conw
mentatoron bey der Hand hiitte.
Das RefuUat von diefem Alien ift folgen*
des: die BScher der Metaphyfik gehSfen
allPi das zweyte oder fogenannie kleinere
Eifte au^genottimen, zu Einem Ganzen* wo-
rinn die Idee einer Philosophia prima nieder-
gelegt, und deren all^emeinlte Begri/Te ent*
wickelt find: und die Oidnung diofer Bdcher
ift nicht zu tadeln. Dd aber einmahl der
Ver-
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— 226 ^
VerfafTer diefes Werks feine Idee nocli laicht
volifi&iidig, Cwenigfiens nach unfern BegriiTeiO
gePafst batte, und da die Ariftotelifchen Scbrifo
ten uberbaupt Toll Febler und GloITeme fte-
cken: fo ift es leicht zvl erkl&ren, wenn
manche Ideen wiederholt, andre zn weit
ausgefubrt, noch andre vielleicbt nicbt con-
ief|aent genung fcheinem
Ich mufs noch mit anmerken*, dafs wahr-
fclieinlicb die erfien Samraler der Ariftoteli»
fchen Schrifren Terfchiedne Recenfionen hej»
fammen gehabt haben raCgen. Denn nicht
alle Abfcbriften, fondern nur das Autogra-
pham hatte in der Erde Tergrahen gelegen*
Waie jenes erwfcifslich, *) fo lieffe es fich
febr leicbt erkliiren, warum manche Stticke
an der einen Stelle k&rzerf an der andern
ausfubrlicber abgehandelt find, wenn man
anders iiberhaupt daran AnftoCs nabme*
Auch fcheinen mir hin und wieder Inhalts*
anzeigcn init in den Text gekommen zu feyn.
Ob
*} Eberhard Allg. Gefch. der Philofopkia S. 19^
lagt d«(Cplbe( vmd dtirt dihej deu Alexander
Aphrod. in Aiittot. Met. 1. den idi nidit aach*
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— 226 ^
Ob nun aber diefcs Werk, wle wir es
liabenf ▼om AriltoteleS) und leiiie eigent-
liobe Metaphyfik fey, das kann leh mcht
m\t Gewlfsheit ausmachen, aber ich vermu-
tlie es. Kan fpftterer Philofopb wllrde eine
folcbe Unterfucbung angeftellt baben, obne
wenigfcens fein Zeitalter zu verrathen. Ueber-
haupt gftbe es hiernnv zwey Falle# Bin fpS.*
terer Pbi]ofopb mftfte es nebnoKch in der Ab«
iicht yerfertigt haben, um es dem Ariltoteles
unterzufcbieben» und dazu ilt es zu mubfam
vnd zu gut, anch wurden wohl ^e Com-
mentatoren einige Vermuthurigen aulfcrn.
Oder der fp&tere Verfaflier Icbrieb es obne
)ene Abficbt, und dann wiirde cr gewifs bey
cinem folchen Gegenftande dcs Ariftoteles ir-
gend einmabl erw&hnt l>aben. Ueber den
Titel Metaphyfik babe icb nicbts zu erinncm»
da Buble das hierhcr Gehorige aus eiuander
geCetzt hat. (S. 7. f.) Die Scbrift mag Atfot ht
Tff« «f»Tif« <l><Aoffo^(*f, oder 5r«f) (^nAotfo^/flf^ , odet
«nders gebeilfeii haben, das bringt uns um
nichts weiter. — Ob Diogenes Laertius . die*
fcn oder jenen Titel, fo oder fo viel Bucher
anfubrt: das ift gar nicht von Bedeutung.
Dieler Literator iammelte ohne Ordnung und
hat
227 —
hafc dftrer einzelne Theile und Kapltel untec
dem Namen ganzer Bficher angefuhrt^
Sollten die CHtiker nicht mit jeder roeiner
Bemerkungen zufrieden feyn: fo iind doch
ttnige davon nicht ganz leer nnd nnwichiag^
nnd der critifche Herausgeber des Ariftoteles
wird es nicht ungern fehen, wenn noch Yor
der Ausgabe der Metapbyfik Hber die Be-
fchafTenheit diefes Biichs mehrere Cririker ihr
Urtheil lagen; ich w&nfchtef daztt Veraa*
lalltuig i^geben za haben.
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