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Full text of "Geschichte des Romans und der ihm verwandten Dichtungsgattungen in Deutschland"

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GESCHICHTE  DES 
ROMANS  UND  DER 
IHM  VERWANDTEN 
DICHTUNGSGATTUN 

GEN  IN... 

Felix  Bobertag 


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Gmbichte  des  Romans 

und  der 

ihm  verwandten  Dichtungsgattungen 

in  Deutschland 

Felix:  Jaobei-tas*. 


Erste  Abtheilang. 
Bis  sam  Anfange  dee  XVIIL  Jalirhunderts. 


Srster  Band. 

BERLIN. 

Verlag  Yon  Leonhard  Simion. 


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r  .!  i  i     .  •  -  ' 


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Yoriede. 


XHe  Kürze  ist  die  Cardinaltugend  der  Vorreden 
und  darum  bleibt  auch  hier  die  Erörterung  alles  dessen, 
was  sich  von  selbst  versteht  füglich  weg.  Zu  den  Din- 
gen« die  sich  von  selbst  verst^en»  scheint  mir  die  Nütz- 
lichkeit, ja  Nothwendigkeit  emes  solchen  Buches,  wie 
das  meinige  —  sein  will,  zu  gehören.  Das  Bedürfnisz 
einer  Creschichte  der  deutschen  Prosadichtung  ist  für 
jeden  Kundigen  eine  ausgemachte  Sache.  Nicht  so 
ausgemacht  ist«  dasz  mein  Buch  diesem  Bedürfnisz  ge- 
nügen  wird.  Wenn  ich  dies  nach  meinem  subjectiven 
Maszstabe  entscheiden  wollte,  wenn  ich  annehmen  müszte, 
dasz,  was  mich  nicht  völlig  befriedigt,  an  und  für  sich 
nichts  taugfte  und  Niemandem  forderlich  wäre,  so  müszte 
ich  verzagen.  Aber  etwas  anderes  ist  es,  einen  groszen 
Plan  zu  fassen,  und  etwas  anderes,  von  diesem  Plane 
so  viel  zu  verwirklichen,  wie  aufrichtigem  Bemühen  und 
redlichem  Fleisze  möglich  ist.  Um  diesen  Unterschied 
recht  klar  zu  machen,  hatte  ich  wohl  Ursache,  von  den 
Schwierigkeiten  meines  Unternehmens  redit  viel  zu 


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sagen.  Doch  dürfte  der  Hinweis  auf  zwei  Dinge  ge- 
nügen, die  Massenhaftigkeit  und  stellenweise  sehr  g^rosze 
Unerquicklichkeit  des  Materials  einerseits  und  die  ver- 
hältniszmaszig  wenigen  Vorarbeiten  andererseits.  Als 
ich  mich  vor  einigen  Jahren  mit  einem  der  bedeutend- 
sten Vertreter  der  deutschen  Philologie  und  Literatur- 
wissenschaft über  den  Gegenstand  und  meine  Absicht 
unterredete,  äuszerte  derselbe,  es  sei  erfreulich,  dasz 
sich  auch  zur  Bearbeitung  dieses  Gebietes  Leute  her- 
gäben. Das  Treffende  dieser  Bemerkung  kann  Niemand 
klarer  und  lebhafter  empfinden  als  ich.  Gegen  das 
Ende  des  XVL  Jahrhunderts  beginnt  mit  dem  aus 
Frankreidi  gebrachten  Amadb  die  Weitschweifigkeit 
eine  integrirende  Eigenschaft  des  deutschen  Romans  zu 
werden,  und  gegen  Ende  des  XVIL  erreicht  sie  nut 
Lohenstans  Armimus  den  höchsten  Grad,  der  ganze 
deutsche  Roman  des  XVII.  Jahrhimderts,  Grimmels- 
hausens Werke  alldn  ausgenommen,  zeigt  diese  Weit- 
schweifigkeit in  solchem  Masze  und  in  Verbindung  mit 
so  viel  poetischem  Unwerth,  dasz  in  der  That  einige 
Ueherwindung  dazu  gebort,  Monate,  ja  Jahre  hindurch 
diese  „unfruchtbare  Meerfluth"  zubefahr^.  Von  dieser 
üblen  Eigenschaft  eines  groszen  Theiles  unserer  Prosa- 
dichtung  glaube  ich  um  so  mehr  hier  etwas  sagen  zu 
dürfen,  als  ich  es  für  meine  Pflicht  halte,  alle  anderen 
Eigenschaften  der  zu  besprechenden  Werke  meinen 
Lesern  mit  der  moglidisten  Anschaulichkeit  nahe  zu 
bringen,  diese  jedoch  ihnen  am  wenigsten  fühlbar  zu 
machen. 

Die  geringe  Anzahl  der  Vorarbeiten  vnSl  ich  weniger 


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—  lu- 


den Gelehrten,  welche  sich  mit  unserer  Literatur  be- 
schäftigen, zum  Vorwurfe  als  mir  zur  Entschuldigung 
anführen.  Wenn  ich  aber  somit  schon  bekannt  habe, 
wie  viel  voUkomtnener  ich  das,  was  ich  erstrebt,  erreicht 
zu.  haben  wünschte,  so  darf  ich  doch  auch  sagen,  dasz 
ich  glaube,  im  Ganzen  an  zusammenhängendes  Bild 
entworfen  zu  haben»  ein  Bild,  in  welchem  ein  Theil 
unserer  Nationalliteratur  in  neuer  und  vielleicht  richtiger 
Beleuchtung  erscheint.  £ine  Rücksicht  habe  ich  bei  der 
Abfassung  meines  Buches  allen  anderen  vorwalten  lassen, 
die  nämlich,  den  Gegenstand  so  anschaulich,  wie  nur 
irgend  möglich,  darzustellen.  Das  beste  Mittel  ist  hierzu 
meines  Erachtens  die  möglichste  Quellenmäszigkeit,  wo- 
durch die  Erzeugnisse  vergangener  Literaturperioden 
dem  Leser  so  nahe  gerückt  werden,  wie  es  ohne  voll- 
ständige  und  eingehende  Leetüre  der  einzelnen  Bücher 
selbst  geschehen  kann.  Hierzu  erschien  mir,  wenigstens 
für  die  ältere  Zeit,  auch  die  Vorführung  von  völlig 
treu  wiedergegebenen  Proben  des  Stils  und  der  Dar- 
stellung unentbehrlich.  In  der  Auswahl  dieser  Stucke 
habe  ich  die  Rücksicht  auf  das  Bezeichnende,  das  all- 
gemein Verständliche  und  das  schwer  Zugängliche  zu 
verbinden  gesucht.  Die  genaue  Aufzählung  der  Aus- 
gaben glaubte  ich  nicht  schuldig  bleiben  zu  dürfen,  da 
einerseits  meist  Ergebnisse  an  verschiedenen  Orten  nie- 
dergelegter Forschungen  und  Funde  zusammenzustellen 
waren,  andererseits  auch  die  trockenen  bibliographischen 
Daten  zur  Schätzung  der  literarischen  Bedeutung  der 
Werke  einen  nothwendigen  Beitrag  liefern.  Doch  habe 
ich  dergleichen  fast  immer  in  die  Anmerkungen  ver- 


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—   IV  — 


wiesen  und  bin  in  der  Mittheilung  nie  weiter  gegangen, 
als  es  mir  das  literarhistorische  Interesse  zu  fordern 
schien. 

Mögen  mir  Musze,  Kraft  und  Gesundheit  zur  \'oll- 
endung  des  begonnenen  Werkes  verliehen  sein»  mögen 
mir  hierzu  aber  auch  der  Rath  und  die  Hülfe  von  Fach- 
genossen nicht  fehlen.  Die  Grösze  meiner  Aufgabe 
bringt  es  mit  sich,  dasz  ich  diese  auch  als  wohlgemeinten 
Tadel  mit  Dank  aufnehmen  werde. 

Breslau,  im  Mai  1876. 

Felix  Bobertag. 


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I 


Erstes  CapiteL 


Schriften  über  Geschichte  und  Theorie  des  Romans, 
Anfange  der  Theorie  desselben  in  Deutschland. 

• 

Den  Anforderungen«  welche  an  eine  Theorie  des  Bomans 
und  seiner  NebengaUnngen  gestellt  werden  dürfen,  entgegen- 
zukommen, ist  hier  nicht  der  Ort,  aber  von  der  Theorie 
dc3  Komans  musz  gleichwohl  geredet  werden.  Denn  die 
Theorie  und  die  theoretische  Kritik  greift  in  die  £nt- 
wiekelnDg  aller  bedeutenderen  Literatnrgattongen,  nameni^ 
lieh  der  neueren  Zeit,  wirksam  ein,  und  nicht  allein  dies,  die 
theoretischen  Werke  vergangener  Zelten  geben  uns  ein  Bild 
von  dem  Zeitgeschmack  und  den  Anforderungen,  welche  man 
an  die  Enengnisse  dichterischer  Th&tigkeit  stellte,  und  dep- 
gleichen  Andeutungen  und  Erörterungen  sind  oft  zur  Beurthei- 
lung  literarischer  Zustande  durchaus  nothwendig.  Denn  die 
Yerftndenmgen  des  Geschmacks,  weldie  sich  im  Laufe  der 
Jahrhunderte  ToMehen,  sind  gewöhnlich  grOszer,  als  man  ohne 
genaueres  Eingehen  annimmt,  so  gi'osz,  dasz  es  wünschenswerth 
ibt,  stimmen  aus  vergangenen  Zeiten  reden  zu  lassen,  welche 
uns  gradetn  und  ausdrucklich  sagen,  dasz  damals  andere  Be- 
grHTe  yon  Schönheit  und  poetischem  Werth  maszgebend^ 
waren  als  heutzutage.   Wer  liest  jetzt  noch  Lohensteins  Ar- 

1 


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miniiis  and  Thusnelda,  und  was  Ar  glänzende  Lobeserhebun- 
gen werden  wir  am  geeigneten  Orte  ans  dner  hoehangesehenen 

Zeitschrift,  den  Acta  eruditorum ,  über  dieses  Werk  zu  regi- 
striren  haben!  Lobeserhebungen,  welche  grade  da^enige  als 
vortrefflich  herausstreii^en,  was  uns  als  Fehler^erschani 

Ans  mehr  als  einem  Grunde  ist  es  angemessen,  solche 
theoretische  Aeusserungen  früherer  Zeiten,  sofem  sie  allge- 
memerer  Art  sind  and  deshalb  nicht  bei  der  Besprechung 
einzelner  Werke  einen  passenderen  Platz  finden,  hier  sogleich 
herbeizuziehen.  Erstens  nämlich  gehört  eine  kurze  Gescliichte 
der  Tlieorie  einer  Dichtungsgattung,  wie  schon  gesagt,  in  die 
Geschichte  der  Gattung  selber  mit  hinein,  zweitens  dient  sie 
dazu,  den  zu  betrachtenden  Stoff  im  Sinne  der  Zeit,  in  welche 
or  gehört,  abzugrenzen,  wodurch  wir  den  Vortheil,  woUIr'ii 
eine  aus  den  jetzt  geltenden  Theorioeii  abgeleitete  Begriüis- 
bestimmung  bieten  konnte,  in  einer  Weise  erlangen,  die  einer 
historischen  Methode  weit  angemessener  ist,  und  endlich  ver- 
steht es  sich  von  selbst,  dasz  man  einem  wissenschaftliehen 
Versuche  die  kurze  Würdigung  der  über  seinen  Gegenstand 
schon  Torhandenen  Literatur  Torauszuschicken  hat 

Die  mehr  oder  weniger  wissenschaftlichen  und  gelehrten 
Erörterungen  über  die  Gattungen  des  Bomans,  der  Novelle 
u.  s.  w.,  welche  zum  Theü  sehr  schätzbare,  ja  unentbehrliche 
Vorarbeiten  für  die  Losung  der  Au%abe  des  vorliegenden 
Buches  enthalten  und  theils  aus  ganzen,  dem  Gegenstande 
allein  gewidmeten  Werken,  theils  aus  Abschnitten  in  Werken 
aUgemeineren  Inhalts  bestehen,  zerfallen  in  zwei  Classen,  von 
denen  sich  die  eine  mit  dem  Wesen,  die  andere  mit  der 
Geschichte  unserer  Gattung  beschäftigt.  NatQrlich  gehOii 
manches ,  wie  z.  B.  das  gleich  zuerst  zu  erwähnende  Buch  des 
trefflichen  Huet,  in  beide  Classen  zugleicL  Der  gemachte 
Untenchied  ist  aber  deswegen  festzuhalten,  weil  es  wenig 


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—  3  — 


enpriesziieh  wäre,  die  Entwickelnn^  der  Theorie  ttnaerer  Oai- 

tang  sogleich  zu  Anfang  bis  auf  die  neueste  Zeit  zu  verfolgen, 
nnd  nicht  vielmehr  mit  der  Darstellang  jeder  einzelnen  Haupt- 
periode  der  Gatlnmg  die  gedrängte  üebenicht  der  theoretuchen 
Arbeiten  über  dieselbe  zu  verbinden.  Zu  diesem  ömnde 
kommt  der  Wunsch  hinzu,  meine  Leser  nicht  gleich  zu  Anfang 
angebührlich  au&uhalten.  Denn  der  zurückzulegende  Weg  ist 
ohnedies  lang  genng.  Deshalb  soll  znnftchst  nnr  yon  den 
wem'gen  theoretisclien  Arbeiten  die  ßede  sein,  welche  vor 
Gottscheds  Zeit  fallen. 

Zaerst  müssen  wir  einige  theils  nicht  za  entbehrende, 
theik  wenigstens  interessante  ErQrtemngen  von  AuslSndem 
)i«*ra:i/.ie]ien,  dann  mögen  die  in  der  ehen  begrenzten  Periode 
allei  'liiigs  sehr  unl)edeutenden  Leistungen  deutscher  Theoretiker 
ond  Kritiker  betrachtet  werden.  Die  Würdigung  der  rein 
literargeschiehtliefaen  Darstellungen  wird  sich  hiermit  um  so 
leichter  verbinden  lassen,  als  deren  nicht  gar  viele  sind. 

Noch  eine  Vorbemerkung  dürfte  der  Klarheit  wegen 
nothwoidig  sein.  Es  kann  meiner  Ansicht  nach  nnr  dann  von 
dem  Yorhandensein  der  The<me  emer  Dichtungsgattung  die 
Rede  sein,  wenn  diese  Gattung  selber  vorliegt  und  als  solche 
die  Aufmerksamkeit  der  Gelehrten  oder  Schöngeister  auf  sich 
zidit.  Nicht  aber  ist  es  zn  billigen,  wenn  ans  allgemeinen 
UTtheOen  solcher  Theoretiker,  welche  eme  gewisse  Gattung  gar 
nicht  kannten ,  Sehlüsse  auf  dieselbe  gemacht  werden.  Denn 
theorische  Sätze,  z.  B.  des  Aristoteles,  sind  nicht  mathematische 
oder  aprioristisdie  Axiome,  sondern  sie  entspringen  indncti? 
aus  dem  ihm  bekannten  Material  und  gelten  nur  in  Bezug 
auf  dieses,  sind  nur  als  Abstractiunen  aus  einer  bestimmten 
Anzahl  von  Erscheinungen  anzusehen  und  zu  bem*theilen. 

Es  sei  gestattet,  das  Gesagte  besonders  auf  einen  Punkt 
anzuwenden,  welcher  mit  unserem  Gegenstande  in  Verbindung 

1*. 


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stebi  Auf  Grand  gewisser  bekannten  AensBerangen  des  Aristo- 
teles sind  von  mehreren  Theoretikeni  darüber  Erwatrungen 
angestellt  worden,  inwieweit  dio  metrische  Darstellung  zum 
Wesen  der  Poesie  gehöre.  Die  Frage  ist  natürlidi  an  sich 
von  Interesse  1)«  aber  es  dttnkt  mich  ungerechtfertigt,  derartige 
Stellen  als  Sätze,  welche  den  Koman  und  die  ganze  sogenannte 
Prosadichtung  unter  sich  begreifen,  zu  betrachten,  wenn  die  sie 
aofirtellenden  Gelehrten  dabei  nicht  ganz  sicher  wirklich  aach 
an  Romane  nnd  Aehnliches  gedacht  haben.  Es  gehören  nnr 
solche  Auslassungen  über  diese  allgemeine  Frage  hierher,  die  sich 
ausdrücklich  auf  die  Gattung  des  Bomans  beziehen.  Kurz  und  gut, 
es  darf  ittglich  nicht  vor  dem  berOhmten  Peter  Daniel  Hnet  Ton 
einer  Theorie  des  Bomtos  dieBede  sein,  mit  ihm  haben  wir  hier  den 
Anfang  zu  machen,  und  zwar  /um  Glück  einen  recht  erfreulichen 
Anfang.  Denn  Huets  Buch  de  Torigine  des  Bomans  Par.  1670, 
weit  verbreiteter  in  der  lateinischen  üebersetznng  des  Wilhelm 
Pyrrho,  de  ongine  fabularum  Bomanensium,  ist  in  der  That 
das  erste  Buch,  welches  von  unserer  Gattung  Notiz  nimmt, 
das  heiszt,  m  als  Gattung  aufGeiszt,  die  Bedeutung  der  Bcschei- 
nnng  erkennt  und  ihre  Entstehung  mit  ebenso  grossem  Scharf- 
sinn nnd  Geschmack  wie  mit  ])ei  Hiiet  freilieh  nicht  besonderes 
Verwundem  erregender  Gelehrsamkeit  zu  erklären  versucht. 
Die  Definition  der  Gattung,  welche  er  giebt,  will  ich  wörtlich 
anfahren,  theils  ihrer  sachlichen  Vortrafflichheit  wegen,  thdls 
weil  ich  weiter  unten  daraul  zurückzukommen  habe. 

')  Wio  sie  im  XVII.  Jalirliiindort,  dem  das  sogloicli  zu  cnvülineiidc 
trcftliche  Werk  Huets  ngcli  angehört,  von  den  Philologen  beliandelt 
wurde,  zeigt  am  besten  des  Gerurdus  Vossius  höchst  scharfsinniges 
lJueh  de  artis  poeticac  natura  ac  constitutione.  Gcrardus  Vossius 
schneidet  sich  selbst  den  Weg  zu  einer  richtigen  hi>torischen  Unter- 
suchung der  Frage  dadurch  ab,  dasz  er  gleich  zu  Anfang  der  iuung 
einiger  Gelehrten,  die  Poesie  sei  älter  als  die  Prosa,  hauitt-ächlieli  mit 
der  BemAing  auf  das  Alter  der  Bücher  Mosis  widerspriclit. 


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Autrefois,  sous  le  noni  de  roiiians,  on  coniprcnoit  non- 
seulement  ceux  qui  6t<)ient  öcrits  en  prose,  mais  plus  souveni 
encore  oenx  qui  ^ient  toits  en  Ten.  Le  Qiraldi,  et  le 
Pigna,  son  disciple,  dans  lenrs  traitfe  de*  Bomanzi,  n^en  reoon* 
noissent  prcsqiie  poiiit  crautres,  et  donnent  le  Boiardo  et 
TArioste  poor  modeles:  mais  aiyoardh'ui  Tusage  contraire  a 
pr^valn,  et  oe  qne  Ton  appeUe  proprement  ronums,  sont  des 
fictions  d*ayentQre8  amoreuses,  Werltes  en  prose 
avec  art,  poiir  le  pluisir  et  rinstruction  des  lecteurs. 
Je  dis  des  fictionst  poor  les  distinguer  des  histoires  y^tables; 
j'ajoate  d'ayentores  amonreoBes,  paree  qne  Tamonr  doit  ttre 
le  principal  snjet  du  roman.  II  faut,  qu'elles  soient 
öcrites  en  prose,  poiir  etre  conformes  ä  l'usage 
de  oe  si^cle;  il  faut  qa'elles  soient  Werltes  aveo  art 
et  sous  de  certaines  rdgles,  autrement  oesem  an  amas 
confhs,  Sans  ordre  et  sans  beaut^. 

Der  Zweck  der  Romane  liegt  nach  Huet  in  der  mora- 
lischen Belehmng  nnd  Anregung  der  Leser  dnrob  anziehende 
ünterhaltang,  weldie  mehr  m  wirken  Im  Stande  sei,  als  ein- 
fache und  direete  Ermahnungen,  und  diesen  Zweck  dürfte  nach 
des  Verfassers  Meinung  der  Roman  mit  aller  Poesie  im  We- 
sentliohen  gemein  haben.  Wichtiger  für  seine  scharfe  Auf- 
fassung ist  folgende  Stelle  Aber  den  Unterschied  der  Bomane 
von  anderen  Werken  der  Dichtung. 

Je  ne  parle  donc  id  des  romans  en  vers,  et  moins  encore 
des  po6mes  ^piques,  qui,  outreqn*  ils  sont  en  vers,  ont  encore  des 
dififerences  essentielles  qui  les  distinguent  des  romans,  quoiqu' 
ils  aient  d'aiileurs  un  tres-grand  rappoii;,  et  que,  suivant  la 
maiime  d'Aristotele,  qni  enseigne  quo  le  poSte  est  plus  poSte 
par  les  fictions  qu*il  invente  que  par  les  vers  qu'fl  compose, 
on  puisse  mettre  les  faiseurs  de  romans  au  nombre  des  poetes. 
Patrone  dit  que  les  poemes  doivent  s'expliquer  par  de  giands 


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d^tonrs,  par  le  mimst&re  des  dieux,  pax  des  eaq^iessioiis  libres 
et  hardies,  de  sorte  qQ*on  les  prenne  plntdt  ponr  des  (Hracles 

qui  partent  (run  esprit  plein  de  furour,  que  poui'  une  narration 
exacte  et  lidele.  Los  romans  sont  plus  simples,  moins  ^lev6s, 
moiiis  figarte  dans  l'inTentioB  et  dans  Texpiession:  les  poömes 
ont  plus  de  merreilleiix ,  quoique  tonjoiirs  Traisemblables;  les 
romans  ont  plus  de  viaisemblaljle,  quoiqu'  ils  aient  quelque- 
fois  du  merveilleux.  Les  poemes  sont  plus  r^gl6s  et  plus 
ehftti^  dans  rordonnaBce,  et  re^oiyent  moins  de  matidre, 
d*6v6neinens  et  d'^pisodes ;  les  romans  en  re9oi?ent  davantage, 
parce  qu'ötant  moins  ^levös  et  moins  ligur^^s,  ils  ne  tendent 
pas  tant  Tespiit,  et  le  laissent  en  etat  de  se  charger  d'un 
plns  grand  nombre  de  diff(§rentes  idte.  Enfin,  les  poSmes  ont 
ponr  siqet  une  action  militaire  on  politique,  et  ne  traitent 
Vamour  que  par  occasion;  les  romans,  au  contraire,  ont  Tamour 
ponr  sujet  piincipalf  et  ne  traitent  la  politique  et  la  gnerre 
qne  par  inddent  Je  parle  des  romans  rfignliers;  car  la  pln- 
part  des  yieox  romans  fran^ais,  Italiens,  espagnols  sont  bien 
moins  amoureux  que  militaires. 

Von  den  Bomanen  sind  nun  nodi  andere  Gattnngen  der 
Idteratnr  zu  nnterseheiden.  Zuerst  gescbichtliche  Werke, 
welche  viel  Unwahres  und  Ersonnenes  enthalten,  Herodot, 
Ktesias,  Hannos  Seereise,  des  Pbilostratus  Leben  des  Apollonias, 
die  Heiligenlegenden.  Von  diesen  sind  die  Bomane  darin  rer- 
schieden,  dasz  sie  eben  Werke  der  dichterischen  Phantasie  sind 
und  sein  wollen.  Die  Erdichtung  der  ganzen  Fabel  eines  Ro- 
mans ist  gleichwie  die  einer  Komödie  berechtigter  als  dies  bei 
der  Tragödie  der  Fall  ist,  weil  sich  Boman  und  KomOdie 
nicht  in  so  hohen  Sph&ren  wie  die  Tragödie  bewegen,  —  parce 
qu'il  ne  seroit  pas  vraisemblable  que  de  grands  ev^neraens 
fussent  demeur^s  Caches  au  monde  et  n^gligds  par  les  liisto- 
riens;  et  la  vraisemblance,  qui  ne  se  trouve  pas  toqjours  dans 


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rhistoire,  est  essentielle  au  romao.  Ferner  sind  aus  der  Beihe 

der  Bomane  solche  geschichtliche  Werke  zu  streichen,  welche 
ersonnen  sind,  um  Lücken  unseres  geschichtlichen  Wissens 
ansniföUenY  fiibeUiafte  Vorgeschichten  der  Nationen«  mytholo- 
gis^  Fabeln  nnd  decgfaichen. 

Nachdem  Huet  solchergestalt  den  Umfang  seineä  Gegen- 
standes geschickt  abgegrenzt,  geht  er  auf  die  Erfindung  und 
Entstehnng  der  Gattung  ein.  Wir  verdanken  sie  nach  seiner 
Meinung  den  orientalischen  YOlkem,  was  er  zunächst  durch 
die  orientalische  oder  halborientalische  Herkunft  deijenigen 
griechischen  Schriftsteller  erweist,  die  solche  Werke  abgefaazt 
haben,  als  Klearchns  ans  Cäücienf  Jamblichos  ans  Syrien, 
HeliodoransEmesainPhöniden,  Lndan  aus  Samosata,  Achilles 
Tatius  aus  Alexandria  in  Aegypten,  Johannes  Damascenus, 
Daunaacins  (bei  Fhotins),  Xenophon  aus  Antiochia  in  Syrien, 
XcDoplion  ans  Crypem.  Bei  dem  Uebergange  der  Gattung  ans 
dem  Orient  nadi  Griechenhind  und  Italien  bildeten  die  Lyder, 
die  nach  dem  Rathe  des  Krösus  und  auf  den  Befehl  des  C}tu8 
weichlich  gemacht  wurden,  und  die  kleinasiatischen  Griechen 
das  TOrmittebide  Glied.  Besonders  folgenreich  waren  hier  die 
durch  Alexander  den  Groszen  hervorgerafenen  ümwftlzungim, 
vor  seiner  Zeit  scheint  es  in  Griechenland  derartige  Schriften 
nicht  gegeben  zu  haben.  Das  meiste  Lob  unter  den  Yer&s- 
sem  griechischer  Bomane  ohilt  Heliodor,  obgleich  audi  gegen 
seine  Fehler  Huet  keineswegs  blind  ist.  Interessant  ffir  Huets 
Ansichten  von  dei*  künstlerischen  Form  der  Gattung  ist,  was 
er  bei  Gelegenheit  der  Besprechung  des  Psendoathffliagofas 
vorbringt.  Die  Frage  Uber  die  Aechtheit  des  Budies  wird  mit 
Scharfsinn  behandelt  und  üim  schlieszlich  die  moderne  Abfas- 
sung zugesprochen. 

Quoi  qu'ü  en  aoit,  Touvrage  d^Ath^nagoras  est  uifent6 
ayec  esprit,  conduit  ayec  art,  sentendeux,  plein  de  beanx  pii6- 


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8 


ceptes  de  morale;  les  öpisodes  tirös  da  sajet,  les  canctöres 
disitngn^,  rhomidtotö  partout  obsenrte;  rien  de  bog,  rien  de 

lorce,  ni  de  semblable  k  ce  style  pueril  des  sophistes.  L'ar- 
gument  est  double,  ce  qai  feiisoit  one  des  grandes  beaut^  de 
la  eomMie  aoeieiine;  car  oatre  lee  smtnres  de  Th^ogdne  et 
de  Oharide,  U  ra])porte  enoore  oelles  de  Pherecyde  et  de 
langenie;  en  quoi  i>aroit  Terreur  de  Giraldi,  qui  a  oni  que  la 
multiq^licit^  d'actioDS  6toit  de  rinYention  des  ItaUens.  Les  Giecs 
et  DOS  vienx  ftaa^  les  avoient  midtiplito  avant  eox.  Les 
Glees  les  avoient  multipli^s  avec  d^pendance  et  Subordi- 
nation ä  une  action  principale,  soiTant  les  reglos  du  poeme 
h^lqne,  Gomme  Fa  piatiqu^  Athtegoias,  et  mime  H^lio- 
dore^  quoiqne  mefais  nettement.  Mais  nos  vienx  ftan^eis  les 
avoient  multiplieos  ^ans  ordonnance,  sans  liaison  et  sans  art. 
Ce  sont  eui  que  les  Italiens  ont  imites.  En  prenant  d'eux 
les  romaas,  üs  en  ont  pris  les  d^uts;  et  c'est  one  aatre 
erronr  de  Qiraldi,  pire  que  la  prMdeote,  de  'vooloir  loner  oe 
defaut.  et  en  faire  une  vertu.  S'il  est  vrai,  comme  il  le 
recoimoit  lai-meme,  que  le  roman  doit  ressembler  ä  un  corps 
paifidl,  et  §tre  oonipos6  de  plnsiems  parties  düEfirantes  et 
proportionn^,  sons  an  senl  eiief ;  ü  s^ensoit  qne  Factien  prin* 
cipale,  qui  est  comme  le  chef  du  roman,  doit  §tre  unique  et 
Ulnstre  en  companuson  des  aaties;  et  que  les  actione  subor- 
donnto,  qm  sont  comme  les  membres,  deivent  se  lapporter  ä 
ce  chef,  lui  c^er  en  beant^  et  en  dignit^,  l'omer,  le  soutenir, 
et  Taccompagner  avec  d^pendance ;  aatrement,  ce  sera  un  corps 
k  plnsienrs  tdtes,  monstmeoz  et  difforme. 

Nachdem  Hnet  weiter  einselne  antike  Bomaadichter 
aufgezählt  und  besprochen,  kommt  er  auf  seine  Theorie 
der  Grattong  zurück.  Er  nennt  regelrechte  Romane  nur  die- 
jenigen, welche  den  Gesetzen  des  Heldengedichts  gemftsz  ein- 
geriditet  sind. 


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—    9  — 

Lea  Glees,  qm  ont  d  heoieiimniait  peifeefciomi^  la  plnpart 

des  Sciences  et  des  ai-ts  qu'on  les  en  a  cnre  les  inventeui-s, 
ont  aussi  cultiv^  l'art  romanesque :  et  de  bnit  et  inculte  qu'ü 
ötoit  paimi  les  orientaaz,  ils  Ini  ont  Mt  prendre  une  meUieure 
fomie,  en  le  ressemuit  dans  les  rtgles  de  T^p^  et  joignant 
en  nn  coit)s  parfait  les  diverses  parties,  «ans  ordre  et  sans 
rapport,  qui  composoient  les  romans  avant  eux.  De  tous  les 
romaneieiB  greos  qae  je  vous  ai  nemmtef  les  seuls  qni  se 
aoleiit  assajitis  ä  ees  rdgles,  sont  Antoniiis  Diogends,  Lneien, 
Ath^nagoras,  Jamblique,  Heliodore,  Achilles-Tatius,  Eustathius 
et  Theodorus  Prodromus. 

Auch  Apnlejns  ist  in  seinen  Metamorphosen  naoh  den 
Regeln  der  Ennst  yerfiüiTen,  wenn  anch  seine  Ohecoenitftt  und 
sein  africanischer  Stil  zu  tadeln  sind. 

Jnsqn'  alors  —  nämlich  bis  in  die  ersten  Jahrhunderte 
nach  Christo  —  Tart  des  romans  s^^t  maintenu  dans  qnel- 
que  splendeur;  mais  11  döclina  ensuite  avec  lettres  et  avec 
l'empire,  lorsque  les  nations  farouches  du  nord  porterent  par- 
tout lenr  ignorance  et  leur  barbarie.  L*on  ayoit  iait  aapara- 
▼ant  les  romans  ponr  le  plaisfa*;  on  fit  alors  des  histoiies 
fabuleuses,  parce  qu'on  n'en  pouvoit  laire  de  v^ritables,  faute 
de  sayoir  la  v4rit6. 

Hierher  nun  gehören  die  Geschichten  von  Artns  and  der 
Tafelrunde,  der  Franke  Hunibald  und  auch  Turpin,  von  dem 
Huet  mit  Recht  und  feinem  Blicke  behauptet,  dasz  er  keines- 
wegs als  Quelle  der  späteren  Dichtungen  der  Trouvdres  und 
Tronbadonis  anzusehen  sei  Die  Bomandichtung  der  neueren 
Zeiten  und  Volker  bat  naoh  Huet  ihren  Urspning  in  Frankreich 
genommen,  nicht  die  Araber,  wie  Salniasius  meint,  sind  ihre 
Begründer.  Die  Normannen  leiteten  die  Gattung  zu  den  an- 
deren Nationen  ftber,  in  allen  Völkern  liegt  der  Geschmack 
an  derai-tigen  Erzeugniüöeu  von  Natur.    Die  Stolle  der  ältesten 


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I 


—    10  — 

bildeten  geschichtlich  sem  sollende  Berichte  am  alten  Zeiten, 
«toa  Sagen.  Die  Fnunoeen  sind  auch  ihrer  Galanterie  wegen 
nnd  weil  bei  ihnen  der  Verkehr  der  Gesdilechter  am  fieiesten 
war,  für  die  Urheber  der  Gattung  des  Romans  in  den  neueren 
Zeiton  zu  halten.  Huet  schlieszt  sein  YortrefflichdS  kleines 
Werk  mit  einer  Vertheidigong  der  Bomane  Tom  mocaliachen 
Standpunkte  ans.  -Namentlich  anf  junge  Leute  von  hohem 
Stande  wirke  die  Leetüre  guter  Romane  höchst  förderlich. 

1734  erschien,  wiederum  von  einem  Franzosen,  ein  zweites 
Bndi,  welches  die  Gattung  des  Romans  einer  eingehenden 
Betrachtang  würdigt,  De  Tusage  des  Bomaas,  Oft  Ton  fidt 
vüir  leur  utilite  et  leurs  dilTerens  caract^res :  Avec  une  biblio- 
th^ue  des  liomans  (die  den  zweiten  Band  bildet  und  noch 
jetzt  brauchhares  bibliographisches  Material  liefiart)  acoom- 
pagn^  de  remarques  critiqaes  sur  leur  chok  et  leurs  6ditions. 
Par  M.  le  c.  Gordon  de  Percel.  Amsterdam,  chez  la  Veuve 
de  Poilras,  ä  hi  V6iit6  sans  fard.  MDCCXXXIV.  2  Bde.  in  S"". 

Das  Werk  des  angeblichen  Herrn  GraHan,  der  aber  in  der 
That  der  Ahh^  Lenglet  dü  Fresnoy  war'),  sticht  von  dem 
seines  Vorgängers  nicht  eben  sehr  vortlieilhaft  ab.  Der  Ver- 
fasser versichertY  dasz  er  keui  Gelehrter  s^  giebt  sich  aber 
das  Ansehen  dnes  Mannes  von  bOchst  fsinem  Geschmack. 
Das  erstere  macht  er  uns  leichter  glauben  als  das  letztere, 
doch  bietet  er  immerhin  einiges  Bemerkenswerthe. 

Nachdem  er  eine  Menge  Terdammende  Urtheile  tou  Theo- 
logen gegen  die  Bomane  angebracht  und  auf  seine  ziemlich 
oberflächliche  Weise  dagegen  geredet  hat,  kommt  er  darauf, 
dasz  der  Roman  nichts  anderes  sei,  qu'un  Apologue  un  peu 
plus  6tendu.  Dies  lAszt  freilich  kern  sehr  tiefes  Eindringen 
in  das  Wesen  der  Gattung  erkennen,  was  dem  Verteer  um 


<)  Bihlioth^ll6  müTerBeUe  des  Bonan«.  Paris  1775,  Bd  I,  8. 19. 


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—  11  — 


80  mehr  zum  Yonrorf  gordeht,  als  er  Haets  Buch  »ebr  gut 
kannte.  Apologetische  Bemühungen  gegen  diejenigen,  welche 
den  erotischen  Inhalt  der  Bomane  bedenklich  fanden,  schliesaen 
das  erste  Capitol.  Das  zweite  beginnt  mit  der  Durchführung 
des  Sataee:  L'imperfection  de  Thistoire  doit  fiiue  estimer  les 
Romans.  In  der  Geschichte  ist  Vieles  dunkel,  streitig,  unbe- 
friedigend, in  den  Bomanen  will  man  gar  nicht  die  Wahrheit, 
also  yenniszt  man  sie  audi  nicht.  In  der  Qeschichte  fehlt 
die  poetische  Gerechtigkeit,  die  in  den  Bomanen  so  gründlich 
und  schön  gehandhabt  wird.  Die  Hauptsache  aber  ist,  dasz 
in  der  Geschichte  der  Einflusz  der  .Frauen  viel  zu  gering  an- 
gesddagen  wird,  in  den  Bomanen  dagegen  nach  Gebühr  her- 
Tortritt  Das  dritte  Oapitel  handelt  des  conditions  d*un 
Roman  destine  poar  plaire  et  pour  instruire.  Die  Fehler, 
weiche  ein  Kornau  vermeiden  musz,  sind  1)  d'offenser  la  Reli- 
gion, 2)  de  censnrer  la  personne  des  Bois.  Den  Kdnigen 
sind  die  Prinzen  von  Gtoblftt  gleichzuaditen.  3)  d'attaquer 
quelque  personne  en  place,  d.  h.  Hofleute,  namentlich  Hof- 
damen. 4)  d'attaquer  des  personnes  disgraci^es  ou  pers^cut^es. 
5)  d^offenser  les  moeurs.  Interessanter  sind  hier  die  positiven 
Grundsätze,  welche  nach  des  YerfBsem  Meinung  von  Bornas- 
Schreibern  festzuhalten  sind. 

Je  mets  pour  premiere  Observation  de  ne  choisir  que  des 
Sujets  nobles  et  qui  puissent  m^riter  Fattention  des  honndtes 
gens.  Je  Tai  d^jä  dit,  un  Homan  est  un  Po6me  h^roique  en 
Prose.  Tous  ceux  qui  sont  venus  jusqu'  ä  nous  ne  peignent 
qua  des  Bois,  des  Pnnces,  desHäros;  il  &ut  fiure  ses  preuves 
pour  7  avoir  place.  Et  queUes  preuves?  D  n*  y  a  point-lä 
de  dispense  comme  ä  Malte,  on  n'y  voit  point  des  Chevaliers 
de  grace;  on  y  admettra  plutot  le  bätaid  d'un  Prince,  qu'uu 
fils  ou  un  fir^e  de  Ministre.  VoiU  pour  les  personnes;  mais  ' 
Folget  doit  dtre  une  aetioa  grande,  hAroIque,  p^nlleuse:  les  cir« 


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—   12  — 

constanoes  qoi  doivent  dtre  choMes  eDtre  les  plus  belies,  scroot 

toujours  noblement  on  d^licakment  exprim^s         Tonte  la 

diflference  qiii  se  trouve  enti'e  le  mi  Poeme  et  le  Boman,  est 
qne  toute  Taction  de  celui-el  se  termine  pur  nn  oa  pluneuts 
mariages;  et  Toillt  pomrcftioi  0  est  d^ndii  en  bonne  policc 
ronianesque  de  faire  marier  les  Heros  au  commenremont  oii  au 
milieu  du  Kornau.  Comme  le  raariage  en  est  le  but.  tout  ce 
qiü  est  an-delä  devient  inatUe  et  superfla  poiir  Faction  piin- 
eipale;  on  89ait  bien  ce  qne  font  les  gens  qnand  Iis  sont 
maries;  si  Ton  passe  au-delä  du  manage,  c*est  compliquer 
deox  grandes  actions  en  un  seul  Poeme:  crime  capital  en 
bonne  Poesie.  L'aotion  da  Podme  vraiment  h^rolqne  est  la 
fin  d*nne  grande  et  difßdle  entreprise,  on  TApotb^ose  dn  H^s 
princijial.  Ainsi  ni  le  Roman,  ni  le  Poeme  ne  doi\rent  point 
commencer  comme  THistoire  k  la  naissance  du  Heros  pour  finir 
k  sa  mort;  lenr  bat  est  one  seole  et  oniqae  action.  Mais  fl 
se  pent  faire  quo  par  des  ^plsodes  on  S9acbe  tont  ce  qni  est 
arrive  au  Heros  et  aux  personnes  les  plus  illustres  du  Poeme, 
c'est  m§me  ce  qoi  est  n^oessaire  ponr  montrer  qne  ce  H^ros 
ne  s*e8t  pas  &it  tont  d*nn  oonp,  qa*il  Ta  toajoors  M  et  qa*il 
vient  de  bonne  race  etc. 

Die  Nothwendigkeit ,  dasz  die  Knmnuhelden  von  hoher 
Geburt  seien,  ist  in  der  That  das  Lieblingsthema  des  Ver- 
fassers, das  er  noch  des  Weiteren  illnstrirt  nnd  anf  das  er 
immer  wieder  zurückkomint.  Es  entgeht  ihm  niclit,  dasz  in 
Polge  dieses  Satzes  und  einiger  anderen,  die  er  aufstellt,  eine 
ganze  Anzahl  von  Werken  nicht  Romane  genannt  werden  können, 
obgleich  man  sie  gewöhnlich  dazn  rechnet,  doch  Iftszt  er  ihnen 
in  ihrer  Art  wolil  Gerechtigkeit  widerfahren. 

Das  zweite  Gesetz  ist  das  der  Walirscheinlichkeit,  eine 
alte  Bogel,  an  die  man  sich  jedoch  nicht  immer  gebnnden» 
das  driM  ist  die  Notiiwendigkeit,  gute  Sitten  darch  die  Bo- 


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13  — 


mane  zu  verbreiten,  endlich  sollen  die  Bomane  zur  Bildung 
des  Geistes  beitragen. 

Das  yierte  Capitel  ftUirt  die  sehen  erwfthnte  Ansicht  des 

Verfassers  aus,  dasz  das  eiotiscbe  Element  der  Hauptcharakter  * 
des  Bomans  ist,  wobei  er  ausdrücklich  erklärt,  die  grobsimi- 
Udie  Liebe  nicht  xu  meinen,  und  zwischen  der  Liebe  als  Tn* 
gend  und  der  Liebe  als  Leidenschaft  unterscheidet,  eine  Theorie, 
die  er,  wie  wir  au  einer  anderen  Stelle  ersehen  werden,  von 
Torquato  Tasso  hat,  und  welche  in  den  Ansichten  des  XVI. 
and  XVII.  Jahrhunderts  Aber  die  epische  Diditnng  eine  nicht 
nn])edentende  Rolle  spielt.  Das  fünfte  und  sechste  Caidtol 
bieten  nichts  Beraerkenswerthes,  der  Verfasser  verbreitet  sich 
hier  über  die  Verwendbarkeit  zur  sittlichen  und  intellectueUen 
Bdehmng  der  Jugend,  hierin  sehr  fthnlich  einer  Menge  Ton 
Aesthetikern  der  ersten  Hälttf  des  vorigen  Jahrhunderts,  die 
ihre  UnßÜugkeit,  in  das  Wesen  der  Kunst  einzudringen,  selir 
gern  mit  moralphilosophischen  Bedensarten  verdecken. 

Das  siebente  Capitel  hat  eine  üeberschrift,  die  allerdings 
hiötoriscli  interessante  Bemerkungen  zu  verbürgen  scheint: 
Usage  et  etfets  des  Romans  dans  les  dülerens  Fais,  dans  les 
differens  siecles,  dans  les  divers  dges  de  la  vie:  caract^re 
d*esprits  auxquels  ils  peuvent  convenir.  Was  aber  Peroel  hier 
▼orbringt,  kann  seiner  oberflächlichen  Allgemeinheit  wegen 
und  um  des  ganz  veralteten  und  an  sich  unwissenschaftlichen 
Standpunktes  willen  übergangen  werden.  Nur  die  über  Deutsdi- 
lind  handelnde  Stelle  gebOrt  hierher.  L'AUemagne  en  general 
est  trop  s«5rieuse  jtour  gouter  les  gentille.sses  de  Tamour.  Elle 
se  livre  un  peu  trop  brusquement  k  la  r4alit6;  peut-etre 
a-t-elle  ses  raisons.  Occup^  plus  utilement  d*ailleuj:8,  eile  ne 
veut  pas  se  d^tourner  de  ses  fües  principales  par  des  senti- 
nients  tendres,  qu'on  est  longtems  a  conduirc  au  but:  cela 
nVrtt  pas  seulement  dans  le  peuple;  les  gens  polis,  les  courü- 


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14  — 


Sans  memes  s'eii  resscntent  C'est  un  mauvais  goüt,  qui  les 
prive  de  bien  de  jolies  ehoses;  car  qni  ne  s^ait  que  le  pliusir 
est  plus  dans  rimagination  que  dans  la  realit6.  Je  ne  s^ai  ü 
avant  le  Theurdanck  eile  a  produit  quelques  Romans;  Ton 
S9ait  que  ce  Livre  tres-rare,  meine  dans  la  nation,  contient 
les  Aventares  amourenses  de  r£mpereiur  Maximilien  I  Erltes 
en  Vera  Allemands  par  le  Chapelain  de  ce  Piince,  qui  tat  la 
bravoure  et  la  tendresse  merae,  et  publik  du  vivant  nieme  de 
Maximilien.  Les  Allemandfi  ne  laissent  pas  de  goüter  nos 
mani^es,  et  de  traduire  quelques-nnes  de  nos  pIns  agrtebles 
HistorieHes.  Qu'ils  seroient  Mables  sHls  poavoient  donner 
dans  cet  amour  delicat,  tendre  et  passionn^;  s'ils  s^avoient 
joindi-e  cet  agr^ment  ä  leur  8olidii6,  ce  seroient  les  plus  par- 
fiuts  et  les  plns  henrenx  de  tons  les  penples;  avec  an  anssi 
grand  fond  de  r^edons,  Famour  setoit  ponr  euz  toiqoiiis  Terta 
et  jamuis  passion'). 


0  Vor  jeder  weiteren  Anmerkung  diene  folgende  Stelle  des  dem 
sweiten  ^tade  Toransgefaendeii  ATertissaneiii  for  ErklSmng  und  Er- 
gansung.  Je  n*ai  point  parl6  des  BomaDs  originairemeiit  Allemans. 
La  connoissanee  que  j'en  ai  eile  est  venfte  trop  tard,  pour  Stre  ins^r^e 
dans  eette  Bibliotheqiie.  Cependaat  comme  fl  ne  fknt  pas  qn*on  y 
perde,  Toioi  ce  que  j*6n  ai  apris  d^on  S^avant  de  mes  amis.  H  a?on6 
qne  de  plus  de  soizante  dont  fl  m^euToye  la  Liste,  U  n*y  en  a  pas. 
plns  de  qoince  qni  soient  raisonnablement  torits,  les  antoes  se  jettent 
dans  des  ordnres  insontenables,  on  dans  nne  simplicit^  d^gofktante.  11 
est  itonnant  qa*nne  Nation,  qni  ezcelle  en  tant  d'antres  cboses,  n^ait 
pas  port<  son  gott  jnsqn*  k  ce  gerne  de  eomposition,  qni  est  agr^ble 
et  amnsant.  Iis  ont  assez  de  modales  k  snim  dans  ce  qne  la  Fiancc, 
rEspagne  et  lltalie  on  prodnit  k  ce  sijet.  Voici  donc  les  plns  rai- 
sonnables  de  lenxs  Bomans;  pent-dtre  prendra-t-fl  envie  ä  qnelqn*un 
de  nons  en  traduire  quclqnes-nns  en  Fran9oi8. 

Octavia  Romaine,  in  8.  1711.  6  Tolnmes.  On  tronTc  qne  cet 
OnTrage  est  plns  historique  qne  romanesqnc. 

Aramena,  oii  Tillastre  Syrienne,  in  8,  167S.  5  volnmes.  D*Qn 
Stile  nn  pen  trop  affect^. 


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16  — 

Schlienslich  sei  noch  bemerkt,  dam  aodi  de  Peroeb  ür- 

tiieile  über  die  Leistnngen  anderer  Nationen  manches  an  sich 
Bemerkeoswerihe  enthalten,  was  ich  jedoch  als  nicht  zu  meinem 
Zwecke  gehörig  weglasse. 

Ehe  ich  min  m  anderen  theoretischen  Werken  Aber  den 
lloman  und  die  ihm  nahestehenden  Gattungen  übergelie,  kann 
ich  nicht  umhin,  zwei  englische  liomandichter  ersten  £anges 
OOS  dem  voiigen  Jahrhundert  hier  zn  Worte  kommen  zu  lassen, 
▼on  denen  der  eine,  SmoUet,  die  Ansicht  seines  Zeitalters  über 
die  früliere  Gescliiclite  der  Gattung  vortrefflich  ausdrückt,  der 
andere,  der  unvergleichliche  Fielding,  uns  in  gelegentUchen 

L*Aaiatiqne  baniiie,  par  le  Sieur  Ziegler,  in  8,  1783.  2  Toluaes. 
Bon;  uaoM  le  premier  voliune  beaneonp  meSlenr  qne  le  seeond. 

Anninine,  par  le  Sienr  de  Lohenstein,  in  4.  Leipric.  1781.  4  vo- 
Inmes.  On  e^t  la  figore  qn*Aniiiniiii  a  fidt  dane  Tandenne  Oeimanie. 
Janais  ei^et  ne  ftit  (plne)  propre  k  Mn  vn  Beman,  sor-tont  nn  Boroaa 
de  Ghevalerie.  Celm<i  est  ettim^  des  Conndsaenn. 

Hercnles  et  Hercoliscns,  in  4.  Boman  cnrienz  et  fort  wüm4. 

FEscIave  Doris,  par  Talander,  in  8.  1699.  Livre  eetim^.  Le 
nom  de  Tal  ander  est  sopoed,  TAvtenr  se  nommoit  Angnstos  Boee. 

Lee  Coors  de  TEnrope,  par  Menantcs,  in  8,  Lo  champ  est  vaete, 
il  y  a  bien  occasion  de  debiter  de  r}{ist(iir('.  de  la  Politiqne  et  de 
VAmonr.   Le  vrai  nom  de  Menaates  ^toit  Hunold. 

Menantes,  le  Monde  anioureux  et  galant,  in  8.  17H0.  Un  pea 
moxQB  estimö  qne  le  pr^cödent  quoiqu'  U  vienne  dn  m^me  Anteor. 

Du  möme,  Adalie,  in  8.  1781,  Bon. 

Du  nit"nir>.  Clelic,  in  12.  1672.    Roman  estim^. 

Venda  Keine  de  Pologne,  in  12.  1702.  II  paroit  que  c'est  ici 
uue  Traduction  du  Fran9ois. 

Smynia  Keine  des  Amazones,  in  8.  1700.  Bon. 

L'infortunee  Princessc  Arsirioe,  in  8.  171-^.    Assez  ostime. 

Weiter  hat  der  gelehrte  Freund  sich  nicht  vernehmen  lassen. 
Wenn  de  Percal  die  angeführten  Werke  seibat  gekannt  hätte .  dürfte 
.'^cin  Urtheil,  das  ich  oben  citirt,  nicht  grade  ungerecht  genannt  werden. 
Es  wird  dann  noch  richtig  des  Keichthum.s  an  Ueber.><etziini,'en  aus 
fremden  Sprachen  in  die  deutsche  erwähnt,  unter  denen  aucii  Kabelai;: 
figurirt. 


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Bemerkungen  Beiträge  zur  Theorie  der  Gattung  liefert,  welciie 
zunächst  als  wesentliche  Ergänzungen  za  den  guten  £r6rtenmgea 
Hnets  za  nehmen  sind  und  uns  somit  gegen  dePercel  sdiad- 
los  lialton  können,  bei  dem  wir  allerdings  nichts  gefunden 
haben,  was  uns  hätte  in  das  Wesen  de^  Romans  tiefer  einfuhren 
hffnnen.  Tobias  Smollet  sagt  in  der  Vorredo  zmn  Boderick 
Random:  Romanos,  no  donbt,  owes  its  origin  io  ignorance, 
vanity,  and  superstition.  In  the  dark  ages  of  the  world,  when 
a  man  had  rendered  himself  famous  for  wisdom  or  valour,  bis 
family  and  adherents  ayailed  tiiemselves  of  bis  snperior  qoa- 
lities,  magnified  bis  Tirtnes,  and  represented  bis  character  and 
person  as  sacred  and  supernatural.  Tho  vulgär  oasily  swallo- 
wed  the  bait,  implored  bis  protection,  and  yielded  the  tribate 
of  homage  and  praise  even  to  adoration;  bis  ezploits  were  han- 
ded  down  to  posterity  with  a  thousend  exaggerations ;  they 
were  rei>euted  as  incitements  to  virtue;  divine  honours  were 
paid,  and  altars  erected  to  bis  memoiy,  for  the  encouragement 
of  those  wbo  attempted  to  imitate  bis  example;  and  bence 
arose  the  heathen  mythology,  whicb  is  no  other  than  a  col- 
lecüon  of  extravagant  romances.  As  learning  advanced,  and 
genins  received  cultivation,  these  stories  weie  embellished 
with  the  graoes  of  poetxy:  that  fhey  might  the  better  reeom- 
mend  themselves  to  the  attention,  they  were  sung  in  public, 
at  festivals,  for  the  instiuction  and  delight  uf  the  audience; 
and  rehearsed  before  batüe,  as  incentives  to  deeds  of  gloiy. 
Thns  tragedy  and  tbe  epic  mnse  were  bom,  and,  in  the  pro- 
gress  of  taste,  arrived  at  perfection.  It  is  no  wonder  that 
tlie  ancients  could  not  relish  a  fable  in  prose,  after  they  had 
Seen  so  many  remarkable  events  oelebrated  m  Terse  by  theur 
best  poets;  we  therefore  find  no  romaneeamong  them,  during 
the  era  ol  their  cxcellence,  unless  the  Cyropaedia  of  Xenophon 
may  be  so  called,  and  it  was  not  tili  arts  and  sciences  began 


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io  reme,  aftar  fhe  imiption  of  the  barbarians  kto  Enrop«, 

that  any  thing  of  this  kind  appeared.  But  when  the  mintls 
of  men  were  debauched  by  the  imposition  of  priestcraft,  to 
the  moat  absurd  pitch  of  erediilify,  the  authors  af  remance 
aroae»  and,  losiiig  sight  of  inrobability,  fiUed  tfaeir  performanoeB 
with  the  most  monstrous  hyi)eiboles.  If  they  could  not  equal 
the  poets  in  point  of  genius,  they  wäre  resolTed  to  eicel  them 
in  fiction,  and  apply  to  the  wonder  rather  than  the  jadgment  of 
fheir  readers.  Aooordingly,  they  bronght  necromancy  to  their 
aid,  and,  instead  of  supporting  the  character  of  their  licroes 
by  digniiy  of  sentiment  and  practice,  diatingaished  them  by 
their  bodüy  atrength,  aetiviiy,  and  extravaganoe  of  behavioiir. 
Althoiigh  nothing  could  be  more  Indierona  and  annatoral  than 
the  fiugres  they  d»ew,  they  did  not  want  patrons  and  ad- 
mirers;  and  the  world  aetually  b^gan  to  be  infected  with  the 
apirit  of  knigbterrantiyt  whfln  Gerfantes,  by  an  inhnitable 
piece  of  ridicule,  reformed  the  taste  of  manldnd,  representing 
chivaky  in  the  right  point  of  view,  and  Converting  romance 
to  purpoaes  ftr  moie  usefnl  and  entertainingt  by  making  it 
aasome  the  soek,  and  point  ont  the  foUiea  of  ordinary  lifo. 
The  same  methud  lias  been  practised  by  other  Spanish  and 
French  authors,  and  by  none  more  successfully  than  by  Mon- 
sieur Le  Sage,  who,  in  his  Adventores  of  Gil  Blas  has  deeori- 
bed  the  knavery  and  foibles  of  Mfe  with  ininite  hmnoar  and 
sagacity.   The  following  sheets  I  have  modelled  on  his  plan  etc. 

In  der  Vorrede  zu  seinem  Joseph  Andrews,  den  er  nach 
dem  Mnster  keines  Geringeren  als  des  Bittera  Ton  der  trau« 
rigen  Gestalt  gearbeitet  und  den  er  als  Beprftsentanten  einer 
bisher  in  England  nicht  cultivirten  Gattung  bezeichnet,  sagt 
Henry  Fielding,  nach  dem  groszen  Spanier  Tielleicht  der  gröszte 
Meister  im  Boman,  und  ein  Mann  von  so  durchdringendem 
reflectoenden  Verstände,  dasz  auch  seine  Anslaasungeu  auf 

3 


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theoretischem  Gebiet  auf  Auctorität  ersten  Banges  Ansprach 
machen  dürfen:  The  Epic,  as  well  as  the  Drama,  is  dirided 

into  tragedy  and  comedy.  Homer,  who  was  the  father  of  this 
Speeles  of  poetiy,  gave  us  a  pattera  of  both  those,  though 
that  of  the  latter  kind  is  enturelj  lost;  whieh  Aristotle  teil 
ns,  bore  the  same  relation  to  comedy  which  bis  Hiad  bears 
to  tragedy.  .  .  .  And  farther,  as  this  poetry  (the  Epie.)  may 
be  tragic  or  comic,  I  will  not  scraple  to  say  it  may  be  like- 
wise  either  in  Terse  or  prose:  for  thongh  it  wants  one  parü- 
ciliar,  wliich  the  critic  enmnerates  in  the  constituent  parts 
Ol"  an  epic  poem,  namely  metre;  yet,  when  any  kind  of  writing 
contains  all  its  other  parts,  sach  as  fohle,  aetion,  characteres, 
sentiment,  and  diction,  and  is  deftdrat  in  metre  only;  it  seems, 
I  tliink ,  reasonable  to  refer  it  to  the  epic ;  at  least  as  no 
critic  hath  thougbt  proper  to  ränge  it  under  another  bead,  or 
to  assign  it  a  particolar  name  to  itsell 

Thns  the  Telemaohos  of  the  archbishop  of  Oambray 
appears  to  me  of  the  epic  kind,  as  weil  as  the  Odyssey  of 
Homer;  indeed,  it  is  much  fairer  and  more  reasona])le  to  give 
it  a  name  conunon  with  that  species  finom  which  it  differs 
only  in  a  Single  instanoe,  than  to  confonnd  it  with  those, 
which  it  resembles  in  no  other.  Snch  as  thosc  volumiiious 
works,  commonly  called  Romances,  namely  Clelia,  Cleopati-a, 
Astraea,  Cassandra,  the  Grand  Qyms,  and  imramerable  others, 
which  eontain,  as  I  apprehend,  veiy  little  mstmction  or  entei^ 
tainement. 

Kow  a  Comic  romance  is  a  comic  epic  poem  in  prose; 
difforing  from  oomedy,  as  the  serions  epic  firom  tragedy:  its 
action  being  more  ^tended  and  comprebensive,  eontaininjEif  a 
much  larger  circle  of  incidents,  and  introducing  a  greater 
Tariety  of  characters.  It  differs  irom  the  serions  romance  in 
ii»  fhble  and  aetion,  in  this;  that  as  in  the  one  these  are 


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—  19  — 

gmve  and  solemn ,  so  in  tiie  other  they  are  light  and  ridi- 
culoos:  it  diffeis  in  its  characters,  by  introdiicing  persons  of 
ioferuHT  rank,  and  consequently  of  inferior  manners,  wbereas 
the  gra?e  lomanee  sets  the  highest  before  ns;  lasüy,  in  its 
sentiments  and  diction,  by  preserving  tfae  ludieroas  instead  of 
the  sublime.  In  tbe  diction,  I  think,  burlesque  itself  may  1)0 
sometimes  admitted;  of  which  many  instanccs  will  occur  in 
thk  work»  as  in  the  description  of  tbe  batUes,  and  some  other 
places'),  not  neeestaiy  to  be  pointed  ont  to  tbe  classical 
reäder;  for  whose  entertainement  those  parodies  or  burieütiuc 
imitations  are  chieüy  calculated. 

üoit  was  in  Dentochland  für  die  Qeschichte  und  Theorie 
des  Bomans  geleistet  wordcfn  ist,  weiter  nnten  im  Zosammen-* 
hange  zu  betrachten,  ist  jetzt  noch  ein  englisches  Werk  zu 
erwähnen ,  das. wichtigste,  welches  überhaupt  diesem  Gegen- 
stande gewidmet  worden.  Ich  meine  The  History  of  Fiction, 
being  a  eritical  Account  of  the  most  celebrated  Prose  Works 
of  Fiction  from  the  earlist  Greek  Romances  to  the  Novels  of 
the  present  Age  by  John  Dunlop.  Edinburgh  1814.  HL  8. 
—  Sdinb.  1816.  III.  8.  —  London  1843.  L  4.  —  PhiLw 
delphia  1842.  Die  deutsche  Ausgabe  hat  den  Titel;  John 
Dunlops  Geschichte  der  Prosadichtungen  oder  Geschichte  der 
Bomane,  Novellen,  M&rchen  n.  s.  w.  Ans  dem  Englischen 
ftbcrtragen  und  tielfiich  Termehrt  und  beriditigt  so  wie  mit 
einleitender  Vorrede,  ausführlichen  Anmerkungen  und  einem 
vollständigen  Register  versehen  von  Felix  Liebrecht,  Professor 
am  Athoi^  Boyal  zu  Iiüttich.  Berlin  1851.  I.  8. 

»)  Was  Fielding  hier  meint,  ist  nur  dem  Yeratändlich,  der  seine 
Werke  selbst  gelesen  hat,  es  sind  Schilderungen  wie  die  der  Schlägerei 
auf  dem  Kirchhofe  im  Tom  Jones  und  des  Kampfes  mit  den  Hunden 
im  Joseph  Andrews,  wo  der  homerische  oder  yirgilische  Ton  ange- 
wendet wild,  om  eine  derblftcherliche  Wirkaug  herrombringen,  die 
tlterdiBffi  nur  aaf  den  dsniich  gebildeten  Laoer  beieehnet  ist« 


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—   20  — 

Dnnlop  hat  ohne  Fi'age  die  unenfbehrlidiBte  Vorarbeit 
Ar  Jeden  geliefert,  der  eich  ndt  der  Geecbichte  dar  Proeadieh- 

tung')  beschäftigen  will,  die  unvermeidlichen  Mängel  des  Werkes 
stehen  in  engstem  Zusammenhant^^e  mit  seinem  groszen  Vor- 
zage, nftmlich  dem  mnfiisseaden  Plane,  naoh  dem  es  angelegt 
ist.  Der  deutsche  Heraosgeber  hat  die  Qeeiditspvmlrte  des 
schottischen  Verfassers  noch  um  etwas  erweitert,  ohne  übri- 
gens —  was  ja  Liebrechts  Verdienste  nicht  entwerthet  — 
dadurch  und  durch  sdne  Anmerlcnngen  das  Ganze  anf  diqenige 
Höhe  des  wissenschaftlidien  Standpunktes  gebracht  zu  haben, 
welche  wohl  möglich  und  für  den,  der  auf  Dunlops  Leistungen 
weiter  bauen  will,  wünschenswerth  wäre.  Ob  es  gegenwärtig 
sdion  gerathen  wäre,  eme' Darstelhmg  der  Qesohichte  der 
Prosadic^tung  in  allen  Literaturen,  welche  sich  auf  der  Höhe 
der  gegenwäiiigen  Wissenschaft  hielte,  zu  unternehmen,  möchte 
ich  mindestens  stark  bezweifeln,  und  zwar  gmde  aogeelGhts 
solcher  Werke  wie  Benfeys  Pantschatontra,  deren  es  eben  noch 
viel  mehr  geben  müszte,  ehe  man  an  so  etwas  denken  könnte, 
und  auch  angesichts  der  nicht  zu  leugnenden  Thatsache,  dasz 
der  Boman  und  seine  Nebengattnngen,  so  zu  sagen,  die  am 
meisten  internationalen  Diohtungsarten  sind,  deren  B^ndlung 
innerhalb  einer  bestimmten  Nationalliteratur  ein  sehr  tiefes 
Eingehen  in  gleichzeitige  und  frühere  anderer  Völker  nöthig 
macht,  eine  Thatsaehe,  die  grade  in  Bezug  auf  die  deutsche 
Dichtung  sehr  deutlich  zu  Tage  tritt.  Was  man  an  dem 
Tone,  in  welchem  Dunlop  von  seinem  Gegenstande  zu  reden 
für  gut  befunden,  zu  tadeln  gehabt  hat,  nämlich  den  Mangel 
an  Emst,  den  stark  subjectiTen  Humor  und  das  fiut  naive 
Herrortreten  modemer  Ansichten,  möchte  ich  denn  doch  nicht 


I)  Das  Wort  darf  als  passendste  tTebersetning  des  ^eflieh  bes« 
seren  Ihgliseken  „fietion**  nimmehr  als  eingebürgert  angesehen  werden. 


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—   21  — 


ak  entBebiedene  und  stOrende  Felder  betraditen,  ja  ich  würde 

ed  in  der  That  ungern  missen  wollen.  Dunlop  wird  durch 
aeine  eigenthümlklid  Schreibart  nie  unklar  oder  etwa  pai-teiiscb 
mid  wixUich  ungerecht,  saue  Snlijeetivitilt  tiftgt  giade  nicht 
wenig  dam  bei,  die  Verschiedenholt  der  AnschannngsweiBe 
▼ergangener  Zeiten  von  der  der  neueren  Zeit  scliarf  zu  bo- 
tonchten,  and  was  seine  homonstifiche  Ader  anbelangt,  so 
hftDgt  sie  ndt  der  heitoen,  gehiseenen  und  geistvollen  An- 
sduranngsweise  Dunlops  zusammen «  welche  einen  Hanptreiz 

* 

des  vortrefflichen  Buches  bildet. 

Was  ich  f&r  den  Zweck  meines  vorliegenden  Versuchs 
Yon  den  Meiaiuigen  Dnnlops  zu  modifidren  nOthig  einchte, 
soll  im  folgenden  Capitel  berflhrt  werden,  weshalb  ich  jetst 
Aof  die  Arbeiten  deutscher  Theoretiker  übergehe. 

Wer  von  den  theoretischen  Schiiflen  Aber  Poesie,  die  seit 
Opitam»  Auftraten  toh  semen  Jttngem  und  Nachfolgeni  im 
siebzehnten  Jahrhundert  bis  ins  achtzehnte  um  das  Auftreten 
Gottscheds  hin  veifaszt  wurden,  eine  einigermaszen  richtige 
YoisteUung  hat,  wird  von  voniherem  nicht  erwarten,  in  ihnen 
etwas  Erbebliehes,  das  hierher  gehörte,  zu  finden.  Finden  wur 
doch  auch  bei  Gottsched  und  den  Schweizern  wenig  genug 
Bemerkungen,  die  das  Wesen  der  Sache  bemhren,  meist  vom 
iDSurlichsten  Moralstandpunkte  ans  gelegentUch  voigebiadit, 
enl  1774  tritt  uns  ein  eigenes  Werk  über  den  Boman  ent» 
gegen.  Dennoch  erscheint  es  nicht  ungehörig,  hier  im  Gegen- 
sata  zu  den  fremdländischen  Werken  und  Theorien,  von  denen 
nur  das  Wichtigero  und  auch  fOr  die  deutsche  Literatur  Be- 
deutsamere yorgebraobt  wurde,  auf  die  Ansichten,  die  bei 
deutschen  Schriftstellern  über  unsere  Gattung  zu  Tage  treten, 
etwas  vollständiger  einzugehen. 

Freilich  smd  nach  Form  wie  nach  Inhalt  fisthetische 
Bemerkungen  wie  die  folgende,  die  von  Sigmund  von  Bir- 


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22  — 


kenO  henftammi,  wenig  befriedigend  nnd  reisen  nns  sehr  wenig 
an,  viel  dergldohen  m  eiüren  und  zn  lesen.  „Diese  Geschicht- 
gedichte", sagt  Birken,  „und  Gedichtgeschichten  vermählen 
den  Nutien  mit  der  Belustigung,  tragen  gQldene  Aepfel  in 
sübeinen  Schalen  auf  und  versflssen  die  bittere  Aloe  der  Wahr- 
heit mit  dem  Honig  der  angedichteten  Umstände.  Sie  sind 
Gärten,  in  welchen  auf  den  Geschichtstämmen  die  Früchte  der 
Staats-  und  Tugendlehren  mitten  unter  den  Blumenbeeten 
angenehmer  Gedichte  herfürwaehsen  und  zettigen.  Ja  sie  sind 
rechte  Hof-  und  Adelsschulen ,  die  das  Geniüthe,  den  Ver- 
stand und  die  Sitkn  recht  adelig  ausformen  und  schöne  Hof- 
reden in  den  Mund  legen."  Von  dieser  Art  sind  die  meisten 
Stellen,  in  denen  die  Aesthetiker'  der  Torgottchediscfaen  Zeit 
auf  die  Romane  zu  sprechen  kommen,  sie  verbreiten  sich  üIxt 
den  Zweck  imd  Nutzen  derselben*),  scli reiben  Schutzreden  für 
die  vielfiich  angefochtene  Gattung,  schlagen,  um  die  aus  der 
Lectare  der  gebrftuchlichsten  Romane  für  die  Jugend  und  das 
Frauenzimmer  entstehenden  Gefahren  zu  beseitigen,  Verbesse- 
rungen und  Aenderungen  vor,  und  was  dergleichen  mehr  ist, 
wobei  Ton  einer  Theorie  der  Gattung  natfirlich  gar  keine  Bede 
ist.  Derart  shid  aneh  die  ▼ielfech  und  in  grosser  Breite  in 
Vorreden  und  Zueignungsschriften  vor  üebersetzungen  und 
originalen  Arbeiten  auftretenden  Bemerkungoi,  von  denen 
einige  wdter  unten  bei  der  Besprechung  der  wichtigen  Erzeug- 
nisse der  Romanliteratur  jener  Zeit  werden  herangezogen  werden. 
Hier  nm*  das  Wenige,  was  sich  etwa  über  die  Gattung  im 
AUgemdnen  findet   Morhof,  der  Huets  Schrift  erwfthnt,  sagt 


*)  Vor-Ausprache  zur  Aramene  Seite  IV  f. 

')  Vgl.  Heldenge8chichte  der  durchlauchtigsten  Hebräerinnen 
Jiaka,  Rebekka  n.  s.  w.  Leipzig  und  Lüneburg  1637  (von  Joachim 
Meier)  in  der  Vorrede}  und, Thoiu»siU8,  Monatsgespr&che  1688,  I,  44  if. 


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—   23  — 

in  deinem  Unterricht  der  deutschen  Sprache  (Ausgabe  LObfck 
und  Frankf.  1700.) 

^Es  ist  eine  andere  Art  der  Gedichte,  aber  in  ungebun- 
dener Kede,  welche  dennoch  mit  gutem  Fug  Helden-Gedichte 
genannt  werden  können.  Denn  sie  sind  von  den  andern  nicht 
vntersdiieden,  als  nnr  bloss  an  dem  meiaro.  Es  hat  aber  Ari- 
sto teles  zugegeben,  dasz  auch  ein  Poema  ohne  Metro  seyn 
könne.  Solche  sind  die  so  genannten  Bomainen,  von  deren 
üiapronge  TielerU^  Memnimen  smd.  Smige  schreibea  sie  den 
Arabern  zu,  etliche  den  Spaniern,  andere  den  Franzosen. 
Huetius  hat  eine  gelehrte  Dissertation  von  ihrem  ürspmnge 
in  Französischer  Sprache  geschrieben.  Dieser  brioget  ihre 
Erfindung  anff  die  Moigenlftnder,  Aegyptier,  Syrer,  Araber, 
Perser,  von  welchen  sie  auff  die  Griechen  und  Römer  gekom- 
men, bey  denen  man  unterschiedliche  solche  Poetische  Schrif- 
ten hat  Dasz  bety  den  alten  Nordländern  dergleichen  6e- 
didite  gewesen,  geben  die  Fabeln  an  den  Tag,  die  man  in 
der  Edda  noch  findet.  Ja,  wenn  man  des  Herrn  Kudbecks 
Meinungen  annehmen  sollte,  dürfl'te  wohl  die  ganze  Mythologia 
der  Griechen  davon  entstanden  seyn,  dass  also  dieselben  nicht 
von  Oaioli  M.  Zeiten  nnr  hör  zn  holen,  wie  Hnetins  meinet^ 
Morhof  scheint  hier  nur  zu  zeigen,  dasz  er  die  ganze  Sache 
sehr  wenig  scharf  au^efaszt  uud  Huets  trefüiche  einleitende 
£rOrtemngen  kanm  verstanden  hat  Weiter  unten  sagt  er 
noch:  ,J.n  Tentschland  hat  man  sich  erstlich  nnr,  mit  den 
üebirsetzungen  der  frembden  Romainen,  vergnüget.  Jetzo  aber 
hat  man  auch  einige  gute  sinmeiche  Wercke,  aus  eigener  Er- 
findung, hervorgebracht,  als,  den  Teutschen  Herenlee,  nnd 
Herculiscus,  die  Aramena,  die  Octavia,  welche  den  Anszländem 
nichts  nachgeben,  deren  Autores,  wie  wohl  man  sie  sonsten 
wohl  kennet,  noch  zur  Zeit  sich  selbst  nicht  haben  nennen 
wollen.  Man  könnte  auch  allhier  die  Frage  erörtern,  ob  solche 


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1 


—   24  — 

BOd^er  einen  Nntun  haben,  und  lesens  wfirdig  sind.  Worin- 
nen  die  ürtheile  nntereehiedUch  sind.  Idi  wollte  sie  so  gar 

sehr  nicht  tadeln,  wenn  nur  Masse  darinnen  gehalten  wird. 
Gleich  wie  eine  Comedie  nicht  allein  ergötzet,  sondera  auch 
.  viel  nfttelioheB  und  lehnreictiee  in  sieh  hat,  so  kennen  aa<di 
diese  Romainen  ein  gleiches  tinin.  Man  saget,  dass  Hngo 
Grotins  ein  sonderlicher  Liebhaber  derselben  gewesen,  und 
dei'en  keine  angelesen  gelassen." 

£in  eigenes  Oi^itel  über  onsere  Gattung  findet  sieh  in 
der  MVollstitaidigen  Dentschen  Poesie**  Ton  M .  CSnristiaii  Bofetti, 
Conrector  des  Gymnasiums  zu  Halle  (Leipz.  1G88). 

„YiHi  den  fiomainen*)  oder  Liebesgedichten"*  meint  der 
Yerftsser:  ^Was  die  Franzosen  und  wir  mit  ihnen  insgemein 
Romake  nennen,  kennen  ihres  Lihalts  nnd  ihr«r  Hanpt-Materie 
wegen  gar  füglich  Liebes-Gedichte  genannt  werden.  Dieselben 
sind  nun  in  keinem  Dinge  ?on  vorliergehenden  Helden-Gedichten 
(diese  sind  im  TOibeigehenden  Ga^tel  sehr  ansfUhiüch  be- 
sprochen) unterschieden ,  als  alleine  in  dem  Inhalt  oder  der 
Materie  und  dann  in  dem  Stylo.  Denn  was  die  Materie  der 
Romaine  anlanget,  so  mnsz,  wie  in  dem  Helden-Gedichte  einw 
vomelnaen  Heldens-That  sa  eneehlen  Torgenommen  wnrde,  in 
den  Romainen  eine  Liebes-Qeschichte  sn  ersten  Torgenommen 
werden.  Und  zwar,  weil  dieselbe  Ei-zehlnng  eben  den  End- 
Zwed£  hab«i  mnsz,  den  die  erzehlung  eines  Helden -G^ehta 
hat,  nemlieh  die  Erwednmg  der  Liebe  znr  wahren  Tugend,  so 
musz  dieselbe  nicht  tadelhafftig  seyn,  mnsz  aoch  endlich  dnen 
glücklichen  Ausgang  gewonnen  haben.  Im  Uehrigen  aber  ist 
nicht  eben,  wie  in  dnem  Helden-Gedichte,  gar  zu  nOthig,  dasz 


1)  Wie  Morhef  und  Botth  auf  diese  bei  den  Franzosen  selbsk^ 
wie  ei  seheiiit,  nebekaiiBte  Foim  des  Wortes  kommen,  weiss  ich  nicht 
BO  sagen. 


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—  26  — 

'  die  liebenden  Pereonen,  Ten  welchen  die  Gedielite  entlehnet, 

vornehm  oder  bekannt  seyn  müssen.  Denn  auch  mittelmfiszige, 
docb  erlNuna,  Penonen;  auch  gar  onbekaote  und  erdichtete  ihre 
Liebe^-Gesohiehte  m  einer  Materie  dieser  Qediohte  berleiben 
können.  Wie  wohl  nicht  zu  Iftngnen,  dasz  vornehmer  nnd 
bekannter  Lenthe  Liebes-Geschichte  vielleicht  auch  in  dieser 
Art  Gediohte  den  Vomg  dfliflten  behalten.''  Wenn  der  Ver» 
iluser  verlangt,  der  Boman  solle  sieh,  was  Anordnung  nnd  Ana- 
schmücknng  betreffe,  an  die  Kegeln  des  Heldengedichts  halten, 
so  bemerkt  er  docli,  dasz  die  „meisten  ßoman-Schreiber  mit 
Uebergehnng  dea  £zordinm,  der  Invocatio  nnd  Dedieatio  ei 
abrupto  anfangen.  Der  Si^lns  habe  bisher  in  ungebnndener 
Rede  allein  bestanden,  doch  halte  er  davor,  „dasz  auch  wohl 
in  gebundenen  Beden  dergleichen  Liebes-Geschichte  nicht  un- 
ittglieh  konnte  Torgest^t  werden.*'  Der  Ton  der  iMe  kann 
ehi  weniger  hoher  als  in  den  Heldengediehten  s^,  der  Dichter 
soll  selbst  wenig  roden,  die  Personen  dagegen  selbst,  jede  ihrem 
Stande  gemäsz,  reden  lassen.  „Dieses  nun  zum  Voraus  gesetzt, 
louin  dne  (sol)  Bomaine  etwan  anf  folgende  Art  besduieben 
werden,  dasz  es  ein  solches  Gedichte  sey,  in  welchem  ein  sinn^ 
reicher  Kopff  eine  feine  anmuthige  und  lobwürdige  Liebes- 
Geschiohte,  sie  mfj  nmi  warhaffkig  geschehen  oder  nor  erdichtet, 
mit  allerhand  annrattdgen  Brfindnngen  (Episodüs)  m  Yoll- 
kommenlieit  zu  bringen  und  aulT  Poetische  Manier  in  anstan- 
diger Ordnung  vorzutragen  trachtet,  zu  dem  Ende,  dasz  &t 
durch  Anlasz  dieeer  anmnthigen  Gesehiohte  etwas  nfttatiehes 
lehre  und  liebe  enr  Tagend  erwecke.**  Fflr  die  stndhmide 
Jugend  hält  Rotth  die  Romane  eben  nicht  für  sehr  nützlich, 
obwohl  der  Auetor  des  Hercules  und  Herculiscos  mit  seinen 
Sehriften  die  Gotteeftucht  «einaablauen**  suche.  Schlieszlich 
weist  er  anf  Hneta  Schrift  hin,  von  der  em  recht  ausführlicher 
Auszug  beigegeben  ist.   Doch  hat  nicht  Rotth  das  Verdienst, 


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den  Torireffliehen  discoiira  in  Deutschland  bdouint  gemacht  sa 
haben,  sondern  Happel,  der  ihn  seinem  ^Insidamscfaen  Man- 

dorell"  beigegeben  hatte,  woraus  ihn  Rotth  entnahm.  Die 
Erörterungen  des  wackeren  Conroctors  sind  allerdings  von 
keiner  besonderen  Wichtigkeit,  können  aber  dennoch  als  der 
Anfiuig  der  Theorie  des  Bomans  in  Deutschland  hier  ihren 
Platz  beanspruchen,  übrigen.s  beweisen  auch  sie  das  damals 
allgemeine  Schwanken  des  Geschmacks  und  Urtbeils,  das  bei 
unserer  Gattung,  ans  der  dem  Theoretiker  wenig  oder  gar 
keine  massgebenden  Muster  vorlagen,  und  die  trots  der  Pro- 
ductivität  der  Zeit  für  sie  noch  in  einem  unreifen  Entwicke- 
lungsstadium  war,  durchaus  nichts  Befremdendes  hat  Nicht 
Tergessen  dacf  auch  werden,  wenn  man  sieh  die  geringe 
Beachtung  der  Gattung  sdtens  der  Theoretiker  erkUren  will, 
dasz  man  überliaupt  den  Roman  iur  noch  nicht  recht  hoffUhig 
auf  dem  Pamass  erachtete,  ihn  noch  kaum  für  eine  Gattung 
der  Literatur  ansah,  deren  Inhalt  und  Form  wie  bei  den  an- 
deren Gattung«!  Gegenstand  von  Kunstregeln  und  eingdienden 
Erörterungen  in  Bücliern  über  Poetik  sein  könnte. 

Mit  der  Theorie  des  Bomans  in  Deutschland  sind  wir  nun- 
mehr schon  fertig,  soweit  sie  in  diese  erste  Abtheilung  des  yoi> 
liegenden  Versuches  gehört.  Denn  diese  Abtheilung  soll  die  Ge- 
schichte der  Gattung  und  ihrer  Nebengattungen  nur  bis  in  die 
ersten  Jahnehnte  des  XYUL  Jahrhunderts  fiUuren.  Die  hier  dai^ 
austeilende  Entwickelung  wird  noch  deutlicher  machen,  w<nanf 
schon  hingewiesen  ist,  dasz  nämlich  durch  den  Zustand  der 
Gattung  selber  das  last  gänzliche  Fehlen  einer  Theorie  der- 
selben m  unserer  Idteratur  wShrend  des  bezeichneten  Zeitraumes 
hinreichend  begrfindet  ist 

Es  hleil)en  mir  hier  nur  nocli  einige  Hülfsmittcl  zu  er- 
wähnen übrig,  welche  sich  vorzugsweise  oder  nebenbei  auf 
den  Inbfdt  dieser  Abtheilung  beziehen.  ZunAchst  ist  zu  sagen. 


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—   27  — 

dasz  0.  L.  B.  Wolff  in  seiner  » Allgemeinen  Oeecbichte  des 

Romans  von  dessen  Ursprung  bis  zur  neuesten  Zeit".  (Zweite 
venndurie  Auflage,  Jena  1850),  die  hier  zu  besprechenden 
Erscheinnngen  anck  in  den  Kreis  seiner  Betraditnng  geiogen 
hat.  Der  geringe  Umfang  (728  Seiten  H.  8<*.)  dieses  gut  ge- 
sclihebenen  populären  Werkes  im  Verhältnisz  zu  seinem  über- 
aus nmfiuigielehen  Gegenstände  macht  erklftrlicfa,  dasz  es  hier 
nidit  weiter  in  Betracht  kommen  kann.  Bs  kann  m  einer 
Einführung  fUr  den  mit  der  Sache  noch  ganz  Unbekannten 
dienen,  doch  dürfte  auch  zu  diesem  Zwecke  Dunlop  fUr  den 
wissenschaftlich  gebildeten  Leser  bei  weitem  yorznsiehen  sein. 

Wichtiger  Ar  die  Geschichte  des  Romans  Im  XY.,  XYL 
und  XVII.  Jahrhundert  sind  folgende  Sammelwerke: 

1.  Volksbücher.  Herausgegeben  von  G.  0.  Marbach. 
Leipzig.  Wigand.  1838  ff.   86  Nnrnmem.  8». 

2.  Die  deutsehen  Yolksbfleiier.  Gesammelt  und  in  ihrer 
ursprünglichen  Echtheit  wiederhergestellt  von  Karl 
Simrock.   Frankf.  a.  M.  1845  ff.    13  Bde.  8^ 

Marbach  mid  Simrock  geben  den  ToUstftndigen  Text  der 
von  ihnen  aufgenommenen  BQcher,  jedoch  ftr  das  jetzige  Lese- 
publicum  und  daher  gereinigt  und  modeniifiirt.  Auszüge, 
literarische  und  ästhetische  ErOrtemngen  giebt: 

3.  Die  teutschen  Yolksbflcher.  Nähere  Würdigung  der 
schönen  Historien-,  Wetter-  und  Arznevlnichlein,  welche 
theils  innerer  Werth,  theils  Zufall,  Julirhunderte  hin- 
durch bis  auf  unsere  Zeit  erhalten  hat  Von  J.  G^^rres, 
Professor  der  Physik  an  der  Secondärschnle  zn  Ooblenz. 
Heidelberg  1807.    1  Bd. 

Umfassendere,  aber  mit  groszer  Vorsicht  zu  benutzende 
Samminngen  sind: 

4.  Bibliothek  der  Romane.  II.  Auflage.  Riga  1782  ff. 
21  Bde.  8".  (abgek.  B.) 


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—   28  — 

5.  Biblioihdqiie  amrerseUe      wauam.  Oumge  p6rio-  . 
dique  eet   Paris  1775  ff.  (abgek.  <L  B.) 

Für  die  bibliographische  Seite  des  Gegenstandes  liefern, 
abgesehen  Yon  den  aUgemeinen  derartigea  Hülfsmittelii,  das 
meiste  Material: 

6.  OtiindrisE  mr  Geschichte  der  dentsdien  Dichtung. 
Aas  den  Quellen  von  Karl  Goedeke.  Hannover  (später 
Dresden)  MDOCCLIK  ff. 

Ich  habe  aosaerkenneiif  dasz  ohae  Goedekes  Vorarbeiteii« 
insonderheit  das  eben  angefahrte  Werk,  ich  nicht  an  die  LOsong 
meiner  Aufgabe  hätte  gehen  mögen.  / 

7.  Anoalen  der  Poetischen  National-Literatur  der  Deut- 
schen im  XYI.  nnd  XYII.  Jahihnndort  Nach  den 
Quellen  beari>eitet  von  Emü  Weller.  Freiburg  im 
Breisgau  1862—64.    2  Bde.  8°. 

8.  Deutscher  Bücherschats  des  sechssehnten,  sieben« 
sehnten  nnd  achtiehnteii  bis  um  die  Mitte  des  neoiH 
zehnten  Jahrhunderts.  Gesammelt  und  mit  biblio- 
graphischen Erläuterungen  herausgegeben  von  Wendelia 

'    T<m  Maltsahn.  Jena  187d.   1  Bd.  8». 
Alle  fibrigen  Bfleher  nnd  Schriften  mdgen  an  den  einseinen 
Stellen  erwähnt  werden. 


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Zweites  Capltel. 


Ai]gMaMMtiA0  Sntstebuig  der  Frosadiohtoiig 

in  den  enropäisohen  Litoratoen. 

Wir  Deutschen  haben  mehr  als  eine  Ursache,  in  der  An- 
erkennung dessen,  was  unsere  sich  selbst  seit  alten  Zeiten 
mehr  als  mr  GenQge  mit  Anerkennung  bedenkenden  westlichen 
Nachbarn  geleistei,  etwas  TOisichiäg  zn  sdn.  Dennoch  werden 
wir,  wie  sich  im  Verlaufe  unserer  Untersuchung  bald  zeigen 
wird,  dem  gelelu'ten  Huet  darin  Becht  geben  müssen,  dasz 
die  Franzosen  um  die  Entstehnng  nnseier  Gattang  die  meisten 
Verdienste  nnter  aOen  Völkern  Emopas  haben.  Hier  ist  zu- 
nächst zu  sagen,  dasz  wir  ihnen  den  Namen  derselben  ver- 
danken. Das  französiche  Wort  Homan  bezeichnete  ursprünglich 
die  romanische  Sprache,  welche  in  QaUien  als  Tochtersprache 
der  Lateinischen  sich  bildete,  ganz  so  wie  das  spanische  Wort 
Bomance  die  spanische  Sprache  selber  im  Gegensatz  zur  latei- 
nischen bedeutet  0«  Demn&chst  wurde  der  firanzOsische  Boman 


>)  Noch  heute  sagt  der  Spanier  en  buen  romance,  wie  wir  die 
Redensart  ,,auf  gut  Deutsch"  gebrauchen,  und  hablar  en  romance  be- 
deutet sich  ohne  Umschweife  and  Unklarheit  aosdri^cken. 


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—   30  — 

zur  Bezeichnung  eines  in  der  gesprochenen  Sprache  zum  G^^'en- 
satz  dar  latoimschen  gesohriebenen  Baches  oder  Schriftstückes 
gebraucht*).  So  hiesz  le  Boman  de'  la  Bible  eine  üebertragung 
der  Bibel  in  die  altfranzösische  Sprache,  ein  französischer  Bibel- 
text. Der  Begriff  verengerte  sich  sehr  bald  durch  den  Umstand, 
dasz  die  bei  weitem  meisten  in  Versen  sowohl  wie  in  Prosa 
geschriebenen  Bflcher,  deren  Yerfiisser  sich  der  gesprochenen 
Sprache  bedienten,  zur  poetischen  oder  Unterhaltungsliteratur 
gehörten.  Zunächst  allerdings  unterschiedslos  iur  prosaische 
nnd  yersificirte  Erzeugnisse  gebraucht,  bezeichnete  das  Wort 
Roman  doch  schon  im  ausgehenden  Mittelalter  yorzugswdsc 
erzählende  Dichtungen  in  Prosa,  mit  Anfang  der  neueren  Zeit 
steht  die  Bedeutung  desselben  im  Qaozen  durchaus  für  letztere 
fest  und  ist  somit  zu  derjenigen  Bestimmtheit  gelangti  die  es 
noch  gegenwärtig  besitzt.  Wie  sich  mit  der  Bedeutung  des  so 
allgemeinen  Wortes  die  Sache  selbst  ausbildete,  dies  erfordert 
ein  näheres  Eingehen  auf  dieselbe« 

Was  die  Sache  anbelangt,  so  findet  sie  Huet  und  nach 


1)  Vgl.  Pasquier.  B«du  de  U  Frsnce.  L.  d.  eh.  1.  ,J!t  oomnunit 
ftiiwi  goit,  qae  le  Beaua  fttt  le  laagage  Conrtisaii  de  France,  tont  eenz, 
qui  8*a]iioeoieiit  d^'esenre  les  fldti  B^iques  de  noe  Gheraliers,  preiniere- 
ment  en  Vers,  pnii  en  Froee,  appeU^rent  lenn  oenvres  Bomaiu.  Von 
den  lehr  ishlreidieii  SteUen,  welche  wie  die  TOietehende  Belege  fttr 
die  riehtige  Ableitnog  geben,  will  ich  weiter  keine  anfuhren,  wogegen 
eis  CnrioM  erwShnt  werden  mOgen,  dase  naeh  Hnet  der  Yon  ihm  öfter 
angesogene  Gintldi  den  Namen  nneerer  Qattong  auf  das  griechische 
Wort  pAfisq  suttekfUurte  Mpsvce  qne  ces  liTres  ne  sont  flut  qae  ponr 
vaater  la  foice  et  la  ▼alenr  des  paladins,  nnd  die  noch  abentenerliehere 
Memnng,  deren  Korhof  in  dem  schon  im  Torigen  Kap.  erwähnten 
Unterricht  Ton  der  Teutschen  Sprache  (Lttb.  nnd  Frankf.  1700  S.  6  27) 
mit  den  Worten  gedenkt:  „Ist  also  die  Meinung  de»  Claudii  Verdien 
falsch,  der  in  seiner  Censione  Antornm  pag.  43,  meinet»  es  sey  der 
Nähme  Roman  per  metathesin  von  dem  Worte  Norman  entstanden, 
weil  sie  in  der  Sprache  erst  geschrieben.** 


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—  81  — 

ihm  Danlop,  der  in  Besag  auf  den  antiken  Boman  jenem 
darehans  folgt,  schon  bei  den  Alten.   Dieser  Punkt  ist  es, 

deu  wir  zunächst  ins  Auge  zu  fassen  haben,  um  zu  einer 
richtigen  und  klaren  AufEassung  der  Stellang  zu  gelangen^ 
weidie  der  Boman  in  der  gesammten  modernen  Literatar  ein> 
nimmt 

Bei  Huet  wie  bei  Dunlop  erscheint  die  Sache  so,  als 
böien  ans  die  grieckische  und  lateinische  literatiir  die  Qattong 

Bomans  im  Grossen  nnd  Gänsen  in  Shnlidier  Wdse  als 
einen  Zweig  der  antiken  Poesie  dar,  wie  wir  den  Boman  dann 
in  der  französischen,  englisciien  und  deutsclien  Literatur  seine 
Stelle  emnehmen  sehen,  als  h&tten  die  Griechen  nnd  Börner 
neben  der  Gaitong  des  Epos,  der  Tragödie  nnd  anderen  eben 
auch  ilie  Gattung  des  Romans,  so  wie  oder  doch  beinahe  so 
wie  bei  uns  neben  dem  Drama  der  Boman  mit  Becht  als  die 
xweite  Hanptgattnng  der  Dichtnng  genannt  wird.  Diese  Dar- 
stellung nnn  kann  nicht  gelten  gelassen  werden,  wenn  wir  die 
Bedeutung  unsenT  Gattung  im  Gesamratorganismus  unserer 
modernen  Literaturen  richtig  erkennen  wollen;  sie  beruht  auf 
einer  Verkamnng  der  durchgreifenden  Unterschiede  swischen 
der  Idteratnr  der  beiden  antiken  Völker  nnd  der  modernen, 
sowohl  was  ihr  Wesen,  als  was  ihre  äuszeren  Bedingungen 
und  ihren  Zusammenhang  mit  der  ganzen  Cultur  der  beiden 
Teischiedenen  Zeitalter  betrifft. 

Wir  würden  fireüich  viel  sn  wdt  gehen,  wenn  wir  die 
Anwendung  des  Wortes  Roman  zur  Bezeichnung  derjenigen 
griechischen  nnd  lateinischen  Presadichtungen,  die  wir  mit 
jeaem  sn  belegen  gewohnt  sind,  als  nngebörig  nussbilBgen 
wollten.  Dessenungeachtet  mnsz  die  Existenz  einer  Boman- 
literatur  als  Gattung  und  in  dem  Sinne,  wie  wir  von  der  Ro- 
maoliteratnr  der  modernen  Völker  reden,  in  Bezng  auf  die 
Qiiechen  nnd  Bömer  in  Abrede  gestellt  werden.  Die  Alten 


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—  32  — 

hatten  allerdings  Bomane,  aber  in  ihren  literatoren  fehlt  die 
Qattong  des  Bonums.  leh  Tennicihe  diese  Behauptung  im  Fol- 

genden  zu  begründen,  und  zugleich  näher  zu  erklären,  in 
welchem  Sinne  ich  sie  aufgefaszt  wissen  will. 

Man  kiSnnte  davon  absehen,  dasz  im  Alterthune  ein 
Qesammtname  fttr  Dichtongen  der  in  Bede  stehenden  Art 
fehlt,  wenn  damit  nicht  zusammenhinge,  dasz  diese  Schriften 
nirgend  bei  giiechischen  oder  lateinischen  Schriftstellern  in 
theoretischen  oder  kritischen  Bespreehnngen  oder  anch  nnr  in 
gelegentlichen  Erwfthnnngen  als  eine  Gattung  genannt  Jind 
durch  ihre  Merkmale  von  anderen  unterschieden  werden, 
während  doch  sonst  das  gelehrte  und  gebildete  Alterthum  in 
literarischen  Dingen  mit  Terminologie  nnd  Definitionen  sehr 
freigebig  ist.  Natfirlich  mnsz  man  dch  dnrch  das  Vorkommen 
von  Ausdrücken  wie  fabulae  Milesiae  nicht  tauschen  lassen, 
da  diese  weder  die  ganze  Gattung  umfassen,  noch  den  um- 
ihscten  Theil  irgend  wie  scharf  nach  einem  kfinstlerisdien 
Qattungsmerkmale  beB^chnen. 

Vielmehr  weist  grade  dieser  Ausdruck  auf  eine  Thatsache 
hin,  die  uns  völlig  feststeht,  von  der  aber  auch  das  Altertbum 
em  mehr  oder  minder  Uares  Bewnsztsein  gehabt  zu  haben 
scheint,  dasz  n&nüicb  diese  Art  C^chichten  in  die  griechische 
Literatur  von  Halborientalen  eingeführt  wurde  und  nicht  auf 
rein  griechischem  oder  römischem  Boden  gewachsen  war')- 

Man  könnte  andh  davon  absehen,  dass  die  nnzweifelhaften 
Beweise  fftr  die  geringe  Achtung  vorhanden  sind,  in  der  die 
antiken  Romane  bei  den  Alten  selbst  standen,  wenn  nicht  die 
Thatsache  vorlftge,  dasz  sie  diese  Geringsch&tznng  anch  wirklich 
verdienten,  den  Massstab,  den  das  griechische  nnd  römische 
Alterthum  anzulegen  gewöhnt  uud  befähigt  war,  vorausgesetzt. 


>)  Vgl  8.  7. 


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—  38  — 


Sie  gehören  Zeiten  an,  welche  von  den  daesischen  Epochen 
der  griechisdien  und  rSmisdien  Literatnr  weit  ablagen,  nnd 

tragen  nach  Inlialt  und  Form  den  Charakter  ihrer  Zeit  deut- 
lich an  sicL  Zorn  Theil  sind  sie  ja,  die  Zeiten,  in  denen 
sich  die  geeammte  antike  Cnltnr  zersetzte,  abspiegelnd,  seihet 
ZerBetEungsprodncte  der  hOheron  Ennstorganismen  besserer 
Zeiten  und  versuchen  es,  den  Geist  und  die  künstlerischen 
Motive  derselben  fBa  Epochen  zug&nglich  zn  machen,  denen 
Empfitaiglichkeit  einerseits  nnd  Darstellnngsmittel  andererseits 
för  sie  fehlten.  Derart  erscheint  grade  das  Yerbftltmsz  der 
besseren  wie  des  Werkes  Heliodors  zu  den  gro^izen  Kunst- 
werken, an  die  sie  sich  deutlich  going  anzulehnen  versuchen. 
Das  Entstellen  Ton  Zersetznngs-  nnd  AuflOsungsproducten  ans 
Kunstwerken  höherer  Art  werden  wir  freilich  auch  in  der 
Entwickelung  des  modernen  Romans  als  ein  bedeutsames  Mo- 
ment erblicken,  aber  hier  wird  uns  die  beim  antiken  Boman 
l^tazlich  föhlende  Thatsache  entgegen  treten,  dasz  die  Zer- 
setzung die  Grundlage  einer  Neubildung  wird.  Das  Alter- 
thum dachte  darüber  nicht  nach  und  stellte  darüber  keine  ^ 
Regeln  auf,  wie  der  Boman  beschälten  sein  nnd  hergestellt  werden 
müsse,  w^l  ihm  die  yoiiiandenen  Bomane.  inemals  als  etwas 
Beachtenswerthes  erschienen,  noch  erscheinen  konnten.  Der- 
gleichen kann  erst  eintreten,  wenn  in  einer  noch  neuen  Gattung 
.Werke  zum  Vorschein  kommen,  die  sich  durch  ihren  augen- 
ftnigen  Werth  nicht  nur  dem  Inhalt,  sondern  auch  der  Form 
nach,  bemerklich  maclien  und  der  Theorie  als  Grundlage  für 
die  Abstraction  ihrer  Begeln,  der  dichterischen  Production  als 
Muster  zn  dienen  geeignet  sind.  Das  Fehlen  dnes  solchen 
Kanons  macht  sich  auch  in  den  griechischen  und  römischen 
Komanen  selbst  kenntlich,  welche  von  allen  Dichtungen  des 
Alterthums  das  grOszte  Schwanken  in  allen  formellen  Bezie* 
hungen  aufweisen.  Man  sieht  deutlich,  es  steht  nichts  fest, 

8 


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weder  fiber  Architektoiuk,  noch  Aber  die  Daraiellnng  im  Ein- 
zelnen, Stil  und  Sprache  sind  verschieden  und  schwankend, 
l>ald  rhetorisdi  bis  zum  Schwulst,  bald  gesucht  einfach,  bald 
unregebnftszig  nnd  ausschweifend,  bald  schlidit,  ja  sdbst 
zwischen  Yen  nnd  Prosa  wechselt  bei  einem  der  bedentendsien 
Vertreter,  Petronius,  die  Darstellungs weise,  oft  sieht  man,  dasz 
sich  der  Verfasser  grade  der  ihm  wohl  bewaszten  ünfertigkeit 
der  Gattnngsfonn  bedient,  nm  seine  Laune  znr  Geltung  sn 
bringen  und  eine  satura  im  strengeren  ursprünglichen  Sinne 
des  Wortes  zu  geben. 

Alles  dies  hatte  in  dem  Gesammtzustande  der  antiken  Cnltor 
und  Sitte  seine  Gründe.  Es  ist  Ifingst  nachgewiesen,  dasz  das 
Alterthum  von  einer  Buchdichtung,  wie  sie  die  neueren  Lite- 
raturen kennen,  streng  genommen,  niclits  weisz,  das  heiszt  von 
einer  poetischen  Literatur,  die  nnr  zum  Lesen,  nicht  znm 
mündlichen,  dramatischen  oder  G(esangs?ortrage  bestimmt  ge- 
wesen wäre.  Selbst  in  den  Zeiten,  wo  die  Venrielföltigung 
literarischer  Ei-zeugniäse  eine  so  ausgebildete  war,  dasz  sie  mit 
der  durch  den  Buchdruck  yerglichen  werden  kann,  qiielte  das 
Yorlesra  eine  so  henrorragende  Bolle,  dasz  dadurch  der  gebil- 
deten, an  ünterhaltungslectüre  Geschmack  hndendcn  Gesell- 
schaft das  Selbstlesen  ersetzt  wurde.  Dabei  ist  nicht  zu  ver^ 
gessen,  dasz  sich  die  so  hoch  entwickelte  Bücher?ervielfitltigung 
nur  in  einer  ferhtitniszmftszig  kurzen  Periode  der  antiken 
Oulturentwickelung  findet,  und  sich  andererseits  das  Be- 
dür&isz  nach  literarischer  Unterhaltung  vielmehr  als  bei 
nns  auf  die  Gebildeten,  die  meist  in  den  groszen  Stildten 
lebten,  beschränkte,  wo  also  der  Genusz  von  Dichtungen 
durch  Vorlesen  immer  leicht  und  in  gcwisz  meist  recht 
vollkommener  Weise  zu  eneichen  war.  Hie  und  da  mögen 
sich  Zustände  gefunden  haben,  welche  Ansnahmen  bildeten, 
diese  sind  aber  gewisz  immer  nur  als  Ausnahmen  zu  be» 


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—  85  — 

tnebten,  welohe  die  Mtnng  der  aUgemänen  Begel  nieht 

aufheben. 

Der  Zweck  meiner  Arbeit  fordert,  dasz  ich  mich  hier  auf 
die  Yontehend  gegebenoi  aUgemeineii  Bemerkmigeii  beBchrftoke 
und  mm  zam  Mittelalter  Qbergehe.  ffi«r  Iftszt  sich  leicht 
erkennen,  dasz,  wenn  wir  an  das  zuletzt  Gesagte  anknüpfen, 
die  Sache  Ähnlich,  nur  noch  viel  entschiedener  und  deutlicher 
liegt,  einer  tob  den  aehr  wenigen  EftUen,  wo  im  Mittehilter 
etwas  klarer  ist  als  im  AUerthume.  Wenn  es  feststeht,  dasz 
im  Alterthume  ünterhaltungslectüre  wenig  von  Einzelnen  laut- 
los Ar  sich  gelesen  wurde,  so  ist  klar,  dasz  dies  im  Mittel- 
alter bei  den  Stfioden,  deren  Pflege  die  Poesie  anbdmfiel, 
also  zumeist  beim  ßitterstande ,  mit  Dichtwerken  zur  Unter- 
haltung und  zum  Behufe  poetischen  Genusses  noch  weniger 
geschah,  so  wenig«  dasz  es  selbst  von  den  produdrenden  Dich- 
tern sidier  die  wenigsten  gethao  haben,  fiiUs  sie  nicht  Geist- 
liche oder  Mönche  waren.  Demgemäsz  ist  denn  in  den  Lite- 
raturen des  Mittelalters  kein  Platz  für  den  Eoman'),  im 
eqgenD  Sinne  natürlich,  das  heissti  wenn  man  ebm  die  hftfisdien 
nicht  als  Romane  bezeidmen  will,  wie  es  freilich  oft 
genug  geschieht.  Wo  man  —  denn  ein  bloszer  Wortstreit 
liegt  völlig  auszer  der  Absicht  —  damit  meint,  dasz  zwischen 
den  höfischen  Bpen  nnd  wurklichen  Bomanen  nur  ein  nnwesent- 
licber  Unterschied  sei,  da  verkennt  man  die  grosze  Elufk, 
welche  zwischen  einer  Dichtung  in  Versen  und  einer  in  Prosa, 
zwischen  Poesie  zum  Becitiren  und  Poesie  zum  lautlosen  Lesen 
liegt,  eine  Yerkennnng,  die  eben  deswegra  nicht  zn  dulden 


Was  als  Ausnahmen  anzuführen  ist,  das  werden  jjewisz  immer 
solche  bleiben.  Hierher  sind  die  schon  früh  in  dem  norinannisch-fran- 
zösisclicn  P^igl.'ind  entstandenen  groszen  chrdnikenartigen  Prosadich- 
tuiigon  zu  r<  (]iiien,  welche  bezeichnender  Weise  wieder  in  Verse  nni- 
geftrkeitet  wurden. 


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—  se- 


ist, weil  sie  einen  aus  der  Grundrerschiedenheit  aufeinander- 
folgender  Oaltnrepoehen  hervorgegangenen  Unterschied  hetrifit 
Man  verlasse  nnr  hier  ja  nicht  den  historisdien  Böden,  den 
der  Thatsachen!  Damit  ist  nichts  gethan,  dasz  man  sagt, 
jede  epische  Dichtung  sei  vonolesen  und  durch  das  lebendige 
Wort  geltend  zu  machen.  Denn  da  seit  dem  sechxehnten 
Jahrhundert  thatsächlich  die  bei  weitem  meisten  und  belieb* 
testen  erzählenden  Dichtungen,  das  heiszt  die  Prosaromane, 
nur  gelesen  und  nicht  vorgelesen  werden,  auch  unmöglich  ist, 
das  zu  ftndem,  so  smd  Ssthetische  pla  desideria  wie  das  otnge 
völlig  ins  Blaue  geredet. 

Die  Hauptgattung  der  mittelalterlichen  Poesien  aller  euro- 
päischen GulturvOlker  ist  die  epische  und  zwar  die  in  Yersen. 
Die  mittehilterlichen  Liteiaturen  zeigen  belninntlich  eine  groeze 
Manichfaltigkeit  der  Arten,  sowohl  in  Hinsicht  auf  den  Stoff 
und  das  Gebiet,  aus  dem  er  gezogen  würd,  als  in  Hinsicht  auf 
die  Ausdehnung  und  den  Umfang  der  Darstellung.  Gewaltige 
und  scharf  hervortretende  Abstftnde  sind  wahrzunehmen  zwisehen 
dem  Nibelungenliede  und  Tristan,  zwischen  diesen  gioszen  und 
umfangreichen  Kunstwerken  und  den  kleineren  Erzählungen, 
und  wie  verschieden  sind  wieder  noch  die  einzebien  StOcfce, 
die  uns  Hagens  Gesammtabenteuer  bieten,  unter  sich  und 
andererseits  von  altenglischen  und  schottischen  Balladen. 
Immer  aber  finden  wir  metrische  Darstellung,  soweit  wir  wirk- 
lich Dichtungen  vor  uns  haben,  welche  nach  Inhalt  und  Foim 
Ausdruck  der  mittelalterlichen  Gnltm*  nnd  Kunst  sind.  Die 
schon  während  des  späteren  Mittelalters  aul'tietendon  Prosa- 
erzähiungen  sind  bereits  Vorläufer  einer  anderen  Zeit  und  einer 
Gattung,  die  erst  nach  dem  völligen  Abschlusz  der  mittel- 
alterlichen Cultur  zum  Bewusztsein  über  sich  selbst  und 
dadurch  zu  fester  Form  und  Gestalt  gelangte.  Alles,  was 
wir  von  Proeaiomanen  noch  im  XIY,  und  XV.  Jahrhundert 


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—  37  — 

fmdeii,  amd  pimndsehe  Aiiflteimgoa  ftlierer  Tttreifidrtor  EpeD, 
(»der  sie  gehen  doch  wen^istens  auf  gleiche  Qnelto  mit  ihnen 

zurück.  Das  mittelalterliche  erzählende  Gedicht  ist  in  der 
Ihat  der  Aofiuigspiinkt,  von  dem  die  Geschichte  des  Bomans 
in  jeder  der  modernen  Idteratoen  ansnigehen  hai  Diesem 
Umstände  verdankt  unsere  Aufgabe  den  grade  dem  Kundigen 
wohl  nicht  gering  erscheinenden  Vortheil,  des  Eingehens  auf 
die  Theorie  der  Entstehung  dieser  Epen  überhoben  in  sein, 
dne  Liedertheorie  haben  wir  hier  an  keinem  Punkte  anfknstellen 
oder  zu  bestreiten,  wir  haben  es,  wenn  os  sich  um  die  Ent- 
stehung der  ältesten  Bomane  oder  richtiger  um  die  erste  Stufe 
dtf  Uebergaagsbildnngen  ans  den  mittelalterlichen  Epen  zum 
Boman  handelt,  nnr  mit  den  fertigen  nnd  vollstilndigen  Epen 
zu  thun.  Da  ich  nicht  die  Geschichte  des  modernen  Romans 
überhaupt  schreibe,  und  die  thatsächlichen  Einzelheiten,  welche 
Ineriieigehdren,  leicht  in  Dunlop  nnd  monographischen  Behand- 
hmgen  der  einseinen  Ersdieinungen  nachgesehen  werden  k(ynnen, 
mag  Folgendes,  wobei  ich  nur  das  mir  wichtiger  Erscheinende 
besonders  hervorhebe,  als  allgemeine  Entstehungstheorie  des 
Bomans  genl^.  Wird  ims  doch,  sobald  wir  die  YorgSnge 
m  der  dentsdien  Literatur  in  genauere  Betrachtung  ziehen 
Werden,  noch  genug  Gelegenheit  zu  besonderen  Bemerkungen 
gegeben  werden* 

Die  erste  Stofe  der  Uebergangsbüdnngen  Ton  dem  mittel- 
alterlichen Epos  zum  modernen,  d.  h.  durch  die  Culturverhält- 
nisse  der  Neuzeit  duichaus  bedingten  und  gestalteten  Bomane 
bilden  wie  gesagt  jene  Aofltenngen  mittelalterlicher  yersifidrter 
Spen.  Sie  sind  als  ZersetEungsprodncte  m  beieiehnen  hiiH 
siciitlich  ihrer  Form,  die  gebundene  Rede  ist  zerfallen  und  hat 
der  Prosa  Platz  gemacht,  einer  Prosa,  die  zwai*  zum  groszen 
TbeH  noch  wie  Uebersetsnng  ans  der  metrisehen  Darstellnng 
Umgt,  doch  skli  aber  anch  aadereiseits  wieder  schon  als  echte 


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—  38  — 

PMsa  zeigt  und  nidit  olme  Qewandiheit  gebandbabt  wird. 

Dem  Stoffe  nacli  haben  diese  prosaischen  Ritterbücher  keinen 
specifischen  üntei-schied  von  den  ihnen  zu  Grunde  liegenden 
Qaellen,  ihr  Stoff  ist  Sage,  in  demselben  Sinne,  wie 
Wort  beim  Nibelungenliede  imd  bei  den  Artnesagen  rastanden 
wird,  Büerher  g^'hört  der  Roman  von  Merlin,  die  Geschichte 
vom  heiligen  Graal,  der  Perceval  und  andere  mehr  in  firan- 
zönscher  Sprache,  Ton  deutschen  Bdcbem  der  Tristan,  der 
Wigoleisz,  Johann  Hartliebs  Alexander  und  noch  viele  der  so- 
genannten Volksbücher,  die  durchweg  nicht  anders  von  den 
Werken  der  französischen  Trouv^res  mid  eines  Wolftam  nnd 
Gottfried  Yersddeden  sind.,  als  dasz  sie  die  Ton  diesen  behan- 
delten Sagen  in  Prosa  und  in  der  Sprache  einer  späteren  Zeit 
wiedergeben. 

Eine  zweite  Stufe  des  üebergangs  zum  eigentlichen  Bo- 
mane  bilden  sehr  zahlreiche  Bttcher,  die  meist  mit  denen  der 

oben  erwähnten  Art  gleichzeitig  oder  doch  fast  gleichzeitig 
entstanden  sind.  Nämlich  schon  sehr  ü-ühzeitig  ging  man 
emen  Schritt  weiter  und  bearbeitete  die  dem  ganzen  Mittel- 
alter  werthen  Stoffe  in  der  dem  ausgehenden  Mittelalter 
lieberen  Form  der  Prosa,  ohne  sich  an  versificirte  Vorlagen  zu 
binden  und  audi  wohl,  ohne  dasz  solche  überhaupt  vorhanden 
waren,  obgleich  man  mit  derartigen  Behauptungen  in  bestimmten 
FMlen  ftuszerst  vorsichtig  sein  musz.  Bekanntlich  hat  das 
Kitterthum  in  Frankreich  wie  in  Deutscliland  seine  Zeit  der 
Nachblüthe  gehabt,  und  mit  dieser  Erscheinung  wie  mit  den 
aOmShlich  durchbrechenden  Vorzeichen  der  modernen  Gultur 
stehen  diese  Bücher  in  enger  Verbindung.  Hierher  gehört  der 
Filicopo  des  Boccaccio,  eines  Schriftstellers,  dessen  bloszer  Name 
Beweis  genug  dafür  ist,  dasz  er  nicht  ein&ch  und  ungeschickt 
Verse  in  Prosa  umschrieb,  hierher  gehören  auch  die  zahlreichen 
Prosadichtungen,  in  denen  der  Stoff  schon  nicht  melir  der 


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—  39  — 

^pntlichtti  ronumtifldiea  Sagenwelt  entnommeii,  wenn  aneh 
aoner  Katnr  nach  mittelalterlich  nnd  schon  im  Mittelalter 

allgemein  beliebt  war,  wie  der  Fortunatus  und  Aehnliches. 
Die  bedeutsamste  Stellung  aber  nimmt  hier  der  Amadis  ein, 
in  dem  iwar,  wie  neaerdings  anszer  ZweiM  gestellt  ist,  die 
diqeeta  memhn  mmt  sagenhaften  Biditang  des  hretomscli- 
nordfranzösisclien  Kreises  versteckt  liegen,  aber  derartig  auf-  ' 
gefaszt  und  mit  anders  gearteten  Bestandtbeilen  und  Ideen 
TenetEti  dasz  er  den  Uebergang  zn  den  französischen  heroisdi- 
galanten  Romanen  bildet,  die  schon  ganz  nnd  gar  moderne 
Komane  sind,  und  der  auch  in  Deutschhind  eine  so  bedeutende 
fiolie  gespielt  hat,  dasz  wir  weiter  unten  ausführlich  über  ihn 
wvfden  za  reden  haben. 

So  bem«rhen  wir  schon  vom  ausgehenden  yierzehnten  Jahi^ 
hundert  an  zuerst  das  Fallenhissen  der  metrischen  Form,  dann 
das  Anheben  oder  eine  durchaus  nicht  mehr  mittelalterliche  Be- 
Imdlnng  auch  der  Stoffe,  die  der  erzfthlenden  Dichtung  des  Mit- 
telalters eigenthümlich  sind,  und  vom  Ende  des  ftlnfisehnten 
nnd  dem  Anfang  des  sechszehnten  Jalirhunderts  an  sehen  wir 
nieht  nur  dieses  Verfahren  allgemein  nnd  die  Menge  der  um* 
lanfenden  Prosadichtnngen  ungemein  zahlreich  werden,  sondern 
wir  begegnen  auch  der  durchaus  feststehenden  Thatsache,  dasz 
man  jetzt  die  Prosaromane  und  die  kleineren  prosaischen  Er- 
iftblnngen  lieber  als  die  alteren  his,  koiz,  von  den  letzten 
DeeeDnieh  des  XY.  Jahrhunderts  an  war  die  ünterhaltungs- 
lectftre  der  Geljildeten,  also  der  Stünde,  die  überhaupt  ünter- 
haltungslectüre  consumh-ten,  Prosa,  üeberall  Bevorzugung  der 
Fron,  und  zwar  mit  dem  Bewusztsein  von  Seiten  der  Schrift- 
sftdler,  dasz  ihre  Leserkreise  es  so  wünschten.  Der  üebertragor 
des  Tristan  in  deutsche  Prosa,  der  seiner  Arbeit  nicht  Gott- 
frieds Werk,  sondern  den  Tristan  des  Eühart  von  Oberge  zu 
(hunde  legte,  sagt  am  Ende  derselben:  Ton  der  leftt  w^gen 


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—  40  — 

die  solicher  gereimbter  boedier  nit  genad  habent  auch  etlich 
die  die  kirnst  der  ramen  nit  eygentlieh  yerateen  kAnden  hab 

ich  ungenannter  diese  hystori  in  die  form  gepracht. 

Woher  nun  dieser  Umschwung?  Aus  welchen  Gründen 
hatte  man  der  gereimten  Bücher  keine  Gnade?  Die  Gründe 
waren  jedenfiüls  Terachiedener  Art  nnd  mögen  für  Viele  eben 
'nichts  mehr  Yon  Gründen  an  sich  gehabt  haben,  als  eine  Mode, 
der  man  sich  gern  unterwirft,  auf  Grün«]**  hin  angenommen 
wird.  Doch  lüazt  sich  das  Werden  des  Umsehwnnges  wohl 
begreifen.  Wenn  wir  die  deutsche  Verskmist  schon  des  an- 
fangenden fünfzehnten  Jahrhunderts  betrachten,  so  ist  leicht 
einzusehen,  dasz  eine  derartige  Eunstform  eben  nicht  sehr  an- 
ziehend nnd  fesselnd  sein  konnte,  ja  dasf  sie  leidit  bei  Leuten 
Ton  besserem  Geschmadre  geradezu  üeberdrusz  an  der  poe- 
tischen Form  erregen  muszte. 

Dazu  kam  dann,  dasz  inzwisdioi  die  Prosa  Fortschritte 
gemacht  nnd  zu  emer  CMalt  gediehen  war,  die  Ar  dne 
würdigere  Form  der  poetischen  Stoffe  gelten  konnte.  Denn 
die  Lust  an  den  alten  Sagen  und  Aehnlichem  war  noch  le- 
bendig und  in  den  höheren  Gesellschaftskreisen  der  romanischen 
Volker  wie  Deutschlands,  bei  edlen  Frauen  namentlich,  viel 
Bedürfhisz  nach  Beschäftigung  damit.  Da  nun  die  alten 
Dichtungen  nach  und  nach  nicht  mehr  recht  verständlich  und 
lesbar  zu  werden  anfingen,  waren  Prosen,  die  ?on  geschickten 
Münnem  nach  ihnen  gearbeitet  wurden,  hOdist  erwOnsdit. 
Die  zalilreichen  in  sehr  ansprechender  Form  abgefaszten  fran- 
zAsichen  Ritterbucher  reiften  in  Deutschland  und  anderwärts 
zur  Nachbildung  nnd  Aneignung,  und  abgesehen  Ton  dem 
Übeln  Zustande  der  Reimkunst  in  Dentsdiland,  war  es  in 
jedem  Falle  bequemer,  Prosaübersetzungen  als  versiticirte  an- 
zufertigen. Wie  die  Nachfrage  nach  prosaischen  Unterhaltunga- 
schriften  ritterlichen  und  sagenhaften  Inhalts  mit  der  Liebe 


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—  41  — 

sn  den  alten  Mären  und  ihren  vendficirten  Bearbeitnngen  eng 

zusammenhängt  und  sich  der  Älteste  Prosaroman  unmittelbar 
an  die  versificirte  mittelalterliche  £popö6  anschlieszt,  Iftszt  sich 
gnde  in  Deutschland  genau  nnd  aoBchanlioh  nadiweiaen.  Ans 
dem  Ehrenbiiefe,  welehen  PQterich  von  Beicihenhaiisen  1462 
der  Herzogin  Mathilde  von  Oesterreich  widmete,  ersehen  wir, 
dasz  diese  Fürstin  eine  Sammlung  von  vierundneunzig  Bitter- 
bttohero  besasE.  In  ihrer  Liebhaberei  f&r  dergleichen  kam  sie 
mit  Henrn  POterioh  ftbeiein,  welcher  einer  der  eifrigsten 
Sammler  ritterlicher  Dichtungen  war  und  selbst  sagt,  dasz  er 
die  alten  BQdier  vor  den  neuen  durchaus  bevorzuge.  Die  von 
ihm  an^efllhrten  im  Beaits  seiBer  QCmwrin  befindlichen  lite- 
rarischen 8cbfttE6  bestehen  mm  znm  bei  weitem  grOneten  TheQe 
aus  ritterlichen  Epopöen  der  mittelhochdeutschen  Zeit,  doch 
nennt  er  auch  solche,  von  denen  mit  Sicherheit  anznnehmen 
ist,  dasz  sie  Prosaerzfihlnngen  waren,  wie  Griaeldis  nnd  Me- 
lusine, und  zwar  nennt  er  diese  unter  den  Nummern  des 
Katalogs,  deren  Inhalt  ihm  unbekannt  war.  Dasz  in  der  That 
der  Geschmack  Pflterichs  von  der  Zeit  damals  schon  überholt 
war,  wird  noch  dentlioher,  wenn  wir  beachten,  dasz  es  damals 
in  Deutschland  schon  eine  ganze  Anzahl  von  handschriftlich 
in  vornehmen  Kreisen  verbreiteten  prosaischen  ünterhaltungs- 
blkchem  gab  nnd  Damen  ftürstlichen  Standes,  wie  Elisabeth 
▼on  Kassan  nnd  Eleonore  von  Oesterreich  als  deren  Yer- 
fasserinnen  bekannt  waren,  worauf  weiter  unten  zurückzu- 
kommen sein  wird.  Auch  die  Einwirkung  des  Humanismus 
ist  hier  herbeizoziehen.  Die  Ansbüdnng  einer  gefälligen  nnd 
mit  groszem  BeiM  aufgenommenen  lateinischen  Prosa,  wie 
sie  Aeneas  Sylvins  zur  Abfassung  seiner  Erzählung  von  Euriolns 
nnd  Lncretia  verwendete,  muszte  neben  der  viel  grOszeren 
Leichtigkeit  der  prosaischen  üebertragang  nnd  dem  gewisz 
vorhandenen  Gefühl,  dasz  sich  ein  derartiger  Stoff  besser  in 


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—   42  — 

leichter  und  sohdner  Prosa  ausnehme,  zur  Nachahmung  im 
Deoiaohen  lema. 

Und  nun  die  Erfindung  des  Buchdruckes,  der,  wie  schon 
weiter  oben  angedeutet  wurde,  wohl  den  eigentlichen  Aus- 
schlag gab.  Man  erstaunt,  wenn  man  sieht,  wie  fanüii  aller- 
orten diese  Kunst  dazn  benntst  wurde,  ünteriialtnngsbftcher 
in  Masse  zu  Tage  zu  fördern,  die  durch  die  ebenfalls  junge 
Kunst  des  Holzschnittes  einen  Beiz  erhielten,  den  unser  an 
die  Illustrationen  der  Gartenkube  und  ähnlicher  BiAtter  ge- 
wohntes Ange  freüioh  nicht  nachempfinden  kann,  den  aber  das 
Publicum  des  XV.  und  XVI.  Jahrhundeiis  sehr  hoch  geschätzt 
und  sehr  ungern  vermiszt  haben  musz.  Wenn  wir  darauf 
achten,  welche  Art  BOchttr  es  war,  auf  die  der  Buchdruck  an- 
gewendet wurde,  so  erhalten  wur  dnen  neuen  Zug  zu  dem 
Bilde  dos  Umschwunges,  wie  er  sich  in  jenen  Zeiten  vollzog. 
Wir  bemerken  nämlich,  dasz  nur  in  der  frübedten  Zeit  der 
Bttchdruckerkunst  noch  Werke  der  mittelhochdeutschen  Zeit 
durch  sie  vervielfältigt  werden,  s.  B.  der  Parzival  1477.  Es 
liegt  aber  auf  der  Hand,  dasz  soklio  ünternelmiungen  der 
Drucker  und  Händler  sich  bald  als  schlechte  Speculationen 
erwiesen,  deshalb  nur  vereinzelt  vorkamen  und  bald  ange- 
geben wurden.  Dagegen  werden  wir  sehr  bald  im  Binzeinen 
feststellen  können,  wie  zahlreiche  Ausgaben  .sclion  im  XV. 
Jahrhundert  von  den  dem  neueren  Geschmack  angemessenen 
prosaischen  Unterhaltungsb&chem  veranstaltet  wurden  und  so 
guten  Absatz  fanden,  dasz  sie  bereits  mi  Anfange  des  XVI. 
die  Aufmerksamkeit  des  Publicums  sowohl  als  der  Ihuli- 
händler  den  älteren  vollständig  entzogen  haben  und  nun  von 
diesen  gar  keine  Drucke  mehr  erscheinen.  >) 


^  Weiter  nnten  wird  auf  mehrere  hier  nur  im  Allgemeinen  ange- 
dootete  Punkte  mit  besonderer  Bftekneht  suf  deutsehe  Coltorrer* 


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—  4a  — 

Je  Mhlreidier  und  wiidilMnr  die  Bftoher  wardM,  desie 
mehr  leimte  es  sieb,  lesen  m  lernen,  and  mit  dem  Bedftifiiin, 

sich  vorlesen  zu  lassen,  verschwand  die  Lust  am  Vorleeen- 
lidien,  und  wie  viel  mehr  konniea  die  LeselostigeD,  die  wir 
uns  zum  groezen  Tbeil  ans  vornehmen  Damen  bestehend  m 
denken  haben,  eonsimiireB,  wenn  eie  nur  sich  selbst  und  das 
Buch  brauchten?  Interessant  ist  hier  ein  Beleg,  den  wir  in 
den  Novellen  der  Margnerite  von  ValoiSf  Zitaigin  von  Nar 
lana,  finden.  In  der  nennnndawanmgaten  Novelle  lieet  ein 
junger  Edelmann  an  einem  Fenster,  welches  dem  seiner  Ge- 
liebten gegenüberlag,  in  einem  Bitterbache,  um  nicht  wegen 
eoMB  langdanemden  Aafenthaltes  an  danselboi  Yerdaeht  za 
enegen.  Obgleich  Ihm  dies  nicht  gelang,  so  deht  man  doch 
aus  der  Situation,  dasz  Leetüre  in  Hof-  und  adeligen  Kreisen 
etwas  Gewöhnliches  und  nicht  Aufi^Uiges  sein  muszte.  Die 
Anigabe  dea  firanzOdehen  Ainadia  von  1560  hat  am  Schlnaae 
dc8  ersien  Bandes  ein  BIzain  mit  der  TJebersehrift:  Le  petit 
An<^eyin  aux  dames  ü'an^)seä,  welches  mit  den  Worten  be- 
giout: 

Or  aves  vona,  Damee  de  enenr  hnmain 
Yostre  Amadia  en  si  petit  voinme, 

Que  le  pourrez  porter  dedans  la  main 
Ploa  aysement  beaacoup  que  de  oonatome, 


hältnisse  nälicr  einzugehen  sein,  doch  mag  hier  folgende  Notiz,  welche 
die  Verbreitung  der  Unterhaltungsliteratur  in  der  zweiten  Hälfte  des 
XVL  Jahrhunderts  veran.schuulicht,  ihren  Platz  finden.  Der  Frank- 
fiirter  Buchhändler  Michel  Härder  verkaufte  nacli  seinem  Meszmemorial 
(heraiisgegehea  tob  Kelchner  und  Wülcker,  Frankf.  1873)  auf  der 
VkrtenmesM  1560  von  dem  Ritter  Poutas  147  Exemplare,  Tom  Galmy 
H,  Tom  weissen  Bitter  (Herpin)  144,  Ton  den  sieben  weisen  Meistern 
238^  fon  PanUs  Sebimpff  vnd  Emst  202,  Tom  FortuMt  166,  Ton  der 
Migelone  176,  von  der  HeloiiBe  158  imd  Ton  Tristan  56.  Yergl.  anch 
B.  Callinich.  Ans  dem  XVL  Jahrhundert.  Hamburg  1876.  8.  194  A 


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—   44  — 

Wenn  beim  Fonnat  der  Bfi<^  schon  darauf  Bfleksicht 
genommen  ward,  dasz  sie  die  Damen  leicht  überallhin  mh^ 

nehmen  konnten,  so  musz  in  der  That  die  Leselust  schon  eine 
bedeutende  und  die  üebung  im  lautlosen  Lesen  allgomein  ge- 
wesen sein.  In  dem  dentschen  Amadis  von  1583  findet  sich 
eine  Stelle,  wo  die  Heldin  Oriana  von  ihrer  Frenndm  Mabila, 
die  ihr  eine  Nachricht  bringt,  in  ihrem  Zimmer  angetroffen 
wird,  „da  sie  jhr  Haupt  auif  den  einen  Arm  steuret  und  in 
einem  Buch  lase/^  Aach  in  Georg  Wickrams  Bomanen  kommen 
mehrihebe  und,  wie  es  scheint,  absichtlich  hervorgehobene 
Beispiele  von  groszer  Belesenlieit  nicht  gelehrter,  sondern  nur 
gebildeter  Personen  vor.  So  fuhren  in  dem  Roman  von  guter 
nnd  bteer  Nachbarschaft  den  besten  Schichten  des  Blkrger- 
stanctes  angehörende  Frauen  ein  (Gespräch  über  ihre  Boman«- 
lectüre,  und  in  Gabriotto  und  JReinhart  erw«1hnen  junge  Damen 
und  Herren  mit  WohlgeMlen  der  Bomane,  die  sie  in  nicht 
geringer  Zahl  gelesen  hatten.  Das  Angeführte  mag  genfigen, 
wftrde  sich  aber  sehr  leicht  bedentend  yermehren  lassen.  *) 

Wenn  uns  nun  auch  aud  der  Zeit,  von  der  hier  die  Kede 
ist,  theoretische  Aeasiemngen  fiber  die  sich  neu  und  kräftig 
bildende  Gattung  nicht  zur  Seite  stehen,  so  ist  dies  einerseita 
an  sich  niclit  zu  verwundem,  andererseits  musz  aber  doch  an- 
genommen werden,  dasz  die  Gattung  nun  bereit^j  anfing,  über 
sich  selbst  zum  Bewusztsein  zu  kommen,  dasz  die  Froducenten 
namentlich  nnd  auch  die  einsichtsvolleren  Oonsnmenten  des 
gesuchtem  Artikels  fiber  diesen  zu  reticctiren  und  bei  seiner 
Erzeugung  wie  seinem  Genüsse  Grunds.ltze  anzuwenden  be- 
gannen, in  deren  Auftreten  wir  die  Entwickeiung  der  Gattung 

<)  Yergt  dM  Bacherreneiebnisi  in  HauptB  Zeitschrift  m,  8.  191, 
welches  ans  den  vierziger  Jahren  des  XY.  Jahihnnderts  stammt,  nnd 
die  im  lY.  Gapitel  mitgetbeilte  Stelle  der  Yorrede  von  Yat  Schumanns 
Naehtbttehlein. 


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—   45  — 

n  dum  wirkliehea  Eunstgatiiiiig  za  aucfaen  haben.  Wir 
mdfiB  nidit  sa  weit  gehen,  wenn  wir  annehmen,  daas  man 

sich  jetzt  schon  sagen  konnte  und  sagte,  die  Prosafoim  sei 
m  wesentliches  Merkmal  der  Gattung,  wie  es  Huet  später 
tuscht,  fiistaae  eprieht  daför  die  grosEe  Mühe  nnd  Kunst, 
die  man  mit  gttnsendem  Erfolg,  wie  der  franzöriche  Amadia 
beweist,  auf  Herstellung^  einer  schönen  und  dem  Inhalte  an- 
gemessenen poetischen  Prosa  verwandte.  Mau  muszte  sich 
■gen  und  es  fohlen,  dasz  man  jetzt  schnelle  las  als  in  den 
fveifieirten  nnd  vorgelesenen  ünterhaltungsbftehern,  und  wir 
sehen  deutlich,  wie  dieser  Umstand  benützt  wurde,  die  Werke 
am£uigreicber  und  die  Verwickelung  und  Spannung  grösser 
n  maehen,  so  dasz  die  Kunstfertigkeit  ein  weites  Feld  zn 
wahren  BraTourstüeken,  wie  sie  damals  schon  leistete,  gewann, 
lach  ist  der  Umstand  nicht  zu  unterschätzen,  dasz  sich  in 
mm  Buche,  weldies  Ton  einer  Person  allein  und  lautlos  ge- 
ksen  wild,  gar  Vieles  sag»  Ifiszt,  was  nicht  gut  yorznlesen 
Ein  leider  bedenklicher  Vorzug,  dessen  Ausnutzung 
teii  dem  Entstehen  der  Gattung  dem  Eomane  den  Vorwurf 
dar  fiittengefthrlichkeit  zugezogen  hat»  Man  muaz  freilich 
nrisdien  der  Deeenz  des  XV.  und  XVI.  und  der  des  XIX. 
Jahrhunderts  unterscheiden,  aber  eine  Vergleicliung  der  lyrischen, 
nun  Singen  bestimmten  Poesie  jener  Zeit  mit  den  Frosa- 
nmuien  derselben  giebt  das  interessante  Besultat,  dasz  man 
ma  groszen  Unterschied  zwischen  dem  in  Gesellschafb  ge- 
hörten und  dem  lautlos  gelesenen  Worte  machte.  Der  R«»mun 
wurde  in  der  That  schon  im  XVI.  Jahrhundert  gioszentheüs 
ds8  Feld,  auf  dem  liebe^eschichten  in  dem  Sinne  der  höchst 
Issoren  Zeit  behandelt  wurden,  so  dasz  wir  nicht  selten  der 
Meinung  begegnen,  sein  Hauptinhalt  müsse  immer  die  Liebe  sein. 

Es  muszte  endlich  auch  sehr  bald  zum  Bewusztsein 
konunen,  dasz  die  oiatia  pedestris  eme  Herahstinunung,  Ver^ 


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—   48  — 


damaligen  Zeit?  Welcher  Liti'rarhistoriker,  wenn  er  auch 
didses  in  der  That  hochbedeutende  Erzeuguiaz  besser  und 
grOndlicher  za  wOrdigeo  weias  als  JohanneB  Sdierr,  wird  dem 
gebildeton  Pablicnm  unserer  Zeit  eine  aolche  Leetüre  empfohlen 
wollen?  Der  erste  Roman  der  Gesammtliteiatur  der  modernen 
europäischen  Völker,  der  unsterblich  nicht  blos  in  der  Kennt- 
niss  der  Gelehrten,  soDdem  in  der  Werthsohltenng  der  ge- 
sammten  gebildeton  Welt  geworden  ist,  ist  der  Bitter  von  der 
traurigen  Gestalt.  Es  ist  von  der  tiefsten  Bedeutung,  dasz 
dieses  nnTergleichliche  Bach  unter  den  unendlich  maniohfachen 
und  tieligveiienden  Beaehangeii,  in  dmen  es  zu  der  Büdang 
seiner  Zeit  und  zu  dem  Geistesleben  der  Menschheit  aller 
Zeiten  steht,  auch  die  bekannte  und  von  oberflächlicher  Be- 
trachtung znr  Haaptsache  gemachto  Beadehung  zu  den  Bitter- 
romanen, von  denen  wir  eben  reden,  aufweist.  Die  ganze 
MeerÜutli  jener  Literatur  hatte  bereits  am  Ende  des  XVI. 
Jahrhunderts  es  verdient,  dasz  der  gröszte  Satiriker,  der  tie&te 
Kenner  menschlicher  Thorheit  und  Abgeschmacktheit  sich  an 
sie  machte.  Der  ersto  nnstoibliche  Weltroman  ist  eine  Parodie 
des  Romans,  wie  er  sich  zur  Zeit  der  Entstehung  des  Don 
Quixote  gestaltet  hatte.  Sobald  wir  die  Gründe  dieses,  über- 
raschenden Ergebnisses  genauer  betrachten,  das  fü)rig€n8,  wenn 
WUT  einen  Blick  auf  die  in  ihrer  Art  ebenso  einzig  dastohende 
literarische  Wirksamkeit  des  Rabelais  werfen,  keineswegs  ohne 
Vorspiel  erscheint,  üuden  wir  zugleich  die  eigenthümlichen 
Grundbedingungen  zu  der  oft  schwer  zu  begreifenden  £nt- 
wickelung  unserer  Gattung  überhaupi  Wenn  man  oft  gesagt 
hat,  dasz  jeder  Dichter  sich  in  seinen  Helden  mehr  oder  minder 
selbst  schildere»  so  hat  diese  Bemerkung,  richtig  vorstanden, 
auch  für  Genrantes  ihre  GfUtigkeii  Cervantes  nennt  Don 
Quixoto  den  8imireidien  und  sofern  Don  Qnixoto  sinnreich  Ist, 
ist  er  allerdings  Cervantes  selber.   Denu  es  hat  dem  groszen 


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—   49  — 

lisnne  beliebt,  zagldcb  mit  den  Haaptihorheiten  semer  Zeit 

und  dem  Keni  der  menschlichen  Thorheit  aller  Zeiten  den 
Sinn  und  Geeist  seiner  Zeit  und,  wie  sein  groszer  Zeit- 
genosse Shakespeare,  soviel  ewig  nea  bleibenden  allgemein 
menscblichen  Ideengehalt  in  den  edlen  Manchaaer  antonehmen, 
dasz  die  Erzählung  von  dessen  Leben  und  Thaten  niclit  nur 
ein  unsterbliches  Dichtwerk  und  ein  f&r  immer  nutzbares 
Vonathshans  von  Gedanken  geworden  ist,  sondern  auch  das 
lehrreichste  Vorbild  fftr  die  durch  ihn  erst  in  ihrer  vollen  Be- 
deutung zur  Anerkennung  gebrachte  Gattung  des  Komans. 
Dem  Bomandiditer  mOssen  wir  es  anheimstellen,  den  Don 
Qnixote  nach  seinen  Qesiditsponkten  snm  Gegenstände  des 
Studiums  zu  machen  und  ihn  zu  seinen  Zwecken  sich  als  Vor- 
bild dienen  zu  lassen,  die  geschichtliche  Betrachtung  des  Ent- 
stehens und  der  Ausgestaltung  der  Gattung  ist  hier  allein 
unsere  Sache,  und  sie  soll  aus  ihm  lernen,  worin  sie  das 
eigfenste  Wesen  und  die  höchste  Aufgabe  des  Romans  zu 
suchen  hat.  Ilir  soll  das  Werk  des  groszen  Spaniers  als 
massgebender  Kanon  dienen,  um  in  dem  oft  verworrenen  Ent- 
wickelungsgange,  der  oft  wucbemden  Auswfldisigkeit  und  der 
leider  bisweilen  sehr  lanj^e  Zeit  anlialtenden  Uner.sprieszlichkeit 
der  Hauptgattung  mit  ihren  Unter-  und  Nebengattungen  das 
Lebensfthige  vom  schlechthin  Unfruchtbaren,  den  Fortschritt 
vom  KQcksehritte  und  Stillstande  wenigstens  im  Grossen  und 
Ganzen  zu  unterscheiden.  Eine  derartige  Auflassung  und  An- 
wendung des  Don  Quizote  ist  meines  Erachtens  nicht  allein 
mOgHch,  sie  ist  auch  in  einem  wissenschaftlichen  Werke  er- 
laubt, ja  sogar  geboten.  Denn  kein  anderes  Buch  kann  uns 
so  deutlich  die  Aliseitigkeit  und  unbeschränkte  Receptivität 
unserer  Gattung  anschaulich  machen  wie  der  Don  Quizote. 
Wenn  ein  denkender  Kflnstler  das  Becht  erwerben  kann,  auf 
die  Leijitungen  seiner  Fachgenossen  herabzusehen  und  sie  anm 

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—  50  — 

Spiel  mmer  geistreichen  Laune  m  machen,  so  kann  er  es  da» 
durch  gewisz  am  mdsten  erwerben,  dasz  er  entdeckt  nnd  zeigt, 

wie  man  in  der  ilim  überlieferten  Furiii  und  mit  d<"n  von 
anderen  schon  lange  gehandhabten  Kunstmitteln  weit  Gröszeres, 
Tieferes  nnd  Allgemeineres  leisten  könne,  als  bisher  geschehen. 
In  dieser  Lage  befand  sich  Oenrantes.  Er  ist  der  Entdecker 
der  eigentlichen  Leistungslaliigkeit  des  Romans  und  damit  der 
Begründer  der  Stellung  dieser  Dichtungsait  als  der  zweiten 
Hanptgattnng  aller  modernen  Poesie.  Schon  als  soldiem  ge- 
bührt ihm  in  jedem  die  GescMcbte  des  Romans  behanddnden 
Buche  ein  Ehrenplatz.  Das  Miszverliältnisz  zwischen  dem, 
was  der  Boman  in  sich  anfoehmen  kann,  zwischen  der  Auf- 
gabe, die  ihm  in  den  modernen  Literaturen  zniiiUen  mnsxte, 
und  dem,  was  der  Zeit-  und  Moderoman  bestimmter  Epochen 
wirklich  geleistet  hat,  war  allerdings  zu  Gervautes  Zeiten 
giOszer  als  je,  wenn  es  auch  zu  manchen  Zeiten  auch  noch 
grosz  genug  gewesen  ist,  ja  bis  auf  den  hentigen  Tag  ist 
Denn  die  liittervoraune  leiden  im  allgemeinen  trotz  ilner  Breite 
an  einer  so  argen  Monotonie  und  Enge  des  Stiftes,  an  einer 
SO  kläglichen  Unfikhigkeit,  grosze  und  neue  Gedanken  in  sich 
autkunehmen,  mit  dem  Zeitgeiste  fortzuschreiten  und  die  er- 
weiterte Bildung  der  gi-oszen  Zeit  auszudrücken,  da,sz  auch 
einem  weniger  erleuchteten  Geiste  klar  werden  muszte,  an 
welche  Nichtigkeiten,  an  wie  beschränkten  und  mk  immer 
wiederholenden  Stoff  man  eine  höchst  entwickelungsf^hige  Form 
und  oft  genug  auch  Kunst,  Geist  und  Witz  verschwendete. 
Dem  Genie  eines  so  seltenen  Mannes  aber  war  es  möglich, 
durch  die  That  sogleich  das  Höchste  zu  zeigen,  was  mit  Aus- 
nutzung aller  Yortheile,  die  die  neue  Gattung  bot,  dargestellt 
werden  könne. 

Aber  die  hervorragende  und  einzige  Stellung  des  Don 
Quixote  hat  auch  ihre  Kehrseite,  und  eine  solche  hat  auch 


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—   51  — 


die  gaine  Qatang.  Bs  ist  sehon  liar?<»g8hobea  woiden,  daaz 
doreh  das  Aufkommen  des  Bomans  einer  Menge  yon  Dingen 
der  Eintritt  in  die  poetisclie  Behaiullung  geöffnet  ward,  die 
jede  andere  (Gattung  mit  enger  gesteckten  Grpnzen  von 
ach  fernhalten  mnsste.  Hierin  li^gt  aueh  der  Grund  dazu, 
im  der  Boman  sebr  bald  das  bequeme  Gkßtoz  wurde,  in  dem 
man  alle  Niclitigkeiten  und  Plattheiten  denen  darbieten  konnte, 
die  nach  dergleichen  verlangten.  Auch  dem  einseitigsten 
Mode-  und  Standesintaresse  war  die  leichte  ond  anspraebslose 
Form  erwQnscbt  und  dienstbar.  Wie  viele  fragen  danach,  ob 
ihnen  in  der  Leetüre,  die  ihnen  Erholung  gewähren  soll,  der 
geistige  Gehalt  ihrer  Zeit  vom  Dichter  tief  ond  vollständig 
odsr  obeiflftdilieh  und  einseitig  geboten  wird?  Wie  viele  ziehen 
nicht  die  leerste  und  geistloseste  ünterhaltun^  einer  geistvollen, 
ond  zwar  erhebenden  und  fördernden,  aber  ihre  Trägheit  und 
üne  Yomrtheile  bemmihigenden  vor?  In  diesen  Andeutungen 
liegen  die  allgemdneren  Gründe,  aus  denen  der  Don  Quixote 
in  der  Geschichte  des  Romans  keineswegs  so  Epoche  macht, 
wie  man  es  von  einem  Werke  der  Art  u  warten  sollte.  Gelesen 
ist  er  zwar  vid  worden,  doch  nur  weil,  wer  Vieles  bringt, 
jedem  etwas  bringt,  ganz  wie  es  dem  Göthescben  Faust  ergangen 
ist.  Mit  den  alten  Ritterbüchern  hat  es  nach  ihm  auch  ein 
Ende  genommen,  aber  wir  würden  uns  selu*  täuschen,  wenn 
vir  dies  einer  durchschlagenden  Wiikung  der  groszen  Dichtung 
nsehrieben.  Der  Zeil^chmack,  die  Mode  hatte  sieh  geändert. 
Die  französischen  und  deutschen  heroisch  -  galanten  Romane 
sowie  ihre  Verwandten  im  Maskenkostüme,  die  Sch&ferromane, 
ifven  nicht  nur  nicht  besser,  sondern  sie  bekunden  gegenfiber 
dem  Amadis  und  den  noch  ftlteren  eigentlichen  Bitterbüdhem 
so^ar  einen  entschiedenen  Rückschritt  in  Bezug  auf  p(»etischen 
Werth  und  allgemeine  Bedeutung  für  die  Förderung  der 
OoUnr  ihrer  2$eit    Und  was  wir  hier  am  Groszen  und  in 


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—   52  — 


den  aUgwneinBten  GrimdzOgen  der  Entwickeliuig  wahrnebmen, 
das  ist  der  bleibende  Charakter,  den  die  ganze  gescbichfliche 

Gestaltung  unserer  Gattung  an  sich  trägt,  in  den  Literaturen 
der  anderen  Völker  sowie  in  der  des  unsiigen.  Dasz  bei  uns  . 
diese  Eracheinnng  ganz  besonders  stark  hervortritt,  weil  in  der 
dentsehen  Literatur  mehr  als  in  jed^  anderen  die  Bedingungen 
zu  einer  langsamen  und  unregelmiiszigen  Entwickelung  vor- 
liegen, soll  weiter  unten  im  Einzelnen  erörtert  werden.  Vor 
der  Hand  war  es  nur  nOthig,  darauf  aufmerksam  zu  werden, 
wie  die  Aufgabe  des  Bomans,  will  er  anders  als  eine  Haupir 
gattung  und  als  eine  wirkliche  Kunstgattung  gelten,  eine  so 
umfassende  und  allseitige  ist,  dasz  die  gröszere  ]\Ienge  seiner 
Vertreter  weit  yon  ihrw  Lösung  entfernt  bleiben  müssen. 
Aber  grade,  weil  wir  lange  Beihen  von  Erscheinungen  zu  be- 
trachten liaben,  die  uns  fast  ganz  vergesaon  lassen,  wo  das 
Ziel  und  das  Ideal  liegt,  wai'  es  ersprieszlich,  am  Beginn  unseres 
Weges  uns  die  Beschaffenheit  de^enigen  Werkes  zu  veran- 
schaulichcn,  weldies  der  Yerwirklidinng  des  Ideals  am  nächsten 
gekommen  ist. 

Noch  sei  es  gestattet,  die  Stellung  des  Cervantes  in  der 
modernen  Literatur  und  ihre  Aehnlichkeit  mit  der  Shakespeares, 
eine  Aehnlichkeit,  welche  oben  nur  kui-z  angedeutet  wurde,  zur 
Feststellung  eines  allgemeinen  Gesichtspunktes  zu  verwenden. 
Was  Shakespeare  in  dem  £ntwickelungsgaage  der  gesammten 
dramatischen  Literatur  der  modernen  europftisehen  Völker  be~ 
deutet,  das  bedeutet  Cervantes  in  der  Entwickelung  des  Ro- 
mans. Beide  haben  gezeigt,  was  ihre  Kunst  vermag,  sie  haben 
es  so  gezeigt,  dasz  sich  bisher  Keiner  übor  sie  zu  stellen  ge- 
wogt hat  Beide  sind  lange  Zeit  verkannt  und  nntersihfttzt 
worden,  aber  beide  haben  aucli  den  Triunipli  gefeiert,  dasz 
neu  aufkommende  bessere  Zeiten  auf  sie  zurückgingen  und  an 
sie  anknüpften.    Werke  wie  Shakespeares  Dramen  und  Ger* 


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—  53  — 

▼antes  Bon  Qnizote  finden  ebenso  wie  das  Bnch  des  OeBetces 

ihre  Josias,  die  sie  wieder  entdecken  und  ihre  Kleider  zer- 
reiszen  darüber,  dasz  sie  und  ihre  YorMren  so  onyemüDftig 
gewesen  sind.  Aber  auch  der  begeistertste  Yerehrer  des  Spi^ 
niers  musz,  wenn  er  Einsiclit  in  den  geistigen  Entwickelnngs- 
gang  der  Völker,  der  sich  in  ihrer  Poesie  ausspricht,  besitzt,  den 
Engländer  hoher  stellen,  weil  seine  Gattung  die  höhere  ist  Denn 
sie  theilt  mit  dem  Homane  nieht  die  Qefiihren  der  äUzugrosien  und 
unbestimmten  Allseitigkeit,  wenn  sie  auch  manche  Vortheile 
desselben  sich  nicht  zu  eigen  machen  kann.  Das  einzelne 
Drama  ist  auf  eine  einseitigere  Anffiissung  des  Lebens  ange- 
wiesen, hat  dagegen  aber  die  eben  durch  schärfere  Begrenzthdt 
bedingten  Mittel,  das,  was  es  auffaszt,  mit  grösserer  poetischer 
Energie  darzustellen.  Diese  schärfere  Begrenztheit,  die  aus- 
geprägte und  hochentwickelte  Kunstform  aber  befthigt  wenig- 
stens die  yomehmste  dramatische  Gattung,  die  Tragödie,  Stoffe 
von  «olchem  Gewicht  und  Gehalt  zu  bewältigen,  dasz  der 
Roman  mit  seinen  weiter  verwendbaren  aber  nicht  so  ooncen- 
trirbaren  Kunstmitteb  besser  von  ihnen  sich  fem  hält  Mit 
der  Komödie  kann  sich  der  Roman  —  wenigstens  meiner  An- 
sicht nach  —  recht  gut  in  den  Wettkampt  einlassen,  Aga- 
memnon, König  Lear  und  Wallenstein  sind  kerne  Bomanheldeiii, 
zu  denen  sich  eigentliche  Helden  ftberhaupt  nicht  recht  zu 
eignen  sclicinen.  Doch  das  weiter  zu  erörtern,  musz  denen,  die 
Romane  schreib)>n  oder  andere  dazu  anleiten  wollen,  überlassen 
werden,  ich  glaube,  erklärt  zu  haben,  was  ich  nur  bei  der 
verbreiteten  Bezeichnung  des  Romans  als  der  zweiten  Hanpt- 
gattung  in  den  modernen  Literaturen  denke.  Weiter  über  die 
Entwickelung  desselben  sowie  auch  der  Novelle  u.  s.  w.  bei 
den  Italienern,  Spaniern,  Franzosen  und  Engländern  zu  sprechen, 
ist  wenigstens  an  dieser  Stelle  nicht  nöthig,  da  uns  der  intern 
nationale  Charakter  der  Frosadichtung  bei  den  einzelnen 


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—   54  — 

Erecbemmigmi  nnserar  deatsdieD  LHeretor  immer  wieder  auf 

die  letztere  beeinflussenden  ausländischen  Werke  zurück- 
föhreQ  wird.  Denn  grade  diesen  internationalen  Charakter  des 
Boman«  kemien  za  lernen,  bietet  mis  das,  was  wir  bei  der 
nmi  sofort  za  beginnenden  Betrach£mg  der  ersten  Anftnge  des 
deutschen  Romans  zuerst  erfahren  werden,  die  beste  Gelegen- 
lieit.  Die  Menge  des  vom  Auslande  Entlehnten  ist  zuerst  so 
überwiegend,  dasz  wir  bei  den  Anfingen  der  deutschen  Boman* 
literator  yon  deutschen  Bomanen  streng  genommen  kaum 
reden  können. 


Drittes  Cupilei. 


Anfänge  dor  dentsohenBomanliteratnr  durch  Uebersetznngen 

und  Bearbeitungen  zumeist  französicher  ßitterbücher.  Ein- 
tritt der  italienisGhen  fiovelle  in  die  deutsche  Literatur. 

In  dem  geistigen  Leben  unserer  Nation  während  des 
XV.  und  XYI.  Jahrhunderts  liegen  die  Eeune  der  gesammten 
nenhodideatsohen  Literatiir.   In  diese  Zeit  fallen  auch  die 

Anfange  der  Gattung,  deren  Entwickelung  hier  dargestellt 
werden  soll.  Schon  in  dieser  Periode  ist  die  Anzahl  der  von 
nns^  SU  betrachtenden  Erschemnngen  eine  sehr  beträchtliche, 

■ 

und  nicht  minder  grosz  ist  ihre  Manichihltigkeit.  Denn  hier- 
her gehört  Alles,  was  in  der  Literatur  dieser  Zeit  als  epische 
Prosadichtung  sich  darstellt,  vom  waitschichtigsten  Boman  bis 
znr  kürzesten  Anekdote.  Nichts  kann  daher  mit  Bftcksicht 
auf  den  grossen  Umftng  unseres  Gebietes  mehr  in  unserem 
Interesse  liegen  als  eine  übersichtliche  und  zugleich  sach- 
gemilsze  Gruppirung  des  Stoffes.  Das  zunftchst  liegende  Ein- 
theüungsprindp  in  allen  geschichtlichen  Dingen  ist  das  der 
zeitlichen  Aufeinanderfulge ,  dem  Alter  gebidirt  der  Vortritt. 
Aber  wie  das  ganze  vorliegende  Werk  auf  der  Abscheidung 
emer  Gattung  aus  dem  Garnen  der  deutschen  Literatur  beruht, 
so  darf  auch  gldch  Ton  Tom  herem  der  Gesichtspunkt  der 


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ümeren  und  ftiuxeren  Zusammengehl^rigkeit  auf  Gnuid  den 
Inhalts  und  der  Fono  der  yorznf&hrenden  Erscheiniuigen  fest» 

gehalten  werden.  Von  diest  iii  Gesichtspunkte  aus  werden  die 
ihrer  künä tierischen  i'orrn  und  der  Bedeutsamkeit  ihres  poeti- 
schen Inhalts  nach  Tomehmäten  Ensengnisse  unserer  Qaitang 
sich  in  die  erste  Reihe  drängen.  Diese  sind  aber  diejenigen 
Diebtungen,  welche  die  Bezeirhnung  Romane  am  meisten  ver- 
dienen, also  Prosadichtungen  von  hervorragendem  Umfange, 
deren  bischer  Inhalt  ein  Yerhftltniszmftsag  einheiUicher  ist, 
deren  Stoffgehalt  seiner  Ansdehnnng  nach  mit  dem  grossen 
Umfange  der  Werke  in  innerer  Bezieliung  steht.  Schon  an 
dieser  Stelle  dürtte  darauf  aufmerksam  zu  machen  sein,  dasz 
es  grade  in  dieser  An&ngsperiode  Yon  Wichtigkeit  ist,  zwischen 
erzählenden  Dichtungen  mit  einheitlicher  Handlung  und  blossen 
Ck)nglomeniten  oder  Aneinanderreihungen  kleiner  Geschiditen 
zn  unterscheiden.  Denn  mit  diesem  Unterschiede  hängen  andere 
Ar  die  Eikenntnisz  der  organischen  Ifotwiekelnng  unseres 
Literaturgebiets  wichtige  Einsichten  unmittelbar  zusammen. 

Freilich  könnten  hier,  wie  überall  in  geschichtlichen  Dingen, 
mathemfttisch  schaife  Unterscheidnngen  nur  auf  Kosten  der  ge- 
nauen und  anschaulidien  Erkenntnisz  der  sich  lebendig  ent- 
wickelnden Thatsachen  vorangestellt  werden,  Uebergünge  und 
Stellen,  wo  sich  die  Grenzlinien  verwischen,  sind  vorhanden, 
aber  sie  weiden,  gerade  wenn  sie  als  solche  erkannt  werden, 
die  UebersichtUehkat  der  sachlichen  Gruppirung  nichts  wem'ger 
als  beeinträchtigen.  Wir  werden  die  ei-freuliche  Bemerkung 
za  machen  haben,  dasz  sich  die  flintheilang  nach  dem  Alter 
der  ehizelnen  Erscheinmigen  zwanglos  mit  dem  eben  auf- 
gestellten sachlidien  Eintheilungsgnmde  verbinden  läszt.  Denn 
die  ältesten  und  alterthümlichsten  Werke  werden  sich  im  all- 
gemeinen uns  gerade  als  solche  kundgeben,  welche  auch  nach 
diesem  Grundsätze  zuerst  auf  unser  Interesse  Anspruch  machen 


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dIkifeD.  Ja  ohne  Gewalt  und  Sfnizflndigkeit  wird  sich  ein 
dritter  Gesichtspunkt  i^nz  vön  selbst  hinznfinden  und  uns 
die  Feststellung  dor  allgemeineren  Kesultate  unserer  Betrach- 
taug  wesentlich  erleichtern.  Es  wird  sich  n&mlich  eichen, 
dan  wir,  indem  wir  in  der  Yorfthrang  der  Eioiselheiten  so 
verfahren,  wie  eben  gesagt  worden  ist,  es  zAierst  weitaus 
mehr  mit  Angeeignetem  als  Eigenem  zu  than  haben.  Es  ist  in 
der  deutschen  Literatur  einmal  nicht  anders,  üebersetnmgen 
ind  Bearbdtnngen  fremder  Ersengnisse  erMfhen  in  der  wirldich 
scliiiltmäszig  ansgestalteten  Literatur  den  R^-igen.  Wulfila  hat 
seinen  Platz  in  allen  Compendiea  der  Geschichte  unseres  SchritV 
tfanms  als  erster  Vertreter  desselben.  Aber  gerade  das  ist 
unser  Stolz,  dasz  die  schöpferische  Kraft  unseres  Volksgeistes 
gleichen  Schritt  hielt  mit  der  einzig  dastehenden  Recf^ptivitÄt 
desselben,  da^z  in  allen  Gebieten  den  aneignenden  Arbeiten  die 
originellsten  Originale  entgegengestellt  werden  können.  Wenn 
nMine  Leser  Geduld  und  Ausdauer  genug  mir  schenken  wollen, 
werden  sie  in  Allem,  was  folgt,  den  Beweis  erhalten,  dasz 
dieses  Grundgesetz  unserer  geistigen  Entwickelung  auch  in  dem 
QeMete  des  Bomans  und  der  ihm  verwandten  Gattungen  auf 
H  das  EDtsehiedfHiBte  zur  Geltung  gekommen  ist. 

Ein  eigenthümlicher  Zufall  ist  es,  dasz  das  Aeltest»^  was 
▼oa  deutscher  Bomanprosa  bekannt  ist,  in  einem  Fragment 
eines  französischen  Ehehrnchsromans  besteht  Ich  meine  das 
vielbesprochene  Lancelotfragment  in  niederdeutscher  Spra«*he, 
interessant  nicht  blos  durch  sAn  Alter,  sondern  auch  als  Wahr- 
xekhen  der  Herkunft  und  Beschaffenheit  eines  sehr  bedeuten- 
den Thefles  unserer  ftlteren,  ja  auch  unserer  neuem  und  neueston 
U  üterlial  tu  ngsliteratur. 

Docen  fand  die  Handschrift  und  machte  sie  in  Büschings 
Wöchentlichen  Nachrichten  f&r  Freunde  der  Geschichte,  Kunst 
und Qelahrthdt  des  Mittelalters''  (D.,  BrasUn  1816  S.  110 f.) 


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bekannt.  Hofinanii  flUirie  in  den  Sürnngsberichten  der  baye- 
rischen Akademie  Tom  11.  Jörn  1870  den  Nadiweisi  dasi  es 

aus  dem  Lancelot  sei.  Eine  Heidelberger  Handschrift  (Cod. 
Pal.  147)  enthält  einen  oberdeutschen  Text  desselben  Bomans 
anf  700  enggesdiriebenen  Folioseiien,  nnd  wie  die  deateoheii 
und  niederiftndisdien  UebanetEongen,  so  ist  aneh  das  fransO- 
sische  Original  einer  nicht  nur  der  längsten,  sondern  auch  der 
ältesten  Prosaromane,  Yielleicht  der  älteste  überhaupt.  Die 
oberdeutsche  Uebersetning  stimmt  so  genau  mit  der  nieder- 
deotsehen  ttberein,  dass  das  Yerii&ltnisB  beider  Teite  nicht 
genauer  hinsichtlich  der  Abhängigkeit  eines  von  dem  andern 
zu  bestimmen  ist.  Es  ist  mit  Sicherheit  aDzunelunen^ 
dasz  der  Lancelot  schon  nm  die  Scheide  des  dreizehnten  nnd 
vierzehnten  Jahrhonderts  als  Prosaroman  in  Deutschland  Ein- 
gang fand,  denn  dieser  Zeit  gehört  unser  Fragment  an.  Man 
kann  es  also  als  einen  der  frühesten,  wenn  nicht  den  allar- 
frfihesten,  Yorläofer  der  erst  in  spiterer  Zeit  zn  eigenem  Leben 
gelangten  Gattung  ansehen,  und  gewisz  ist,  dasz  es  in  seiner 
Art  und  seiner  Zeit  noch  eine  sehr  vereinzelte  Erscheinung 
bildete,  deren  nogewohnter  Form  noch  der  Yersifidrte  Lanzelot 
Ulrichs  Ton  Zazikhofen  den  Bang  in  der  Beliebtheit  bei  den 
Zeitgenossen  ablaufen  konnte. 

Der  Stoff  unseres  Bomans  gehört  dem  Artus-  und  Graal- 
Sagenkreise  an,  von  dem  das  fiberans  weitschichtige  Werk 
einen  sehr  groszen  Theil  in  sich  aufnahm.  Lancelot  ist  der 
Geliebte  der  Königin  Ginevra,  der  Gemahlin  des  Königs  Artus, 
der  er  exemplarische  Treue  bewahrt,  und  der  zu  Liebe  er 
eine  Anzahl  Abenteuer  bestdit,  die  den  ^Cäiarakter  aller  ihres- 
gleichen aus  jenem  Sagenkreise  an  sich  tragen.  2) 

>)  Pfiterich  von  Beicherzhaosen  nennt  diesen  nnd  bemerkt  an  einer 
andern  Stelle  ansdrftcklich,  dan  er  die  anderen  nicht  kenne. 

3)  YergL  in  Beiog  anf  den  Stoff  Dunlop  S.  74.,  B.  III,  3.,  d.  B. 


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—  de- 
ich flbergehe  ab  nbht  hierher  gehörig  die  Frage  nach 

dem  Ursprünge  und  dem  wirklichen  Alter  des  französischen 
Lancelot  und  bemeike  nur  noch,  dasz  es  einen  gedruckten 
deutschen  Lancelot,  so  viel  bis  jetat  bekannt,  nicht  xo  geben 
scheint.  Dieser  Umstand  ist  insofern  von  Wichtigkeit,  als 
daraus  hervorgeht,  dasz  der  Roman  in  der  Zeit,  du  unsere 
Gattung  sich  bildete  und  alle  die  im  vorigen  Capitel  be- 
sprochenen Umstände  znsammentrafen,  um  ihre  Ausbildnng 
zu  befördern,  keine  Bolle  gespielt  haben  mnse.  Er  wftre  dem- 
nach als  eine  literarische  Frühgeburt  in  Deutschland  zu  be- 
zeichnen, und  es  liegt  auf  der  Hand,  dasz  wir  uns  von  jetst 
ab  mit  Becht  im  Ganzen  anf  die  in  altoi  Dniicken  vorliegen- 
den Romane  beschranken,  denn  sie  sind  es,  die  den  Geschmack 
der  Zeit  bezeichnen  und  uns  von  dem  Umfange  wie  dem  Wer- 
den des  Bomans  als  Kunstgattung  der  Neuzeit  anschauliche 
Zeugnisse  liefern. 

Wir  werden,  den  oben  angegebenen  Grundsätzen  folgend, 
nun  mit  denjenigen  Büchern  zu  beginnen  haben,  die  bei  Ein- 
tritt der  lebhaften  Nachfrage  nach  Unterhaltungslectüre  auf 
dem  kflrzesten  Wege  beschafft  wurden,  indem  man  entweder 
fremde  Erzeugnisse  übersetzte  oder  poetische  Werke  in  Prosa 
umschrieb  oder  doch  längst  beliebte  Sagenstoffe  ohne  irgend 
bedeutende  Modification  in  das  beliebte  schlichtere  Gewand 
kleidete. 

Den  Reigen  mag  Herr  „Wigoleysz  vom  Riide"  eröffnen, 
der  im  Jahre  1472  von  einem  Ungenannten  auf  Bitten  einiger 
Edlen  „ans  den  Beimen  in  ungereunte  Bede  beschrieben**, 
1498  in  Augsburg  von  Jonas  Schönsperger  in  Polio  und  dann 
öfter  gedruckt  ward').    Die  gereimte  Vorlage  ist  das  bekannte 

1775.  Oct.  I.  S.  62  und  die  boziiglichen  Strlleii  bei  Gervinus,  Kober- 
stein,  Wackernaprel,  wo  Nacliweisc  jeder  Art  reichlichst  zu  finden  sind. 
*)  ätraszburg.  Knoblauch  1519.  4.  —  Fr»nkf.  o.  J.  Ö.  —  Frankf. 


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Gedicht  des  Wirnt  von  Grafenberg,  der  Bearbeiter  scheint  nicht 
allxu  belesen  gewesen  zu  sein,  da  er  den  Namen  des  Dichters 

in  Gi-afcuberg  verkehrt.  Der  Stoff  stammt  aus  dem  Kreise 
der  Artussagen,  denn  Wigalois  ist  der  Sohn  des  Gairein,  eines 
Ton  denen,  die  die  EHte  der  Tafelrunde  bilden,  er  heirathet, 

wie  es  sich  in  diesen  Geschicliten  überaus  oft  becfiebt,  eine 
Dame,  die  er  von  tinem  gewaltthätigen  Feinde  beiieit,  und 
besteht  die  üblichen  Abenteuer  mit  Biesen,  Drachen  and  so 
weiter '). 

Gleich  dem  Wigalois  ist  auch  der  prosaische  Tristan^) 
aus  einem  deutschen  Gedicht  umgeschrieben  und  zu  Augsburg 
1494  A.  Sorg.  Fol.  und  darauf  Öfter')  gedruckt  worden. 
Auch  darin  gleicht  der  Yerfiuser  dem  Bearbeiter  des  Wigalois, 
dasz  er  den  Namen  Eilharts  von  Oberge,  nach  dessen  Gedicht 
er  ar])eitete,  in  Filhart  von  Obret  verkehrt,  und  auch  sein 
Stoff  gehört  demselben  Sagenkreise  an,  wie  der  des  Lancelot 
und  Wigalois.  Mit  dem  Stoffe  des  Lancelot  ist  der  des  Tristan 
auszerdem  sachlich  nahe  verwandt,  denn  Tristans  Verhältnisz 
zu  Isolt  ist  ganz  dasselbe,  wie  das  des  Lancelot  zu  Ginevra, 


G.  Habe  u.  Weygaiidt  Hau.  1 ')f.4. 8.  —  Fraiikl".  1586.  8.  —  Im  Uuchder  Liebe. 
1587.  -  Hamburg.  Schneider  1611.  v8.  _  Nürnberg  1('»5.'>.  8.  —  Nürnberg 
1664.  8.  —  JudendeutHch  v.  Jo^el  Witzenliausen.    Königsb.  16*J9.  4. 

')  R.  IL,  9.  Simrock.  Bd.  III,  7.  Marb.  Nro.  18.  Aus  unserem 
J'rosa-WigoleihZ  hat  nacli  Beneckos  Vcrnnithung  (Wigalois  S.  XXVII.) 
Ulrich  Fürterer  in  seinem  Buche  der  Abenteuer  finen  Aufzug  gegeben. 
Interessant  ist  die  Erwähnung  des  Wigoleisz  im  Aufange  des  pro- 
saischen Siegfriedbuches  (vgl.  cap.  V.). 

2)  d.  R.  Apr.  1776.  I,  S.  53.  Simrock  Bd.  IV.  Nro.  5.  Auch 
in  V.  d.  Uageu,  Bach  der  Liebe.  1809  uiid  in  0.  Marbachs  Vb. 
Nr.  13.  14. 

■'i  Augsb.  Sehönwetter  1498.  fol.  —  Stra.-zburg  1510.  4.  —  Worms. 
Hofman.  o.  J.  ic.  1540)  4.  —  Straszburg  Jac.  Frölich  1557.  4.  — 
Frankl.  Th.  Rebart  u.  K.  Han  1570.  S.  —  Iin  B.  d.  L.  1587.  —  Nürn- 
berg 1664.  8. 


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—  61  — 

OB  ehebiecheriBcheSt  nur  dasz  die  fihabnidisaeBdiichte  im 
TMm  viel  aoflschliesBlieher  den  rothen  Faden  des  Ghuuen 

bildet,  weshalb  dieses  Werk  poetisch  höher  als  jenes  steht, 
seine  Stellung  zum  Sittengesetz  jedoch  weit  entschiedenere 
Sddtae  anf  die  Moralitftt  der  Zeiten  and  Oeseileehafiskrase 
gestattet,  deren  Nachfi  age  eine  so  grone  Menge  Ton  Anflagen. 
wie  es  erlebte,  erforderlich  machte. 

Von  demselben  G^ehtsponkte  aus  hat  es  einigee  Inter- 
esse, dass  der  Boman  von  Florio  und  Biancefforai)  dem  Fili- 
copo  des  Boccaccio  und  nicht  dem  alten  Conrad  Fleck  folgt. 
Der  eiste  Druck  erschien  zu  Metz  lidd  bei  Caspar  Hochfeder 
infol. 

Der  Herkunft  des  Stoffes,  dem  Charakter  des  Inhalts  nnd 

der  Behandlungsweise  nacli  gehören  zwei  Romane  sehr  nahe 
zusammen,  Fierabias  und  dit^  Huiinonskiiider,  welche  bchou 
früh  eine  Bolle  gespielt  zu  haben  scheinen,  denn  sie  waren 
schon  längere  Zeit,  ehe  sie,  beide  zn  Stimmern,  der  erste  1583^, 
der  zweite  1535^),  im  Druck  erschienen,  handschnltlich  be- 
kannt. Beide  haben  französische  Prosen,  welche  schon  viel 
Uateisnchnngen  Yoranlaszt  haben,  zn  ihren  nftchsten  Quellen 
und  nehmen  als  sehr  beliebte  nnd  tiberans  charakteristische 
Werke  ein  besonderes  Interesse  in  Anspruch. 


'i  So  lauten  die  Namen  in  den  Ausgaben  des  Kninans.  Auszor 
der  crsteu  sind  noch  bekannt  eine  von  InlKJ  bei  dcmsrlbcn  Verleger 
in  Fol,  eine  von  Griininger  in  Straszb.  1530.  fol.,  eine  von  ir>77  Frank- 
furt bei  W.  Han.  und  der  Text  im  B.  d.  L.  1587.  Erwähnt  wird  das 
Buch  Yon  Wickram  in  „Von  guter  und  böser  Nachbarschaft". 

»)  Bei  Iheron.  Rodler  fol.  —  Frankf.  o.  J.  8.  —  Frankf.  l.OSi.  8. 
«raeoert  in  Simrocks  Vb.  Bd.  Vll,  1  u.  v.  d.  Ilagen.  B.  d.  L. 

')  Rodler.  Fol.  —  Cdln  1604.  8.  —  Cöln  o.  J.  8.  —  NOrnb.  o. 
J*  S.  —  Ehedcssen  auch  zu  Cöhi  gedruckt  (XVI  II.  Jahrb.)  S,  jeden- 
ftlls  Jahnnarktsftiisgabe  vgl.  auch  Anm.  1  auf  S.  64.  Erneaerungon 
bei  Simroek  II,  1..  Maibach  9.,  B.  VI,  7  n.  VIJ,  7. 


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—  62  — 

FierabrasOi  «in  Biese  und  des  Amminüs  Baland  Sohn, 
kommt  nach  Monnionde,  wo  er  mit  aelir  laoger  Diohrede,  die 

Kaiser  Karl  anhört,  irgend  einen  der  IVanzüsischen  Vasallen  , 
zum  Zweikampfe  auffordert.    Wegen  einer  zwischen  Karl  and 
Boland  grade  obwaltenden  Missstimmimg  erbietet  sich  nmi 
Olivier,  obgleich  schwer  Tenrnndet,  den  Kampf  anfennehmen. 

Niuli  selir  lantren  Reden  und  Gegenreden  beginnt  der  Streit, 
der  mit  besonderer  Betonung  der  ritterlich  ehrenhaften  Gesin- 


»)  Ueber  die  Quelle  des  Stoflfes  und  die  Vorlage  der  deutschen 
Prosa  benerlv'en  die  Herausj^cber  des  »Itfranxösi scheu  Gediclito-?,  A. 
Kroeber  und  G.  Servois:  (in  »Los  anciens  poctes  de  1a  La  France" 
Pttia  Yiewcg  1860.  pr^face  pag.  XIU)  »De  qnatre  mannserits  qai 
non;;  restent  de  la  Tersion  fran^ai^e  en  vers,  deox  appartiennent  an 
XIV'  siecle;  les  deux  autres  sont  du  X".  C'est  «aussi  du  X\*  sidcle 
que  date  la  rödaction  en  prose,  dont  la  premiöre  Edition,  qui  a  paru  ä 
Geneve,  en  1478,  est  intitnk^e:  Le  Kornau  de  Fierabras  le  Göant.  On 
a  deux  autres  editions  de  Geut-vc  et  plusieurs  de  Lyon,  de  l  i.Sfi.  1489, 
149ß.  1407.  11  y  a  encore  unc  edition  sans  Heu  ni  date,  petit  in-f(»lio 
gothitiue  (V.  Brunet,  Manuel  du  Librairc  Fierabras'l  L'histoire  de 
Fierabras  se  trouve  aussi  dans  le  roman  intitulc:  Conqueste  que  fist 
le  grand  Cliarleniagne  et  des  vaillances  de  Fierabras.  dont  Brunet  cito 
une  dizaine  d'editions.  Nous  n'en  indiquerons  qu'une:  La  conqueste 
du  grand  roi  Charleniaigne  des  Espaines,  avec  les  faits  »t  ;,'('stes  des 
dou/e  Pairfi  de  France  et  du  grand  Fierabras,  et  le  combat  fait  j-ar 
lui  contre  le  petit  Olivier,  lequel  le  vainquist.  Louvain,  15SS.  in-4. 
La  Version  de  Fierabras,  en  prose  a  ete  r»^ini]»riniec  a  Lons-le-Saulniev 
en  1810,  et  le  roman  des  Conquötes  du  t,'ran  l  Cliarleniagne.  <»nie  de 
gravures  sur  bois,  a  ete  publie  ä  Montbeliard,  il  y  a  vin<;t  nu  trente 
ans,  das  la  Bibliotheque  bleue.  Enfin,  parmi  les  lifres  d\  treiines  mis 
en  Tente,  il  y  a  nn  an,  dans  les  niagasins  de  la  nLibrairie  nouvelle"*, 
flgonit  la  „Legende  nationale  de  Fierabras**,  par  M.  Mary-Lafon,  illnstr^e 
par  IL  GnstATe  Bort.**  Bessere  Beweise  ftr  die  Beliebtiieit  und  den 
bleibenden  Werth  des  Baohes  können  nicht  gegeben  werden.  Dm  Vcr- 
hiltDifli  der  Handschriften  hat  GrSber  (Ueber  die  handschriftliche  Ge- 
stattnng  der  Ch.  d.  G.  Fierabras.  L.  1S71.)  grOndlich  nntersncht,  wobei 
die  YonOge  der  fraatösischen  Tor  der  proTenialischen  Bedaetion  des 
Gedichtes  nachgewiesen  sind. 


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—   63  — 

oirag  beider  Feinde  beschrieben  wird«  md  eadet,  da  die  Biesen, 
wie  schon  Dnnlq»  bemerkte,  in  allen  romaniisehen  Didiiongen 

dazu  da  sind,  besiegt  zu  werden,  zum  Vortheile  Oliviers. 
Dieser  wird  nun,  eben  als  er  mit  dem  verwundeten  Fierabras, 
der  sdne  Bereitwilligkeit,  sich  taufen  sn  lassen,  erkl&rt  hatte, 
dsTonreltet,  von  den  Heiden  angegriffim  und  mit  drei  anderen 
Helden  gefangen  genommen.  Floripes,  des  Ammirals  Tochter, 
die  den  Gui  von  Burgund  liebt,  nimmt  sich  ihrer  an.  Karl 
sendet  sieben  Bitter,  unter  ihnen  Boland  und  Naimas  nun 
Ammiral,  dieser  Itat  sie  ehne  Weiteres  einsperren,  aber  Flo- 
ripes  befreit  sie  wieder.  Als  Baland  nun  von  den  franzö- 
sischen Kittern,  die  er  in  Gewahrsam  glaubte,  überfallen  wurde, 
belagert  er  dieselben  in  einem  festen  Schlosse.  Doch  es  gelingt 
ihnen,  Bichard  Ton  der  Normsndie  an  Karl  nach  HtUfe  zu 
schicken,  Karl  erscheint,  der  Ammiral  wird  schlieszlich  gefan- 
gengenommen, und  da  er  viel  weniger  Neigung  als  sein  Sohn 
zum  Christenthnme  zeigt,  so  schlflgt  ihm  Ogier  den  Kopf  ab. 
Floripes  wird  getanft  und  mit  Gui  ▼em^it.  Auch  die  Mher 
von  den  Heiden  geraubten  Heiligtliümer ,  darunter  die  Nägel 
vom  Kreuze  Christi,  gehmgen  wieder  in  den  Besitz  der 
CivistenO. 

Während  in  Lancelot  und  Tristan  die  verliebten  Ritter 
die  den  Charakter  der  Dichtungen  bezeichnenden  Hauptfiguren 
ond,  so  sind  es  im  Fierabras  und  den  Haimonskindem  die 
Biesen  und  Haudegen,  dort  werden  die  Liebesscenen,  hier  die 
Kämpfe  am  eingehendsten  und  anschaulichsten  geschildert,  und 
wie  in  jenen  Bomanen  die  Helden  und  Heldinnen  immer  zu 
den  Yergnflgnngen  der  Liebe  aufgelegt  sind,  so  zeigen  in  diesen 
die  Bmptpeisonen  überall  die  stftrkste  Neigung,  handgreiflich 


0  8>  in  dm  Beflagin  in  diMem  Capitel  den  AnlSuig  dai  Teztas 
fwi  16S8. 


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64  — 

zn  werden.  Kaum  ist  im  Ilerabras  Boland  auf  den  Sohanplatx 
getreten,  so  hat  er  auch  schon  durch  einen  Schlag  seiner 
Majestät  aine  blutige  Nase. 

Ganz  in  demselben  Stil  ist  der  Boman  Ten  den  Haimons- 
kindem ')  gehalten,  voran  der  riesenhafte  Rainold  von  Montan- 
ban,  der  jüngste  unter  den  SOhnen  des  alten  Haimon  und  der 
Schwester  Karls  des  Groszen,  Frau  Aia.  Die  Heiiath  sollte 
das  Ende  eines  langdanemden  Krieges  besiegeln,  aber  Haimon, 
wieder  vom  Kaiser  beleidigt,  schwur,  seine  Söhne,  die  Neften 
des  Yerhaszten,  zu  tödten.  Diesem  Uebeiiuasz  der  liachsucht 
entronnen  gehen  sie,  Ton  ihrem  Vater  begleitet,  an  den  Hof, 
wo  Beinhold  einen  Eoeh  and  darauf  den  Sohn  des  Kaisers 
erschlägt.  Hieraus  entstohcn  alle  die  Kriege,  von  denen  das 
Buch  berichtet.  Üeinold  geht,  damit  sein  Vater  Ruhe  habe, 
mit  seinen  Bradem  anszer  Landes,  aber  auch  hier  giebt  et 
seiner  Keignng  zum  Kopftbschlagen  gegen  KOnig  Saforet  Baom, 

*)  Die  verscluedenen  oben  angefthrten  Ausgaben  des  dentsehen 
Bnches  von  den  Haimonskindern  sind,  genau  genommen»  nicht  dasselbe 
Werk.  Denn  der  dentsehe  Boman  von  1585  hat  rar  nftebsten  Quelle 
swei  firansösische  Prosabearbeitangett,  von  denen  die  eine  sn  Ljon,  die 
andere  m  Paris  1531  gedruckt  ist.  Dagegen  stammt  die  Ausgabe  des 
deutschen  Buches  von  C5ln  1604  aus  einer  anderen  Quelle,  ntmlich 
höchst  wahrscheinlich  entweder  aus  einer  halbhochdeutsohen  Dichtung, 
welche  zu  Heidelberg  in  zwei  Handschriften  vorhanden  ist,  oder  dem 
niederlftndischen  Prosabuche,  welche  beide  auf  ein  nur  noch  in  Frag- 
menten vorhandenes  niederliitulisches  Gedicht  und  durch  dieses  auf  eine 
fransdsische  Dichtung  zurückgehen.  Pie  Heidelberger  Handschriften 
sind  aus  der  letzten  Zeit  des  XV.  Jahrhunderts,  das  niederländische 
Buch  ist  zu  Gent  1619  gedruckt  worden  ^\''egen  weiterer  Nacli Wei- 
sungen musz  ich  mich  begnügen,  auf  Goedeke  M.  A.  II.  Ausg.  S.  707., 
aber  auch  auf  Reinaus  de  Montauban  ed.  H.  Michelant  Stattgart  1862 
(Bibl.  des  Lit.  Ver.)  zu  verweisen.  Jacob  Grimm,  welcher  im  Mus.  för 
altd.  Lit.  u.  K.  Bd.  II,  227.  das  deutsche  Volksbuch  (Cöln  1004) 
richtig  auf  das  in  Heidelberj.,^  liandschriftlich  vorhandene  Gedicht  zurück- 
führte ,  hat  wahrscheinlich  zwischen  erstcrem  und  dem  alten  Boman 
(Simiuern  1535.)  nicht  unterschieden. 


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—  65 


dunS  beirathet  er  KUmg  Itos  Tochter  Claradis  und  erbaut 

auf  finer  Sk*inklippe  an  der  Gironde  die  Feste  Moiitalban. 
Die  drei  Brüder  Üeiuolds  gerathen  in  Karls  Gewalt,  er  will 
sie  hingen  lassen,  aber  Beinold  beireit  sie  mit  Hülfe  seines 
dimonischen  Bosses  Baiart  und  seines  zaubergewaltigen  Vetters 
Malegis,  der  der  Held  weitver])reiteter  französischer  und  eines 
niederländischen  Romans  ist').  Selbst  die  Krone  Rolaiids,  die 
dieser  als  Preis  eines  Wettrennens  ausgesetzt  hatte,  um  einen 
ptBsenden  Ersatz  fftr  sein  Bosz  zu  finden,  gewinnt  Beinold. 
Von  seiudin  Schwiegervater  Ivo  verratlien,  wird  Reinold  nebst 
seinen  Brüdern  wieder  von  Malegis  befreit,  kämpft  siegieich 
mit  Bohind,  entlftszt  den  durch  seines  Vetters  Zauberei  in 
Mine  €tewalt  gerathenen  Kaiser,  worauf  nach  furchtbaren 
Kämpfen  und  Belagerungen  der  Friede  durch  Aia  vermittelt 
wird.  Leider  musz  das  treißiche  Bosz  Baiart  durch  seinen  Tod 
denselben  befestigen,  Beinold  wird  Eremit,  dann  Pilger,  hilft 
Jenisalem  einnehmen,  zurückgekehrt  geht  er  nach  Köln  und 
arbeitet  ala  Steinmetz,  wird  aber  durch  den  Neid  seiner  Ge- 
nossen auf  seine  Stftrke  das  erste  Opfer  der  Socialdemokratie 
und  darauf  Sdiutzheiliger  von  Dortmund. 

Dieser  kurze  üeberblick  über  den  Inhalt  diene  als  Hin- 
weis, dasz  das  üebermasz  von  Wuth  und  Blut,  welches  nicht- 
Terfeblt  haben  wird,  die  Tomehmen  Leser  und  Leserinnen 
des  XV.  und  XVI.  Jahrhunderts  in  sympathische  Aufregung 
10  versetzen,  uns  freilich  einen  last  kuniischen  Eindruck 
macht,  doch  sollte  man  nicht  mit  Gervinus  blos  diese  Schat- 
tenseiten der  immerhin  sehr  interessanten  Bomane  erblicken, 
sondern  auch  ihre  groszen  Eigenschaften  anerkennen,  die 
Gftrres  tretlend  zu  schildern  weisz.  „Wie  ein  Eichhaum 
stolz  und  fest  steht  dies  Werk  (die  üeimonskiuder)  in  der 


0  SimrocL  Vb.  III,  5. 

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—   66  — 


Um^ebunpf  einer  f^oszen,  historischen  Verßfanjrpnheit  nntw 
den  Jiitt«Mgedichten  da  ...  .  Wie  Hercules  abgebildet  wird, 
fest  und  grandios,  mit  gewaltigem  tarosem  Mnskelbao, 
breiter  hochgew5lbter  Brost,  aber  kleinem  Kopfe  und  nie- 
derer Stirn,  im  Ausdruck  einer  Innern  hornirten  Intelli- 
genz ])ei  überschwenglicher  Lo])ens-  und  Muskelkraft,  chibei 
mit  der  Miene  von  kecker  Buhe  und  Sicherheit,  and  der 
gntmfithigen,  ehrliehen  Herzhaftigkeit,  so  erscheint  Rainold  in 
dem  Werke.  Wie  ein  LOwe  stark  und  kühn,  trotzig",  auf- 
fabrend,  fest  auftretend  und  zennalmend  woliin  er  trifl't,  aber 
doch  wieder  besonnen  und  in  ruhig  bescheidener  Haltung; 
rasch  und  wild  im  Ausbruch,  dann  wieder  barmherzig,  mit* 

leidig  lind  inild  und  t^erecbt   So  wunderlich  fremd,  und 

strenge  und  dunkel  wie  der  Heerführer  (Karl)  ist  auch  seine 
Umgebung;  die  ganze  Genossensdiaft  ein  Granitsäulengang, 
ein  trotziger,  fester,  kecker  Heldenadel .. .  ergeben  ihrem  HOnig, 
abei  audi  st;irk  und  krüfti,:;-  auf  eigenen  Füs/.en  stehend,  und  durcb- 
aus  in  heroischer  Individualität  scharf  und  streng  gehalten 

Die  literarhistorische  Bedeutung  dieser  Romane  nnd 
deijenigen,  die  ihnen  verwandt  frfnd,  werden  wir  erkennen, 
wenn  wir  uns  sowohl  von  dem  Eiiuli  ucke  des  Komischen  oder 
Widerwärtigen,  den  uns  die  übertriebene  Grellheit  der  Farben 
zuerst  machen  mnsz,  als  auch  von  der  nicht  minder  snbjectiven 
Bewunderung  eines  GOrres  frei  halten.  Der  Zeit,  in  der  diese 
Werke  in  Deutschland  neue  und  beliebte  Erscheinungen  wann, 
haben  sie  ohne  Zweifel  solche  Eindrücke  nicht  gemacht.  Sie 
sind  vielmehr  treue  Abbilder  des  Geistes  nnd  Geschmackes 


')  Es  bedarf  kfitim  der  HcnK  ikniiLf,  «lasz  Göms  Vermuthnncr. 
(lein  Vorfassor  lial)i>  liif  Hins  voriri'scliwt  ot,  jt  t/<  kfim«  Boarhtunu'  mehr 
fiiKl'Mi  V'.xwn.  wir  il»  im  ubiMliaupt  Alles  bei  ihm  auszer  den  olt  trelf- 
liclicii  LliaruktcriAliken  längst  veraltet  ist. 


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—  67 


der  höheren  Stftnde  in  Frankreich  und  Deatschland,  wie  sie 

im  XV.  uiul  der  ersten  Hälfte  des  XVI.  JalirliuiidiTts  waren, 
sie  waren  dies  für  Deutschland  vielleicht  noch  etwas  länger, 
die  Wirkung,  welche  sie  auf  ihr  Pubiicam  her?orbrachten, 
war  eme  dnrchans  sympathische.  Allerdings  steht  fest,  dasz 
die  Stofte  und  auch  ein  guter  Theil  des  an  ilinen  so  zu  sagen 
hängen  gehliebenen  Geistes  der  Dichtungen  sehr  alt  sind,  älter 
als  die  Zeiten,  in  denen  die  französische  und  deutsche  Dichtung 
des  Mittelalters  den  Charakter  des  Höfischen  trug.  Aber 
?rade  darum  grill'  eine  Zeit,  grillen  G'scUseliaftsscliichten, 
welche  jenen  Charakter  wieder  abgelegt  hatten,  zu  ihnen  zu- 
rftek,  grade  ihre  Alterthümlichkeit  and  Bauhheit  machte  diese 
Diditongen  für  die  Zeit,  von  der  wir  reden,  modern.  Aehn> 
Bebe  Vorgange  begegnen  uns  namentlich  in  unserer  Literatur 
auch  zu  andern  Zeiten.  Wandte  sich  nicht  die  Sturm-  und 
Drangperiode  mit  Vorliebe  znr  Betraditnug  des  XVI.  Jahr- 
hmiderts?  "Wir  finden  in  den  siebziger  Jahren  des  vorigen 
Jahrhunderts  ganz  dieselbe  Bevoi7.ugung  des  derb  Cliaiakte- 
ristischen  Yor  dem  maszvoli  Schönen,  und  ebenso  nimmt  man 
hier  eine  ganze  Menge  ?on  Bohheiten,  die  bis  zum  Abge» 
sehmackten  gehen,  mit  in  den  Kauf.  Ja  bis  auf  die  Vorliebe 
für  die  prosai&che  Darstellung  gegenüber  der  metrischen  er- 
streckt sich  die  Analogie.  Nur  darin  liegt  ein  bezeichnender 
Uoterschied,  dasz  die  Stürmer  und  Drftnger  des  XVUL  Jahr- 
himderts  Originalgenies  waren,  wfthrend  die  Romane,  von  denen 
wir  reden ,  aut  dem  Boden  der  deutschen  Literatur  nur  die 
Bolle  von  importirter  Waare  spielen,  abgesehen  von  der  viel 
tieferen  und  allseitageren  Grundhige,  auf  welcher  die  von  jenen 
vertretene  Geschmacksrichtung  ruhte. 

Ich  lasse  nun  eine  Anzahl  von  Itomanen  folgen,  welclio 
nicht  nur  derselben  Zeit  angehören,  sondern  auf  die  auch  die 
Chaiakteristik  der  zwei  eben  besprochenen,  welche  als  die 

5» 


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—   68  — 


Hauptvertreier  dieser  Gruppe  gelten  dürfen,  im  allgemeinen 
ToUe  Anwendung  findet 

Hierher  gehört  demnach  zunächst  der  Roman  vun  Valentin 
und  Orso,  welcher  zum  ei-sten  Male  zu  Bern  im  Jahre  1521 
im  Druck  erschien.  Sem  Bearbeiter  ist  Wilhelm  Ziely  von 
Bern,  der  ihn  zugleich  mit  der  fthnlichen  und  gleichfalls  dem 
Kreise  der  Karlssagen  angehörenden  Geschichte  vun  Oiivier 
und  Artus  aus  dem  Frauzösichen  übersetzte  und  herausgab.') 
Den  Stoff  des  Valentin  und  Orso  behandelt  auch  das  nieder- 
deutsche Gedicht  von  Valentin  und  Namelos.  Die  zwei  Helden 
sind  Brüder  und  NcÜeü  des  Königs  Pipin  von  seiner  Schwester 
Belissane  und  dem  griechischen  Kaiser  Alezander,  die  das 
Unglück  haben,  schon  vor  ihrer  Geburt  mit  ihrer  Mutter  in 
die  Verbannuiiij^  geschickt  zu  werden.  Hieraus  folgt  die  gänz- 
liche Verwahrlosung  des  einen,  der  zum  wilden,  bärenähnlichen 
Manne  wird  und  daher  Ursen,  Orso,  Orsone,  in  dem  Gedicht 
Kamelos  heiszi  An  die  Schicksale  der  Haupthelden  knüpfen 
sich  noch  mit  groszt-r  Häufung  von  Wildem  und  Gräsziichem 
die  Tliaten  ihrer  Oheime.  Trotzdem  aber,  ja  vielleicht  grade 
deswegen  hat  sich  der  Boman  einer  sehr  weiten  Verbreitung 


')  Au^zcr  der  Zielyschen  Boarboitun«,'  j^icht  es  noch  eine  ältere 
und  kürzire  Prosa,  die  auf  niederdoutsoher  Qq.-11o  berulit  und  1465 
angefertigt  ist,  sowie  (natli  <ii'rvinus)  eine  jüngere  l'.'ber.sc'tzunjr.  w-  lclie 
Fraiikf.  157'J  gedruckt  ist.  (Jödi-ke  giebt  die  Ausgaben:  Frankf.  Kilian 
Han  IjGJ.  8^  und  Krankt.  l.';72  S'*  an,  mir  liegt  eine  o.  J.  Frankf.  a. 
M.  12°  durch  Wrygundt  Han,  in  der  Schnurgassen  zum  Krug,  vor,  und 
Weller  lührt  noch  zwei  Ausgaben  (Frkft.  löäfi.  8.  —  u.  Basel  1604  S) 
an.  Die  mir  vorliegende  hat  auf  der  letztL  ii  Seite  die  Notiz  :  Also  endet  sich 
hie  der  hiufT  des  ganzen  Lebens  der  redlichen  lütteren  Valentins  vnd  Orsi. 
Verdeutschet  durch  den  Weisen  Wilhelm  Zielly  u.  s.  w."  Die  fran- 
zösische Frosa  \  aleniin  et  Orst»n  erschien,  soviel  bekannt,  zuerst  Lyon 
1489  im  Druck  (Brunet  T.  IV.  p.  410.),  ferner  ebenda  11LI5.  ir>2<*.. 
Paris  o.  J.  (vor  löaO)  Lyon  1605.  Auszug  Bibl.  d.  R.  1777.  Mai  p. 
60—215. 


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—   69  — 

a  erfreuen  gehabt  Er  ist  nicht  blos  in  italienischer,  nieder- 
ISodischer  und  englischer,  ja  islftndischer  Sprache  erschienen, 

sondern  ist  in  Spanien  von  Lope  de  Vet^^a,  in  Deutschland  Ton 
Jakob  Ayrer'j,  der  als  seine  (Quelle  ausdrücklich  die  Bear- 
bflitong  Ton  Ziely  angiebt,  dramatisirt  worden.  Der  Stoff  des 
m  demselben  Schriftsteller  bearbeiteten  Olivier  nnd  Artns  ist 
•leinjf'niut^n  ähnlich,  den  Konrad  von  Würzhur^  nach  lateinischer 
Quelle  in  £ügelhard  and  Eng.  itnid  l>ehandelt  hat  und  der  auch 
der  Sage  Ton  den  sswei  Freunden  Amicns  nnd  Amelios  zu 
Gnmde  liegt.  ^)  Hafis  Sachs  hat  ihn  in  einer  siebcnactigen 
Gomedi  beliandelt,  nnd  auch  als  Erzälihint^  steht  er  in  Be- 
zug auf  seine  Verbreitung  dem  vorigen  gleich. 

Drei  gleich^ls  hierher  gehörige  Romane  sind  deshalb  zu- 
aimmenznstellen ,  weil  sie  in  sehr  bezeichnender  Weise  Ton 
vornehmen  Frauen  in  unsere  Literatur  eingeführt  worden  sind. 
Es  sind  die  Geschichten  von  Loher  und  Maller,  Tom  Hug 
Schapler  und  von  Pontus  nnd  Sidonia.  Der  älteste  Dmck  des 
ersten  ist  vom  Jahre  1514  (oder  1513).  und  was  seine  Her- 
kunft betrifft,  so  giebt  die  Von'ede  der  ersten  Ausgal)e  selbst 
an,  dasz  die  Gemahlin  Herzog  Friedrichs  von  Lothringen 
Margaret,  geborene  Gräfin  Widmunt  und  Frau  zu  Genweile, 
'las  Buch  1405  aus  dem  Latein  in  wälsche-')  Sprache  ge- 
schrieben, naclimaJi)  aber  £lisabetb,  Gräfin  von  Nassau  und 


'!  Im  Opus  tlieatricum  unter  Nro.  10.  17.  1«*^.  19.  in  vier  Theilen, 
deren  ;5  erste  Comedien.  «ler  letzte  Trafredi  cfotiannt  sind. 

Der  Zielysche  riuüian  ist  auch  eine  i  L-ljcrsetziin^  aus  dfiu 
Französischen.  Der  Gruiultcxt  erschien  zuerst  in  (iviif  14m\  Artus 
i*t  nicht  der  Britenheros,  sondern  Prinz  von  Algarbien.  Von  dem 
deabchen  Olivier  und  Artus  giebt  es  auch  eine  Ausgabe  von  Weygand 
Hin  in  Frankfurt. 

^]  Goedeke  Torsteht  hierunter  die  italienische,  nach  der  Oertlich- 
\ni  der  Ent«rtehung  wttrde  die  fruuOBitehe  nlher  liegen.  Ein  anderer 
>k  der  denteche  Text  iit  nicht  bekannt. 


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Saarbrücken,  die  Tochter  der  Margai*ete  von  Lotliringen,  es 
ans  dem  Wftlschen  ins  Deutsche  abenetzt  iiabe^). 

Was  den  Inhalt  nnseros  Romans  anbetrült,  so  gehOrt  er 
wie  die  vorher  genannten  zu  dem  Sagenkreise  Karls  des  Groszen 
und  hängt  hier  wieder  mit  dem  französischen  Romane  von 
Galyen  lestor^  zusammen,  denn  Loher  ist  der  Sohn  Karls, 
Maller  der  des  Galyen.  Er  steht  aneh  den  beiden  enletzt  er- 
wälinten  von  Valt^ntin  und  Orso  und  Olivier  und  Artus  noch 
besonders  nalie,  indem  auch  er  als  ein  Freondschaftsroman 
wie  jene  bezeichnet  werden  kann. 

m 

Die  erlauchte  Dame,  welche  Loher  und  Maller  ver- 
deutschte, bereicherte  die  deutsche  Literatur  aucli  noch  mit 
einer  anderen  Arbeit  derselben  Art.  Sie  übertrug  den  Hag 
Schapler  aus  der  franzOsichen  Chanson  de  geste  nach  einer 
Abschrift,  welche  ihr  Sohn  in  der  Kirche  des  heil.  Dionysius 
zu  Paris  sollte  genommen  haben.  Der  erste  Dmck  ihres 
Werkes  ist  vom  Jahre  1500  zu  Straszburg  FoP). 


straszburg.  Fol  —  Fcnu  r:  Frankf.  1507.  S".  -  Leipzii,' Ifil  1 . 
8.  Vergl.  auch:  L.  u.  M.,  eine  Kitterge.-cli.  nach  einer  uuLrevlruekteii 
Handschrift  bearbeitet  von  Fr.  Schlegel  (von  seiner  Frau.)  Frkf.  1SÜ.'> 
und  dazu  Wiener  Jahrbb.  der  Liter.  29,  71  ff.  und  31,  99  ff.  —  Kr- 
neuert  von  Simrock.  (Bibl.  der  Bomaue,  Novellen,  Geschiebten  et«. 
Stuttgart  1868.) 

s)  Ferner:  Stmzbnrg.  Grttmiiger  150S.  Fol.  —  Strassbnrg.  Grft- 
niuger  1587.  Fol.  Biese  Ausgabe  ist  ehie  von  Eonnd  Heindörffer 
verkttTEte  and  modemisirte  Ueberarbeitoog.  In  der  Vonrede  spricht 
sich  H.  über  sein  Yer&hren  ans  (vgL  Goedeke  Grondr.  S.  148.)  — 
Frkt  Kilian  H&n  1571.  8.  ~  Leipzig  1604.  8.  Erneuert  Ton  Shmr. 
Vb.  IX,  5.  —  Bas  fransOsiscbe  Original  ist  heransgegeben  in  den  an- 
ciens  poetes  de  la  France.  Paris  1864.  In  der  Vorrede  ist  die  Ent- 
stehung des  Gedichtes  untersucht  und  nachgewiesen,  dass  sie  swischen 
1312  u.  1340  falle,  auch  eine  frühere  Gestalt  nicht  anzunehmen  sei, 
da  Geist  und  Tendenz  der  Bichtung  der  Zdt  nach  Philipp  dem 
Schönen  angeboren.  Ebenda  eine  eingehende  Vergleichnng  des 
deutschen  Buches  mit  dem  (rmizösischen,  ans  der  herrorgeht,  dasz  das 


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—   71  — 

Der  Stoff  des  Hiigscliaplor  gfwiihrt  maniclitarlies  Inter- 
esse. Der  Held,  mit  welchem  Hugo  Capet  gemeint  ist,  der 
als  Nachfolger  Ludwigs,  des  Sohnes  Karls  des  Grozsen,  er- 
scheint, ist  der  Sohn  einer  Metzgerstochter  und  als  solcher 
trotz  iieiner  durchaus  ritterlichen  Tugendeiy  und  Abenteuer  ein 
fiepräsentant  des  aufstrebenden  und  selbstbewuszten  Bürger- 
thnms,  der  dnreh  das  Buch  wehende  Geist  ist  em  demokra- 
tiseher. 

Pontus  und  Sidonia  ward  von  Eleonore  von  Schottland, 
der  Gattin  des  Erzherzogs  Sigmund  von  Oesterreich,  mit 
welchem  sie  1448  his  1480  vermählt  war,  ans  dem  Franzö- 
sischen übersetzt  und  zum  ersten  Male  in  Augsburg  1485 
gedruckt.  Geprüfte  Liebe,  VeiTätlurei,  Heidi  nkiini[»fe  und 
überhaupt  die  vom  Zeitgeschmack  verlangten  gehäuften  Aben- 
teaer  bilden  den  Inhalt 

entere  eine  sehr  freie  Bearbeitung  ist,  die  Vieles  wegläszt  und  Manches 
liinsiifttgt.  Das  fransSeisehe  Qedicht  ist  trotz  seiner  grossen  Yonttge 
ftst  unbekannt  geblieben,  während  sieh  die  dentsche  Bearbeitung  einer 
grossen  Beliebtheit  erfreut  bat  Ein  Auszug  des  französischen  Ge- 
dichtes ist  der  Ausgabe  beigegeben,  ein  anderer  in  der  Bibl.  d.  B. 
Jaao.  1778.  p.  5.  70.  ist  wenig  werth. 

*)  Weitere  Drucke  sind:  Augsburg  Schtosperger  1498.  Fol.  — 
Straszborg.  Hart.  Flach  1509  Fol.  —  Straszb.  Sigm.  Bun.  1539  FoL  — 
0.  0.  1548  FoL  —  Frkfl  1557.  8.  —  Frankf.  o.  J.  12.  —  Frkf.  1568. 
-  Im  Buch  der  Liebe  1587.  —  Nümb.  1657.  8.  —  Nürnberg  1670.  8. 
Eine  Ton  der  der  Eleonora  Ton  Schottland  Terschiedene  Bearbeitung 
findet  sich  handschriftlich  in  Heidelberg  (Cod.  Päl.  14*2.)  Auszug.  B. 
XIX,  45.  und  o.  J.  Grimm  an  dem  weiter  unten  anget  0.  Erneuert 
ron  Simr.  Vb.  XI,  1.  Der  französische  Roman  ist  in  Lyon  v.  J.  (USO) 
inm  ersten  Mal  und  dann  öfter  gedruckt,  auch  früli  englisch  bearbeitet. 
Das  bohe  Alter  nnd  die  eclite  Sageiiliaftigkeit  des  StolTes  hat  J.  Grimm 
im  Museum  fUr  altd.  Lit.  u.  Kunst.  Bd.  II.  S.  284  ff.  nachgewiesen. 
Kr  findet  sich  niiinlich  schon  in  zwei  altenglischen  Gedichten  von  Horn 
n.'id  Kimenild,  deren  eines  nach  Grimm  im  XII.,  da^  andere  im  XIV. 
.^dirh.  entstand,  die  aher  auf  ^:ehr  allen  deutschen  Sagen  beruhen 
d&rften,  desgl.  in  einem  altiranzösischeu. 


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—   72  — 

An  vlie  Rumnno,  welche  nttorlicho  Freundscliaft  ver- 
herrlichen, schlieszt  sich  eng  an  der  Herzog  Herpia  oder  der 
weisase  Bitter  dessen  Gnmdmotiy  die  LOsnng  eines  Ter- 
siorbenen  nnd  Terschnldeten  Bittors  bildet,  so  jedoch,  dasz 
weitläufige  und  mif  grellen  Farl>en  geschilderte  A])enteuer 
überall  eingeflochten  smd.  Auch  er  ist  Iranzösiscken  Ursprungs. 
Der  erste  Dmck  ersdiien  1514  zu  Straszbnrg,  doch  ist  der 
Boman  auch  mebrfkch  handschriftlich  yorhanden^). 

Noch  gröszerer  Beliebtheit  auch  bis  in  die  neueste  Zeit 
hmem  hat  sich  die  schdne  Melusine  zu  erfreuen  gehabt.  Der 
deutsche  Boman,  dessen  Heldin  de  ist,  hat  den  Sdiweizer 
Thüring  von  Rmgoltingen  ^)  zum  Bearbeiter,  denn  er  Übersetzte 
ihn  14ü()  aus  d*  ni  Französischen  im  Auftrage  des  Markgrafen 
Budolf  von  Hohenburg.  Die  erste  datuie  Ausgabe  erschien 
zu  Augsburg  1474.  Fol.*).   Der  allbekannte  Steif  ist  sehr 


1)  Der  eigentliche  Held  des  Romans  ist  LSw,  der  Sohn  des  von 
Karl  dem  Grossen  ungerechter  Weise  verbaimten  Hersog  Herpin  von 
Barges,  nnd  der  weisse  Bitter  ist  der  Geist  des  von  LOw  ans  dem 
Bauchfange,  wohin  ihn  der  nicht  besahlte  Wirth  gehangen,  erlösten 
mttors,  welcher  ans  Dankbarkeit  ibm  als  Schntzgeist  rar  Seite  steht. 
Den  Schlnss  bildet  das  Wiedennsamment  reffen  IiGws  mit  seinen  Eltern. 

*)  Handschriften  in  Berlin,  Brannscbweig  nnd  Heidelberg.  (Kr.  152.) 
Dmcke  ausser  dem  ersten :  Frkfrt.  d.  Th.  Bebart  nnd  W.  Hanen  Erben 
8.  —  Frkf.  1579.  d.  P.  Beffler  in  Verlegung  Hartmann  Hahns  8.  — 
Im  Buch  der  Liebe  1587.  —  üeber  das  Verhältnisz  der  einzelnen  Be- 
lationen  herrscht  noch  einiges  Dnnkcl.  y.  d.  Hagen  giebt  in  seinm 
Gesamnitabentener  zwei  altdcntsclie  Gedichte  ühnlichen  Stoffes,  denen 
zwei  altfranz.  G«'dichtc  zu  Grunde  liegen,  und  spricht  von  einem  franz. 
Prosaroman  als  der  Grundlage  des  deutsclien.  Diesen  franz.  Koman 
vermag  ich  jcdocli  nicht  au&aweisen.  YergL  v.  d.  Hagen  Gesammt- 
abenteuer  Bd.  I  S.  XCVII. 

^)  Nach  Mono,  Anzeiger  1S3S,  012  Thüring  von  Roggeltingon. 
Auszerdeni  o.  0.  u.  J.  (Stranzburg,  um  1474.  F.)  —  v.  0.  u. 
uStra.'^zburg  um  1477.)  Fol.  —  o.  0.  u.  .T.  Fol.  —  o.  0.  1478.  Fol.  — 
0.  0.  u.  J.  (Ötraszb.  X'rüsz.  um  1466.)  Fol.  —  o.  0.  u.  J.  (Straszb. 


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—   73  — 

alt  and  wurde  schon  im  XII.  Jahrhandert  auf  vei-schiedene  • 
Orte  und  Personen  bezogen,   üebrigens  bildet  in  dem  Roman 

die  Geschichte  von  der  Fee,  die  mit  den  Grafen  von  Lusinien 
Tereheliclit  ist,  und,  als  der  Gemahl  die  Sonnabends  mit  ihr 
T<ff]gehende  onheimlicbe  Verwandlung  bemerkt,  die  Menschen- 
welt Terlassen  mnsz,  kanm  den  Hanpttbeil  des  Stoffes,  so 
sehr  sind  bunte  Abenteuer  nach  dem  Stile  der  Zeit  lose  da- 
mit verknüpft.  Die  Geschichte  spinnt  sich  noch  lange  fort, 
nachdem  Melusine  vom  Schauplatz  abgetreten,  und  man  weisz 
am  Ende  —  ein  Eennzeicben  dieses  epischen  Stils  —  nicht, 
wannn  den  Abenteuern  der  Söhne  nicht,  wie  es  im  Amudis 
der  fall,  die  der  Enkel,  der  Urenkel  u.  s.  f.  folgen. 

Dieser  Darstellungsart  und  nicht  dem  eigentlichen  Kern 
der  Sage ,  den  die  Neuzeit  sich  auf  ihre  Weise  anzueignen 
und  zu  würdigen  gewuszt  hat,  verdankt  es  das  Buch  haupt- 


1482.  H.  Knoblodizor)  Fol.  —  o.  0.  n.  J.  (Auj^sb.  A.  Sorir.)  1.  — 
Heidelberg.  H.  Kiioblochzer  Fol.  —  Straszbuig.  M.  Hüjtfurt'  15(K;. 

—  Aagsbursr.  H.  Stoiner  1538.  4.  —  Ebenda  bei  dfiiis,  1543.  4.  — 
Frkf.  Katb.  Ecbartin  u.  Kilian  Han.  1571.  8.  —  Straszb.  Cbr.  Müller 
1577.  S.  -  Straszb.  M.  v.  d.  Heyden  1624.  8.  —  o.  0.  u.  J.  8.  (Wun- 
derbare Gesch.  V.  d.  etc.)  —  o.  0.  u.  J.  S  (historische  Wunderbeschrei- 
bung  etc.)  —  \n{  l  in  neues  übersehen,  o.  0.  u.  J.  i  c.  1700).  S,  —  o.  0. 
1739.  8,  —  Freybnrj^  im  Ilopfcnsack  o.  J.  8.  —  Philadelphia  o.  J.  8. 

—  Frkf.  u.  Lcipz.  o.  J.  [c.  IT.'jO.)  8.  Erneuert  v.  Sinirock.  Vb.  VI,  1. 
0.  Marbach.  Vb.  Nro.  3.  Bearbeitung  v.  Zachariae  1778.  Vgl.  Görres 
Nn>.  40.  Die  nächste  Quelle  des  deutschen  Bomans  Ton  der  Melusine 
iit  der  franidtische  Frosaroroan,  welcher  im  XV.  Jahrh.  entetand  und 
ab  dessen  erste  datirte  Ausgabe  GrSsze  eine  Genfer  in  Fol.  von  1478 
«rwilmt  Das  frans.  Buch  erschien  wie  das  deutsche  in  rielen  Auflagen 
nnd  erfuhr  mehr&che  ümarbeitungen.  Es  geht  seinerseits  wieder  auf 
ein  lateinisches  Gedicht  Ton  Jean  d*Arras  zurftck,  welches  dieser  1B87 
im  Auftrage  des  Herzogs  Johann  Ton  Berry  Terfkszte.  (Vgl.  Bragnr 
Bd.  IV,  Abth.  n.  p.  176  f.)  Die  Sage  aber  ist,  wie  gesagt,  Tiel 
ilter,  schon  Walther  Map  behandelt  sie  mehrfitch  nnd  kennt  sie  in 
Wales  loeilisirt 


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74  — 


sachlich,  dn8'/  es  mehr  Auflagen  sclion  im  XV.  Jahrhiiiidert 
aufzuweiüeü  hat  alä  die  anderen  der.selben  Gattung.  Vor  der 
Au&ssimg,  als  kOnne  dem  XV.  und  XVI.  Jahrhundert  daran 
dasselbe  gefallen  haben  wie  dem  XIX.,  nnd  besonders  dem  Meister, 
dor  „das  Flürchen"  durch  seine  Bilder  von  neuem  berühmt 
und  beliebt  gemacht,  will  ich  meine  Leser  besonders  gewarnt 
haben. 

Eine  der  allerbeliebtesten  Geschichten  ihrer  Zeit  war  die 

erst  um  80  Jahre  später  als  die  Melusine  in  Deutsclilaiid 
eingeführte  schöne  Magelone.  Veit  Warbeck  übersetzte  sie  aus 
einem  französischen  Buche,  und  Georg  Spalatin  yersah  sie  mit 
einem  empfehlenden  Sendschreiben,  sie  erschien  zuerst  zu 
Augsburg  bei  Stayner  1581).  4^  ').  Der  Inhalt,  ^sek•lier  sich 
mit  älteren  deutschen  Dichtungen  wie  der  von  der  guten  Frau 
und  dem  Meistergesänge  vom  Grafen  von  SaToyen  berOhrt^) 
und  die  Trennung  und  endliche  Wiedervereinigung  zweier 
Liebenden  zum  Gruudinutiv  hat,  ist  dadurch  bedeukiam,  dasz 
er  gegenüber  den  bisher  behandelten  Werken  schon  eine  Art 
Fortschritt  bekundet.   Deutlich  n&mlich  tritt  hier  die  Neigung 


<)  Ferner:  Aügsbarg  1545.  4.  —  Frkf.  1549.4.  —  Frk£  1550.  4.  ~ 
Prkf.  1553.  4.  —  0.  0.  1556.  4.  —  o.  0.  1593.  8.  —  Leipz.  1611.  8.  — 

Nürnb.  Endter  (um  K'nOi  s.  -  Nürnb.  ir.TS.  8.  —  Nürnberg  Endter 
1741.  8.  —  Görres  Nro.  21.  —  Simr.  Vb.  L  2.  —  0.  Marbach.  Nr.  5. 

—  Tieck.  Phantasus  I,  .'). 

»)  Goed.  Gruudr.  §42,  §  88  ii.  M.  A.  S.  701.  vgl.  uuch  v.  d.  Hagen. 
Gesammtab.  I,  14.  u.  S.  CXXXIIl.  iV.  DerStoll"  ist  uuch  in  einer  spä- 
teren Er/.ühlung  „Historia  von  Pliyloconio"  (o.  0.  u.  J.  4»  und  Nürnb. 
Gutknecht  1515.  4.)  auf  einen  Könijrssolm  v.  Portugal  und  in  Schu- 
niaiins  Nachlbüchleiu  1559  anl'  einen  (üiristopli  von  3Iiini)>elsrart  über- 
Iriij^en.  (iervinus.  II,  303.  —  Die  französische  Vorlage  Warbecks  er- 
schien datirt  ziicrst  o.  0.  1480.  i Auszug  d.  Pi.  1779,  Aout  pag.  91.) 
und  ist  nach  eigener  Angabe  1157  gefertigt.  Schon  im  XII.  Jahr- 
hundert .soll  die  (Te<cJiichte  prMveTu;a]isc]i  behandelt  und  dann  von 
Petrarca  verbessert  medergeocbriebeu  worden  sein. 


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—  75 

benror,  das  Interesse  mehr  auf  die  Hauptsache  und  die  Haapt> 
penonen  m  beschränken,  die  Liebesgeschichte  Ton  den  in  an- 
dern Romanen  so  sehr  überwie<renden  freradailigon  bunten 
and  reichen  Aboiteaem  frei  zu  halten  und  daför  ihrerseits 
mdir  mit  DetaUschildemngen  auszustatten.  Dasz  dadurch  die 
Gattung  an  künstlerischer  Freiheit  und  poetischem  Werth  ge- 
Winnen  mnszte,  liegt  auf  der  Hand. 

Nicht  weniger  als  die  Melusine  und  Magelone  nimmt  unser 
hiteresse  der  Kaiser  Oetamnus  in  Anspruch,  der  von  Wilhelm 
Saizinann  aus  dem  Franzusiscben  üluMtrai^en  und  1535')  das 
erste  Mal  zu  Straszburg  bei  Giüninger  Fol.  gedruckt  ward. 
Der  Inhalt,  welcher  meines  Eraditens  am  deutlichsten  die  ge- 
naue Verwandtschaft  der  verschiedenen  Werke  unserer  Gattung 
untereinander  anschaulich  macht,  indem  er  fast  in  jedem  seiner 
Theile  an  eines  derselben  anklingt  —  man  kann  Motive  aus 
Yalentm,  Hngschapler,  Fierrahras  darin  leicht  finden,  ahge- 
Beben  Ton  anderen  mittelalterlichen  Dichtungen  —  und  auch 
dne  sehr  bunte  Folge  von  Abenteuern  bietet,  ist  in  Kürze 
folgender.   Die  Matter  des  Kaisers  Octavianus  bringt  seine 

')  Ferner:  o.  0  154:).  4.  —  Zürich  o.  J.  4.  —  Straszb.  Frölich 
1348.  4.  —  Cöln  (J.  0.  Aich.)  v.  J.  4.  -  Oilln  15SS.  —  Augsburg 
3Jaüger  (c.  1600)  o.  J.  8.  —  o.  0.  1678  (Mlz.  1184.)  —  Nünih.  161)6. 
8.  —  Nörnb.  o.  J.  8.  —  o.  0.  u.  J.  S.  —  Frankf.  u.  Lpz.  o.  J.  8,  — 
Lpz.  0.  J.  (c.  1840).  Erneuert  v.  8imr.  Vb.  II,  .">..  Marb.  Nro.  6.  u. 
Tieck.  —  Vgl.  Corres  Nr.  17.  In  der  Vorrede  lioiszt  es:  „Darum  hab 
ich  Wilhelm  Salzmann  micli  c^eflissen,  diese  Histori  an  den  Tag  zu 
bringen,  wie  wohl  die  vor  langen  Zeiten  von  den  gelcrten  ist  zu  latoin 
geschriben,  danach  überlang  in  französische  Zunge  bracht."  Die  Quelle 
ist  Lhistoire  de  Floreut  et  Lyun,  enfant.s  de  rcmpercur  de  Korne  lOc- 
tlfien)  Paris  s.  a.  4.  Troyes  s.  a.  8.  Hier  htiszt  es  im  Prolog:  ce 
fiorrc  a  este  translate  de  latin  en  f'ran<;oi.-<,  extraict  des  croniques  et 
pov  ce  que  plusieurs  se  delectent  a  lire  en  prose  a  ctc  tran.^late  de 
liftme  en  prose  ainsi  qai  sensuit.  Ein  lateinischer  Text  i»t  nicht 
bekannt,  Salznianns  Angabe  gründet  Bich  jedenfalls  nnr  anf  diese  Stelle, 
^>g«geD  eiistirt  eine  Bearbeitimg  in  fnaa.  Yerteo. 


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Gemahlin  bei  ihm  in  den  falschen  Verdacht  der  lJntr»'ne,  wes- 
halb er  sie  mit  zwei  neagebornen  Söhnen  in  den  Wald  yer- 
stOszt.   Der  eine  Sohn  wird  ihr  von  einem  Affen  geraubt, 

die><em  jagt  ihn  ein  Ritter  luid  diesem  wieder  Räultcr  ab, 
welche  ihn  an  den  auf  einer  Pilgerschait  begrificnen  Bürger 
Clemens  ans  Paris  Torkaiifen.  Den  anderen  Sohn  nunmt  eine 
Löwin  mit  sich,  beide  trägt  ein  Greif  davon  und  anf  eine 
Insel,  wohin  bald  darauf  auch  die  Kaiserin  durch  ein  Schiff 
gelangt  Sie  nimmt  den  Sohn  and  die  Löwin  mit  nach  Je- 
msalem.  Clemens  errieht  unterdessen  Florens  —  so  hatte  er 
das  gekaufte  Kind  g<»nannt  —  mit  seinem  Sohne  Claudius  zu- 
sammen. Flürens  zeigt  durchaus  kein  Geschick  zu  bürgerlicher 
Handtierang,  kauft  vielmehr  zum  groszen  Verdmsz  seines  Pflege- 
vaters einen  Sperber  und  ein  schönes  Rosz.  Jetzt  fallen  die 
Türken  und  Heiden  in  Fiankreich  ein,  wo  der  fromme  Könii,' 
Dagobert  herrscht,  an  ihrer  S^titze  der  Sultan,  der  eine  srhöne 
Tochter  Namens  Marcebilla  hat.  In  seinem  Gefolge  befindet 
sich  ein  RiesenfBrst,  der  mit  höhnenden  Worten  die  christ- 
liclicn  Kitter  lierausfordert.  Florens  rüstet  sich  mit  alten 
W.ill'.'ii  und  erschlägt  ihn .  macht  Marcebiilens  Bekamit- 
Schaft  und  verrichtet  in  dem  blutigen  Kriege  vor  Paris  grosse 
Heldenthaten.  Schon  hatte  er  Marcebilla  entfahrt,  als  er  mit 
seinem  unerkannten  Vater  Ortaviaiuis,  der  dem  König  Dagobert 
zu  Hülfe  gekommen  war,  ia  üel'angenschatt  gerieth.  Die 
Türken  nehmen  beide  auf  ihrer  Flucht  mit,  werden  indesz 
von  Lion,  Florens  Bruder,  angetroffen  und  gänzlich  geschlagen, 
worauf  die  Befreiung  des  Kaisers  und  des  Flurens,  die  Wieder- 
erkennung zwischen  dem  ei'steren  und  seiner  Gattin  nebst  den 
beiden  Söhnen,  sowie  endlich  die  Hochzeit  des  Florens  mit 
Marcebilla  folgt.  Damit  auch  Lion  versorgt  werde,  heirathet 
er  die  Tochter  des  Königs  von  Spanien.  Florens  wird  in  der 
Folge  König  von  England,  sein  Sohn  ist  Wilhelm. 


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—   77  — 


Das  in  der  Komanliteratur  des  XVI.  Jahrhunderts  sehr 
beliebte  Motiv  von  geprüften  nnd  bewährten  edlen  Frauen, 

welchem  silioii  im  Kaiser  Ocüivianus  eine  Rolle  spielt,  tritt  in 
eiüigen  anderen  Koiniinen  noch  mehr  hervor.  So  in  dem  sehr 
bdiabten  und  anziehenden  Buche  vom  lUtter  Galmy,  welches 
dem  Anscheine  nach  gleich 'den  yorhergehenden  aus  franzö- 
sischer Quelle  stammt  ')  und  im  XVI.  Jahrhundert  in  zahl- 
leicben  Ausgaben  erschien. 

Den  Stoff  giebt  das  „Aj^^ent"  selbst  folgendermaszen 
an:  „Inhalt  dfser  History  ist  /  von  ein  Edlen  nnnd  Thewren 
Ritter  genandt  Galmy  /  ausz  Schottenland  geboren  /  wie  der 
inn  80  einer  innbrünstigen  /  züehtigen  Liebe  gegen  einer 
Hertzogin  Ton  Britannia  entzfindt  /  derhalb  Er  Yon  der  Hertzogin 
rane  Schottenland  verschickt  /  zu  bewaren  des  guten  Leumbdens. 
Wie  auch  die  Hertzogin  inn  abwe^en  jhres  Herrn  d^is  Hertzogen/ 


»)  Po  Goedeke,  Gruii'lri':/.  S.  121.  Wenn  die  Angabe  von  Ger- 
vinus.  Bd.  II.  8.  36o,  wonach  eine  Aus^Mbc  von  1511  existirt.  richtig 
i't.  .so  könnic,  weiiii^stens  für  diese  Ausgabe,  (ieorg  Wickrani  niclit  der 
Bearbeiter  sein,  wie  es  Goedeke  S.  III  für  niöglicli  hält.  Weitero 
Aasgaben  sind:  Straszburg.  Frölich  1.j30.  4.  —  ebenda  v.  dems.  1540. 
4.  -  de<gi.  1548.  4.  —  Frkf,  a.  M.  1564.  8.  —  Frkf.  1568.  8.  — 
Strsib.  1588-  8.  —  o.  J.  Augsb.  Mich.  Manger  (liegt  mir  vor.)  —  o. 
0.  J.  Hertz.  1675.  (Mlz.  N.  lls;).).  Gräsze  sagt  in  einer  Amn.  IV.  S. 
301,  da?;:  ihm  die  Quelle  des  Galmy  Bandellos  Novelle  P.  11  nr.  44 
zu  mu  scheine,  wa.'^  sich  dadurch  erledigt,  da.'^z  die  erste  Ausgabe  von 
Biüdello.^  Novellen  1554  in  Lucca  erschienen  ist.  Nach  all  diesem  ist 
tievisges  über  die  Entstehung  des  Buches  erst  aus  weiteren  Special- 
Botersacbungen  zu  erwarten.  Ob  die  zwei  Bücher  Galbm  in  Pftterichs 
Ehrenbrief  mit  unserem  Galmy  etwas  zq  fhun  haben,  mSefate  leb  doeh 
Meh  i]8  offene  Frage  Muehen.  Jedenfalls  ist  fchatsSchlieli,  dau  der 
Galioy,  welcber  in  Strasxburg  bei  Frdlieh  erschien,  nicht  nnr  dnzch 
^  Gleichheit  des  Dmckortes  und  Verlegers  den  Gedanken  an  Wiek- 
nm  erregt,  sondern  anch  im  sprachlichen  Ansdrack  nnd  der  Anffit^nng 
^  StoiEes  mit  den  Werken  jenes  sehr  grosse  Verwandtschaft  seigt 

die  Beilage  Nro.  II  zn  diesem  GapiteL 


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—   78  — 

seiin  Marschalck  vertrawet  vnd  befolhen  /  der  sie  /  darumb 
das  sie  jhm  nit  seines  matwillcns  bewilligen  wolt  /  duroh  ein 

erdichte  Anklang  /  als  ein  Ehebrecherin  /  gegen  dem  Landts- 
fHrston  verklagt  /  vnnd  zum  Fewer  verurtheilt.  Vnnd  wie 
Gkklmy  inn  eines  M6nch8-(Testalt  /  nach  dem  der  Hertzog  selbs 
wider  vom  gelobten  Landt  kommen  /  ein  Kampff  mit  dem 
Verratherischen  Marschalck  bestünde  /  der  Hertzogin  vnschuld 
an  Tag  braclit  /  vnd  den  Marschalck  ins  Fewr  /  das  er  der 
falsch  beklagten  Hertzogin  bereitet  /  wurff  vnd  verbrandt  / 
vnnd  nach  absterben  des  Hertsogen  seine  geliebte  Hertzogin 
zu  der  Ehe  nan  /  soincr  Keust^hen  waren  Liebe  ertrewet  / 
vnnd  ein  gewaltiger  Hertzog  inn  Britannien  ward.  Sampt 
anderem  anbang  /  sehr  lustig  /  vnnd  ohn  allen  anstosz 
mennigklich  zu  lesen.  Mit  beziemng  jhrer  Figuren  nach  einer 
jegklichen  Handlung  /  so  sich  neben  vnd  weytleuflftiger  zu- 
tragen". 

Die  Geschichte  von  der  geduldigen  Helena  behandelt  nach 
einem  m  franzosischer  Prosa  abgefiiszten  Bachem)  den  anszer- 

ordentlich  beliebten  und  schon  im  Älittelalter  mehrfaeb  in 
Prosa  und  Versen  behandelten  StoÜ'  von  einer  Königstochter, 
welche  von  ihrem  Vater  zur  Ehe  genommen  werden  sollte, 
jedoch  entfloh,  einen  König  heiratbete,  durch  die  R&nke  ihrer 
Scliwiegeiniutter  mit  zwei  neugeboiiien  Söhnen  in  die  Ver- 
bannung getrieben,  lauge  Jahre  der  Dienstbarkeit  und  des 
Elends  durchmachte,  um  endlich  Vater,  Mann  und  Söhne 
wiederzufinden  und  glflcklich  zu  enden.  Datirte  Ausgaben  des 
deutsclit  ii  Romans  scheinen  bis  jetzt  nicht  bemerkt  wordea 
ZU  seiUf  auch  scheint  die  deutsche  liomanform  zu  den  obscu- 

1)  Le  rotun  de  1a  belle  HeUuie  de  Constantmople,  m^re  de  Si. 
Martin  de  Toms  et  de  saipt  Brice  son  fir^e.  Paris  s.  a.  4.  —  Paris 
1586.  —  Troyes  s.  a.  8.  Ausnig  in  Hei.  tir^  d*ane  grande  Bibliothöqne 
T.  YUL  p.  182.  aq. 


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—  79  — 


rereo  BebattdlangOD  des  Stoffes  zu  gehdron.  Was  aas  ihm 
gnnaeht  werden  konnte,  hatten  andere  schon  yorweggenommen. 

Mit  diesem  Stifte  solir  nalie  verwaiuU  ist  der  aus  oincm  Buche 
des  französischen  Jesuiten  fienatus  Cericios  ftbersetzten  Boman 
von  der  Hblanda,  der  erst  dem  siebsehnten  Jahrhundert  an- 
gehört ')  Dassolhp  fianzösisclio  Buch  ist  die  nächste  Quelle 
der  allbokamiton  (ieschichte  von  der  Pfiilzgräfin  Ginöfeva, 
deren  Stoff  übrigens  ebenso  wie  der  der  Hirlanda  älter  ist  ^ 
Beide  Bflcher,  wie  auch  wohl  das  von  der  geduldigen  Helene, 
^ind  also  hier  nur  als  Siiätlin<(e  zu  erwäliiirn,  und  wt  il  «l.nauf 
aufmerksam  gemacht  weiden  uiusz,  daaz  auch  sie,  die  wie  die 
biilier  betrachteten  älteren  fiomane  gern  als  Hauptrepräsen- 
tnten  der  sogenannten  Volksbflcher  angeführt  werden,  üeber- 
Setzungen  aus  dem  Französischen  sind.  In  der  deutsriicn 
Prosadichtung  des  XV.  und  XVI.  Jahrhunderts  wurde  auszer 
durch  den  Büter  Galmy  ihr  Qmndmoti?  durch  die  weiter 
unten  zu  erwähnende  Oriseldisgeschichte  vertreten.  Denn  ehe 
VIT  ZU  den  zahlreichen  Beiträgen,  welche  der  deutschen  Lite- 
lator  aus  italienischen  Novellen  zuflössen,  übergehen,  bleibt 
ms  noch  eine  Anzahl  von  infolge  Aires  durchaus  mittelalter- 
BAcn  Zuschnittes  zu  den  bisher  betrachteten  Werken  gehörigen 
ßomanen  übrig,  weiche  nach  der  Herkunft  ihres  Stoßes  und 
nm  Theii  nach  ihrem  Geiste  eine  einigei-maszen  besondere 
Siettung  einnehmen. 


')  Vcrgl.  ,,des  Buliflcrs  Köni^'-^tochier  von  Fiankreicli  etc.  herauflg. 
V.  Iii.  M.Tzdorf"  S.  18  ff.  Gürres  Nio.  18.    Lei  Simic^ck  X,  5. 

*j  Görrcs  Nro.  19.  bei  Sinirock  XII,  2.  Marbach.  Nr.  21.  licnatus 
C€ricius  war  16(K^  in  Nantes  geboren,  sein  Werk  erschien  unter  dem 
Tit«l  L'innoceiice  rcconnue  zu  Paris  1647. 

K>  liudet  sich  ^chun  127J  in  dem  Buclie  <  Kanneliterniönchcs 
Mttthias  Kinuiej  ich  zu  Boppard  .,Hi.->toria  de  exordio  capellae  Frawen- 
teehen.  Vgl.  M.  Emmerich,  Genevieve  de  Brabant  trad.  du  Latin  p.  M. 
E.  d«  la  BedoUiäre  Paris  1841,    Bei  Simrock  I,  4.   Marbach  Nro.  8. 


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—  80 


Der  Däne  Ogier  gehört  bekanntlich  zu  den  Paladinen 
Karls  und  ist  der  Held  iranzödischer  Dichtungen  in  Versen 
wie  in  Prosa  geworden  0«  io  der  deatschea  Bonuuüitenitiir 
tritt  er,  so  viel  bis  jetzt  bekannt,  nor  in  einer  erst  1571  *)  er- 
schienenen üebersetzun^  aus  dem  Dänischen,  welche  einen 
C.  Egenberger  von  Wertheim  zum  Verfasser  hat,  auf. 

Wahrend  mit  Sicherheit  anzonehmen  ist,  dasz  im  Ogier 
altnordische  Sagenelemente  liegen,  dürfte  vielleicht  die  „Riesen- 
Geschichte"  vom  König  Eginhard  aus  Böhmen,  welche  nach 
Görres  aus  der  böhmischen  Chronik  des  Wenceslaos  Hagecius 
stammt,  wenigstens  Bmch&tücke  shiwischer  Sagen  enthalten. 
Das  wohl  erst  hlkshstens  gegen  Ende  des  XYI.  Jahrhunderts 
in  der  deutschen  Literatur  aufgetretene  Bihh  erzählt,  dasz 
flginhard  Kaiser  Ottos  Tochter  Adelheid  aus  dem  Kloster 
entführte,  daffir  aber  spftter  Yerzeihnng  erhielt,  womit  Zanber- 
geschichten  und  Eiesenkämpfe  in  äuszerst  lose  Verknüpfhng 
gebmcht  sind^). 

Aach  an  Geschichten,  welche  das  classische  Alterthnm 
snm  eigentliche  ürspmng  haben,  dem  Mittelalter  aber  in 
iiiittelalterlieh  ritterlicher  Umgestaltung  weiiih  waren,  tUnd 
die  Zeit,  welche  die  Prosa  dem  Verse  vorzuziehen  anfing, 
Ge&llen.  Natürlich  gingen  die  Bomane,  welche  hierher  ge- 
hören, direct  anf  die  ihnen  am  nächsten  liegenden  und  be- 
quemsten Quellen  zurück.  So  setzte  Johann  Haitliob  für 
Albrecht  III.  von  Bayern  die  Alexandergeschichte  in 
Prosa  am,  in  Augsburg  wurde  sie  1472  zuerst  gedracki» 


t)  Vergl.  Dunlop-Liebrecht  S.  139  ff. 
»)  Frkf.  a.  M.  8. 

3)  Smr.  Vb.  Vif,  2.  Marbach  Nro.  33.  Görres  (Nro.  13.)  jricbt 
auch  an,  das/  die  Chronica  Boheiniae  von  Potor  Becklern.  Frankf.  1695, 
Gap.  6.  die  Geschichte,  freilich  etwaa  abweicheud,  erauUile. 


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—    81  — 

£in  anderer  Prosa-Alexander  existirt  handschriftlich  /u  Drea- 
deo.  *)  Mefafere  prosaiBohe  Bearbeitungen  sind  vom  Tro^janer- 
kriege  vorhanden,  hochdeutsche  sowohl  wie  niederdeutsche.  • 
Den  Drucken,  deren  ältester  (latiiter  in  AiH<j:s1)urg  1474  her- 
tosgegeben  ist,  Jiegt  meist  die  von  Hans  Mair  von  Nördiingen 
n  Grande,  der  schon  im  Jahre  1392  sein  Werk  abfaszte^. 

Weit  mehr  als  diese  letztgenannten  Bücher,  welche  ihrer 
ganzen  Haltung  nach  mehr  seinsollende  Gesell  ich te  als  Dichtung 
geben  und  demnach  nur  nebenbei  als  zu  den  Bomanen  ge- 
hörig beseiefanet  werden  dürfen,  nehmen  zwei  echte  und  sehr 
berühmte  Romane  unser  Interesse  in  Anspruch,  welche  auch 
in  der  Zeit,  von  der  wii*  reden,  eine  bedeutende  Rolle  gespielt 
haben,  ihres  Inhaltes  wegen  ahet  eine  yereinzelte  Stellung  ein- 
nehmen. Ich  meine  den  Apollonius  von  Tyrus  und  den  noch 
Toa  Tieck  wieder  hearlK'itoton  Fortunatus. 

Was  zunächst  den  Apollonius  betrifft,  so  vordanken  wir 
den  deutschen  Boman,  der  ihn  zum  Helden  hat,  dem  vor« 
trafflidien  Heinrich  Btemhdwel,  Ton  dessen  Verdiensten  um 
die  deutsche  Erzählungsprosa  noch  weiter  wird  die  Kede  sein 
müssen.  Steinhöwels  Vorlage  war  die  lateinische  Bearbeitung 
des  Gottfried  von  Yiterbo,  und  auch  bei  ihm,  obwohl  er  viel 
wenigw  das  Abenteuerliche  herrorhebt  als  Heinrich  Ton  Neuen- 
stadt, welcher  einen  versificirten  Apollonius  geschrieben  hat, 
verleugnet  der  Boman  keineswegs  seinen  griechisch -byzanti- 
mscheii  Ursprung.  Der  Boman  erschien  zuerst  in  Folio  bei 

^  YergL  Genrinos  IL  886. 

*)  Efaie  Ton  dieser  Bedaetion  Tenchiedene  Prosa  befindet  sich  hi 
Beifin  haadschiiftlich,  ftbereinstimmend  wahrscheinlich  mit  einer  Hand- 
■ebift  in  Qiesien  (geschrieben  1417  und  Uner  gefaszt).  Eine  dritte 
Besibettang,  die  in  einer  Handschrift  von  1486  eiistirt,  hat  Heinrich 
MS  Bnumschweig  mm  Urheber  nnd  schlietit  sich  an  Conrad  von 
IVlisbarg  an,  wihiend  die  anderen  Gnido  von  Colonna  zur  Qnelle 
hiben.  YergL  Gervinns  II,  848. 

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—  82  — 

Zainer  in  Aug$l)urg  1471  <)•  Der  Stoff,  welcher  mit  den  for- 
nehmsten  SagenstolVen  des  Mittelalter  an  Alter  und  Ver- 
•  breitung  in  einer  Beihe  sieht,  ist  in  Kürze  folgendart  KiHmg 
Anttochns  von  Syrien  lebt  mit  seiner  Tochter  in  BlatBchaade, 
die  Freier  erhalten  Räthsel  vorgelegt  und  werden  theüs  unter 
dem  Vorwande,  sie  nicht  gelöst  zu  haben,  getödtet,  theils  da- 
dnreh  abgeschreckt.  Apollonias  löst  das  B&thsel,  dessen 
Gegmistand  die  Schandthai  des  KOnigs  selbst  isi  Dieser  be- 
streitet die  Richtigkeit  der  Lösung  und  setzt  einen  Prei« 
auf  den  Kopf  des  Apollonius,  welcher  sich  deshalb  heimlich 
ans  Tyms  entfernt  und  nach  Tarsns  gelangt,  wo  er  sich  um 
die  Binwohnerschafb  durch  groszmflthig  in  einer  Hnngersnoth 
gewährte  Hülfe  verdient  macht.  Als  er,  vor  den  Verfolgungen 
des  Antiof  liu>  durch  Stranguilio,  einen  Tarsier,  gewarnt,  sich 
wieder  zn  Schiffe  begiebt,  leidet  er  Schiffbrneh  und  kommt 
nach  Pentapolis,  macht  sich  dnroh  seine  Fertigkeit  im  Ball- 
spiele mit  dem  König  Archistrates  bekannt  und  heirathet, 
nachdem  er  sich  dmch  sein  meisterhaftes  Harfenspiel  wie  seine 
sonstigen  persönlidien  VorzQge  werth  gemacht,  dessen  Tochter 
Ladna.  Da  kommt  die  Nachricht,  dasz  Antiodius  von  ^sprien. 


0  Ferner:  Augsburg.  Bämler  147r>.  4.  ^  Aagib.  Sorg.  1479.  FoL 
—  Augsb.  Steyner  1540.  4.  —  Augsb.  H.  Ziinmemiaiui  ld52.  4.  Eine 
niederdeutsche  Ausgabe  erschien  Hamborch  IGOl.  Erneuert  Sinir.  Vb. 
III,  3.  Vgl.  auch  R.  XX,  257.  —  Hinsichtlich  des  Alters  und  der 
Verbreitung,'  dos  Stoffes  sei  hier  erwähnt,  dasz  in  Deutschland  die 
älteste  Erwiihimng  sich  in  Lamprechts  Alexander  findet,  von  dem  pros. 
lat.  Texte  Handschriften  aus  dem  XII.  Jahrhundert  existirtMi,  uml  ilüs  mit 
Siclierlieit  an/.unelimende  griechische  Original  nicht  melir  vurhanden  ist. 
Die  Bearbeituntj  Gottfrieds  ist  in  Leoninischen  Hexametern  abgefaszt, 
eine  dritte  lat.  Kecensiün  entlialten  die  Gcsta  Romanorum.  Auszerdem 
giebt  es  Bearbeitungen,  theils  versificirtc,  theils  prosaische  in  spanischer, 
italienischer,  angelsächsisclier,  englischer,  französischer,  niederländischer, 
dänischer,  böhmischer  und  «griechischer  Sprache.  Unter  den  englischeil 
ist  Shakespeares  l'crikles  hervorzulicbcu.    Vergl.  Gräsze  IV,  457. 


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—  83  — 


voo  der  Bache  des  Uinmiels  ^ctrofieu,  mit  seiner  Tochter  um- 
gekommea  sei  und  das  Volk  ihn  zum  Könige  gewählt  habe. 
Auf  der  nun  angetretenen  Reise  naeh  Syrien  stirbt  Ltieina  bei 
der  Geburt  eiiior  Tochter.  Sie  wird  in  einer  Truhe  ins  Meer 
gesetzt,  von  diesem  m  der  Gegend  von  Ephesus  ans  Land  ge- 
tragen and  durch  dnen  tüchtigen  Aizt  ins  Leben  znrQckgo- 
rofen.  Sie  zieht  sich  in  den  Tempel  der  Diana  zurück. 
Apolionius  landet  in  Tarsus  und  laszt  seine  Tochter  Tarsia  bei 
Stiangiiilio  und  dessen  Gattin  Dionjsiades,  die  sie  mit  ihrer 
Tochter  ersiehi  Ihre  Sebtoheit  erweckt  den  Neid»  der  Pflege- 
mutter und  sie  trägt  daher  eiuein  Kneehte  auf,  sie  zu  tödten, 
diesem  aber  wird  Tarsia  durch  Seeräuber  entrissen.  Vorher 
jedoch  hatte  ihr  Licorides,  die  Amme  ihrer  Mutter,  sterbend 
über  ihre  Herkmift  die  nftthige  Aufklärung  gegeben.  Die 
Seeräuber  verkaufen  Tarsia  an  einen  Kuppler  in  ^litylcne,  in 
ein  Freudenhaus  gcbmcht  weisz  sie  durch  Bitten  und  ihre 
Fertigkeit  im  Harfenspiel,  Mftrchenerzahlen  und  BätbseUmf- 
geben  ihre  Eensehheit  zu  bewahren.  Apolionius  kommt  wieder 
nach  Tarsus,  erfährt  den  Tod  seiner  Tochter  und  gelangt  ver- 
zweifelnd nach  Mitylene.  Hier  wird  Tarsia  zu  ihm  gebracht, 
mn  den  Schwermflthigen,  der  im  untersten  Schii&ranme  lebt 
und  Niemand  zu  sich  lassen  will,  aufzuheitern.  Sie  singt  ihm 
vor  und  giebt  ihm  ßätlisel  auf,  die  liier,  wie  man  sieht,  eine 
80  groaze  Bolle  spielen,  dasz  der  gröszte  Theil  der  Verwicke- 
lungen und  Losungen  auf  ihnen  beruht,  —  wodurch  er  sie 
erkennt.  Er  giebt  sie  dem  König  Athanagoras  von  ^liiylene 
zum  Weibe,  bestraft  die  Schuldigen  und  findet  schlieszlich 
auch  Ludna  wieder. 

Nicht  geringeres  Interesse  bietet  der  Fortnnatus,  seine 
Entstehung  dagegen  ist  weit  dunkler  als  die  des  Apolionius. 
Sieher  ist  nur,  dasz  der  uns  vorliegende  deutsche  Boman,  der 
1480  m  Augsburg  bei  A«  Sorg  in  4»  zuerst  ?erOffentlicht 

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—  S4 


ward  *>  g«g«ii  1440  «nlstuidcQ  «m 


«  wcO  nA  dies  aiu 


historisdicii  Anspiehmgcn  efgMt  disz  «r  a«  zwei  nrsprimglieli 
nicht  zosamra*  ngehürigen  Theilai  be>t*^h:  —  der  zweiU  findet 
sich  in  den  Gesta  Bomamonim  caif.  120  —  und  da»  sich  Ifir 
das  deotaehe  Boeh  keine  QiKfle  findet  aas  der  CS  ab  Uebenetinng 

oder  auch  nur  einig^nnaszen  al'hrmgige  BeaiWtung  ^flössen 
sein  könnte.  Dasz  sieb  in  verschiedenen  Dichtimgeo  ?erschie- 
dener  Zoten  nnd  Kationen  Anklinge  finden,  macht  weder  die 
Yemnithong.  dass  der  Stoff  nrsprunglidi  brelonisdi  sei,  halU 
bar,  nrjch  lüszt  sich  mit  irgend  welcher  Sich  riait  auf  eine 
spanische  Vorlag»*  >  hli»^sz«i,  noch  auch  möchte'  iih  mich  be- 
stimmen hissen,  das  Werk  ftr  ein  deafesdies  Ordinal')  m  haHen, 
wie  Zacher  in  semer  sehr  grfindlichen  Abhandlang  in  Enicfa 
und  Gmbenj  Encyclopädie  zu  thun  geneigt  ist.  Denn  ich  kann 
den  Geist  des  Ganzen  durchaus  nicht  deutsch  finden,  möchte 
vielmehr  mit  aller  dar  Zortddialtong,  welche  in  einer  so  ver- 
wicketten  Frag*'  sehr  Tffhlicii  ist,  es  mit  dem  Apollonias  rer* 
gleichen  und  ihm  einen  griechisch -byzantimschen  Charakter 


Ferner:  Uhu  1495.  4.  —  Ulm.  Hans  zainer  1499.  4.  —  Angsb. 

Froschaner  151 G.  4.  —  ebendas.  bei  dems.  1.521,  4.  —  Augsburg, 
Steyner  1530.  4.  —  1533.  Steyner  4.  (Mti.  1190).  —  ebend.  b^i  denn. 
1534.  1.  —  ebend.  1544.  4.  —  Frkf.  1551.  8.  —  ebend.  1554.  vS.  _ 
T.  ü.  155G.  8.  —  Straszb.  1558.  4.  —  Frkf.  1570.  8.  —  Frkf.  (1610.) 
8.  —  Nürnberg  1677.  12.  -  Frkf.  1787.  8.  Smr.  Vb.  III,  2.  —  Mar- 
bach  Nro.  22.  23.  —  Gönes  Xr.  11. 

')  Der  Fortunatu.'5-Roman  hat  Hans  Sachs  und  Tieck  zu  deut-Rchen, 
Thomas  Decker  zu  einem  engli>cheii  Drama  <len  Stoff  geliefert  und  ist 
auszerdem  holländisch,  dänisch,  isländisch,  «^chwediscli,  französisch  und 
italieniscli  erzählt  worden.  Genaueres  über  die  Verbreitung  bei  Grä>ze 
IV,  191  ff.  Vgl.  den  oben  erwähnten  Artikel  Zachers  und  dessen  und 
Höpfner»  Zeitsclirift  I.  254.  Val.  Schmidt.  Uebersetzung  Ton  Thom. 
Deckers  Zanbertragödie  F.  u.  s.  S.  Berlin  1>I9.  -  Museum  für  altd. 
Lit.  u.  K.  I,  277.  V.  Schmidt  liefert  das  umfangreichste  bibliogra- 
phische Material. 


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—   85  — 

nadiraibeii,  womit  denn  die  Zacher  mit  Recht  anffoUende  imd 

Ton  ihm  für  die  deutsche  Abfassung  vorgebrachte  Bekamit- 
abatt  des  Urhebers  mit  osteuiopäischen  Verhältnissen  sehr 
wohl  stimmen  wfirde. 

Fortanatos,  der  Sohn  eines  Terarmten  Bürgers  der  Stadt 
Famagusta  in  Cypem,  verläszt  seine  Eltern  ohne  ihr  Wissen 
und  geht  mit  einem  Grafen  nach  Flandern.  Sein  Wohlver- 
^iaitea  erwirbt  ihm  die  Gunst  sanes  Herrn,  aber  den  Neid  der 
]>ieiier8chaft.  Einer  ans  derselben  redet  ihm  vor,  der  Graf 
wolle  ihn  „kaponen"  lassen,  worauf  er  «las  Weik*  sucht.  Er 
geräth  in  London  in  schlimme  Gesellschaft,  dann  in  ein  Haus, 
in  dem  ein  Mord  begangen  worden,  mit  Koth  entflieht  er  dem 
Galgen.  In  einem  Walde  giebt  ihm  Jungfrau  Fortuna  den 
nie  versiegenden  Glücksseckt>l,  nachdem  sie  ihm  die  Wahl  ge- 
lassen zwischen  Weisheit,  fieichthom,  Stärke,  Gesundheit, 
SdiSaheit  und  hmgem  Leben.  Wfthrend  seines  Lebens  und 
des  seiner  ehelichen  Kinder  soll  der  Seckel  diese  Kraft  haben, 
doch  soll  er  den  Tag ,  da  er  das  Kleinod  empfangen,  immer 
fciem,  an  ihm  kern  ehelich  Werk  begehen  und  jedes  Jahr  eine 
arme  Jungfrau  ausstatten.  Dadurch,  dasz  er,  von  seinen  ver- 
änderten Glücksumstündt'n  Gebrauch  machend,  einem  Grafen 
eioige  Pferde  vorwegkauft,  kommt  er  in  Gefahr,  begiebt  sich 
dann  nach  Nantes,  fiofzucht  zu  sehen,  und  nimmt  den  alten 
«eitigereisten  Leopoldus  zum  Diener  an.  Mit  diesem  föhrt  er 
nach  dessen  Heimath  Irland,  besucht  St.  Patricii  Fegefeuer, 
kommt  darauf  nach  Venedig  und  nach  Constantinopel,  woselbst 
Leopoldus  einen  Wirth  erschlägt,  der  dadurch  entstandenen 
Ge&hr  entgehen  aber  beide  glücklich.  Darauf  kehrt  Fortu- 
natas nach  Cypem  zurück,  heirathet  die  aus  edlem  Geschlecht 
stammende  Kassandra  und  macht  ein  groszes  Haus.  Es  ge- 
üngt  ihm  auch,  dem  Sultan  yon  Aegypten,  zu  dem  er  auf 
teinen  weiten  Beisen  gelangt,  das  Wunschhätlein  zu  rauben, 


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1 


—   86  — 

Termittelst  dessen  er  sich  an  entfernte  Orie  zu  versetzen 

vermag. 

Nach  seinem  Tode  erben  seine  beiden  Söhne  Ampedo 
nnd  Andolosia  die  Kleinode  und  alle  sonstigen  Gftter,  aber 

nur  der  zweite  setzt  ilio  Al)onteuer  des  Vaters  fort,  während 
der  erste  vorzieht,  ruhig  zu  Hause  zu  bleiben.  Andolosia 
i?ird  zaerst  von  einer  Fraa  betrogen,  welche  ihm  eine  andere 
an  ihrer  Stelle  Terknppelt.  Dann  ^ebt  er  zu  dem  Könige  T<m  . 
£ngland,  wo  ihn  die  Prinzessin  Agrippina  mit  falscher  Liebe 
nm  seinen  Seckel  biingt.  £r  holt  nun  das  Wunschhfttlein 
nnd  Mhrt  Agrippina  sammt  dem  Seckel  von  dannen.  Auf 
einer  wüsten  Insel  setzt  er  ihr  aus  Unbedacht  das  Hfitlein  auf, 
und  sie  gelaugt  mit  beiden  Kleinoden  nach  Kn^jland  zurück. 
Inzwischen  hat  er  aber  auf  der  Insel  Aepfel  entdeckt,  welche 
dem  Essenden  Hömer  wachsen  machen,  mid  eine  zweite  Art, 
die  jene  wieder  vertreiben.  Von  den  ersten  bringt  er,  nach 
England  zurückgekehrt,  in  Verkleidung  der  Agrippina  einen 
bei,  dann  erscheint  er  als  Arzt,  vertreibt  ihr  die  UOmer  zum 
Theil  und  entfülirt  sie  nebst  Seckel  und  Hütlein,  bringt  sie 
in  ein  Kloster  unter,  dann  wieder  nach  Hause,  worauf  sie  den 
jungen  König  von  Cypern  heirathet  Hier  in  seiner  Heimath 
erregt  Andolosia  den  Neid  zweier  Grafen,  die  ihn  heimlidi 
gefangen  nehmen.  Aniiiedo  verbrennt  das  Wunschhütlein  und 
stirbt  aus  Kummer,  Andolosia  wird  gezwungen,  den  Seckel 
herauszugeben  und  dann  ermordet,  wodurch  auch  dieser  seine 
Kraft  verliert.  Die  Mörder  ereilt  die  verdiente  Strafe  des 
Kades. 

Hier  mag  sich  am  passendsten  die  Erwähnung  der  Kelsen 
des  Sur  John  Maundeville  anschUeszen,  die  von  dem  englischen 

Ritter  gemacht  und  der  Wirklichkeit  gemasz  beschrieben 
wurden,  jedoch  duich  phantastische  Zusätze,  die  in  erneuten 
Bearbeitungen  immer  mehr  anwuchsen,  endlich  zu  dem  aben- 


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—   87  — 

teoerlielistea  Beiseroiiiaii  sich  gestalteten.  Michael  Velaer 
ftbrntzta  sie  so  Änfimg  des  15.  Jahihnnderts  his  Deaisehe, 

dann  ein  ünl>ekannter,  und  urn  1483  Otto  von  Diemeringen 
Säue  Bearbeitung  ward  sehr  verbreitet  und  wieder  in  das  so- 
fMumte  Yolksbach  umgeformt  Weiter  unten  kommen 
vir  auf  die  deots^en  Originalweriice  dieser  unseren  Landslenten 
sebr  msagiRiden  Gattung  und  damit  auf  die  Keiseromane 
der  älteren  Zeiten  überhaupt  zumck. 

Wenn  wir  jetrt  einen  BackbUck  auf  die  bisher  betrach- 
tetm  Werke  werfen,  ftllt  ans  vor  allem  wohl  zweierlei  in  die 
Augen,  einerseits  die  Fülle  von  mittelalterlichem  Sagenstoflf, 
welcher  in  die  den  An&ng  unserer  deutschen  Bomanliteratur 
Udenden  Erzeugnisse  eingegangen  ist,  andererseits  der  be- 
deutende Einflusz  der  französischen  Literatur.  Zur  Vervoll- 
ständigung des  Bildes,  welches  die  Untfiiiiiltungsliteratui'  des 
deatschen  Lesqmblieums  in  dieser  Zeit  bildete,  fehlen  aber 
Mdi  Ersdieinungen  verschiedener  Art,  auch  wenn  wur  von  den 
Yolksthümlichen  und  originaldeutschen  Producten  abseilen.  Dasz 
wir  von  diesen  vor  der  Hand  sehr  wohl  absehen  können,  wird 
water  unten  klar  werden.  Hierher  aber  gehört  nun  zunächst 
die  Betraehtottg  der  italienischen  Novelle,  emer  Gattung,  welche 
schon  im  XIV.  Jahrliundert  nach  Form  und  Inhalt  gegenüber 
den  ritterlich  mittelalterlichen  epischen  Dichtungen  in  Versen 
wie  in  Prosa  durchaus  selbstftndig  zu  classischer  Blüthe  ge- 
didi  und  schon  im  XV.  Jahrhundert  von  bedeutendem  Ehiflusz 
aaf  die  deutsche  Literatur  wurde.    Die  Bedingungen,  auf 


Cölln  u.  NQrnberg  o.  J.  8  (Jahrmarktausgabeu.)   Simr.  Vb. 
im,  1.  —  OSms  Nro.  10. 

')  Die  Besehrtibong  der  Reise  des  Mario  Polo  (erste  deutsche 
Angabe  Nlmb.  1477.  IbL)  Ist  kaum  hierher  ra  rechnen,  da  sie  weit 
weniger  alt  die  des  MaiuideTille  durch  pbantastisehe  Zns&tze  nun  blossen 
UsMaltmgsbaehe  sehchit  ungestsltet  worden  zn  sein. 


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—  S8  — 


weklicn  die  Entsitehung  der  Novelle,  wie  sie  uns  in  Boccaccios 
Decameron  entgegentritt,  beruht,  liegen  einestheils  in  den 
bOigerliehen  und  politischen  Verhftliniasen  ItaUens,  anderen- 
tbdls  in  der  dort  schon  im  XIV.  Jahrhundert  beginnendeo 
Wiederbelebung  der  griechisch-römischen  Cultur.  Die  zum 
grossen  Theil  demokratischen  Gemeinwesen,  gebildet  von  reichea 
Eauflenten  und  wohlhabenden  Handwerkern,  mnsaten  die  Ent- 
stehung einer  Unterhaltungsliteratnr  begünstigen,  welche  den 
Sagenstoff  der  ritterlichen  Dichtung  fallen  liesz  und  sich  in 
dem  Kreise  des  bfirgerlichen  Lebens,  des  Hauses  ihre  Gegen- 
stände suchte,  aber  die  Hauptsache  trug  der  sich  rasch  bis 
zur  Begeisterung^  bei  dem  gebildeten  Publicum,  bis  zur  Meister- 
schaft bei  den  tScluiltstellern  entwickelnde  Sinn  für  schöne  Form 
bei.  Was  auch  gesagt  werden  mag,  die  Italiener  und  die 
Bomanen  insgesammt  haben  Recht,  wenn  sie  in  Petrarcas 
italienischen  Gediditon  und  in  Boccaccios  italienischen  Er- 
zählungen die  wichtigsten  Thaten  dieser  Männpr  sehen.  Gei'ade 
darin,  dasz  die  auflebenden  Alterthumsstudien  den  AnstosE 
gaben  zu  freien  G^taltungen,  die  auch  den  antiken  Idteraturea 
selbständig  gegenüberstelKni ,  liegt  das  Grosze.  Wir  werden 
bald  auf  das  Einseitige  der  literarischen  Bewegung,  welche  im 
XIV.  Jahrhundert  in  Italien  anhebt,  auiineitsam  zu  machen 
haben,  hier  jedoch  ist  zunächst  die  italienische  Noyelle  yon 
Seiten  ihrer  Formvollendung  und  ihrer  Abwendung  von  den 
mittelalterlichen  Stoffen  und  Ideen  ins  Auge  zu  fassen.  Denn 
es  liegt  fOr  unseren  Zweck  viel  daran,  die  wkUich  entwicktite 
Novelle  nicht  allein  von  den  Romanen  der  Art,  >velche  wir 
eben  besprochen,  sondern  auch  von  den  kleineren  und  kleinsten 
Geschichten  zu  unterscheiden,  welche  noch  zu  betrachten  smd. 

Yon  dem  Verdienste,  die  italienische  Novelle  in  die 
deutsche  Literatur  eingeführt  zu  linben,  gebühren  neun  Zehn- 
theüe  dem  Heimich  SteinhOwel.  Seine  Uebersetzung  des  ge- 


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—  89  — 


namtflii  Decameron  eraeliieii  xnent  1472  zu  Ulm  ba  Johann 

Ztiner  in  Folio  und  ward  in  der  Folge  bis  tiel  in  das  XVll. 
Jahrhundert  hinein  häufig  aufgelegt,  umgearbeitet^  abgekürzt, 
«wfiiter^  germnigt  Dasz  der  deutsche  Stil  Steinhöwels  nicht 
dem  des  Originals  an  die  Seite  gestellt  werden  kann,  dasz  der 
üebersetzer  sehr  häutig  seiner  Sprache  Gewalt  antliut,  um 
der  fremden  zu  folgen,  dasz  endlich  gar  Manches  durch  die 
Oeberaetniiig  dem  deutschen  Publicum  dargeboten  wurde, 
uas  dem  deutsdien  Sinne  fremdartig  und  anstOszig  sein  mnszte, 
ist  nicht  zu  leugnen,  liegt  aber  in  Umstünden,  welche  Stein- 
h6wei  Dicht  zum  Vorwurfe  gemacht  werden  ItOnnen,  nament- 
lich in  dem  unfertigen,  undcheren  Zustande,  in  weldiem  sich 
ik  deutsche  Sprache  befand,  die  er  anzuwenden  hatte.  Jeden- 
ialls  bleiben  gleich  schätzenswerth  das  Geschick  und  die  Energie, 
ait  welcher  er  seme  Aufgabe  zu  lösen  waszte,  wie  auch  die 
TodisBBte,  die  er  sich  um  die  Ausbildung  der  deutschen 
Prosa,  insonderheit  der  ensählenden,  erwarb,  mag  immerhin  ein 
Tlieil  der  Schuld  an  dem  undeutschen,  schleppenden  und  ein- 
acfatchtelnden  Satsbau,  der  die  deutsche  Prosa  seit  jenen  Zeiten 
»  TieUheb  entstellt  hat,  auf  ihm  liegen  bleiben  >)• 


*)  Weitere  Ansgaben  sind:  Augsb.  Sorg  1400.  fol.  —  Straszb. 
1535  fol.  —  Augsburg  1545.  Fol.  —  StrAszb.  1547  fol.  —  Straszb. 
1551  fol.  —  Straszb.  1557  Fol.  —  Straszb.  1561  Fol.  —  Frkf.  1566. 
II,  S.  —  Frkf.  1593  II,  8.  -  ebcndas.  1601.  8.  —  ebenda«.  1624  II. 
^.  Abpekürzto  und  gereinigte  Ausgaben  sind  Straszburg  1509  fol. 
1519  fol.  1540  ful.  1575.  II.  S.  Ervs-eitert:  Ducento  Novella  Bocatii. 
1616  O.  S.  —  Ducento  Novella,  Zweihundert  newcr  Historien.  Frkf. 
SchCMiwetter  1646.  8.  In  diesem  Buche  sind  <len  100  Novellen  des 
Dec.  nur  38  andere  hinzugelügt.  Ob  dies  in  der  Ausg.  1616  (Weller 
II,  305.)  auch  der  Fall  sein  mag,  wäre  interessant  zu  wissen.  Gräsze 
im  Trc8or  redet  auch  von  einer  von  1603.  Steinhöwels  ursprünglichen 
T«it  giebt:  Decameron  von  Heinrich  Steinhöwel,  herausg.  von  Adel- 
bert von  Keller.  Stuttgart  1860.  Bibl.  des  litt  V.  in  Stuttg.  Bd.  LI. 
fiieraas  diu  Beilage  Nro.  III. 


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—   90  — 

Ausser  Boccaccio,  der  allerdings  als  Altmeister  der  ganzen 

Gattung  am  meisten  diese  Bevorzugung  verdiente,  ist  kein 
italienischer  Novellist  in  der  Zeit,  mit  der  wir  ans  jetzt  be- 
scb&ftigen,  ganz  ins  Deutsche  übertragen  worden,  aber  einzelne 
Geschichten  Boccaccios  sowohl  als  anderer  sind  in  besonderen 
Ausgaben  und  eingereiht  in  Sammlungen  in  Deutschland  be- 
liebt gewesen.  Hierher  gehört  zunächst  jedenfiilla  die  GriseW 
disgescbichte,  welche  ebenfills  von  Heinrich  Steinb9wel  schon 
vor  seiner  Uebertragung  des  Decameron  und  nicht  nach  Boc- 
caccios italienischem,  sondern  nach  Petraicas  lateinischem  Texte 
verdentscht  zn  Augsburg  1471  das  erste  Mal  und  sehr  oft 
wieder  herausgegeben  ward  Eine  andere  Novelle,  welche 
sich  ebenfalls  im  Decameron  findet,  die  von  öuiscard  und 
Sigismunde,  wurde  von  Niehls  von  Wyle,  der  mit  SteinhOwel 
und  Albrecht  von  Eyb  m  Hinsicht  auf  Verdienste  um  den 
dentsthen  Prusastil  zusammengeliöi-t ,  aus  dem  lateinischen 
Texte  des  Leonardus  Aretinus  übei*setat.  Auch  Albrecht  von  Ejb 
bearbeitete  sie  in  seiner  Abhandlung  ? on  der  Ehe  frei  nach  Boc- 
caccio. Erstere  Redaclion  erschien  in  dem  groszen  üebersetznngs- 
werke  (Translatzion)  des  Niclas  ohne  0.  u.  J.  ^)  (Eszlingen 
Conrad  Fymt  U78.)  letztere  in  der  genannten  Abhand- 


>)  Omther  Zauier.  FoL  —  Femtr:  Aogsb.  BimUr  147S.  PoL 
~  o.  0.  «.  J.  (Uhu.  Zahler  c  1473.)  Fol.  —  Ulm.  Zamer  1474  Fol. 

—  o.  0.  (Stnuzb.  1478.)  Fol  o.  0.  n.  J.  (Angab.  Sorg.  148a)  Fol. 
0.  0.  (Stnnb.  H.  Enoblochier)  1482.  Fol.  —  Starisd».  15Sa  4.  — 
Nfimb.  Chifkn.  1522.  4.  -  Stranb.  1588.  4.  —  Struib.  154a  4. 

—  Cdln  (c.  1590)  8.  —  Erftirt  ie2a  8.  —  NIederdeatwh  o.  0.  n.  J.  Fol. 

—  Hambordi  1502. 4.  —  Emenert  Smur.  Yb.  VI,  3.  (Markgraf  Walther.) 

—  Harbach  Nr.  1. 

*)  Ferner  Straaib.  1510.  —  Angab.  1586.  n.  Öfter.  Aufgabe  dea 
nrprünglichen  Textes  ron  Adalbert  von  Keller.  Stattgart  1861.  BibL 
d.  litt  y.  LVII.  Erneuert  iat  die  Gesch.  t.  Chuse.  n.  SIg.  Sfanr.  Yb. 
TI,  8.  Marbach  Nro.  1. 


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—   91  — 

liing').  Die  Griseldis  gehört,  wie  schon  erwähnt,  zu  den  Er/Ah- 
hiogen  von  geprüiten  Frauen,  und  sie  darf  wohl  als  die  beste 
fon  fieser  Art  angeseben  werden,  wenn  auch  die  raffimrte  Ari, 
me  der  MarkL,'riif  Walther  von  Saluzzo  das  zur  Ehe  genomiiieno 
anne  Mädchen  quält,  um  ihre  Standhaftigkeit  zu  erproben, 
etwas  Abstoosendes  hat  Dagegen  bat  dfo  Noyelle  von  Qnis- 
Offd  nnd  Sigismunde  die  leidenschaftliche  und  tragisch  aus- 
gehende Liebe  zweier  Peräonen  ungleichen  Standes  zum  Gegen- 
stände, also  ein  dorehans  modernes  Motiv,  beliebt  bis  anf  den 
heot^ien  Tag,  wo  noch  dazu  ein  derartiger  Conflict  sich  in 
den  Verhältnissen  des  wirklichen  Lebens  nicht  so  leicht  moti- 
Then  lässt  als  vor  3 — 500  Jahren. 

AnsKer  Griseldis  nnd  Gniscard  nnd  Sigismunde  sind  noch 
andere  Geschichten  aus  dem  Docameron  in  Einzelnau}< gaben 
erschienen.  So  Cymon  aus  Oypem  (Dec.  V,  1.)'),  Tedaldo 
und  Ermeline>)  (Dec.  m,  7),  Giletta  (Dec.  m,  9.)«)  nnd  die 
kHini.srho  Abenteuergeschichte  des  Andreuccio  aus  Perugia 
(Dec.  11,  5.),  die  Martin  Montanus  jungen  Leuten,  welche 
tof  Reisen  gehen,  zur  fielehmng  herausgab^).  Gamillus 
ond  Emilie,  welche  in  Prankfhrt  1580.  8,  erschien  und  sich 
auszerdem  im  Buch  der  Liebe  von  1587  findet,  ist  vielleicht 
nur  eine  yeischlechtemde  Bearbeitung  von  Guiscard  und 
S^fismunde^.   Den  deutlichsten  Beweis  von  dem  Gesdimack, 


<)  0.  0.  v.  J.  (Nttmb.  bei  Kobnrger  1472)  n.  dfter. 
Stranbnrgr  l^l^*   OerrfaitM  II,  868. 

»)  1550.  Stiaszb.  0.  J.  (c.  1560.}  —  niederd.  Hamborch  1601.  S. 
—  Leipz.  0.  J.  8. 

*)  c.  1519.  vgl.  Weller  U,  S.  312. 
•)  0.  O.  Q.  J.  (1557.) 

<}  Ansnig  K.  Y,  91,  wo  mit  der  Ansgabe  Ton  1587  wohl  dsf 
Boeh  der  Liebe  gemeint  if  t. 


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92 


den  das  deutsche  Leeepublkom  den  italienischen  Novellen  ab- 
zugewinnen wuszte,  liefern  die  weiter  unten  zu  betrachtenden 
Facetienbüclier  des  XVI.  Jahrhunderte  durch  die  häutige  Be- 
nutzung dieser  ihnen  sonst  meist  fremdartigen  Brzfthlungen^ 
und  noch  später  werden  wir  dergleichen  Stoffen  oft  ^enug  be- 
gegnen. Hier  sei  noch  ein  sonst  schwer  irgendwo  einzurei- 
hendes Buch  erwähnt,  welches  zwar  orientalischen  Ursprungs 
ist,  aber  durch  die  italienische  Literatur  hindurch  gegen  Ende 
des  XVI.  Jahrhunderts  in  die  deutsche  Literatur  eintrat  und 
eine  Sanunlung  novellenartiger  Erzählungen  von  durchaus  mor^ 
genlftndischem  Charakter  enthalt,  nftmlich  die  Reise  der  Stime 
des  Königs  Giaffer,  welche,  von  dem  Baseler  Bürger  Johann 
Wetzel  aus  dem  Italienischen  übersetzt,  das  erste  Mal  zu  Ba^l 
im  Jahre  1583  erschien  2).  Da  aber  vor  der  Hand  die  Zeit 
des  Heinrich  Steinhöwel  und  Niclas  von  Wvle  noch  unser 
Interesse  in  Anspruch  zu  nehmen  hat,  mag  zunächst  eine  No- 
velle erw&hnt  werden,  welche  letsterer  aus  dem  lateinischen 
Texte  des  Aeneas  Sylvins  fibersetzte  und  die  den  besten  italie- 
nischen nach  Geist  und  Stil  so  nahe  steht,  dasz  ihre  lateinische 
Abfilssung  wenig  in  Betracht  kommt  £s  ist  die  Liebes- 


')  Beispielsweise  finden  sieb  im  ^Scliertz  mit  der  Wahihoyt"  l  .j.'»0.> 
Griseldis,  Andrenccio,  üuiseard  u.  Cii.smonde,  Albreelit  von  Imola  (I>ec. 
4,  '2.),  in  dem  Wegkürtzer  v.  Montanus  Ma-eto.  (Dee.  III,  1.)  Albrecht 
(D' (\  IV.  '2.)  Rinaldo  (Dee.  7,  '6.),  in  Lindeuers  RAstbQchlein  Zeppa  u« 
^pinoUntzo  (Dee.  VIII,  s.) 

Der  Uebersetzer  picbt  an,  dasz  ihm  das  Buch  vor  eini^,'en 
Jahren  in  Venedig  zugekommen  .<ci  und  dasz  es  „Christophorus  Armcnius 
aus  Persischer  in  Italienische  Si)raach  transferiert".  Das  italienische 
Buch  ist  Venezia  1ÖS4  gedruckt.    Die  Ausgabe  von  (Basel  bei 

Ludwig  Koenig  v^'l.  Ooedeke  I,  von  der  die  WulftVnbüttler 

Bibliothek  ein  Kxeniplar  besitzt,  lie^'t  mir  vor.  Die  Bezeieiuinng  des 
Bnches  als  erster  Th'-il  tVlilt  hier  auf  dem  Titel.  Weiteres  über  den 
Stoff  Tgl.  bei  Döolop  (t.  Liebrecht}  S.  ilO  f. 


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—   93  — 

goduchte  Ton  Borioliis  and  Lacreeia,  m  lateiiuseher  wie  in 

deutscher  Sinache  übt'raus  oft  gedruckt  und  auch  ihres  aus 
der  Gegenwart  des  Dichtere  gegriffenen  Stoffes  wegen  von  be- 
sonderem Interesse.  Im  Jalire  1431  nämlich  weilte  Kaiser 
Sigismnnd  mit  sdnem  berühmten  Kanzler  Kaspar  Schlick  zn 
Siena.    Letzterer  benützte  diese  Gelegenheit,  mit  einer  edlen 
B&rgerin  eine  Liebschaft  anzuknüpfen,  die  Yöllig  normal  und 
zu  beiderseitiger  Beftiedignng  TerUef,  bis  die  Abreise  des  Kai- 
sers die  Liebenden  trennte.    Man  kann  sagen,  dasz  das  That- 
sftchliche  einer  Ehebruchsgeschichte  niclit  einfacher  sein  kann, 
aber  ans  diesen  Thatsachen  hat  der  nachmalige  Papst  Pins  II. 
ein  kldnes  Kunstwerk  ersten  Banges  zn  schaffen  gewuszt,  ab- 
gefaszt  in  dem  leichtesten  Latein ,  vorgetragen  mit  aller  der 
Aomuth  und  ausgeschmückt  mit  dem  sinnlichen  Keiz,  welche 
dianikteristische  Eigenschaften  des  italienischen  Hnmanismns 
sind.   Man  braucht  nur  das  Buch  zu  lesen,  um  von  dieser 
geistigen  Strömung  ein  anschauliches  Bild  zu  bekommen.  Alle 
Bnzehiheiten ,  soweit  sie  mit  dem  erotischen  Thema  in  Ein- 
klang stehen,  sind  eingehend  und  musterhaft  ausgeführt,  fremd- 
artijSfe  und  al)lenkende  Motive  sind  im  graden  Gegensatz  zu 
den  ritterlichen  Romanen  durchaus  ferne  gehalten,  der  Fort- 
schritt der  Erzählung  und  der  Phin  des  Qanzen  lassen  durch- 
weg den  denkenden  Künstler  sehen,  der  am  Schlnsz  erfolgende 
Tod  der  Geliebten  vervollständigt  nur  den  bacchantischen 
Charakter  der  dargestellten  LeidenschafL    Allerdings  hat- 
Phis  n.,  wie  wir  durch  einen  seiner  Bdefe  erfhhren,  auf 
Grund  dieser  Beschaffenheit  seines  Werkes  später  grosze  Reue 
empfunden. 

Die  Abfisissnng  des  lateinischen  Textes  Wlt  in  das  Jahr 
1444,  die  Uebersetzung  des  Niclas  1462,  in  der  Translatzion 

ist  unsere  Geschichte  wahrscheinlich  in  Rücksicht  auf  ihren 
Werth  nnd  im  Vertrauen  auf  ihre  Anziehungskraft  an  die  erste 


* 


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stelle  gerftckt,  sie  wurde  aber  Torher  sehoo  beeooden  hmns- 

gegeben  *). 

Als  Zeiclien  derselben  geistigen  Strömmig,  welche  die 
cksBiecb- italienische  Korelle  in  ihrem  Yaterlande  entstehen 
nnd  in  Dentsdiland  Bnfiül  finden  liees,  sind  noch  die  in  der 
Zeit,  Von  der  wir  reden,  in  die  deutsche  Sprache  übergegan- 
genen antiken  Romane  and  ihnen  verwandten  Erzählungen  zu 
betiaditen.  So  finden  wur  aneh  schon  in  des  Nidas  von 
Wyle  Translatsdon  den  goldenen  Esel  des  Lucian  (Nr.  13.). 
Der  hervon-agendste  der  griechischen  Romanschreiber,  Heliodor, 
ftnd  allerdings  erst  in  spAierar  Zeit  einen  Uebersetzer  in  Jo. 
Zsehorn  (1559.),  nnd  diese  üebersetznng  ward  aueh  in  das 
Buch  der  Liebe  autgenominen. 

Koch  dem  XVL  Jahrhandert  gehört  anch  fischarts  Is- 
menins  an,  dodi  sind  bis  in  die  Mitte  dieses  Jahrhun- 
derts, von  welchem  Zeitpunkte  an  unsere  Gattung  in  ein 
neues  Entwickelungsstadium  tritt,  derartige  Werke  gegen  die 
weiter  oben  besprochenen  ritterlidi- mittelalterlichen  in  der 
Gunst  des  Publicums  entschieden  iu  den  Hintergrund  ge- 
treten. 


»)  Augsb.  147S.  4.  —  0.  0.  1477.  fol.  —  Augsb.  Sorg.  1489.  4. 
t-^  Gedruckt  ra  Straszbnrg  am  Kommarkt  o.  J.  4.  (c.  1550.)  —  Wuruibs 
Greg.  Hofraann  o.  J.  (c.  1550.)  4.  —  Straszb.  15G0.  4.  —  Eine  abge- 
kürzte Behandlung,  welche  den  Liebenden  die  Namen  Liopold  und 
Leonore  giebt,  findet  sich  in  den  S.  89  erwähnten  Ducento  Nnvella 
als  zweite  der  zugesetzten  Geschichten.  Sie  stellt  eine  durchaus  reine 
Liebe  dar  und  hat  einen  sentimentalen  Ton,  wodurch  sie  von  den  an- 
deren Geschichten  des  Buches  sonderbar  absticht.  Erneueruii]^  in  Bü- 
Iowa  NoYellenbuch  I,  311  ff.  Vergl.  die  Beilage  Nro.  IV.  zu  diesem 
Capitel 


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—   96  — 


Beilagen  zu  CapUei  Ul. .  , 

Anfang  des  Fierrabras  nach  der  ersten  Aufigabe, 

Sünmern  1533. 

WJe  eyn  Mächtiger  Biesz  Fierrabras  gnant/kampff  an 
Kwfwr  Kalle  Tnd  die  seine  erfordert  /  des  sich  keyner  vnder 

den  Fürste  vnderwinden  wolt  /  vnnd  wie  Huland  vnd  der  Keyser 
derhalbeo  vneynig  wurden. 

Jn  fljspanien  was  eyn  Amirai  gnant  Baläd  /  eyn  michtiger 
Haid  /  des  leibs  /  guuts  vnd  gwalt  /  der  het  eynen  Sone  hiesz 
fienrabias/der  gr6ste  Bmi/ao  ye  von  eynidiem  frawenbild 
imr  wellt  was  gewnnnen  vnd  bracht  worden /dan  seins  gli- 
chen (von  grisse  /  stÄrck  vnnd  kriffte  der  glider)  lebte  der  zeit 
niemants.  Derselbig  was  eyn  Kunig  zu  AUexandrien  /  vnd 
beheischet  das  Land  Yon  Babilonien/bisz  an  das  rot  M4re/ 
fnder  jm  was  ancb  Rüssen  vnd  Golonien  in  Gallitien  /  desz- 
gleichen  was  er  gewaltiger  Herr  zu  Hieruäaiem/  vnd  des  Graba 
Gri8ti/£r  gewan  eyns  mals  Borne  vnnd  nam  dar  ansz/die 
heylige  dimen  Grone /auch  die  K4gel  vnsers  lieben  Herren/ 
sambt  viel  anderm  heylthumb  /  von  welcher  materi  disz  Büch 
hernacbmais  etlich  meldnng  tbün  w&rdt  £s  wurden  aneh 
m  stnit  Ton  jm  in  Aquitanien  /  wider  Eeyser  Karies  bere  toI- 
bradit.  Dieser  Fierrabras  khame  eynszinals  gar  eilends  ge- 
litten/der  zuuersicht  /  eynen  Christen  zufinden/mit  dem  er 
UmpffiBn  m6oht/vnd  in  der  m^nag  reyt  er  alsslang/biss 
ds8  er  zu  Mormionde  /  Keyszer  Karies  wapen  zu  ende  an  den 


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SchraDcken  geheffit  fand  /  Er  was  mit  barnisch  /  sj^esc  Tod 
schwerdt  /  gar  wol  versehen  /  yn  hefc  yerdrass  /  das  jm  keyB 

Crist  begegnet  /  vn  als  er  Karies  wapen  den  gülden  Adler  / 
also  schon  leuchtend  sach  /  schwur  er  bei  seinem  Gott  Macho- 
met/nymer  dannen  zoscheyden  /  er  het  sich  dafi  znuor  mit 
eynera  Cristen  gesclilagen  /  vnnd  da  er  sähe  das  niemants 
kam/rufft  er  mit  lauter  stimb:  0  Du  verzagter  Kunig  zu 
Parisa  /  aller  k&nheyt  entblist  /  schick  wider  midi  etlich  deiner 
Herrn  von  Franckreieh  /  die  aller  stircksten  vnd  ArbAndigsten  / 
als  Rulanden  /  Oliviern  /  Diterichen  den  Hertzogen  zu  Ardeuien  / 
Reichharden  von  Normandj  oder  aber  (Hgem  von  Denenmarck 
ZQstreit/vnd  ich  schwer  dir  bei  meinem  hohen  Gott  Hadio- 
niet/ich  wil  jnen  streit  bisz  an  den  sechsten  oder  siebenden 
man  nit  versagen /vnd  schlAgstu  mein  beger  ab /so  sei  dir 
gesagt  /  das  ich  dich  wil  vberwinden  /  dhr  dehi  hanbt  /  als 
eynera  lasterlichen  verzagten  man  /  abhawen  /  vnnd  dun  mit  mir 
f6ren  /  Eulanden  vnd  Oliuiem  in  grossen  schänden  /  wan  vber- 
m&tiglich  vnd  dirlich  /  hastn  alter  verzagter  dich  vndefwanden 
in  das  Land  zukomme  /  des  du  dein  belonung  emphahen  soft  / 
dan  du  must  in  kürtz  das  land  räumen.  Nach  diesen  Worten 
stund  Fierrabras  ab  von  semem  Pferde  /  hofftet  es  an  eynen 
ast  eyns  baums/vnd  vnder  desselben  schatten  entwi^knet  er 
sich/vn  da  er  seinen  leib  der  ruh  ergeben  hett/ruflft  er  mit 
lautier  stimme:  0  Karle  eyn  Khmg  z4  Paris/  wo  bistu  ietzundP 
so  ich  dir  alss  offt  r&ff/schick  mhr  snnder  Ungern  verzag 
alhier  Oliuiern  /  des  du  dicli  als  fast  berftmest  /  oder  deinen 
manlichen  Neuen  Rulanden  /  oder  aber  Otger  von  Dennenmarck/ 
dem  ich  als  fiist  hab  hiren  lob  zugeben/ oder  Beichharden 
von  Normändi  /  vnnd  wo  sich  eyner  bef ftrcht  alleyn  zustreitten  / 
so  komen  zwen  /  drei  oder  vier  /  der  manlichsten  /  fümimbsten 
vnd  baszgerAsten  /  seind  aber  die  vier  nit  khin  gnug  /  so 
komen  f&nff/bisz  an  den  sechsten  man/der  khAnest  deines 


1 

V 


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—   97  — 

Am  denek  ich  sirmtB  nit  zaneraagen  /  wil  auch  nit  widernffi 

iieym  ziehen  /  ich  hab  sie  daii  alle  vberwunden  viind  geschannt  / 
Stiest  auch  sicher  das  ich  rmh  keines  ^Frantzosen  willen/ 
üidEtig  werde.  loh  hab  bisz  ytrt  nüt  meiner  inailidieD  hand  / 
x^en  midiiiger  KÄnig  erschlage  /  welche  meiner  stirck  mit 
nichte  haben  wideisteen  migen.  Der  Eeyser  hört  des  Heyden 
reffiBD  fieisaig  za / het  verwundenuig  ob  aeiner  q^rach/ yn  fi:ag8i 
Beielihaiden  Ton  Kormandi/wer  dieser  ThArek  were/der  mit 
als  heÖÜger  stimb  /  sein  mannheyt  ausgeruüen  hett  /  dan  ich 
kb  wol/s|raGh  der  Kejaer  wettter/anaz  seinen  reden  yer- 
Boin/daa  er  aieh  gegen  seehs  der  besten  ausser  meinem 
Here  /  zu  were  wol  finden  lassen  /  daruff  Reichardt  dem  Keyser 
utvorte/  (znedigster  Xeyser  er  ist  vber  die  masz  reich  vnd 
so  tiansk/ab  epneir  Ton  mftttar  leib  je  gebom  wardt/aber 
«yn  Heyde  vnd  ToUer  grimmigkeyt  /  als  fast  /  das  er  weder 
Ktnigy  Firsten  oder  Grauen  forchten  thüt/ja  auch  keyn 
ncosch  aoff  erdkieh:  Do  Oarle  disz  Temam/hAb  er  yS  sein 
bubt/vn  sehwfire  sant  IHonisins  Ton  Frandkreieh  /  das  er 
nit  ^en  oder  trincke  wolt  /  es  must  zuuor  eyner  von  den  vettern 
m  Fnmckreich  mit  jm  epx  treffens  thün/fhiget  damff/wie 
dir  Biesz  gnant  were  /  Onedigster  Keyser  sprach  Bddiart/ 
dieser  Heid  heist  Fierrabras  (ist  in  Teutsch  grimmiger  arm) 
er  helt  sich  /  das  mann  jn  äürchtet  /  ist  anch  der  /  welcher  den 
Gbristen  ak  yil  widerdrisz  thftt / erschlegt  die  B&bst/henckt 
die  Ebte  /  Münch  vnd  Nünnen  /  beraubt  die  Kirchen  /  hat  auch 
gef&rt  die  Dirnen  Krön  Christi  /  sampt  anderm  heylthumb  / 
lon  des  wegen/jr  als  tü  sehmertsens  vn  leidens  habet/jm  ist 
Tüderworffen  Jemsalem/mit  dem  heyligen  Grab/darem  Gk>t 
Vilser  schopffer  gelegt  wardt/Hieruff  antwort  Carle /deiner 
itde  bm  ich  &8t  Tnmfttig/vnd  m  warheyt  ick  wird  niemer 
MM/ ich  sei  dan  meiner  begirde  ersittigt / das  er  yber- 
wonden  werde. 

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I 


—   98  — 

Wie  alle  Finten  Tnm&ttig  waien/ynd  keyner  was  der 
sdt  dem  Heyden  streiken  weit  /  derhalben  Bnlandt  mit  dem 

Keyser  \TiejTiig  ward. 

OB  dieser  geschieht  wurde  alle  Firsten /so  da  gegen- 
wertig  waren /ynmütig/yn  Keyner  vnder  Jnen  was/der  ddi 

des  Heyd(3  vnderwand  /  oder  den  Keyser  vm  vrlaiib  anlägen 
thet.  Vnd  da  Karle  sähe /das  keyner  sieh  erbot  oder  begert/ 
mit  Fierrabras  znstreitten /  da  rüfft  er  Bnlanden  sprechende: 
Mein  lieber  Nene  /  ich  bit  dich  zihe  hin  /  vnd  bestreit  mir 
diesen  Thflrcken  /  vfi  thu  dein  bestes  /  vnd  da  der  Keyser  ßu- 
landen  also  mit  ireontlichen  werten  bat/antwort  er:  Ir  redent 
dtrlich  mein  lieber  Herr  Oheym/des  geschweigent/mir  wer 
lieber  das  jr  aller  ewer  glieder  beraubt  weret  /  ehe  ich  mich 
wapnet  mit  diesem  Hey  de  zati*effe  /  wie  jr  begert  habe  /  dan 
yerschiner  tag /da  wir  als  nahe  Ton  Finfftogtansent  Heyden 
Tberwnnden  waren  Abten  wir  jungen  vns  manlich/Tnd  erlitten 
manchen  harten  streych  /  von  deswegen  mein  gesel  Oliuier 
t6dlich  verwundt  ist  worden /dan  weren  wir  euch  nit  zohilfT 
komiMn/so  weiendt  jr  Tberwnnden  worden/vnd  da  w?r  in 
vnser  herberg  ritten  /  die  erm&the  glieder  wider  zuringen  /  des 
abents  /  da  du  mit  wein  beladen  wärest  /  bei-umest  du  d^ch 
offenlich/das  deine  alte  Bitter /die  dn  vns  znhilff  mitgf&rt/ 
sich  base  im  streit  gehalten  betten /dan  wir/wiewol  mänigk- 
lieh  khunt  i^jt  /  wie  crafftlosz  und  erlegen  ich  des  ergangen 
Streits  halben  war /aber  bei  meines  vatters  seien /es  was  ybel 
von  ench  geredt/Ynnd  man  wird  sehen/wie  sich  die  alten 
dropffen  halten  werden  /  dann  bei  Gott  dem  alle  ding  vnder- 
worffen  sindt  /  ich  wird  keynem  jungen  /  der  änderst  inn  meiner 
geselschafft  ist/jmmermer  lieb  haben /der  sich  vnderwindi 
gegen  den  Heyden  zn  ziehen.  Dieser  antwort  ward  der  E^yser 
als  fast  erzürnet  /  das  er  mit  seine  rechten  handtschuch  (der 
mit  golt  köstlich  belegt  was)  Bulanden  vber  die  nasen  traft*/ 


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—   99  — 

also  /  dasz  das  bliH  jm  danion  vber  das  antlitz  abran.  Vnd  da 
Buland  sein  blüt  ersach/er  legt  die  handt  an  sein  schwerd/ 
het  aaeh  den  Eeyser  geargwilliget  /  wo  er  jm  nit  entwichen 
weie/Tttd  da  der  Eeyser  Rolands  meynnng  erkant/da  er- 
schrack  er  vnnd  sprach :  o  Gott  von  himelreich  /  wer  seit  des 
jmmer  gedacht  haben  /  das  Baland  mein  Neue  /  der  nebe  mir 
wider  Tnser  feind  Terordent  gewesen/mich  dennassen  vber- 
geben  solt  haben /Tnd  jetzimd  Yberlanfft  er  mich /mit  dem 
fürsatz  /  mich  zuert&dten  /  wiewol  er  der  aller  negst  vnder  den 
Tmbeteenden  mir  Terwandt  ist/daromb  er  mür  ehe  helfen 
8olt/dan  eynig  ander  mensch/nAn  gab  Gott/das  er  vff  heot 
sein  lebe  end  /  wie  er  dessen  wirdig  ist  /  mit  dem  rüflft  er  ausz 
grosser  giimigkeyt/ furdert  euch  ynnd  fahend  Ruland/dan 
ich  wü  hent  keyn  bissen  essen/ er  hab  dan  den  tod  vorhm 
empfangen.  Ynd  da  Boläd  das  yemam/wich  er  yff  eyn  seit 
fasset  sein  schwerdt/den  andern  zurüflende:  seind  jr  weisz/ 
80  bleiben  stilstan/dan  ich  schwere  Z&  Gott/ist  eynig  mensch/ 
der  sich  heiftr  thftt/der  meynnng  mich  znarg^wüligen  /  ich 
wil  jm  sein  haubt  in  zwey  theyl  zerspalten  /  hiervft'  was  kheyner 
der  sich  bew^  /  wan  jn  alle  miszfiel  diese  zwitracht  /  aber  der 
ma^ch  Otger  ging  zü  Bnhmden  s&nfitigklich  ?nd  sagt:  Heir 
Buland /mich  bednnckt  jr  habent  fest  Tnrecht/den  Eeyser 
ewere  Oheym  /  dermassen  zu  zom  zubewegen  /  den  jr  doch  bil- 
lieher  Tor  angen  halten /vnd  ob  allen  menschen  lieb  haben 
soltent  Halamid  dem  der  zom  etlicher  masz  gelegen  vn  ge- 
sanfftet  was  sprach :  Herr  Ottger  ich  sa^,'  euch  zu  /  Ich  ward 
jetsondt  küi-tziich  vnuersehenlich  geargwilligt  /  des  bin  ich  vbel 
nunftt:  Aber  der  Eeyser  ward  ftst  zft  zom  bewegt/vber  Bn- 
landen  aeinen  Nenen/md  sprach  zft  den  Tettero  yon  Franck- 
reich.  Lieben  Herren  /  vilerley  gedanke  treiben  mich  vmb  / 
meines  Neuen  Bolands  halben /der  meyn  eygen  person  hatt 
TerlefaGen  w&Uen/  zft  welchem  doch  mein  hftchstes  vertiawen 

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—  100  — 

vor  allen  menadieii  der  gantsen  weit /gestanden  hat /ich  kan 
nikn  nit  mer  erkennen /wen  ich  am  liebsten  haben /oder  am 

meysten  liassen  soll  /  so  ist  auch  keiner  /  der  sich  bewillig  / 
wider  den  Heyden  züstreitten.  Vü  die  red  erhüb  sich  Hertzog 
Naimas  von  Beyern  sprechende:  Gnedigster  Keyser/ich  bit 
each  geschweigend  dieser  reden  /  eyn  anderer  soll  mit  diesem 
Heyden  kampffen /jedoch  bleib  der  Keyser  inn  hefftigen  ge- 
dancken/dann  sich  noch  niemandta  des  erbot. 


XL 

AD&Qg  des  Bitter  Qalmy.  Nach  der  Ausgabe  von  1540. 
Straszbnrg  bey  Jacob  Frölich.  4^  189  Bl. 

Wie  Galmy  der  Eitter  nit  gen  hoff  kam /sich  von  wegen 
grosser  lieb  zu  beth  nider  leyt/wie  jn  Friderich  sein  gesell 
drftstet/ynd  wie  es  jnen  beyden  ergieng. 

Das  Erst  CapiteL 

ES  was  ein  Hertzog  in  Britannia  /  an  dessen  hoff  wonet 
ein  Bitter /mit  namen  Galmy  ausz  Schotten  land  geboren. 
Der  selb  gewann  ein  solche  grosse  liebe  zft  des  Fftrsten 
Hertzogin  /  also  das  er  weder  essen  noch  drincken  mochte  / 
auch  seines  oaturlichen  schlaffes  gantz  entraubt  /  das  er  in 
knrtzen  Tagen  von  allen  seinen  krifften  vnnd  schiny  kamen 
thei  Das  langwirig  dranren  jn  sA  letst  dahin  brecht /das  er 
jm  entlich  Itii  nam  züsterben  /  vnd  solche  heymliche  liebe  /  mit 
Jm  vnder  den  grundt  zutragen.  Dann  er  ye  keynem  menschen 
solche  liebe  z&  wissen  thftn  wolt/wer  jm  auch  leyd  gewesen/ 
das  soUichs  die  Hertzogin  selbs  gewiszt  hätte.    Dann  er  sorgt  / 

SO'  bald  ^e  Hei-tzogin  seiner  liebe  gewar  worden  w4r/sye 

;  •••  •  • 
: .  .  •  • 
.     •  • 


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—  101  — 

mtdite  in  grosse  vngnad  gen  jm  gefklfö  sein.   Als  aber  der 

Ritter  den  flamraen  der  lieb  durch  kernerley  weg  ausz  loschen 
mocht  /  vnd  sich  aber  seim  kuinmer  ?nd  leiden  von  tag  zä 
tsg  iftmm  /  Yimd  er  sich  yetzt  gintzlich  alles  drostes  rerwegen 
hat /legt  er  sich  eines  abends  zft  bett/jm  fömam  da  nimmer 
iiuä  zuston  /  bisz  jn  der  todt  von  solchem  leiden  vnd  tr^lbsal 
neraen  tliet.  Als  nun  Galmy  der  Bitter  des  morgens  von 
niiiem  gesellen  Friderich  nit  geseben  ward /nach  seiner  ge- 
wonheyt  seines  i^esellen  gewartet  /  der  aber  nit  kunien  wolt  / 
Friderich  zu  jm  selbs  sprach /die  sach  frejlich  nit  wol  mb 
meinen  lieben  Bitter  ston  soll  /  was  mag  jn  doch  an  dem  ort 
TCihindem  /  ich  mich  mt  gnüg  yerwnnderen  mag/inn  solchen 
gedäcken  hin  vnd  her  spacieren  gieng  /  den  morgen  ymbisz  zu 
erwarten /z&  dem  er  seinen  gesellen  z&  kumen  vermeynet/ 
aber  als  Ymb  sonst.  Als  nmi  die  zeit  kam /der  ymbisz  zA- 
bere}  dt  ward  /  mencklich  zu  hoff  erscheinen  thet  /  alleyn  Galmy 
der  Bitter  nicht  gesehen  ward /welches  seinem  gesellen  nit 
wenig  schrecken  brochto.  Dann  er  <^  die  y^kerto  gesteh 
semes  gesellen  wargennmmen  hatt  ZAm  offtem  mal  vonjm 
l>egert  zu  erfaren  /  aber  gantz  koyn  vrsach  von  jm  vern^men 
mocht  /  Fridriohen  ein  Jor  sein  daucht,  bisz  der  ymbisz  voll- 
biadit  ward.  Als  aber  das  mol  Tollendet  ward  /  mencklich 
vrlob  von  dem  Hertzogen  nam  /  yeder  seinen  gescheffton  nach 
gieng  /  Fridehch  sich  nit  lang  säumen  thet  /  zu  seines  gesellen 
kimer  gieng  /  alle  yerspert  fand  /  ein  kleyn  weil  aldo  auff  jm 
adb  stAnd  /  nit  wissen  mocht  /  seinen  gesellen  zh  finden  /  imi 
solchem  stillston  /  ein  klagliches  seüfftzen  vnnd  klagen  inn 
seinea  gesellen  kamer  vememen  ward  /  sich  etwas  n4her  zu  der 
kammer  flget/sein  haobt  an  die  thflr  lenet/das  h^rtzliche 
klagen  vnd  seüfftzen  /  vermeynt  zu  vememen  /  aber  alles  vmb- 
sunst  was.  Dan  die  klag  seines  gesellen  so  still  zu  gieng/ 
das  nit  möglich  was  etwas  danon  z4  yememmen  /manchen  seit- 


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sumn  vnnd  frembdeo  gedandm  hati/fiyrtgem  anklopflthitte/ 

aber  von  weg^en  seines  gesellen  vnder  wegen  liesz  /  mit  grossem 
kjyd  /  stillfichweigeiid  toq  dannen  gieng  /  vor  leyd  nit  wiszt 
was  er  tiiin  solt  Ach  Ookt  v«m  hymel  spradi  FridorklL/ 
was  vrsacht  doch  meinen  freündtlichen  lieben  bruder  /  zu  sem- 
licher schweren  klag/jm  müsz  freylich  grosses  daran  gelegea 
seiiL  Dan  er  min  warlieh  nü  Tenchwigen  bitt/m  solioheB 
gedandEen  lang  hin  vnnd  hir  gieng /nii  gedouto  modit/ 
die  vrsach  seines  gesellen  klag  zu  erforen  /  in  solchem  ge- 
danfiken  des  Ritters  reüb&bea  enicht  /  die  kamer  anflwchliesflen  / 
dnn  er  schnell  zA  sprach/mit  jm  imi  die  kamer  gieng /seiiieii 
gesellen  aller  verkert  an  seinem  beth  ligen  fandt.  Friderich 
wmischi  jm  ein  guten  tag  /  inn  dem  der  lUtter  seiner  klag  ein 
end  gemacht  hat  Friderich  anh&b  fnd  sprach/was  soll  ich 
mein  allerliebster  Galmv  abnemen  ab  solchem  schnellen  vnd 
vnuersehenen  njder  kumen  /  vnnd  das  ich  dich  in  so  verkerter 
gestalt  wider  dein  gewonh^/an  deinem  beth  ligen  find/ ich 
bitt  mir  sollicfas  offenbaren  willesi  Galmy  der  Ritter  mit 
einer  schwachen  vnnd  traurigen  stim/anfieng  zu  reden /mein 
getrewer  vnd  lieber  br&der/ welcher  sich  allaeit  in  frefindt- 
licher  fnd  brftderfidier  Bebe  /gen  mir  erzeygt  hast  Idi  bitt/ 
willest  mich  nit  mer  fiagen/die  vrsach  meiner  kranckheyt 
die  warlich  von  deine  fi»gra/nit  minder/snnder  krefftigklich 
nimpt/mit  diszen  werten  ih  weynenden  hertnn  sich  von 
seinem  gesellen  keret  /  manchen  schweren  seüfftzen  liesz  also 
das  i'iiderich  ein  grosz  mitleiden  mit  jm  hat  /  sich  desz  wey* 
neos  kOmmeriich  Aber  haben  mocht/zft  letst  anfieng/also 
sprach.  Ach  mein  freündtlicher  vnd  lieber  Galmy /dein  red 
mich  warlich  nit  wenig  bekümmern  thut  /  diweil  ich  dich  hör 
also  mit  mir  reden/als  mit  eym/so  dir  etwas  vntrew  bewisen 
hab/nnn  hast  dn  midi  dodi  diweil  wir  geselsehafft  mit  eyn- 
ander  gehabt/ inn  keynem  vntreuwen  nye  erfunden  /  noch  ge- 


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—  103  — 

spfiit/deBshalben  ieh  nit  wenig  yiiniüt  a1»  demer  red  empfim- 

gen  hab.  Dieweil  aber  dir  vniierborgen  ist  /  mit  was  vertrewen 
YBser  beder  liertzen  /  allweg  gegen  eynander  gesttinden  seind  / 
Tnd  d»  mein  noeh  vngetmjffelt  eiot/Tmb  eolioher  frettndt- 
Mm  ynd  InrAdeiücüen  Hebe  wfUen/ich  dick  eimanet  ynd 
gebetten  haben  will/w6ilest  nit  minder  vertrewen  vnnd  drost 
(daoD  allwegen)  z&  mir  setzen/ vnnd  mu:  dein  yetsiges  anlygen/ 
fammier  ynnd  leiden  entdecken / wtet  du  ob  Gott  will/ein 
^mten  Ynd  getrewen  rhat  bey  mir  finden.  Damit  du  von 
solcber  deiner  kranckbeyt  erliszt  werden  solt.  Dann  furwar 
M  mch  lujn  mth/gelt/noch  gilt  daran  Terhindem / wo 
mir  änderst  möglich  sein  mag /vnnd  ob  ich  schon  mein  leib 
ton  strecken  solt  /  ich  vnuerhindert  dir  vnderstand  zu  helfen. 

Wie  Galmy  der  Ritter  sein»'iii  gesellen  die  vrsach  seiner  kranck- 
heyt  za  wissen  th&t  /  vnd  wie  es  jm  darnach  ergieng« 

Das  Ander  Capitel. 

ALs  Galmy  der  betrübt  Bitter  /  seinen  liebstra  gesdlen 

^0  freündtlich  mit  jm  roden  bort  /  sein  fünieme  eins  teyls  zu- 
rück schlug  mit  seinem  gesellen  also  anfieng  ziireden.  Deine 
firallndfliche  vnd  süsse  wort /allerliebster  Friderich/mir  mein 
fÖrnemen  gAntzlich  gebrochen  band  /  vnnd  das  so  ich  mir  fur- 
genommen  /  hat  in  mein  grab  zu  behalten  /  von  dir  bewegt 
wflrd  /  dir  semücbs  zä  entdecken.  Du  solt  wissen  mein  Fri- 
deri^/das  ich  nye  gedacht  bab/dieh  einigen  fidsch  gegen 
mir  zubraucheo  /  dann  ich  dich  in  allen  trewen  in  allweg 
gegen  mir  gespürt/ vnnd  fanden  liab/deszhalben  verchaff  vns 
))eyd  alleynig  in  dieser  kamer  zA  sein  /  will  ich  dir  die  ynacii 
meyner  kranckheyt  g4ntzlich  entdecken.  Friderich  des  Ritters 
hoben  usz  der  kamer  schüff  zü  gon  /  die  kamer  nach  jm  zü 
sddosi/sidi  zft  fftssen  anf  seines  gesellen  beth  setzet/der 
aatwuit  mit  begierigem  hertzen  von  jm  warten  was.  Qalmy 


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104  — 


der  Bitter  anfieng  ynoA  epiaeh/mein  Fiiderich / demnacli  da 
▼en  mir  begmri  hast/zü  erlliTeii  die  mach  meiner  kmckheyt 

So  wisz  das  ich  nu  ein  lange  zeit  mit  schwerem  seüfftzen  YDd 
klagen  beladen  geweszen  bin/dass  dir  dan  mein  traniigs  aii- 
geaidit  z&  meimalen  anBeygong  geben  hat/diez  mein  lang- 
wirigs  ti'aure  vn  klage  /  mich  zu  letst  in  dise  raein  kranckheyt 
bracht  hat/ausz  welcher  mich  keyn  Artzet  nimmer  mer  er- 
liazen  kan/oder  mag.  Dammb  mich  nit  not  sein  dancht/ 
mein  anligen  eynidiem  menschen  zA  entdecken  /  vnd  ist  mein 
entlich  fürnemen  also  zu  sterben  /  so  bald  vnd  icli  dir  mein  klag 
geöffnet /da  wol  abnemmen  würat/mir  in  keynem  zft 
helifen  sein.  Mein  lieber  Frideridi  du  seit  wissen /das  idi 
vergangen  zweyen  monaten  /  angefangen  lieb  zu  haben  /  ein 
weibs  bild/wolcher  nit  zimpt/ einem  also  schlechte  Ritter/ 
als  ich  bin /lieb  zehaben/desz  gleich  mir  anch  nit  gebürt/ 
ein  solche  firaw  lieb  zehab§  /  noch  vil  weniger  jr  mem  lieb  zA 
offnen  /  wie  wol  mich  keyn  vnerliche  liebe  gegen  jr  nye  ange- 
fochten hat.  Alleyn/wo  ich  ein  mal  von  jr  hett  mügen 
eynich«!  diost  empMen  /  aller  mein  schmertzen  sich  Inn  ftefld 
gekert  «hai  Dieweil  ich  aber  wol  erachten  mocht/das  nit 
müglich  wer /ich  drost  von  der  Frauwen  zu  empfahen.  Hab 
ich  min  so  schwirlich  an  mein  hertz  gelqrdt/das  ich  einer 
solchen  sdiweien  kranckheyt  nider  knmmen  bin /mit  solchen 
Worten  vnnd  schwerem  seüfl'tzen  /  der  Ritter  seiner  red  ein  end 
gab.  Friderich  sich  nit  genüg  ab  seines  geseUen  red  verwim- 
dem  mocht/eins  theyls  ein  drost  empfieng/ dieweil  er  keyne 
andere  vrsach  vemam/so  den  Ritter  zfl  semlicher  kranckheyt 
vrsachet  /  wieder  aufieng/aufl'  eine  solche  meynung  mit  dem 
Bitter  zu  reden.  Ich  kan  mich  allerliebster  Galmy/nit  ge- 
nAgsam  yerwnndem  /  aber  die  vrsach  deiner  kranckheyt  ich  wol 
vemim.  Nun  nimpt  mich  docli  ymer  wunder/ wohin  doch  di«»  maü- 
lichen  flammen  deines  gem^ts  geflohen  seind/hast  da  die  also 


s 


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—  106  — 

lassen  dnrch  eins  weibs  willen  erlAschen  /  gedenkst  du  nit  /  wo 
mit  du  den  Bitterlichen  orden  bekiimmen  hast  /  warlich  nit 
TOD  liebe  wegen  /  so  da  den  weiben  getragen  /  gander  deine 
mafilidien  vnnd  dapflferen  tbaten  /  desz  ein  mach  gewesen  eeind. 
Danimb  schlach  von  dir  ein  sollich  weibisch  gemut  /vnnd 
greyff  dapfier  nach  den  waffen  deines  Bitterlichen  amptes/ 
ftrwar  so  da  die  sach  selb  bedencken  weitest /mir  nit  not 
sein  wflrd/ein  solehe  red  mit  dir  K{fcbab9/daÜ  was  grossen 
spot  drausz  erfolgen  würd  /  so  man  sprechen  mocht.  Galmy 
der  Bitter/ welober  seinen  feinden  mit  dapfferS  gemAt  bat 
dtribn  begegnen /ynd  in  keynem  streyt  siob  der  waffen  seins 
feinds  vntsessen  hat/d'  selb  yetz  on  alle  schwertschleg  von 
eins  weibs  wegen  sich  in  den  tod  ergebe  hat  /  daraor  Got  sein 
wftl.  Daromb  mein  Galmy /wAlest  meinem  getrewen  riiat 
▼eigen  /  off  ston  /  vnnd  vns  kartzweil  mit  einander  baben.  Als 
non  der  Ritter  seinen  gesellen  in  solcher  meynung  hat  h6ren 
reden  /  eins  teyls  gerewen  ward  /  das  er  jm  sein  anligen  geöffnet 
hat/doeh  wideromb  anfleng/Tfi  spmch  also.  Ddnem  rbat/ 
raein  aller  liebster  Friderich  /  wol  zu  volgen  wer  /  wo  mir 
müglich  sein  m6cht/de  also  leichtlich  nach  zu  kommen /da 
scblechst  mir  f&r  die  manlicben  vnd  dapfiren  tbaten  /  dadorch 
icb  in  Ritterlicben  orden  knffien  bin/darzA  red  icb/keyn 
sorg  /  ano-st  /  noch  gfor  /  mich  nimermer  dahin  bringen  m6cht  / 
dahin  mich  die  lieb  mit  jre  gwalt  hin  gedrangen  hat  /  wilcher 
ich  ganis  kein  widerstand  hab  kflnen  thikn/Tnd  jren  gewalt 
so  frenenlich  an  mir  müssen  gestaten.  Dammb  daü  dein  red 
gar  vrabsnnst  gegen  mir  ist  /  wo  du  aber  ye  vermeynen  woltst  / 
iclk  allein  dor  wer /so  die  liebe  überwanden / so  nim  zü  ge- 
dndten/die  alten  woszeo  yn  starcken  miner/yn  th  aller 
fonlrist  vnsern  ersten  vater  Adam  /  bedenck  wohin  jn  die  liebe 
gedrungen  hab  /  gedenckstu  nit  an  die  dürtt'tigkeyt  vnsers  alten 
propheie  Daaide/der  in  seiner  jagendt  Ynderston  dorffb  den 


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grossen  Goliam  vmb  zü  bringea/als  er  dann  Üiet/wanA  jn 
aber  die  Heb  m  snnem  aUer  bracht  bat  /  ist  dir  ynaerborgen  / 

wer  hat  Samson  vmb  sein  leben  bracht?  was  ist  die  vrsach 
geweszen  das  die  mächtig  statt  Troya  zerstört  worden  ist? 
wer  halt  Aehill«n  und  Jasonem  Tmb  jr  leben  bracht:  dmn 
ich  micii  keykn  vergleichen  mag.  Ist  nit  Pontns  anch  ein 
männlicher  vnd  k^ner  Held  geweszen?  Herr  Tristrant  nit 
wenig  gefirligkeyt  dnrdi  liebe  willen  bestanden  hat/ich  ge- 
schwig  des  Piramns  /  der  sich  vmb  seiner  Tyspe  willen  /  wüligk* 
lieh  iiin  den  todt  ergeben  thet  /  wer  wolt  mich  dann  vor  solchem 
gwalt  geireyt  haben.  Da  aber  so  nye  erkant  hast /was  wäre 
vnnd  rechte  liebe  sey/nimer  mer  glauben  magst/was  gewalt 
vnd  sterck  die  liebe  verborgen  dreyt/dammb  dn  dich  mit 
h6chstera  fleissz  daruor  bewaren  vnd  hÄten  solt/ein  ebenbild 
ab  mir  nemen/vnnd  dich  disem  gewalt  nymmer  mer  vnder- 
wOrfflich  machen /dann  wo  dn  didi  ein  mai  Inn  solche  gefor 
begibst /nimmer  leichtlich  dauon  entpfliehen  würdst.  Hierumb 
mein  Fridhch  so  lasz  von  deiner  red /vnd  belad  mich  nit 
mit  mer  knmmer/dan  ich  mit  schwerem  joch  behiden  bin/ 
Fridrich  nit  Ueyn  verwunderen  ab  solcher  red  empfieng/nit 
wuszt  /  ob  er  weiter  mit  Galmyen  reden  wolt  /  oder  also  still 
schweigendt  von  jm  gon  /  yedoch  /  bezwang  yhn  die  trew  vnnd 
lieb/so  er  zft  semem  gesellen  trAg/nit  lassen  mocht/von 
newem  also  anfieng  zu  rede.  Pttrwar  Galmy  /  nit  wenig  seind  / 
so  also  von  wegen  grosser  lieb  /  sich  in  grosse  geferligkeyt 
begeben  hand/vnd  wie  dn  sagst/nit  kinder  gewessen / noch 
mdnt  ich  mit  meiner  v<ttigen  red  /  dich  von  deinem  fflmemmen 
ab  zu  wenden  /  ab  solcher  red  /  bitt  ich  dich  /  keyn  verdrusz 
haben  wöUest  /  dieweil  aber  mein  vorig  meyuung  an  dir  nicht 
ver&hen  mag/so  bitt  ich  doch/wie  vcr/wAUest  mir  den 
Namen  disser  personal  anzeygen/die  weü  dn  dich  doch  in 
allen  züchten  liebhaben  meynest  /  vnd  mir  nit  änderst  bekennet 


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—  107  — 

hast.  Wo  dir  dann  (wie  du  sprichst)  mit  jrem  drost  geholflen 
werden  mag  /  solt  da  8imder  zweiffei  getr6st  sein  /  ich  zu  w^en 
Iniiigai  will  (wo  mir  änderst  disBe  Fraw  bekant  iai)  sjre  selb 
mt  mand  /  vnd  jre  troet  dich  heym  süchen  mAssz  /  dann  frey- 
lieb/ein  Ynbarmhertzig  weib  die  sein  müszt  /  welche  ein  so 
Bdkn  mad  thefireii  Bitter/jn  troats  halben  yerderben  lieses. 
Dandn  \m  frftMch  /  der  saehen  nodi  wol  güter  rhat  baadteheo 
sdl.  Gallmy  ein  wenig  drost  von  diszer  red  empfieng/ 
mit  trauriger  stjm  also  anfieng  z&  reden/ f&rwar  Friderioh 
ddn  ihat  nit  wenig  an  mirrerfiihen  wflrdt/wo  mm  also  statt 
gsebech  /  wie  du  mir  angezeygt  hast  /  aber  fürwar  /  die  sach 
nit  wol  müglich  zu  wegen  zu  bringen  ist.  Dan  die  fraw  so 
1116m  hertz  gefimgen  hat/ist  mein  aller  Gnädigste  Fraw/die 
Hertzogin/w6lche  mich  mit  jrer  schine  vnd  rocht /so  krefftigklich 
gefange  hat  /  das  mir  nicht  müglich  ist  /  die  sach  änderst  dann 
mit  dem  todt  z&aerkomen.  Friderich/alB  er  Ton  seinem  ge- 
adta  Teratanden  hat/das  er  in  so  grosser  liebe  enfeEttndt/ 
nämlich  gegen  der  Hertzogin  selb /nit  gedencken  mocht/wie 
der  sadi  xft  begegnen  wir /gross  sorg  vnd  angst  sein  hertz 
vmbgebenthet  Jedoch  beawang  jn  die  liebe/  so  er  sft  seinem 
gesellen  trög/das  er  jra  endtlichen  fümam/selbs  mit  der 
Hertzogin  zu  reden  /  anfieng  vnnd  also  sprach.  Qehab  dich  wol  / 
man  Cbümiy/ieh  will/ob  Gott  will/die  Sach  z&  solchem  end 
bringen /das  ee  dann  die  nacht  wider  an  den  hymel  kumpt/ 
die  Hertzogin  personlich  mit  dir  reden  müssz  /  vnd  dich  inn 
deinem  leydtrAsten/dieweil  da  q^vichst/sye  in  aUen  zQchten 
md  eeren  liebhaben.  Fridrich  /  sprach  d*  Bittor  /  wo  solichs  ge- 
schech  /  mocht  mir  keyn  grosszer  freüd  auft"  erd  nit  begegnen  / 
da  solt  anch  des  sicher  Tnd  getrist  sein/ das  mich  keyn  vn- 
«denfiche  liebe /gegen  meine  aUer  gn&digste  Hertzogin  nye 
keins  wegs  angefocliten  hat  /  deshalb  ausz  dieser  vrsach  /  alle 
sorg  z4  rack  schlagen  solt   Dieweü  nun  dich  selb  vrbittig 


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—  los- 
gemacht hast/ vnd  mich  vnderstost  mit  deiner  trew /  von  dieeer 
mehier  schweren  Immckhejt  zft  erlAsEen  /  hierin  ich  wäre  vnd 

rechte  trew  an  dii-  speüren  mag  /  bitt  dich  hyemit  müglichen 
fleiez  ankeren  w6llest.  Bisz  getrist /sprach  Friderich  /  ich 
gang  dahin /meinem  fttmemen  statt  zik  thün/gehah  dich  wol 
mein  Galmy  /  dann  dir  gewiszlich  /  die  Ilertzogin  /  pers6nlich 
jren  drost  geben  vnd  mit  theylen  soll /mit  disen  Worten 
Fiidrich  von  seinem  gesellen  gieng/ willens  was /wo  er  die 
Hertzogin  hedretten  mAcht/jr  das  anlygen  seines  gesellen 
entdecken. 


HL 

Aus  Steiüliöwels  Uebersetzung  des  Decameron  8. 

Wie  ein  kflnig  von  Gtpri  von  einer  edlen  ftawen  rtm  Gnaschongna 

mit  Worten  gestochen  was,  vmb  des  willen  von  einem  nickten 

man  redlich  warde. 

Nach  der  gesagten  bistori  Elisa  wol  dauchte  was  neües 
ze  sagen;  nun  an  wor(«  fr6licb  an  hub  vnd  sprach.  Jr  iungen 
frawen  es  hat  sich  offt  begeben,  das  man  weder  durch  wort 
»traife,  oder  pein  etlichen  yon  seinen  pösen  wtirciren  md  ge- 
dancken  nitt  hat  bekeren  mügen,  vnd  auch  ofFte  vnd  dicke 
em  eyniges  wort  in  solchen  petson  grosses  wunder  getün  ynd 
gepracht  hai  Als  dann  Lauretta  in  der  gesagtoi  histori  ist 
peweisset  worden,  vnd  auch  in  raeinen  reden  vememen  wort. 
So  spriche  ich  das  pey  des  ersten  küniges  von  Cipri  zeiten; 
do  das  heilig  laut  von  Qotfirede  gewunnen  warde.  Sich  he« 
gäbe  das  ein  edel  tnwe  von  Guaschogna  in  pilgrams  weisz  zA 
dem  heiligen  giab  zoche,  vnd  auf  irer  widerfart  in  Cipri  be- 
käme; Do  ir  von  etlichen  pOsen  puben  groz  widerdriesse  zA 


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109  — 


rtoode,  des  sie  sere  foinatig  ynd  lieMbet  was;  Jr  fttmaine 
das  dem  künige  zu  klagen.  Aber  ir  gesaget  wer  wie  sie  ir 
mfle  dem  kfinig  ze  klagen  verlüre,  dann  er  was  sölcher  nator 
Tod  als  zü  nicbte  das  er  nieht  allen  andern  lefiten  schaden 
gern  seche  sunder  ein  aufhalter  der  die  do  übel  würckten 
nicht  allein  wider  die  fremden  sonder  in  selbes.  Dammb  wer 
do  möchte  der  mOchte  sich  selbes  der  enpfiingen  widerdrisse 
rechen.  Du  das  die  gute  edel  frawe  vernani  wol  gedacht  sich 
an  iren  feinden  nicht  gerechen  möchte;  Doch  wie  dem  waz 
iftr  den  kfinig  kam  Tnd  in  mit  etlichen  stiehworten  nnb  sein 
also  ze  Dichtes  leben  meinet  mit  zncht  ze  straffen,  vnd  wei- 
nest für  in  nider  knyet  vnd  sprach.  Hene  ich  kom  nicht 
ftr  dflin  genade  mich  meiner  eoptogner  widevdriess  ze  ledienr 
Sander  wah  der  willen  die  du*  ynd  demer  kröne  tegüch  getftn 
sein;  dar  vmb  ich  dich  diemüticlich  pite  du  mich  lerest  vnd 
Tnteniohiest  wie  dn  doch  solche  widerdrisse  als  ich  vemim 
dir  geUran  sein  Tertragen  ?nd  mit  gednlte  geleiden  mflgest, 
Da  mit  ich  durch  dein  lere  die  niemant  mit  gedulte  auch  als 
da  vertragen  müg  vnd  got  sey  dez  mein  gezeoge,  so  geb  ich 
dir  gern  mein  vnmftt,  sejtemai  da  sölches  als  ein  g&ter  ver- 
tnger  pist.  Der  ktknig  der  pisz  auf  die  stunde  fieiale  spat 
vnd  trege  zü  aller  gerechtikeit  gewesen  was  Nun  von  der 
ftawen  wort  meht  anders  dann  er  als  erste  von  dem  schlaffe 
erwachet  wero.  An  dem  das  der  edeln  frawen  Ton  den  pOeen 
l'uben  getün  was,  an  hübe  vnd  daz  mit  grosser  pein  der  die 
die  frawen  beschemt  betten,  die  frawe  räche  vnd  gerechtickeit 
tiHt,  Dar  nach  ein  herter  strafiEer  vnd  ptksser  aller  der  die 
wider  gerechtickeit  thetten. 


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—  110  — 


IV. 


Ans  Eüriolus  nnd  Lnoreoia.  Traiwlationen  von  Nidas 
von  Wyle,  berausg.  durch  Adelbert  von  Keller«  Stuttg.  1861. 


Erster  Liebesbrief  des  Euriolus  an  Lucretia.  welchen  er  Ihr 


JCh  enbntt  dir  gern  Increcia  in  geschriifc  minen  grosz  • 
vnd  vil  hails,  wo  mir  aincher  volle  wer  des  hails.  aber  alles 
haüe  vnd  aller  trost  nuDes  l^>6ii8  hanget  gantz  an  dir.  Idi 
hab  me  lieb  dieh  dann  mich,  vnd  main  oneh  /  das  flkre  mines 
verserten  hertzen  dir  nit  sin  verborgen,  dann  min  angesicht 
-mag  dir  des  geweisen  sin  am  siiger  oft  nasa  ?on  trechem  Ynd 
mine  sfiftien  die  ich  dick  gelassen  hab  so  du  das  hast  gesedwn. 
Lyd  senffcraütenklich  (bitt  ich)  ob  ich  mich  gegen  dir  vftün. 
mich  hat  gefangen  din  geziert  vnd  die  edel  loblich  gnad 
▼nd  gfttikaü  diner  schöne  (damit  da  mengkliehen  flberfariftt) 
halt  vnd  behept  mich  dir  verbunden,  w^az  liebe  gewesen  syg 
hab  ich  vor  nit  gewisset,  du  hast  mich  dem  gewalt  der  liebe 
vnderwoiiEßn.  Ich  hab  kng  hier  wider  gestritten  (bekenn  ich) 
damit  idi  ainem  freflen  vngestAmen  herren  flnch  vnd  dem 
möcht  endrünnen.  aber  die  schöne  diner  gestalt  hat  überwunden 
sdlich  min  flysse  vnd  arbait  Mich  haben  fibenmnden  din 
schyn  vnd  gdeste  diner  engen  mit  denen  da  meehtiger  bist 
dann  die  sunne.  Ich  i)in  din  gefangen  vnd  min  selbs  furo  nit 
mar  mechtig.  da  hast  mir  hingenomen  vnd  enpfort  den  brohe 
des  sohlafifens  vnd  der  spyse.  dicfahab  ich  lieb  tag  vnd  nacü 
din  beger  ich.  dir  ruft'  ich.  din  wart  icli.  von  dir  gedenck  ich. 
dich  hoff  ich.  von  dir  ergötz  ich  mich,  din  ist  min  gemüt. 
by  dir  bin  ich  gants.  da  magst  aUain  mich  im  leben  behalten 
vnd  allain  ertOtten.  erwelle  dir  dero  ains.  vnd  was  dir  sA 
willea  syg,  schryb  mir.  vnd  bis  gegen  nur  nit  herter  mit 


8.  33. 


durch  ein  vibeL  berufenes  Weib  zusendete. 


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—  111  — 

«vrten  dgnn  da  gewesen  bist  mit  engen,  da  mit  da  mich  hast 

gebunden,  jch  bitt  nit  grosses,  allain  beger  ich  den  vollen  mit 
dir  zeredeo.  das  wOUent  aUain  disz  min  Schriften,  daz  ich 
oionbar  tot  dir  wyter  mag  reden  das,  so  ieh  yets  schrib  gibst 
du  mir  das,  so  leb  ich,  vnd  leb  selig  versagst  du  es  aber  so 
erleschet  min  hertz,  das  Uber  hat  dich  dann  mich,  aber  ich 
espfileh  mich  dir  vod  diner  trtw  got  pHeg  din.  ja  din  min 
Iierizigs  gemüt  vnd  ainiger  tröste  vnd  hilff  mines  lebens .... 
Als  na  die  bübin  disen  briefe  mit  curiols  edelm  gestain  ver- 
teilet enp&hen  hatt,  iQff  sy  sehneil  laoreciam  suchende,  vnd 
ib  ay  die  allain  Ihnd,  redt  sy  zft  ir.  disen  santbriefe  sddekt 
dir  der  edelst  vnd  mechtigost  liebhaber  der  an  dem  kaiser- 
lichen hofe  sm  mag  vnd  bittet  dich  mit  grosser  bitte  daz  da  didi 
sia  erbarmest.  DIse  frow  was  in  büberye  mengkliehen  bekant 
▼nd  vermerckt  vnd  was  das  lucrecie  ouch  nit  verborgen,  darvmb 
lacreda  kid  trug,  ain  sOliche  verlumdete  irowen  za  ir  gesant 
na  fnd  wAcfas  mit  werten  an  vnd  spradi  sag  an  da  laster- 
Me,  was  gedürstikait  hat  dich  gefllret  in  dises  hose?  was 
TDsinikait  hat  dir  geraten  ze  kernen  in  min  gegenwürtikait? 
aott  da  in  edler  firowen  hOser  geen  vnd  Ters&ehen  mechtig 
ftewen,  vnd  dich  Tndersteen  zeserbrechen  elieh  Iheheln  vnd 
bände?  Ich  beheb  mich  kumme  daz  jch  dir  nit  &U  in  din 
hire.  Seit  da  mir  geben  brife?  seit  da  mich  ansoehen  ynd 
mit  mir  reden?  wo  idi  nit  mer  bedeehte  was  mur  zetftn  ge- 
bürlich  wer,  dann  Avas  straflfens  dir  zügehorte,  so  wölt  ich  hüt 
tun,  daz  da  kainen  bülbrief  yemer  me  getrügest,  machh  dich 
bsld  hin  weg,  da  yerglfte  Tnd  trag  hin  dinen  briefe.  Aber  v 
gib  joch  her  mir  den  briefe,  daz  ich  den  ee  zerrisz  vnd  ver- 
brenne in  dem  füre,  vnd  nam  darmit  das  papir  vnd  zerraisz 
das  m  manigfidtig  stdeklL  Ynd^als  sy  oft  mit  jren  fttssen 
dar  yf  getrat  oneh  die  verspuwt,  warf  sy  die  Jn  die  Sschen 
deä  füres  vnd  sprach.  Ach  daz  Jch  sölich  straff  an  dir  be- 


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geai  sfilt«  die  wirdiger  werat  des  Ares  dami  wines.  Aber 

^ng  bald  hinweg  das  dich  min  man  nit  ergry£f  ynd  die  radie 
öu  ich  dir  nachgelassen  han,  eist  an  dir  volbring.  vnd  hdt 
dich  wolt  das  da  nit  mer  komeet  für  mine  engen.  Dia  fiow- 
lin  hett  Jt  wirsz  gedreht»  Aber  sy  b^nt  die  sitten  sftliclier 
frowen.  vnd  redt  Jn  Jr  selbs.  Nu  wil  du  uUemiaist,  dwyle 
dieh  enaigest  nit  wollen.  Tnd  8|irech  daruf  Vergib  mir  frow 
Jcb  wand  redit  t6n  ynd  dir  kernen  sollen  zö  gefieiOen.  wyle 
es  aber  anders  ist,  so  tu  ablassen  miner  torhait.  Wilt  du 
daz  ich  nit  mer  kom  Jch  wirt  dir  zu  gefallen,  du  lug  was 
liebbaberB  da  Teracfateet  vnd  verachmadieBt.  vnd  schied  also 
mit  disen  werten  Ten  Jr  angesicht.  vnd  als  sy  eoriolum  fand, 
sprach  sy  enpüiche  mut  seliger  liebhaber,  die  &ow  hat  mer 
lieb  dich,  danne  qr  werd  lieb  gehabt  Ton  dir.  Aber  yetz  was 
ir  nit  mtaae  sesehriben.  ich  &nd  sy  truiig,  als  bald  ich  aber 
dich  nampt  vnd  ir  ganb  dinen  brief  machet  sy  ain  fiöLich 
angesicht.  vnd  tett  das  papyre  e&  tosent  itialen  kossen»  hab 
nit  zwyfels  wy  whrt  dhr  bald  ahtwert  geben,  vnd  i^cfaied  das 
alt  wybe  hier  mit  abe  vnd  hüt  sich  daz  man  sy  furo  nit 
mer  iunde,  vmb  das  sy  nit  vmb  wort  straiche  tragen  wurd. 
laereda  aber,  de  das  alt  wyb  hinwegkomen  was,  sftdit  die 
stücklin  des  santbriefs  vnd  legt  vnd  satzt  züsamen  die  t/er' 
rissnen  worte.  Vnd  do  sy  dar  us  ainen  leslichen  briefe  ge- 
madiet  ?nd  den  sü  tnsmt  malen  gelesen  hatt,  tett  sy  den 
noch  dicker  zn  tosent  malen  kfltesen  ynd  znletseht  winden  in  ain 
sydin  tüchliii  vnd  legen  vnder  ir  köstliche  klaiuat,  yetz  das 
wort  dann  dissb  wort  wider  vmb  sücbend  lesent  vnd  erwegende, 
da  mit  sy  von  stunde  zA  stände  Jr  liebe  tett  zftnemen  wachsen 
vnd  meren.  vnd  nam  ir  lur  euriolo  zeschriben  vnd  sandt  Jm 
ainen  brieöe  vii'  nach  geschriben  form  gestellet. 

STell  ab  enriole  zehoffen  das,  das  sich  nit  gebflrt  zeer^ 
folgen,  vertrag  mit  hotten  vnd  briefien  mich  zebekümbern  vnd 


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—  113  — 


gdoQb  mich  nit  am  ysz  der  schare  der  ftowen  die  sich  yer- 
kooffeni  jch  bin  nit  die  als  du  mainst,  oder  dero  du  schicken 
söUest  ain  verlümbde  frowen.  Such  ain  andere  ze  bülen.  mir 
8ol  kain  liebe  dann  die  finom  erber  Tnd  kfisch  ist  nachfolgen, 
mit  andern  wikrek  vnd  t&  als  dich  gelöst  von  mir  beger 
QüUit  freuels  oder  vngebürlichs  got  pfleg  diu  in  gesuntiiait 


JCh  mag  dir  nit  mer  Tersagen  noch  widerwertag  sm 

eariole,  noch  dich  Mro  mer  miner  liebe  aszschlachen.  Du  hast 
gesigen  vnd  ich  bin  yetz  din.  Ach  mich  arme,  daz  ich  dine 
briflf  ye  hab  enp&ngen.  jch  bin  zu  vil  sorgen  nu  mer  Tnder- 
wfirHig.  Es  syg  dann  daz  din  trüw  vnd  wyshait  mir  tQg 
helften.  lüg  daz  du  haltest  dasz  du  mir  geschriben  hast,  joh 
kuffl  jetz  in  din  liebe,  ist  daz  du  mich  verhissest,  so  bist  du 
ain  wiktryoh  vnd  Yerreter  vnd  ain  aller  bOster  aller  menschen. 
Es  ist  lycht  ain  frowen  zebetriegen,  Aber  als  vO  es  lychter 
ist,  als  vil  ist  es  schandthcher  dem  betiieger.  Disz  ding  ist 
noch  ganta  vnd  vnuerhönt,  mainst  du  mich  zeverlassen  so  sags 
vor  vnd  ee  die  liebe  mer  wird  brinnen  vnd  t&,  daz  wir  nit 
anfahent  das,  daz  vns  darnach  angehept  gerüwen  weid.  Jn 
allen  dingen  ist  anzesechen  das  ende.  Ich  als  ain  frow  verstee 
wenig.  Da  bist  aber  ain  man  vnd  müst  för  dich  vnd  mich 
tragen  die  sorge.  Ich  gib  mich  yets  dhr  vnd  folg  nadi  diner 
trüfv,  Vnd  heb  ouch  nit  an  diu  zesin,  Dann  daz  ich  ewenklich 
din  sjg,   Got  päeg  din  min  hilfi'  vnd  f&rer  mins  lebens  etc. 


Vierter  Brief  der  Lucrecia, 


8 


Viertes  Cai^teL 


Die  prosaisohen  Tacetieii-  oder  Sobwaukbaotier  des  X7. 


Das  vorhergehende  Gapitel  hat  uns  eiii  Büd  von  den  An- 
fängen der  dentschen  Prosaepik  gegeben,  sofern  sie  ans  ritter- 
lichen Romanen  bestand,  zu  denen  die  classische  italienische 
Novelle  als  willkommene  Ergänzung  herbeigeholt  wurde.  Die 
letztere  Gattung  mnszte  sieh  neben  jene  ritterlichen  oder  doch 
wenigstens  mittelalterlichen  Romane  stellen,  weil  sie  ihrer 
ausgeführten  Form,  ihrer  behaglichen  Breite,  ihrer  plastischen 
Sitnationsmalerd  wegen  nicht  mit  den  kleinen  und  klänsten 
Erzählungen  zusammengehört,  die  einen  sehr  wesentlichen  Be- 
standtheil  der  ünterhaltungslectüre  des  XV.  und  beginnenden 
XYL  Jahrhunderts  bilden,  und  weil  beaonderB  zu  betonen  ist, 
dasz  die  knappe  Form  des  Vortrages  hn  Gegensatz  zu  dei 
breiten  der  italienischen  Novelle  den  kleineren  Erzählungen, 
von  denen  wir  sogleich  zu  reden  haben  werden,  durchaus 
wesentlich  ist  Dieser  Unterschied  hat  um  so  mehr  auf  sich, 
als  wir  schon  im  XVI.  Jahrhundert  die  kleine  prosaische  Er- 
zählung in  der  deutschen  Literatur  zu  einer  volksthümlichen 
Blüthe  gelangt  sehen,  die  aber  von  der  Blüthe  der  italienischen 
Novelle  ganz  unabhängig  ist.    Geist  und  Inhalt,  Umfang  und 


und  ZVI.  Jahrhunderts. 


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—  115  — 

Aioflttinmg  der  Anekdoten  und  Facetien  oder  Schwanke '), 
welche  schon  im  XV.  Jahrhundort  höchst  l)eliebt  zu  werden 
anftogen  und  bald  in  eine  eigenthämlieh  deatsch-volksthüm» 
Me  Bichtimg  dnlenken,  sind  mit  den  Werken  eines  Boccaccio, 
GBÜiio,  Bandello  ganz  und  gar  nicht  zusammenzustellen.  So- 
ml  endieiDt  es  nicht  angemesBen,  yod  'den  Geschichten,  die 
jefact  m  Bespredrang  kommen,  die  Bezeichnnng  NoveUen  zn 
gebrauchen,  so  wenig,  wie  es  passend  wäre,  Albrecht  Dürers 
Holzschnitte  Gemälde  zu  nennen. 

Ißt  diesen  Bemerkungen  glaube  ich  der  einen  Gefahr, 
welche  der  sacligemäszen  Gruppirung  der  nunmehr  vorzulüh- 
RDden  literarischen  Erzengnisse  drohte,  YOi^bengt  zn  haben. 
Koch  aber  sind  einige  Worte  znr  allgemeineren  Orientirung  zn 
sagen.  Die  liitterroniane,  welche  gerailsz  den  zu  Anfang  des 
tilgen  Gapitels  erörterten  Grundsätzen  den  ersten  Platz  ein- 
nelnnen  mnszten,  nnd  die  Novellen,  welche  sich  ihnen  am 
besten  anschlössen,  waren  unschwer  als  reine  ünterhaltungs- 
schriften  nnd  als  Erzeugnisse  der  erheiternden  nnd  erfrenenden 
Kunst  zn  erkennen.  Eine.  Yerwechselnng  nnd  Yermischnng 
derselben  mit  wissenschaftlichen ,  erbauliclien  und  überhaupt 
einen  der  Kunst  eigentlich  Iremden  Zweck  unter  deren  Form 
verbergenden  Erscheinungen  war  nicht  leicht  möglich,  wenn 
weh  dergleichen  Zwecke  sich  bisweilen  mehr  oder  weniger 
mit  in  die  Werke  der  Dichtung  hineindrängten.  Wir  sehen 
Ngar,  wie  sich  nrsprftnglich  belehrende  B&cher  z.  B.  Beise- 
beridiie  yollständig  in  reine  ünterhaltnngsschriffcen  umformten. 
Anders  verhält  es  sich  mit  den  kleinen  Erzählungen,  welche 


<)  IHe  AasMcke  F«oetien  imd  Schwiake  bedeuten  Töllig  das« 
leSbe.  LindiBer  ftbenetste  Bebelü  faeetiae  mit  «die  Geschwenck  H.. 
Bebefit^  und  Montaniis  bezeichnet  in  der  Vorrede  nun  Wegkürtser  den 
Inhalt  semea  Baches  als  Facetien. 

8» 


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—  116  — 

meist  in  Gonglomerateii,  oft  in  ziomlich  nnftrmlichen  and 

breiten,  auftraten.  Legenden,  moralische  Beispiele,  Fabeln, 
Anekdoten,  witzige  Antworten,  Sentenzen  und  Anderes,  Alles 
Iftoft  häufig  durch  und  untereinander,  Bines  geht  in  das  Andere 
über,  dasselbe  erseheint,  je  nach  der  Absicht,  in  welcher  es 
vorgebracht  wird,  baM  als  dies  bald  als  jenes,  ümsomehr  ist 
es  nötbig,  sicher  und  bestimmt  das  zu  unserer  Au%abe  Ge- 
hörende Yon  dem  ihr  Fremden  zn  unterscheiden,  das  nach  In- 
halt und  Form  als  Gattung  oder  Art  sieh  Feststellende  anf- 
zufassen  und  es  von  dem  noch  Unbestimmten  und  Formlosen 
zu  trennen,  sowie  auch  die  £ntwickelang  dieses  aus  jenem  zu 
erkennen.  Wir  werden  zu  diesem  Zwecke  einen  begrifflichen 
und  einen  historischen  Ausgangspunkt  zu  nehmen  haben.  Der 
begriffliche  ist  bereits  mehifach  angedeutet  worden.  Nur  das 
gehört  ihm  zufolge  ganz  und  voll  in  unsere  Aufgabe,  was  sidi 
als  wirkliche  ünterhaltungsliteratur  ausdrücklich  oder  doch 
unter  vorausgesetzter  Selbstverständlichkeit  darstellt.  Denn 
hierin  liegt  die  Verwandtschaft  der  kleineren  Ghtttungen  mit 
dem  Bomane,  dessen  historische  Entwickelnng  den  Kern  unseres 
Gegenstandes  bildet.  Demnach  sind  alle  Erscheinungen,  deren 
Hauptzweck  hiervon  abweicht,  wie  Fabeln,  moi-alische  Beispiele, 
erbauliche  Legenden,  nur  nebenbei  und  in  Rücksicht  auf  ihren 
mehr  oder  weniger  engen  literarischen  Znsammenhang  mit 
unserm  eigentlichen  Gegenstande  heran  zu  ziehen. 

Hiernach  ergiebt  sich  unser  historischer  Ausgangspunkt 
von  selbst  Denn  eine  ganz  bestimmte  und  die  interessante 
Signatur  ihrer  Zeit  tragende  Gruppe  bilden  in  unserer  Literatur 
die  sogenannten  Schwank-  oder  Facetienbücher,  deren  Blüthe- 
zeit  das  XYL  Jahrhundert  ist  Sie  sind  es,  die  in  diesem 
Gapitel  betrachtet  werden  sollen,  wdches  Capitel  also,  wenn 
Goedekes  Schwankbücher  des  XVI.  Jahrhunderts  gedruckt 
wareu,  bereits  besser  würde  vorhanden  sein,  als  ich  es  werde 


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—  117  — 

schreiben  können.  Wegen  ihres  immerhin  noch  zu  einem 
bedeateoden  Thdile  —  eins  mehr,  das  andere  weniger  — 
nü  importirfteiii  Stoff  Termisefaten  Inhalts  und  weil  sie 
blosze  Congloraerate  sind,  trennen  wir  sie  von  dm  in  der- 
üelbeo  Zeit  entstandenen  Erzeugnissen,  welche  durchaus  ur- 
^gMM^i  deatsehen  Stoff  enthalten  nnd  dadurch  einen  hemerklich 
Muren  Grad  Ton  Einheit  besitzen,  dasz  sie  wenigstens  an 
filier  Person  als  Helden  fedthalten,  wie  Eulenspiegel,  Claus 
Nair,  Doctor  Faost. 

Diese  Faoetienhftcher  hftngen  nun  aber  stofflich  wie  in 
Hinsicht  auf  ihre  stilistische  Darstellung  mit  älteren  Literatui-- 
piodncten  mg  zusammen,  sind  gleichsam  aus  ihnen  heraus- 
gevaehsen  und  ohne  sie  nicht  historisch  zu  begreifen.  Auf 
diese  Grundlage  musz  daher  zuerst  ein  Blick  geworfen  werden, 
venu  die  sie  bildenden  Erscheinungen  auch  mehr  oder  weniger 
innerhalb  der  Grenzen  fidlen,  welche  wir  unserer  Aufgabe  zu 
lieben  hatten. 

Die  Neigung  und  Emsigkeit,  Stoff  anzuhäufen,  ist  verschie- 
teen  Renschen,  Lebensaltem,  Perioden  und  Kreisen  der  mensch- 
fiehen  Gesellschaft  eigen,  deutet  aber  immer  auf  einen  Zustand 
innerer  geistiger  Unfreiheit  und  Unfähigkeit  zu  eigenem,  selb- 
sttodigem  oder  gar  schöpferischem  Denken.  Während  in 
gewissen  Periodoi  der  antiken  Literaturentwickelung  dieser 
Zustand  mit  seinen  S\Tnptonien  auf  Alterschwäche  zurückzu- 
führen ist,  rührt  er,  wo  er  sich  im  Mittelalter  findet  —  und 
er  findet  sich  überaus  hftufig  —  hat  immer  yon  Unreife  her. 
Und  me  sehr  erinnert  in  dieser  Beziehung  noch  die  erste  Zeit 
des  neuen  geistigen  Lebens,  welches  von  der  Wiederbelebung  der 
Alierthumsstudien  henrorgerufen  ward,  an  die  vorhergehende 
Mode,  wie  penetrant  secnndanerhaft  schmecken  nicht  des 
Petrarca  „res  memorandae"  und  seine  und  anderer  wohlstilisirte 
Abhandlungen  Aber  alle  möglichen  Dinge,  über  die  sich  mit 


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—  118  — 

höchst  nngenttgender  Sachkenntnisz  gut  lateinisch  schreibeD 

läszt!  Das  durch  den  Entwiekelungsstand  der  Zeit  bedingte 
Kindliche  und  Schülerhafte  der  Gtoistesprodacte  jener  Zeiten 
zu  Yerkennen,  heiszt  ehenso  nnhistorisch  Torfhhren,  als  wenn 
man  sie,  mit  dem  Maszstabe  einer  500  Jahre  älteren  Cultnr 
messend,  an  sich  für  werthlos  und  keiner  Beachtung  würdig 
erklärt  Denn  in  beiden  F&llen  versperrt  man  sich  den  W^, 
das  Werden  der  Menschheit,  den  Gegenstand  aller  geschicht- 
lichen Wissenschaft,  zu  erkennen. 

Das  Mittelalter  hat  nicht  blos  solche  Werke  des  griechisch- 
rOmischen  Alterthnms,  anf  welche  die  eben  gemachten  Bemer- 
kmigen  Anwendung  finden,  hochgeschätzt,  wie  z.  B.  den 
Valeiius  Maximus,  sondern  ist  aurh  theils  selber  äuözerst 
fruchtbar  im  Herrorbringen  ähnlicher  Sammlungen  gewesen, 
theils  hat  es  sie,  selbst  von  sehr  fem  her,  herbeizuziehen  und 
sich  anzueignen  gewuszt.  Von  den  Werken  der  ersten  Art 
will  ich  die  des  Yinceutius  Bellovacensis  als  die  colossalste 
Anhftuftmg  ?on  Stoff  in  encjdopaedischer  Form  aufRkhren,  und 
als  Quelle  sehr  vieler  folgenden,  als  ein  höchst  bezeichnendes 
Machwerk,  die  bekannte  Schrift  desCäsarius  von  Helsterbach, 
beide  aus  dem  XIII.  Jahrhundert  Näher  gehen  uns  diejenigen 
an,  welche  durch  üebersetzungen  oder  Bearbeitungen  in  unsere 
Niitionalliteratur  wiiklicli  {^ingotroten  sind,  wie  das  Buch  der 
Beispiele,  die  sieben  weisen  Meister,  die  Gesta  Bonianorum, 
der  Aesop,  dem  Heinrich  Steinhftwel  die  in  unserer  Literatur 
verbreitetste  Gestalt  gegeben,  und  ihnen  schlieszen  sich  erst 
auf  deutschem  Boden  entstandene  Zusaninienstellungen  an, 
z.  B.  der  Seelen  Trost  und  der  Väter  Buch,  welche  beiden 
nebst  anderen  weniger  bekannten  als  mdnohische  ünterhaltungs- 
lectüre  bozoielinct  werden  können. 

Die  erste  Stelle  verdient  das  Buch  von  den  sieben  weisen 
Meistern.  Denn  es  kann  nidit  nur  am  besten  dazu  dienen, 


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—  119  — 

eme  Anachanang  ?oii  dem  Charakter  dieser  gesanunften  Idie- 

ratiirgattung  zu  geben,  sondern  steht  auch  unter  allen  Seines- 
gleichen der  eigentlichen  Unterhaltungsliterator  am  nächsten. 
DieNs  pfoiensartige  Weltbneh,  welobee  seinen  ersten  üispnmg 
im  alten  Indioi  hat'),  ans  dem  sdion  in  früheren  Zeiten  des 
Mittelalters  einige  Geschichten  in  Deutschland  poetisch  bear- 
beitet worden  sind  und  welches  im  späteren  Mittelalter  den 
Bäheier  und  einen  ungenannten  Dichter  als  Bearbeiter  fiuid^ 
erschien  in  deut>rlit'r  Prosa  datirt  zuerst  1473^),  war  aber 
Schon  längere  Zeit  vorher  auch  in  dieser  Form  in  Deutsehland 
aahr  Yerbreitet«  und  die  bis  über  die  Mitte  des  siebzehnten 
Jahriranderts  hinans  äoszerst  zahlreichen  Ausgaben  beweisen, 


^  Die  Ctesehiehte  des  Stoffes,  die  Entstehung  der  Tersehledenen 
Bsdaettoneii  und  tJebenetsimgeii  ansageben,  gehört  nieht  hierher. 
Weitere  Kaebweisnngen  geben  die  neuesten  Anflagen  von  Koberstein 
snd  Oerrinns  iu  genügender  Menge,  anf  welche  ich  daher  verweise. 
Von  den  sehr  nnter  einander  abweicbenden  Gestaltungen  dflrfte  als 
dis  nichste  Qndle  der  in  Bracken  verbreiteten  dentschen  die  lateinische 
ftesa  »De  cafamnia  noTeroali**  xn  betraohten  sein,  Ton  der  c.  1490 
ii  Antwerpen  eine  Ausgabe  in  4*  erschienen  ist 

*)  Augsburg.  B&mler  in  FoL  Ausserdem:  2  Ausgg.  o.  0.  u.  J. 
Fol  —  Augsb.  1474.  FoL  —  ebenda  Sorg.  1478.  FoL  —  ebend.  1480. 
FsL  —  ebend.  Sehtasperger  1481.  FoL  —  ebenda  bei  dems.  1486.  FoL 
Asgsb.  Sorg.  1487.  FoL  —  Augsb.  1488.  FoL  —  ebend.  1497.  FoL  — 
Süasib.  M.  Hüpftiff  151S.  4.  —  Augsb.  J.  Frosdiauer  1515.  4.  — 
Stnnb.  1536.  4.  —  Eine  mit  Erzählungen  der  Gesta  Born.  Termehrte 
Ausg.  unter  dem  Titel  „die  alten  Römer*  ersehien  Strasib.  Cammerlftnder 
15S8.  FoL  ~  Ingolstadt  W^yssenhom  1544.  4.  —  ebendas.  bei  dems. 
1546.  4.  —  Strassb.  W.  BibeL  1549.  4.  —  Frkt  Weygand  Hau  1556. 
6.  ~  Frkt  G.  Babe  u.  W.  Hau  Erben  1565.  8.  —  Stiassb.  Chr.  HtUler 
1577.  8.  —  Frbf.  1577.  8.  ^  Augsb.  K.  Franck  o.  J.  —  Augsb.  Mich. 
Hanger  o.  J.  8.  —  Cöhi  H.  Netessem.  o.  J.  8.  —  Strassb.  M.  Heyden 
1617.  8.  —  Frk£  M.  Bruck,  o.  J.  (c  162a)  8.  —  Frkfl  1664.  8.  — 
Ktenb.  J.  F.  Endter  1670.  &  ~  o.  0.  u.  J.  8.  —  Leips.  o.  J.  8  (c. 
1840^)  -  Erneuert  Shnr.  Yb.  XII,  4  Marbaoh  Nr.  80  u.  31.  —  bei 
CMirca  Kro.  22« 


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—  120  — 

wieyiel  Gefikllen  jene  Zeiten  an  dem  sonderbaren  Werl»  mtaen 

gefunden  haben.  Wir  haben  wirklich  Ursache,  die  Menge  der 
Drucke  ins  Auge  zu  fassen,  da  es  uns  bei  diesem  Buche 
schwerer  als  bei  irgend  einem  der  bisher  besprochenen  werden 
ddrite,  allein  auf  seinen  Inhalt  hin  an  eine  so  grosse  Beliebt- 
heit zu  glauben.  Dieser  Inhalt  nun  ist  nach  der  verbreite tsten 
Bedaction  folgender*).  Kaiser  Pontianns  von  Rom  übergiebt 
nach  dem  Tode  seiner  ersten  Gemahlin  seinen  Sohn  IHocktianiis 
den  sieben  weisen  Meistern  Bancillas,  Lentnlus,  Cato,  Wal- 
dach, Josephus,  Cleophas  und  Joachim.  Nach  sieben  Jahren 
pAdagogischer  Thfttigkeit  stellen  sie  ein  Eiamen  mit  ihm  an, 
welches  eine  geniale  Torenitachnng  unserer  analogen  Abita- 
rientenprüfungen  bietet,  sie  legen  ihm  nämlich,  während  er 
schläft,  unter  jeden  BettstoUen  ein  Eichenblatt  £rwachend 
bemerkt  er  sogleich,  dass  er  der  Decke  der  gemanerten  Kam- 
mer, die  zugleich  Wohnung  und  Auditorinm  ist  —  denn  die 
sieben  freien  Künste  waren  an  die  Wände  geschrieben  —  sich 
nfther  befindet  Inzwischen  heirathet  der  Kaiser  eine  KAniga- 
tochter,  welche  nnfirnchtbar  bleibt,  dennoch  aber  ihrem  ihr 
von  Person  unbekannten  Stiefsohn  in  Erwartung  noch  mög- 
licher Nachkommenschaft  nach  dem  Leben  trachtet  Auf  ihre 
Bitten  schickt  der  Kaiser  nach  seinem  Sohne,  der  aber  mit 
seinen  Lehrern,  ehe  Folge  geleistet  wird,  die  Sterne  beschaut 
und  sieht,  dasz  er  sein  Leben  nur  erhalten  könne,  wenn  er, 
bei  seinem  Vater  angekommen,  sieben  Tage  schweige.  Von 
leteterem  wird  er  mit  glänzendem  Gefolge  eingeholt,  sem  Still- 
schweigen erregt  begreiflicherweise  sogleich  Änstosz.  Die  Kai- 
serin übernimmt  es,  ihm  die  Sprache  zu  Wege  zu  bringen. 


*)  Ich  folge  in  dem  Anszoge  der  zu  „Ingolstadt  durch  Alenmder 
Weysscnhorn**  1544  gedruckten  Ausgabe,  Ton  der  die  Stadtbibliothek 
in  Breslau  ein  Exemplar  bedtrt. 


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I 


—  121  — 

oinini  ftm  allein,  und  nun  geht  es  ihm  ganz  so  wie  dem 
Joseph  mit  der  Frau  des  Potiphar,  nur  dasz  er  auch  nicht 
eomal  soviel  wie  sein  biblisches  Vorbild  redet  Den  Befehl, 
den  Plinsen  sogleich,  nachdem  die  Kaiserin  ihre  Terleomderiscben 
Angaben  gemacht,  zu  hängen,  nimmt  der  Kaiser  bis  zum 
Dichsten  Morgen  mrück.  Gegen  die  Bäthe,  weldie  den  Auf- 
sdrob  Teranlaszt,  enfthlt  die  Kaiserin:  Sm  alter  Baun  mit 
krankheitheilenden  P'rücliten,  der  einen  jungen  Baum  dämmte, 
wurde  um  dieses  willen  abgehauen,  «der  junge  verdarb  aber 
Ml  OegMi  den  Befehl,  den  Prinzen  am  nftcheten  Morgen 
hinzurichten,  erzählt  Bancillas:  Ein  Hund  vertheidigte  ein 
Kind  gegen  eine  Schlange,  die  Mutter  beschuldigte  ihn  der 
Tfldtang  des  Kindes,  der  Vater  ersohlng  ihn  und  merkte  erst 
uebher,  dasz  das  Kind  noch  lebte.  Gegen  die  hierauf  erfolgte 
Begnadigung  erzahlt  die  Kaiserin :  Ein  Hirt  ging,  einen  wilden 
Sber,  dessen  Erlegung  die  Hand  einer  Prinzessin  verschaffte, 
ni  hdftmpfen,  floh  auf  einen  Baum  und  warf  dem  Eber  die 
Früchte  herab,  kraute  ihn,  bis  er  einschlief,  darauf  erstach  er 
Om.  Gegen  den  nun  wieder  eriblgenden  Hinrichtungsbefehl 
antut  Lentulus:  Ein  alter  Bitter  sperrte  sane  verbuhlte  Frau 
ans,  sie  sagte,  sie  stürze  sich  in  den  Brunnen,  warf  einen 
Stein  hinein,  der  Mann  eilte  erschrocken  hinaus,  jetzt  sperrt 
m  ihn  aus,  er  wird  als  Naditschwirmer  gefimgen  gesetet  und 
den  andern  Morgen  in  das  Halseisen  gestellt.  Hiergegen  er- 
zählt die  Kaiserin:  Ein  alter  Bitter  stahl  mit  seinem  Sohne 
dem  Kaiser  Octavianus  Geld  aus  einem  Thurme,  beim  zweiten 
Tenndie  fiel  er  in  einen  hingesetzten  Xessel,  der  Sohn  schnitt 
ihm  auf  seinen  Befehl  den  Kopf  ab.  Der  kopflose  Leichnam 
waid  durch  die  Stnszen  geschleift,  und  als  die  ihn  erkennenden 
IMter  ein  Geschrei  erhoben,  schnitt  sich  der  Sohn,  um  dies 
zo  hegiünden,  eine  Wunde  und  liesz  den  Körper  .seines  Vaters, 
der  au  den  Galgen  gehängt  wurde,  ruhig  hängen.  Hiergegen 


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122 


onfthlt  Oato:  Ein  Mann  hatte  eine  Elster,  die  er  hebrtliedi 

reden  lehrte.  Sie  berichtete  ihm  häutig  von  der  Untreue  seiner 
Frau,  diese  mit  ihrem  Buhlen  beschüttete  die  Elster  mit  Kies 
nnd  Wasser.  Aof  Befragen  des  Mannes  sagte  der  Vogel,  die 
Frau  habe  gebuhlt  und  es  habe  gehagelt  und  geregnet,  wo- 
dmch  der  Mann  die  Elster  als  Lügnerin  zu  erkennen  glaubte 
nnd  todtete.  Sp&ter  aber  entdeckte  er  den  wahren  Sachverhalt. 
Daranf  ersShlte  die  E!aiserin:  Sieben  Meister  m  Born  hatten 
es  durch  ihre  Zauberkünste  dahin  gebucht,  dasz  der  Kaiser 
anszerhalb  seines  Palastes  ganz  blind  war.  Auf  den  Bath  der 
Kaiserin  mit  dem  Tode  bedroht,  wenn  sie  nicht  hfilfen,  reisten 
sie  fort  und  fanden  den  Knaben  Serlinus  (Merlin),  welcher 
eben  einem  Manne  einen  Traum  richtig  auslegte.  Sie  bringen 
den  Enaboi  zum  Kaiser,  und  er  zeigt  ihm  sieben  Brunnen 
unter  seinem  Bette  als  die  Ursache  seiner  Blindheit,  die  Brun- 
nen seien  durch  Tödtung  der  sieben  Meister  zu  stopfen.  Das 
sogleich  gemachte  Experiment  bewahrheitet  Merlins  Aussage. 
Gegen  den  erneuten  Hinrichtungsbef«^  mfthlt  Waldach:  Eine 
junge  Frau  eines  alten  Mannes  beschlosz,  einen  Pfaffen  zum 
Buhlen  zu  nehmen.  Vorher  aber  Tersnchte  sie  auf  den  Bath 
ihrer  Mutter,  ob  ihr  Mann  zommüthig  wftre,  indem  sie  ihm 
seinen  liebsten  Baum  verbrannte,  sein  Hündlein  tödtete  und 
bei  einem  Gastmahle  das  Tischtuch  mit  Allem,  was  darauf 
stand,  wie  ans  Versehen  herabzog.  Der  Mann  Terzieh,  liesz 
aber  den  Bader  kommen  und  ihr  wegen  ihrer  ünsinnigkeit  zur 
Ader  lassen,  dasz  sie  zu  sterben  meinte,  worauf  sich  das  Ver- 
langen nach  einem  Geliebten  verlor.  Hierauf  erzählt  die  Kai- 
serin: Der  Zauberer  Vergilius  machte  ein  die  Römer  vor 
i'einden  warnendes  Kunstwerk.  Drei  feindliche  Könige  ver- 
gruben G^d  und  erwiesen  sich  durch  dessen  Auffindung  als 
Tranmdeuter,  worauf  sie  der  Kaiser  Octevianus  endlich  auch 
unter  dem  Thunue,  auf  dem  das  Kunstwerk  stand,  graben 


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—  128  — 


fieez.  Der  Thnnn  fiel  eün,  die  Verrfttiier  entflohen,  und  dm 

Kaiser  kostete  sein  Geiz  das  Leben.  Darauf  erzählte  Joseplius: 
Hjpocras,  der  groeze  Arzt,  hatte- den  Galeans  zam  Freunde, 
den  er  tsdtete,  weil  er  seine  Eifnsncht  erregt  hatte.  Dodi 
muszte  er  zur  Vergeltung  auch  sterben.  Hiergegen  erzählt 
die  Kaiserin:  Ein  Mai-schall  verkuppelte  seinem  Könige  seine 
dgene  Frao,  wofür  ihn  dieser  veijagte  nnd  die  Frau  behielt 
Als  er  daranf  Rom  belagerte,  wurde  die  Stadt  durch  die  Klug« 
heit  und  List  von  sieben  weisen  Meistern  errettet  (wobei  frei- 
lich die  Pointe  der  £rzähiung  scheint  verloren  gegangen  zu 
sein).  Dann  erzählt  Cleophas:  Die  junge  Frau  eines  alten 
Mannes  verlockte  durch  ihren  Gesang  drei  Kitter  zu  sich,  die 
ihr  Mann  erstach  und  ihr  Bruder,  ein  Nachtwächter,  sie  alle 
ftr  emen  haltend,  ins  Meer  warL  Dann  tödtete  er  noch  einen 
vierten,  den  er  als  ein  Gespenst  angesehen.  Endlich  aber  kam 
in  Folge  eines  häuslichen  Zwistes  die  Sache  lieraus,  und  die 
Schuldigen  jOuiden  iluen  Lohn.  Hierauf  ei zählt  die  Kaiserin: 
Bin  Bitter  verkehrte  mit  einer  Königin  durch  ein  Loch 
in  dem  Thnrme,  darin  sie  bewacht  ward.  Der  KOnig  selbst 
sah  seine  Gemahlin  bei  dem  Kitter,  ja  war  bei  ihrer  Ver- 
heirathung  zugegra,  da  er,  auf  die  Stärke  des  Thunnes 
vertrauend,  ftberzeugt  war,  ne  sei  trotz  der  groszen  Aehnlich* 
keit  eine  andere.  Endlich  fuhr  der  Ritter  mit  der  Königin 
davon,  und  der  König  merkte  den  Betrug  zu  spät  Dagegen 
enählt  Joachim  die  Geschichte  von  der  Matrone  zu  Ephesus 
in  eigenthümlicher  Umbildung.  Den  achten  Tag,  denn  sieben 
Tage  waren,  wie»  man  nachrechnen  kann,  mit  Erzählungen, 
denen  je  umschichtig  der  Befehl  zur  Hinrichtung  des  Prinzen 
und  dessen  Zürftcknahme  folgte,  hingebracht,  eröffnet  nun  der 
Prinz  den  ihm  jetzt  ungeßhrliehen  Gebrauch  der  Sprache  damit, 
dasz  er  eine  vermeintliche  Hofdame  seiner  Stiefmutter  als  den 
Buhlen  derselben  nachweiset.  Daranf  sagt  er,  warum  er  so 


—  124  — 

lange  gesehwiegHh  babe,  und  enfthlt,  nadidem  der  Kaiser 

durch  die  seine  Gemahlin  gravirenden  Aussagen  in  höchsten 
Zorn  gerathen,  noch  folgende  Geschichte :  Alexander,  der  Solm 
eines  Bitters,  wurde  wegen  einer  Hocbmnth  Terrathenden 
Zeiehendentnng  nach  Art  der  Trftnme,  wie  sie  Joseph  hatte, 
ins  Aleer  geworfen.  Er  wurde  in  der  Folge  Erbe  des  Königs 
Ton  Aegypten  und  Page  des  Titus.  Als  solcher  erwies  er 
dem  Prinzen  Ludwig  von  Fianfareidi  Dienste,  die  letzterem  die 
Hand  der  Kaisertochter  verschafften.  DafTir  wurde  Alexander, 
der  inzwischen  aussätzig  geworden  war,  von  dem  zum  Kaiser 
erhöhten  Ludwig  durch  das  Blut  der  eigenen  Kinder  geheilt 
und  bestieg  den  ägyptischen  Thron,  wodurch  sein  Traum  in 
Erfüllung  ging.  Nach  dieser  Geschichte  wird  der  Kaiserin, 
ihrem  Buhlen  und  dem  Buche  von  den  7  Meistern  ein  Ende 
gemacht. 

Das  von  den  oben  genannten  Bfichem  den  sieben  Meistern 
zunächst  stehende  und  uns  zunächst  interessirende  sind  die 
deutschen  Qesta  Bomanomm,  aber  der  Aufgabe,  dasselbe  nfther 
SU  charakterisiren,  glaube  ich  überhoben  zu  sero,  da  es  an 
Geist  und  Inhalt  den  sieben  Meistern  äuszerst  ähnlich  ist,  ab- 
gesehen von  dem  Kähmen,  welcher  dem  letzteren  fehlt,  der 
weit  gitaeren  Zahl  semer  Geschichten,  seiner  abendltodisdi> 
mittelalterlichen  HerkunfkO  vnd  den  jeder  Geschichte  beige- 


>)  Ich  begnüge  mich ,  hier  auf  die  Literaturgeschichten  und  die 
Ausgaben  A.  t.  Kellers  „Gesta  Romanonim  ed.  A.  Keller.  1S42**  und 
„Gesta  Romanomm,  das  ist  der  Römer  Tat  (der  deutsche  Text  der 
Münchener  Hdschr.  o4.)  heransg.  y.  A.  Keller**,  sowie  die  Uebersetznng 
J.  G.  Th.  Gräsze  „Gesta  Romanorora,  das  älteste  Mährehen-  und 
Legendenbuch  des  christl.  Mittelalters.  Uebers.  TOn  1842**,  u.  endlidi 
die  treffliche  von  durchgreifenden  Untersnclninj^en  über  die  Knt-tehung 
und  handschriftliche  Gestaltung  des  Werkes  begleitete  Aasgabe  des  lat. 
Textes  von  Hermanu  Oesterley,  Berlin  1872,  m  verweiseii. 


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—  125 


f&gten  moralisobeii  oder  auch  dogmatischen  oder  mystischen 
AnwendnngeiL  IMeee  Aebnliohkeit  beider  Werke  mnss  man 

schon  früh  bemerkt  haben,  da  sie  in  einer  deutschen  Ausgabe 
feremigt  erscheinen').  Schon  im  XIV.  Jahrhundert  ciistirte 
one  deutsche  Bearbeitung  der  ,30mer  ThaV^  im  XV.  nnd 
in.  kamen  andere  äaxa.  Im  Dmek  erschienen  die  dentechen 
Gesta  nur  einmal  im  Jahre  1489  zu  Augsburg  in  Folio*). 
Uma  Umstand  beweist,  dasz  am  diese  Zeit  schon  die  Beüebt- 
bflit  des  frfiher  in  anszerordenflich  von  einander  abwddienden 
Gestalten  handschriftlich  verbreiteten  Werkes  abgenommen 
haben  musz,  wenigstens  bei  dem  lieber  deutsch  als  lateinisch 
lesenden  Publicum.  Aber  auch  für  dieses  wurde  schon  im 
XY.  Jahrhundert  eine  Menge  Ähnlichen  Stoffes  in  Werken  yer- 
schiedener  Art  verbreitet.  So  nahm  Steinhöwel  in  seinen 
Aesop')  die  disciplina  dericalis  des  Petrus  Alfonsus  auf,  so 
Ubersetste  Anton  von  Fforr  zu  Botenburg  das  gleldi  den  sieben 
weisen  Meistern  auf  das  alte  Indien  zurückweisende  Buch  der 
Beispiele  aus  des  Johannes  von  Capua  Directorium  humanae 
nftae  f&r  den  Grafen  Eberhard  von  Wflrtemberg^).  Viele  £r- 
dhlungen  in  schlichter  nnd  kindücher  Form  giebt  das  eigent-> 
lieh  zu  erbaulichen  Zwecken  bestimmte  Buch  „der  Seelen  Trost**, 
welches  in  niederrheinisch-  kölnischem  Dialecte  abge&szt  ist 
und  zu  Augsburg  1478  zum  ersten  Male  un  Druck  erschien*), 


>)  Vergleiche  die  vorhergehende  Aamerkmig. 
')  Vergleiche  jedoch  die  vorige  Anm. 

')  Heransg.  v.  H.  Oesterley.  Stuttg.  1873.  Bibl.  des  lit  V.  CXVII. 

«)  Herausg.  v.  L.  Holland.  Stuttgart  1860.    B.  des  lit.  V.  LVI. 

^1  Aus  einer  Handschrift  sind  von  Pfeiffer  im  L  u.  IL  Bande  von 
Prommanns  deutschen  Mundarten  eine  Menge  von  Geschichten  veröffent- 
bcht  worden.  Wegen  anderweitiger  Nachweisungen  verweise  ich  auf 
<He  Literaturgeschichten  und  namentlich  auf  Latendorf  im  Anzeiger  für 
Kunde  der  deutschen  Vorzeit  1866,  307  ff.  Mehrere  der  Erzählungen 
»ind  ihres  Stoffes  wegen  höchst  interessant,  doch  glaube  ich  auf  das 


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—  126  — 

Hierher  gehört  auch  der  Ritter  ?om  Thum  oder  der 
Spiegel  der  Tugend,  welchen  Marqoart  von  Stein  am  Ende 
des  XV.  Jahrlianderis  ans  dem  B^zOeiseben  fibertnig,  dne 
Anweisung  für  Damen  adeligen  Standes  zu  Tugend  und  guter 
Sitte.  Es  enthalt,  wie  sclion  der  Titel  angiebt,  eine  Sammlung 
Ton  biblischen  nnd  weltlichen  Historien  und  hat  trotz  sdner 
anspmebslosen  Trockenheit,  wie  die  zahlreichen  Aasgaben  be- 
weisen, eine  Menge  Leser  gefunden')- 

Doch  kommen  wir  auf  die  eigentliche  Facetienliteratur, 
deren  breitere  Grundlage  und  deren  Yorlftufer,  weldie  nicht 
zu  den  eigentlichen  Unterhaltungsschriften  gehören,  durch  das 
eben  Mitgetheilte  hinreichend  charukterisirt  sind.  Wir  haben 
auch  hier  den  Vorgang  eines  Ausländers  zu  Yorzeidmen,  ob- 
gleich sich  diese  Gattung  sehr  bald  zu  durchaus  deutsch- 
volksthümlicher  Gestalt  bildete,  was  schon  in  den  lateinischen 
Facetien  Bebels,  die  wir  sogleich  zu  besprechen  haben  werden, 
deuüiöh  hervortritt  Der  Begründer  der  sehr  im  Geschm^ 
der  Zeit  liegenden  lateinischen  Facetienliteratur  und  der  einzige 
der  hierher  gehörenden  zahlreichen  ausländischen  Schriftsteller, 
den  ich  erwfthnen  will,  ist  der  berühmte  Italiener  Foggio. 
Seine  &oeüae  sind  eigentlieh  eine  Sammlung  von  Zoten,  die 
Fischart  mit  Recht  (im  Gargantua)  spurcitiarum  opus  nennt 
und  tili-  weit  schlimmer  erklärt  als  die  deutschen  Werke  ähn- 
licher Art,  Zoten  oft  der  unflätigsten  und  schamlosesten  Art, 
aber  dadurch  bed^tend  und  für  die  Zeitgenosse  noch  viel 
reizvoller  als  für  später  lebende  Anhänger  des  priapischen  Ge- 


Buch seines  Zweckes  und  des  Charakters  wegen,  den  der  gröszere  Theil 
seines  Inhalts  trägt,  hier  nicht  weiter  eingehen  zu  dürfen. 

')  Basel  1493.  fol.  —  Auirsburg  1495.  fol.  —  Augsb.  1498  f(d. 
Basel  1513.  fol.  —  Straszb.  1519.  4.  —  Straszburg  1538.  fol.  —  Frkf. 
1672.  föL  —  Im  Buch  der  Liebe  1587.  —  Frkf.  1593.  8.  —  Nürnb- 
1682.  12. 


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—  127  — 


tt]iiiiadE68,  daaz  der  Vertoer  sdnen  Stoff  ans  dem  IiAbeii  und 

der  Geschichte  seiner  Zeit  nimmt*). 

Der  beruhmteBte  und  geschickte&te  l^achbüdoer  Foggios 
iB  DeatBcUaiid  ist  Hemrich  Bebel,  weldier  die  Oattimg  bei 
QU  einbürgerte  und  damit  in  der  bewegten,  zu  Humor  und 
Satire  wie  zur  Derbheit  jeder  Art  geneigten  Zeit  einen  glück- 
ikheo  Griff  that,  so  dass  sieh  Deatschland  hM  mit  gioesem 
Sifir  der  Giiltiyimng  dieser  anspruchslosen  und  hier  etwas 
rnner,  obgleich  meist  noch  derb  genug  erscheinenden  Art  von 
üakeiiialtiiiigBschriAen  annahnL  Auch  hatte  Bebel  das  Be- 
wonlBeiD,  dasi  er  eigentUch  nur  einen  altnationalen  Literatap- 
zweig  belebte  und  in  ein  neues  Gewand  kleidete,  denn  fer 
kunte  und  schtete,  was  sohon  Ton  Aehnlichen  in  anderer 
fvm  Torhandeo  war,  namentlich  den  PfEiffm  Ton  Kalenberg. 

Heinrich  Bebel  —  seine  Herkunft  und  sein  Leben  hängt 
mit  der  uns  interessirenden  Seite  seiner  Schriftstellerei  eng 
nsammen  —  war  em  Banemsohn  ans  Jnstingen  (im  Donan- 
bese  des  heutigen  Königr.  Würtemberg,  Oberamt  Münsingen). 
Er  studirte  zu  Krakau  und  Tübingen,  hielt  sich  auch  ander- 
wärts zeitweise  anf  and  wnrde  1497  Professor  in  Tübingen, 
wo  er  die  alten  Bedner  nnd  Historiker  erklärte.  Er  schrieh 
eine  Anzahl  gelehrter  und  rhetorischer  Werke,  die  sich  durch 
ihren  patdotiseben  Gehalt  anszeidinen,  nnd  ward  yom  Kaiser 
MaTimilian  zum  Dichter  gekrönt,  woranf  er  nicht  wenig  stolz 
gewesen  zu  sein  scheint.  Des  Griecliischcn  war  er  niclit  kun- 
dig, so  dasz  er  sich  bei  fieuchlin  darüber  Auf  kliUrung  erbitten 
nrnsste,  ob  das  Wort  eleison  drei-  oder  viersilbig  seL  Der 
Aufenthalt  eines  Freundes,  Petins  Arelunensis,  im  Bade  und 
die  schwäbische  Sitte,  den  in  Bädern  befindlichen  Freunden 


<)  Die  beste  AoBgabe  ist  die  Ton  Fr.  Jos.  Noel,  London  1798 
U,  18. 


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—  128  — 

kleine  Geschenke  zu  übersenden,  war 

er,  der  nichta  anderes  sa  schenken  hatte,  sein  Werkdbeo  ^Fa- 

cetiarum  libri  III**  im  Jahre  150G  zusammenschrieb,  welches 
1508')  zu  Straszbui'g  gedruckt  wurde  und  sehr  viele  Auflagen 
erlebte,  in  denen  meist  des  Poggio,  Alfons  ?on  Anagon  und 
anderer  ähnliche  Erzeugnisse  beigefügt  sind.  Die  lateinisehe 
Sprache=^),  welche  Bebel  mit  Bewusztsein  leicht  und  schlicht 
behandelt,  erscheint  als  eine  nur  dünne  Verhüllong  des  durch 
und  durch  Tolksthümlichen  Gehaltes*).  Denn  fis^t  Alles  ist 
unmittelbar  ans  dem  Volke  gegiiften.  Meist  beschäftigt  sich 
der  gemütliliche  Professor*)  mit  den  Schichten  der  Gesellschaft, 
denen  er  dorch  seine  Geburt  am  nftchsten  steht  und  die  er  mh 
Becht  för  die  beste  Fundstätte  derben  Humors  hftli  Dumme 
und  unflätige  Pfafleu,  alberne  Bauern,  unsittliche  Mönche,  ein- 


1)  ICargarita  facetiarum  impt.  per  Jo.  Graninger  1508.  4.  —  Arg. 
1509.  4.  Q.  1514.  4.  -  Tubingae  1542.  8.  —  ibid.  1544.  S.  —  ibid. 
ex  oft  Ybrid  Morhardi  1557.  —  Frkf.  1590.  8.  Auch  aufgenommen 
in :  Opera.  Phorceac  in  Aed.  Th.  Anshelmi  1508.  4.  —  Opera  teqaentSa. 

Triumph.  Veneria  cet.  Pborceae  1509.  4.  —  üpnscala  nova.  Arg.  J. 
Gryninger  1508.  foL  —  Opera.  Arg.  1512.  4.  —  Arg.  1514.  4.  —  Paris 
1516.  4.  —  Antwerp.  1541.  8.  nnd  in  den  Ausgaben  Ton  Frischlins 
ÜMOtiae.   Vgl.  Beilage  I. 

\ergl.  die  Zuschrift  ad  benignom  leotovem.  fßi  autem  aliqui 
forsitan  fucrint,  qui  minoa  elegans  et  vulgare  diceadi  genas  in  hi^i  fa- 
oetÜB  reprebenderint,  üb  respondebo,  fastidiosom  esse  eleganter  diffi- 
enlfterqne  seribere  Insns  et  jocos,  com  scilicet  omnia  ibi  hilaritati  et 
amoenltati,  non  scrio  senrire  debeani.  —  Dasz  die  Facetienscliroiber 
wie  Pogio  und  Bebel  ihre  Bücher  gern  den  Stoffsammlungen  durcliaus 
emster  und  lehrhafter  Art  an  die  Seite  stellten,  beweist  dieselbe  Zn- 
sehrift  kurz  vor  der  «ngeftihrten  Stelle, 

3)  „Quas  summa  cum  difficultate  ad  Latinum  eloqninm  commn- 
tavi''  sagt  B.  in  der  Widmung  an  Petrus  Arelunensis. 

*)  Der  originelle  und  liebenswürdige  Charakter  Bebels  spricht 
sich  namentlich  in  den  beiden  schon  erwähnten  Zuschriften  und  in  der 
in  Distichen  abgefasxten  Apologia  de  Stirpe  aus. 


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—  129  — 

^üäge  oder  schnippische  Weiber  und  lose  Handwerksgesellen 

flmd  die  beliebtesten  Figuren.  Einzelne  Gestalten  stechen  be- 
sonders hervor,  so  Paul  Wüst  und  andere  grobe  Narren,  der 
nfrdmeiderische  £ftber  Oantharopolitanns  (ein  Schlossergesell 
an  Cannstadt),  ein  Münchhansen  in  Gestalt  eines  Handwerks- 
bnrschen'),  der  joviale  Abt  Georg  von  Zwilalden  und  der  rittor- 
üdie  Conrad  Bütael  von  Tübingen.  Aach  zerstreute  Gelehrte, 
Ehrende  Schiller,  des  Latdns  unkundige  Kleriker,  kleinstädtische 
Rathshen  n  müssen  herhalten,  um  dem  Freunde  in  den  „thermis"* 
nnd  Leuten  in  ähnlicher  Lage  den  Humor  zu  Verbessern. 

Bebel,  welcher  eine  bedeutende  akademische  Wirksamkeit 
im  Sinne  der  älteren  volksthümlichen  Humanisten  entwickelte, 
lud  zu  dessen  SchüJem  auch  Melanchthon  gehörte,  starb  1514. 
Auf  die  Uebertragung  sdner  Facetien  ins  Deutsche  und  deren 
Verbreitung  werden  wir  unten  zurückkommen.  Als  Verfasser 
lateinischer  Facetien  in  Deutschland  sind  noch  zu  nennen 
Olhomar  Luscinius,  ein  Benedictiner,  der  wenig,  aber  um  so 
lotigere  „Sales  mire  festivi^^^)  lieferte  nnd  zu  einem  anderen 
Werke  „Seria  jocique"^)  den  Stoff  aus  Flutarch  und  der  grie- 
chischen Anthologie  schöpfte,  femer  noch  aus  dem  XVL  Jahr- 
Ikondert  der  auch  sonst  literarisch  bekannte  Nicodemus  Frischlin, 
diüsen  Facetiae  jedoch  erst  nach  seinem  Tode  herauskamen*). 
Von  den  späteren  Verfassern  derartiger  Bücher,  deren  bis  weit 
ins  XViiL  Jahrhundert  hinem  inuner  neue  erschienen,  die  aber 
meist  nur  die  alten  ausschrieben,  will  ich  nur  den  Otlio  Me- 
laoder  seiner  Beichhaitigkeit  wegen  noch  namhaft  machen, 


')  Vgl.  die  Anm.  in  Cap.  V  bei  Erwähnung  des  Finkenritters. 
')  Aug.  Yindel.  typ.  8.  Ruff,  impeusa  Sigm.  Grimmii.  1524.  Ö. 
3)  o.  0.  u.  J.  (Ar^.  I')-i9.)  8. 

*)  Mit  Bebels.  Alfons,  Pn^j^ios,  Adolphns,  Heinricluna'ins  ähn- 
lichen Schriften  Lips.  IGOO.  i>.  Argent  1609,  IG12.  1ü2j.  12.  Ain- 
^lod.  1660.  12. 

9 


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und  weil  seine  Geschichten  zum  ^nösztvn  Theil  schon  von 
seinem  Vater  Dionysius  gesaounelt  sind.  Nur  der  geringere 
Theil  seiner  ^  Jocomin  et  seriomm  libri  dno"  sind  flbr^ens  ans 

dem  Voikslehen  der  Zeit  dej?  Saninileis  i^eschöpft,  yie  müssen 
aber  vielen  Anklang  gefunden  haben,  da  sie  auch  ins  Deutsche 
übersetzt  wurden*)* 


^)  Die  dcut^clicn  Ansgabcn  erschieilfn:  Lichae  1605.  J*.  —  Darmb- 
stadt  1617.  a  —  Lftteinischc:  Mühlhaiif^en  \m\  8.  1603.  160:>.  1612. 

—  Lichae  s.  a.  (160n).  IGOl.  S.  _  Marburg  1609.  8  —  SchnialcaUliftc 
ex  oir.  Kc7.eliana  1610.  1611.  II.  8.  —  Frcf.  1G03.  1608.  1617.  1G26. 
1(»43.  —  Der  Verfasser  gieht  zu  Anfang  einen  Ausweis*  über  sein  Ver- 
fnliren,  welchen  ich  als  sehr  charakteristisch  hier  vollständig  mittbeile: 
Catalogtut  eonun  auctomm,  qui  Sales  atque  Faeetits  ante  nos  scripse- 
runt.  —  Ne  criticus  aliquis  de  eorum  grege,  qnibus  sua  duotaxat  i»la- 
cent,  aliena  antem  seniper  sordent,  sibi  forte  persundeatf  novo  quodain 
nog  exemplo  facetias  edere,  ecce  tibi  proferimos  Catalogmn  tum  reeen- 
tium  tum  Tetemoi  praestantissimorum  viromm  in  omni  ecientiarnni 
facaltatc,  qni  ante  nos  facetia.<«  scripserunt,  nt  ita  Mond  calamniis  ob 
Viani  eamus.  Cacterum  ex  illorum  nos  libris,  quos  huc  annotarc  visum 
ftiit,  nc  ypu  quidem,  quod  tibi  saucle,  Lector,  confirmo,  in  hunc  nostnun 
transtulimus.  Seqnuntur  autem  nunc  auctores  ipsi:  Adriaaus  IJarlandas 
scrii>sit  jocorum  veterum  atque  rcccntium  libros  quinqae.  Alexander 
ab  Alexandro  Juriscoiisultus.  —  Antonius  Mizaldns  scripsit  conturtas 
novem  memorahilium  et  jucundorum.  —  Conradns  Pentingeru?! .  Juris 
ntriusque  Doctor,  scripsit  serinoncs  convivales.  —  Eclcebertus  Lcodi- 
ncntis  Ecclesiae  Clericus,  nationc  Germanus,  scripsit  nictro  cleganti  de 
aenigmatibus  rusticanis  libros  duos.  —  Franciscus  Philelphus  de  JoeU 
et  Serii.s  scripsit  libros  sex  hoxanictris  vcrsibns.  —  Henriens  Bebellus. 

—  Honricus  Euticns,  Francus  Orientalis,  scripsit  carmine  doctissimo 
nrbanos  et  lepidos  juvenom  jocos.  —  Johannes  Bocatins  scripsit  multus 
libros  jocosos  Hetrusco  scrraone,  ab  alio  in  latinum  conversos.  —  Jo- 
hannes Gastius,  Basiliensis  Ecclesiae  minister.  Theologus  doctissmiiis, 
scripsit  jocorum  sive  sermonum  convivaliuni  Tomos  tres  lectu  dignisai- 
mos.  ->  Johannes  Heitfeldius  scripsit  Sphyngem  aenigmaticam,  librmn 
admodnm  jocosum.  —  Johannes  Lotichius  Hadaraarius  scripsit  libmro 
aeiiigniatum.  —  Johannes  Lelandus  Antiqnarins  Londiuensis.  —  Johan- 
nes Manlius  in  Locis  communibus  scripsit  roulta  jocosa  ex  Domini  i 
Philippi  Melanchtbonifl  praelectiouibus.  —  Johannes  Nobletna,  Gume- 


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—  131  — 

Weit  mehr  aber  als  alle  diese  iateimsehen  Facetien,  von 

denen  anch  keine  Sammliing  an  Volksthümlichkeit  und  Origi- 
nalitüt  entfernt  init  Bebels  zu  veigluicheu  ist,,  interessiren  uns 
dtt  deatsohen  Schwanksammlangen.  Eine  Mittelstellang  sowohl 
kt  Zeit  nach  als  andi  in  spraehlicher  Besiehung  nimmt  ein 
Buch  ein,  welches  seiner  Zeit  nur  handschriftlich  existirt  hat, 
nenerdings  aber  durch  Adelbert  von  Keller,  dem  wir  schon  so 
fiel  Teidanken,  zngftnglieh  gemacht  worden  ist,  nämlich  Angnstin 
TOngers  Facetiae*).  Das  Buch  ist  dem  Ora&n  Eberhard  dem 

Uta,  natione  Gallas,  scripsit  centiloqoiam  aenigmatam.  —  Johannes 
Peregriniis  Petrosilanns  scripsit  librum  conTivaliiuD  sermonnm  joeis  ae 
nlflnis  lelortiiin,  in  quo  admixtae  snnt  nonnnnqiuun  jnenndae  et  Terae 
MintioneB.  —  Ludns  Domitiiis  Bruceuns  (beisst  Brnsonins)  scripdt 
warn  mdmorabiliom,  sententianim,  bistoriarom  miraculonun»  fiieetia- 
ramqoe  libro«  ooto.  —  Hacrobins  Anrelins  m  Ubns  suis  mnlta  jocosa 
Inbet  ema  de  (Seerone,  tum  de  alüs.  M.  T.  C(ieero)  scipsit  jociüarem 
fibeUimi,  qni  iiguria  temponun  intercidit.  ~  Hartiniis  Lntberas»  Theo- 
logQs  OpL  Max,  qni  multa  babet  jocosa,  et  lectn  digna,  nimpantur  ut 
ilia  Co^o,  in  suis  sennonibns  mensalibns.  —  Nicodemns  Friscblinos 
Qntor,  Pbilosopbus  et  Posta  praestantissimns,  scripsit  etiam  Ubrom 
iseatianim  ante  bienninm  editnm.  ~  Otbomarns  Lnsdnins,  Argentora- 
tensis,  scripsit  etiam  jooos  atqne  seria. 

Wenn  man  die  von  Heiander  immer  gewissenbaft  citirten  Quellen 
a  diesen  nicht  bentttsten  Werken  binsnnimmt,  bekommt  mau  ein  Bild 
aieht  nur  der  grosien  Ansbreitnng  solcber  lateinischen  Unterhaltungs- 
sehriflen,  sondern  anch  der  groszen  Manichfaltigkeit  der  Fundorte  fOr 
ihren  InhalL  Sp&ter  erschienene  lat  Facetienbüchcr  siehe  bei  E.  Weller, 
Aimalen  der  \)oei.  Nat.-Lit  der  Dentschen.  II.  8.  Freiburg  im  Breisgan 
1S62/G4.  Bd.  U.  S.  306.,  Ton  denen  übrigens  ehiige,  da  sie  nicht  von 
Dentseben  stammen,  kaum  am  richtigen  Orte  stehen.  Auch  die  früherer 
Zeit  angehörigen  schwankartigen  Disputationen  De  lido  concubinarum 
iasMsrdotes,  De  fido  meretricum  in  suos  amatores,  De  generibus  cbrio- 
•onin  et  ebrietate  yitanda  (Gocd.  Grundr.  S.  II  ').)  stehen  den  Facetien- 
tedttm  sehr  nahe  und  mischen  schon  vielfach  Dentsches  ein,  und 
ihnen  wieder  Terwandt  sind  die  lahlreichen  Macaronica  nnd  Pasqnilla 
jener  Zeit. 

*)  BibL  des  Ut.  V.  xu  Stuttgart  Bd.  CXYllL  T&bingen  1874. 
Vgl  Beilage  HL 

9» 


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132  — 


Aelteren  Yon  Wftriemberg  und  Montpelgard  gewidmet,  1486 

nfesohrieben  und  enthält  54  lateinische  Facetien,  denen,  da 
Graf  Eberhard  kein  Latein  verstand,  die  deutsche  Uebersetziuig 
beigeiUgt  ist.  Der  Inhalt  ist  durchaus  ▼olksthümlich  und  aus 
dem  Leben  der  Zeit  und  der  Umgegend  von  des  Ver&ssers 
Wohnort  Coni>tanz  am  liodensee  genoramen.  Die  Sprache  ist 
ein  mit  sudschwäbischen  Elementen  vermischtes  Hochdeutsch  % 
Von  allen  deutschen  Schwftnken  jedoch  gebflhrt  ohne 
Zweifel  der  hervorragendste  Platz  denen  des  Johannes  Pauli, 
eines  getauften  Juden,  ursprünglich  Ptedersheuner  geheiszen. 
Er  waiHl  Barföszer- Mönch  und  war  ein  seiner  Zeit  beliebter 
und  sogar  berühmter  Prediger,  1515  Lesemeister  im  Kloster 
seines  Ordens  zu  Schlettstadt,  1518  zu  Thann.  Hier  schrieb 
er  1519  sein  Buch  und  starb  nm  das  Jahr  1530.  Das  Buch 
hat  den  Titel  Schimpf  nnd  Emst,  es  ward  im  Jahre  1522 
zum  ersten  Mal  zu  Stiaszburg  von  Johannes  Grieninger  in 
Folio  gedruckt  und  erschien  bis  ans  Ende  des  XYII.  Jahr- 
hunderts in  sehr  zahlreichen  Ausgaben^).   Schon  der  Titel 


Fünf  durch  die  Bcdcnsart  ..icl)  schetz  nein"  verlumdoiic  Fa- 
cetien des  XV.  Jahrhunderts  thoilt  Ii.  Köhler  aus  einer  Handschrift 
des  Generallandesarchivs  zu  Carlsruhc  (M^>)  mit  in  Uüplncrs  und  Zachers 
Zeitschrift  1873.  S.  ;U)4. 

')  Auszer  der  ersten  Ausgabe  sind  folgende  nachgewiesen:  Straszb. 
Knoblauch  1525.  fol.  —  Augsb.  l'rJG.  fol  —  Straszb.  1533.  fol.  — - 
Augsb.  1534.  fol.  —  Straszb.  1535.  —  Augsb.  1535  fol.  —  Augsb. 
1536.  fol.  —  Augsb.  1.537.  fol.  —  Frkf.  u.  Straszb.  I53S.  —  Bern  1.542 
fol.  -  Bern  1543.  fol.  —  Augsb.  1.j42.  fol.  ~  Frkl.  1543.  fol.  — 
Frkf.  1544.  fol.  (mit  Rein.  Fuchs  i  —  Augsb.  1544.  fol.  —  o.  0.  1545. 
4.  —  Bern  1540.  fol.  —  Augsb.  1.546.  fol.  —  Augsb.  1.549.  S.  _  Frkf. 
15.50.  fol.  null  A,  v.  Kvbes  Uebers.  zweier  Coniödien  des  Plautus  u 
der  Pliilugiiniia  de?  rgolimisi.  —  Frkf.  1556.  -  Frkf.  1.557.  8.  — 
Frkf.  1563.  G.  Rabe  u.  W.  Hau  Erben.  II.  S.  —  Frkt.  15G7.  (bei  Lap- 
penberg Nro.  20.)  —  1567.  S  ( vielleirlit  mit  der  voriLrcn  identisch,  vg-l 
Oesterle|  in  .seiner  Ausgabe  S.  8).  —  Frkf.  1570.  >.  —  Frkf.  1574.  6. 


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—  188  — 

sagt,  dasz  es?  auch  andere  als  komisclie  Erzahluncfen  enthftlt, 
ond  hierdurch  erscheint  es  alterthümlicher  und  solchen  Büchern 
wie  der  Seelen  Trost  nfther  stehend  als  die  folgenden.  Die 
einEelnen  C^chichten,  693  an  der  Zahl,  zn  denen  in  den  spä- 
teren Ausgaben  noch  39  hinzukamen,  sind  auszerordentlich 
venehiedenartig,  Scbw&nke,  Fabeln,  Beispiele,  Legendarisches, 
Eolenspiegelstreiche ,  Geschichten  Yon  Narren,  welche  damals 
besonders  in  der  Mode  waren,  und  de»'gleiclu'n  mehr,  ohne  die 
^iemisehe  Tendenz  Bebels,  aber  vorzüglich  erzählt,  klar  und 
seUieht,  leicht  nnd  schalkhaft.  Es  ist  ganz  augenscheinlich, 
dasz  Pauli  wie  sein  Freund  Geiler  von  Kaisersberg,  dessen 
Predigten  er  sammelte,  mit  diesen  Facetien  seine  beliebten 
Kaozebeden  ansschmückte  nach  der  Weise  der  BariQszer,  welche 
dw  Volksthfimliche,  freimüthig  Derbe  und  Demokratische 
liebten Wenn  auch,  wie  Ocsterley  nacin\  eist,  der  Quellen, 
ans  denen  Pauli  schöpfte,  sehr  viele  sind'),  so  waren  doch 


-  0.  0.  1577.  8.  —  Straszb.  1582.  8.  —  Frkf.  1583.  fol.  (mit  Cento- 
MTeU.)  —  o.  0.  15S3.  .H.  —  Frkf.  1594.  S.  —  o.  0.  1597.  S.  -  o.  0. 
1597.  8.  -  Frkf.  1602.  8.  -  o.  O.  1609.  8.  —  Frkf.  1012.  8.  -  Frkf. 
1613.  8.  —  Basel  1618.  8.  —  Straszb.  1630.  8.  —  Straszb.  1654.  8.  — 
^itnah.  1677.  8.  —  o.  0.  1699.  8.  —  Vormals  zu  Fr^ystadt  1771.  8. 

—  Auswahl  v.  G.  Jördens.  Simr.  Gesch.  etc.  Leipz.  1822.  Vorzüijliclie 
Btmentlich  ihrer  vielen  NachwtM'snnpon  wot^en  unentbehrliche  Au.'^^abe 
f«n  E  Oet>tcrIcy.  Stuttgart  1866.  BibL  des  Ht.  Vereins  Bd.  LXXXV. 

')  Vgl.  die  folgende  Anmerkung. 

^1  In  dem  Buche  selbst  wird  auszer  den  Alten  nnd  den  Kirrh«'n- 
Schrift stellern  allerdings  nur  Petrarca  als  Quelle  genannt,  doch  heiszt 
^  in  der  Vorrede:  vnd  hat  dise  exempel  zusamen  gelesen  vsz  allen 
'inchem,  wa  er  es  fanden  hat.  de.  LXXX.  Iiistorien  vnd  parabulen  zu 

l>^i<i'?ii  hendlen,  geistlich  vnd  weltlich  dienende  vnd  ist  dis  buch 

getanfft  vnd  im  der  nam  vif  gestützt.  Sohimpff  vnd  Ernst,  wan  vil 
vhiDipflflicher.  kurtzweiliger  vnd  lecherlicher  exempel  darin  sein,  damit 
«iie  geistliehen  kinder  in  den  bosclilosznen  klöstern  etwa  zu  lesen  haben, 
<iarin  «ie  lu  Zeiten  iren  geist  mögen  erlUstigen  riid  rnwen,  wan  man 
nit  alwegen  in  einer  strenckeit  bleiben  mag.  Vnd  auch  die  vff  den 


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—  184  — 

gewiss  der  grOszere  Theil  hn  Volke  bereits  beüebie  oiid  auMsli 

schon  vieltacli  mündlich  uuilaulende  Geschichten.  Der  Ver- 
fiisser  Tersteht  die  Emist,  Alles  so  za  enäbleo,  als  hftite  er 
es  selbst  mit  angesebeo  und  munittelbar  ans  dem  Leben  gio> 

giiffen.  Auch  ist  anzuerkennen,  dasz  Pauli,  wie  es  von  einem 
Prediger  und  Ordensbruder  allerdingä  za  erwarten  stand,  bei 
aller  NaiTitftt  und  Derbheit  doch  nicbt  allxn  schmutog  wird 
und  ein<^n  für  seine  Zeit  sehr  anständigen  Ton  bewahrt,  wenn 
er  auch  dem  Tadel  des  Eucharius  Ejiing  nicht  entgangen  ist, 
der  (Prro.  cap.  2,  503)  sagt: 

Ein  mirlein  man  ehe  lemen  thut 

Dann  ein  gebet  l6blich  vnd  gnt; 

Marcolfhnn  nnd  finlnspiegel  scbnSd 

Lernt  man  eho  dann  des  Hemi  liehet; 

Das  Narrensc}iiif,  Schimpf  und  Emst  verätohn 

bhelt  man  ehe  dann  den  Salomon; 

Die  Bulenlieder  wir  ehe  fassen 

dann  geistlich  Psalmen  die  wir  hassen. 

Aber  auf  derartige  moralische  Kritiken  ist  nicht  viel  zu 
geben.  Jene  Zeit  war  in  den  BegiilTea  des  Züchtigen  und 
Wohlanständigen  sehr  onddier,  woTon  wir  noch  mehr  Bei- 
spiele finden  werden,  nnd  meistens  begmnen  die  Verfiisser  niul 

Zusammcnstcller  der  Bü.  her,  von  d*^nen  wir  jetzt  reden,  ihre« 
Werke  mit  Anklagen  ihrer  Fachgenossen,  versichern,  dasz  sie 
ihre  Schriften  viel  reiner  gehalten,  und  dann  bringen  sie  genau 


jschlösserii  vnd  bergen  woneii  vnJ  geil  sein,  t-rschrockenlichc  vnd  crn^it- 
licliL-  dlnj^  finden,  da  von  sie  gebessert  werden.  Auch  das  die  prodi- 
cantoii  exempel  haben,  die  >chl«'fferHcheu  nienschen  zu  »n wecken,  vm! 
lüstii:  zu  hören  machen,  auch  das  sie  üster^jdl  haben  zu  ostern,  vnd 
ist  nichtz  her  gesetzt,  dan  das  mit  ereu  wol  mag  gepredigt  irerden. 
Vgl.  Beilage  IV. 


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—  18»  — 

(ta  9oldm  Zolen  zu  Markte,  wie  ne  in  der  Vorrede  wacker 

abgek.inzelt  haben. 

Bücher  wie  Paulis  Schimpf  und  Ernst  sind  an  und  für 
mk  aehr  der  Umarbtttong,  Erweitemog  und  Yeratfiiiiiiieliiiig 
ausgesetzt,  zumal  wenn  sie,  wie  dieses,  so  sehr  häußg  von 
Keuem  herausgegeben  werden.  So  fangen,  namentlich  seit 
der  Mitte  des  Jahrhanderts  die  Ausgaben  des  FaulisdieD 
Bwlies  an,  sehr  Ten  eioaader  abznweidien,  und  auch  ein  wesent- 
lich verteil iedenes,  „Scherz  mit  der  Wahrheit**'),  scheint  du;j 
Frodnct  eines  sehr  weit  getriebenen  derartigen  Verfahrens  mit 
Sdiimpf  nnd  Emst  zn  sein.  Es  enthftlt  aoszer  den  Gescbich- 
ten  von  Keineke  no«  li  anderen  fremdartigen  Stolf,  italienische 
Novelk-n  und  drei  Erzählungen  von  dem  später  zu  erwähnen- 
den Glans  Narr. 

Oröszere  Bedeutung  und  weit  mehr  Originalität  und  dabei 
echte  Volk.sthQnilichkeit  zeigt  das  Kollwagenbüchiein  des  Jörg 
Wickram,  eines  Mannes,  dem  ich  weiter  nnteti  eine  wichtige 
Stelle  in  der  Entwickeinngsgescbichte  des  deutschen  Romans 
werde  zuzuschreiben  haben.  Was  man  im  XVI.  Jahrhundert 
Mwagen  nannte«  entspricht  unseren  Onmibus,  und  der  Titel 
giel)t,  den  Namen  des  Buches  erklftrend,  seinen  Zweck  an, 
indem  es  „Ein  nefnvs,  v<»r  vnerhoi-ts  Buchlein''  genannt  wird, 
«dsrinn  vil  guter  schwenck  vnd  Historien  begrifi'en  werden,  so 
man  in  schiffen  vnd  auff  den  roUwegen,  deszgleichen  in  scher- 
beaseren  vnnd  badstuben,  zii  langweiligen  zeiten  ei-zellen  mag, 
die  schweren  Melanit »lischen  gemiiter  damit  /n  (^rmünderen, 
for  klier  men^klich  Jungen  vnd  Alten  sunder  allen  anstos 
zolesen  vnd  zü  h&ren,  Allen  Eaufleflten  so  die  Messen  hin 
vDil  wider  brauchen  zü  einer  kui  tzweil  an  tag  bmcht  vnd  zü- 

')  Ausgaben  sind  sicher  n;icli/iiw«Mseji  von  1550.  Frankf.  bei  Ch. 
Egenolf  und  15G3  bei  Kgenolfa  Erben,  lol.  vgl.  Lappcnberg.  ülensp. 
Oesteiley,  Sch.  o.  £.  5.  u.  Amn.  1.  S.  92  des  vorliegeoden  Buch^* 


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—  186  — 

samen  gelesen  ^  INe  Geeehfebten  des  1555^)  zum  ersten 

Mal  erschienenen  Buches  sind  aus  dem  Lehen  gegriffen,  wt  nii 
auch  ans  Büchern  stamm^de  nicht  versdimäht,  und  sehr  gut 
enählt  in  der  gemftttilichen  nnd  hnmoristischen  Weise,  welche 
der  Verfasser  am  hesten  zu  handhahen  weisz,  und  in  der  er 
mit  Pauli  verwandt  ist,  von  dem  er  sich  sonst  wieder  durch 
breüere  Behaglichkeit  der  Darstellong  nnterscheidet 

1558 2)  erschien  dne  deutsche  Bearbeitung  der  Facetien 
Heinrich  Bebels  „durch  einen  guten  Gesellen  aus  Latein  in 
Deutsch  gebracht.''  Wahrscheinlich  war  der  gute  Gesell  der 
poeta  lanreatns  Michael  Lindener,  dem  wir  sogleich  wieder 
begegnen  werden.  Diese  deutschen  „Geschwcnck  Henrici  Bo- 
belii''  erlebten  mehrere  Anflagen,  nnd  ausserdem  gingen  Bebeh» 
Schwftnke  nicht  nur  einzeln  in  ähnliche  Sammlungen  vielfach 
über,  sondern  wwden  audi  der  Gnmdst<iok  zu  dem  uiutang- 
reichen  Werke  Hans  Wilhelm  Kirchhoffs,  welches  den  bezeich- 
nenden Titel  Wendunmuth  trftgt  Dieses  Werk  erschien  auerst 
1565^  und  yergröszerte  sich  durch  den  Eifer  des  Unmuth> 


>)  o.  0.  8.  —  o.  0.  1557.  «.  —  ...  ().  1557.  s.  —  Mülhausen 
h.  Hans  Scliirmbrami  u.  PotcT  .Scliniid.  s^».  —  Frkf.  S.  Foyerabeiul  u. 
Sim.  Hnttor  1565.  So.  —  15(;S|?)       Fraiikf.  Nie.  Hassäus  1597. 

So.  —  Magdfb.  Joli.  Fraiicko  <».  .1.  s.  _  Aiiijsb.  Micli.  Manger  o.  .T. 
8®.  —  In  ilor  Au><r;ibe  15'.)7  siü«!  di,-  witcr  un1<n  zu  erwähnenden 
Bücher  ,.Gartengesellscliart"  und  ,.W.'a;liürzer**  al^  /wtitor  nnd  dritt^T 
Theil  des  Rollwair<Mi<  Itcif^egeben.  -  H':'ran>gegeben  und  mit  Erl. 
versehen  v.  IT.  Kur/.  Leipzig  isr)5.  Deutsche  Bibliotliek  lid.  Vll.  — 
lieber  Wickranis  rt.'rrson  und  Leben  vgl.  unten  Tapitel  VL 

')  <).  ().  8.  Samjit  ciuer  Practica  \y.  Heinrichiuami.j  —  Frkf.  1589. 
8.  —  Frkf.  IQOG.  8. 

3)  Frkf.  S.   —   .>bonda  1.580.  s.   —  ebenda  1598.  S.  —  ebenda 
IGTJ  8.  —  Kosmnpuli  ...  J.  (c.  1670.)  ]  >.  -  III.  Buch.  Frkft.  1602.  8. 
-  IV.  Buch  Frkft.  1602.  H.  -  V.  Buch.  Frkft.  1602.  -  VI.  Buch 
Frklt.  1603.  —  VU.  Bucli.  Frkft    1603.    Ausgabe  v.  H.  Otisterley! 
Tübingen  1S69.  Bibl.  d.  1.  V.  Bd.  XCV. 


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weiden  aUmflihlieh  auf  neben  Bfteher  mit  1840  StftckeiL  In 

den  letzten  Büchera  finden  sich  zum  groszen  Theil  nicht  eigeni- 
Mb  Geschichten,  aonclam  nur  ivitsige  Bedan,  Sentenzeui 
jünlagenitta  das  ist  fBrneme  Kriegs  Ansdilftge,  Gldchnnss, 
wohlgesetzte  zierliche  und  nutzbare  Orationes''.  Sie  sind  meist 
aus  alten  und  neueren  Schriftstellern  zusammengeschiieben 
mid  schejaen  an  Beliebtheit  hinter  den  ersten  Bttehem  zorftck- 
geblieben  zn  sein.  Allen  seinen  Geschichten  hat  Eirehboff 
ein  Morale  angehängt,  und  auch  in  der  Vorrede  fehlt  es  nicht 
10  Yeniehemiigen,  daez  Alles  znr  moralischen  Belehrung  dieoe, 
Mwie  an  taddnden  SeitenbUeken  anf  Fachgenossen.  Ganz 
ähnlich  läszt  sich  der  Verfasser  der  Gai-tengesellschaft,  Jakob 
Frey,  Stadtachreiber  zn  Manrsmünster,  in  der  Widmung  seiner 
QarteDgeaeUadHift  Temehmen.  Diese  Fftcetiensanrailung  er- 
schien 155ß'),  sie  geht  vorzugsweise  auf  Pauli  zurück  und 
achöplt  auszerdem  viel  aus  Boccaccio,  Poggio  und  Bebel.  Die 
Art  und  den  Zweck  seiner  Geschichten  bezeichnet  Frey  selber 
indem  er  auf  dem  Titel  (Ausgabe  von  1575)  sagt:  „Wie  ye 
zu  zeytten  die  selben  in  den  sch6nen  Gerten,  bei  den  kulen 
finmnen,  auff  den  grtnen  Wysen,  bei  der  Edlen  Music,  auch 
andern  ehrlichen  gesellschaften  (die  schweren  verdrosznen  ge- 
aiüter  wider  zu  recitieren  vnd  auß'zuheben)  fr&lieh  vnd  freundt- 
üch  geredt,  ¥nd  auff  die  Ban  werden  gebracht,  Allen  denen, 
M  sich  solcher  gesellschafften  gebrauchen.  Auch  andern  jun- 
gen vnd  Alten  kurtzweilig  vini  lustig  zu  lesen^*.  In  dem 
Bache  selber  scheint  Frey  seine  Moralitätsgrundsatze  ebenso 
mgessen  zu  haben  wie  sein  Burckheimer  Standesgenosse 
Wickram,  und  ebenso  handelt  Maiün  Montanus,  der  um  1557 


')  Auszerdem:  Frkft.  1575.  s.  —   l')57.       —  s.  —  Als 

*oder  theil  des  Kollwa^oTis  Frkft.  1565.  J.Frey  ist  auch  als  Drameu- 
dichter  bekannt.   Yergl.  Beilage  II. 


—  188  — 

den  „W^egkartier^'O  hsanaagf^  Amt  er  denkt  an  ehrtmree« 
weibliehe»  Pnblioain,  da»  seine  BnSiilmigen  in  GftriKn, 

Zechen  und  auf  dem  Felde  lesen  soll,  die  Sachen  aber,  welche 
er  in  seinen  42  Historien  ans  Pauli,  Frey,  Wiekram  und  Boc- 
caccio aaftieclit,  sind  meist  mdit  yiel  anatendiger  als  4ie 
öescliiditen  von  dem  Klostor^firtner  Masetto,  dem  Mönche 
Albrecht  und  Hinaldo  und  dem  Andreuccio  aas  Perugia, 
welehe  letztere  Montanna,  wie  oben  ezvfthnt,  als  beeonderea 
Bflcblm  herausgegeben  bat.  Anoh  ein  „Ander  tfaeyl  der  Gar- 
tengesellHchal't*' erschien  von  Montanus,  dessen  118  Stücke 
aofib  anderen  Stoff  bieten^  als  man  nadi  dem  Titel  vermathen 
m(kdiie,  nimlicii  Legenden,  MSicben,  Baiteel.  Die  iU>rioalkai 
mnsz  etwas  hastig  vor  sich  gegangen  sein,  denn  in  einlüden  Stücken, 
welche  aus  in  Prosa  umgeschriebenen  Schwänken  des  Uaiw 
Sachs  bestehen,  sind  hie  und  da  Beima  stehen  geblieb^  auch 
Poggio  and  Boccacdo  sind  wieder  in  Oootribvtlon  gesetzt. 

Gegen  Ende  des  XVL  Jalirhunderts  mehren  sich  die  Fii- 
oeüenbücher  eher,  als  dasz  sie  abnehmen.  Sie  bestehen  auch 
dnreh  das  ganze  XVII.  nnd  XVIIL  Jahrhundert  fort,  ja  gehen 
dgentlich  in  ihren  äoszersten  Abkömmlingen  bis  auf  unsere 


»)  0.  0.  u.  J.  8.  —  Die  Widmung  ist  unterschrieben:  Datam 
Dillingen  am  Ta^  Martini,  Anno  etc.  :u.  Martinus  Montanus  von 
Siraszburg.  Von  Interesse  ist  noch  folgende  Stelle  der  Vorrede:  Vnnd 
wiewol  discr  schönen  Büchlin  hieuor  vil  geschrieben  scindt/als  natn« 
Uch  SchiDipff  vnnd  ernst,  dio  Garton  Gesellschafft»  der  Bullwagen/ 
vond  andere  vil  kurtzweylige  llistoria  mehr  /  denen  disz  mein  Büchlin 
vil  EQ  gering  ist /so  seindt  doch  dicselbigcn  alle  durchlesen  /  vnnd 
ytä&tmBXl  fast  wol  vnnd  gnug  derselbigen  verstendigt  ist /also  das 
wann  einer  schon  ein  Historien /so  in  disen  vorgenanten  büchlin  gc- 
schriben  ist  /  erzelen  will  /  so  weizt  man  jren  schon  vorhin  /  vnnd  (ist) 
derselbigen  verdrüssii^^  zu  hören  /  ^'leicb  wie  man  einer  spe^aK  so  man 
t&glicbs  issi  t  /  mitdt  zu  essen  würdet. 
Straszborg  o.  J.  S. 


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—  m  — 

läL  Man  kan  ab0r  keiiMBW^  sa^lM^  dan  «e  ra^ 

des  XVI.  Jahrhunderts  besser  würden,  weder  an  Witz  und 
Darstellungskanst  überhaupt,  noch  an  Originalität  und  Volks* 
ftfcnKdikwtt  SoniH  T«rlierai  schon  die  späteren  Erseheimmgen 
de8  XVI.  Jahrhunderts  immer  mehr  auch  an  literarhistorischem 
Interesse.  Wir  werden  an  geeigneter  Stelle  aaf  die  schwächeren 
tfidikoniBien  der  im  Vorhergehenden  bespvodienen  Clnssiker 
mkgt  den  SchwankbUciiem  zurfteldtomanen,  uk  einer  Stelle,  wo 
sie  mit  bedeuteuderen,  einen  Fortschritt  darstellenden  Ersclici- 
DQQgen  in  Verbindung  gebracht  werden  können.  Hier  mögen 
mr  noch  einige  derselben,  welche  aneh  noch  nm  die  Mitte 
des  XVI.  Jahrhunderts  erschienen,  erwähnt  werden,  Michael 
Lindeaers  Katzipori  nebst  dem  üastbüchlein  und  Valentin  Schu- 
nunis  Naehtbüchlein« 

Was  Lindeners  beide  Leistungen  anbetrifft,  so  erregen  sie, 
sbgeseben  von  ihrem  Schmuts;,  nicht  geiiuges  Interesse.  Der 
Verfasser  mag  ein  etwas  lockerer  Patron  gewesen  sein,  aber 
leiiie  Daretellnng  zeigt  ein  Talent  zmn  bnrlesken  Hnmor, 
welches  bei  soliderer  PÜege  den  ,:guten  Cunipan*'  vielleicht 
m  einem  würdigen  Vorgänger  Fischarts  gemacht  haben  würde. 
Seine  Geschichten,  wenn  man  die  zun  grossen  Theil  nnr  in 
erzählender  Form  vorgebrachten  KneiiM>nwitze  so  nennen  darf, 
sind  meist  aus  seinem  eigenen  Leben  gegriffen  und  zeigen  am 
deottichsten  von  allen  Facetien  den  Zweck,  zechenden  nnd  be- 
leehten  guten  Freunden  aufgetischt  zu  werden.  Von  allen 
VtttMseni  derartiger  Bücher  bezeichnet  Lindener  sein  Publi- 
cum nnd  die  Grundsätze  seiner  Schrifbstellerei  am  deutlichsten, 
6r  dflrfte  wohl  manches  dem  Babelais  abgesehen  haben.  Für 
die  Sittengeschichte  seiner  Zeit  gewähren  seine  Schrilten  ebenso 
interessante  fünzelheiten,  wie  seine  derbkomischen  Ausdrücke 
20  einem  Glossar  der  Redeweise  Fischarts  manche  unentbehr- 
liche Beiträge  liefern  können.    Die  in  den  Beilagen  zu  diesem 


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140 


Capitel  gegebenen  Proben  seines  Stils  werden  das  Gesagte 
veranschaulichen 

Die  Eatzipori  erschienen  1558  o.  0.  8.,  das  Basib&ciilein 
0.  0.  Q.  J.  nnd  o.  0.  1558>).  Interessant  sind  stoffidie  Be- 
rührungen des  ersteren  mit  den  Faust-  Schildbürger-  und 
Eolenspiegelgescbichten 

Valentin  Schumanns  Nachtbflchlein  zddinet  sidi  dorch 
gewandte  Darstellung  aus.   Es  erschien  o.  0.  a.  J.*)  in  zw« 


«)  Beilage  V. 

')  Der  Verfasser  uiiterzeiclinet  die  Dedieatinii  an  Aiitlioni  l>auiu- 
g&rtner  zu  Baiiinj^Mrten ,  in  welclier  er  nocli  eine  ..(.'^liroiiica  iTir  »ieii 
gemeinen  Mann  und  eiiuältigeu  L&iüu''  beniuüzugebcu  verspricht, 
Michael  Lindencr,  Poeta  L. 

')  Die  126  Nummern  sind  nicht  lauter  (leschicliteu ,  auch  nicht 
blos  Prosa,  sondern  auch  Lieder,  niaoaronische  und  andere  Verse.  Der 
Held  der  3  Panst^feschichten  lieiszt  Schramnihansz,  eine  davon  hat 
auch  der  Wegkürzer  unter  Nr.  J^.  Die  Gesch.  vom  Krebs  au  der 
Deichsel  gehört  zu  den  Schildhürgi  i  eien,  erwülint  ist  der  den  E.sel  lesen 
lehrende  Eulenspi«>gel.  In  den  K.  nennt  sich  L.  nicht  als  Verf.,  giebt 
sich  aber  an  mehreren  Stellen  ganz  deutlich  zu  erkennen,  indem  er 
seinen  Vornamen  und  den  Anfangsbuchstaben  des  Zunamens  anführt 
(au  einer  Stelle  bcz'  it  lmet  er  sich  als  (.'^rrectori  und  Fischart  Gar- 
gantua  1590,  7  ri  di  t  von  M.  Lindeners  Katzipory  gestech.  Was  den 
Titel  „Katzip'iii"  bctritft,  so  kann  ich  dieses  Wort  selbst  in  ein.  r  ro- 
manischen Sprache  nicht  mit  Sicherheit  nachweisen,  di«»  d»'nt>elie  Ueber- 
setzung  „Schnndelbutzen"  giebt  aber  den  Sinn  ziemlich  d-  ntlich.  aueh 
braucht  es  der  Verfasser  mehrfach  zur  Bezeichnung  seiner  guten  Cum- 
pane. 

*)  Valentin  Schumann  n<  nnt  -i<']i  in  der  I)e<lication  an  Gabriel 
Heyn  den  Jüngeren,  Bürger  und  l>uclili;uidler  zu  Nürnberg,  welche  vom 
25.  Januar  datirt  ist,  rin.Mi  Sehrittgi<'>ser,  auf  dem  Titel  wird  er  als 
aus  Leipzig  gebürtig  b^  zciclmet.  In  der  Erzählung  Nr.  4  sagt  er:  Ich 
hab  auff  ein  zeyt  im  l.')49  Jar  mit  «  inem  gearboytet.  Die  .Abfassung 
des  Nachtbüchleins  musz  l.'».')'^  lallen,  denn  die  Dedicati..n  des  U.  Theils, 
welche  sich  auf  den  ersten  bezieiit.  ist  vom  25.  .März  l.'>5r>  unterzeichnet, 
und  aus  folgend<'r  auch  in  an«b'r«'r  riezi<  linng  interessanten  St'  U»'  «Ir-r 
Vorrede  ergiebt  sich,  dasz  der  erste  Theil  nicht  vor  1558  lallt:  »auch 


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—  141  — 

TheOflo,  TOD  denen  der  errte  22,  der  zweite  29  Stück  enthält, 
&  mit  den  meisten  Stocken  LindenerB  den  Vonnig  der  Yolks- 

tWImlichkeit  gemein  haben.  Zwei  Stücke  des  ersten  Theils 
geben  auf  die  nralte  Sage  vom  Unibos')«  die  Andersen  emeoert 
hit,  mfixk  <5  a.  6),  nnd  die  Gksehichte  der  Magelone  ist 
onter  Torftnderten  Xumen  als  Nr.  '22  aulgenummen.  Im  zweiten 
Theile  findet  sich  die  Episode  von  Elorens  und  Marcebilla  aus 
Kaiser  Oetavianos  nnd  mehrere  von  Hans  Sachs  benutzte 
Sdifftoke.  Den  Zweck  des  Werkes  giebt  der  Titei  mit  den 
Worten  an:  zu  Nacht  nach  dem  Essen  oder  auit'  Weg  vnd 
StiaaBen,  zn  lesen,  anch  zu  lecitieren, . . .  allen  denen  zu  lieb 
Tttd  gnnst,  die  gern  schimpffUch  bossen,  lesen  oder  h&ren. 

Ich  glaube  mit  dem  bisher  Gesagten  den  Zweck  dieses 
Cipitels  im  Granzen  und  soweit  es  nöthig  und  des  Baumes 
wegen  zul&ssig  ist,  erfftllt  zn  haben.  Denn  es  galt,  die  An- 
lage an:>t'rer  prosaischen  Uuterhaltungsüteratur  in  ihren  Ei- 


m  manche  schöne  vand  liebliehe  Historien  hab  gelesen /als  LiTiam/ 
Qnfon  /  Cento  Norellam  /  Bitter  Pontoa  /  Bitter  Gahmy  /  Fortonatom  / 
Trutunt/ Peter  von  Provincia  Tnnd  Magelona  /  swey  liebhabenden  ansz 
Fhnckreich  md  Engelland  /  der  Bitter  im  (so)  Thnrn,  den  grossen 
Akzander,  OetaTiaans  /  vnd  die  7.  Weysen  Mayster/anch  etliche  Bflch- 
Ws/als  BoUwagen  /  Schimpff  vnnd  Emst/Schertai  mit  der  Waiheyt/ 
Bait  Bftchlein/Wegklirtier/ welches  alles  Qelerte  ?nnd  Woler&hrene 
Gcicliichtsschreiber  Tnd  Studiosi  haben  beschriben/ deren  meyn  Historien 
ni  Fahlen  gants  vngleich  sein  etc.  In  der  Dedication  snm  iweiten 
Thefl  pokmisirt  Sehnmann  sehr  heftig  gegen  einen,  der  Ihm  die  Vn* 
ilditigkeit  einiger  Geschichten  des  ersten  Theils  in  einem  Briefe  vor* 
gehalten  hatte,  in  der  nnmittelbar  darauf  folgenden  Anrede  an  den 
User,  dagegen  greift  er  einen,  den  er  einen  Ginaffen  nennt,  an,  weil 
^tta  ihn  bezQchtigt,  er  habe  in  dem  ersten  Theile  die  ^groben  Bossen 
vt  klugen  Worten  verbiamet**.  Man  verstand  es  auch  im  XVI.  Jah^ 
bsodert.  Uterarischen  Scandal  in  Scene  in  setzen. 

*)  Nr.  6  ist  die  Torlage  za  der  Von  Adolf  Wolf  in  der  Germania 
(1871  8.  S*22)  ans  einem  Buche  des  XVIH.  Jahrhunderts  mitgetheilten 
Goehiehte.  YgL  Beilage  VL 


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sdieimuigen  geringem  und  geringsieiis  UflifimgoB  TonEiiftbim 
Wir  haben  jetel  auch  viel  dergleichen,  Sammlmigen  Ton  Anek- 

doten,  Zoten,  Witzen.  ,.Qewaltsach»^n-  und  dergleichen,  Müller 
and  Schulze  wer  weisz  wo  und  pikante  Erlebnisse  wer  ifeisi 
wessen  werden  nns  anf  Bafanhitfen,  in  fiierlocalen  nnd  aa  fthi^ 
liehen  Oertlichkeiten  von  fliegenden  Sosiem  dargeboten.  Aber 
der  Unterschied  zwischen  jetzt  und  dem  XVI.  Jahrhundert  liegt 
darin,  dasz  die  modenien  Produete  derart  darchana  gegen  beseen 
und  höhere  Oattnngen  znrMtreten,  Ton  der  literarischen  Kritik 
und  fein  gebildeten  Lesern  kaum  berücksichtigt  werden,  das« 
dagegen  in  jenen  Zeiten  Werke  wie  Paulis  Schimpff  und  Emst 
und  der  Bollwagen  eine  Bolle  spielten  wie  jetzt  die  gediegOB» 
sten  Erzi'imnisse  eines  Freytair  nnd  Heyse,  deren  Werke  ja 
noch  lange  nicht  die  Zahl  von  Auflagen  erlebt  haben  wie  das 
aiuipnichsloee  Bncfa  des  BarfOszers  von  Thann,  wobei  zu  eriii» 
nem  ist,  dasz  die  viel  grOszere  Stftrke  der  jetzigen  Auflagen 
in  der  geringeren  Zahl  des  damaligen  Puljlicuma  ein  Gegen- 
gewicht hat.  Und  noch  mehrerlei  laszt  sich  zum  Beweise  der 
groszen  Beliebtheit  solcher  kleinen  Geschichten  in  der  Refor- 
mationszeit anföhien.  Wer  sollte  hier  nicht  an  Luthers  Tisch- 
reden denken,  unter  denen  sich  so  viele  Schwfmkgeschichten 
befinden?  Der  groeze  Heros  der  Zeit,  der  ^theologns  opti- 
mns  niaximus",  war  ein  besonderer  Freund  dieser  Gattung,  er 
galt  für  einen  der  besten  Erzähler.  Nichts  kann  besser  die 
Werthschätznng  des  Srzfthlens  und  der  Erzählungen  anschan- 
lieh  machen.  Ja  unbeanstandet  hielten  sich  oft  sehr  derb 
komische  Schwanke  auf  Kanzel  und  Katheder  bis  an  das  Ende 
des  XVII.  Jahrhunderts  0.  Auch  die  Zimmemsche  Chronik 
wollen  wir  nidit  vergessen,  die  unerschöpfliche  Fundgrube  der 
Beiträger  und  Fiudlingünder,  das  Entzücken  der  Liebhaber 


>)  VergL  die  oben  mitgetheilte  Vomde  des  Melaader. 


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pkinter  Gnlturhistoie,  denn  anch  in  dieses  naive  nnd  sonder- 
bare Stück  Arbeit  bat  sich  eine  uncndlidie  Mengt'  schwank- 
artigen  Stoffes  und  volksthümlichen  Humors  behaglich  nieder- 
gdassen.  Beide  Werke  vertreten  nur  eine  beträchtliche  Anzahl 
iliidieher,  welche  die  allgemeine  Geschichte  der  Nationallite- 
ator  aufzuiuhi'en  und  nach  der  hier  in  Rede  stehenden  Seite 
IQ  diarakterisiren  hat.  Bei  der  Betrachtung  Grimmelshausens, 
<b  bedeutendsten  Yertreters  unserer  Gattung  im  XVII.  Jahr- 
hundert, des  volk.stiiümIichstcn  Komanschreibers,  den  unsere 
geeammte  LiU^ratur  aufzuweisen  hat,  weiden  wir  darauf  auf- 
molBam  sn  machen  haben,  wie  iaef  seine  Poesie  in  dem  Boden 
der  Sehwankdiclitung  wurzelt.  Hiti  können  wir  am  passend- 
?l-n  mit  dem  Hinweise  schlieszen,  dasz  jene  lui'chtbav  ernste 
Zeit  des  XVL  und  XVIL  Jahrhunderts  starker  Gaben  und 
kriftiger  Tränke  bedurfte,  um  dem  Traurigen,  Gewaltigen  und 
ßennruhigenden,  dessen  jedes  Jahr  voll  w;«r,  das  Gbiichgewicht 
n  halten^d  dasz  erst  in  neuester  Zeit  der  humorietischen  Bich- 
tuDg  des  XVI.  Jahrhunderts  volle  Gerechtigkeit  geworden  ist, 
seitdem  man  angefangen  hat,  nicht  blosz  Kohheit,  sondern 
auch  Geist  und  Kraitt  nicht  blos  Wildheit  und  Schmutz, 
sondern  auch  Genialität  und  echt  volksthümlichen  Witz  in  den 
eben  besprorlr.'neii  Erscheinungen  zu  fiii<k'U.  D.isz  man  in  die 
Aniangiperiodo  der  neuzeitlidieu  Gultur  zurückgehen  musz,  um 
die  hervorragende  Begabung  unserer  Nation  für  den  Humor 
ridi  mr  Anschauung  zu  bringen,  dasz  hier  mehr  ist  als  Jean 
PimL  Lichtenberg  und  Hippel,  werden  wir  ia  den  folgenden 
Capiteh)  noch  tiefer  erkennen. 

« 


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^  144  — 
Beilagen  m  Capltel  IT. 


Aus  Bebels  Faoetien.  Tabing&e  1557. 

De  quibusdam  simplicibuü  rusticis. 

Prope  patriam  meam  est  vicns  agresüs,  nomine  MnndingB, 
istic  dicuntur  inprimis  esse  simplices  instici,  illorum  unus 
semel  ad  forum  Ehingense  profectos,  cum  domnm  rediret, 
audivit  in  oanfimbnB  dnos  coeulos  sibi  invicem  suo  canta  re* 
spondentes.  Erat  autem  unus  in  sylva  Mundingensium ,  alter 
in  silua  finitimae  YÜlae.  £t  cum  cuculus  alterius  sylvae  suum 
dameie  superare  videieinr,  ille  dimiaso  eqao  cm  insidebat, 
ascendit  arborenif  atque  suum  cucolmn  stndore  illo  incompo- 
sito  adiuvabat.  Interim  lupus  equmn  illius  devoravit:  quai*e 
rusticus  repedans  dommn,  sm  compaginis  conqnestos  est, 
qnomodo  piopter  rdpnblicae  honorem  et  oommnnis  emolnmentt 
gratia,  quod  suum  cuculum  iuvisset,  accepisset  hinc  non  mo- 
diocre  damnum.  Vüde  Uli  consensu  communi  et  impensis, 
damnnm  illins  subleyaTenini,  indignmn  jadicantee,  ut  qui  pro 
ndute  et  honore  pablioo  laboraaset,  inde  jactmram  pateretnr. 


XL 

Dieselbe  Oescbickte  aus  Freys  Qarteugesellscliaft.  157öt 

Von  em  der  seiner  Gemein  gaucli  erhielt  /  vnnd  jm  der  Wolff 
ein  Pferdt  darüber  Irasz.   Gap.  27. 

N.It  weit  von  .Tustinge  /  ligt  ein  dorff  das  wird  Mündingen 
genant/ dariü  warend  vor  zeyten  gar  gute/lrome  einfeltige 


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I 


—  145  — 

Leot  (jetznnder  seind  sie  basz  abgetriben)  deren  Burgei-  einer 
rytt  auff  ein  zeyt  gelin  Ehingen  luül  ein  Marek  /  vn  im  heim- 
her  re}i;ten  /  sieht  er  im  Mundiger  Bann /ein  frembden  gauch 
anff  einem  banm  /  mit  jrem  gemeinen  gauch  ein  Scharmützel 
balten/dann  sie  vor  ein  gutte  weyl  von  zweyen  Bawmen/ 
wider  einander  geguckt  hetten.  Wie  aber  der  gut  einfeltig 
bawr  Yon  Mündingen  sähe /das  jener  freinder  gauch /dem 
Mfindinger  gauch  mit  dem  gucken  vberlegen  was/zü  zejten 
15.  oder  IG.  guck  guck  mehr  guckt  dann  jhr  gemeiner  gauch 
i6  Mündingen  /  ward  der  Baur  zornig  /  von  seinem  Pferd  ab  / 
süge  auff  den  Bawm  /  zu  seim  gauch  /  vn  half  jm  gucken  also 
lang  vnnd  vil/bisz  der  frembd  gauch  weichen  must/vnnd 
vberwunden  was.  In  der  zeyt  /  dieweyl  Hans  Wurst  vona 
Mfindingen  /  auff  dem  Baum  sitzt  /  vnnd  dapffer  mit  jrem  gauch 
liQlft  gucken /So  kompt  ein  WollF/vnd  IHst  jm  sein  Pfordt 
Tndter  den  Baum  /  noch  wolt  er  nit  herab /so  lang  vnd  vil  / 
bis  der  firembd  gauch  gar  verjagt  was  /  Darumb  most  er  dar- 
nach zü  fhsz  heim  gehn.  So  baldt  er  heim  kompt /last  er 
der  gemein  züsamen  klöpffen  /  erzalt  jnen  /  wz  er  von  wegen 
des  gemeine  nutz  für  ehr  vnd  rum  /  mit  deren  von  gustigen 
gauch  begangen  het/Nemlich/das  er  jrem  gemeinen  gauch/ 
gegen  der  von  Justmgen  gauch  hilif  vnd  beystandt  gethon. 
Hergegen  abei-  /  liah  er  nit  ein  kleinen  schaden  erlitten  / 
dann  dieweyl  er  in  den  gr6sten  ernst  vnnd  handel  mit  dem 
üembden  gauch  gewesen /so  sey  jm  sein  guter  gramen  von 
emem  wolff  gefressen  /  dz  wolte  er  ]n%  also  angezeygt  haben  / 
Ob  sie /die  gemein /jhme  zu  einem  anderen  Pferd /wider  zu 
stewr  komen  weiten.  Da  nun  der  Schulteusz  /  gericht  vnd 
gemeinde  zü  Mündingen  /  jrs  mitburgers  rede  vemomen  /  haben 
sie  \Tihillich  geachtet  /  das  einer  der  so  fleyssig  vnnd  ernstlich 
der  gant/fU  gemein  wolfart  '  ehr  •  vnd  tVeylieit  br-denckt  /  des- 
3eD  schaden  leyden  soli   Haben  darauff  mit  einhelliger  stim 

10 


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146 


beschlossen /das  jhm  ausz  den  gememen  gefisUen  (dieweyl  er 
sich  gemein  halben  so  streng  nid  wol  gehalte)  ein  ander  Pferd 

gekaurtt  werde  solle.  Also  ist  dcrselb  streng  Bawr  bemach  / 
sehr  hoch  bcy  jhneD  gehalten  /  vnd  der  ganch  Ritter  genannt 
worden. 


HI. 

Aus  Augostiii  Tüngers  Faoetien.  Heranagi  von  At  t.  Keller. 

Tübingen  1874. 

Nro.  14. 

Ain  pfopur  usz  Hessen  kämm  in  die  stat  Ertfurt.  und  als 
er  ongeverde  für  ain  appoteg  gieng  ynd  im  sölichcr  ge.^climack 
nicht  gewon  was,  viel  er  nieder  gesdiwunden.  Und  wan  aber 
die  lüt  zno  Inifen,  in  ze  laben,  nnd  manigerlay  ose  der  appo- 
tegk  raicliten,  wenn  sy  an  der  band  was  und  im  es  für  buo])en, 
riebt  er  sich  nicht  allain  nicht  dester  mer  uff,  sonder  ward 
ün  ie  lenger  ie  onmecbtiger,  bisz  das  ainer  heivzno  luff,  der 
erwnscht  (mit  nrlonb  uwer  genaden)  knemist  und  huob  im  in 
für  die  nasen.  Da  huob  der  gepur  erst  uff  sme  ougen  gen 
himel  und  kam  wider  zuo  im  selber. 

Daromb  gepürt  sich,  das  am  yeder  sin  natur  erkenne 

und  die  seilten  niendert  über-trete,  wann  uns  niendert  nüt  ee 
kumer  an-gat,  dann  ob  wir  mit  ungewonlicher  spysz  und  an- 
derm  desgelichen  in  unser  natur  Sünden.  Damit  ist  biUich, 
das  herren  leben  als  beiren  und  puren  als  pUren. 

Nro.  25. 

Hei*  Marquart  von  Emps,  ritter,  luod  uff  ain  zit  ainen 

burgermaister  von  Lindow  in  sin  schloaz  Enips,  und  als  sy 
gessen  hatten,  fuort  der  ritter  den  gast  in  dem  schlosz  umb. 


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—  147  — 


das  sdiloffi  zao  besichtigeo,  bisz  das  sy  komen  in  ain  camer, 

da  allerley  messer  und  schwort  hiengen.  Der  ritter  abiT,  das 
er  dem  gast  dester  &üotlicher  wer,  hiesz  er  in  da  erwelen, 
weDus  nuBser  er  wöli  Anfiings  widert  sich  der  gast,  das  er 
nidit  so  rerdient  gegen  im  wer.  Der  ritter  liesz  aber  nicht 
nach  mit  bitten,  so  lang  hm  das  der  gast  ander  andern  ain 
OMser,  80  von  arbait  edel  was,  tet  erwelen.  Da  sprach  der 
ntier:  „Dem  ist  reehi  Das  messer  sy  Qwer,  doch  mit  dem 
onderscbaid,  das  es  nicht  dester  minder  da  an  siner  sti\t  belib 
haogtti!  vnd  wer  in  Icfinitig  zit  da  her  kompt,  dem  wjl  ich 
ngen,  das  messer  sy  des  borgermaisters  von  Lindow/^ 

Zu  behalten  aber  menschlich  früntsehaüt,  so  ye  ain  mensch 
ZOO  dem  Yon  angebomer  natiu*  hat,  ist  voruäzkumenlich  milti- 
lait,  so  ?enr  si  ondi  m  ierem  zil  behalten  wirt,  das  ist,  wenn 
«wer  gaben  weder  uns  noch  den  unnseren,  noch  den,  so  wir 
b^ben,  zuo  unstatteu  dienen,  wenn  wir  nicht  usz  hochfart 
ood  daramb,  das  wir  ges^en  werden,  geben,  wenn  wir  nsz 
aignem  fryen  willen  geben  nnd  den,  so  gaben  wert  smd,  und 
von  tagenden  unnd  nicht  üppiltait  wegen  unnd  wann  wir  vorusz 
die  bedenke,  so  g^en  uns  verdient  sin,  damit  wir  in  am 
asten  wil&ren  und  daby  nidit  vergessen  menschlicher  lieby 
so  ye  ainem  giioten  menschen  natürlichen  mit  dem  andern  ist, 
dft-mit  wir  den  selben  nach  ir  nottorft,  als  vil  in  uuserm  ver- 
mg«  ist,  onch  se  hUff  knmen«  ' 

Nro.  28. 

In  dem  dorff  Mals,  ain  myl  wegs  von  Ohur,  ist  gewesen 
ain  ftow,  die,  wie-wol  sy  ainen  eeman  hett,  nichts  dest>minder 
wider  die  Satzung  der  ee  andern  mannen  in  liebe  verwilliget. 
Und  wie-wol  es  dem  man  onlidenlich  was,  doch  das  er  dem 
vib  siebt  ze  hert  sin  gesehen  wurd,  verhnob  er  rimliche  straff 
and  ward  se  rat  und  sagt  es  dem  sch weher.    Der  sch weher 

10« 


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U8  — 


aber,  wie-wol  er  wust,  die  dochter  schuldig  siii,  yedoch,  das 

er  dem  dochteniian  sinen  kumer  und  der  dochter  die  straff 
de;»ter  ringcr  machte,  naigt  er  sieli  den  dochtermau  ze  tröstcu 
und  sagt,  das  wer  nicht  an  der  dochter  ze  tmren,  wenn  sy  in 
sOlichem  iror  muoter  nachschlüg;  si  wnrd.  aber  in  die  harre 
da-von  lassen,  wen  ir  muoter  sich  ouch  also  in  der  jugend 
gehalten  hett,  aber  da  sy  sechtzig-järig  worden  wer,  hett  sj 
da-Ton  gelassen;  also  ward  die  dochter  on  zwiyel  oadi  tnon, 
wenn  sy  sechtzig  jar  alt  wurd. 

Aber  das  zit  ist  der  unseligest  &bel-stratt'er,  wann  mit 
dem  als  es  den  tod  oder  snst  krankhaiten  dem  menschen  zao- 
fDget,  enzücht  es  uns  krafft  ze  sünden  und  verlassen  wh*  also 
nicht  das  üUel,  sonder  verlast  es  uns.  Die  guoten  aber  nit 
von  Torcht  des  tods  oder  sust  ajnicherlay  straff,  sonder  von 
liebe  gots  wegen,  so  die  war  tagend  ist,  das  Ikbel  nnd  Übel- 
täter miden. 


Ain  zanflbnaister  vsz  ainer  stat  in  Schwaben,  [die]  mir 

yetzo  nicht  gezymet  ze  nemmen,  ward  usz  -  geschickt  in  l>ot- 
schatl't-wysz  vnd  kam  also  ufl'  dem  weg  gen  Buochom  (jetzt 
Friedrichshafen)  an  dem  Bodensew,  da  euch  denzemal  etlicher 
lursten  und  anderer  steten  botschafften  waren,  damit  es  sich 
macht,  das  der  wirt  sy  nicht  all  kund  an  bett  gelegen.  Also 
belaib  der  znnfftmaister  "mit  einem  knecht  in  der  staben,  in 
maynnng,  am  morgen  vor  tag  hin -weg  ze  ritten.  Und  als 
aber  der  wirt  ain  kalh,  so  die  selb  nacht  worden  was,  in  dio 
stachen  traog  and  es  neben  den  znnfftmaister  1^,  wann  es 
gar  kalt  was,  das  es  nich  erMr,  and  aber  der  znnfftmaister  mit 
schlaft*  beladen  was,  tronii.t  im,  er  hett  ain  kalb  bracht,  das 
er,  so-bald  ei*  erwachet,  begund  dem  knecht  ze  sagen.  Dar 
zno  der  knecht  sagt:  „Her  znnfimaister,  der  troam  ist  der 
warliait  eben  nach,  wenn  das  kalb  ligt  da  by  uns."  Welche 


Nro.  44. 


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—  149  — 

wort  dem  zunfftmaistor  ain  söliche  vorcht  und  schäm  tet 
raichen,  das  er  dem  knecht  ainon  morcklichen  Ion  verliiesz,  die 
ding  xe  bergen.  Als  aber  der  kneeht  das  annam,  nam  er  das 
fadb  nff  den  mggen,  dwyl  es  noch  finster  was,  und  warff  es 

in  den  see. 

Wer  ist  aber  so  torreefatig,  der  troomen  geloubt  und  sieh 
vomist,  etwas  damsz  gewisses  ze  wissagen,  so  kamerlich  die  ' 

ding,  so  wir  wach<nid  liandlfn  und  daivAio  got  und  die  weit 
m  zogen  beraffen,  iurgang  haben  Es  sind  euch  der  tiomnen 
t(»iieh  Ursachen;  dann  wann  des  menschen  gemflt  nymmer 
niowet,  bringt  es  unas  schlaftendon  die  ding  für,  so  wir  wachend 
gehandlet  haben?  Und  wenn  etwa  unser  lib  mit  spysz  und 
win  beladet  sin,  nsz  derselben  dampf,  so  wir  schlaffen,  nns 
mangerlay  fignren  begegnen ;  zno  dem  sind  wir  ofit  mit  man- 
gorlay  anfechtung  bvfiinget,  als  arbait  umb  gwalt  und  eren, 
iioffiumg  nnd  forcht,  das  wur,  als  wenn  whr  schlaffen,  ami- 
weders  haben  oder  mangeln  gesehen  werden. 


IV. 

ins  Paulis  Schimpf  und  Emst.  Herausg.  von  H.  Oesterley. 

Stuttg.  1866. 

Das  drit  von  schimpff. 

ES  WAR  EJN  ABENTUBEB  EJN  GAUCKÖLMAN  AN 
einem  abent  spat  sasz  er  vor  eins  bnren  haosz  vff  einem  bloch. 

Da  der  bauer  von  dem  feld  kam,  da  salie  er  den  cfesellen  da 
atzen  vnd  sprach  zu  im.  Gut  gesel  wa^;  sit/.estu  da,  warumb 
gasia  mt  in  etn  haosz,  das  da  nit  da  vnder  dem  himmel  dy  nacht 
rnftst  sitzen.  Er  sprach  lieber  guter  meyer,  ich  hab  ein  ge- 
wonheit  an  mir,  ich  bin  das  gantz  doi'fi'  vsz  gangen,  vnd  wil 


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—  150  — 

micli  niomans  herbergen,  ich  wil  recht  die  nacht  hie  bleiben, 
morgen  wüi  t  es  vil  leicht  besser.  Der  buer  sprach,  gut  gesel 
was  ist  das  fi&r  ein  gewonheit.  £r  sprach  ich  sag  jederman 
die  warhdt,  daromb  wil  mich  niemans  beherbergen.  Der 
raeyer  sprach,  das  ist  ein  gute  gewonheit,  kum  zu  mir  her^'n 
du  bist  mir  ein  werder  gast  liab  du  es  als  gut  als  ich.  Der 
gesel  gieng  mit  dem  bner  in  dz  hnsz.  Der  bner  sprach  Oreta 
hauszfraw  bach  küchlin  vnd  schnitten,  ich  hab  ein  gast  vber 
kommen.  Da  sie  also  assen  vnd  also  bei  dem  feuer  sassen, 
wie  man  dan  in  den  dörfem  th&t  Da  nam  der  gat  gesel  als 
war,  wie  man  hansz  hielt  da  was  niemans  in  dem  hansz,  dan 
der  buer,  der  het  ein  blotzlin  vor  dem  aug  hangen,  vnd  sein 
hauszfraw  Greta  het  nur  ein  aug,  vnd  ein  katz  der  troft*  ein 
ang.  Da  man  in  dem  besten  essen  was,  da  sprach  der  bner 
Lieber  guter  gesel,  du  sprichst,  du  sagst  alwegen  die  warheit, 
sag  mir  auch  ein  warheit.  Der  gesel  sprach,  ach  lieber  bausz- 
Wirt  ur  werdet  zornig  vnd  bdsz  vber  mich.  Der  bner  sprach 
nem.  Der  gut  gesel  spmch,  dn  vnd  dem  fraw,  vnd  dein  katz 
haben  alle  nit  me  dan  diu  äugen.  Da  der  bner  das  bort  als 
die  warheit,  da  ei-wüscht  er  die  otlengabel,  vnd  jagt  d«'n  guten 
gesellen  z&  dem  hansz  hinusz.  Also  ist  es  noch  vff  ertreich, 
das  war  ist,  dz  Osee  der  prophet  spricht  an  dem  4.  cap.  (Non  est 
veritas)  Es  ist  kein  warlieitnoch  kein  ))armhertzikeit  vff  erdtreicb. 
Disz  eiempel  ist  auch  wider  vil  menschen  vnd  predicanten,  die  et- 
wan  warheiten  sagen,  dy  nit  vü  nutz  bringen  sunder  schaden,  vnd 
besser  wer  geschwigen,  vnd  bringen  etwan  kriegen  vnd  zanckun. 
Die  warheit  ist  so  edel,  das  sie  nit  von  allen  menschen  an  allen 
orten  zü  allen  zeiten  soll  gesagt  werden.  Als  sanctns  Paulos 
spricht  2.  Thimothenm.  (Semum  antem  domini  etc.)  Ein 
kneclit  vnd  ein  diener  gottes  sol  nit  zancken  vnd  kriegen,  er 
sei  senütmütig  sein  gen  allen  menschen,  leilich  vnd  geduldig, 
mit  modestia,  straffen  die,  die  der  warheit  widerston.  etc. 


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—  151  — 

Von  schlmpff  das  xH. 

Es  ist  in  Franckreich  geschehen  da  was  ein  upt  ein  grosser 
ber,  der  het  ein  narren,  das  was  gar  ein  früntlicher  nar,  der 
niemaos  beMbet,  weder  mit  werten  noch  mit  wercken,  wie 
zornig  man  in  macht.  Nun  lugt  es  sich  vif  ein  zeit,  das  der 
apt  der  her  em  frembden  erenman  gehiden  het,  der  het  gar 
dn  fiist  grose  nassen,  als  es  etwan  knmpt,  das  einer  ein  ge- 
brechen an  der  nassen  hat.  Da  man  nun  also  rh  dem  tisch 
äasz  vnd  wolt  anüihen  essen,  da  sähe  in  der  nar  stetz  an  vnd 
rorwnndert  sich  ab  der  grosen  nassen,  Tnd  so  er  m  lang  an- 
gesicht,  da  lag  er  ffir  den  selbigen  herren  mit  der  groeen 
nassen  mit  den  ellenbogen  vff  den  tisch,  vnd  sprach  zu  dem 
selbigen  herren,  wie  hastu  so  ein  grose  nassen,  wie  knmpt  es. 

Aeh  lieber  got,  der  gAt  man  schampt  sich  vnd  ward  fost 
roi  Der  her  sprach  den  knechten,  treiben  den  narren 
hinusz.  Die  knecht  schlügen  den  narren  zu  dem  sal  hinusz 
vnd  sprachen.  Nar  das  du  die  träsz  müsest  haben.  Der  nar 
gedacht,  dn  hast  es  warUeh  verderbt,  dn  mnst  es  widemmb 
gilt  raachen.  Da  nun  der  nar  meint  es  wer  vergessen,  da 
gieng  er  widerumb  in  den  sal,  vnd  nam  sieh  nichtz  an,  vnd 
gieog  vmb  den  tisch  hemmb  trossen,  vnd  hindennach  1^  er 
aidi  aber  vff  den  tisch  vnd  sprach.  0  wie  ein  kleii»  neszlin 
bastn,  da  ward  der  gast  noch  me  geschcnt,  man  treib  den 
oarren  aber  zü  dem  sal  hinusz.  Nach  langem  kam  der  nar 
widemmb  wie  vor,  vnd  spiadi  zA  im.  Qot  geh  du  habest  em 
nasK  oder  nit  was  wil  ich  deiner  nassen.  Da  het  er  es  erst 
gantz  verderbt.  Also  geschieht  allen  Schmeichlern  vnd  kutzen- 
sfareichem  wie  dem  narren  ist  gesdieben,  die  ein  etwan  loben 
und  eiheben,  vnd  meinen  sie  sein  liebe  zA  haben  vnd  gunst, 
\n<l  \o  me  sie  in  loben,  ie  feinder  er  inen  würt  wan  sie  lieben 
sich  wie  ein  huud  der  hoffen  bricht. 


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Von  yaUer  ynd  müter  eren. 

Von  ernst  das  ccccmv. 

ES  WAS  EJN  REJCHER  MAN  DEK  HET  DREJ  DOCH- 
teren,  die  versorgt  er  in  die  ee  vnd  gab  inen  man  vnd  darzu 
was  sich  zimpi,  vnd  er  behielt  im  selbs  ein  namng,  vnd  hielt 
also  Inisz  mit  einer  kellerin.  das  was  ein  frume  Ifraw,  vnd  er 
wolt  den  Jdnden  züiang  leben.  Sie  lagen  an  im  zubitten  er 
solt  inen  sein  gftt  geben,  so  weiten  sie  in  alle  sein  lebfcag 
ziehen,  vnd  sie  weiten  im  ein  eigen  kamer  3m  geben,  vnd  wei- 
ten im  des  besten  essen  vnd  trincken  geben.  Der  vatter  vber 
gab  inen  als  sem  gät,  vnd  kam  zu  inen,  vnd  das  erst  iar 
ward  er  wol  gehalten  von  inen.  Das  ander  iar,  wan  er  me 
zu  einer  doeliter  kam  dann  7a\  der  andern,  so  sprach  sie.  Vattor 
Ir  ligen  mir  stetz  vfi'  dem  bals,  gon  auch  zü  den  andern,  die 
haben  eben  als  vil  emp&ngen  als  ich.  Der  g&t  vatter  sähe 
wol  (las  er  vnwert  was  worden,  vnd  liet  rat  mit  einem  burger. 
Der  ])urgcr  gab  im  ein  alten  trog,  da  was  sant  vnd  stein  yn, 
vnd  liesz  in  in  sein  hosz  tragen,  vnd  sprach  zu  der  dochter, 
sie  solt  im  ein  fierling  vnd  drei  liechter  leihen,  er  het  etwas 
zu  rcchuen,  vnd  da  sasz  der  vatter  die  halb  nacht  zu  klinglen, 
als  ob  es  gnldin  weren.  Morgens  liesz  er  mit  fleisz  ein 
alten  behemisch  liegen  in  dem  fierling,  vnd  gab  in  der  dochter. 
Ahm  sprach,  vatter  ir  liaben  nechtig  ircklinglet.  als  ob  es  guldin 
weren  gewesen,  ich  hab  es  wol  gehört.  Ei'  sprach,  ich  hab  in 
emem  trog  nnr  noch  selber  gelt  behalten,  vnd  welche  mir 
vnder  euch  zu  dem  aller  früntlichsten  thut  dem  ml  ich  es 
lassen.  Da  sie  das  horten,  da  wolt  in  ein  jcirliche  haben,  vnd 
kri^ten  vmb  in.  Er  ward  wol  gehalten.  Vnd  da  er  sterben 
solt  vnd  meinten  es  wer  kein  blybens  me  da,  da  giengen  sie 
vber  den  üog,  da  lag  sant  vnd  stein  diuin,  vnd  ein  kolben, 
daran  stund  geschriben  also  m  engelischer  sprach.   Kunt  vnd 


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—  153  — 

maesa  m  aller  weit,  das  man  den  mit  äm  kolben  schlagen 

sol  der  seinen  kinden  gibt,  das  er  damach  manglen  musz,  sie 
ahen  einander  an  vnd  schampten  sieb.   Merck  vff. 


V. 

Vorrede  der  Eatzipori. 

Dem  Brs«ffien  vnd  namhaffitdge  Hansen  Greütiier  /  Burger 
fDd  Papyrer  th  Landsperg  /  auf  der  Mfthle  da  man  Lumpen 

macht  /  meinem  glitten  Herren  vnd  Freündt  etc. 

ALles  gtittes  mit  aller  Ererbietug  zdnor/sampt  mdnen 
Togesparten  willigt  diensten  /  Ersaffier  freflndtlicher  lieber 
Meyster  Hans.  Nach  dem  icli  biszher  von  Ehrliebenden  leüten 
giaklicb  eriaren/wie  das  jr  guter  küchlin  bey  den  Gesten 
veradiiner  ujt  gewesen /ynd  schier  stAhl  nn  b&nck  ttintssen 
giemacht  /  vnd  voller  guter  auszerlesener  schwAncke  vnd  bossen 
«yt/flab  ich  an  euch  offt  gedacht /vnd  von  hertzen  begert 
ewer  angencht  zusehen:  Dan  ich  anch.der  g&tten  Gesellen  einer 
Ini  /  die  man  die  freyen  knaben  nennet  /  vnd  nit  vil  sorgen  was 
dz  korn  gelte  /  Sondern  mer  lust  vn  lieb  haben  zu  gutten 
grillen /yiaierlichen  scbw4ncken  /  damit  man  die  zeit  vnnd 
vejrl  zAu«rtreib^  pfleget  /  vnd  daneben  den  wein  verdewet  etc. 
Dieweil  ich  aber  ijntte  seltzame  zottS  zu-^afnen  /  in  ein  biich- 
län/ verordnet  vnnd  gebracht  habe /vnd  yetzundt  durch  an- 
htHien  Tnd  Mit  yiler  gftter  frommer  auszerlesenen  /  bnndten 
vnd  nindten  Schnudelbntze  /  derer  jrer  auch  einer  seyt  (Vnd 
warlieh  wan  ich  bey  einer  Haselüusz  scliwÄren  solt  niclit  der 
letike/das  ein  gar  grosz  ding  ist)  welche  man  auf  Welsch 
Kanpori  nennet  /  vnd  anff  Griechisch  Bandj  mandj  /  leüsz^  iffi 
peltz  die  man  nit  darein  setzen  daril'/ sonder  kouimen  sonst 


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—  154  — 

wol  hjnem/Tnd  zieren  anch/die  warhait  zusagen/die  leflsz 
ein  peltz/ gleich  wie  einen  Hnndt  die  flthe/Tnd  alten  Wef- 

ber  /  nach  dem  Bawren  liodlein  /  Die  weyber  mit  den  fl6hen  / 
haben  ein  süten  krieg/  das  ist  den  jungen  M4gdlein  gantz 
vnd  gar  nit  lieb. 

Diee  gAte  ScMncker  haisset  mä  auf  tefttsch  yn  ynser 
sprach  StorchsclinabLi  /  entenfüsz  /  genszki-agen  /  SÄwrÄssel  / 
?]s(>l3ohren/  Bock8h6mer/  WolfGszihn/Eatzenschwentz/Hundffi- 
zigel/Ochsenkipff/EalbsfAsz/gebachn  sein  sie  nit  btsz/issE 
sie  auch  lieber  dan  Buttermilch  /  oder  sonst  ein  sawer  RÄben 
krawt  etc.  dan  es  den  Gelerten  nicht  gesandt  ist  /  vnnd  nur  den 
Bawren  zogehirt/die  st&ts  zuflegeln  pflegen / vnd  holtz  hacken/ 
Tnd  em  ding  v^ftwen  Unnen  vnd  mftgen  etc. 

Disps  trefl'lich  vnd  zimor  nye  gesehen  werck  /  hab  ich 
gleichwol  nit  wille  lassen  auszgehen  oder  Publicieren  /  ohne 
einen  Patronen  vn  g&ten  freünd/dem  ich  es/als  ein  gAten 
Nachtbawren  /  zuschribe  /  ohne  spott  vn  alle  verkleynemng  / 
darzü  jr  mir  vor  allen  andern  gefallen  /  nachdem  ich  vor  etlichen 
tagen/mit  ewem  leüten  göter  ding  gewesen /jn/ von  wegen 
meiner  gAtten  bekandten/gesellschalft  gelaystet/vnnd  nit  der 
letzte  ifn  spyl  gesein  bin  /  Wolt  gern  das  jr  bey  dem  lerm 
selb  personlich  erschincn  /  vh  stürmen  het  helilen.  Dann  man 
do  wnnderharliche  Miflsz  gerissen  /  vnnd  seltzame  schnagkeo 
anff  die  bahne  gebracht  hat  /  die  villeicht  ench  dnreh  andere 
zu  ehren  kommen  seind.  Was  aber  dises  FatzbÄchlein  be- 
langet /  fi-eündüicher  lieber  Master  Hans  /  vnd  sehr  güter 
fineftndt  vnnd  günner/wiU  ich  ench  anff  das  htchste  gebetten 
haben  /  wollet  mir  es  niclit  vwargen  /  Dann  ich  es  furwar  in 
gutter  maynung  gethan  /  vnnd  mich  als  ein  vnbekandter  bey 
ench  hab  bekandt/vnnd  gleich  kundtschaft  willen  machen/ 
dapoit  WUT  (so  wir  einmal  zn  einander  oder  zusammen  k&men  / 
oder  auff  Hochteutsch  verschraubt  wurden /em  wenig /als  für 


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—  155  — 

m  biller)  freündschafft  hetien.  Dann  die  warhait  zusagen  /  es 
tti6t  mir  treflich  sanft  wann  man  mich  Jnngker  Midiel  haiszt 
wn  L.  vn  mich  deucht  ich  f&hle  es  inn  der  grossen  zihe  / 
Tnd  in  der  Nasen  /  also  wol  /  lieblich  vnd  wolgeschmacken 
Rikcfai  es  /  gleich  wie  gestossen  Zi^lstein  vnd  gebratene  Bocks- 
Uner/den  nichts  zAnergldchen  ist /dann  nnr  feAchten  holtz 
Föd  alte  Strohdächer  /  auch  kloin  hMtzlein  ausz  den  zawncn/ 
das  einem  Salat  gleich  ist/ynd  Monesterla  haiszt/das  die 
Biwren  in  die  s^el  Stessen.  Ynd  bin  mein  leben  lang  nit 
frMicher  gewesen  /  dann  do  ich  alle  nacht  mit  der  Lawtton 
gieog/vnd  den  Ouidium  vnter  dem  Ai-m  tiug/ausz  b6ltznen 
faumen  trnnck/Tnd  Papyren  fenster  hette/vnd  mein  st&blein 
nut  einem  alten  Beltz  gefutert  war  /  do  ich  nit  vil  holtzes  be- 
iorff^e  ^allein  ein  bmnnen  hiller  liecht  in  Ofen  setzet /vnnd 
die  Kacheln  zerschlüge  /  das  man  das  grawsafäe  fewr  sehen 
hndt  /  oder  sonst  ein  yergebenen  rawch  machet  /  das  nyemandt 
bleybea  kundte  /  sonderlich  wan  die  zech  vnnd  i-aihe  an  mir 
laur/das  ich  gest  haben  solt/vnnd  dn  Eatz  för  em  Hasen 
briete/das  die  Eflrszner  Terdrosz/Tnnd  nit  leyden  woHen/Es 
i"-t  aber  der  Krieg  (dine  bliitvergiessen  gestillet  worden  /  vnnd 
fän  seüberlich  hingelegt  /  dai-auff  grosz  gelt  gangen  ist  /  für 
Torgisdi  Bier  vnd  rostige  Hiring/die  nit  Tngesundt  seind/ 
Bey  nichtl icher  weyl  /  ein  halb  stundt  ziiuor  ehe  man  schlaffen 
gehet /ruhet  einer  trefflich  sanfft  darauflV^is  wann  man  ein 
Marcipan  /  drisznet  /  lorihl  oder  wormsaamen  eynneme  /  damon 
der  heylige  Prophet  Galenns  vnd  seine  liebe  Schwester  Hypo- 
cras/der  einen  Bawren  frasz/vnnd  Auicenna  schreyben  /  wie 
ne  denn  alle  generis  foeminim  sem/vnnd  den  Bawren  vmb 
jre  Weyher  gebMet  haben.  Dammb  jr  noch  heflt  bey  tag  inn 
dem  Almanach  oder  Calender  gedacht  wirdt.  Icli  nuisz  bisz- 
weylen  auch  Lateynisch  reden  /  vnnd  mit  halb  Welschen  worten 
Tin  midi  werffen/ob  etwan  em  Spanier  oder  Italiau  dr&ber 


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156 


kkme/äas  er  auch  sem  nirtz  mdwifeB  klliidte/daiin  es  leiden 

göte  Signor  sein /den  man  schon  tbün  solt/ich  vermein  aber 
hinden  nanaz/wie  die  Bawim  jre  speaee  tn^/wiewol  ich 
jn  das  eyaen  daran  wol  gnnne/aber  daa  hoUz  ist  gftt  anff 

den  Hirdt  /  das  man  Visoh  darbey  seüdt  '  Vnd  so  ja  etwas 
vberig  bleibt /das  man  die  i&wlen  Migdi  Ynd  Fktzenmiwler 
mit  aiiihre<^ / Ynd  wa^to  mache.  Die  kalter  nator  sein/ 
vnd  gewirmbk  stein  mit  in  das  Bett  nemen  /  dasz  sie  nit  er- 
frieren /  vnd  an  jrem  gebein  /  natürlicher  weisz  erkalten«  Vnd 
am  leib/ weicher  sart / schmal / schlang /langk/ vnnd  sobtü 
ist/wie  mn  hewstock / schaden  nemen / darüfar  sie  behAtSanet 
Hipel  vnd  Hapel  /  der  war  zu  Ptinsing  ein  Badkneehte  /  der 
die  Jongen  holdseligen  Diemlein  im  Badt  wol  reyben  kvndt/ 
dem  sie  nit  femdt  waren  /  wie  dann  ein  \'ede  ein  gikten  Reyfaer 
haben  will  /  vnd  ta^  vn  nacht  darnach  lauflfen :  vnd  sagen  doch 
es  soll  sie  keiner  berÄren:  Vö  juckt  sie  doch  die  hawt  so  isehr/ 
dz  mans  nit  genikg  rqrben  kan.  Ynnd  hat  det  Eselbader 
yetzundt  allte  knechte  /  die  stnmpe  nagel  haben  /  vnd  nicht 
anhalten  können  ja  von  der  grossen  hitz  matt  werden /vnnd 
gerne  tnmcken/das  saltzes  achten  sie  sich  nicht /haben  kein 
mangel  an  den  brocken  inn  d^  Weinkandel  /  WIewol  sie  den  l 
schneller  /  ein  masz  vmb  ein  pfenning  oder  beller  auch  nicht 
aoszschlagen  /  wann  sie  es  nicht  besser  wissen.  Doch  sagen 
sie/es  sey  das  fÖnfhaUer  hier  nit  so  gesnndt/als  der  Tra- 
minner /  der  die  Bintzker  Bawrü  lauften  macht.  Vnd  Gott 
erbarm  es /welches  auft' Latein  heiszt/Deus  misereatur  nostra^ 
mentis,  das  ein  yeder  Teütscher  yetaondt  will  Welsche  nnsz 
reden  /  so  er  doch  kanm  Haselnnsz  Terstehen  oder  beyssen  kan. 
Vn«l  wiit  auch  so  gar  gemein  das  es  unter  die  Magdte  kompt  / 
die  do  sagen:  Schy  /  schy  /  Was  sie  mit  mejnen  /  das  wiQ  ich  | 
einem  hAhem  vn  dieffem  znbetrachten  geben.  Dann  es  hat  i 
ein  weyter  bedencken  /  wie  dann  in  den  Hohen  schulen  dispu- 


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—  157  — 

üart  wirt:  Gott  der  Eiünder  des  Weins  /  welchen  man  Bachan- 
teo  neniiet/  der  stehet  jn  mit  seme  gebOlffea  Corouteii  getrew* 
ikh  bey  /  das  hie  die  hohe  dieffe  kniist  /  mit  grossem  nntz  vnnd 
^Niejiieo  finden  migen.  Vnd  hernach  autl'  die  bahn  bringen  / 
dtB  armen  fiawrn  zur  wal£ui  /  sonderlich  wan  Lendel  vnd 
GnM  mit  einnnder  gehen /?nnd  gAt  geschirr  machen /das 
:  :.iü  oft  dick  vnd  vil  gebraucht  /  vnd  doch  nit  schad  ist.  Aiiff 
^  wir  aber  die  sach  mit  recht  angreiffen  /  vnd  wie  angeiangen  / 
lijiiaiiss  Aren /Ist  das  der  rechte  natOrliche  griff /das  bej 
liehtlicher  weil  ein  yeder  auff  der  gassen  ein  Windtliecht 
tragen  soll  /  das  man  sehen  kan  /  wer  bin  vnd  wider  /  oder  auÜ 
TDd  Djder  gehe/  dann  bissweyloi  grosse  vnd  hesymliche  schiden 
gesehehen  /  ynd  sonderlich  in  den  finstern  winckeln  /  he3nnlichen 
irl^zlein/  vnnd  vnter  den  decklein /do  man  die  Ochsson  schlecht/ 
fiid  k4lber  sticht /das  zä  erbarmen  ist/vn  geht  vngleich  zä/ 
TB  ist  eben  wie  d*  frome  Baldns  sagt:  Dan  ich  den  Voeabn- 
larium  vtriusque  Juris  einfürii  musz  /  nämlich  vnd  klarlich  / 
Eueptionum  Tariae  sunt  species,  et  variis  temporibus  oppo- 
Modae/  Ynd  yerderbst  eben  aUhie  gar  nidits / dan  eben  Yariae 
Tri  varüs  /  das  ist  auf  Tefitsch :  Es  kompt  bey  nacht  manches 
ÜQtterkindt  zusamen  /  verstehe  /  wah  man  mit  dem  Rogken 
tugehet  /  Do  gehet  es  denn  durch  änander  /  vnd  ist  den  das: 
IKe  Weyher  huptl'en  /  die  Meydlein  tantzen  /  die  BAben  sprin- 
gen /  vnd  die  allten  Muterlein  gumpen  /  daruo  ich  ein  ander 
lul  weiter  handien  wilL  Bitt  fireundtlicher  lieber  Meister 
Haas/wÜt  dises  Fatzbftchldn  zfi  einer  yerehernng  /  als  ein 
?Äter  IVeünd  annemen  /  das  will  ich  widerufü  geflissen  sein 
«üligklich  zuuerscbulden.  Gott  dem  Herren  sampt  allen  den 
Kwren  befolhen. 
B.  W. 

Hans  Compaa/ 
von  Schledsing. 


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—  158  — 

Ans  dem  Kaiüpoii 

Ein  kunstreyches  Muster  /  Carmina  zumachen  /  iun  der 
statt  £rdtfiirt/ Yon  einem  JkrJiantH  /  auf  der  holie  schale  ge- 

ZU  Erdtfurt  auflf  der  Hohen  schul  /  hoch  in  dem  namen  / 
nydrig  inn  der  kunst  /  war  ein  alter  Bachant  /  me  ein  Schaal- 
hond / geLdch  wie  Magister  Gäntace  zü  Lejfptog/der  sein  ar- 
goment  /  wen  er  disputiert  /  aosz  dem  Ifogno  hondt  nam  /  oder 
ausz  dem  Petro  Hyspan/in  welchem  steht:  Queiitur,  Arguitur, 
der  het  TÜ  gehört  von  dem  trefflichen  Poeten  Eobano  HesBO/ 
wie  er  so  ein  freyer  Mann  w&re  /  in  Verse  schreiben  /  das  der 
gute  Pater  gleich  eine  lust  dazu  bekam  vn  jichwanger  gienge 
nach  der  Kunst  des  Garmenschreybens  /  vnd  kompt  ohn  alles 
getiUir  Ther  ein  Spalter/den  der  Helias  Eobanos  Heasos  new- 
lich  het  lassen  in  Track  auszgehen  /  gedacht  bey  sich  selber  / 
Hallt /kome  ich  dir  allhie  vber  dein  kunst:  vnd  nam  ein 
hiltalein  ansa  einem  beaen  vnnd  maaa  die  Yeraz  oder  Oai^ 
mina  /  alle  baide  die  grossen  Ynd  Ideinen.  Setzt  sieh  ef  lendte 
vber /als  waie  es  n6thig/Ynd  macht  halb  Lateinisch  vnod 
halb  Teütsch/so  lang  die  zqrkn/als  die  Hiltzlein  warea/ 
?nnd  schribe  es  seii6n  ab /dann  der  Badiant  symlieh  mahlen 
knndt:  vnnd  eylendts  ohn  allen  Verzug  mit  zu  Eobano  gehn 
N&mbeig  zü/vnnd  bringt  jm  ein  muster  seiner  Poetischen 
kmiate/?nd  fraget  wie  sie  jm  ge&lkn/ob  de  so  gAt  aeind 
als  die  seinen /oder  bSsser  oder  irger.  Eoban  der  saget:  Das 
wirt  ein  Man  werden  /  cü  tempore  et  persona.  So  spricht  der 
Bachant:  Ja  herr  Poet /ich  waisa  woi  ea  stehet  im  Donat/ 
Tn  nit  m  der  Gramatica.  Sagt  Eobanos:  Jo.  Antwortet  der 
Bachant:  Es  ist  schier  ein  ding /Donat  vnnd  Grammatie/ 
vnnd  ich  glaub  sie  sein  geachwisterte  kind/dann  man  Decli- 
niert  vnd  coningiert  eben  so  wol  inn  der  Qrammatic  als  im 


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—  159  — 

Dooai;  doch  ist  der  Donat  weit  vber  die  Grammatic  /  den  die 
Bfiben  habeo  |n  mehr  m  der  Schül  als  Orammatic.   Die  CSar^ 
mina  aber  die  der  gute  Groll  gemacht  het  (also  biesz  er  mit 
Namen)  war  das  der  anfang  /  vnnd  waren  nit  vmb  ein  haar 
Uoger/daiiii  das  hiMein/das  er  darzü  pA^et  zngebiaucheiL 
0  Dee  ommpotens,  &c  mir  gftte  Garmina  machen/ 
Qui  vims  &  regnas  per  cuncta  foramina  seclas 
Diser  Groll  ist  hernach  em  feyner  Man  worden/ das  er 
Garmina  seenndom  sine  post  lignom  gemacht  hat  Ynd 
ißt  zu  Scheüditz  Schnlmeyster  gewesen  /  hat  auch  sein  leben 
fielher  beschriben  /  mit  disen  nachaolgende  herrlichen  aoszer- 
iesenen  Worten: 

Grullius  in  treiiiulis  ludimoderator  in  Scheüditz. 
Ru^sticus  iu  Knebulis  penglorum  dant  tibi  rul/en. 
Sehmurmins  per  pechins  altschnchins  dant  tibi  fleckns. 
Klopholiz  cum  pedibns,  haec  snnt  schnstralia  corpns. 
Busticus  est  quasi  Rind,  nisi  quod  ei  cornua  desint 
Jam  iaoet  in  dreck  is,  qni  modo  Grollus  erat. 
Hat  anch  noch  yfl  herrlicher  yersz  gemacht /wie  einmal 
grosz  Wetter  gesin  ist  /  da  die  Katz  den  Visch  genommen  / 
i    ml  mt  durch  das  glasz/ darein  der  heilig  Dauid  geetzet 
\    mr/zun  fenster  hinansz  gesprungen  ist/Ab  diso: 

iO  Dee  omnipotens,  paupeiu  defende  potasti'um; 
Per  medio  Dauid  catus  cum  pisce  volauit. 
Hat  auch  einest  seinen  disdpeln  die  Eglogas  Yergilii  ge- 
leseo/ynDd  treflich  wol  teriefttscht/ynd  sonderlich  die  zween 
Syluestrem  tenni  Mnsam  meditaris  anena, 
lytere  in  patulae  recnbas  snb  tegmine  fhgi. 
Tenui,  ich  liab  gelangen  /  sylve^tre  Muüam,  ein  Bäurische 
flum/anena«  in  dem  baber/ meditaris,  meines  Nachtbawm 
^  büitn:  Tytire,  O  mein  lieber  hrnder  Veyt  /  recubas,  du  rascht/ 


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—  160  — 

sab  tegmine,  Tnder  de  schAppe  /  f>ata1ae  fogi,  deiner  hraben: 

Das  ist  /  Hoc  est ,  vnder  deine  stahl  dach  /  da  deine  ttilhen 
ynnd  muter  pfleget  zu  stehn.  Vnd  so  er  bey  dem  leben  ge- 
bliben  were/Tod  bette  den  Vergiliom  also  hinaosz  TerteAtscbV 
hette  er  einen  grossen  nutz  geschafft.  Dan  man  jetzundt  dag 
Lateinisch  nur  Ilgen  leszt  /  vn  sich  die  Teütschen  jrer  Sprauch 
nit  achten  /  die  sie  nit  künnen  /  vnd  willen  nur  Griediiscfa 
reden /auf  Polnische  arth/vnd  künnen  letztlich  gar  nichts/ 
das  der  Par  ausz  ist  etc. 


VI. 

Aas  Schumanns  Nachtbüchlein  (Hr.  5). 

Ein  Hystori  von  einem  Becken  /  der  sein  Weyb  mit  der  Geygeu 
lebendig  oaachet/vnd  einem  £auffiuann. 

£Jn  Beck  sasz  inn  einer  Keichstat  /  der  arbeyt  sehr /vnd 
liesz  jns  sanr  werden  /  noch  knndt  er  nichts  bekomen  /  es  war 
das  Getrayd  iheQr/ynnd  gieng  jra  gleich  anlf  der  neygen/ 
das  er  schier  wolt  gen  Straszburg  auff  die  Hochzeit  /  da  kam 
jm  za  Nacht  ein  seltsame  Fantasey  inn  sm/wie  dann  wans 
einem  also  gehet  /  seltzame  specnlaüones  einfallen  /  vnd  sprach 
zu  seiner  Ifaiistrawen  /  mein  liebes  Weyb  /  du  siliest  das  es  vus 
SO  gar  wenig  zui^/was  wir  nur  arbeyten  darzu  so  werden 
wir  doch  kein  Heller  za  vmmtK  ohn/wie  straffet  vns  doch 
Gott  also  /  er  fieng  es  mit  Gott  an  /  gieng  auff  seiner  sevten 
auch  recht  hinausz  /  darumb  wann  du  mir  weitest  darzu  helff'en  / 
so  weiten  wir  sehen/ob  sich  das  Qelück  za  vns  wolt  wenden. 
Sie  sprach:  Mein  lieber  Beck /ich  wolts  von  hertzen  ^em 
thun  /  wann  es  küudt  mit  Ehren  sein  /  Er  sprach  ja  nicht  an- 


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derst  /nun  sihe  dir  inn  der  Metzig  vmb  ein  Kalbs  blüt/sö 
will  ich  dich  an  die  Erden  legen  /  vnnd  dich  mit  dem  Blut 
beskeichen/ darnach  ein  finmor  im  Hanse  anHahen/als  will 
ieh  allee  tn  drfimmeni  tnnd  m  boden  schlagen  /  so  kirr  dn 
wäidlich  und  schrey  /  wann  dann  die  Nachbauren  zu  lauften  so 
lig  da  als  s^est  dn  tod/so  will  ich  mit  meiner  Geygen  an« 
fttgoi/fnd  dich  wider  lebendig  Geigen /darzn  Icanst  dn  vn 
mii^t  mir  helften  /  die  Fraw  war  zu  fryden/der  Mann  fieng 
2a  poldem  an /als  wolt  er  das  gantz  Hansz  einweiffen/Da 
sAnj  das  Weib/die  Kinder/das  erhtret  man  weyt  ymbher/ 
Tnnd  kamen  die  Nachbauren  zugelauft'en  /  fragten  was  er  fAr 
ein  lerman  hatte /vnd  das  Weyb  lag  an  der  erden  im  blüt 
sbinr  sie  todt/Tnd  reget  sidinidit/ das  alle  die  erschracken/ 
d»  da  warend  kommen  /  Nun  hett  der  Beck  einen  Kauffraann 
gegen  ihm  hinüber  wonen  /  der  war  ein  arger  Laur  vnd  ein  be- 
•dieysser  anff  aller  wahr/dammb  ihn  Goit  villeicht  straffet/ 
▼and  jhnen  dahin  schicket /der  kam  auch  gelanffen/vnnd  sprach/ 
K)  lieber  Nachbaur  /  was  habt  jhr  gethon  /  das  ihr  das  Weib 
^nchhigen?  £y  sprach  er  warumb  hat  sie  mir  dann  solche 
Use  wert  geben/es  gehet  mir  sonst  das  GOTT  eibarme/Tnd 
Söll  erst  jhr  hose  wört  darzu  auftTclauben  /  ich  kan  sie  wol 
widtf  lebendig  Geygen /ich  habs  vor  offt  gethan/vnnd  nam 
fDB  der  Wandt  seme  Geygen/setzt  sich  hinder  den  Tisch/ 
liesz  sich  nichts  anfechten / fieng  an  vü  Geyget  ein  Liedlein/ 
Ettt  da  mich  genommen  /  so  müst  du  mich  haben  /  etc.  Das 
Tvwnndeit  sich  lüle  die/so  dammb  wareh/das  er  knndt  fir6- 
fidi  sein  /  vnnd  sein  Weib  wer  tod  /  mainten  er  solt  geflohen 
9SIL  Als  er  das  Geygen  ein  weyle  tryb/hüb  die  Fraw  ein 
Wang  ein  flsa  suregen/er  liesz  sich  nichts  anfechtai / Geiget 
jmmer  sein  werck  Ar  sich /zu  letst  fieng  die  Fhiw  an /mit 
mi\mr  ynd  krancker  stimme  /  gleich  als  ob  sie  vom  tod  er- 
wichet/adi  lieber  Mann  wie  magst  da  mich  also  zo  todt 

11 


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—  162  — 

schlagen  /  vnd  darnach  wider  lebendig  Geygen  /  wie  magstu 
mir  nur  so  vi!  plag  anffithibi/ea  wer  tU  besser  du  liessesk 
mich  also  todt  bleiben /so  kern  ich  der  marlrer  ab.  Keni 
nicht  also /sprach  er/warumb  gibstu  mir  so  b6se  wort/vn 
heltst  dein  gejffermaul  nicht  still /Mit  solchen  worten  die 
Fraw  anffstände  gantz  Schwach  vnd  EraffUosK  /  darm  jr  die 
Nachbauren  halffen  /  vnd  legten  sie  auff  dz  Faulbeth  /  darnach 
sie  wider  heim  giengen  /  der  Kaufmann  aber  ver/och  /  gedachte 
was  mag  doch  das  für  ein  Geygen  sein/das  sie  todten  leben- 
dig machet  /  m6chte  mir  die  Geygen  weirden/ieh  wolt  rie 
theür  geniig  bezalen/dann  ich  hab  vil  b&ser  ehe  mit  meinem 
Weyhe /sie  will  mir  jmmer  den  Armen  zn  vü  geben /Tond 
anderen  so  ich  Wahr  oder  Eom  rerioinff/mv  ein  kleinen  ge- 
winn machen  /  das  ich  hab  sorg  ich  werde  sie  auch  ein  mal 
erschlagen  /  wann  ich  dann  die  Geygen  liett  /  kundt  ich  sie 
wider  lebendig  machen  /  vnd  mem  handel  vnd  wücher  ohn  alle  | 
widered  treyben/Tn  solchen  gedancken  den  Becken  iraget/ 
lieber  Nachbaur  lebet  der  Maister  noch  /  der  die  Geygen  hat 
gemacht/das  weisz  ich  nicht  sprach  der  Beck/ich  hab  sie  i 
von  Neapolis  mit  ransztrage  /  dacht  der  Eanffinann  das  ist  I 
weit  /  lieber  nachbaur  gebt  mir  die  Gey  gen  zukauffen  /  ich  will  j 
sie  euch  theür  gnüg  bezalen  /  da  sagt  der  Beck  /  nein  lieber  ' 
Nachbanr  dz  thü  ich  nicht /ich  het  sorg  ich  m&st  ein  mal  | 
enthinffen/  sie  hat  mür  oifl  aosz  not  geholffen  /  lieber  Nadn 
baur  sprach  der  Kaullmann/ich  will  euch  dreyhundert  Gul-  | 
den  bar  darumb  geben /Daramb  k&ndt  jr  euch  eun  vorrath 
kanffen  /  das  jhr  ynnd  ewer  Weyb  em  r&wiges  leben  mtchten 
füren  /  da  für  die  Beckin  flux  lierlur  vnd  spracli :  Ach  nein 
lieber  Beck  /  verkauff  sie  nicht  /  du  wirst  dich  warlicli  ein  mal 
yeigreiffen/so  most  du  «itlanifen  /  vnnd  ich  bin  Todt /was  | 
ist  dann  den  Rinden  gehollTen.   Da  sprach  der  Eanffinann: 
£y  mein  liebe  Nachbeuriu  /  gebt  mir  sie  zokauäen/ich  will 


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—  163  — 

«dl  ein  gfttten  Bdte  znm  kftkaiiff  geben /Der  Mann  ward 

ndt  jhm  eins  /  gab  jhm  die  Geygen  /  das  war  der  Kauffraann 
fio/zaltB  jhm  bar/ymid  tmgs  heym.  Nun  nit  lang  siftndB 
u/das  der  Eanifinan  em  boden  toI  Getrayd  wolt  hingeben/ 
rä  kuntens  jm  die  Becken  nicht  erzalen  /  für  sein  weib  da- 
nrisefa^  yü  wolt  de  kaoff  machen  /  das  war  jhm  nicht  gelegen/ 
firtet  bias  die  Bedien  anaz  dem  Hansz  kamen/fieng  er  an 
ai  zancken  ynd  sprach  /  Wann  du  mir  das  mehr  thust  /  sey  dir 
zngt^ort  /  80  will  ich  dich  abwalcken  /  vnd  solt  ich  dich  zu 
ted  sdilageii/ veriiesa  alch  also  auf  seine  Geygen/sprach  die 
ftaw/wie  thftst  du  wir/schlnd  sie  gar/da  war  er  eomig/ 
oam  sie  bey  dem  Har/vn  zocb  sie  im  Hausz  ymb/das  die 
f^w  ward  schreyen / alszbald  zoch  er  sein  waidnerlin  ansz/ 
wdches  er  dami  an  der  seyten  bett/hieb  jr  grosz  wunden  in 
bpfF  /  das  da  die  gütte  Fraw  jren  Gaist  auftgab  /  vnd  st^irb. 
Der  Sanffmann  nam  sein  Geigen /vü  fieng  an  za  Geygen/ 
maittt  sein  Weib  solt  wider  lebendig  werden /als  er  lang  bett 
^emacljet  /  sähe  er  das  sie  sich  nicht  wolt  rei,'en  /  gedacht  er 
wie  hast  du  S.  Veitin  /  wilt  du  nicht  aufßstehen  /  ye  lenger  er 
Qcygt/ye  minder  sie  an&tvmde  /  des  ward  er  zornig/ Tnnd 
Midng  die  Geygen  zn  Stacken /nam  die  dHümmer  vnnd  lieff 
iura  Becken  /  vnnd  sprach  /  was  hastu  mir  für  ein  Geigen  geben/ 
ieh  hab  mein  Weyb  erschlagen  /  Tnnd  kan  sie  nimmer  lebendig 
Bsdien/da  bist  da  schuldig  an.  Botz  marter  sagt  der  Beck/ 
»an  dirs  nitt  ein  güter  dienst  ist  /  so  gib  miis  wider  /  ich  will 
(ür  dein  Gelt  widergebe / Wa solt  ers  nemen/er  hets  erschk- 
gw/gieng  haira/nam  em  zerong  zu  jm  vnd  liefF  daroon/ 
soll  noch  wider  kommen  /  vn  der  Beck  wun  er  lebet  /  braucht 
dtt  Gelt  noch.  Ausz  diser  Fabel  lerne  ein  Junger  Mann/ 
nm  jhm  aebon  im  Ehstandt  zum  ersten  vbel  gebet/das  er 
daninib  nit  von  GOtt  abweich /  sonder  Gott  tag  vnd  nacht/ 
ttmpi  seinem  weib  vnd  kinden  bitte  /  Er  will  jhm  ausz  aller 


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—  164  — 

noth  helffen / nicht  mit  loser  bescbeisserey  als  der  Bedc/son- 

der  mit  ehren  nach  seinem  willen.  Auch  ein  Weib  soll  ler- 
nen das  sie  jhrem  Mann  sey  willig  inn  allen  dingen  /  was 
nicht  wider  jr  ehre  ist/sonder  jiem  Mann  helffe  trewlich  zur 
narung  inn  allen  dingen.  Auch  bey  dem  KauflfmaÄ  /  ein  Geitzger 
vnd  neydiger/ welcher  tag  yn  nacht  nit  kan  vol  werde/ vü  seinem 
nechsten  nit  gnnd/das  jn  ^  Sonn  anscheint /scmder  wann 
GOTt  anch  sdn  ntcbsten  ehras  bescheret  /  so  weit  der  Geits- 
halsz  allein  dz  es  in  seinem  sack  stecket /ich  weit  das  es 
emem  jeden  solchen  also  gienge/gldch  wie  dem  Eeyser  an 
Bom/das  man  jm  anch  den  halsz  vol  Qold  gnsse/das  er 
genug  bette. 


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Ffiuftes  Capitel. 


Die  YolksthümiiobBten  Anflbige  der  deatsohen  Prosa- 

diohtung. 

Die  Bimmehr  noch  zn  beiraehtenden  Eraeugnisse  der  An« 
fiingsperiode  unserer  Prosadicbtnng  nehmen  das  beste  Yorar- 
theil  für  sich  in  Anspruch,  wenigstens  das  Vorurtheil,  als  die 
unserer  Nation  eigensten  die  ans  interessantesten  zu  sein. 
Unser  Interesse  wird  ihnen  mit  Becht  in  heherem  Grade  ge- 
widiiiet  sein  als  den  vom  Auslande  herübergekommenen,  nicht 
aber  soll  sich  unser  Urtheil  über  ihren  poetischen  Weith  und 
flure  historische  Bedentong  dnreh  den  Umstand  irre  machen 
lassen,  dasz  sie  nns  mehr  angeboren,  nationaler  sind  als  die 
im  dritten  Capitel  betrachteten  Bücher  und  auch  als  ein  im- 
merhin beträchtlicher  Theil  des  überaus  bunten  Stoffes,  den 
ODS  das  letstroiherg^ende  geboten.  Dasz  wur  dieser  Erinnerung 
bedürfen  kOnnen,  wird  sich  bald  zeigen. 

Wenn  Alter  und  Berühmtheit  des  Stoffes  und  des  Haupt- 
hdden  sowie  unbestreitbare  Zugehörigkeit  desselben  zn  unserer 
nreigenen  Yolkssage  allein  den  AuS&chlag  zu  geben  vermochten, 
so  üvürde  ein  Buch  die  erste  Stelle  von  allen  eingenommen  haben, 
dem  in  Wahrheit  gar  keine  herrorragende  Stelle  gebührt,  näm- 
lieh  das  sogenannte  Yolksbnch  vom  gehOmten  Siegfried*  Denn 


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—  166  — 

welcher  Stoff  ist  älter  und  ehrwfirdiger  Ar  ans  Deatsche  als 

die  Sage  von  den  Nibelungen,  welcher  Hold  stellt  glänzender  da 
als  Siegfried,  welche  Gestalt  der  Sage  gehört  uns  eigenthüm- 
lieber?  Und  doch  wird  sidi  ergeben,  dasz  das  erwähnte  Ba<^ 
in  unserer  Literatur  sowohl  überhaupt,  wie  in  der  Entwickelang 
der  Gattung  des  liomans  insbesondere,  eine  durchaus  unter- 
geordnete Bolle  spielt   Sein  Inhalt  ist  folgender. 

Um  die  Zeit,  da  der  thenre  Held  und  Bitter  Herr  Wigo- 
leisz  lebte,  wohnte  in  den  Niederlanden  ein  König  mit  Namen 
Si^hard.  Dieser  zeugte  als  einzigen  Sohn  den  Siegfried.  Der 
Knabe  ward  grosz  und  stark,  hOrte  wenig  auf  Vater  und  Mutter 
und  machte  sich  ohne  Urlaub  auf  und  davon,  nachdem  schon 
die  üathe  des  Vaters  sich  dahin  ausgesprochen,  es  werde  wohl 
am  besten  sein,  ihn  ziehen  za  lassen,  ob  er  sich  wohl  eines 
Besseren  bedenken  möchte.  Er  gelangte  in  ein  im  Walde 
liegendes  Dorf,  wo  ihn  ein  Schmied  aufnahm.  Zur  Arbeit 
herangezogen  schlag  er  das  Bisen  entzwei  nnd  den  Ambos  halb 
in  die  Erde,  nnd  als  ihn  der  Meister  daflir  zauste,  warf  er 
diesen  nieder,  dasz  ihm  die  Besinnung  verging,  desgleichen  den 
zu  H&lfe  eilenden  Knecht  Den  andmn  Morgen  schickte  der 
Meister  Siegfrieden  nach  Kohlen  in  den  Wald,  damit  ihn  ein 
bei  einer  Linde  wohnender  Drache  verschlingen  möchte.  Sieg- 
fried aber  erschlug  den  Drachen  mit  ausgerissenen  Bäumen, 
warf  diese  'auf  ihn  nnd  zündete  sie  an,  nnd  da  er  bemwkte, 
dasz  sein  Finger,  welchen  er  in  das  ausflieszcnde  Drachen- 
fett getaucht,  hart  wie  Horn  ward,  überstrich  er  mit  dem- 
selben seinen  ganzen  Leib  anazer  zwischen  den  Schultern, 
weshalb  er  der  gehörnte  Siegfried  genannt  wurde.  Dai-auf  be- 
gab er  sich  an  den  Hof  des  weitberühmten  Königs  Gibald, 
der  ihn  gut  aufinahm.  KOnig  Gibald  hielt  zu  Wonns  am 
Bheine  Ho^  hatte  drd  Söhne  nnd  eine  flberans  sdiöne  Tochter. 
Als  diese  einst  um. Mittag  an  einem  Fenster  stand,  kam  ein 


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—  167  — 


groszer  Drache  und  raubte  die  schöne  Florigunde.  £r  ent- 
Ahrte  sie  auf  den  Dnchensteuit  an  einem  Ostertage  ward  er 
ni  einem  Menschen  nnd  bedeutete  der  Schönen  anf  ihre  Vor« 
Stellungen,  er  werde  in  fünf  Jahren  zu  einem  Manne  werden 
und  da  zur  Frau  nehmen,  znletst  m$8se  sie  mit  ihm  zur 
H5]le,  dort  sei  ein  Tag  wie  ein  ganzes  Jahr.  Die  Jnngfran 
bat  Gott  um  Hilfe,  und  der  König  sandte  vergeblich  Boten 
ans,  worftber  vier  Jahre  vergingen.  Auf  dnem  von  dem  Könige 
▼eranstalt^  Tnmiere  gewann  der  inzwisofaoi  zn  mftnnlichen 
Kräften  gelangte  Siegfried  den  Preis  und  ward  zum  Ritter  ge- 
schlagen, florigonde  erschien  ihm  darauf  im  Traume,  und 
am  nSehsten  Korgen  gerieth  8i^;fined,  der  auf  die  Jagd  ge- 
ritten war,  dorn  Draclien  auf  die  Spur.  An  einem  Löwen,  der 
ihm  entgegenlief,  verfuhr  er  wie  einst  Simson,  einen  Bitter 
der  ihn  angrilf,  verwundete  er  tMtiieh  und  hörte  von  dem 
Sterbenden,  dasz  dieser  aus  Sieilia  gebürtig  und  einem  im 
Walde  hausenden  Riesen  WoH'grambär  unterthan  sei,  aucli  sei 
hier  eine  schöne  Jungfrau,  die  ein  Drache  gefimgen  halte.  Bald 
darauf  begegnete  unserem  Held^i  der  Zwerg  Egwaldus  anf 
einem  kohlschwarzen  Pferde,  in  köstlichen  Kleidern  und  mit 
dnem  Qeiolge  von  tausend  Zwergen.  Dieser  begrOszte  den 
^egfried,  zeigte  sich  mit  seinen  Familienverhftltnissen  bekannt, 
wollte  ihm  aber  wegen  der  GefTihrlichkeit  der  Sache  den  Weg 
nach  dem  Drachensteine  nicht  zeigen,  wo  König  Gibaldi  Toch- 
ter Florigunde  gefimgen  gehalten  wSre.  Als  sidi  König  Egwal- 
dns  den  Fragen  Siegfrieds  durch  die  Flucht  entziehen  wollte, 
ward  er  von  diesem  gegen  eine  steinerne  Wand  geworfen  und 
sagte  nun,  dasz  der  Biese  Wolfgramb&r,  der  tausend  Mann 
unter  sieb  habe,  den  Schlüssel  zum  Drachensteine  fthre,  und 
wies  ihn  auf  den  Weg  zur  Wohnung  des  Riesen  in  einer  Fels- 
wand. Siegfried  klopfte  an,  der  Biese  sprang  mit  seiner  eiser- 
iwn  Stange  heraus,  und  es  begann  ein  wüthender  Kampf,  in 


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welchem  der  Riese  von  Siegfried  zwei  tiefe  Wunden  empün^, 
worauf  er  sich  in  die  Felswand  zurückzog,  wappneie  und 
darauf  den  Kampf  fortsetzte,  bis  er  durch  sechszehn  Wundeo 
bezwungen  dem  Helden  einen  Eid  schwören  muszte,  ihm  die 
Jungfrau  gewinnen  zu  helfen.  Darauf  fahrte  er  ihn  in  ein 
finsteres  Thal  und  gab  dem  Arglosen  von  hinten  dnen  Schlag, 
von  dem  Siegfried  betäubt  zu  Boden  fiel.    Er  wäre  verloren 
gewesen,  wenn  ihm  nicht  Egwaldus  schnell  die  unsichtbar 
machende  Nebelkappe  aufgesetzt  hfttte.  Als  er  wieder  zu  aii^ 
gekommen,  schlug  er  dem  Riesen  noch  acht  Wunden,  liesz 
ihn  aber  leben,  der  Riese  schlosz  die  Thüre  auf,  und  beide 
gelangten  an&teigend  zu  der  Jungfrau,  die  den  Helden  begrüsate 
und  Qott  um  Hilfe  in  der  GeMr  anflehte.   Der  Biese  zeigte 
Siegfried  in  der  Steinwand  eine  Klinge,  welche  zur  Bekämjjfung 
des  Drachen  nöthig  sei,  und  als  dieser  darnach  griff,  schlug 
er  ihm  eine  tiefe  Wunde,  worauf  Siegfried  ihn  nach  längerem 
Ringen,  bei  dem  er  ihm  die  Wunden  von  einander  risz,  den 
Drachenstein  hinab  warf.  Hierauf  verschaffte  Egwaldus  eilend 
Speise  und  Trank,  während  aber  Siegfried  und  die  Jungfrau 
a.szen,  kam  schon  der  Drache  mit  neun  Jungen  geflogen  und 
verbreitete  eine  solche  Hitze,  dasz  Siegfried  und  die  Jungfrau 
sich  unten  in  die  Höhle  fl&chten  muszten.  Siegfried  waffioete 
sich  und  begann  den  Kampf,  Tor  Schrecken  flohen  die  Zwerge 
in  die  Wälder.   Da  die  Hitze  das  Horn  am  Leibe  des  Helden 
erweicht  hatte,  muszte  er  sich  wiederum  in  die  Hdhle  zurflck- 
ziehen,  hier  ihnd  er  den  Ton  Egwaldus  Söhnen  dahin  versteckten 
Schatz.    Inzwischen  hatte  der  Drache  noch  sechzig  junge 
Drachen  zu  sich  genommen,  Siegfried  betete  zu  Qott,  nahm 
den  Kampf  wieder  auf,  hieb  dem  Drachen  zuerst  den  Schwanz 
ab,  dann  ihn  selbst  in  zwei  Theile  und  warf  ihn  zum  Felsen 
hinunter.    Als  die  Jungfrau  nun  aber  herbei  kam,  üwd  sie 
Siegfried  ohnmächtig  am  Boden  liegen»  worOber  sie  auch  yor 


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—  169  — 

fidueekni  rnnsaiik,  so  dasz  de  der  wieder  za  sich  gekommene 
EM  wnA  der  Zwerg  Bgwald  erst  ins  Leben  snrflckrufen 

raaszten.  Die  Zwerge  dankten  Siegfried,  boten  ihm  ihre  Dienste 
an  und  erquickten  ihn  mit  Speise  und  Trank.  Floiigtmde  gab 
dem  Helden  den  köstlichen  Bing  von  ihrem  Fmger,  er  ihr  die 
goldene  Kette,  die  er  am  Hofe  ihres  Vaters  im  Toumiere  er- 
worben hatte,  woraul'  er  sich  zur  Buhe  begab.  Am  andern 
Uoigen  maditen  sie  sich  anf  die  Beise  nach  Worms,  nachdem 
sie  von  den  Zwergen  anf  das  reidifiohste  waren  beschenkt 
worden.  Egwald  begleitete  das  Paar  eine  Strecke  und  sagte 
ih  erfahrener  Astrolog  dem  Siegfried  yoraus,  dasz  er  sein 
sdiAMB  Weib  mir  acht  Jahie  haben,  dann  ermordet,  smn  Tod 
üm  ?on  seiner  Gattin  grausam  gerächt  werden  werde.  Nach- 
dem sich  Eg>vald  von  ilmen  verabschiedet  liatte,  kehrte  Sieg- 
fried mit  der  Jungfrau  wieder  um  und  holte  den  Schatz,  der 
ihm  spftter  yeriiikngnissyoll  ward  und  dessentwegen  alle  Helden 
aaszer  Hildebrand  und  Dietrich  umkamen,  denn  er  meinte 
nicht,  daäz  er  dem  Egwald  gehöre,  sondern  dem  Biesen  oder 
dem  Drachen,  Noch  hatte  er  mit  zwölf  Straszenrftubem  um 
Sdiatz  und  Bnmt  zu  kämpfen,  ersteren  aber  verlor  er,  weil 
er  das  mit  ihm  beladene  Pferd  hatte  laufen  lassen,  um  den 
Florigunde  fortführenden  B&ubem  nachziyagen«  Nach  ihrer 
Ankunft  in  Worms  Ihnd  die  Hochzeit  unter  glftnzenden  Bitter- 
terspielen statt,  in  denen  Sie<?fried  den  Preis  davon  trug,  aber 
dadurch  auch  den  Neid  seiner  Schwäger  erregte.  Zur  Feier 
Hochzeit  wurde  auch  ein  Zweikampf  zwischen  den  beiden 
Memmen  Joreus  und  Zivelles  veranstaltet,  welcher  sehr  Ifidier- 
lich  verlief.  Florigundens  drei  Brüder  aber,  Ehrenbert,  Hagen wald 
ond  Wübert  waren  Siegfried  ieind.  Nach  acht  Jahren  fand  eme 
Jagd  statt,  auf  der  sich  SiegfHed  erhitzt  mit  dem  Qesicht  in  einen 
Brunnen  bückte.  Hagonwald  lief  lierbei  und  stiesz  ihm  sein 
Bappier  in  die  yerwiindbare  Stelle,  so  dasz  die  Spitze  vom 


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—  170  — 


herauskam.  Florigunde  fiel  in  eine  schwere  Krankheit,  ihre 
beiden  Ettern  starben  vor  Gram,  nach  einiger  Zeit  begab  m  \ 
«eh  mit  ihrem  Sohne  LOwhardnB  zn  ihrem  Schwiegervater, 
der  die  drei  Brüder  mit  Krieg  überzog  und  zwei  ins  f)lend 
vertrieb.  Hagenwald  hatte  eich  dem  feigen  Zivelles  ergeben, 
der  ihn  Im  SchUife  nmbraehte.  Siegfrieds  Sohn  traf  später 
den  jüngsten  seiner  Oheime  auf  einer  Reise  niicli  Sicilien  in 
den  elendsten  Umständen,  er  selbst  blieb,  da  auch  seine  ^Intter 
ihren  Geist  in  dem  Kriege  hatte  aufgeben  mflssen,  bei  seinem 
Groszvater  nnd  ward  ein  brayer  Held. 

Was  sich  zunächst  aus  diesem  Auszuge  ergiebt,  ist,  dasz 
es  wohl  eine  schöne  Sache  wAie,  wenn  wir  einen  Boman  des 
XY.  oder  XVI.  Jahrhunderts  mit  diesem  Inhalte  bestaen. 
Aus  dieser  Zeit  stammt  aber  nur  das  unter  dem  Namen  des 
Siegfiriedliedes  bekannte  Gedicht,  welches  mi  unserem  Buche, 
ausgenommen  die  komische  Episode  von  Jorcus  und  ZiveUes  | 
in  dem  Gange  der  Handlung  so  ToUstftndig  ftbereinsthnmt, 
dasz  es  als  die  Vorlage  des  letzteren  zu  betracliten  ist.  Alles 
Interesse  an  der  Herkunit  des  Stoffes  ist  daher  zunächst  too 
dem  Prosabuche  auf  das  Gedicht,  dessen  ältester  Drude  1545 
zu  Nürnberg  herausgekommen  ist  (handschrifthch  existirt  es 
nicht  ')i  übertragen,  nui*  der  Memmenkampf  ist  dem  Boman 
dgenthämlich.  Der  in  diesem  Stück  Torkonmiende  Name 
Jorcus  weist  auf  französischen  Ursprung  hin,  dodi  dürfte  audi 
hier  Zusammenhang  mit  altgermanischer  Sage,  wie  er  im  Sieg- 
Medliede  unverkennbar  ist,  anzunehmen  sein^).  Aber  die  £nt-  | 
8tehuii^[aE6it  des  prosaischen  Budies  wurd  schwerlich  hober  j 
hinaufzurücken  sein  als  ans  Ende  des  XVIL  oder  den  AnfiMig  | 


Vgl.  V.  d.  Hagen  u.  Frimi^ers  Heldenbuch  Bd.  U.  u.  Go«dcke 
IL  A.  S.  549  ff. 

>)  Vgl.  Jacob  Grimm  in  Haupte  ^«itecbriit,  £d.  VIII,  1  ff. 


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—  171  — 

des  rvin.  Jahrhondsri«.  Denn  es  findet  aeih  ter  den  Zwan- 
ziger Jahren  den  XVIII.  keine  Spur  von  dem  Buche  Y()m  ge- 
hörnten Siegfried  (so  und  nicht  der  liörneme  heiszt  er  hier^ 
gnde  in  den  ftlteeten  Draeken  hat  er  die  anf  dnem  groben 
Hi^erstande  bemhenden  Hdmer),  als  dessen  älteste  datirte 
Auögabe  die  von  1726,  Braunschweig  und  Leipzig  vorliegt*), 
und  welches  ent  nadi  der  Mitte  des  XVIIL  Jahrhunderts 
in  anderen  BOdiem  bestimmt  erwflhnt  wird.    Die  Sprache 
desselben  ist  die  der  in  Rede  stehenden  Zeit,  und  grade  die 
Ton  Mällenhoff  richtig  bemerkte  fast  wörtliche  Uebereinstim- 
mmig  mit  dem  Liede  nnterstfttst  meine  Termnihnng  Ton  dem 
späten  Ürspriinge,  da  sie  sicli  auf  solche  Wendungen  und  Aus- 
drudce  nicht  erstreckt^  welche  wohl  noch  dem  XVI.  aber  nicht 
mehr  dem  ansgdliendra  XVII.  oder  beginnenden  XVIIL  Jahr- 
hundert verständlich  gewesen  wären. 

Unser  Buch  ist  aber  nicht  allein  höchst  wahrscheinlich 
spAt  entstanden,  sondern  an  sich  eine  blosze  Handwerksarbeit. 
Als  solche  charakterisvt  es  schon  die  Angabe,  dass  es  ans 
dem  Französischen  übersetzt  sei,  welche  sich  durch  eine  Ver- 
gleiehnng  mit  dem  Liede  sofort  als  nnwahr  erweist,  ferner  die 
rohe  und  nachlässige  Mache,  welche  andi  sogleich  anf  dem 
Titel  durch  die  Bezeichnung  Siegfrieds  als  des  gehörnten  in 
die  Augen  springt  und  sich  noch  an  vielen  anderen  Stellen 
offenbart  ünd  dieser  Entstehung  entspricht  die  Thatsache, 
das«  es  fast  immer  auf  das  schlechteste  gedruckt  und  ausge- 
stattet erscheint,  last  alle  Ausgaben  die  elendsten  Jahrmarkts- 
aasgaben sind,  voll  der  gröbsten  fehler.   Nur  die  Ausgabe 


»)  Der  Güte  des  Herrn  Prof.  Goedeke  verdanke  ich  die  Bekannt- 
Mhaft  mit  ihr,  sie  findet  sich  in  der  Göttinger  Bibliothek.  Derselbe 
theilte  mir  auch  freundlichst  mit,  dajäz  J.  Grimm  in  seinen  Vorlesungen 
103^  von  einer  Braunschweiger  Ausgabe  voa  1720  geaproGb«ii  habe. 


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yon  1726  laacht  einig^mafiieii  eine  Aasnahme,  ausser  ilir  ist 
aber  b»  jekt  auch  nodi  keine  daürte  Ausgabe  bekannt  ge- 
worden. Demnach  ist  der  gehörnte  Siegfried  allerdings  ein 
Volksbuch,  aber  im  schlechtesten  Sinne,  ein  Bach,  welches 
seiner  obscoien  Entstehong  genta  ein  (dracnres  Dasein  ge- 
fHstet  und  m  keiner  Zeit  der  von  den  gebildeten  Ständen 
beachteten  und  geschätzten  Literatur  angeliöi-t  hat 

So  sicher  es  also  ist,  dasz  Si^gfiied  stets  die  erste  Stelle 
unter  den  Helden  unseres  nationalen  Epos  einnehmen  wird, 
so  zweifelhaft  ist  es  geworden,  ob  wir  ihm  einen  Platz  unt^r 
den  liomanhelden  der  ältesten  Zeit  unserer  Gattung  anweisen 
dOifen.  Siegfried  ist  auch  nieht  snm  populären  Bomanhelden 
geboren  worden.    Wie  ein  solcher  l'üi-  (his  fünfzehnte  und  sech- 
zehnte Jahrhundert  beschaffen  sein  muszte,  das  lehrt  am 
deutlichsten  der  aüerbeliebteste,  der  weder  Ton  SiegMed  noch 
sonst  von  einem  wirklichen  H^den  einen  Zng  an  sich  hat, 
Till  Eulenspiegel.    Tiieils  seiner  Beliebtheit,  theils  dem  Fleisze 
seines  gelehrten  freundes  Lappenberg  verdanken  wir  es,  dass 
wir  im  Stande  sind,  uns  über  seine  Person  und  die  sieh  mit 
ihm  beschäftigende  volksthumliche  Dichtung  verhältniszmäszig 
genau  zu  unterrichten. 

Es  ist  als  gewiss  inzunefamen,  dass  in  der  ersten  BJÜfbe 
des  XIV.  Jahrhunderts  in  der  Gegend  von  Bmunschweig  ein 
Mensch  lebte,  der  Till  ülenspiegel  hiesz,  mag  nun  der  zweite 
Name,  der  um  dieselbe  Zeit  in  der  genannten  Gegend  urkund- 
lich vorkommt,  sein  angeborner  Familienname  oder  ein  ihm 
beigelegter  gewesen  sein.  Eulenspi^el,  denn  so  musz  er  hoch- 
deutsch genannt  werden,  staounte  aus  dem  Bauemstande  und 


>)  AUes  NShere  rar  Begrftndnng  meiner  Anaielit  rnoss  Soh  als  in 
eine  Arbeit  wie  die  ▼orliegende  nicht  gehörig  der  HittheUimg  en  einem 
andern  Orte  vwbehilten. 


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—  173  — 

ftluie  das  Leben  eines  ▼agabondurenden  SpasmiMlMfSf  theils 

Tornebme,  thefls  Personen  niedrigen  Standes  darcb  sein  Talent 
in  Contribution  setzend,  indem  erstere  freiwillig,  letztere  un- 
freiwülig  zn  seinem  Lebensnnterbalte  beitragen  oder  wenigstenA 
den  doreh  seine  Streiohe  angnridiieten  Sehaden  anf  sich  neh- 
men muszten.  Was  die  monumentalen  Erinnerungen  an  die 
wirkliche  Person  betrifft,  so  ist  der  Grabstän  zu  Danmae  nur 
m  Folge  einer  entsehiedenen  IfioBdeniang  anf  ihn  bezogen 
worden,  wogegen  der  zu  Mölln,  wenn  auch  entschieden  nnftohi, 
doch  auf  das  Vorhandensein  eines  ächten  mit  groszer  Wahr- 
scheinlichkfiit  znrQckweist  Somit  kann  anch  das  Datum  des 
Todes,  nftmfich  das  Jahr  1360^  als  sehr  wabisdieuilieh  histo« 
risch  bezeichnet  werden. 

Ein  EulMispiegelbach  hat  schon  existirt,  ehe  die  bis  jetzt 
raüegende  llteste  Ausgabe  vom  Jahr  1519  erschienen  ist. 
Imnerinn  aber  bleibt  ^ese  Ausgabe  unsere  yomehmste  Quelle, 
und  von  ihr  kann  bei  der  Betrachtung  der  Eulenspiegeldichtung 
nach  ihrer  Zasammensetzm^  nnd  Entstehmg  nnr  ausgegangen 
werden.  Mit  Becht  ist  yon  dem  kenntnisireiehsten  und  yor- 
sichtigsten  deutsclien  Literaturhistoriker,  Goedeke,  darauf  auf- 
merksam gemacht  worden,  dasz  die  Untersuchung  Ober  diesen 
Punkt  jetrt,  trote  der  Verdienste  Lappenbergs,  tou  anderen 
Grundlagen  auszugehen  habe.  Hier  ist  nun  nicht  der  Ort, 
die  Detailforschung  in  ihrem  ganzen  Umfange  Platz  greifen  zu 
liown,  doch  kann  ich  mich  der  Pflicht  nicht  entschlagen,  die 
Besoltate  der  nach  Lappenbergs  Ausgabe  Mlenden  Forschun- 
gen und  Funde  sowie  die  meines  Nachdenkens  in  gedrängtester 
form  TOrsubringen,  es  dem  Leser  (tberlassend,  meine  Behaup- 
tungen an  dem  gewissenhaft  benutsten  Material,  dessen  Kennt- 
msz  vorauszusetzen  mich  der  Umfang  und  Zweck  dieser  Arbeit 
zwingt,  zu  prüfen. 

Die  beiden  Haiq^tlliatsaehen,  von  denen  wir  hier  aussu- 


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—  174  — 

gdi€ii  liaben,  wenn  wir  uns  em  Bild  Ton  der  Entstehung  un- 
serer Diditung  madien  wollen,  habe  ieb  bereits  ansgesproehen, 

sie  sind  die  historische  Existenz  Eulenspiegels  und  die  Geltung, 
welche  die  Ausgabe  von  1519,  gedruckt  yon  Johannes  Qiie* 
ninger  za  Strassbnrg,  zn  beanspruchen  hat.  Daau  kommt  die 
von  Lappenberg  sclion  bewiesene,  von  Goedeke  noch  erhärtete 
Thatsache,  dasz  es  schon  vorher  ein  Eulenspiegelbuch  mosz 
gegeben  haben.  Hai  Buienspiegel  wkklich  existirt,  so  rnuss 
sich  der  Grundstock  der  Gesdnchien  yob  ihm  aus  firirnierongen 
an  seine  Person  gebildet  haben,  und  sind  diese  ächten  Ge- 
schichten überhaupt  einigermaszen  auszusondern,  so  musz  dieses 
Verfiihren  die  Ausgabe  Ton  1519  zuerst  zn  Grunde  legen, 
andere  alte  und  ihr  gegenüber  selbständige  Recensionen  tot- 
sichtig  zu  Bathe  ziehen.  So  wird  sich,  ÜEÜls  dies  überhaupt 
möglich  ist,  eine  Vorstellung  gewinnen  lassen,  wie  ein  ftltens 
oder  llltere  Eulenspiegelbücher  werden  besohaffen  gewesen  sein. 

„Es  ergiebt  sich  bald",  sagt  Lappenberg,  „dasz  die  Er- 
zBhlungen  wedei*  nach  einer  Zeitfolge,  noch  nach  den  Orten 
der  Begebttiheiten  aneinander  gereiht  sind,  sondern  nach  ge> 
wissen  Gattungen  der  Schwftnke.   Als  die  Ordnung  uuseres^ 
Baches  ist  die  folgende  zu  erkennen: 

Nro.  1 — 9.  Herkunft  und  Jugendstreiche  des  Till  Uien- 
spiegel,  wozu  auch  vielldcht  Nro.  10  und  21  noch  gerechnet 
werden  können. 

Nro.  11—13.  Tills  Schwänke  bei  dem  P£urrer  zu  Bu- 
densleten. 

Nro.  14 — 17.    Marktschreier  und  Quacksalbernovellen. 
Nro.  18—20.  Drei  Brot  und  Bäcker  betreifende  Schwanke. 
Nro.  22—27.  Sechs  sehr  wsohiedeaartige  Geschichten« 
welche  aber  darin  übereinstimmen,  dasz  der  Foosenreiszer  in 

denselben  weltlichen  Fürsten  gegenübersteht,  welche  er  uber- 
listet 


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175 


Nro.  28  ond  39  TerhOlmen  die  Weusheit  der  Uuiveni* 

täten  sowie  Nro.  30  diejenigen  anderer  Klugen. 

Nro.  31 — 38  mit  einigen  Ansnahmeu  betreffen  geistliche 
HnreiL 

Nro.  89 — 62  enftUen  stannllicli  yen  gefoppten  Kund- 

werkern;  auch  Nro.  74,  welche  später  gestellt,  wie  oben 
Kio.  18  bis  20,  die  Bäcker  betreffend,  voran  gestellt  waren. 

Kio.  68 — 66  Mreffen  verwandte  QemeAe. 

Nro.  67 — 73  enthalten  verschiedenartige  Schwanke,  deren 
Qoeilen  meistens  nachweisbar  sind. 

Hio.  75 — 86  beuehen  sieh  etaimtiich  auf  Wirthe  und 
Bewirthmiif,  wohin  also  aneh  Nro.  88  riditiger  gehM  hfttte. 

Nro.  87 — 89  folgen  drei  anderweitige  Historien. 

Nro.  90 — 96  eizfthlen  von  der  Krankheit,  d«n  Testament, 
Tod  mid  Grab  des  Ulensplegel. 

Diese  TJebersicht  wird  lehrreich,  wenn  wir  sie  zu  den  bis- 
her nachgewiesenen  Quellen  halten. 

Es  xeigt  sich  nftmlich,  dasz  diese  sich  gefonden  haben 
oder  doch  zn  ermitteln  sind  Ar  die  meisten  Erzfthlnngen, 
welche  nicht  Tills  Jugend  und  letzten  Tage,  so  wie  alle  mit 
den  Handwerkern  verübten  Schwänke  betreffen,  also  Nro.  39 — 62, 
Bebst  den  vorher  emgeoraihten  Nro.  18—20. 

<  Diese  bilden  ersichtlich  die  eigenfUehe  Tills-Legende,  den 
Kern,  an  welchen  andere  Sagen  angereiht  sind.  Sie  spielen 
lUe  in  NiederBaehsen,  meistens  in  den  nach  damaligem  Spraeh- 
gebtaneih  sogenannten  Wendischen  Stftdten.  Wenn  man  nnn 
diese  Handwerker-Erzählungen  zusammen  betrachtet,  so  wird 
es  znoachst  auffallen,  wie  Uienspiegel,  so  vielerlei  ein  ver- 
setattltKtor  Yagahand  aneh  nach  einander  versndien  kaon ,  es 
vermochte,  bei  so  vielen  Handwerkeni  hinter  einander  sich  eine 
Anstellung  zu  verschaften,  da  bekanntlich  nach  heutigen  An- 
eichten  der  Handweri^er«  welcher  eumal  f&r  ein  Gewerbe  ach 


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—  176  — 


bestimmt  hat,  dasselbe  nidit  leicht  Teriasseii  kami,  weil 

Auftiahme  der  wandernden  Gesellen  bei  einem  Meister  triebt 
ohne  bündige  Legitimation  gescliehen  darf.    Wie  kunnte  denn 
Ulenspiegel  alle  Jahte  oder  Monate  ein  neues  Handwerk  be- 
treiben?   Oder  wie  konnte  der  Dichter  ihn  so  danastellen 
▼ersuchen,  wie  etwa  der  angelsäclisische  Scalde  den  Wanderer 
von  dnem  zu  dem  anderen  dm!ch  Baom  ond  Zeit  oft  weit  ge- 
trennten Volksstarome  ziehen  lisztP  Jeder  himnf  gest&tste 
Einwand  verliert  aber  an  Gewicht  iiiul  fülirt  vielmehr  zu  einiger 
Begründung  der  Wahrscbeinlichkeiten,  wenn  wir  annehmen 
dfirfen,  dasz  die  betreffenden  Ordnungen  und  Gesetze  der  Hand- 
werker erst  der  Entwickelung  dts  Städtewesens  ihre  Entstehung" 
verdanken,  und  in  der  später  lange  erhaltenen  strengen  Form 
eist  im  vierzehnten  Jahrhundert  sich  gestaltet  haben"*. 

Nachdem  nun  Lappenberg  im  Bmzeinen  das  Zutreffende 
der  von  ihm  vorgeschlagenen  Annahme  nachgewiesen,  schlieszt 
er  den  Abschnitt:  »durch  die  Folgerongen,  welche  ans  diesen 
Thatsachen  sich  ergeben,  werden  wir,  wenn  wir  dem  Treiben 
des  Ulenspiegel  eine  historische  Gnindlage  anweisen,  dazu  ge- 
fuhrt werden,  diese  in  den  Anfimg  des  Yierzehnten  Jahrhun- 
derts zu  legen,  welches  eme  Zeit  der  fehlenden  Handwerker, 
wie  der  fahrenden  Sänger  und  Scholastiker  gewesen  ist,  dieselbe 
Zeit,  in  welche  sein  bekanntes  Todesjahr  fällt,  nnd  andeie 
Anzeichen  von  ihm  Torkommen.  Fehlten  audi  diese  Angaben 
nnd  Andeutungen  uns  gänzlich,  so  dürften  wur  doch  nicht 
bezweifeln,  dasz  die  Entstehung  jener  Handwerkergeschichten 
in  keine  spfttere  Zeit  fiült,  so  wie  auch,  dasz  sie  keiner  we- 
sentlich froheren  angehören  kann*'. 

Es  wird  nach  dem  Mitgetheilten  kaum  ein  Zweifel  mehr 
darüber  sein  können,  dasz  wir  in  den  Geschichte  Nr.  18 — 20, 
Nro.  39 — 62  und  Kto.  74,  zn  denen  noch  Nro.  1 — 9,  10  und 
21  hinzukommen  dürften,  wenn  auch  nicht  alle  und  nur  die 


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—  17t  — 

fon  Belenspiegel  verübten  Streiche ,  so  doch  unter  ihnen  die 
verliältniszniäszig  meisten  ächten  besitzen,  jedenfalls  die  Ge- 
achichtoi,  aus  denen  ans  das  Bild  des  Helden,  wie  es  am 
iDBprfiiiglidisten  und  anschanlieheten  in  der  YorsteUung  des 
Volkes  lebte,  entgegen  tritt.  Der  die  städtischen  Handwerker 
neckende,  verhöhnende  and  beschädigende  Abenteurer  aus  dem 
Buemtande  ist  der  Typus,  an  dem  das  Volk  in  Ealenspiegel 
Medien  fknd.  Die  ftditen  und  ftltesten  Ealenspiegelgeschichten 
sind  sicherlich  Standosgeschichten  der  Bauern  und  Landbewohner 
öbediaapt,  mit  denen  sie  den  ihrer  auch  mit  Spott  and  Scha- 
bernack mdit  schonenden  stftdtischen  Handwerkeiii  anfvrarteteD, 
sie  drücken  eine  umgekehrte  Abneigung  aus  wie  die  schmutzi- 
gen Fasznachtsspiele  des  XV.  Jahrhunderts,  weiche  voll  sind 
von  dar  Verspottung  der  Baoam  durch  die  Bürger. 

Wenn  wur  uns  erinnem,  welche  Rolle  im  geistigen  Leben 
des  Mittelalters  das  Standesbewusztseiu  spielte,  so  finden  wn* 
einen  Giomd  mehr  iüi'  die  grosze  Beliebtheit  unserer  Geschich- 
tfliL  Eolenspiegel,  der  Banevnsohn,  weisz  sich  durch  seine 
hübsche  Persönlichkeit,  welche  noch  heute  den  Landbewohner 
in  den  meisten  Gegenden  Deutschlands,  besonders  aber  in 
Niederdeatschland,  Tor  dem  städtischen  Handwerker  ansaeich- 
net,  überaU  einzufthren.  Er  ist  so  geschickt,  dasz  er  bei  yer- 
schiedenen  Handwerkern  wenigstens  eine  Zeit  lang  einen  pas- 
sabelen  Gesellen  abgiebt,  aber  das  Handwerkelieben  und  das 
Stillsiiuii  in  den  Siftdten  geftllt  ihm  doch  gar  nicht.  Er  ist 
endfich  so  schlau,  dasz  er  allen  Handwerkern,  auch  denen,  die 
sich  auf  ihre  Klugheit  und  Vorsicht  noch  etwas  Kechtes  ein- 
bUden,  Schabemacke  zu  (fielen  weisi,  wodurch  er  noch  oben- 
drein berühmt  whrd.  Dass  mehrere  von  den  Gesduchten,  die 
Eulunspiegel  in  der  Umgebung  und  in  der  Gunst  von  vorneh- 
men Leuten  darstellen,  mit  höchster  Wahischeinliclikeit  zu  den 
ftchtea  SU  rechnen  sind,  dieser  Umstand  fugt  dem  Bilde  unseres 

13 


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—  178  — 

Helden  noch  dnen  wohl  passenden  Zug  hinm.   Mit  dem  Adel, 

zu  dem  der  Bauernstand  in  den  besseren  Zeiten  und  nament- 
lich in  niederdentschen  Gegenden  ein  Verhftltnisz  natürlicher 
Zusammengehörigkeit  hatte,  weisz  sich  der  ahenteaemde  Bauern- 
söhn,  welcher  die  Abneigung  des  leichtlebigen  weltlichen  oder 
geistlichen  groszen  Herren  gegen  den  sich  hebenden  und  beiden 
unangenehm  entgegentretenden  Bürgerstand  theüt,  ganz  gut 
zn  stellen. 

Der  Aufgabe,  eine  genauere  Analyse  der  Eulenspiegel- 
dichtung  zu  geben,  kann  ich  mich  wohl  überheben,  da  sämmt- 
liche  Geschichten  sehr  bekannt  smd  and  eben  gesagt  worden 
ist,  wodurch  sich  die  wahrscheinlich  ächten  von  den  hinxu- 
gekonmienen  unterscheiden.  Was  den  sich  sehr  häufig  wieder- 
holenden Kunstgriff,  durch  wörtliche  Auslegung  erhalteoer 
Befehle  ünfüg  zu  stiften,  anbetrifft,  so  kann  auch  dieser  Zog 
selbst  a])gesehen  von  seinem  Vorkommen  in  den  achten  Ge- 
schichten, wohl  für  einen  ursprünglichen  gelten.  Denn  wenn 
auch  diese  leicht  anzuwendende  Schelmerei  schon  weit  älter 
ist  als  Eulenspiegel  und  bekanntlich  auf  Aesop  zurückgefthrt 
wird,  so  liegt  sie  doch  einem  Genie,  wie  unser  Held  ist,  sehr 
nahe  und  kann  ihrer  Natur  nach  sehr  leicht  you  verschiedeiien 
Leuten  und  an  yerschiedenen  Orten  selhetftndig  edbnden  worden 
sein. 

Dem  Gesagten  zufolge  werden  wir  uns  mit  einiger  Sicher- 
heit ein  Bild  von  den  sicherlich  schon  im  XIV.  Jahrhundert  im 
Yolksmunde  umgehende  Geschichten  machen  können,  welche  den 
Grundstock  des  uns  vorliegenden  Eulens])iegelbuches  ausmachen. 
Unter  den  Er/ählungen,  welche  in  der  Ausgabe  von  1519  fehlen^ 
befindet  sich  nur  eine  einzige,  welche  Anspruch  erheben  konnte, 
zu  den  ursprünglichen  Eulenspiegelgeschichten  zu  gehören,  da 
sie  einestlieils  nicht  anderswo  nacli weisbar  ist,  anderntheiis 
ihrer  Art  nach  mit  den  wahrscheinlich  Achten  abereinstimmi 


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—  179  — 

Sie  steht  in  der  mehr  zu  erwähnenden  Ausgabe  des  Servals 

Kniffler  unter  Nro.  92  und  berichtet,  wie  Jlulenspiegel  eine 
Sdiuhmacherstiau  um  ein  Paar  Schuhe,  prellt. 

Man  darf  wohl  die  Frage  anfwerfen,  ob  ein  erstes  Enlen- 
spiegelbuch  anzunehmen  sei,  welches  nur  oder  annähernd  nur 
die  bisher  als  die  ächteeten  bezeichneten  Geschichten  enthalten 
habe,  od«  eins,  welches  bereits  die  erweislich  auf  fremde 
QaeOen  znrüekzoffUiTenden  Stfteke  anfWies,  natürlich  ohne  ge- 
nauer bestimmtu  zu  wollen,  wie  viele^ derselben  und  welche 
sich  in  der  ersten  Ausgabe  Yorgefünden.  Einer  Jj'rage  g^en- 
tlber,  welche  möglicher  Weise  noch  einmal  dnrch  directe  Be- 
weise  zu  lösen  sein  dürfte,  geziemt  sich  grosze  Zurückhaltung, 
und  nicht  ohne  diese  möchte  ich  mich  dai'ur  entscheiden,  dasz 
die  filteste  Ausgabe  des  Eiüenspiegelbuches  in  ihrer  Znsanmien- 
Setzung  nicht  wesentlich  von  dem  uns  vorliegenden  Eulenspie- 
gelbuche, zumal  von  der  Ausgabe  von  1519,  verschieden  gewesen 
sei  Die  Grfknde  hieran  sind  folgende.  Erstens  fehlt  jede 
Spur  einer  von  der.  uns  Torliegenden  in  ihrer  Dis])osition  we- 
sentlich sersciiiedenen  Redaction.  Zweitens  weisen  die  verschie- 
dsnen  alten  Ausgaben,  die  von  1519  eingeschlossen,  s&mmtlich 
auf  eme  in  dieser  Beziehung  einheitlichen  Redaction  zurück. 
Goedeke  hat  in  dem  Weimurschen  Juhrbuche  durgethan,  dasz 
schon  1515  ein  Eulenspiegelbuch  existirt  hat  und  dasz  die 
Ausgabe  von  1519  zusammen  mit  anderen  alten  Ausgaben  ein 
solches  zur  Voraussetzung  hut'j.  Drittens  trägt  die  Ausgabe 
von  1519  sowie  die  folgenden,  abgesehen  von  der  Mundart, 
nach  Stil  und  Darstellungsweise  nicht  nur  ein  einheitliches 
Gepräge,  sondern  zeigt  auch,  dasz  der  Verfasser  ein  geschickter 
Erzähler  und  ein  Mann  von  Sinn  für  dergleichen  l^roducte  der 
komischen  Volksdichtung  war.  Sein  m  seiner  Art  guter  Geschmack 


^)  lY,  15  ff.  vergl.  auch  ebenda  V,  477  und  Germania  Xll. 

12* 


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—  180  — 

zeigt  sich  grade  in  den  liin  ^.ugelügtea  Geschichten^  welche  nach 
Lappenbergs  richtiger  Bemerkung  zum  Theil  die  besseren  sind. 
Ein  solcher  Mann  wird  snr  Bedaction  der  Bnlenspiegelgescbich- 
ten  einerseits  eine  grosze  Belesenhcit  in  ähniichor  Literatur 
mitgcbmcht,  andererseits  Lust  gehabt  haben,  dem  ihm  vorlie- 
genden Stoffe  Zugaben  an  geben,  welche  ihm  einen  weiteren 
Leserkreis  sichern  muszten,  wenn  auch  der  oben  aus  den  Ach- 
ten Geschichten  entwickelte  Grundcharakter  des  Helden  an 
Sch&rfe  der  Zeichnung  und  an  Abrundung  etwas  einbOsaie. 
Unbrigens  musz  zugestanden  werden,  dasz  der  Bedactor  oder 
Vei fasser  bei  Auswahl  der  Zusätze  auch  insoieui  geschickt 
verfahren  ist,  als  er  rxhts  zuiiesz,  was  den  Chai*akter  des 
Enlenspiegel  gradezu  alterirt  hfttte,  wie  dies  der  Fall  gewesen 
wftre,  wenn  er  dem  nüchteinen,  echt  norddeutschen  Witzbolde 
erotische  Ahenteuer  zugeschrieben  hätte.  Es  musz  jedenfalls 
als  ein  durchgefubHer  Charakteizug  Eulenspiegels  bezeichnet 
werden,  dasz  er  in  gescbleehtl^cber  Beziehung  nach  Worten 
und  Werken  ein  ganz  anständiger  Mann  ist.  Endlich  ist  h^er 
noch  anzuführen,  dasz  eine  grosze  Ar'.ahl  der  alten  Ausgaben 
sich  als  ans  der  S&chsischen  Sprache  übersetzt  bezeichnen  und 
damit  weder  d^e  hochdeutsche  ?on  1519  meinen  können,  noch 
auch  d'e  nieden-heip'sche  von  Servals  Krulfter.  Da  d^e  von 
ihnen  gemeinte  niedersftchsische  Ausgabe  in  Zusammensetzung 
und  Daistellung  denen  ?on  1519  und  von  Servlus  Kmffter 
wesentlich  gleich  gewesen  sem  musz,  die  Heimath  Eulenspie- 
gels, Niedei-sachsen,  aher  den  meisten  Anspruch  hat,  als  Hei- 
mathsland  auch  des  Enleuspiegelbuches  zu  gelten,  so  ist  zu 
Termuthen,  dasz  der  nIederBftchsiche  Grundtezt,  den  jene  Aon- 
gaben  erwähnen;  das  erste  Eulenspiegelbueh  und  von  den  uns  vor- 
liegenden alten  Ausgaben  nicht  wesentlich  verschieden  ge- 
wesen sei. 

Es  liegt  anf  dar  Hand,  dasz  Lappenberg  die  wesentliche 


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—  181  - 


IJebereinstimmung  aller  Becensnonen  des  Eulenspiegelbuches 
und  die  genaue  Abbänglgkeit  aller  uns  bekannten  Ausgaben 
Vi«  der  anzimehmendeii  niedersächsifichen  Grundausgabe  wurde 
scharfer  lier?org8hoben  haben,  wenn  er  nicht  dem  Thomas 
Murner,  der,  wie  Goedeke  lichtig  sagt,  im  äuszeri?ten  Falle 
zuerst  ins  Oberdeutsche  übersetzte,  niclit  sammelte  oder  redi- 
fft^  emen  immerhin  za  noch  grossen  Antheü  an  der  Aasgabe  von 
1519  zugeschrieben  Mite.  Es  mnsz  nach  Goedekes  Nach  wei- 
sungen als  unbedingt;  ausgemacht  irelten,  dasz  das  Verd'onst 
der  Auswahl  der  Zugaben  und  der  tretHichen  Darstellung  einer 
froheren  Gnmdredaction  znznscfareiben  ist,  die  dann  wohl  keine 
andere  als  die  leider,  wie  es  schemt,  unwiederbringlich  Terlo- 
rene  niedersächsische  gewesen  sein  kann. 

Nehmen  wir  dies  an  and  lassen  Mamer,  wie  es  nicht 
anders  redit  üst,  so  gat  wie  ganz  ans  dem  Spiele,  so  ergiebt 
sich  alsbald  noch  ein  weiterer  Schlusz.  Wenn  wir  niimliih 
zusammenhalten,  was  sich  aus  dem  bisher  Gesagten  ergeben 
hat,  dasz  nämlich  £ulenspiegel  in  der  ersten  H&lfte  des  XIV. 
Jahrhunderts  lebte  und  der  Kern  der  Eulenspiegelgeschichten 
aus  wirklich  von  ihm  verübten  Streichen  sich  bildete,  dasz 
zweitens  das  älteste  £ulenspiegelbuch  den  uns  vorliegenden 
spAteren  Aufgaben  wesentlich  gleich  ist,  so  erhellt  aus  der 
Zusammensetzung  desselben,  dem  Alter  0  eines  grossen  Theiles 
der  nachweisbaren  Quollen  und  der  geschickten  Darstellung, 
dasz  es  verhältniszmäszig  spät  musz  abgefaszt  sein,  dasz  es 
jedenfiüls  f&r  den  Druck  redigirt  wurde  und  dasz  es  sehr  bald 
nach  9fam  Ablassung  ins  Hochdeutsche  behufe  waterer  Ver- 
breitung wild  übersetzt  worden  sein.   Der  Umstand,  dasz  die 

0  z.  B.  die  Repac8  franched,  Poggios  Faccticn,  Gonollas  Streiche 
k'innon  zoi'tiY'stens  gegen  Ende  dos  XV.  Jahrhuiulerts  in  Dout.-^cliland 
benutzt  sein  worden,  worüber  dio  betreffenden  Stellen  bei  Lappenberg 
zn  vergleichen  sind« 


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—  182  — 

ftchten  (Jeschichten  in  dem  Buche  eine  ziemlich  compacte  Grappe 

bilden,  giebt  der  Voi inutliung  Raum,  div^z  sie  dem  Verfasser 
des  niedersächsiscben  Originals  handschriftlich  vorgelegen  haben 
d&rften. 

Ich  musz  hier  daratif  yerzichten,  m  zeigen,  wie  gut  »ch 
meine  YermuthuiiLfen  mit  einzelnen  Tliatsachen  reimen,,  welche 
in  den  Znsammenhang  memer  Beweisfühmng  nicht  angenom- 
men smd,  nnd  dem  Leser  überlassen,  mich  mit  HfOie  Lappen- 
bergs zu  controliren.  Icli  begnüge  mich  daher  mit  dem  Hin- 
weise dai'auf,  dasz  viele  der  Tliatsachen,  welche  Lappenberg 
znm  Beweise  der  frohen  Berühmtheit  Eulenspiegels  anfuhrt, 
femer  die  chronologischen  Sinweisungen  in  der  Ausgabe  von 
1511)  und  anderen,  welche  auf  das  Jahr  1483  als  Datum  der 
ersten  Abfassung  schlieszen  lassen,  endlich  eine  Anzahl  von 
Beziehungen  auf  die  Quellen  der  Zusatzgeschichten  sich  mit 
keiner  anderen  Annahme  besser  yereinigen  lassen,  als  dasz 
g^en  Ende  des  XV.  Jahrhunderts  die  Eulenspiegelgesehichten 
aus  dem  engeren  Kreise  der  niederdeutschen  Volkstradition 
heraustraten,  weil  em  gewandter  Stilist  sie  vermehrte,  zum 
Draclr  niederdeutsch  auf^hrieb,  worauf  sie  bald  ins  Hoch- 
deutsche übertragen  und  viel  (ach  gedruckt  wurden.  Gegen  die 
Annahme  einer  hochdeutschen  Uebersetzung  vor  1519  dürften 
schwerlich  triftige  Gründe  einzuwenden  sem. 

"Was  die  Verbreitung  unseres  Buches  anbetrifft,  so  hat 
Lappenberg  Recht,  wenn  er  die  Resultate  des  von  ihm  zu- 
sammengetragenen Materials  S.  295  f.  folgendermaszen  zusam- 
men&szt:  Es  ist  kein  Volksbuch  vorhanden,  welches  einer 
gröszeren  Theilnahme  im  Volke  in  vielen  Ländern  Europas 
und  selbst  bei  den  Gebildeteren  der  Nation  sich  erfreuet  hat, 
als  da^enige,  welches  seit  mehr  als  drei  Jahrhunderten  als  die 
Historie  des  Eulenspiegel  bekannt  ist . . .  Eulenspiegels  Name 
ist  vermuthlich  einer  gröszeren  Menge  von  Menschen  in  deut- 


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183  — 


admi  und  welschen  Landen  bekannt  geworden,  als  deqenige 
der  berOhmteeton  ond  ansgezdclmeteten  Minner  nnd  Heroen 

der  politischen  Geschichte.  Kein  Mensch  liört  den  Namen, 
^im  ihn  zn  veisteh^  nnd  den  damit  verknüpften  Begriff  hei- 
teren Spottes  nnd  mehr  oder  minder  harmloser  Schalkhaftigkeit 
sich  zu  vergegenwärtigen.  Keinem  ühnlichen  Helden  der  Fabel 
und  der  Bühne  ist  ein  solcher  allgemeiner  Uebergang  in  das 
Bewnsztsein  anderer  Volker  geworden,  wie  dem  Eulenspiegel, 
mdit  dem  Eleon,  nicht  dem  Thraso,  nicht  dem  Harpagon. 
Die  Namen  der  Gaukler  und  Hofnarren,  welclie  ähnliche  Possen 
wie  er,  verübt  haben,  sind  nur  wenigen  gelehrten  Forschem 
bekannt,  während  der  seine  QOgar  in  mehrere  Sprachen  übei^ 
gegangen  ist.  Eulenspiegel  bezeichnet  seit  Jahrhunderten  einen 
gewissen  Charakter  und  hat  dalier  in  den  viellUltigsten  An- 
wendungen dem  gewöhnlichen  Leben  so  wie  theologischen, 
politischen,  moralischen,  bellettristischen  Schriftstellern  dienen 
müssen.  Die  Espiegleries ,  sowie  ein  Hauptwort  und  Beiwort 
e;ipi^le  haben  bei  den  Franzosen  und  bei  uns  die  Eulenspie- 
geleien ihr  BQrgerrecht  in  den  Sprachen  längst  erworben. 
Zahlreiche  Bilder  und  andere  künstlerische  Erinnerungen  be- 
ziehen sich  auf  Eulenspiegel  und  tragen  wenigstens  seinen 
Namen,  besonders  in  Deutschland,  wo  verschiedene  Provinzen 
mit  Flandern  sich  nm  die  Ehre  streiten,  ihn  als  ihren  Lands- 
mann anzusehen.'' 

Dem  von  Lappenberg  Gesagten  mag  wenigstens,  das  Wich- 
tigste, was  über  die  Verbreitung  nnd  Beliebtheit  unseres  Buches 
beigebracht  werden  kann,  zur  Begründung  und  nftheren  Beleuch- 
tung hinzugefügt  werden 

>)  Dasz  ich  den,  welcher  genauere  Angaben  wün>?oht,  hier,  cnt- 
?''?en  dem  bisher  beobachteten  Verfahren,  einfach  auf  Lappenberg, 
Dr.  Thomas  Marners  ülenspiegel,  Leipiig  1854,  verweise,  bedarf  wohl 
Bichl  beaonderer  Rechtlerdgmig. 


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—  184 


Abgesehen  von  den  ftnszerst  zaUieichen  Jahrmarktsaus- 
gaben  sind  in  dem  sechzehnten  Jahrhnnderi;  naehweisbar: 

1.  17  hoch<leutsche  Ausgaben,  dazu  kommt  die  verrJ'^cii 
Bes^beitongf  ischarts  (1566 — 7 1),  ein  nicht  unbedeutendes  Zeug-^ 
nisz  far  die  Beliebtheit  des  Stoffes,  2.  die  eine  in  niederrhei» 
«'scher  Sprache  von  Senrais  Fn[iflter  1520 — 30  in  C5ln  gedmckt, 
die  Zweitälteste  von  allen,  3.  4  niederländische  resp.  vlämische, 
4.  7  französische,  5.  1  englische,  6.  1  dänische,  7.  3  latei- 
nisohe,  wovon  eine  in  Jamben  und  eine  in  elegischem  VenH 
masz.  Im  Ganzen  fuhrt  Lappenberg  108  Bücher  an,  von 
denen  nur  4  nicht  Bearbeitungen  des  im  Eulenspiegelbuche 
enthaltenen  Stoffes  sind,  sondern  nur  mit  Annahme  des  Namens 
Ähnliche  Charaktere  schildern.  Herrorzaheben  dürfte  noch  sein, 
dasz  unser  Held  auch  als  Sowizrzal  in  die  polnische  Literatur 
überge^^infren  ist,  indem  unser  Volksbuch,  wohl  auch  schon 
im  XVI.  Jahrhundert,  m  d^e  polnische  Sprache  übersetzt  ward. 
Massenhaft  sind  nun  anch  die  bildlichen  Darstellungen  Eulen- 
spiegels in  dem  Buche  und  selbständig,  sowie  andere  Producte 
der  bildenden  Kunst,  welche  auf  ihn  hinweisen,  ebenso  zahl- 
reich die  ErwiUmangen  in  Büchern  und  Schriften,  welche,  wie 
schon  gesagt,  bis  in  den  Anfang  des  XYI.  Jabrhnndenderts 
zurückreichen,  hinsichtlich  deren  aber  hier  nur  auf  die  oben 
angeiüiirten  Forschungen  ?erwiesen  werden  kann. 

Betrachten  ivbr-schlieszlich  das  Ealenspi^lbach  aus  dem 
Ctesichtspunkte,  der  den  Grund  dafDr  abgiebt«  dasz  wir  uns 
überhaupt  hier  mit  ihm  zu  beschäftigen  haben,  nämlich  seine 
Stellung  in  der  Entwickelnngsgeschichte  der  deutschen  Prosa- 
dichtnng.  Es  wh^  freilich  keinen  Ansprach  darauf  machen 
können,  die  Gestaltung  der  uns  wichtigsten  Gattung,  des 
eigentlichen  Bomans,  gefördert  zu  liaben  und  deshalb  we- 
niger epochemachend  für  die  Geschichte  unserer  Gattuog 
erschdnen  müssen  als  an  sich  weit  weniger  berühmte  und  be- 


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—  185  — 

deutende  Erzeugnisse,  z.  B.  Jörg  Wik  ams  Romane.  Immer- 
hio  aber  nimmt  es  einen  hervorragenden  Platz  ein.  Denn  es 
ist  die  am  meisten  charakteristische  Dichtang  itkr  d\e  komische 
ToQrsl^teratiir  Deatschlands  im  XVI.  Jahrhnnd^,  wenn  wir 
uns  nnier  Volksliteratur,  wie  es  durchaus  richtig  ist,  nicht  blos 
dem  Vei-ständoisz  des  gemeinen  Manns  Angemessenes,  sondern 
andi  tberhanpt  den  Yolksgeist  eines  bestimmten  Volkes  Be- 
zeichnendes, seinem  Geistesleben  selbständig  nnd  ureigen  Ent- 
stammendes voi^telien.  Als  wichtigstes  Denkmal  des  deutschen 
Yolkswitzes  weist  es  uns  am  deutlichsten  von  allen  den  zahl* 
leiehen  Samminngen  kom^'scher  Ei'zfthlnngen,  die  das  XVI. 
Jahrhundert  hervorgebracht,  auf  die  Eigenart  desselben  hin. 
Aber  auch  als  urspiünglich  in  Prosa  abgefaszt,  und  zwar  in 
dnrefaans  mnstergflltigem  Stile  nnd  geschickter,  knnsterfiAhmer 
Daistellnngsweise,  ist  ihm  ein  sehr  bedeutender  Einfinsz  anf 
die  Gestaltung  der  komischen  Prosaerzählungen  zuzuschreiben, 
die  wir  in  verschiedenen  schon  im  vorigen  Capitel  besprochenen 
Erscheinungen  in  beachtenswertber  BlQthe  sahen.  Wur  dttrfen 
wohl  annehmen,  dasz  den  Schi  itU tollern  des  XVI.  Jah'-hunderts 
eingeleuchtet  haben  musz,  wie  sich  eine  solche  Prosa  in  ihrer 
Correctheit  und  Knappheit  gnt  und  besser  als  der  eintönige 
Veisban  der  Zeit  in  seiner  Zerfthrenbeit  nnd  mit  seinen  vielen 
Flick-  und  Noth Wörtern  zmn  Gewände  des  Witzes  und  der 
Scbalkheit  eignete,  wobei  uns  das  Beispiel  fischarts  nicht  irre 
machen  darf,  der  in  der  That  der  emzige  Verafficator  war, 
welcher  damals  den  Enlenspiegel  in  volksthümlich  -  metrischer 
Form  behandeln  konnte,  ohne  ihn  zu  verunstalten.  Die  dem 
Enlenspiegel  so  nahe  verwandten  Dichtungen  vom  P&ffen  Amis, 
vom  Kalenberger  nnd  vom  Peter  Leu  würden  in  prosidscher 
Darbtellung  viel  gewonnen  und  dem  norddeutschen  Witzbolde 
zum  Theü  mit  £rfolg  haben  Concurrenz  machen  können,  während 
sie  so  von  ihm  m  den  Hintergrund  gedrangt  wurden,  ja 


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—  186  — 


manche  ihrer  bestea  StQcke  selbst  an  £iileiispiegel  abgetreten 
haben. 

Interessant  ist  es,  dasz  sich  der  dem  Eiüenspiegel  am 
nächsten  verwandte,  an  Schmutzigkeit  der  Späsze  ihn  weit 
abertreffende  Markolf  eines  Bessern  besonnen  und  das  metrische 
Gewand  abgelegt  hat.  Br  mag  daher  hier,  obgleich  nicht  yon 
so  zweifellos  rein  deutschem  Blute  wie  Euleuspiegel,  zunächst 
Erwähnung  linden. 

Der  Gedanke,  den  weisen  EOnig  Salome  im  Gesprich  mit 
einem  ihn  Widersprechenden  darzustellen,  ist  jedenfalls  nralt. 
Es  wird  anzunehmen  sein,  dasz  das  vom  Papste  Gelasius  49 -A 
verbotene  Bach  „contradictio  Salomonis**  auf  ihm  beruht  hat. 
Die  älteste  Erwähnung  des  Namens  Markolf  für  den  Wider- 
l)ai  t  Salomes  findet  sich  bei  Notker  Labeo,  welcher  in  seiner 
Psalmenparaphrase  XVIII,  85  (in  Schiiten  thesaurus  T.  I.  p. 
228)  sagt,  dasz  die  Juden,  jKletaer  und  weltliehe  Sdui£k6Q 
leeres  Gerede  ohne  Wahrheit  hätten,  und  dahin  den  Widerspruch 
^larkolfs  gegen  die  Sprichwörter  Salomos  rechnet.  Mag  hier- 
mit immerlÜQ  auch  eine  Sclmft  oder  Sage,  welche  dem  Mar- 
kolfbuche  weniger  ähnlich  war,  als  man  geglaubt  hat,  gemeint 
sein,  jedenihlls  steht  die  frQhe  Existenz  einer  Sage  von  einem 
Itathsel Wettstreite  eines  Markolf  mit  Salomo  fest,  da  Wilhelm 
von  Tyrus  mit  Berufung  auf  Josephus  erzählt,  wie  ein  gewisser 
Abdhnus  aus  Tyrus  mit  Erfolg  einen  solchen  Streit  mit  Salome 
eingegangen  und  hinzufügt:  et  hic  fortasse  est,  quem  fabu- 
losae  popularium  naii-ationes  Marcolfum  vocant,  de  (]uo  dicitur, 
quod  Salomonis  solvebat  aenigmata  et  ei  responclebat,  aequi- 
pollenter  iterum  solvenda  proponens.**  Der  morgenländische, 
genauer  jüdische  Ursprung  der  alteren  Sage  ist  von  Jacob 
Glimm  wohl  mit  liecht  behauptet  worden,  doch  ist  sie  früh 
in  Deutschland  bekannt  gewesen,  da  sie  schon  von  Fridanc 
(ed.  W.  Grimm  p.  81)  erwähnt  wird  und  m  Deutschland 


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—  187  — 

mebrere  Bearbdtnngen  in  Versen  gefünden  hat.  Orientalische 

Gegenstücke  sind  mehrfach  nachgewiesen,  doch  kann  das 
deatsche  prosaische  Volksbuch  als  ein  in  hohem  Grade  natio- 
nales Sraeogmsz  angesehen  werden,  von  dem  —  und  darauf 
kommt  es  hier  am  meisten  an  —  übrigens  heiTorznheben  ist, 
dm  es  von  allen  Beai'beitnngcn  die  beliebteste  und  verbreitetste 
ni  sem  scheint.  Es  schUesst  sich  nicht  sowohl  an  die  poeti« 
sehen  Bearbeitungen,  als  an  mehrfiich  vorhandene  ktei- 
nische  Prosen,  von  denen  die  von  v.  d.  Hagen  Narrenbuch 
S.  501  erwähnte  auf  der  Bibliothek  zu  Berlin  belindliclie 
Handschrift  den  besten  Text  zu  haben  scheint,  an.  Die  erste 
hochdeutsche  Ausgabe  ist  zu  Nürnberg  1487  gedruckt'),  auch 
eine  niederdeutsche  Ausgabe  ohne  Ort  und  Jahr  existirt,  welche 
Ger?!nu8  (II,  522)  fAr  die  älteste  hält  Hanz  Folz  und  Hans 
Sachs  ferarbeiteten  den  Stoff  in  EomOdien.  Auszerdem  sind 
ilänischo  Markolfe  von  15-40,  1G99  und  1711  bekannt,  auch 
ia  französischer  Sprache  ist  er  vorhanden  und  schon  1509  zu 
Paris  herausgegeben,  und  die  italienische  Literatur  hat  in  dem 
bekannten  Bauern  Bertoldo  ihren  Markolf.  Obwohl  es  ein 
neueres  Markoll'- Volksbuch  (vgl.  die  Anm.  1)  ohne  Ort  und 
Jahr,  etwa  aus  dem  Ende  des  XVII.  oder  Anfang  des  XVIII. 
Jahrhunderts  giebt,  schemt  die  Beliebtheit  des  Markolf  das 
sechszehnte,  während  dessen  zahlreiche  Erwähnungen  vorkommen, 
nicht  lange  überdauert  zu  haben.  Der  Inhalt  stellt  sich  nach 
der  Ausgabe  von  1560,  nach  der  es  y.  d.  Hagen  in  seinem 
Nairenbttche  erneuert  hat,  folgendermaazen  dar. 


Ferner:  Angab.  1490.  4.  —  üfaD  1496.  4.  —  Ulm  1498.  4.  — 
«.  1505-1515.  4.  —  0.  0.  a.  J.  S.  (c.  1520.)  —  o.  0.  (KOrnb.)  15m 
8.  -  M&hUiaaeeo  (Elaasz)  o.  J.  (c.  1560.)  S.  —  Nflznb.  (Newber  1560.) 
4.  —  Cöln  1593.  8.  —  o.  0.  1631.  8.  — >  o.  0.  n.  J.  8.  (Ganznen  ge- 
aniekt) 


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188 


Zu  dem  König  Salomon  kam  ein  Mann  Namens  Muikulf 
mit  seiner  Ehefrau  Polikana,  beide  von  äoszerster  Hitezlichkeit 
an  Person  und  Eleidnng.  Nachdem  der  König  BeineiseitB  und 
das  Markolf-Bhepaar  desgleichen  ihren  Stammbaum  vorgeföhrt, 
begann  Salome,  von  Markolf  m^t  der  naseweisen  Wendung 
^Der  übel  singet,  der  hebe  an""  angefordert,  ein  Gespifich, 
in  welcl^em  der  König  theils  sich  rOhmend,  theils  Weisheits- 
h'hren  aussprechend,  immer  von  dem  Bauern  [larodirt  oder  mit 
sehr  plumpen  und  schmutzigen  Hedensaiten  überboten  wird. 
Da  schliesslich  Salome  erUäit,  er  wolle  nicht  mehr  reden, 
schreibt  sich  Markolf  den  Sieg  m  nnd  yertheidigt  sich  mit 
seinem  groben  Geschütz  gegen  die  ihn  an^hrenden  Yornebmen. 
Bei  emer  spftteren  Begegnung  mit  dem  Könige  zeigt  er  wieder 
seine  Fertigkeit  in  Bftthselreden  nnd  witzigplnmpen  Antworten, 
versteht  einen  Auftrag  des  Königs  in  Eulenspiegels  Art  und 
bringt  infolge  dessen  ihm  ein  unsauberes  Geschenk.  Darauf 
vom  Könige  aufgefordert,  mit  ihm  zn  wachen,  sagt  er  jedea- 
roal  auf  die  Frage,  ob  er  sdilafe,  er  gedenke,  und  auf  die 
Frage  an  was,  giebt  er  Antworten,  die  er  zu  bewähren  auf- 
gefordert wird.  £r  giebt  nämlich  als  die  Besultate  seiner 
Meditation  die  Sätze  an,  dasz  der  Hase  hn  Schwänze  so  viel 
Gelenke  habe  wie  im  Rücken,  dasz  die  Elster  soviel  schwarze 
wie  weisze  Federn  habe,  dasz  auf  dem  Erdreich  nichts  weiszer 
sei  als  der  Tag,  dasz  keiner  Frau  zu  ghiuben  sei,  endlich, 
dasz  die  Natur  stärker  sei  als  die  Nahrung.  Der  König 
schläft  endlicli,  da  die  Gedanken  Markolfs  nicht  allzuviel  An- 
regendes für  ihn  zu  haben  scheinen,  ein,  und  Markolf  geht 
nadi  Hause,  um  die  Beweise  seiner  Aussprüche  ins  Werk  zu 
setzen.  Hier  redet  er  snner  Schwester  Fudasa  vor,  er  werde 
den  König  enuorden  und  dazu  ein  Messer  unter  seinem  Kleide 
mitnehmen.  Dann  begiebt  er  sich  zum  König  und  zählt  ihm 
die  Hasengelenke  und  Elstemfedem  vor,  läszt  den  König  in 


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—  189  — 


einer  finsteren  Kammer  dnen  Napf  toU  Milch  zertreten,  and 
da  der  EOnig  diese  nicht  sieht,  ist  bewiesen,  dasz  Salomo  mit 
der  scharfsinnigen  Bemerkung,  die  Milch  sei  weiszer  als  der 
Tag,  Unrecht  gehabt  Um  sein  Urtheil  über  die  Frauen  zn 
flfhSrten,  verklagt  Harkolf  sdne  Schweeter  wegen  ihrer  nnsiit- 
lichen  Aufführung,  sie  wird  geholt  und  spricht  von  dorn  Messer, 
welches  natürlich  nicht  gefunden  wird.  Seine  Maiestat  hatten 
eine  Katze,  welche  ihm  beim  Abendessen  das  Licht  hielt, 
Markolf  Iftszt  Mfiuse  laufen,  die  Katze  vergiszt  ihre  Pflicht 
und  beweist  so  die  Starke  der  Natur.  Es  wird  ihm  zwai*  ge- 
droht, dasz  man  die  Hunde  auf  ihn  hetzen  werde,  wenn  er 
aidi  wieder  bd  Hofe  blicken  lasse,  er  kommt  aber,  die  Gefahr 
durch  einen  lauten  gelassenen  Hasen  vermeidend ,  wieder  und 
speit  einem  Kahlkopf  auf  das  Haupt,  da  man  ihn  nirgend 
anders  hin  als  auf  die  blosze  Erde  speien  geheiazen  hatte.  Auf 
aOe  Vorwürfe  hat  er  nur  naseweise  Antworten.  Die  in  der 
Bibel  erzählte  Entscheidung  Saloraos  zwischen  den  zwei  Frauen 
kritisirt  Markolf  scharf,  da  den  Frauen  nie  zu  glauben  und 
Alks  an  ihnen  der  Verstellung  beizumessen  sei,  Salomo  Ter- 
theidigt  das  schöne  Geschlecht,  Markolf  fuhrt  auf  eine  sehr 
unehrerbietige  Weise  i^ie  Meinung  seiner  Majestät  auf  subjec- 
tive  Ndgungen  zurück  und  sagt  Toraus,  dasz  der  Kdnig  nodi 
Tor  dem  Sehlaiengehen  die  Frauen  beschimpfen  werde.  Hierauf 
brütet  er  unter  den  Frauen  von  Jerusalem  aus,  der  König 
habe  geboten,  joder  Mann  solle  sieben  Frauen  nehmen,  und 
stellt  ihnen  Yor,  weldbes  Unheil  aus  diesem  Gesetz  entstehen 
werde.  Die  Folge  davon  ist,  dasz  die  Frauen,  siebentausend 
an  der  Zahl,  des  Königs  Palast  stürmen  und,  ihn  mit  entsetz- 
hchem  Geschrd  anädlend,  sinne  Ungerechtigkeit  verwünschen, 
ohne  dasz  er  sich  mit  ihnen  yerstftndigen  kann.  Trotz  seiner 
ilnn  von  Markolf  vorgerückten  Galanterie  läszt  Salome  sogleich 
eine  ganze  Anzahl  Ton  Sprüchen  gegen  die  Frauen  vernehmen. 


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—  190  — 


worauf  Markolf  triumphirend  die  Sadie  aaf  klärt  and  der  Köoig 
die  Frauen  mit  einer  Menge  schmeiehelliafter  Sentenzen,  welche 

diese  mit  Amen  beantworten,  entläszt.    Da  aber  MarkoÜ  aufs 
Neue  vom  Hofe  verwiesen  wird,  lockt  er,  indem  er  in  den 
iiiFcb  geMienen  Schnee  eine  anflkllende  Spar  macht,  den  König 
an  einen  Backofen,  aus  dem  er  mit  dem  wenigst  ehrbaren 
Theiie  seines  Körpers  iierausi^ielit  und  sagt:  „Willt  du  mich 
anter  Aogen  nicht  mehr  ansehen,  so  siehe  mär  aber  in*a  A  . 
Das  ist  denn  doch  za  arg.   Salomen  befiehlt,  den  Narren  aaf- 
zuliangen.    Aber  Markolf  wcisz  sich  dadurch  zu  retten,  dasz 
er  sich  die  Gnade  erbittet,  den  Baum,  an  den  er  geUeakt 
werden  sollte,  ansznw&hlen,  and  die  Diener  des  Königs  mm 
im  ganzen  gelobten  Lande  hemmffthrt,  ohne  einen  ihm  passend 
dünkenden  Baum  zu  finden.    Da  gesteht  der  König,  von  Mar- 
kolts  Bosheit  überwunden  zu  sein,  und  läszt  ihm  und  seiner 
Hausfrau  alles  Nöthige  an  Essen,  Trinken  and  Kleidang  ge- 
wfthren. 

Der  Markolf  ist  der  nächste  Vorwandte  des  lAilenspiegel, 
ohne  dadarch  weniger  originell  zu  sein.  Wenn  auch  in  der 
Gestalt,  in  der  das  Volksbuch  uns  ihn  bietet,  im  wesentliehen 
durchaus  als  Deutscher  nationalisirt,  hat  er  doch  nicht  die  Be- 
liebtheit seines  jüngeren  Vetters  erreiclien  können,  was  am 
meisten  darin  seinen  Grund  haben  dürfte,  dasz  das  Markolf- 
buch  dne  geringe  Anzahl  leicht  zu  behaltender  und  wieder 
zu  erzählender  Geschichten  darbot  und  schlieszlich  wegen  der 
parodischen  Behandlung  vieler  Bibelstellen  Viele  als  blasphe- 
misch  abstoszen  mochte.  Auch  ist  das  fiulenspiegeibuch  geeig- 
neter, das  (^emeinbewusztsein  der  niederen  StAnde  ins  Interesse 
zu  ziehen,  da  Eulenspiegel  eine  Figur  ist,  auf  die  sich  etwas 
einzubilden  der  Bauer  keinen  Anstand  zu  nehmen  I)raucht«. 
liarkolf  dagegen  ist  zu  abschreckend,  brutal  und  schmutzig 
geschildert,  als  dasz  dies  möglich  gewesen  wftre.  Schliesslich 


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* 

—  191  — 


sei  danuif  anfmerksaiii  gemacht,  dasz  das  Bach,  wie  sich  aus 
der  Torstehenden  Analyse  ergiebt,  aus  zwei  lose  yerbtindenen 

Beetandtheilen ,  dem  Streitgespräche  und  einem  kleinen  l)ur- 
kekeo  Bomaoe,  besteht,  welcher  letztere  in  sich  gut  und  euger 
ab  die  Geschichte  Bntenspiegels  zusammenhingt  Die  beiden 
Bcstandtheile  existiren  in  fmheren  Gestalten  der  Dichtung  auch 
getrennt,  worüber  die  Literaturgeschichten  Auskunft  geben. 

Eine  dritte,  dem  Eolenspiegel  nahe  verwandte  Fignr, 
Aesop,  hat  schon  weiter  oben  unsere  Aoiteerlcsamkdt  unter 
den  aus  Ireniden  Literaturen  in  die  deutsche  herübergenommenen 
Snengnissen  der  Prosadiditnng  in  Ansprach  genommen.  Er 
ist  seiner  Art  nach  dem  Sulenspiegel  eher  nodi  nfther  yep- 
wandt  als  Markolf,  und  ihm  wird  die  Prien  i tat  in  dem  Knnst- 
grifl",  auf  Gruad  wörtlich  ausgelegter  Befehle  Possen  zu  reiszen, 
iqgestanden  werden  müssen.  Wie  genau  Aesop  wieder  seiner- 
seits mit  Markolf  verwandt  ist,  bezeugt  schon  Fischart  in  der 
Gescldchtklitterung,  indem  er  ersterem  den  Beinanien  des  Mar- 
kolfischen  giebt  (Ein-  and  Verr  Bitt  BL  5.  6),  und  dasselbe 
flmt  der  Grilienrertreiber  in  der  Vorrede  (BL  5  a.). 

Jüngere,  aber  durchaus  nationale  Verwandte  Bulenspiegcls 
sind  Hans  Ciawert  von  Trebbin  in  Brandenburg  und  Clausz 
NaiT  fon  Altranstädt,  mterer  gewissermaszen  sein  rechter  Vetter 
und  seiner  nicht  unwQrdig,  letzterer  als  ein  etwas  entfernterer 
und  degenerirter  Mage  zu  bezeichnen.  Die  sie  behandelnden 
Bucher  gehen  auf  wirkliche  Personen  zar&cL  Hans  Claweii 
Sohn  des  Peter  Glawert,  lebte  um  die  lütte  des  sechzehnten 
Jahrhunderts  im  Brandenburgschen,  war  ursprünglich  Schlosser, 
kieb  aber  nebenbei,  darin  und  in  den  aus  absichtlii  liem  Misz- 
Terstehen  abgeleiteten  Possen  dem  Eulenspiegel  ähnlich,  auch 
andere  Handwerke,  hatte  ihm  gleichstehende  Personen  zum 
Besten  und  amüsirte  seinen  Gönner  Eustachius  von  Schlichen 
auf  Trebbin  und  Zassen.   Der  Homer  unseres  Helden  ist  oime 


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192  — 


Zweifel  Bai  «lioloinaus  Kifiger,  Organ'st  uiul  Stadtschreibor  zu 
Trebbin,  ein  Mann,  der  nicht  übel  zu  ei^klen  verstand  und 
aach  als  dramatischer  Dichter  aufgetreten  ist  Die  älteste 
bekannte  Ausgabe  erschien  1587*),  dann  noch  mehrere  Male, 
anch  zwei  niederdeutsche  Ausgaben  existiren.  Die  06  Ge- 
schichten, welche  Krflger  mit  angefügter  Moralisation  in  Ver- 
sen Torbringt,  sind  zweifellos  zum  grOszten  Theil  echt  nnd 
nrspriuiglich.  Ein  besonderes  Interesse  bietet  das  Buch  anch 
durch  die  auf  Ciawert  zurückgeführten  Lügengeschichten,  welche 
in  ihrer  Art  gut  und  Vorbilder  der  erst  im  XVUL  Jahrhnn- 
deit  nm  den  Namen  des  Frdherm  von  Münchhansen  gruppirten 
Lügen  und  Aufschneidereien  sind.  Münchhausen  ist  übrigens 
nur  der  berühmteste  Name,  welcher  diese  Gattung  rein  repift- 
sentirt,  denn  ein  ftlteres,  seiner  Geringfügigkeit  wegen  nur  im 
Vorbeigehen  hier  zu  erwähnendos  Bucli,  dor  Finkenritter  (auch 
Polycaip  von  K'rlurissa)  beruht  auf  demselben  Grundgedanken, 
den  es  freilich  in  der  ärmlichsten  nnd  kindischsten  Weise 
durchflOirt^). 

Um  auf  den  Brandenburgischen  Eulenspiegel  zurückzu- 
kommen, so  hat  ihm  Goedeke  mit  Becht  vor  seinem  berühm- 
teren Vetter  nnd  Vorbilde  den  Vorzug  der  grOszeren  Viel- 
seitigkeit zuerkannt,  seine  Späsze  sind  weniger  schadenfroh, 
weniger  schmutzig  und  etwas  feiner  als  Eulenspiegels,  jeden- 
falls ist  der  Hans  Glawert  eines  der  besten  wirklichen  Volks- 


«)  Btiiin.  8.  —  Ferner:  1$89.  —  Berlin  1590.  8.  —  Berlin  1591. 
8.  —  0.  0.  1659.  8.  —  o.  0.  0.  J.  8.  —  niederdeniseh:  0.  0. 1698.8. 
—  Erfort  1049.  8. 

*)  VergL  das  Cap.  IV  aber  den  faher  Cantharopolitamis  Getagte, 
sowie  Haupts  Zdtsehriftll,  560  nndXIH,  578.  Lügengcschichten  sind 
noch  zn  finden  im  Wendnnmnth  I,  286.  NachtbQehlein  I,  15,  Garten- 
gesellsehaft  118.  119.  120  nnd  in  Heriog  Heinrich  Jnlins  Comödie  m 
Vineontio  Ladislao  Sacrapa. 


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—  193  — 

b&dier  and  verdiente  mehr  Aafonerksamkeit,  als  er  bis  jetzt 
gd'boden  hat. 

Dies  kann  man  vom  *Claus  Narr  eben  nicht  sagen.  Der 
wirkliche  Claus  Narr  war  nicht  ein  aufgeweckter  Bursche  wie 
Eolenspiegel  und  Ciawert,  sondern  ein  Narr  im  doppelten 
eng^rn  Sinne,  von  Natur  und  nach  seiner  Lebensstellung, 
nänüich  einer  jener  Unglücklichen,  deren  angeborene  Schwach- 
sisDigkeit  mit  einem  gewissen  blöden  und  kindischen  Humor 
Terauscht  ihnen,  Dank  der  Bohheit  der  Zeiten,'  die  Anfinerk- 
samkeit  groszer  Herren  und  Anstellungen  an  den  Holen  als 
Jloinarren  verschaffte.  Claus  war  ein  Baueri^unge  aus  Altran- 
sttdt,  welcher  die  Gänse  gehütet  haben  und  dem  durchreisen* 
den  Kurfürsten  von  Sachsen  durch  seinen  possierlichen  Aufzug 
aufgefallen  sein  soll,  so  dasz  dieser  ihn  mitnahm  und  seinen 
Anhigen  gemftsz  placirte.  Claus  war  von  14ö6 — 1532  Hofharr 
und  schon  m  seinen  Lebzeiten  in  seiner  Bpeeialitftt  berfihmt, 
denn  schon  Murner  und  Pauli  kennen  ihn.  Kin  groszer  Theil 
der  auf  ihn  zurückgeführten  Geschichten  sind  gewisz  wirklich 
authentisch,  -vieles  ist  aus  leicht  auffindbaren  Quellen  hinzu- 
gefugt, namentlich  in  den  späteren  Ausgaben.  Die  älteste 
Ausgabe,  welche  bis  jetzt  bekannt  geworden,  ist  vom  Jahre 
1572  und  zu  Eisleben  in  8^  erschienen*),  der  Hedactor,  der 
sicher  schon  aus  eigener  Lectüre  und  Erihhrung  Zusfttze  ge- 
macht hat,  war  der  Pfarrer  zu  Wolflerstädt  M.  Wolfgang 
Bfittner  oder  Buttner,  der  aus/erdem  noch  eine  deutsche  Logik 
und  einige  populär  theologische  Werke  geschrieben  .hat. 

Der  China  Narr  kann  auf  eine  gewisse  Bedeutung  nur 
Anspruch  machen,  weil  er  wohl  von  allen  deraitigen  Büchern 


*)  Ferner:  Frankf.  1578.  8.  —  Frkf.  1579.  8.  —  FnuikC  1587.  8. 

-  Frkf.  1593.  8.  —  Frkf.  1602.  8.  —  o.  0.  1616.  8.  —  o.  0.  1617.  8. 

—  £rt  1655.  8.  —  o.  0.  1657.  8.  —  o.  0.  n.  J.  8.  —  Beilage  L  zu 
dieiein  CapiteL 

18 


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194  — 


das  vollstftndigste  Bild  des  Hofbarrenwesens  gewShrt  und  die 

Culturgescliichte  Interesse  daran  hat,  zu  sehen,  was  man  sich 
damals  an  flauen  und  liipiüschen  Witzen  genügen  liesz,  und  an 
schmatzigen,  namentlich  der  Sorte,  die  ich  abdominale  Si»ftase 
nennen  mOehte,  ertrag.  Und  von  diesem  Gesichtspnnkte  ans 
ist  auch  darauf  zu  achten,  dasz  die  Kreise,  welche  Claus  be- 
lustigte, in  denen  also  auch  das  ihn  verewigende  Bach  Leser 
m  finden  hoffen  dnifte,  keineswegs  untergeordnete  waren,  weder 
an  Bildung  noch  an  Sitte,  vielmehr  die  Kreise,  welche  des 
Hof  des  Hauptes  des  protestantischen  Deutschlands  zum  Mit- 
telpunkt hatten,  dasz  der  Bedactor  des  Glaus -Buches  kein, 
obscurer  Schmierer,  sondern  ein  auch  sonst  als  Schriftsteller 
thfttiger  Geistlicher  war,  dasz  Männer  von  literarischer  Bedeu- 
tung wie  Mumer  und  Pauli  an  Claus  etwas  fanden.  Unsere 
-  Zeit  hat  zwar  auch  Anekdotenb&cher  von  recht  firalem,  gen^ 
losem  und  schmutzigem  Inhalt  aufimwdsen,  aber  sie  sind  ui 
allen  Beziehungen  obscui'  und  nehmen  iu  der  Literatui*  gar 
kerne  Stellung  ein. 

Der  oben  genannte  Grillenvertreiber  mag  nun  zunftchst 
an  die  Reihe  kommen,  denn  er  ist  kein  anderer  als  das  Buch, 
welches,  um  mit  Fischart  zu  roden,  von  Rathen  und  Thaten 
der  vollenwolbeschreiten  Schiltbfirger  berichtet,  freilich  nur 
eine  Bearbeitung  des  ftlteren  ursprünglichen  Werkes.  „Die 
Sehiltbürger"  erscliienen  nämlich  1598  mit  den  fingirtcn  Namen 
des  Verfassers  M.  Aleph,  Beth,  Gimel  und  des  Druckortes 
Misnopotamia,  auch  unter  dem  Titel  des  Lalenbüches,  getruckt 
zu  Lalenburg,  sowie  als  Grillenvertreiber  durch  Conradum 
Agyrtam  von  Bellemont  Frankfurt  1G03.  Dem  Grillenvertrei- 
ber ward  ein  zweiter  und  dritter  Theil  hinzugefügt,  welche 
nebenbei  die  Titel  „Witzenbürger**  (Frankf.  lfK)5)  und  „Hum- 
mehr (Frankf.  IGOf))  führen.  Die  Scliiltl)ürger  und  (hs  ' 
Lalenbttch  stimmen  übereiu  mit  Ausnahme  der  Ortsnamen, 


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—  195  — 

ohne  da8E  jedodi  der  Text  des  LalenbadieB  in  der  Verflndermig 

des  Namens  Schiida  in  Laienburg  consequent  wäre.  Es  ist 
alä  wahrscheinlich  zu  betracliten,  dasz  die  uns  erhaltenen  äl- 
iesteo  Ausgaben  nicht  viel  jünger  sind  als  die.£nt8tehmig  des 
Biidies.  Die  Namen  Scbüda  nnd  Schfltbfirger  mag  man  anf 
Grund  irgend  welchen  Anstoszes,  den  sie  erregt,  umgeändert 
haben.  Der  Grillenvertreiber  ist  eine  freiere  Bearbeitung. 
Alle  dm  B&cher  sind,  nach  den  im  XYÜ.  Jahrhundert  häu- 
figm  Ausgaben  zu  artheilen,  beliebt  gewesen'). 

Was  den  Inhalt  betrifft,  so  beruht  der  ganze  Stoff  auf 
dar  m  den  meisten  Nationen  und  zu  allen  Zeiten  sich  finden^ 
dn  Neigung,  die  Bewohner  bestimmter  Gegenden  und  Ort- 
ichaften  als  Träger  lächerlicher  Eigenthümlichkeiten  zu  be- 
trachten, einer  Neigung,  die  jedenfalls  eben  so  alt  ist  als  das 
Bewositsein  der  Terschiedenen  Volker  von  durch  Oertiichkeit 
und  Lebensweise  bedingten  GegensätEen  unter  ihren  TheOen, 
aiis  welchem  zahllose  Redensarten,  Sprichwörter  und  Geschich- 
ten, B&thsel,  Gleichnisse  Qberall  hervorgegangen  änd  und  vom 
VoUonmnde  aufbewahrt  und  lebendig  erhalten  werden,  so  dass 
bei  Völkern,  welche  überhaupt  Literatur  und  Dichtung  besitzen, 
derartige  Motive  stets  auch  in  die  Literatur,  ja  sogar  die 


I)  a.  8ehfltbeig«r.  Ente  Ausgabe:  1598  (nach  Weller  1597  Paid 
Brachfeld  Frkf.  a.  K.  doch.  ?gL  Goedeke  Grnndr.  }  173.  6).  Femer: 
1605.  1614.  1685  (?>  o.  0.  1659.  1698.  ~  Leipzig  1887.  —  Berlin 
1848.  —  Reotlingen  1844.   b.  Laienbach:  Lalenburg  1597.  S.  —  1614. 

-  0.  0.  n.  J.  8.  —  Stattgart  1839.  8.  c.  GrillenTertreiber:  Frankf. 
\m.  8.  —  Frankfurt  1G05.  8.  —  Frankf,  1023.  8.  —  Frankf.  1670.  8. 
Nörnberg  1678.  8.  d.  WitzcnLürrrcr  (IL  Theil  des  GriUenvertr.)  Frkf. 
1605.  1625.  8.  e.  Hummeln  (III.  Buch  des  Grillenvertreibers)  Frkfii. 
1605.  8.  —  1670.  8.  Emenert  bei  Marbach  Nro.  4.  Eine  eingehen* 
dere  Untersuchung  des  Verh&ltiiieses ,  in  welchem  die  einzelnen  Aus- 
üben zu  einander  stehen,  wird  noch  Manches  aofitakl&ren  haben.  Bei- 
lage a  ra  diesem  C^titeL 

18* 


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—  196  — 


kftnslerisefa  entwickelte  Diohiang  eingetreteD  and,  8ei  es  als 
ansschmlkekende  Einzelnheiten,  sei  es  als  GrondmotiTe  gauser 

Dichtungen  Der  Verfasser  eizälilt  in  der  Vorrede,  dasz  dem 
Könige  ex  teiia.ignota  yon  den  Scbildbflrgern  geträumt,  worauf 
er  seine  drei  Tomehmsten  Bftihe,  einen  Schleifer,  einen  Heciiael- 
Schneider  und  einen  Schlottfeger  zu  ilmon  jreschickt  habe. 
Die  Boten  bestanden  nicht  nur  als  Redner  schlecht,  äondem 
sie  worden  auch  Zeugen  so  ausgesuchter  Narrheiten,  dass  sie 
beschftmt  znrflckkehrten.  Was  die  Abstammung  der  Sddld* 
bftrger  betreffe,  so  sei  sie  auf  von  undankbaren  grriechischen 
Staaten  verbannte  bedeutende  Männer  zurückzutühren.  Sie 
waren  vordem  so  weise  und  eines  so  hohen  Verstandes,  daas 
sie  von  allen  Seiten  zu  Fflrsten,  Herren  nnd  Städten  Bathes 
wegen  berufen  wurden.  Ihre  häufige  und  dauernde  Abwe>en- 
heit  von  Hause  rief  aber  eine  so  fählbare  Niederlage  ihrer 
wurthschaftliehen  Angelegenheiten  hervor,  dasz  ihre  Frauen  sie 
brieflich  auf  das  dringendste  zur  Rflckkehr  aulforderten.  In 
richtiger  Erkenntnisz  der  üebelstande,  die  aus  ilirer  Weisheit 
entstanden  waren,  beschlossen  sie  nun,  sich  närrisch  anzustellen, 
*  um  die  Bath  Suchenden  abzuschrecken.  Dire  Verstellung  hatte  so 
ausgezeiclineten  Furtijan«;,  dasz  sie  nach  und  nacli  zu  wirklichen 
Narren  wurden.  Die  erste  Angelegenheit,  in  deren  Ausführung 
sie  ihre  neue  politische  Maszr^l  zur  Anwendung  brachten, 
war  der  Bau  eines  neuen  Bathhauses.  Das  geftllte  und  mühe- 
voll  über  einen  Berp  geschleppte  Bauholz  trugen  sie,  durch 
das  Herabroilen  eines  Baumstammes  auf  einen  bequemeren 


')  Goedeke  iritbt  173.  ein»'  Anzalil  Städte  an,  wolclio  im  Volks- 
munde  eine  rilinliclic  Rolle  wie  SohiMa  spielen,  und  es  macht  mir  be- 
sonderes Vergnügen,  den  Mann,  dem  ich  so  viel  Bolelirnng  vordajike. 
dahin  berichtigen  zu  können,  dasz  Polkwitz  in  meinem  Vattrlande 
Schlesien  liegt,  \vu  noch  heutzutage  dio  „Polkwitzer  Stückel"  (IStreiche) 
sprich würthch  sind. 


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197 


Transport  aufmerksam  gemacht,  wieder  herauf,  um  es  herab- 

zurollen.  Das  dreieckige  Rathhaus  ist  fertig,  aber  die  Fenster 
and  Teigessen,  mich  langer  Beiaümng  Yersuchen  sie,  das  Licht 
in  Gefitezen  hineinzatragen,  denn  gerathe  es  wohl,  so  sei  ihnen 
der  Ruhm  einer  feinen  Erfindung  sicher,  gerathe  es  nicht,  so 
sei  es  ihrem  Vorhaben  der  Narrheit  halber  dienstlich  und  be- 
(pmou  Nachdem  sie  der  ürfolg  belehrt,  dasz  ihnen  der 
letztere  Yorthml  besebieden  war,  gab  ein  LandstreichM*  den 
Batb,  das  Dach  abzudecken,  was  sich  nur  für  die  schöne 
Jahreszeit  bewfthrte.  Im  Winter  mnszte  man  das  Dach  wieder 
kntellen,  und  die  Verlegenheit  war  die  alte,  bis  man  durch 
einen  Mauerspalt  dringendes  Licht  gewahrte,  worauf  jeder  sich 
za  seiner  Bequemlichkeit  ein  Lichtloch  herstellte.  Der  beim 
weiteren  Ausbau  vergessene  Ofen  kommt  Yor  das  Fenster,  und 
80  ist  der  Bathhausbau  zu  Aller  Zufriedenheit  beendet  Ein^ 
eingetretenen  Theuerung  des  Salzes  begegneten  sie  durch  Aus- 
Ton  Salz  auf  ein  Feld,  üppiges  Kraut  ging  auf,  der  Bann- 
wart ward  von  vier  Männern  durch  dasselbe  getragen,  damit 
er  beim  Verjagen  des  Viehes  die  kostbare  Saat  nicht  zertrete. 
Zwar  überzeugte  sich  ein  Schiltbürger  gelegentlich  von  der 
ScbSife  des  Salzkrautes,  aber  das  ganze  Unternehmen  seheiterte 
an  der  Rathlosigkeit  der  Dorfbewohner,  wie  sie  das  Kraut  mühen 
sollten.  Der  ihnen  inzwischen  angekündigte  Besuch  des  Kaisers 
in  Utopien  bringt  neue  Sorgen,  man  musz  eilig  einen  Schult- 
bfliszen  erwählen,  und  die  Wahl  ftllt  auf  den  Schweinehirten 
als  den  noch  erträglichsten  Versifei.  Derselbe  beweist  seine 
neue  Würde  zunächst  durch  grosze  Zerstreutheit  und  dann 
durch  den  Ankauf  eines  neuen  Pelzes  für  seme  Frau,  mit 
welchem  prangend  letztere  zwar  zu  spät  in  die  Kirche  kommt, 
aber  ihre  Bescheidenheit  dadurch  leuchten  läszt,  dasz  sie  die 
«fih  zum  Fortgehen  anschickenden  Bekannten  auffordert,  sitzen 
ZQ  bleiben.   Der  Kaiser,  der  auf  eine  der  Sdiiltbflrger  würdige 


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198  — 


Weise  empfkagen  wird,  nmunt  mit  Vergnflgen  Ton  ihren  An* 
gelegenheiteii  Eenntnnz,  erhftlt  einen  allerdings  bei  der  üeber- 
gabe  verunglückten  Topf  mit  Senf  zum  Gescheok,  speist  mit 
ihnen  nnter  allerhand  kemischen  ZwischeoftUen,  erh&lt  durch 
einen  Klthselwetlatreit,  in  welchem  zotige  Bftthsel  mit  minr- 
fängliclien  Auflösungen  vorgeführt  werden,  eine  Probe  des 
Localwitzes,  worauf  sie  ihn  noch  ihre  Bürgerlnst  sehen  lassen, 
eine  Katze,  der  man  ein^  Blase  mit  Erbeen  angehängt  Ueber 
die  Todesursachen  eines  Wolfscadavers  gaben  sie  ein  gericht- 
liches Gutachten  als  Probe  ihrer  Rechtspflege  ab  und  erhalten 
einen  Freibrief  f&r  ihre  Narrheit  Nach  d^  Absdiiedsfeste  ?ei^ 
wechseln  sie  ihre  Ftlsze,  nnd  zwei  Banem  beschlieszen,  ihre  fflnser 
zu  tauschen,  wiis  sie  so  ausführen,  dasz  jeder  dem  andern 
sein  Haas  stückweise  auf  sein  Grundstück  schafft  Weiter  wird 
erzfthlt,  wie  des  Schnltheiszen  Sohn  Hochzeit  machte  nnd 
was  sich  Lftcherliches  dabei  ereignete,  wie  die  Schfltbürger 
eine  Kuh  auf  eine  Mauer  zogen,  das  Gras  abzuweiden,  sie  aber 
dabei  erwüiigten,  wie  eine  Schiltbfirgerin  mit  £iem  znr  Stadt 
ging,  anf  die  ans  ihnen  zn  lösende  Summe  groeze  wirthschaft- 
liehe  Pläne  baute,  woniber  aber  die  Eier  zerbrachen,  wie  die 
Schiltbürger  eine  lange  Wurst  machten  und  hmge  nicht  wuszten, 
wie  sie  sie  kochen  sollten,  wie  sie  ehiem  Manne  den  emea 
Berg  lierabzuroUenden  Mühlstein  um  den  Hals  thaten,  damit 
er  ihm  den  Weg  zeige,  beide  aber  ins  Wasser  rollten,  wie  sie 
emen  am  Wasser  stehenden  Nuszbaum  trftnkten,  wobei  einer 
den  Kopf  verlor,  wie  einer  dem  andern,  weleher  einen  Wagen 
von  ihm  leiben  wollte,  sagte,  er  schlafe,  wie  ein  Schiltbürger 
sein  Pferd  yerlor,  wfihrend  er  dem  einheimischen.  Kuckuck 
sehrmen  half,'  wie  sie  ihre  Glocken  in  den  See  senkten  und 
eine  Kerbe  in  das  Schiß"  machten,  um  sie  wiederzufinden,  wie 
ein  Schütbüi'ger  meinte,  sein  Reitpferd  habe  ihn  an  den  Kopf 
gescUagen,  als  ihn  em  Bube  mit  einem  Stein  geworfen,  wie 


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199  — 


sie  einen  Krebs  für  einen  Schneider  halten,  zuletzt  aber  als 
ein  gflfihrlidifiB  Thier  eraftnfen,  wie  sie  dem  Kaiser  Hil&trappen 
sducfcen,  wie  ein  Schiltbürger  seinen  dreiszigjährigen  Sohn  m 
dfe  Schnk  geben  wollte,  wie  sie  endlich  um  Grund  und  Boden 
kamen.  Sie  litten  nftmlich  durch  Mäuse  Noth,  ein  Fremder 
forfcanfte  ihnen  eine  Satze,  und  mit  dem  hohen  Preise  sich 
sdinell  dayonmachend ,  rief  er  dem  Nacheilenden  auf  die 
Frage,  was  der  Mauahund  fresse,  zu:  Was  man  ihm 
beat  Der  SchütbOrger  yerstand  ^  Vieh  und  Lent'' ,  ond  aus 
Fordit  Tor  dieser  Aussiebt  sogen  sie  schfieszüch  alle  aus 
liiiem  Dolfe  auf  und  davon  und  verpüanzten  so  ihre  Narrheit 
in  alle  Lande. 

Die  Aufgabe,  welche  ich  nur  gestellt,  macht  em  genaueres 
fingehen  anf  die  Abweichungen,  welche  die  freiere  Bearbeitung 

des  Grillenvertreibers  enthält,  sowie  auf  den  Inhalt  der  Fort- 
setzungen nicht  nöthig.  Bemerkt  sei  nur,  dasz  sie  gegen  das 
ursprüngliche  Schiltbtbrgerbuch  nicht  unbedeutend  abMen. 
Dieser  Unterschied  ist  auch  dem  Publicum  meht  entgangen, 
denn  während  die  Bearbeitung  und  die  Fortsetzungen  in  der 
Folgezeit  vergessen  wurden,  hat  sich  der  Kern  m  der  Volks- 
gunst dauernd  erhalten«  Diese  Gunst  verdient  auch  das  Schüt- 
bürgerbnch  mit  vollstem  Recht.  Die  oben  gegebene  gedrängte 
Analyse  kann  von  seinen  verschiedenen  und  glänzenden  Vor- 
tagen eb^owenig  eine  lebendige  Anschauung  vermitteln  wie 
verwässerte  Vorf&hrungen  einzelner  Streiche,  wie  sie  hie  und 
da  immer  noch  erscheinen.  Man  kann  den  Geist  und  den  Stil 
Oüsei'e^  Buches  nicht  besser  in  Kürze  bezeichnen,  als  wenn 
man  un  Anschlusz  an  von  der  Hagens  vortrefflichen  Ausfüh- 
rungen dasselbe  ein  im  Geiste  Johann  Fischarts  geschriebenes 
"Werk  nennt.  Es  wäre  des  gröszten  deutschen  vSatirikers  in 
der  That  nicht  unwürdig  gewesen,  und  auch  mit  dem  genial- 
sten Humoristen  des  XVIL  Jahrhunderts,  mit  Grimmels- 


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—  200 


hausen,  zeigt  der  leider  durchaus  unbekannte')  Verfasser  eine 
auffiaUende  Geistesrerwandtschaft  Die  Einleitong  ist  ebenso 
passend  und  glücklich  erftinden  als  der  Anfban  des  Ganzen 
einheitlich  und  gut  angeordnet,  der  Sehlusz  geschickt  und  sinn- 
reich^ wir  haben  ein  mit  voU£sthümIicher  Kunst  gedachtes  und 
entworfenes  Werk  vor  uns.  Dem  Stoff  und  der  Anlage  ent- 
spricht die  stilistische  Darstellang.  Die  gleichmftszig  ftberall 
Torwaltende  Ironie,  die  breite  und  mit  Seitens[triingen  und  An- 
spielungen sich  oft  aufhaltende,  aber  niemals  schleppende  and 
flberladoie  Art  zn  erzählen,  die  schalkhafte  Grandezza,  welche 
sich  namentlich  in  der  kanzeleiniäszigen  Satzbildung  geltend 
macht,  bilden  ein  Gewana,  das  «lern  an  sich  duichaus  ironischen 
nnd  parodischen  Stoffe  ?ortre£dich  paszt  und  einen  mit  wahrem 
Kunstverständnisz  arbeitenden  Ver&sser  yerrftth.  Besondm 
hervorzuliebcn  scheint  mir  die  Ursprüngiiclikeit  der  Auffassung 
des  Gesammtmotivs.  Als  SU^ff  lag  dorn  Yeriasäer  nichts  weiter 
Yor  als  eine  Anzahl  von  Streichen,  deren  Gesammtcharakter 
oben  bereits  angedeutet  wurde,  deren  Entstehung  n&mlich  auf 
die  Neigung  der  verschiedenen  Stämme,  Gegenden,  Oi  tsclialtcn 
zu  gegenseitigen  Neckereien  zurückgeht.  Einen  anderen,  tie- 
feren Grundgedanken  enthielt  der  rohe  Stoff  sicher  nicht,  weder 
den  Yon  Leuten,  die  klug  reden  und  nftrriseh  handeln,  nach 
den  metaphysischen  oder  mystischen  von  tiefliegeuder  Verwandt- 

•)  Er  hat  seinen  Namen  auf  dem  Titel  der  ersten  Aiispabe.  welche 
mir  vorliegt,  in  einer  Weise  versteckt,  die  bisher  anderen  Bttrachtern 
and  aach  mir  gegenüber  sich  nur  zu  erfolgreich  gezeigt  hat.  Um 
Scharfsinnigeren  oder  Glttddieheren  Gelegenheit  zn  geben,  diese  Eigen- 
schaften zn  zeigen,  thefle  ich  die  bezügliche  Stelle  mit: 
H.  Aleph  /  Beth  /  Gimel  /  der  Festung 

Ypsilonbnrger  Ämptman. 
Die  Buchstaben  so  zu  viel  sindt/ 
l^b  ansz/wkff  sie  hinweg  gesehwind/ 
Und  was  dir  bleibt /setz  recht  zusammen: 
80  hastu  dess  Anthors  Namen. 


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201 


sdiaft  der  Weisheit  und  der  Narrheit  EineD  derartigen  Ge- 
danken hat  der  Verfasser  allerdings  hie  und  da  durchklingen 
lassen,  aber  dies  ist  nicht  die  Alles  belebende  Grundauffassung, 
darin  besteht  nicht  der  eigentliche  geistvolle  Kunstgriff,  womit 
er  der  Darstellung  einen,  prieltolnden  Reis  verleiht.  Den  feinsten 
Grift"  hat  der  Verfasser  unstreitig  damit  gethan,  dasz  er  sich 
eine  bestimmte  Art  von  Thorheit  gewählt  hat,  n&mlich  die  im 
piaktischen  Leben  sich  geltend  machende,  dasz  er  diese  ans 
der  Weisheit  überaus  praktischer  Leute  hervorgehen  und  dadurch 
die  praktische  Lebensweisheit  sich  selber  parodiren  läszt.  Wir 
dfirfen  uns  wohl  vorstellen,  dasz  der  Yerihsser  ein  Gelehrter 
voll  Geist  und  Witz  war,  der  sich  gelegentlich  Über  die  Super- 
klagkeit  commuoaler  und  wirthschaftlicher  Praktiker  hatte 
Sigem  müssen,,  das  wenigstens  ist  das  eigenthümlich  scharfe 
Saht  semer  Darstellung,  dasz  wir  fortwährend  das  schadenfrohe 
Schmunzeln  des  geistvollen  Mannes  sehen,  der  einmal  die  prak- 
tischen Leute  miszhandeln  kann.  Die  sophistische  Weise,  durch 
wdehe  er  die  absichtliche  Narrheit,  die  ans  Weisheit  entstan- 
den ist,  mit  der  Narrheit,  die  sich  für  hohe  praktische  Weis- 
heit hält  und  die  im  Leben  selber  leicht  geuug  zu  studiren 
ist,  znsammenflieszen  litozt,  kann  man  durchweg  beobachten, 
man  liest  zwischen  den  ZeOen:  Meine  Schiltbflrger  wissen  sich 
als  Nanen  und  handeln  als  Narren,  aber  ich  kenne  andere 
Leute,  welche  sich  als  grosze  VerwaltungS'  und  Wirthschafts- 
praktlker  wissen  und  ganz  ebenso  handeln.  Die  Aehnlichkeit 
zwischen  der  Aufi'a.s.sung.sweise  unseres  Verfassers  mit  der  seines 
freilich  viel  gröszeren  Zeitgenossen  Cervant<3S  ist  bereits  von 
Hagen  erwähnt  worden  und  trotz  dem  Ausruf  eines  hoch- 
berühmten und  verdientisn  Literarhistorikers  aufrecht  zu  halten. 
8ie  liegt  meines  Erachtens  in  dem  soeben  angedeuteten  Punkte, 
in  der  auch  Swift  eigenen  und  den  gewandten  Satiriker  be- 
i^chnenden  Kunst  der  Darstellung,  wodurch  Oegensätze,*  ja 


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—  202  — 


grelle  Contraste,  einander  angenähert  werden  und  die  voll- 
kommenste Ironie  entstelii  Wenn  Oenfantes  den  Bitt^  von 

der  traurigen  Gestalt  die  haarsträubendsten  Abgeschmaoktbeiten 
in  der  ernstesten  und  würdigsten  Form,  wie  sie  nur  der  hoch- 
gebildete und  geistrolle  Mann  handhaben  kann,  mit  feierlichen 
BedesehnOrkeln  and  Termischt  mit  den  trefflichste  Gedankea 
vorbringen  hiszt,  wenn  Swift  die  Ausgeburten  einer  ungeheuer- 
lichen Phantasie,  die  allercrassesten  Unwahi-scheinlichkeiten  im 
Tone  eines  gewissenhaften  nnd  bis  zur  Trockenheit  genauen 
Berichterstatters  vorträgt,  so  machen  sie  freilidi  ihre  Sache 
unendlich  viel  feiner,  ihre  Kunst  ist  in  einem  ganz  anderen 
Grade  entwickelt,  als  wir  dies  von  dem  obscoren  Deutschen« 
der  das  Schiltbärgerbach  geschrieben  hat,  sagen  können.  Aber 
auf  demselben  Wege  ist  unser  Landsmann  anch  gewesen,  auch 
er  hat  das  Wesen  der  Ironie  tief  und  klar  erfaszt.  Er  läszt 
zwar  die  Weisheit  der  zu  ihrem  Unheil  bisher  überaus  prak- 
tisch klagen  Schiltbärger  durch  emen  Entsdüusz  in  eine  mr 
nächst  nur  erheuchelte  Narrheit  äbergehen,  aber  sofort  nach 
dem  Entschlüsse  ist  die  innigste  Verbindung  der  Contraste 
vorhanden,  fortwährend  die  änszerste  Narrheit  in  der  Form 
und  mit  der  Miene  übergroszer  praktischer  Weisheii  Wie 
den  Schiltbürgern  es  gegen  ihren  Willen  mit  der  Narrheit 
Ernst  wird,  so  wird  es  zweifelhaft,  ob  der  Erzähler  es  mit  der 
Freiheit  jenes  Entschlusses  recht  ernst  gemeint,  die  Schiit- 
bürger  scheinen  ihn  im  Vorgefühl  des  Ausbruchs  ihrer  Nanv 
heit  zu  fassen,  um  mit  Ehren  Narren  sein  und  die  Miene  der 
Weisheit  mit  der  Narrheit  vereinigen  zu  können.  Der  Gedanke, 
dasz  sie  das  Hereintragen  des  Lichtes  mit  der  oben  erwähnten 
Begründung  versuchen,  ist  ein  wirklich  genialer,  denn  das 
Verl'aiiren  der  Schiltbürger  ist  in  der  That  das  Urbild  der 
Handlungsweise  einer  Unzahl  von  Thoren,  denen  beim  ärgsten 
Aberwitz  immer  eine  Selbsttäuschung  mOglich  wird,  wobei  die 


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203  — 


Sacbe  än  Yemünftiges  Gesicht  bekommt  ond  ganz  praktisch 
anssiehi   Derartige  Zfige  müssen  meines  Erachtens  den  Yor- 

urtheilsfreien  umsomelir  an  Cervantes  erinnern,  als  bei  diesem 
anerreichbaren  Meister  der  Ironie  und  unübertroffenen  Kenner 
menscblidier  Thorhdt  solche  Kunstgriffe  weit  entwickelter  und 
klarer  vor  uns  liegen.  Davon  kann  natürlich  keine  Rede  sein, 
unser  Buch  dem  Don  Quixote  gleich  zu  stellen,  aber  es  mit 
ihm  SU  vergleichen,  ist  kein  £in£Edl,  über  den  Gervinos  aus- 
rufen dflifke:  Was  hat  man  nicht  Alles  bei  uns  schon  urtheilen 
dürfen  I  Der  hochverdiente  Mann  hätte  sich  selber  einen  guten 
Theil  seiner  literarhistorischen  Vergleiche  ersparen  können, 
wenn  er  keinen  weniger  treffenden  und  sur  Klarstellung  der 
Eigenthüralichkeit  eines  Schriftwerkes  weniger  beitragenden 
hätte  machen  wollen  als  den  unsrigen.  Es  wird  dabei  bleiben 
müssen,  dasz  wir  in  dem  Schütbfirgerbuche  eine  bedeutende 
Erschemung  bedtzen,  ein  beachtenswerthes  Denkmal  volksthüm* 
liehen  Humors  sowohl  und  iür  sein  Zeitalter  hervorragender 
Darstellttngskunst  als  auch  einen  Beweis  für  die  schon  früh, 
beginneode  und  gedeihlidien  Fortgang  verhdszende  Entwiche- 
lui^g  der  Ghittung,  die  wir  betrachten.  Denn  wenn  auch  das 
Buch  noch  nicht  in  die  Bahn  einlenkt,  welche  der  eigentliche 
Boman  zu  nehmen  hatte,  so  liegen  unter  allen  bisher  betrach- 
teten Werken  in  ihm  doch  schon  die  Elemente  am  deutlichsten 
ausgeprägt  vor  uns,  welche  in  Grimmelshausens  Simplicianischen 
Schriften  zu  einer  Art  von  classischer  Entwickelung  kommen. 
Und  grade  die  Vergleichung  mit  dnem  Cervantes  musz  uns 
darauf  aufmerksam  machen,  dasz  Deutschland  auch  in  so 
trüher,  so  weit  von  unserer  dassischen  £poche  getrenntei 
Zeit  Krftfbe  besass,  welche  unter  günstigeren  Yerhftltnissen 
eh»  Classik  hatten  verwirklichen  können,  deren  Höhepunkt 
wir  um  diej:e  Zeit  in  anderen  Literaturen  theils  schon  über- 
schiifcken,  theila  erreicht,  theils  im  Begrifi',  erreicht  zu  werden, 


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sehen.  Der  weitere  Verfolg  meiner  Arbeit  soll,  wie  ich  hoffe, 
den  Nachweis  bringen,  dasz,  was  auf  den  ersten  Anblick  als 

Wirkung  nationalen  Miszgeschickcs  und  als  ein  groszes  Uebel 
erscheint,  nichts  weniger  als  dies  ist,  ja  dasz  die  durch  so 
viele  harte  Prüfungen  und  StOnmgen  verzögerte  Beifb  nnserer 
Dichtung,  das  so  spate  Eintreten  unserer  Classik,  auf  das 
engste  mit  der  Bedeutung  und  Grösze  unserer  deutschen  Lite« 
rator  zusammenhangt  und  nicht  den  kleinsten  Theil  zu  der 
Ueberlegenheit  nnserer  jetzigen  Bildung  beigetragen  hat.  Frei- 
lich werde  ich,  ehe  ich  diesen  Nachweis  wirklich  werde  fuhren 
können,  die  Geduld  meiner  Leser  noch  vielfiftch  und  hinge  in 
Anspruch  nehmen  müssen,  noch  ist  der  Weg  nichts  weniger 
als  grade  und  eben,  noch  das  Ziel  in  weiter  Ferne. 

£s  mag  vom  Schiitburgerbuche  nun  genug  sein,  denn  wir 
haben  unsere  Aufinerksamkeit  nun  einem  volksthflmlichen 
Dichtwerke  in  Prosa  zuzuwenden,  welches  einen  Gegensatz  zu 
den  nun  schon  längere  Sieit  beti'achteten  ^schijuptlichen" 
Büchern  bildet,  ja  dessen  Name  schon  sich  nicht  allein  für 
jeden  gebildeten  Deutschen,  sondern  für  alle  Oeibildeten  aller 
modernen  Nationen  mit  der  Vorstellung  der  erhabensten  und 
inhaltsschwersten  Dichtung  verbindet  Der  Boman  von  Dr. 
Johannes  Fäust  ist  es,  den  ich  jetzt  vonEufÜhren  habe.  Was 
dem  Zwecke  meiner  Ar1)eit  eremäsz  davon  und  darüber  zu  sagen 
sein  wird,  dürtle  zur  Einleitung  die  Bitte  an  meine  Leser 
nüthig  haben,  sich  durch  den  Qütheschoi  Faust  und  die  eben 
erwähnte  auf  ihn  sich  stützende  Vorstellung  nicht  allzu  sehr 
beeinflussen  zu  lassen.  Sonst  könnte  leicht  der  Blick  für  die 
Auffiissung  der  literarischen  Thatsache,  die  uns  im  Fanstbnche 
des  XYL  Jahrhunderts  vorliegt,  getrübt  und  das  ürtheil  über 
die  Bedeutung  und  namentlich  den  Ideengehalt  unseres  Buches 
irre  geleitet  werden. 

Das  älteste  Faustbuch  erschien  1587  zu  Frankfurt  am 


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—  206  — 

Ifiun  im  Verlag  des  Bachhftndleni  Spies.  Ans  der  Vorrede 

des  Verlegers  geht  hervor,  dasz  er  ein  älteres  Buch  nicht 
kannte,  dagegen  die  Geschichten  des  Dr.  Faust  damals  schon 
seit  ¥ieleD  Jahren  überall  umliefen.  Spies  giebt  ferner  an, 
das  Bach  Ton  einem  Freunde  in  Speier  erhalten  zu  haben, 
und  der  Verfasser,  welcher  ein  protestantischer  Theolog  gewesen 
sein  musz,  verspricht  eine  lateinische  Ausgabe. 

Johannes  Fanstne  war  naeh  diesem  Bache  eines  Bauern 
Sohn,  von  Rod  bei  Wehnar  gebflrtig,  lernte  gut  und  erhingte 
die  Würde  eines  Doctors  der  Theologie.  Doch  angeborene 
öbele  Neigungen  und  schlechte  Gesellschaft  brachten  ihn  auf 
Abwege.  Er  ging  nach  Gracan,  einer  durch  Zanberei  berOhm- 
tm  Hochschule,  wo  er  bald  ihm  sehr  zusagende  Lehrer  und 
Studien  fond.  (Dardaniae  artes,  Nigromantiae,  carmina,  vene- 
fidnm,  vaticinium,  incantatio.)  So  wurde  er  e*n  Arzt  und 
trieb  ftrstliciie  Praxis,  nannte  sich  einen  Dr.  medicinae,  da  er  kein 
Theologe  sein  wollte.  Sein  Fürwitz  und  seine  Leichtfertigkeit 
brachte  ihn  zu  dem  Entschlüsse,  den  Teufel  zu  citiren,  und 
diesen  Plan  setzte  er  in  einem  dicken  Walde  bei  Wittenberg 
ins  Werk.  Der  Teufel  machte  allerhand  Spuk,  endlich  von 
Faust  bei  seinem  Herrn  beschworen,  willigte  er  darein,  ihm 
den  andern  Tag  um  12  Uhr  Nachts  zu  erscheinen.  Die  erste 
Veriiandlmig  fikhrte  jedoch  zu  nichts,  der  Teufel  ward  von 
Paust  um  die  Vesperzeit  wieder  bestellt.  Zwischen  drei  und 
vier  ühr  erschien  nun  der  Geist  wieder  und  erklärte  von  seinem 
Obersten  Vollmacht  zu  haben,  Faust  mOge  sagen,  was  er 
wolle.  Da  letzterer  Ndgung  yerspfirte,  kein  Mensch  zu  sem, 
«ondem  ein  l('il)lKiftiger  Teufel  oder  ein  Glied  davon,  so  for- 
mulirte  er  seine  Wünsche,  wie  folgt:  1)  dasz  er  auch  die  Ge- 
schicklichkeit und  Gestalt  eines  Geistes  haben  mochte,  2)  dasz 
der  Geist  AHes  thun  solle,  was  er  begehren  werde,  3)  dasz 
er  ihm  gehorsam  sein  solle  wie  ein  Diener,  4)  dasz  er  auf 


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—  206  — 

jeden  Bnf  zu  ihm  kommen  solle,  5)  dasz  er  in  seinon  Hanse 

unsichtbar  rpfrieren  und  nur  mit  seinem  Willen  dritten  Per- 
sonen  sichtbar  werden  solle,  6)  dasz  er,  wenn  Faust  wolle, 
nnd  in  der  Faust  beliebenden  Gestalt  zu  erseheinen  habe.  Der 
Geist  erUftrte  sich  einverstanden  unter  der  Bedingung,  1)  dasz 
Faust  sein  eigen  sein  wolle,  2)  dasz  er  ihm  darüber  ni't  seinem 
Blute  eine  Yerschreibung  ausstelle,  3)  dasz  er  allen  christ- 
glänbigen  Menschen  feind  sein  wolle,  4)  dasz  er  den  chrisüichflo 
Glauben  verleugne ,  5)  dasz  er  sich  nicht  von  solchen,  die  ihn 
bekehren  wollten,  wolle  verfuhren  lassen.  Dagegen  wollte  der 
Tenfel  ihm  etliche  Jahre  Ziel  setzen,  in  .denen  er  alles  das, 
was  er  wünsche,  haben  werde,  nach  deren  Verlauf  er  aber 
vom  Teufel  geliolt  werde. 

Hierauf  bestellte  Faust  den  Geist  auf  den  nächsten  Mor- 
gen, be&hl  ihm,  stets  in  der  Kleidung  eines  Franziscaners  zu 
erscheinen  und  durch  den  K^ang  eines  Glöckchens  sich  anzu- 
kündigen. Anf  die  Frage  nach  seinem  Namen  sagte  der  Geist, 
er  heiaze  Mephostophües.  Faust  nahm  ein  Messer  nnd  liesz 
ans  einer  Ader  smner  lenken  Hand  etwas  Blut  in  einen  Tiegel, 
setzte  es  aut  waime  Kohlen  und  schrieb  den  verlangten  Aus- 
weis, m  welchem  eine  Frst  von  24  Jahren  gestellt  war.  Durch 
die  anf  der  verwundeten  blutigen  Hand  erschdnende  Schrift  „0 
honio  fuge"  liesz  er  sich  nicht  abschrecken.  Der  Teufel  machte 
sogleich  allerlei  phantastischen  Spuk,  welcher  Faust  und  seinem 
jnngen  Famulus  Christoph  Wagner  recht  wohl  gefiel,  andi 
brachte  der  Geist  allerlei  Genuszmittel  aus  Kflche  und  Keller 
anderer  Leute  in  das  Haus,  welches  Faust  in  Wittenberg  von 
seinem  Vetter  geerbt  hatte.  Ein  vom  Teufel  gezahlter  Jahr- 
gehalt von  1300  Kronen  schützte  vor  jedem  Mangel  an  baaiem 
GeUlo.  Ali)  si(h  aber  Faust  verheirathen  wollte,  widersetzte 
sich  der  Geist  und  gab  seinen  Erinnerungen  an  die  gegebene 
Zusage  dnrdi  Thfttlichkeiten  Kachdmckf  versprach  jedoch, 


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—  207  — 

ttidarwdtig  fOr  Befiriedignng  der  Wollust  Fansts  ta  sorgen« 

Anf  Fansts  Fragen  über  dämonologische  Probleme  gab  Mepho- 
stophiles  sehr  aualuhrlich  Auskauft,  die  gute  Hälfte  des  ersten 
TbeiJs  besteht  ans  phantastischem  und  dabei  geistloseni  Unsinn, 
wie  er  damals  in  den  EOpfen  spnkte,  nnr  am  Sehlnss  findet 
sieb  der  anziehende  Gedanke,  dasz  der  Geist,  wenn  er  Mensch 
wäre,  sich  zu  flott  bekehren  zu  wollen  erkl&rt,  worauf  Faust 
anf  einen  Augenblick  in  seiner  Abwendung  von  Gott  wankend 
wird. 

Der  zweite  Theil  erzählt  zuerst,  dasz  Faust  Kalender 
madite,  welche  aus  leicht  erklärlichen  Gründen  in  ihren  Vor- 
Bossagungen  zuverlässig  waren«  Darauf  folgen  Gespräche  über 
astrologische,  astronomische  und  physikalische  Fragen.  Auf 
die  m  Faust,  der  traurig  und  schwermütbig  geworden  war, 
gestellte  Frage  nach  der  Erschafiung  der  Welt  gab  der  Geist 
die  falsche  Antwort,  dasz  die  Welt  ungeboren  und  unsterblich 
sei,  das  menschliche  Geschlecht  von  jeher  gewesen  u.  s.  w. 
Dem  Doctor  erschien  der  biblische  Bericht  glaubwürdiger. 
Auch  der  Teufel  selber  erschien  ihm  nebst  den  höllischen 
Geistern  in  corpore,  deren  vornelnnste  ihm  mit  Namen  vorge- 
stellt wurdm,  allerlei  wunderliche  Erscheinungen  und  Yer- 
wandlangen  gewährten  ihm  viel  Interesse.  Im  ersten  der  aus- 
bedungenen Jahre  begehrte  Faust  die  Hölle  in  Augenschein  zu 
nehmen,  aber  Beelzebub  machte  ihm  ein  Blendwerk  vor.  Dar 
gegen  that  er  eine  wirkUche  Fihrt  in  die  Gestirne  und  im 
sechzehnten  Jahre  eine  Reise  in  allerhand  Länder.  In  Rom 
fiel  ihm  die  Aehnlichkeit  der  dortigen  Wirthschaft  mit  seinem 
Treiben  auf,  auch  vollführte  er  allerhand  Possen  gegen  den 
Pabst  und  seine  Umgebung.  In  KlVln  sagte  er  beim  Grabmal 
der  heil,  drei  Könige;  .,0  ilir  guten  Männer,  wie  seid  ihr  so 
iire  gereist,  da  ihr  solltet  nach  Palestina  gen  Bethlehem  in 
Jodäa  ziehen,  und  seid  hierher  gekonmaeu  oder  seid  vielleicht 


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nach  eurem  Tode  ins  Meer  geworfen  worden,  in  den  Rliein- 
strom  geflOszty  za  KOln  aafge&ngmi  und  dort  begraben  worden.^ 
Allda  ist  auch  der  Teufel  zn  St.  Ursula  mit  den  11000  Jong*- 
frawen:  sonderlich  getiel  jra  da  die  scliönheit  der  Weiber." 
Zu  Constantinopel  erschien  er  dem  Sultan  als  Mahomet  und 
beehrte  den  Harem  des  Herrschers  Iftngere  Zeit  mit  seinem  Be- 
suche. Den  meisten  Raum  in  der  Reisebeschreibung  fÖUen 
allerhand  topographische  Notizen.  Als  sich  die  Reise  auch 
nach  Asien  erstreckte,  sah  er  Yon  ferne  das  Paradies.  Den  * 
Schlnsz  des  zweiten  Theiles  machen  Anf  klftmngen,  welche  Fvuet 
auf  Befragen  anderer  Gelehrten  über  Cometen,  Sterne,  Geister, 
Sternschnuppen  und  Gewitter  giebt. 

Der  dritte  Theil  berichtetj  wie  Faust  den  Kaiser  Karl  V. 
zu  Innsbruck  die  Gestalten  Alexanders  des  Groszen  und  seiner 
Gemahlin  sehen  läszt,  einem  Kittor  von  des  Kaisers  Hofe  ein 
Hirschgeweih  auf  den  Kopf  zaabert  und  die  Rache  des  Belei- 
digten durch  weitere  Zaubereien  Tcreitelt,  wie  er  drei  junge 
Grafen  aus  Wittenberg  nach  München  zur  fürstlichen  Hochzeü 
führt,  der  Gräfin  von  Anhalt  im  Januar  schöne  Weintrauben 
verschafft  und  eüi  schönes  Schlosz  zaubert,  worin  er  den  Hof 
bewirthet  und  mit  allerlei  Zauberkurzweil  unterhält,  ffierauf 
folgen  Fausts  Fasznuchtsspäsze.  Monta^-s  fuhr  er  in  den  Keller 
des  Bischofs  von  Salzburg,  bannte  den  Kellner  auf  einen  Baum 
und  that  sich  mit  seiner  Bursch  gütlich,  Dienstags  bewirthete 
er  seine  Gftste  mit  Speisen  und  Weinen  aller  Weltgegenden. 
Mittwochs  machte  er  ein  Mahl  und  allerhand  Zaul)erspiel, 
Donnerstags  gab  er  eine  Vorstellung  von  anderen  Gaukeleien, 
Sonntags  stellte  er  den  Studenten  die  schöne  Helena  vor. 
Darauf  folgt  die  (beschichte  Ton  dem  Bauern,  dessen  Wagen- 
räder Faust  in  die  Luft  flieg<'n  machte,  dann,  wie  Fau^t  einem 
Bauern  bei  Gotha  ein  Fuder  Heu  auffriszt  sammt  Pferden 
und  Wagen,  denselben  Spasz  wiederholt  er  bei  Zwickau.  Eine 


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209  — 


imahl  betamiikeiier  Bauern  yerzauberte  er,  so  dasz  alle  mit 

offmen  Mäuleni  in  den  Stellungen  blieben,  die  sie  grade  ein- 
nahmen, verkaufte  fünf  Säue,  welebe  zu  Strohwischen  wurden, 
such  ein  Pferd,  mit  dem  es  fthnlicli  ging.  Einem  Jaden,  Ton 
wddiem  er  Geld  lieli,  gab  er  sein  abgeschnittenes  Bein  vom 
P&nde,  zwölf  zankende  Studenten  schlug  er  mit  Blindheit, 
betaste  xwei  Bauern  anfeinander,  betrog  einen  Pfaffen  um  sein 
Brerier,  yerschaffte  in  einem  Wirthshanse,  wo  es  nichts  zn 
essen  gab,  Hechte  und  Wein,  zeigte  sich  durch  seine  Kunst 
als  guter  Artillerist  und  üng  feindliche  Kugeln  wie  Pillen  auf, 
TerscUnckte  einen  groben  Hansknedit,  zeigte  sich  anderen 
Zauberern  im  Kopfabhauen  und  Wiederansetzen  fiberlegen,  hob 
einen  Schatz,  liesz  zu  Winterszeit  in  einem  Garten  allerlei 
Gewächs  wachsen  nnd  verhalf  emem  Edelmann  durch  Liebes- 
laaber  zn  der  gewünschten  Brant.  Inzwischen  hatte  ein  got* 
testui'chtiger  alter  Arzt  von  Fausts  und  seiner  Gesellschaft 
losem  Leben  Eenntoisz  genommen,  berief  ihn  zu  sich  nnd 
ermahnte  ihn  mit  Beibringnng  vieler  Stellen  ans  Gottes 
Wort.  Faust  nahm  auch  seine  Rede  mit  Dank  an,  ging 
nach  Hause  und  faszte  den  Beschlusz,  sich  zu  bekehren. 
Sogleich  erschien  sein  Geist  nnd  veranlaszte  ihn  durch  Dro- 
hungen imd  die  Yorstellnng,  dasz  es  zn  spät  sei,  m  einer 
neuen  Versckreibung.  Dies  war  im  siebzehnten  Jahre,  die 
Verschreibung  ging  aof  weitere  sieben  Jahre.  Dem  gnten 
Alten  liesz  Fänst  durch  den  Geist  viel  Gepolter  nnd  Spuk 
machen,  konnte  ihm  aber  nichts  anliabon.  Hierauf  folgt  wieder 
eine  Geschichte,  wie  Faust  seine  Gäste  auf  Kosten  einer  ^m- 
den  Hochzeit^iesellschaft  bewirthet,  nnd  eine  andere,  wie  er 
einem  Pftiffen  den  Bath  giebt,  den  Bart  mit  Arsenik  abzubeizen. 
Im  neiuizehnten  und  zwanzigsten  Jahre  seines  Vertrags  trieb 
er  Buhlschaft  mit  teuflischen  Succubis  und  schönen  Weibern, 
die  er  ans  verschiedenen  Ländern  sieh  verschallte,  endlich  ün 

u 


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dreiimdzwaazigsteii  Jahre  hatte  er  die  Helena  aus  Griechen* 
land  hei  sich,  welche  ihm  einen  Sohn,  Jnstos  Fanstos  genaimti 

gebar.  Als  er  später  um  das  Leben  gekommen  war«  ▼flp- 
schwand  Mutter  und  Kind. 

Da  sich  nnn  die  festgesetzte  Zeit  ihrem  £nde  uahete, 
machte  Fanst  sein  Testament  m  Gunsten  seines  Famiiliis 

Wagner.    Auf  dessen  Bitte  sagte  er  ihm  auch  einen  G^eist 
Namens  Auerliulin,  der  die  Gestalt  eines  Affen  hatte,  zn.  Die 
Nähe  der  Yeidammmss  erpresate  ihm  die  jammervoll^toi 
Wehklagen,  anf  die  ihm  Mephostophfles  mit  satanischem  Hohn 
und  Spott  antwortete.    ländlich  erscliien  der  Geist,  übergab 
ihm  die  Verschreibung  und  zeigte  ihm  an,  dasz  der  Teufel  die 
andere  Nacht  ihn  holen  werde.  Fanst  ging  an  dem  Tage  mit 
semen  Gefittirten  in  das  Dorf  Rimlich,  eine  halbe  MeHe  tod 
Wittenberg  gelegen,  asz  und  trank  mit  ihnen  und  hielt  ihnen 
in  muthigem  Tone  eine  Ahsdiiedsrede,  in  der  er  ihnen  seia 
Ende  als  abschreckendes  Beispiel  emp&hl.  Nachdem  er  ob 
fortgeschickt,  wnrde  ein  schreckliches  Getöse  in  dem  Hanse 
gehört,  und  am  anderen  Morgen  fand  man  Faustens  Körper 
gr&ulich  zugerichtet  aof  dem  Mist  liegend.    Er  erschien 
später  noch  mehrere  Male  als  Geist 

Die  durch  Göthes  Faust  auf  diesen  Stoll'  hingelenkte  Auf- 
merksamkeit der  gaozen  gebildeten  Welt  hat  zur  Folge  gehabt, 
dasz  wir  über  Alles,  was  mit  diesem  ältesten  Faostbache  mid 
seinem  hihalte  znsammmhängt,  gnt  unterrichtet  sind,  dasi 
aber  auch  andererseits  die  Faustliteratur  zu  einer  ganzen  Biblio- 
thek angewachsen  ist.  Hier  soll  nur,  was  unser  ältestes 
Faustbach  als  Erzengnisz  seiner  Zeit  and  besonders  seine  Stel- 
lang zn  den  schon  betrachteten  and  noch  zu  betrachteiidMi 
Werken  verwandter  Art  betrifft,  hervorgehoben  werden. 

Der  unbekannte  Verfasser  und  sein  Verleger  hatten  ao- 
zweifelhaft  mit  der  Heraasgabe  des  Baches  einen  gaten  Griff 


V 


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—  211  — 


gelhttL  Bewose  dafOr  li^lmi  weitere  Ansgiibeii  und  Beur>- 
beüungen.    Schon  das  Jahr  1587  brachte  noch  eine  neue 
Ausgabe'),  ebenso  1588,  1589,  1590,  IT)})!  und  1592.  Auch 
eine  niederdeatsche  Ausgabe  enöbien  Bchon  1588  zu  L&beck. 
Yen  den  Bearbeitungen  ftllt  die  ftlteete  audi  schon  in  das 
Jahr  15872),  denn  sie  wurde  1588  im  Januar  vollendet,  ist  in 
Beimen  nach  dem  prosaischen  Buche  abgefaszt  und  in  Tübin- 
gen bei  Alexander  Hock  gedrudci   Die  Yer&sser  muren  Tfl- 
Mnger  Studenten,  sie,  wie  auch  ihre  Verleger  wurden  bestraft 
1594  erschien  eine  Fortsetzung  als  „Ander  Theil",  deren  Held 
Christ(^h  Wagner  ist,  „durch  Fiidericum  Schotum^)  Tolet: 
Jelio  zu  Paris**.    1598  kam  zn  Hamburg  ein  1.,  2.  und  8. 
Theil  heraus,  der  die  Cksdiichten  Ton  ,,Dr.  Johann  Fausten, 
sampt  seinem  Famulo  Cristophori  Wagner  vnnd  Jacobi  Schol- 
tm*"  bringt   1714  erschien  die  Wagneigeschidite  das  letzte 
Ifd  m  Berlin  von  F.  J.  M. 


')  Abgedruckt  in  Scliciblcs  Kloster,  wie  auch  die  folgenden  Bear* 
beitnngen,  bcaser  in  A.  Kühne,  Das  älteste  Fanstbucli.  Zcrbst  1868. 
Kühne  bemerkt  richtig,  dasz  die  zweite  Ausgabe  des  Jahres  1587  ein 
Nachdruck  igt.   Sie  unterscheidet  sich  von  der  ersten  durch  geringe 

Veränderungen  und  Zusiilze.  Der  Name  Spics  findet  sich  nur  in  der 
Unterschrift  der  ersten  Vorrede.  Aus  dem  Jalir  1588  sind  zwei  Auf- 
gaben (des  Prosabuches)  bekannt,  eine  gedruckt  zu  Frankfurt  am  Mayn 
durch  Wendel  Homm,  in  Verlegung  Johann  Spiessen,  die  andere  o.  0. 
giebt  einen  wortgetreuen  aber  niclit  buchstäblichen  Abdruck  der  ersten 
AttBgabe  von  1587.  Die  Aus|,'abe  von  15S9  ist  auch  o.  0.  Die  von 
1590  hat  den  Druckort  Berlin  und  ist  ein  Druck  des  grauen  Klosters. 
Die  Ausgabe  von  1591  ist  o.  0.,  die  von  1592  stimmt  mit  der  von 
1590  überein,  hierzu  kommt  noch  eine  o  0.  u.  J.  Von  noch  G  anderen 
Aasgaben,  welche  Kühne  anlülirt,  steht  nicbt  völlig  auszer  Zweifel,  ob. 
sie  hierher  gehören,  worüber  desselben  gründliche  Erörterungen  S. 
XVU  ff.  nachzusehen  sind. 

'I  Mlz.  1211.  Es  bleiben  hiernach  nur  die  1.  Ausgabe  und  die 
Aüi>gabe  von  1590  ünica. 

»)  VergL  Kühne  8.  XVIU  ff. 

14» 


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212 


Eine  nach  yerediiedeiien  Seiten  hin  erweiterte  Behandlung 

des  Faustromans  veii.L^zte  Georg  Rudolff  Widmann,  sie  erscliien 
zu  Hamburg  in  drei  Theilen  1599.  Er  benutzte  nicht  alleiu 
das  Spiessche  Buch,  sondern  audi  handschriftliche  Sammlongen, 
ja  ftltere  Schwankbticher,  die  ührigens  auch  schon  m  der  ersten 
Ausgabe  Stoff  gelieiert  hatten.  So  glaubt  er  sich  l)erechtigt, 
sich  als  Herau^her  d«r  authentischen  und  voUständigen 
Fanstgeschichte  zn  hetrachten,  hemft  sich  auch  aof  Zeit- 
genossen Fausts  und  seinen  Famulus,  den  er  Wäiger  nennt, 
und  behauptet,  das  rechte  Original  in  den  Händen  gehabt  zu 
haben,  ohne  dasz  an  eme  wirklich  mehr  kritische  Behandlung 
zn  denken  wäre.  Seine  Darstellung  ist  breit,  langweilige 
Moralisationen  unterbrechen  die  Geücliicliten,  unter  denen  viele 
titere  Zanbergeschichten  freilich  ein  stoffliches  Interesse  bieten, 
aber  das  Ganze  seiner  Form  nach  nnr  noch  weniger  ansprechend 
inaclion ,  indem  sie  es  mit  untereinander  nicht  zusanmicnhan- 
gendea  Einzelnheiten  als  einem  blot^zen  Ballast  überladen.  In 
diesen  ümstftnden  dflrften  die  Grflnde  zn  Sachen  sein,  ans 
denen  Widmanns  Faustbuch  weniger  beliebt  wurde  als  das 
ältere,  das  zwar  von  derartigen  Fehlem  auch  nicht  durch- 
ans  frei  ist  Lange  Zeit  fehlen  nnn  nene  Ausgaben  der  Faust- 
romane, denn  erst  1674  erneuerte  der  Nftmberger  Arzt  Johann 
Nicolaus  Pfitzer  die  Widmannsche  Ausgabe,  aut  die  er  sich 
als  auf  die  erste  ün  Titel  beruft,  fugte  auch  noch  nErinne- 
rungen,  Fragen  und  Geschichten**  hinzu.  Dieses  Buch  wurde 
neu  aufgelegt  1681,  1H85,  1695,  1711,  1717,  1726  zu  Nürn- 
berg, 17*26  zu  Frankfurt  und  Leipzig.  Die  zu  Reutlingen 
1834  als  «Yolksbuch**  erschienene  Ausgabe  in  12^  bietet  den 
Pfitzerschen  Text  mit  We^^dassung  der  Widmanschen  und 
Ptitzerschen  Erinnerungen.  Endlich  ward  das  Buch  durch  den 
Anonymus,  welcher  sich  den  Christlich  Mejnenden  nennt, 
dner  beliebten  Kfhrze  zusammengessog^".   Diese  Bearbeitung 


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—  213  — 

gefat  aaeh  auf  die  Widmansehe  zarQck,  Iftsit  aber  alle  Morali- 

sationen  we^^  Sie  erschi*  n  1728,  und  auf  ihr  beruhen  die 
später  erschienenen  Jahrmarktsausgaben. 

Die  frühe  Wandenmg  des  Fauststoffee  auf  die  englieehe 
Bühne  und  yon  dieser,  wie  wenigstens  mit  ziemlicher  Wahr- 
scheinlichkeit anzunehmen,  auf  die  deutsche  Volks-  und  Pup- 
peoböhne  mag  hier  den  eben  angeführten  Thatsachen  hinzu- 
gefügt  werden,  nm  mit  änszeren  Grflnden  die  Beliebtheit  des 
Rrat  zu  beweisen.  Auch  aus  inneren  Gründen  läszt  sie  sich 
unschwer  begreifen,  und  mit  liecht  wird  Dr.  Faust  in  dieser 
Be&ehiing  dem  Bnlenspiegel  an  die  Seite  gesteUi  Enlenspie- 
gel  wie  Faost  sind  durch  und  durch  deutsche  Typen,  beide 
TOQ  hervorragender  Bedeutung  für  den  Charakter  des  geistigen 
Lebens  jener  Zeit  und  unseres  Volkes. 

Die  Vorstellung  yon  Menschen,  welche  mit  bösen  Geistern, 
mit  dem  Teufel  Bündnisse  schlieszen,  sich  ihm  zu  eigen  geben, 
am  dadurch  Vortheile  zu  erlangen,  ist  in  verschiedenen  Zeiten 
und  bei  Tersehiedenen  Nationen  vorhanden  gewesen,  war  aber, 
wie  ans  der  Blüthe  des  Hexenwesens  im  XV.,  XVI.  und  XVn. 
Jahrhundert  ersichtlich  ist,  diesen  Zeiten  ganz  besonders 
geläufig.  Schon  von  dieser  allgemeinsten  Grundlage  der  Faust* 
dichtnng  musz  behauptet  werden,  dasz  sie  bei  den  Germanen 
nach  deren  ganzer  Begabung  einen  besonders  günstigen  Boden 
finden  mnazte.  Der  Teufel  w&re  trotz  den  Elementen,  welche 
die  vorchristlicbe  Religion  unseres  Volkes  zu  seinem  Bilde 
lieferte,  und  trotz  seiner  gesicherten  Stellung  auch  in  dem 
von  aus/.en  kommenden  Christenthume  nicht  zu  einer  so  be- 
hebten  Figur  der  Sagen-  und  Mäichenpoeaie  wie  des  Aberglau^ 
bens  unseres  Volkes  geworden,  wenn  nicht  die  geistige  Ur- 
anlage  der  Deutschen  der  Ausbildung  dieser  gegebenen  Elemente 
günstig  gewesen  wftre.  Dem  sorgfältigen  Beti'achter  des 
Geisteslebens  unseres  Volkes  kann  nicht  entgehen,  dasz  unsere 


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—  214 

Yerwandtsohaft  mit  unseren  mdogermsnischen  Tettm  am  Gan- 
ges meist  sehr  deutlich  zu  Tage  getreten  ist,  wo  die  Gelegen- 
heit gegeben  war,  dasz  der  Verstand  mit  der  Phantasie  eine 
in  bedenklidiem  Grade  enge  Freundechaft  achliesien  konnte, 
nnd  diese  Gelegenheit  ist  immer  dann  yorbanden  gewesen, 
wenn  das  uns  eigenthümliche  starke  Selbstgetülil  von  einem 
denurtigen  Bündnisse  seinen  Vortheil  sah.  Daher  die  Mjstik 
mit  ihrer  maszlosen  YergOtüidmng  des  Menschen,  daher  alle 
die  Versuche ,  Unerreichbares  zu  erreichen ,  Unerkennbares  zu 
erkennen  und  Unaussprechliches  auszusprechen«  die  eine  ganze 
Beihe  ?on  edlen  Bl&then  dentsehen  Geistes  nur  zu  sehr  kenn- 
zeichnen, daher  anch  die  Neigung,  den  Pürsten  der  BXXLe  zn 
sich  in  Beziehung  zu  setzen,  einen  unverächtlichen  Gegner  für 
geniale  Uehermenschen,  dnen  Bandesgenossen,  dessen  geheim- 
niszvoU  schanerliches  Wesen  den  Phantasten  sich  selbst  nnd 
den  phantastischen  Betrüger  Anderen  in  einem  liöchst  inter- 
essanten Lichte  erscheinen  liesz.  Auch  der  Humor,  der  sich 
so  oft  inneriudb  des  dentsehen  Aberghinbens  mit  der  Tenfels- 
vorstellung  verbindet,  ist  grade  ein  Beweis,  wie  tief  das  Inter- 
esse des  Volkes  an  dieser  Vorstellung  war,  denn  der  Humor 
ist  das  Zeichen,  wie  sehr  sich  der  deutsche  Geist  bei  dar  Ans- 
bfldnng  gewisser  Ideen  geftUt,  wo  er  spielt,  handelt  es  sieh 
immer  um  etwas  besonders  Beliebtes  und  Interessantes. 

Das  den  deutschen  G^t  in  dieser  allgemeinen  Grundlage 
des  FftnstmotiTS  sdion  Anmnthende  wurde  nun  aber  noch  ge- 
steigert durch  individuelle  Züge.  Faust  ist  nicht  blos  ein 
Zauberer,  er  ist  Gelehrter,  Doctor  der  Theologie  und  Medido. 
Es  bedarf  kdner  Worte,  um  darauf  hinzuweisen,  dasz  grade 
das  XV.  und  XYI.  Jahrhundert,  der  Humanismus  und  die 
Beformation  den  Grund  zu  den  eigenthümlichen  Zuständeo 
legten,  welche  uns  Deutschen  den  Namen  des  Volkes  T<m  Ge- 
lehrten zu  Wege  gebracht  haben.  War  doch  unter  den  die 


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—  215  — 

Coltar  repriUentireoden  höheren  Ständen  der  Stand  der  Gelehrten 
der  einiige,  welcher  die  Einhdt  der  deatachen  Nation  darstellte, 

waren  doch  die  Gelehrten  jener  Zeit  eben  so  wirklich  national 
gesinnt  wie  im  Besitze  der  gröszten  Achtung  des  Volkes.  Man 
erinneie  sich,  dass  die  grOszte  Zierde  des  deatschen  Qelehrten- 
staodes,  Lother,  zugleich  der  ürheher  der  widitigsien  poli- 
tischen Bewegung,  ein  Volksmann  im  vollsten  Sinne  des  Wortes 
war.  franst  war  Luthers  Standesgenosse,  genog  Empfehhu^ 
ftr  seme  Zeit,  um  ihn  interessant  na  machen  und  semen  An- 
spruch auf  poetische  Verklärung  wenigstens  kräftig*  zn  Qntei>- 
siützen. 

Faost  ist  aber  nicht  nur  als  Gelehrter  eine  durchaos 
popnlftre  Figur,  sobald  man  ihn  yon  dem  Standpunkte  der 

fieformationszeit  in  Deutschland  betrachtet,  sondern  er  iät  auch 
ab  nganzer  Kerl*'  vom  stadentischen  Gesichtsponkte  ans  eine 
specifisch  deutsche  Figur.  Man  kann  ihn  mit  den  Eunst- 
uusdrücken  sowohl  eines  „urgelehrten  Hauses"  als  auch  eines 
«orüdeien  Hauses""  belegen.  Wer  weisz  nicht,  dasz  der  Durst 
hl  allen  deutschen  Landen  das  beliebteste  Uebel  ist,  die  Fer- 
tigkeit in  seiner  Bekftmpfiing  in  gewissen  Kreisen  Ansehen 
verleiht?  Gehört  nicht  noch  heutzutage  nach  Vieler  Ansicht 
eine  ungewöhnliche  Leistungsfähigkeit  nach  dieser  Bichtung 
hm  zu  den  Kriterien  akademischer  Bildung?  Und  audi  em 
.,gemüthliches  Haus"  war  Taust,  stets  von  „guten  Gesellen" 
ond  wackeren  Zechern  umgeben,  ihnen  und  ihren  Gewohnheiten 
bis  lum  Tode  treu,  nur,  um  vom  Teufel  geholt  zu  werden, 
trennt  er  sich  von  seiner  „Bursch''.  Der  durch  geistige  Ge- 
tränke befruchtete  Corporations-  und  Freundschafts-Idealismus 
m  stttdsDtischeii  Kreisen  mit  semen  barocken  und  oft  klein« 
Heben  Formen  „mit  wenig  Witz  und  viel  Behagen""  mochte 
einem  Göthe  so  weuig  gefallen,  dasz  er  seinen  Faust  in  einen 
entsohiedenen  Gegensatz  dazu  treten  und  sich  durchaus  ablehnend 


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—  216  — 

dagegen  verhalten  lääzt,  aber  der  Faaät  des  alten  Faustbucbes 
fühlt  sieh  jeden&lls  in  diesem  Etemenie  wohl,  und  dieser  ihm 
dnrchans  wesentiiehe  Zog  ist  ebenso  zdtgemfiaz  wie  echt 

national. 

Aach  der  Zug,  dasz  !Faust  eines  Bauern  Sohn  ebenso  wie 
Enlenspiegel  ist,  dürfte  dazn  beigetragen  haben,  ihn  beliebt  zn 

machen.  War  doch  das  sechzehnte  Jahrhundert  auch  ein  goldenes 
Zeitalter  abenteuernder  Emporkömmlinge,  und  in  Geschichten 
▼on  Parrenns  si^t  non  einmal  jeder,  der  es  werden  möchte, 
die  Bürgschaft,  es  werden  zn  können.  Endlieh  darf  hier  noc^ 
das  unstäte  Wanderleben,  wie  der  Doctor  es  wenigstens  zeit- 
weise in  phantastisch  vergröszerter  Ausdehnung  führt,  als  ein 
der  Zeit  zusagendes  und  popnlftres  Merinnal  der  Fanstfignr 
bezeichnet  werden.  Freilich  musz  nicht  übersehen  werden, 
dasz  den  Kern  der  Dichtung  das  dämonische  Element  bildet, 
nicht  sowohl  in  individaeiler  und  tieferer  f  assong,  sondern  m 
seiner  Allgememheit.  Dr.  Faustus  ist  ein  Teufelskerl,  das  macht 
den  Faust  unseres  Buches  in  erster  Linie  interessant,  ohne  dasz 
daran  hrgend  welche  Moral  oder  eine  tiefere  metaphysische  Idee 
geknüpft  werde.  Die  vom  Yer&sser  damit  iUnstnrte  M<»al, 
dasz  Hochmuth  und  Genuszsucht  den  ^lenschen  dem  Satan  in 
die  Hände  fuhrt,  ist  ein  schriltsteüerisches  Mittel,  den  bedenk- 
lichen Stoff  weniger  anstOszig  zu  madien,  dasselbe  YerfiihreD, 
welches  Schüler  in  dem  bekannten  Xenion  gekennzeichnet  hat, 
welches  die  Zimperlichkeit  tausendmal  jeden  Tag  anwendet, 
wenn  sie  eine  schmutzige  Geschichte  mit  der  JECedensart:  »Non, 
was  es  doch  für  sehlechte  Menschen  giebt!"*  emleitet 

In  dem  eben  Gesagten  habe  ich  die  wesentlichen  Züge 
der  Faustdichtung  dargelegt,  wie  sie  uns  aus  der  ältesten  Ge- 
stalt, in  der  sie  veiöffentlicht  wurde«  entgegentreten.  Jeden- 
falls waren  die  Hauj^tsachcn,  war  die  Figur  des  Faust  schon 
einige  Zeit  vor  der  Abiassung  des  Buches,  schon  am  Aolaoge 


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—  217 


des  XVI,  Jahrhanderto,  in  DeutscUand  in  mündlicher  Erzfth- 
]ttig,  ja  wohl  auch  schon  schriftlich  aufgezeiehnefe  lebendig. 

Was  die  Entstehung  dieser  lebensfähigsten  Gestalt  der  neu- 
bochdautachen  Poesie  betrifft,  so  ist  es  nnter  irüheren  ähnlichen 
Sagm  nnd  Legendi  nnr  die  von  Theophilns,  von  der  eine 
Einwirkung  auf  die  Gestaltung  des  Faust  mit  Sicherheit  zu 
behaupten  ist,  weil  die  Theophüusgeschiehte  dem  Verfasser  des 
Erastimchee  nnd  einem  grossen  Theile  seines  Pnblicnms  nn- 
iwdfelhaft  bekannt  war.  Wer  aber  behaupten  wollte,  dasz 
der  Dr.  Faust  dem  Theophilus  seine  Entstehung  verdanke, 
würde  verkennen,  wie  nahe  liegend  das  ganze  Moti?  dem  Mit- 
ielalter  nnd  der  erwachenden  Neuzeit  lag,  was  grade  dnroh 
die  weite  Verbreitung  der  Theophüusgeschiehte  und  das  Vor- 
kandensein  ähnlicher  bewiesen  wird.  Es  kann  als  Grundsatz 
ao^l^esteUt  werden,  der  Ar  einen  Enndigen  und  Vorurtheüs- 
treien  keines  Beweises  bedarf;  Je  weiter  verbreitet  poetische 
Stoffe  sind,  je  gröszer  die  2ahl  der  stoftiich  von  einander 
schembar  abhängigen  Gestaltungen  der  Poesie  ist,  desto  mehr 
ist  anzunehmen,  dasz  sie  unabhängig  von  einander  entst^n 
konnten. 

Nicht  zu  übersehen  ist,  weil  es  zur  Charakteristik  des 
Fkust,  mit  dem  wir  hier  zu  thun  haben,  gehlVrt,  dasz  der 

Faust  des  XVI.  Jahrhunderts  nicht  blos  weniger  tief  uutgefas/.t 
als  der  Göthes,  Klingers,  Lessings,  sondern  dasz  auch  die 
Qrprianus"  nnd  Theophilus-Legende  grOszere  metaphysische 
Tiefe  und  stärkere  religiöse  Empfindung  ftr  sich  hat,  so  dasz 
unser  Faust  die  allgemeinste  und  einfachste,  um  nicht  zu 
sagen  oberflächlichste,  Verwendung  des  Motivs  von  dem  Bunde 
mit  dem  Teufel  aufweist.  Es  darf  aber  behauptet  werden, 
dasz  der  Faust  ungleich  weniger  popiiliir  geworden  wäre,  wenn 
der  Verl'asser,  anstatt  die  Anschaulichkeit  und  Greübarkeit 
setiier  Figur  durch  die  oben  von  mir  gezeigten  mit  dem 


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218  — 


dämonischen  Moment  nicht  wesentlich  zusammenhängenden 
Individaalzflge  henusteUoD,  dem  Helden  durch  bestimmteie 
und  mehr  beeoadere  Ftorong  jenes  Moments  wie  darch  ein- 
gehendere Entwicklung  des  psychologischen  Problems  die  er- 
forderliche Plastik  verlieben  hätte.  Der  unbefangene  Beobachter 
wird  nicht  umhin  können,  grade  in  dieser  Wendung  einen  sehr 
interessanten  Beweis  zu  finden,  wie  tief  in  der  Literatur  des 
XVT.  Jahrhunderts  der  Zug  zur  entschieden  volksthümlichen  Aut- 
fassung aller  poetischen  Motive  lag,  er  wird  erkennen,  wie  der 
einer  Zeit  einmal  eigene  und  charakteristische  Geschmack  seinen 
Stempel  auch  solchen  StoiFen  aufeudrAcken  weiss,  weldie  sehr 
verschiedenen  Völkern  eigen  und  sehr  auseinander  liegenden 
Zeiten  interessant  gewesen  sind,  denen  man  daher  mit  Becht 
eben  allgememen  menschlidien  Kern  zuschreiben  mag.  Nur 
sollte  man  sich  dabei,  wie  nicht  immer  geschehen,  erinnern, 
dasz  zwischen  einem  Stoff,  einem  allgemeinen  Grundmotiv,  und 
einem  Erzeugnisz  der  Dichtung  em  sehr  groszer  Unterschied 
ist,  der  Unterschied  zwischen  abstraoter  Möglichkttt  und  oon- 
creter,  anschaulicher  Wirklichkeit. 

Bisher  ist  nur  von  dem  Charakter  des  Helden  des  Fausi- 
buches,  wie  er  im  Qeiste  seiner  Zeit  lebte,  die  Bede  gewesen, 
aber  die  persönlichen  Absichten  des  Terfiissers  dieses  Buches 
decken  sich  keineswegs  vollkommen  mit  dem  Gehalt  des  Stofi'es, 
wie  er  ihn  aus  dem  Geiste  seiner  Zeit  und  der  frisch  sich 
bildenden  Sage  —  wenn  dieser  Ausdruck  hier  nicht  miszYer- 
standen  wiid  —  auihahm.  Er  hat  mehreres  liinzugetiian,  was 
dem  Stoffe  durchaus  nicht  wesentlich  zugehört.  In  erster  Reihe 
gMti  hierher  seme  Gegnerschaft  gegen  den  Eatholicismus, 
die  sieh  flberall»  wo  es  ürgend  geht,  geltend  macht,  denn  der 
Faust  ist  ebenso  absolut  confessionslos  wie  der  Teufel  selber, 
wenn  ihm  auch  die  Tradition  als  einen  Protestanten  sich  dar- 
stellen Itot,  da  er  in  Wittenberg  lebt  und  gegen  den  Papst 


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—  219  — 

wie  gegen  die  11000  Jongfraaen  eineii  besonders  starken 
Widflrfpfllen  ußgik,   üebrigens  mnsB  gesagt  werden,  dasz  die 

Polemik  keine  ungeschickte  ist,  denn  das  Mönchsthum,  der 
Cölibat,  die  ßeliquienverehrung  werden  gewandt  genug  in  die 
Gteehichte  selber  hineingeiogen.  Mepbostophiles  mnsz  als 
lAhieh  mshdnen,  andi  das  ihn  mikOndigende  GlOoUein  ist 
wohl  das  dts  Meszners,  die  Ehelosigkeit  ist  ein  vom  Teufel 
besonders  betonter  Paragraph  des  Contractes,  Faust  spottet 
nicht  als  eifriger  Lutheraner,  sondern  als  Freigeist  über  die 
Heiligen  nnd  Beliqnien.  Dasz  auch  die  warnende  Moral  un- 
seres Buches,  welche  sich  in  den  späteren  Bearbeitungen  immer 
mehr  erweitert,  als  ein  Beiwerk  anzusehen  ist,  ist  schon  ge- 
sagt worden.  Auch  dar  viele  geldirte,  geogr^ihische,  nament- 
lidi  fheologisehe  und  damonologische  Kram  ist  Beiwerk  und 
stört  den  Eindmck  des  Gunzen.  Das  Buch  ist  überhaupt  in 
fiezBg  auf  seine  Anordnung  weit  roher  als  das  Schiltbfligerbuch, 
'  eine  ebheitUdbe  Handlung  ist  gar  nicht  beabeicbtigt,  in  den 
langen  Gesprächen  steht  die  P^rzählung  ganz  still,  das  Interesse 
an  der  Person  wird  kalt,  der  letzte  Theil  mit  Ausnahme  des 
Schhuses  ist  eme  völlig  aiomistische  Anh&ufung  von  Ueinai 
Geschichten.  Somit  nähert  sich  das  Buch  den  bloszen  Con- 
glomeraten  von  Anekdoten  und  Facetien,  es  ist  hauptsächlich 
nur  der  Beschafienheit  des  Stofi'es  nach  melir  ein  Ganzes  als 
die  lacelienbflcher  und  flbeihaupt  kaum  mehr  als  Bulenspi^gel. 
Was  eme  emheitliche  Handlung  darstellt,  also  was  das  Budi 
einem  wirklichen  llomane  ähnlich  macht,  ist  vom  Verftisser 
aus  der  Tradition  abemommen.  Der  gelehrte  Dr.  Faust 
schlieszt  aus  Hoffiihrt  und  Oenuszsucht  eroen  Bund  mit  dem 
Tenfel,  büszt  seine  Lust,  wird  aber  vom  Teufel  ins  ewige  Ver- 
derl)en  gerissen.  Das  ist  freilich  ein  ßomanmotiv,  aber  der 
Verfasser  hat  daran  nichts  erfunden,  nichts  zu  seiner  £nt- 
wiekelang  gethan,  vidmehr  durdi  Beiwerk  und  atomistische 


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Stofiaufliäufang  eher  gehindert,  dasz  es  zur  Geltung  hätte 
kommen  können.  Er  konnte  nur  den  guten  edht  epiaeheo 
Kern  nicht  ganz  nnkenntUoh  machen,  wfthrend  der  YerfiisBer 

des  Schiltbürgerbuclis  es  verstanden  hat,  einen  an  sich  viel 
mehr  in  £inzelnheiten  zufallenden  Stoff  epischer  Einheit  und 
Entwiokelnng  fiUiig  zu  machen.  Von  den  spftfteren  Beaibei- 
tungen  sei  nur  gesagt,  dasz  sie  in  dieser  Beziehung  nichts 
ändern.  Auf  die  vou  ihnen  gebotenen  an  sich  nicht  uninter- 
essanten Einzelnheiten  einzngehen,  würde  mehr  in  einfir  Gte* 
schichte  des  Aberglaubens  als  hier  der  Ort  s^. 

Aus  älinlichen  Gründen  darf  ich  in  Bezug  auf  die  Person 
des  historischen  Faust  mich  mit  einigen  kurzen  Andeutungen 
begnügen.  Sie  spielt  in  der  Frage  nach  dem  literarischeD 
Charakter  and  der  Entstehung  dee  eben  besprochenen  Fanst- 
buches  nicht  entfernt  eine  solche  Rolle,  wie  die  Person  des 
Eulenspiegel  in  der  Frage  nach  der  Vor-  und  Urgeschichte 
des  Eulenspiegelbaches.  Indessen  gehört  die  ErUarung  hierher, 
dasz  meine  Auffassung  der  Fausttradition  rieh  zwar  nicht  auf 
die  Annahme  gründet,  da:>z  der  historische  Faust  tniher  ge- 
lebt und  seine  Solle  gespielt  habe  als  in  den  dreisziger  Jahren 
des  XVI.  Jahrhunderts,  doch  aber  die  allmfthliche  Bildung  der 
poetischen  Figur  des  Volksbuches  und  namentlich  die  Anhäu- 
fung des  sehr  bunten  Stoffes  um  dieselbe  besser  mit  der  an 
sieh  selbst  wahrscheinlicheren  Annahme  eines  höheren  Alters 
der  Person  Fknsts  stimmt  Dasz  hierbei  der  berühmte  Brkf 
des  Trithemius  für  mich  entscheidend  ist,  wird  dem  Kenner 
der  sehr  weitschichtigen  Faustliteratur,  auf  die  ich  nicht  näher 
emgehen  kann,  ohne  weiteres  einleuchtend  sein. 

Doch  nehmen  wur  nnn  yon  Dr.  Faust  Abschied,  um  ihm  erst 
im  XVIII.  Jahrhundert  wieder  zu  begegnen,  und  gönnen  wir  dem 
ewigen  Juden,  der  wenigstens  eine  gewisse  Groszartigkeit  der  Idee 
und  das  Dämonische  des  Stoffes  mit  ihm  gemein  hat,  einen  Udnen 


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—  221  — 

Fiats  neben  ihm.   Aach  hier  ist,  wie  bei  Faust,  ansdiHeklich 

daramf  aufmerksam  zu  machen,  dasz  wir  es  mit  dem  Vollre- 
buche,  welches  um  die  Scheide  des  XVT.  und  XVII.  Jahr- 
hunderts entstand,  za  thun  haben,  nicht  aber  mit  dem,  was 
sonst  ans  dem  Stoffe  gemadit  worden  isi   Dasz  der  letztere 
uralt  und  orientalisclier  Herkunft  ist,  hatGräsze  nachgewiesen'), 
von  OQäerem  Yolksliuche  aber  sagt  Görres  sehr  richtig:  „Im 
Qamai  ist  nor  die  Idee  poetisch  bianchbar  und  aaeh  von  A. 
W.  Sehlegel  m  seiner  Bomanze  trefflieh  benntzt,  das  Oesdireibe 
selbst  aber  ohne  allen  Werth  und  Zweck".    Wenn  wir  diesem 
ürtheile  noch  hinzufügen,  dasz  der  Vei-fasser  des  Buches  oder 
doeh  der  gangbarsten  Bedaetion  sich  Chrysostomns  I>ndulftns 
Westphalns  nennt,  dftrfle  genug  gesagt  sein,  um  nnnmehr 
noch  einen  Blick  auf  eine  Gattung  von  Unterhaltungsbüchern 
zu  werfen,  welche  ursprflnglich  auf  der  Grenze  von  beleh- 
nnden  nnd  poetischen  Schriften  stehen,  aber  doch  diese  Grenze 
mm  Theil  nach  der  letzteren  Seite  hin  so  weit  überschreiten, 
dasz  sie  hier  nicht  unerwähnt  gelassen  werden  können. 

leh  meine  die  ältesten  Beiseromane,  die  Anfinge  einer 
Qsttong,  welche  wir  m  allen  Perioden  der  Entwickelnng  des 
Romans  antretten,  die  wir  aber  im  XVIII.  Jahrhundert  in 
einem  ganz  besonderen  Flor  finden  werden.  Die  wichtigsten 
der  mi  Mittehüter  Yom  Auslände  her  bei  nns  eingef&hrten 
Bdsebeschreibnngen,  von  denen  wenigstens  die  des  Manndevllle 
ganz  und  gar  zu  einem  Eoman  geworden  ist,  sind  bereits  weiter 


*l  Dr.  J.  G.  Th.  Gräsze,  Der  Tamihäuser  und  der  ewige  Jude. 
Zweite  vielfach  verbesserte  Auflage.  Dresden  liSlU.  Dies  erste  von 
(iräi-ie  nachgewiesene  deutsche  Buch  vom  e.  .T.  ist  Haii^/fii  1601.  1. 
erschienen,  wegon  der  anderen,  deren  Verhültnisz  init«T  einander  noch 
nicht  hinroiiluMid  klar  gestellt  ist,  verweise  ich  auf  Griisze,  Goedeke 
uud  Weiler,  da  ich  deren  Angaben  nicht  in  £inklang  zu  bringen  ver- 
ng. 


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—  222  — 


oben  im  YorfibergeheD  erwfthnt  worden.  Hier  ist  dieser  Art 
▼on  Bflehem  ihre  Bedeatang  für  den  besonderen  Gesehmadr 

grade  unseres  Volkes  zuzuweisen  und  die  Beschaffenheit  der 
ältesten  unter  ihnen  an  dem  hervorrni^^endsten,  dem  Herzog 
Emst,  nachzuweisen.  Das  Bach  vom  Heraog  Ernst  kennzeich- 
net sieh  dadurch  als  ein  echter  Boman  der  Eindheitspenode 
unserer  Gattung,  dasz  es  einen  auch  in  versificirter  Form  nn'hr- 
fach  behandelten  Stoff  vorträgt,  wenn  es  auch  unmittelbar  auf 
dne  latemische  Prosa  zurftokgefati).  Sem  Inhalt  ist  in  der 
verbreitetsten  Bedadaon  folgender: 

Emst  war  der  Sohn  des  alten  Herzog  Ernst  aus  Baiera 
und  Oesterreich  und  der  Adelheid ,  König  Lothars  Tochter. 
Kaiser  Otto  heunthete  Adelheid  nach  dem  Tode  ihres  ersten 
Mannes.  Der  Pfalzgraf  Heinrich  verleumdete  Ernst  beim 
Kaiser,  woraut  Emst  jenen  in  Gegenwart  des  Kaisers  ermor- 
dete. Infolge  hiervon  muszte  er  mit  sdnem  Freunde,  dem 
Grafim  Wetselo,  das  Land  rftnmen.  Sie  wallfhhrteten  ndt 
einander  nach  Jerusalem.  In  Ungarn  sowie  auch  in  Constan* 
tinopel  wurden  sie  gut  empfjangen.  Von  hier  aus  mit  Schiffen 
▼ersehen  gelangten  sie,  nachdem  sie  mit  ihrem  Gefolge  toq 
Bittem  und  IKenem  auf  der  8ee  grosze  Oe&hr  bestanden,  in 
das  Königreicli  Agrippa,  wo  sie  Leute  mit  Kraniehköpfen  zu 
bek&mpfen  hatten.   Hierauf  trieben  sie  an  den  Magnetberg, 


')  Sie  ist  von  Haupt  in  seiner  Zeitschritt  Bd.  VII,  S.  193  ff. 
herausgegeben,  lieber  die  übrigen  Bearbeitungen  vergl.  Herzog  Ernst. 
Herausgegeben  von  Karl  Bartsch.  Wien  1869.  Hiernach  beruht  das 
gedruckte  Buch  auf  der  etwa  um  14(X)  gefertigten  deutschen  Prosa, 
welche  der  lateinischen  in  der  Münchener  Handschrift  boigegfben  ist. 
Drucke:  o.  0.  u.  J.  (Augsb.  A.  Sorg)  fol.  —  o.  0.  u.  J.  (Stra^zb )  fol. 

—  0.  0.  u.  J.  (Augsb.  A.  Sorg)  fol.  —  o.  0.  u.  J.  (Augsb.  A.  Sorg, 
mit  dem  Schildtberger  u.  St.  Brandau.)  fol.  —  Nürnb.  u.  Augsb.  o.  J. 

—  0.  0.  u.  J.  8.  —  erneuert  Suir.  Vb.  LH,  4.  Marb.  Nro.  34.  —  Vgl. 
Görres  Nro.  12.  —  Bartsch  giebt  den  handschriftlichen  Text. 


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« 


—  223  — 

fOD  dem  sie  nur  mit  vier  Dienen  In  Hinte  genftht  und  von 
Gieifen  geraubt  loskamen.   Mit  einem  Flosz  MTen  sie  dnreh 

einen  hohlen  Berg  und  kamen  in  das  Land  Arimaspien,  wo  die 
Qydopen  wohnen.  In  dieees  Land  fielen  die  Sdopodes  ein, 
wddie  ihren  einzigen  aber  sehr  breiten  Fnes  ab  Sonneneohirm 
benützrii.  Ernst  schlug  sie  wie  auch  die  Pannochi  mit  den 
lang  herabhängenden  Ohrlappen.  Darauf  kamen  die  Riesen 
an  der  Gegend  yon  Canani,  nm  aach  von  dem  Hersog  Emst 
gaehbgen  za  werden,  einen  Ton  Ihnen  nahm  er  der  Merk- 
wftrdigkeit  halber  mit  sich.  Jetzt  ging  es  nach  Indien,  wo 
die  kleinen  Leute  wohnen,  welche  stets  mit  den  Kranichen 
Streit  haben,  iimst  besiegte  die  Vögel  nnd  erhielt  Ton  dem 
dankbaren  EOnige  swel  Pygmäen  geschenkt.  Daranf  leistete 
er  dem  christlichen  Könige  von  Mohrenland  gegen  den  heid- 
machen  Herrscher  von  Babylon  Beistand.  Nachdem  er  den 
letiteran  ge&ngen  und  einen  Friedensvertrag  zustande  gebraeht 
bitte,  erhielt  er  von  ihm  Geleit  nach  (dem  damals  christ- 
lichen) Jerusalem.  Von  da  fuhr  er  über  Bari  und  Rom  wieder 
nach  Dentschhuid,  wo  ihm  von  seiner  Mntter  beim  Kaiser 
Veigebong  auc^fewirkt  wurde. 

Jacob  Grimm  hat  sich  in  einer  Recension  der  deutschen 
Gedichte  des  Mittelalters  von  v.  d.  Hagen  und  Büsching») 
vorfaraffiich  nnd  flberanxs  lehneieh  Aber  die  Dichtung  vom  Herzog 
Snst  geinseot  nnd  ihr  den  Charakter  msr  Nationaldichtnng 
abgesprochen.  Das  bleibt  ohne  Zweifel  bestehen,  aber  dennoch 
ist  der  Herzog  Emst  ein  fftr  die  Entwickelungsart  unserer 
Literatur  wie  Ar  den  Ursprung  nnd  die  EigenthOmlichkeit 
der  Gattung  des  Romans  auf  deutschem  Boden  sehr  bezeich- 
nendes Erzengnisz.   Denn  der  Trieb,  fremde  Länder  kennen 


^)  Heidelberger  Jahrb&cber  1809.  Grimms  kleinere  Schriften  Bd. 
IV,  Seite  22  fL 


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zo  lernen,  m  es  aach  nur  dmek  Bflcher,  in  denen  mehr  Auf* 
Mendes  als  in  den  entfernten  Gegenden  selber  gefunden  wird, 

ist  ein  stehender  Charakterzug  unseres  Volkes  und  die  letzte 
Ursache  einer  groszen  Menge  von  Literaturprodacten.  Und 
ebenso  ist  die  Vorliebe  ffir  gelehrte  und  Entlegenes  nahebrin- 
gende Notizen,  die  als  Ouriosität  ein  besonderes  Merkmal  der 
deutschen  Literatur  des  XVII.  Jahrhunderts  wird,  tief  in  un- 
serer Yolksthümlichkeit  begrOndet   Ein  Beweis  hierför  ist, 
dasz  von  dem  Stoffe  unseres  Volksbuches  nicht  weniger  als 
acht  verschiedene  Bearbeitungen  vorhanden  sind,  und  wenn 
überhaupt,  besonders  aber  im  XVI.  Jahrhundert,  unser  Buch 
nicht  mehr  viel  gedruckt  worden  zu  sein  scheint,  so  liegt 
dieses  theils  an  der  damals  schon  yielfiieh  vorhandenen  besseren 
Leetüre,  theils  an  der  zunehmenden  Aufklärung,  infolge  deren 
wir  die  dem  Ht'rzog  Ernst  ähnliche  Eaise  des  Biundanus, 
welche  weniger  Unterhaltung  als  Erbauung  bezweckt^  schon 
um  den  An&ng  des  XVII.  Jahrhunderts  in  Gabriel  Bollenhagens 
indianischen  Reisen  verspottet  sehen.    Gar  nicht  hierher  ge- 
boren die  sich  in  einem  alten  Druck  mit  Ernst  und  Brandanus 
zusammenfindenden  Beisen  des  Schildtbergeis,  wdl  sie  wirkliche, 
wahrheitsgetreue  Reisebeschreibungen  sind,  die,  wie  noch  manche 
andere  derartige  Bücher  des  XV.  und  XVI.  Jahrhunderts,  eifrige 
Leeer  &nden  und  oft  gedruckt  wurden.   An  ihnen  konnte  die 
oben  bezeichnete  Neignng  Genflge  finden,  ohne  in  einer  wenig- 
stens in   geograpliischen  und  naturhistorische u  Kenntnissen 
etwas  fortgeschrittenen  Zeit  sich  durch  gar  zu  ai*ge  Phan- 
tastik  abgestoszen  zu  fühlen.   Hierdurch  dürfte  auch  die  Ur- 
sache angedeutet  sem,  weshalb  der  aus  des  Johann  von  Wfirz- 
bürg  Gedicht  in  Prosa  aufgelöste  Wilhelm  von  Oesterreich  nur 
einmal  gedruckt  ward Auch  die  mit  Sagen  vermischte  und 


0  Angsb.  A  Sorg.  1481. 


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—  225  — 

in  nrd  Beaibeitiuigen,  emer  mnfitti^eheii  und  dner  Udneren, 
TOlliaiMlene  Geschichte  Barbarossas*)  gehört  zu  den  Schriften 
äfrr  Anfangsperiode  des  deutschen  Eomans,  welche  historisclie 
Tfaatsaohen  oder  gei^phisohe  Notueen  mit  Pliantastik  yer- 
hsoim.  Wir  werden  in  spftteren  Zeften  sehen,  dasz  Irir  in 
diesen  Büchern  £leraente  haben,  welche  in  der  Geschichte  des 
BoBBttB  ZU  groeaer  Bedeutong  gelangten^).  naag  das 

HÜMT  sie  'Cfesifgie  genügen,  mii  das  VorbandenBem  dieser  Ble- 
mente  schon  im  ausgehenden  Mittelalter  nachzuweisen. 

Beilagen  zu  Capitei  Y. 
I. 

Aua  Glaus  Harr.  Frankfurt  1579. 

Der  dritte  teil/ 

Nim  beginnt  Glans  in  seiner  Thorlieit/die  sehtocht  Ynnd 
nin  ist /zu  Kunemmen  /  Deriialben  irerden  seine  Worte  vnd 

Schwencke  k&rtzweiliger  /  vnd  zn  guter  Lehre  auch  dienstlicher 


^  Soedeke  Gnmdr.  S.  lie.  Dan  WtlWr  M  IL  8.  807. 
Der  Ton  EtiMr  Marimfliait  entwoifoit  vnd  von  teineiii  Geheim* 
idireiber  Haz  TrelnaiierwdB  1518  auifearbdteto  Wein-König  gehört 
hOchfteiii  in  diese  Anmerlniiig,  da  er  In  der  Zeit  seiner  Enisteliiuig 
fir  keine  BoUe  gespielt  hat  imd  «nt  1775  (Wien  fol.)  gedrackt  wer- 
dm  ist  Bb  ist  niehto  als  ein»  CkMehiebte  Maiitiiliana  nnd  selnee 
TileiB,  nur  daai  alle  Sigeananiii  veribidert  sind.  OMhurdi  eneMit 
er  als  ein  Yorlftiifer  vieler  heroisch -galanten  Bomane»  welche,  wenn 
liekt  Geaehiehte,  so  doeh  Geaehiehten  ihreir  Gegenwart  In  iknlleher 
V«kllfaiag  dalbieten. 

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—  226  — 

ALS  man  za  Hofe  die  Murtinsgans  goHsen  / sprach  einer: 

Claus /wir  haben  Sanct  ^Faiiin  seine  Gansz  vorzohrot  /  ■vnnd 
ein  fr\it  Miithlein  gehabt*  Claus  antwortet:  Was  haben  wir 
jhm  dafür  gegeben?  Antwort:  Er  wolte  nichts  haben /Fund 
bat  sie  nns  gescbencket.  Clans  sprach:  E7  wohin /so  solte 
man  den  ^ten  GeseUen  auch  darzu  gebetten  haben  /  ein  andere 
fahrt  bette  er  vns  noch  eine  gescbencket /£r  hette  laam  gnog 
am  Tische  za  sitzen  gehabt 

Lehre. 

Sihe  doch  /  vnd  lerne  woi  hieran  / 
Danckbar  zn  seyn/der  dir  hat  than/ 
Sem  Freondtschafit  andi  an  dich  gewand/ 
Bin  Narr  ist  der /der  nicht  drumb  danckt. 
Wer  nicht  wolthat  vnd  gunst  verdient/ 
Den  acht  ich  gleich  seyn  einem  Bind. 

Keller  znschliessen. 

Nach  der  Martini  Gansz  /  erleubte  der  hoclil6bliche  Gi. 
F.  dem  Hofegesinde  zn  zechen  /  vnd  frilicb  zn  seyn  /  vn  sprach 
zn  Clausen:  Diesen  abend  willen  wir  den  Most  allen  ansz- 

triiicken  /  vnd  nicht  ein  Glaszlein  lassen  voll  vlirig  bleilien. 
Davon  lieff  Claus  zum  Kellner  /  vnd  sprach :  Nimb  die  Schlüs- 
sel /  ynnd  lege  dich  schlaffen  /  sie  w&Uen  diese  Nacht  den  Most 
allen  ansztrineken  / mache  du  zn/vn  kehre  dich  an  niemand/ 
man  musz  morgen  auch  ein  TrAncklein  haben. 

Lehn. 

Wer  rAthlich  ist  /  aufflicht  vnd  spart  / 
Der  find  vnd  hat  /  wonns  vbel  jart 
Vnd  wenn  man  alles  durch  verschwend/ 
Schlegt  man  die  Zoen  dann  in  die  Weod. 


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—  227  — 

Vnd  kompt/dasz  man  bedarff/auch  borg/ 
Vor  ¥08  nieht  eiiier  ist  der  soigt 

Der  First  theUet  das  newe  Jar  atisz. 

Der  Durch.  F.  theilet  den  Hofedienem  das  newe  Jar  ansz  / 
fü  be&hl/dan  man  froffi  vnd  trew  were.  Da  fragt  Glaus 

sein  Gl.  F.  G.  Lieber  sagt  mir/ wie  offt  kompt  das  newe  Jar/ 
in  einem  Jare?  Der  Fürst  sprach:  Es  k6mpt  nur  einmal  in 
emem  jare.  Da  sprach  Glans:  Das  ist  Üa  dich  gut /sonst 
wenn  es  ftffter  kirne /so  mistestn  auch  6fEter  anstheUen  /  vnd 

wurdest  nicht  viel  behalten. 

Lehre. 

Sey  nicht  zu  mfld/anch  nicht  zu  karg/ 
Triff  rechte  masz  /  die  ist  nicht  arg. 
Wer  gibt  vnd  geud  in  tag  hinein. 
Der  hat  viel  Leut  die  Freunde  seyn/ 
HeiTiach  wenn  er  bedarff/vnd  darbt/ 
Man  spricht /du  hast  das  dein  vernairt. 
Dmmb  halt  an  dich/s^  nicht  zu  mild/ 
Wer  weisE  was  noch  der  Weitzen  gilt? 

Glaus  wü  nichts  zum  newen  Jar  haben. 

Der  First  sprach:  Claus  wir  wttlen  dir  auch  das  neuwe 

Jar  geben  /  sage  doch  /  was  wiltu  haben  ?  Claus  fraget  wider: 
Warumb  wüt  du  mir  das  newe  Jar  geben?  Man  antwortet 
jhm  /  Dasz  du  auch  froffi  vnd  gehorsam  seist  /  wie  andere  trewe 
Hofdiener.  Desz  lachet  Glans /vnnd  sprach:  So  solt  du  mir 
nichts  zum  neu  wen  Jar  geben  /  ich  wil  sonst  wol  froiii  seyn  / 
Ynnd  mich  nach  dir  richten  /  dieweil  du  es  ja  so  wilt  haben  / 
dasz  man  solle  froffi  seyn/md  sich  in  deine  weise  richten. 

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—  228  — 
Iiebni' 

Am  FAnterirefe  stehts  nkfat  w«l  / 

An  dem  man  freundtscliafft  kauflfen  sol. 
Wer  nicht  ist  from/man  sehende  jm  cUknn/ 
Dir  ist  emi  ziemilidi  Christen  Hium. 
Vnd  Glaus  ist  weit  zu  loben  mehr/ 
Denn  der  ein  Gabenfresser  wer. 


IL 

Aus  dem  Schiltbürgerbuche.  Misnopotamia  1598. 

Wie  die  Sehfltbftiger  BahtseMugen/das  Idedit  m  {hr  Baüi- 

hausz  zu  trägem 

ALs  nun  der-beetbmnete  Bahts  Tag  iLonunen/enchienen  die 
Schiltbftrger  fleissig  /  also  dasz  keiner  anssblieb  /  dann  es  jlmen 

allen  gegolten  /  vmid  setzen  sich.  Es  hat  aber  jeder  ein  an- 
gezunden  Liechtsi»an  mit  sich  gebracht  /  vnnd  denselben  /  nach 
dem  sie  nider  gesessen/ anff  sein  Hut  gesteckt /damit  sie  inn 
dem  finsten»  BahtlMHiflz-  einand^  sehen /Tnnd*  der  Sdmltes 
einen  jeden  inn  der  ymbfrag  k6nte  seinen  Nahmen  vnnd  Titul 
geben.  Da  nn  die  gemeine  vmbirag  gethan  wurde/ wessen 
man  sieh  um  f&rgefoUenem  handel  znyerhalten/ fielen  viel 
widerwertige  Mejmnngen:  wie  gemeinlich  inn  zweiffelichen 
Hindeln  pflegt  zugeschehen. 

Vnnd  als  es  sich  schier  ansehen  Hess/ als  wdte  das  merste 
werdto/  ddSE*  man  den  gantEen  Btew  wider  anff  den  Boden  ah^ 
brechen  /  anff  ein  newes  auffP&hren  /  vnnd  besser  sorge  haben 
solte:  trat  einer  /  welcher  wie  er  zuvor  vnter  allen  der  aller 
Weiseste  gewesen  /  also  wolt  er  jetrand  als  der  aller  tborecb» 
tigste  sieh  erzeigen  /  berühr  /  vnd  sprach :  Er  habe  in  wirender 
seiner  Weiszheit  /  ehe  er  sich  derselben  verziegen  /  ofOtmaln 


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—  229  — 

fpeUti/dM  iMii  d«ndi'Ex«Dipel  vmd  Beyspiel  viel  lehren/ 

lernen  vnd  ergreiffen  k6nne.  Daher  dann  der  Aesopus  seine 
Lehren  durch  Fabeln  /  in  gestalt  knrtzer  Historien  /  för  Augea 
sieUe  willen.  Soldiem  nadt/ wdle  er  aadi  ein  Geschieht  er- 
iden/so  dd)  mit  seiner  lieben  GrosnaratterGrosmtters  Braders 
Sohns  Frawen  begeben  vnd  zugetragen  habe. 

Meiner  Groszmutter  Groszvatters  Bruders  Sohn/Vtis  ge- 
luiBsen/h&iet  aiiff  eme  Zeit  Ten  einem/ dasz  er  sagt:  Ey  wie 
tM  die  BepMner  so  gat:  Hastn  dan  geessen  /  spi-ach  meiner 
Groszmutter  Groszyatters  Bruders  Sohn /dasz  du  es  so  wol 
weist?  Nein  saget  der  ander:  Aber  ee  hat  mirs  einer  vor 
^aStiig  Jaien  gesagl/deesen  Groemmttor  Grosmtter  sie  Inn' 
»iner  Jngendt  hat  sehen  von  einem  EJdelmann  essen.  Ausz 
anlasz  solcher  rede/stiesz  meiner  Groszmutter  Grosvatters 
Broders  Sohn  ein  Eindbettem  gelost  an/dasz  er  gern  etwas 
gntes  essen  michte  saget  deshalben  zn  semem  Weibe/Ydena 
geheissen  /  sie  solte  jm  Küchlin  bachen :  dann  Re|thiiner  k6nt 
er  nit  haben /so  wüste  er  bessers  nicht /als  Kachlin.  Sie 
aber/als  deren  was  das Batterhifelin  vermAgens  wehre  besser 
«Is  jme  bewnst  gewesen / entschnldiget  sich:  sie  ktnne  jm 
ausz  mangel  desz  Butters  /  Auckens  oder  Schinaltzes  (wie  du 
will)  auff  disz  mal  keine  Küchlin  bachen  /  bäte  jhn  derowegen 
bin  anif  ein*  andere  Zeit  der  Efidilinr  halb  gednldt  zn  haben. 
Aber  meiner  Groszmutter  Groszvatters  Bruders  Sohn  hatte 
biemit  keine  Küchlin  geessen  /  vnd  seinem  Gelüst  nicht  gebüsset/ 
wdte  sieh  mit  so  sohlechtem/Mageran/Dftnem/Trockenem/ 
lagesalfeenem  vnd  VDgeschmallEGenem  beseheit/nidit  ako  schleoht- 
lieh  abweisen  lassen  /  sprach  derowegen  nachmahln :  Wie  die 
Saefa  jmmer  beschaffen  were/das  Auckenhafelin  belangend/ 
»sdte  sie  sehen /dasz  sie  jhm  Küchlin  baehete:  vnd  bette 
ae  nicht  Bntter  oder  Schmaltz  /  so  solte-  m  es  mit  Wasser 
versuchen.    Es  thuts  nicht/ mein  Vtijj/ sprach  die  Fraw  Vdena: 


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—  230  — 

ich  selbst  wolte  sonst  so  lange  nicht  ohne  Eüchlin  gebliebea 
seyn/weil  ich  mich  das  Wasser  nit  heite  bedaoren  lassen. 
Da  weist  es  nicht  /  sprach  melnor  GrosznraUer  Grosmtteis 
Bruders  Sohn  /  weil  du  es  niemaln  versuclit  liast.  Versuche 
es  erstlich:  vnd  so  nicht  wil  gerahten /  magst  du  alsdann  wol 
sprechen /es  thoe  es  nicht. 

Mit  dnem  Wort  zusagen /wolte  meiner  Grosmmtter  Gross- 
vatters  Sohns  Fraw  ruhe  haben  vnnd  zu  frieden  seyn  /  so  müste 
sie  dem  Mann  seines  begerens  halber  williahren  rhüret  der- 
wegen  emen  Eftchlin  tegrg  an/gantz  dftnn/als  ob  sie  wolte 
Streublin  bachen  /  setzet  ein  Pfannen  mit  Wasser  vbers  Pewr  / 
vnd  mit  dem  Teyg  darein.  Mit  nichten  aber  wolte  es  sich 
schicken /es  wolt  sich  eben  gar  nit  zusammen  wallen /dass 
Eftdüin  daransz  wurden  /  dieweil  der  Teyg  im  Wasser  zer> 
flösse  /  vnd  ein  Musz  oder  Brey  darausz  wurde :  dar«  ib  die  Fraw 
zornig  /  der  Mann  aber  leidig  ward.  Dann  sie  sähe  /  dasz  die 
Arbeit/Holtz  ?nd  MÜ/desz  Wasserbutters  yngeachtet/ verloren 
wehre:  so  stondt  meiner  Groszmater  Groszratters  seligen  Bru- 
ders Sohn  darl)ey  /  hielt  einen  Teller  dar  /  vnnd  wolte  das  erst- 
gebachene  Küchlin  also  waim  ausz  der  Pfannen  geessen  haben/ 
waidt  aber  betrogen.  Bots  kramet  schem  dich/sprach  meiner 
Groszmutter  Grosmttere  Bruders  Sohns  Fraw  /  guck  /  hab  ich 
dir  nicht  gesagt /es  thue  es  nicht?  Allzeit  wilt  du  recht 
haben /vnnd  weist  doch  nicht  ein  dinglin  darumb/wie  man 
Eftchlin  bach§  solL  Schwqrg  mein  Vdena  /  sprach  meiner 
Groszmutter  Groszvatters  Bruders  Sohn  /  lasse  dichs  niclit  ge- 
rewen  /  dasz  du  es  versuchet  hast.  Man  veisucht  ein  ding  inn 
so  viel  wege/bisz  es  zuletzt  gerahten  musz. 

Ist  es  schon  diszmals  nicht  gerahten /so  gerahtets  etwan 
ein  andeimal.  Es  were  ja  ein  feine  nützliche  Kunst  gewesen/ 
wan  es  vnget'übr  gerahten  wer.  Icli  mein  wol  ja  /  sagt  meiner 
Groszmutter  Groszvatters  Brudm  Sohns  Fraw:  ich  wolte  selbs 


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—  231  — 

aile  tag  Eftdüin  geessen  haben.  Dasz  ich  aber  spraeh  der 
dbgemelt  Schiltbürger  /  diese  geschieht  auif  vnser  vorhaben 
ziehe:  Wer  wei^z  ob  dz  Liecht  vnd  dor  tag  sich  nit  in  einen 
Sack  tragen  iiesse/ gleich  wie  das  Wasser  in  eine  Eymer  ge- 
tragen  wird.  Vnser  keiner  hats  jemaln  yersacbt:  dammb  wo 
es  euch  gefeit /so  w6lln  wir  dran  stehn.  Gcrliatot  es /so 
haben  wir  allzeit  vmb  so  viel  zum  besten /vnd  werden  als 
erfinder  dieser  Kunst  grosses  Lob  damit  erjagen. 

Oehets  aber  nicht  ab /so  ist  es  doch  m  vnserm  yorhaben 
der  Xurrey  halben  gantz  dienstlich  vnd  bequem. 

Dieser  Eaht  geüel  allen  Schiltbürgern  solcher  massen/ 
dasi  m  beschlossen /solchem  in  aller  ^le  nachzukommen. 
Kamen  derowegen  nach  Mittag /da  die  Sonne  am  besten  ge- 
schienen /  bey  dem  Eyd  gemahnet  alle  für  das  newe  Rhat- 
bausz/ jeder  mit  einem  Geschirre  /  damit  er  vermeint  den  Tag 
rafiasen  vnd  hinein  zntragen.  Biliche  brachten  auch  mit  sich 
Bickel/ Schauffein /Kirste/ Gab  ein  viul  anders /auif  ein  fürsorg/ 
damit  ja  gar  kein  fehler  begangen  wurde. 

So  bald  nun  die  Glocken  eins  geschlagen  /  da  solte  einer 
sein  Wnnder  gesehen  haben /wie  sie  alle  angefangen  haben 
zuarbeitten.  Etliche  hatten  lange  Sacke  /  licssen  die  Sonne 
drein  scheinen  bisz  auff  den  Boden  /  knüfften  jn  dann  eilends 
zn/vnnd  lieffen  darmit  ins  Hausz/den  Tag  auszzuschütten. 
Ja  sie  beredete  sich  selberst/sie  trüge  an  den  Sicken  viel 
schwerer  /  als  zuvor  da  sie  lihr  gewesen  Andere  thoten  oben- 
deszgleichen  /  mit  anderen  verdecketen  Gefessen/als  H4fen/ 
Eessehi/Zftbern/vmid  was  dergleichen  ist.  Emer  lüde  den 
Tag  ein  mit  einer  Strogabeln  in  ein  Korb  /  der  ander  mit  einer 
Schauffein:  etliche  grul)en  jn  ausz  der  Erden  herfür.  Eines 
Sehiltborgera  soU  sonderlich  nicht  vergessen  werden  /  welcher 
vermdnt  den  tag  mit  einer  Mauszfollen  zufongen/vnnd  also 
mit  gewalt  zubezwingen  /  vnd   ins  Hausz  zubringen.  Dasz 


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ichs  kurtz  mache:  jeder  hielte  sich  da /wie  sein  närrischer 
Eopff  68  jhme  an  vod  eingab. 

Solchs  trieben  sie  denselben  gantcen  tag /weil  die  Sonne 
geschienen  /  mit  solchem  e}fer  vnnd  ernst  /  dasz  sie  alle  darob 
ermüdeten  /  vnnd  Yon  Hitee  schier  verlechten  vnnd  erlagen. 
Aber  sie  richteten  mit  soleher  aibeit  eben  so  wenig  «oss/als 
vorzeiten  die  vngehewren  Biesen /da  sie  vil  grosse  Berge  zn- 
hauffe  ti'ugen/  vnd  den  Himmel  zustürmen  vermeinten.  Darumb 
sie  dan  letzlich  sgprachen:  Kon  wehie  es  doch  ein  Isyne  Eonst 
gewesen /wans  genhten  wen».  Also  sogen  m  ab/md  liatten 
dennoch  disz  gewonnen  /  dz  sie  doiliten  aufts  gemeine  Gut 
hin  zum  Wein  gehen  /  vnd  sich  wider  erquicken  and  erlaben. 


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Sechstes  CapIteL 


Anfinge  eines  deutschen  Original-KnnstiomaDS 

durch  Qeorg  Wickram.  Johann  Fischart. 

Wir  haben  in  den  drei  letzten  Capiteln  den  gröszten  Theil 
der  Prosadiclitungen  betrarlitct.  welche  dem  deutschen  Publi- 
emn  des  XV.  und  XVI.  Jahrhanderts  als  Unierhaitangslectüre 
dienten.  Ehe  wir  uns  nun  zu  dem  literarisdien  Ereignisz 
wenden,  welches  am  Ende  des  XVI.  Jahrliundcrts  einen  durch- 
greifenden Umschwung  begründet  und  auf  lange  Zeit  die  Rich- 
tung des  bei  weitem  nmiiuigreichsten  Theiles  unserer  Gattung 
bestimmt  —  ich  meine  den  Eintritt  der  Amadis-Romane  In 
die  deutsche  Literatur  —  ehe  wir  uns  mit  der  Beleuchtung 
dieser  sehr  weitschichtigen  und  Toluminösen  Erscheinung  be- 
fiissen  können,  haben  wir  noch  die  schriftstellerische  Thfttigkeit 
eines  Mannes  eingehender  zu  würdigen,  der  in  dem  vorliegen- 
den Buche  jedenfalls  einen  hervorragenden  Platz  verdient,  und 
nicht  Mos  deshalb,  weil  er  bisher  vielleicht  ftberhaupt  zu  wenig 
beaditet  worden  ist  Dieser  Mann«  ist  Georg  Wickram  von 

Colmar. 

Um  auf  die  Bedeutung  Wickrams  grade  für  die  Ent- 

wickehmg  des  deutschen  Bomans  das  erforderliche  Licht  fiiUen 

m  lassen,  dftrfte  es  nOlhig  sem,  uns  des  Ümfangs,  namentlich 

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aber  der  Beschaffenheit  der  bisher  betrachtetea  literanscheo 
Erscheinungen  von  einem  vorwiegend  formellen  Gedchtspnnkte 

aus  kurz  zu  orinnerii,  von  einem  Gesichtspunkte,  der  auch 
schon  für  die  üruppirung  des  im  IIL,  IV.  und  V.  Capitel  be- 
handelten Stoffes  maszgebend  war.  Wur  betrachteten  zuerst 
die  nmfangreichen  nnd  ausgefahren  Prosadichtungen,  die 
eigentlichen  Bomane  und  Novellen,  sodann  die  Schwankbücher, 
Sammlangen  >  oft  äusserst  bunte  Gonglomerate,  kleiner  nnd 
kleinster  Geschichten,  denen  sich  hie  und  da  um&ng- 
reichere  Erzählungen  ganz  äuszerlich  und  fremd  beimischen. 
Wir  sahen,  dasz  alle  eigentlichen  Romane  importirtes  Gut 
waren,  ebenso  die  wirklichen  Novellen,  der  Inhalt  der  Facetien- 
bücher  zeigte  sich  in  Hinsicht  auf  die  Herkunft  der  verschie- 
denen Stoftelemente  ebenso  bunt  wie  in  anderen  Beziehungen. 
EiDheunisches  und  Fremdes^  Altes  und  Neues,  ur^rflnglich 
VolkstihllmUches  und  Angeeignetes  fknden  wir  in  sehr  mani^ 
fachen  Mischungsverhältnissen  untereinander  gemengt  Im 
fünften  Capitel  endlich  stellten  wir  Alles  zusanunen,  was  bis 
in  die  zweite  Hälfte  des  XVI.  Jahrhunderts  yon  ganz  eeht 
deutschem  und  unserem  Volke  unzweifelhaft  zugehörendem 
Stoff  in  Werken  der  Prosadichtung  verarbeitet  wurde,  mit 
anderen  Worten  die  Bücher,  denen  eigentlidi  allein  die  Be- 
zeichnung „deutsche  Volksbücher**  im  vollen  Sinne  gebührt 
Wenn  die  im  vierten  Capitel  besprochenen  Facetienbücher  im 
Ganzen  in  Hinsicht  auf  ihre  nationalen  Quellen  zwisohen  den 
vom  Auslande  entlehnten  Bomanen  und  Novellen  einerseitB 
und  den  Volksbüchern  rein  deutschen  Ursprungs  andererseits 
in  der  Mitte  stehen,  so  bilden  letztere  wiederum  in  Hinsicht 
auf  ihre  formelle  Einheit  ein  Mittelglied  zwischen  den  Sdiwanfe- 
Sammlungen  und  den  Komanen  und  Novellen,  da  sie  wenig- 
stens in  den  Personen  der  Helden  jenen  gegenüber  eine  gewisse 
Einheit  fiMthalten,  eine  Sinfaeitt  weilte  sieh  bei  allen  weiter 


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ak  lof  4m  bkaen  Namen  entredil  Aber  grade  das  ist  m 

betonen,  dasz  es  in  keinem  dieser  Bücher  zu  dem  Grade  der 
£mheit  der  Handlung,  der  Begebenheiten  und  der  Charaktere 
kmunt,  wie  sie  ^  französiBcheD  fiomane  vand  die  italienischen 
KofeUen  aufweisen.  Es  war  desbalb  n(H;faig,  nns  bei  dem 
Siegfnedbuche  etwas  aufzuhalten  und  es  aus  der  Reihe  der 
iüteren  Volksbücher  zu  streichen,  weil  sich  sonst  das  Ergebnisz 
der  bidiflrigen  Untersttchang  liel  weniger  rein  herausstellen 
virde.  Dieses  Ergebmss  isi,  dasz  wir  eigentii<die  Bomnie  nnd 
NoTellen  bisher  nur  unter  den  aus  der  Fremde  eingeführten 
BAchem  gefunden  haben,  was  nach  Stoff  und  Form  deutsch 
ist,  sfeebt  anf  einer  niedrigem  Entwickeluigsstafe  der  Knnsb* 
fbnn.  Dasz  mehrere  der  echt  deutschen  prosaischen  Volks- 
bücher sich  der  Stufe,  auf  der  die  importirten  iiomane  in 
dieser  Beaehung  stehen,  annähern,  macht  nichts  ans,  auch  das 
SdiStbfiigerinicfa  nnd  das  Fanstbncfa  sind  doch  nur  Aneinander- 
rnhmigen  einzelner  Geschicliten ,  wenn  auch  das  eislere  sehr 
geschickt  gruppirt  ist  und  das  letztere  in  seinem  Stoße  selbst 
eine  bedentende  Anlage  tu  wirklicher  Einheit  der  Idee  nnd 
der  episdien  McÜYe  besitai  Man  wende  auch  nicht  ein,  dasE 
das  Buch  vom  Wigoleisz  und  der  deutsche  Prosa-Tristan  Auf- 
Itenngen  aus  deutschen  Gedichten  seien,  sie  wären  nimmer- 
mehr gemadit  worden,  wem  sie  nicht  den  üebersetEnngen 
tos  französischen  Prosaromanen  ans  guten  Gründen  so  ähnlich 
gewes^  wären  wie  ein  Ei  dem  andern. 

Bs  wird  mit  Becht  einem  Historiker  scharf  nnd  mit 
einigem  Misztnuien  anf  die  Fmger  gesehen,  wenn  er  die  Nei- 
gung zeigt,  nicht  allein  zu  erzählen,  was  sich  begeben  liat, 
sondern  auch  zu  beweisen,  dasz  es  so  kommen  muszte.  Trotz- 
dm  aber  kann  die  Behauptong  aufgestellt  werden,  man  müsse 
gegen  IGftte  dee  XVL  Jahrhunderts  damnf  gekommen  eem, 

das  zu  thnn,  was  Wickram  that,  nämlich  eben  solche  Ge- 
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schiebten  za  verfasseii,  wie  die  aus  dem  Fruiizozischen  über- 
iseizten  fiomane  waren,  ohne  nach  fremden  Vorlagen  za  greifen, 
oder  mit  anderen  Worten,  den  dentschen  Original-Eanstroman 
zu  begründen.  Allerdings  will  ein  Umstand  beacbtet  sein, 
der  einerseits  beweist,  dasz  dieser  Gedanke  doch  nicht  so  nahe 
]ag,  wie  er  nns  za  liegen  sehdnt,  and  der  eben  dadnreh  die 
Bedentsamkeit  des  Schrittes,  den  der  bescheidene  Stadtschreiber 
untornalim,  erhöben  wird.  Es  bedarf  keines  Beweises  mehr, 
dasz  der  Charakter  der  Ton  ans  im  dritten  Capitel  betrachteten 
Bomane  ein  miitelalterliclier  ist,  dasz  diese  ^ze  Gattung, 
abgesehen  allein  Yt)n  ihrer  prosaischen  Form,  noch  ganz  und 
gar  in  der  mittelalterliehen  epischen  Kunst  wurzelt.  Nun  ge- 
hört es  aber  zu  dem  Wesen  der  mittekilterlichen  £pik,  da9z 
der  Dichter  die  Stoffe  nicht  erfindet,  sondern  findet,  sei  es  in 
der  Sagenwelt  des  eigenen  Volkes,  sei  es  in  den  Sagenkreisen 
der  Fremde,  sei  es  in  dem  Legendenschatz  der  Kirche,  in  ge- 
schichtlichen ürinnernngmi  oder  sonst  wo.  Stoffe  za  Enfihlangeo 
ans  dem  Leben  zu  greifen  ist  modernes  Verfahren,  und  dämm 
ist  die  italienische  Novelle,  sofern  sie  dies  mit  Vorliebe  thut, 
weit  moderner  als  die  ihr  gleichzeitigen  Bitterromane.  Lang- 
sam and  in  keinem  Werke  ganz  ToDsttadig  sehen  wir  in  den 
französischen  Ritterromanen  die  Abhängigkeit  von  der  Kunst- 
übung des  eigentlichen  Mittelalters  sich  lösen,  und  wir  werden 
sehen,  dasz  Wickiam  wdt  mehr  that,  als  bisher  in  den  fran- 
zösischen Bomanen  geschehen  war,  wir  werden  s^en,  dasz  er 
in  seinem  bedeutendsten  Werke  einen  bürgerlichen  Familien- 
roman lieferte,  ein  Unternehmen,  zu  dem  ilun  jede  Vorlage 
fehlte  and  welches  in  der  That  bisher  onerhOrt  war. 

Bs  liegt  nicht  in  meiner  Absicht,  die  Erscheinung  Wick- 
lams,  den  ich  mit  Bedacht  den  bescheidenen  Stadtschreiber 
genannt  habe,  za  der  eines  groszen  Mannes  and  meine  Ajof- 
tonng  seiner  Sdniftstellerei  dadordi  za  einer  grazen  Bnt- 


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237  — 


deckimg  aufzubauschen.  Er  war  in  der  Thai  zu  seinem  Berufe 
als  Bomanschreiber  weit  weniger  mit  nm&ssender  Bildong  and 
wobl  ancb  weniger  mit  bedeutenden  geistigen  EigensebaAen 
ansgerüstet  als  Heinrich  Steinhöwel  und  Niclas  von  Wyle, 
seine  wichtigsten  Vorarbeiter.  Die  viel  günstigere  Zeit  ailän 
war  die  Ursache,  dasK  er  mit  seiner  Thfttigkeit  weit  entscbie- 
dener  in  die  Entwickelung  der  deutschen  Prosadichtung  ein- 
griff. Ohne  Zweifel  aber  verdient  auch  seine  Person  und  seine 
üterariscbe  Thfttigkeit  flberhaapt,  dasz  wir  dabei  einige  Zeit 
TerweQen,  ehe  wir  uns  znr  genaueren  Betrachtung  semer  Tier 
eigentlichen  Romane  wenden. 

„Es  ist",  sagt  Heinrich  Kurz  mit  ßecht,  ..ein  trauriger 
Beweis  von  der  Gleichgältigkeit  der  deutschen  Gelehrten  gegen 
die  hämische  Literattfr,  dasz  wv  von  den  meisten  Schrift- 
stellern der  früheren  Jahrhunderte  keine  oder  sehr  nothdürftige 
Nachiichten  haben."') 

Wir  wissen  allerdings,  dass  die  Wiokramsche  Familie  un 
Elsasz,  namentlich  in  unseres  Wickram  Geburtsort  Colmar,  sehr 
verbreitet  und  nuch  angesehen  gewesen  ist.  Auszer  Jörg 
Wicknun  sind  noch  nachweisbar  Yincentius,  Conrad,  Peter  und 
Gregoiins  Wickram  ^.  Welchem  Manne  dieses  Namens  zu  Ehren 


')  In  der  Einleituiip  zn  der  Ausgabe  des  Rollwagenhik-hleins. 
Auszer  dieser  Einleitung  ist  über  Wickrara  zu  vergleichen  Dr.  Kienlen. 
Ein  Colmarcr  Dichter  aus  der  Mitte  des  16.  Jabrbanderts  in  den 
Elaässischen  Neujahrsblättern  von  18-4G.  S. 

*)  Dieser  (iregorius  Wickrani  wird  von  Ignaz  Hub  in  seinem 
Buche  „Die  komische  und  humoristische  Literatur  der  deutschen 
Prosaisten  des  sechzehnten  Jahrhunderts.  Nürnberg  ISofi"  mit  Georg 
Wickram  verwechselt  und  letzterem  deswegen  die  Uebersetzung  der 
„Biecher  Vincentii  Obsopei,  Vonn  der  kunst  zu  trincken*'  zugeschrieben. 
Das  Hübsche  Buch  ber&hrt  sich  vielfach  dem  Stoffe  nach  mit  dem  vor- 
liegenden und  enth&lt  sehr  umfangreiche  Proben,  seiner  ganzen  Be- 
(dukffenheit  nach  aber  konnte  es  mich  nirgends  fördern  und  ist  nur 
vH  grooer  Vorsicht  zn  benutzen,  Yergi  auch  Kurz  S.  YL,  Anm.  % 


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—   238  — 

aber  die  Wicknungasse  za  Colmar  so  heiszt,  steht  nicht  fest 
Ebenso  wenig  ist  bekannt,  wer  Jörge  Vater  gewetsn,  nnd 
wenn  auch  aus  der  häufig  wiederkehrenden  Bezeichnung  „von 
Colmar'^  mit  ziemlicher  Sicherheit  auf  seinen  Geburtsort  ge- 
schloesoi  werden  kann,  so  fehlen  doch  andi  hierftber  noeh 
nrkondlicbe  Beweise.   Von  sdner  Brziehnng  nnd  Bfldnng  Itat 
sich  nach  seiner  eigenen  Aeuszerung  in  der  Zuschrift  des  Ovid 
nnr  etwas  Negati?eB  sagen,  nämlich  dasz  er  nicht  lateinisch 
yerstand.  Dass  er  ein  Handwerk  gelernt  habe,  wie  Goedeke 
vermuthet,  möchte  ich  mit  Kurz  kaum  für  ausgemacht  halten, 
wenn  auch  feststeht,  dasz  er  Meistersänger  war.   Diese  letztere 
Thatsache  ergiebt  sich  ans  sdner  eigenen  handsehiiftlichen 
Bemerkung  in  dem  der  Eönigl.  Bibliothek  zu  Mönchen  ge- 
hörenden Meistergesangbuch,  wonach  ei*  dieses  Buch  im  Jahre 
1546  am  Thomas-Tage  zn  Schlettstadt  gekauft  nnd  an  dem 
darauf  folgenden  Weihnachten  die  erste  Schule  (Sitzung  der 
Meistersängergesellschaft)  abgehalten  hat.    Als  Stifter  der  Col- 
marer Schule  bezeichnet  ihn  eine  handschriftliche  Bemerkung 
▼on  Hans  Sachs  in  dnem  anderen  auch  in  Mönchen  befind- 
lichen von  Wickram  abgeschriebenen  Liederbucbe.    Von  Wiek- 
rams  Lebensstellung  wissen  wir  nur,  dasz  er  Stadtschreiber  zu 
Burgheim  war,  ob  dieses  Burgheim  aber  das  im  EQsasz  oder 
das  im  Badenschen  gewesen,  Ist  nicht  festzustellen,  die  dahin 
zielenden  Versuche  von  Heinrich  Kurz  führten  zu  keinem 
Besultat.  Derselbe  bemerkt  über  Wickrams Todesjahr:  „Wenn 
Jörg  Wickram  gestorben  ist,  Iftszt  sich  nicht  ermitteln,  so 
wichtig  es  wäre,  sein  Todesjahr  zu  wissen,  weil  sich  zum  Theil 
daraus  entnehmen  liesze,  welche  Ausgaben  seiner  Werke  von 
ihm  besorgt  worden  sind.  Der  Buchdrucker  Thiebold  Berger 
von  Straszburg  hat  ihn  in  der  bei  ihm  erschienenen  Ausgabe 
des  Tobias  vom  Jahre  1562  als  verstorben  bezeichnet,  ich 
Yermuthe,  dasz  er  früher  gestorben  ist,  vielleicht  schon  Ende 


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—   239  — 

1556  oder  1557,  weil  keine  einzige  seiner  Schriften  nach  1557 
in  enter  Ausgabe  eisoheint,  während  seine  Haupithätigkeit 
gerade  in  die  i&nfinger  Jahre  fiUlt^^  Vielleicht  bringt  ans  die 
von  Goedeke  in  seinem  Gangenbach  S.  597,  Anm.  '2*2  in  Aus- 
sicht gestellte  Monographie  über  Wickram,  von  der  Kurz  mit 
Beeht  beklagt,  dasz  sie  noch  nicht  erschienen  ist,  noch  yer- 
schiedene  Aufschlüsse,  die  Hauptarbeit  aber  bei  der  Feststellung 
der  äuszeren  Lebensumstande  unseres  Schriftstellers  musz  den 
sfiddeatsohen  Gelehrten  zageschoben  werden,  da  sich  selbst- 
▼eniändlich  hier  nur  durch  die  spedellste  Localforschang 
helfen  läszt. 

Umfangreicher  und  deutlicher  ist  das  Bild,  welches  wir 
ans  über  Wickrams  Schriftstellerei  zu  machen  im  Stande 
sind.  Dem  dramatischen  Fache  scheint  er  sich  zuerst  zuge- 
wandt zu  haben.  Hierher  gehören  seine  „Zehen  Alter^*  eine 
Ueberarbeitung  des  gleichnamigen  Spieles  von  Pamphilus 
Gangenbach,  gespielt  von  der  Oolmarer  Bürgerschaft  1531, 
gedruckt  zum  erstenmale  im  Jahre  1533,  ferner  die  beiden 
Faaznachtsspiele  „Das  Narrengieszen*^  (gedr.  1538)  und  n^er 
trew  Eckart'^  (gedr.  1538),  das  Spiel  vom  „Verlorenen  Sun^^ 
(gedr.  1540)  und  der  „Tobias^'  (gedr.  1551).  1539  veröffent- 
lichte Wickram  ein  Loosbuch,  eine  damals  beliebte  und  meist 
harmloser  Unterhaltong  dienende  Spielerei,  deren  Abkömmlinge 
und  Abarten  bis  auf  unsere  Zeit  ihr  bescheidenes  und  obseures 
Dasein  als  Punktir-,  Orakelbücher  u.  s.  w.  fristen.  1551  er- 
schien eine  Bearbeitung  des  Ovid  des  Albrecht  yon  Halberstadt 
Mehr  didaktischer  Art  sind  der  „Dialogus  von  der  Truncken- 
heit''  (0.  J.)  „Der  Jrr  Reitend  Bilger'\  (1550)  eine  Zusam- 
menstellung von  moralischen  Betrachtungen  in  Versen,  die 
^ßkhea  Hauptiaster^^  (1S56),  kleine  prosaische  Erz&hlungen 
meist  aus  der  Bibel,  und  die  „Narrenbeschwerung"  (1557). 

¥mi  von  Wickrami>  VVerkeu  gehören  der  Gattuug  an, 


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—   240  — 

welcher  dieses  Bach  gewidmet  isi,  das  Bollwagenbllclildn  und 

die  vier  Koiiiane  Gabriotto  und  Reinhart,  Der  jungen  Knaben 
Spiegel,  YoQ  guten  und  bösen  Nachbaurn  und  Der  Goldtüaden. 
Wir  haben  es,  das  sehen  wir  jetzt  schon,  mit  einem  rflstigen 
Schriftsteller  zu  thun,  und  zwar  mit  einem,  dessen  gesammte 
Tliiitigkeit  sich  als  populäre  ünterhaltungsscliriftstellerei  be- 
zeichnen läszt  Diejenigen  seiner  Schriften,  welche  am  ent- 
schiedensten diesen  Charakter  an  sich  tragen,  also  dieselben 
fünf  Werke,  welche  uns  am  meisten  interessiren ,  sind  auch 
die  beliebtesten  und  verbreitetsten  gewesen.  Das  fioUwagen- 
bflchlein  beschftftigte  uns  im  vierten  Gapitel,  wir  gehen  daher 
jetzt  vor  allen  weiteren  Bemerkungen  an  seine  Romane. 

1.  Gabriotto  und  Reinhart  erschien  zuerst  im  J.  1551') 
zu  Straszburg  bei  Jacob  Frölich  in  4«  Der  vollstftndige  Titel 
lautet:  Ein  SchJne  vnd  doch  klagliche  History  /  von  dem  sorg- 
lichen anfang  vnd  erschrocklichen  vszgang  /  der  biinnenden 
liebe /Nemlich  vier  Personen  betreffen  /  zwen  Edle  Jfkngling 
von  Parisz  /  vnd  zwo  schiner  junckfrawS  vsz  Engelandt  /  eine 
des  Künigs  Schwester  /  die  ander  eines  Graffen  tochter.  Allen 
junckirawen  ein  gute  wamung  fast  kurtzweilig  zu  lesen. 

Der  Inhalt  ist  folgender.  Zu  der  Zeit,  als  in  Frankreich 
der  gewaltige  und  tyrannische  König  Ludolffus  regierte,  ward 
ein  armer  Mann  bei  demselben  ßüschlich  verklagt  und  sollte  ohne 
alle  Verantwortnng  getödtet  werden.  Ein  wackerer  Ritter  an 
des  Königs  Hof  wagte  es,  diesem  Vorstellungen  zu  machen, 

')  Bei  Goedeke,  Grnndr.  Ö.  370  fehlt  die  Jahreszahl,  welche  sich 
aber  auf  dem  letzten  lUutt  des  der  Brcslauer  Stadtbibliothek  pehören- 
don  Exemplars  in  römischen  Zifforn  befindet.  Auch  Kurz  setzt  in 
seiner  Angabc  hinter  l')51  ein  V  Weitere  Ausgaben  erschienen  zu 
Frkf.  a.  M.  o.  J.  -  im  Buch  der  Liebe  1587.  —  o.  0.  u.  J.  (Nürn- 
bertx.  Endter.)  —  o.  0.  1563.  —  Niederdnitsch :  Ilamborch  bei  Her- 
mann Mollern  1601.  Nach  Gervinus  III.  167)  auch  unter  dem  Titel: 
„Der  UQbcsonncncu  Jugend  Arzueis^iicgel^'  o.  0.  u.  J.  (im  XVIL  Jahrb.) 


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—   241  — 

der  Köni^,'  ;iber  gerieth  hierüber  in  solchen  Zorn,  dasz  er  dem 
tnffliehen  Gernier  Tom  Hag  gebot,  biimeii  Monatsfrist  das  liand 
ZQ  Terlassen.  €Fernier  setzte  seinen  sechsehnjährigen  Sohn 
GabriüttOf  einen  scliönen  und  wohlgesitteten  Jüngling,  von  dem 
verbftDgnisiETolleQ  Vorgänge  in  Eenntmsz,  worauf  dieser  es  als 
selbstrersiftndlich  erklärte,  dasz  er  mit  seinem  Vater  in  die 
Verbannung  gehen  werde. 

Gabiiotto  begab  sicli  nach  der  Unterreduag  mit  seinem 
Viter  zu  seinem  Freunde  Beinhart,  und  dieser  entschlosz  sich 
sogleich,  mit  den  beiden  auszuwandern.  Obgleich  der  König 
inzwischen  anderen  Sinnes  ward  und  Gernier  durch  Versprechun- 
gien  zorückzuhalten  sieh  bemühte,  reisten  der  Bitter  and  die 
beiden  jQnglinge  doch,  nachdem  sie  ihre  bewegliche  Habe 
verkauft  hatten,  ab.  Erst  gingen  sie  nach  Portugal,  sodann 
nach  England.  Hier  sollte  gerade  zur  Hochzeitsfeier  einer 
Tom  Könige  aasgestatteten  Dame  ein  Tamier  gefeiert  werden. 
Die  drei  Fremden  erschienen  sehr  .scliöii  ausgerüstet  am  Hofe 
und  stellten  sich  dem  Könige  ?or,  der  sie  freundlich  aufnaliui. 
Auf  der  Hochzeit  ward  „der  welsdbe  Tanz^*  getanzt,  welchen 
Gernier  auf  des  Königs  Wunsch  mit  der  Königin,  Gabriotto 
mit  Philomena,  des  Königs  Schwester,  und  Reinhart  mit  liosa- 
mnnde,  eines  Grafen  Tochter,  aufführte.  Bei  dieser  G^egen- 
heit  Terliebten  sieh  die  beiden  jungen  Paare  in  einander. 
Gabriotto  hatte  bald  darauf  das  Unglück,  auf  der  Entenbeize 
za  stürzen.  W&brend  er  in  Folge  dieses  Unfalls  krank  war, 
sehidcte  ihm  Philomena  dordi  die  anftnglich  widerstrebende 
und  abratliende  Rosaniunde  einen  Ring  mit  einem  kostbaren, 
gesund  machenden  Steine.  Eine  Unterhaltung  zwischen  den 
beiden  jangen  Damen  gab  Bosamonden  Gelegenheit,  ihre  Be- 
bumtsehaft  mit  Florio  and  Bianceffora,  Tristan  nnd  Tsalde 
an  den  Tag  zu  legen.  Beide  warfen,  um  den  Jünglingen  zu 
zeigen,  woran  sie  wären,  ans  einem  nach  dem  Ballspielplatz 


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—  242  — 

gelegenen  Fenster  Erinze  auf  sie  heninier,  Philomena  anf 

Gabriottos  Achsel  sogar  ein  Fatzanetlin.  In  einem  darauf 
folgenden  Gespräch  zwischen  den  beiden  Freunden  offenbarte 
der  abrathende  Beinhart  seine  Belesenheit.  Qabriotto  Temfthte 
emen  Liebesbrief  in  einen  Ball  und  warf  diesm  der  Prinsess 
Philomena  ins  Fenster,  auf  gleichem  Wege  erhielt  er  von  ihr 
eine  sehr  befriedigende  Antwort 

Bei  einem  Ballspiele,  zu  dem  Philomena  den  Preis  aus- 
gesetzt, zeichnete  sich  Gabriotto  aus,  Reinhart  fand  Gelegen- 
heit, mit  Rosamunde  zu  reden.  Ihn  und  sie  belauschte  der 
Bitter  Orwin,  dessen  Aufmerksamkeiten  Bosamnnde  früher 
zurückgewiesen  hatte,  nnd  rftohte  sich,  indem  er  des  Königs 
Papagei  die  Worte:  „Orwin!  Rosamunde  liebt  Reiuhart  mehr 
als  dich!^^  sprechen  lehrte.  Der  König  wurde  aufmerksam, 
und  es  gehug  ihm,  nadidem  ein  sachverstftndiger  Vogelhändler 
ZQ  Batbe  gezogen  worden,  Orwin  m  entlanren.  Letzterer 
ward  sehr  ungnädig  angelassen,  ja  ihm  zum  Trotz  schlug  der 
König  Gabriotto  und  Beinhart  zu  Bittem,  und  die  Damen 
b^glückwflnsditen  diese  voll  groszer  Fronde. 

Bald  nachher  fand  vermittelst  eines  abgerichteten  Falken 
wiederum  ein  Austausch  von  Liebesbriefen  statt,  auch  landen 
die  zwei  Damen  in  Lanreta,  einer  Ertzetin  der  Königin,  eine 
zur  Hilfeleistung  geeignete  nnd  geneigte  Persönlichkeit,  als 
welche  ein  läntjeres  Rendezvous  zwischen  den  beiden  Liebes- 
paaren  in  den  Zimmern  der  Philomena  sehr  geschickt  zu  Stande 
zu  biingen  wnszte.  In  einiger  Zeit  &nd  ein  Turnier  statt» 
<}abriotto  erraog  den  Preis  und  ward  vom  Könige  des  Abends 
der  Philomena  zum  Vortanz  zugeführt.  Da  aber  Reinhart  an 
seiner  Rüstung  als  Abzeichen  lauter  Bosenzweige  fEÜirte,  so 
schöpfte  der  König  Aigwohn  und  firagte,  aber  ohne  Erfolg, 
Gabriotto  über  Beinharts  Verhältnisz  zn  Bosamunde  aus. 
Durch  die  von  Gabriotto  erhaltene  Antwort  nicht  befriedigt, 


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—  Ä4S  — 

bdUd  er  aeiiMD  HofedeUeateo,  auf  B«uibart  und  BoBSiminde 
adkniiierkeii.    Dieser  Befehl  ward  aber  dueh  einen  Bittor 

Namens  Eberhard  von  Lilien  dem  Keinhart  zur  Warnung  hinter- 
hncht,  und  dieser  verständigte  durch  Laureta  seine  Geliebte  hier- 
VKL  Ein  NigroinanüßDS  ans  Paris  lehrte  die  beiden  Jftnglinge 
ciae  Schrift  schrnben,  die  nnsiehtbar  blieb,  bis  man  das  Papier 
in  Brunnenwasser  tauchte.  Der  König,  durch  Orwin  darauf 
aofinericsam  gemachtf  daaz  Beinhart  eines  Tages  im  fraoen- 
nmmer  Bosammiden  den  Hof  maditof  fähr  letrteren  hart  an 
and  redete  mit  Gemier  von  der  Sache,  welcher  nun  zu  seiner 
^oszen  Bekümmemisz  im  Gespräch  mit  Reinhart  and  Grabriotto 
bade  laebesFerhftltnisse  entdeckte.  Die  beiden  jungen  Bitter 
bescUoesen,  nm  des  EOnigs  Verdacht  zn  vertreiben,  von  ihm 
Urlaub  zu  einer  Reise  nach  Frankreich  zu  nehmen,  wozu  sie 
von  ihren  Damen  sehr  schwer  die  Einwilligung  erhielten. 

Kach  thrftaenreidiem  Abechiede  schüften  sich  Beinhart 
and  Gabriotto  nadi  Franbdch  ein.  Sie  litten  Schiffbrach. 
Zwei  Hunde,  die  sie  mitgefuhrt,  retteten  sich  auf  einen  Felsen 
and  worden  von  einem  nach  England  segelnden  Schiffe  auf- 
gBBommeD;  dieser  ZoihU  veradaszte  die  Yennntirang,  sie  seien 
angekommen,  während  sie  in  Wahrheit  glfleidich  nach  Frank- 
reich und  an  den  Hof  gelangten.  Yen  hier  aas  sandten  sie 
Botschaft  an  ihre  Damen,  indem  sie  sich  der  von  dem  Nigio- 
msnticas  gelernten  Eonst  bedienten  nnd  Gemier  die  Briefe 
fibennittelte.  Der  König  von  Frankreich  machte  unterdessen 
dea  Versach,  die  beiden  Ritter  in  Frankreich  zu  verheirathen 
aad  ao  an  sich  za  fesseln.  Den  ihnen  gelegten  Schlingen 
VQSEten  sie  sieh  nor  dnrch  List  nnd  endlich  nor  dordi  Qe^ 
walt  zu  entziehen. 

Kaum  aber  waren  Oabhotto  und  Beinhart  wieder  gl&cklich 
ia  England  angekommen,  als  die  EOnigin  an  Oabriottos  Finger 
den  Bing  erkannte,  den  ihm  Philomima  beim  Abschiede  ge- 


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—   244  — 

schenkt  hatte.  Nun  beschlosz  der  König,  einen  Spion  als 
Narren  zn  verkleiden,  damit  er  hinter  Qabriottos  Geheimnin 

komme.  Dies  gelang  auch,  und  der  Narr  erhielt  den  Auftrag, 
öabriotto  auf  einer  Jagd  umzubringen.  Doch  letzterer,  von 
des  Königs  Eammerbuben  gewarnt,  zwang  vielmehr  den  Narren 
den  vergifteten  Apfel,  den  er  ihm  präsentirte,  selber  zq  essen, 
worauf  er  eiligst  nach  Portugal  entfloh.  Auf  der  Seefahrt 
wurde  er  krank  nnd  starb  endlich  in  einer  kleinen  fremden 
Seestadt.  Vor  seinem  Tode  befieihl  er  seinem  Diener,  sein  H«rz 
der  Geliebton  zu  bringen,  sein  Geist  aber  erschien  der  Philo- 
mena bei  Nacht  und  entfernte  sich  mit  tiefem  Seu£sen. 

Vorher  schon  hatte  Philomena  ihrem  Bruder,  dem  Könige, 
ihre  Liebe  zu  Gabriotto  gestanden,  weshalb  jener  in  den  Häfen 
genau  aufpassen  lieaz  uud  auch  den  Knecht  des  Ritters  ge- 
fangen bekam.  Dieser  wurde,  da  de^  König  seiner  Aussage, 
Gabriotto  sei  todt,  nicht  glauben  wollte,  mit  der  Folter  be- 
droht, weshalb  er  das  Herz,  den  Ring  und  einen  Brief  vor- 
wies. Der  König  lieaz  diese  Gegenat&nde  seiner  Schwester 
überbringen,  welche  der  Schmerz  sofort  tödtete.  Bald  staib 
auch  lieinhart  vor  Kummer.  An  seinem  Sarge  sank  Rosa- 
munde  entseelt  nieder. 

2.  Der  KnabenspiegeL')  Am  Hofe  des  Hochmeisters 
in  Preuszen  lebte,  schon  fQnfzig  Jahre  alt  und  noch  nicht 
verheirathet ,  der  Ritter  Gottlicl).  Eines  Tages  fiel  es  dem 
Hochmeister  ein,  dasz  Gottlieb  für  seme  Verdienste  durchaus 
noch  nicht  hinreichend  belohnt  sei,  und  da  gerade  sein  Schenk 
gestorben  war,  machte  er  Gottlieb  zu  dessen  Nachfolger  und 
verheirathete  ihn  mit  der  Wittwe.   Eine  Zeitlang  blieb  das 

1)  Der  Jungen  Knaben  Spiegel.  Ein  kurzweilig  Histoiy  ftweier 
Knaben,  deren  ehier  eins  Bitters,  der  ander  eines  Bawem  Son  war. 
Erste  Ansgabe  Strasxbnrg  1554.  4.  —  Femer:  Strassbnrg  1555.  4.  — 
Frankf.  Weygand  Han.  1557.  8.  —  Oölbi  1595. 


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—   245  — 


Pfear  m  seiner  grossen  Bekümmerniss  ohne  Leibeserben,  doch 

lebte  auf  einem  Gute  Gottliebs  ein  sehr  kinderreiches  Baue rn- 
Ehi^aar,  Budolf  und  Patrix.  Als  letztere  wieder  einmal  ihrer 
Niedertoinft  nahe  war,  nahmen  sie  die  Bitterslente  va  sich, 
ihren  nach  kurzer  Zeit  ge])oronen  Sohn  trug  Gottlieb  zur  Taufe, 
and  sie  nahmen  ihn  als  ilir  Kind  an.  Ein  Jahr  darauf  gebar 
Coneordia,  GottUebs  Gemahlin  auch  einen  Sohn. 

Als  beide  Knaben,  nachdem  sie  das  erforderliche  Alter 
erreicht,  dem  Schulmeister  Felix  übergeben  worden  waren, 
nichnete  sieh  der  Banemsohn  Fridbert  sehr  bald  durch  seinen 
Leneifer  nnd  sein  gates  Betragen  vor  Wilibald,  seinem  Ge- 
sellen, aus.  Der  Schulmeister  redete  Wilibald  ins  Gewissen, 
aber  des  letzteren  Mutter  nahm  sich  seiner  auf  unverständige 
Weise  an  nnd  verlangte  eine  mildere  Behandlung. 

Die  Folgen  blieben  nicht  aus.  Wilibald  achtete  nicht 
mehr  auf  die  Warnungen  seines  Lehrers,  suchte  schlechte  Ge- 
sellschaft  auf,  so  sehr  ihn  auch  sein  Genosse  Fridbert  hiervon 
larflclanhalten  suchte,  und  befreundete  sich  besonders  mit 
einem  Metzgerssohne  Namens  Lotarius ,  einem  äuszerst  nichts- 
naizigen  Jungen.  Als  eines  Tages  der  nunmehr  elQfthrige 
Fridbert  den  zehnjfthrigen  Wilibald  mit  Lotarius  in  einer 
Tabern  fand  „schlecken  und  spielen'^  machte  er  dem  letzteren 
heftige  Vorwttrfe  und  drohte,  es  seinen  Fflegeeltem  anzuzeigen, 
womuf  ihm  Lotarius  h(ttinend  seinen  niedrigen  Ursprung  vor- 
hielt und  drohte. 

Fridbert  ging,  nachdem  er  die  Trotzrede  mit  Wenigem 
beantwortet,  betrübt  von  dannen  und  nahm  Bücksprache  mit 
Felix,  der  ihm  zuredete,  die  Sache  sich  nicht  allzusehr  zu  Herzen 
tu  nehmen.  Beim  Abendimbisz  war  Wilibald  nicht  zur  Stelle, 
Fridbert  sagte  dem  Bitter,  wo  er  ihn  getroffen,  was  dem  Felix 
Yorwflrfe  emtmg.  Bald-  aber  erschien  Wilibald  und  benahm 
sich  bei  Tische  hOcbst  unmanierlich  zum  groszen  Yerdrusz 


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seines  Vaters.  Doch  die  Matter  meinte,  dasz  Witz  nicht  Tor 
JahNB  komme,  mid  es  geschah  zonftchst  nichts,  als  dasz  Felix 
den  Auftrag  erhielt,  strenger  za  sein. 

Wilibald  suclite  und  fand  eine  gelegene  Zeit,  seiner  Mutter 
Yorzuweinen,  und  Latte  durch  die  Drohung  fortzulaufen  so 
gnten  firfolg,  dasz  Felix  wiederum  Weisung  erhieli,  seinen 
Zögling  milder  zu  bdiandeln,  und  wenn  sioh  der  Biibsr  in 
die  Erziehung  des  Sohnes  mischen  wollte,  wuszte  sie  ihm  auch 
allewege  einen  Affen  zu  machen.  Lotarius  seinerseits  ledeto 
WilibaUi  anfs  Neue  zu»  sidi  an  Fridbert  und  Felix  duniiaas 

nicht  mehr  zu  kehren. 

Als  nun  aber  eines  Tages  dem  Bitter  Gottlieb  von  seinen 
Freunden  ▼erkundschaftet  ward,  dasz  Wilibald  mit  seinen 
seilen  in  einer  Tabem  zeohte,  schickte  er  nach  ihm,  aber  der 
ungerathene  Sohn  kam  nicht.  Nachdem  Gottlieb  den  Felix 
hart  angefahren  und  letzterer  die  unheilvolle  Xntercession  der 
Mntter  hatte  durchblicken  lassen,  ward  Felix  sdbst  Yon  dem 
Ritter  geschickt.  Bor  Schuhneister  wollte,  in  der  Tabem  an- 
gekommen, dem  wohlbezechten  Wilibald  zum  Behufe  einer 
Execution  die  Emm  abziehen,  wurde  aber  dabei  von  ihm 
mit  einem  Dolche  verwundet  Als  nun  endlich  Gotüieb  in 
eigener  Pei-son  in  die  Tabem  eilte,  entfloh  Wilibald  mit  seinen 
Gesellen  durch  einen  Laden  hmten  auf  die  Straaze  hinaus. 
Lotarius  stahl  am  nftchsten  Tage  seinem  Vater  ein  gut  Theil 
Geld,  und  die  beiden  Knaben  machten  m(k  aus  Boszna  foit 
nach  Prcszla  in  der  Schlesi.  Hier  wohnten  sie  drei  Jahre  bei 
einem  Wirthe,  der  öfter  nach  Boszna  geschickt  ward,  um  von 
der  schwachen  Mutter  Geld  zu  hden.  Als  sdilieszUeh  Lotap 
rius  des  Wirths  Tochter  geschwängeii  hatte,  machten  sudi 
die  zwei  auch  aus  Preszla  auf  und  davon. 

Sie  zogen  nach  der  Lansznitz,  über  Glogav,  Toigaw, 
Hall,  Korthansen,  Oassell«  lientz,  Deveoter  nach  Antoiff  in 


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—   247  — 

Bntauit,  wo  sie      IMoüdn  Leb»  luiwtKteB,  so  lange 

QM  irgencl  rei<^en  wollte.  Inzwisdien  verstart)  Concordia, 
die  Gemahlin  Gottliebs,  aus  Gram  über  die  Keden  des  lütters, 
«teo  Untersohied  xwiaclwii  ihrem  reehten  nnd  dem  angenom- 
menen  Solme  betraffend,  Patriz  wurde  dee  BHtera  Hanahftlterin, 
Pridbert  em  selir  tüchtiger  junger  Mann,  der  auf  die  Knechte 
flei3zig  Acht  hatte.  Gottlieb  nahm  Gelegenheit,  dem  Hoch- 
meisfeer  Fndbert  mid  f  elix  so  empfehlen.  Jener  lieei  die 
beiden  hoffirangsvellen  jungen  Lente  woU  aasriketen  imd  er- 
klärte sich  bereit,  ihnen  die  Mittel  zum  Stadium  zu  gewähren, 
worauf  beide  die  UniTerait&t  belogen  und  aich  ei&ig  der  WiaseiH 
Schäften  su  befleiszen  anfingen. 

Endlidi  ging  nun  den  beiden  Schlemmem  Wilibald  und 
Lotarius  das  Geld  gänzlich  aus,  und  sie  muszten  mit  Zurück- 
lassnng  ihrer  Garderobe  eiligst  ans  Antorff  fort  Sie  werden 
Wehl  nieht  die  lotsten  gewesen  sem,  denen  es  dort  so  ergangen. 
Pridbert  aber  wurde  bald  darauf  Doctur  und  Felix  Magister, 
der  Hochmeister  ernannte  jenen  zu  seinem  Kanzler,  diesen 
snm  Secretarins.  Auf  dem  Wege  Ton  Antoiff  ans  machte 
Wüibttld  dem  Lotarius  Vorwürfe,  ne  gerietiien  in  einen  Worir 
Wechsel,  welcher  ihre  Trennung  zur  Folge  hatte.  Lotarius 
verdingte  sich  zu  Prüssel  einem  Metsger  und  hielt  sich  zuerst 
unstrtflich,  machte  aber  nach  ein^  Zeit  enien  Versuch,  dem 
Meister  sein  Geld  zu  stehlen,  wurde  ertappt  nnd  fortgejagt. 
Er  ging  nach  Hall  und  wurde  Hausknecht  bei  einem  Gast- 
wirth.  Dort  yerftbte  er  emen  Diebstahl  und  wurde  in  Dengen, 
w(diin  er  geflohen  war»  ergriffn  und  an  den  fichten  Qalgen 
gehenkt.  Wilibald  seinerseits  eilte  aus  Brabant,  weil  dort  die 
Arbeitsscheuen  aufgehenkt  werden,  und  gelangte  durch  West- 
&len,  Sachsen  und  Brandenburg  nach  Preoszen,  wo  er  sich 
als  ffirten  Tsnnietbete. 


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I 


—    248  — 

Fridbert  und  Felix  wurden  eines  Tages  von  dem  Hoch- 
meisier  gefhigt,  ob  sie  sich  nicht  Terheirathen  wollten.  Des 
anderen  Tages  liesz  der  Ffltrst  die  Wittwe  des  froheren  Kanz- 
lers kommen,  Namens  Charitas,  mit  ihren  zwei  Töchtern  Feli- 
citas und  Concordia,  die  er  mit  Fhdbert  und  Felix  verlobte. 

Wilibald  fristete  als  Viehhirt  mit  schlechter  Kost  und 
in  Lnmpen  gehüllt  sein  Leben,  doch  die  Zerstörung,  die  ein 
Haufen  Wölfe  unter  seinem  Vieh  anrichtete,  zw^ang  ihn  zu 
entlaufen.  In  der  Stadt  Dobiin  an  dem^FInsse  Wiell  verdingte 
er  sich  als  Knedit  bei  dem  Sftnhirten,  wo  es  ihm  dn  wenig 
besser  als  vorher  ging.  Dem  Fridbert  und  Felix  richtete  der 
Hochmeister  in  Boszna  eine  Hochzeit  aus,  auf  welcher  viel 
Pracht  entfaltet  und  Kurzweil  genug  getrieben  wurde.  Wili- 
bald erlmte  von  seinem  Meister  das  Spiel  auf  der  Sackpfeife 
und  benützte  die  Ueberreste  seiner  Schulbildung  zu  eigenen 
dichterischen  Versuchen,  die  er  gelegenthch  voi'ti'ug.  Einst 
erschien  ihm  Lotarius  im  Traume  in  sehr  k]i^[licfaer  Qestali, 
enfthlte  ihm,  wie  er  umgekommen,  und  bat  ihn,  nicht  mehr 
in  seinen  Liedern  seiner  als  eines  Verführers  zu  gedenken, 
sonst  könne  seine  Seele  kerne  Euhe  finden.  Wilibald  beschlosz, 
zu  semem  Vater  zurückzukehren,  und  begab  sich  zunftchst 
nach  Vladislawia,  wo  er,  von  seiner  Kunst  lebend,  oft  Spott 
in  den  Kauf  nehmen  muszte.  In  Vladislawia  aber  fand  um 
diese  Zeit  ein  grosier  Landtag  statt,  zu  dem  Fridbert  und 
Felix  ab  Gommissarien  des  Hochmdsters  rdsten.  Wilibald 
trat  vor  ihnen  unter  dem  Namen  Heinz  Ontrost  als  Spielmann 
auf  und  ward  an  einem  Liede,  das  er  auf  seine  Schicksale 
gemadit  hatte,  erkannt.  Er  wollte  sich  aber  auf  weitem 
Befragen  nicht  zu  erkennen  geben,  sie  besehloszen,  ihn  auf 
jeden  Fall  mit  nach  Boszna  zu  nehmen.  Hierbei  richteten 
sie  es  so  ein,  dasz  Wilibald,  der  sie  scUau  für  Seelenverkftufer 


V 


I; 

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—    249  — 

hkHif  nicht  merkte,  daez  aie  nach  Boezna  kameiit  büeben,  des 
Ktefats  aiigek<Anmeii,  bei  ihrer  Schwiegennoiter,  und  Fridbert 

berichtete  am  folgenden  Morgen  dem  Ritter  Gottlieb,  dasz 
er  bald  seiiieQ  Sohn  sehen  solle.  Den  nächsten  Tag  wnide 
ein  Gastmahl  gegeben,  bei  dem  Qotüieb  anwesend  war,  nnd 
Wilibald,  als  Sänger  eingeführt,  sang  und  wurde  endlich  ver- 
mocht, seinen  wahren  Namen  anzugeben.  Sein  Vater  erkannte 
ihn,  er  warf  sich  ihm  za  Fflszen  nnd  bat,  als  sein  Knecht  anf- 
genommen  zu  werden,  dann  erkannte  er  auch  Fridbert  nnd 
Feüx,  bat  alle  um  Verzeihung  und  erhielt  sie. 

Der  Hochmeister  machte  Wilibald  in  der  Folge  zn  sdnem 
Forstnmster,  welches  Amt  dem  geschickten  nnd  verwegenen 
Manne  sehr  zusagte.  Durch  Erlegung  einer  Bärin  mit  ihren 
Jungen  erwarb  er  groszes  Lob.  Mittlerweile  wurden  auch 
Fridbert  nnd  Felix  von  dem  Hochmeister  beauftragt,  sidi  nach 
einer  Gemahlin  für  Wilibald  umzusehen.  Sie  faszten  eine 
reiche,  adelich  geborene  Kaufmannawittwe  ins  Auge,  deren 
notorischen  £ntschlu6z,  nie  mehr  zu  heirathen,  sie  wankend  zu 
machen  hofften,  fklls  der  Hochmeister  dem  Wilibald  seines 
Vaters  Hoftneisteramt  übergeben  würde.  Dies  geschah  nun 
auch,  und  die  erledigte  Forstmeisterstelle  erhielt  auf  Wilibalds 
Bitten  sein*  IMener,  worauf  Fridbert  und  Felix  ihre  Werbung 
bei  der  Frau  Marina  mit  gutem  Erfolge  anbrachten.  Die 
Hochzeit  ward  mit  groszem  Pomp  gefeiert,  wähi'end  der  Fest- 
liehluiten  gewann  Marina  dem  Hochmeister  viel  Qeld  im 
Sehach  ab,  und  er,  der  sonst  für  unbesiegbar  gegolten,  schenkte 
ihr  in  Anerkennung  ihrer  Leistungen  das  kostbare  Brett. 
Nachdem  Marina  dem  Wilibald  einen  Sohn  gebioen  hatte, 
starb  Oottlieb,  ihm  folgte  bald  der  Hodmieister.  Wilibald 
lebte  mit  seiner  Gemahlin,  die  ihm  viel  schöne  Kinder  gebar, 
glücklich  bis  an  sem  finde,  ingleichen  Fridbert  und  Felix  mit 
ihren  Frauen. 

n 


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—   250  — 

3.  Von  guten  und  bösen  Nachbarn.')  In  der 
Stadt  Antorff  in  Brabant  wohnte  ein  reieher  und  tngendbaflor 

Kaufmann  Namens  Robertus,  der  mit  seinem  Nachbaren, 
einem  Tuchberȟter,  wegen  des  ungezogenen  Sohnes  des  letzteren 
in  groBzer  Feindschaft  lebte.  Dee  Bobertns  Fran  verfiel  ib 
eine  schwere  EranUieit,  und  als  sie  genesen  war,  starben  ihm 
alle  seine  Kinder  bis  auf  die  jüngste  Tochter.  Ein  guter 
Freund  tröstete  ihn  zuerst  veigeblich  und  bat  dann  einen  ihm 
befreundeten  und  sehr  geMrten  Hollftnder  mit  Bobertns  zii> 
sammen  zu  einem  Mahle.  Der  Gelehrte  sprach  dem  Robertus 
Trost  zu  mit  Kerbeiziehung  der  Beispiele  des  Hiob,  David 
und  Anaxagoras,  worauf  ihn  Bobertus  f&r  den  nfldisten  Tag 
einlud.  Als  sie  aszen,  empfing  Bobertus  einen  Brief  von 
seinem  alten  reichen  Vetter,  der  ihn  bat,  zu  ihm  nach  Lissabon 
zu  kommen  und  dort  sein  Erbe  zu  werden.  Bobertus  folgte, 
zum  Theil  des  Aergei*s  wegen,  den  er  tftglich  mit  dem  Tuch- 
bereiter  hatte,  der  Einladung.  Nach  zehn  Jahren  starb  der 
Vetter,  und  Bobertus,  nun  ungeheuer  reich,  lernte  auf  der 
Bückreise  Ton  London  nadi  Portugal  emen  jungen  spanischea 
Kaufmann  Namens  Reichart  kennen,  der  sich  in  der  Folge 
um  die  Hand  seiner  Tochter  Kassandra  bewarb.  Nachdem 
mit  der  Jungfrau  und  ihrer  Mutter  yerhandelt  worden  war, 
wurde  die  Verlobung  gefeiert,  festgesetit,  dass  Beiehart  in 
Lissabon  bleiben  sollte,  und  schlieszlich  eine  nur  kleine  Hoch- 
zeit auszulichten  beschlossen,  da  des  Bobertus  Schwester  tot 
Kurzem  gestorben  war.  Zur  Hochzeiisfeier  wurden  sehr  vi^e 
Arme  gespeist,  und  es  ging  dabei  so  anständig  zu,  wie  es 
leider  bei  solchen  Gelegenheiten  nicht  immer  geschiebt.  Den 
andern  Tag  gab  Beiehart  seiner  Braut  eine  sehr  stattlidie 
Morgengabe,  gerieth  aber  mit  einem  der  Gftste,  der  die  aimen 

Von  Ckten  und  Bösen  NaehVttoni.  EMe  Aufgabe  Stnnboxg, 
Knoblooh  1566;  4.  —  Ferner:  Strassbvrg  1557.  4.         .  . 


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—    251  — 

Linke  abgewieBen  wissen  wollte,  In  lebhaften  Woriwedisel, 

wobei  er  ihn  mit  Bibelstellen  sehr  ausführlich  zurecht  wies. 

Nicht  lange  nachher  gewann  ein  früher  abgewiesener 
Fnier  Kassandras  nebst  seinem  Freonde,  zwei  Biffiener,  welche 
Beidiart  tSdten  sollten,  wenn  er  Ton  einem  Gastmahle  rarflek- 
kommen  würde.  Reichai-t  aber  yertheidigte  sich  bei  dem 
UeberMa  mit  Hilfe  des  ihm  befirenndeten  Juwelenhändlers 
Lasaros  so  gut,  dasz  die  swei  Biffiener  todt  blieben  and  der 
Nebenbuhler  Eeicharts  verwundet  wurde.  Den  anderen  Morgen 
fanden  ihn  die  zwei  Freunde  bei  einem  Barbier,  er  verschied 
bald  in  Folge  seiner  Wanden,  woraaf  Beichart  and  Lasaros 
die  Sache  der  Obrigkeit  anzeigt^  um  den  vierten  Attentäter 
aach  zu  entdecken. 

Nach  emiger  Zeit  kaufte  Lasanis  dem  Bobertos  für  von 
Bdchart  vorgestrecktes  Geld  ein  Haas  ab,^  welches  an  das  von 
Keichart  und  seinem  Schwiegervater  bewohnte  stiesz,  damit 
die  beiden  Freunde,  weiche  BrAderschaft  gemacht  hatten« 
neben  emander  wohnen  konnten. 

Als  Lasarus  den  Reichart  auf  einer  Reise  nach  Spanien 
begleitete,  ward  er  von  einem  Riffiener  verrätherischer  Weise 
aof  ein  türkisches  Schiff  gelockt  and  dort  verkauft,  Beichart 
sndite  ihn,  traf  emen  Hann,  der  ihn  hatte  auf  das  Schiff 
gehen  sehen,  und  mit  Hilfe  des  Gouverneurs  ward  Lasarus 
befipeit,  der  Biffiener  aber  gebogen  gesetzt  and  |gehangen. 
Junge  Leute,  welche  Beisen  in  fremde  lAnder  machen,  sollen 
sich  der  höchsten  Vorsicht  befleiszen. 

W&hrend  des  Lasarus  Abwesenheit  gebar  seine  Gattin 
Laeia  einen  Sohn  und  wurde  von  Eassandra,  die  auch  ihrer 
Niederkunft  nahe  war,  auf  das  Sorgsamste  gepflegt.  Die  bei- 
den Manner  wurden  auf  ihrer  Rückreise  durch  Unwetter  an 
emer  menschenleeren  Insel  angehalten,  wo  es  aosserordentlich 
viel  Wildpret  gab.  ihidlich  kamen  sie  wieder  nach  Lissabon 
zur&ck,  und  Beichart  erzählte  das  dem  La^us  zugestoszene 

17* 


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—   252  — 

Abenteuer.  Bald  darauf  brachte  Eassandra  eine  Tochter  zur 
Weli    Beide  Kinder  erhielten  eine  yortreffliche  Fiziehaog, 

lernten  sehr  gut,  hatten  alle  erdenkliclien  Tugondeu  au  iich 
und  liebten  einander  je  mehr,  je  älter  sie  wurden. 

Der  junge  Lasams  sann  stets  darüber  nacii,  wie  er  seiner 
Amelia  Wohlgefallen  erwerben  könne,  zeigte  ihr  seine  wohl- 
gelungenen Arbeiten  und  freute  sich  ihres  Lobes.  Als  er  einst 
ans  Gold  und  einem  Bubin,  die  er  sich  vom  Vater  erbeten, 
emen  schönen  Bing  verfertigt,  behielt  er  ihn,  bis  er  memte, 
sein  Vater  werde  nicht  mehr  danach  fragen,  dann  schenkte  er 
ihn  der  Amelia  zum  Neujahr,  welche  ihn  ihrerseits  mit  schönen 
gestickten  Fatzanetlin,  Schlafhauben  und  mit  andern  selbst- 
gemachten Handarbeiten  bedachte. 

Ameliens  Vater  aber  kam  l)ald  hinter  den  Zusammen- 
hang der  Sache,  und  es  erfolgten  sehr  ausführliche  Ansspradien 
der  zwei  Yftter,  der  Eltern  mit  einander  und  mit  den  Sjndem. 
Das  Resultat  war,  dasz  der  junge  Lasarus  dereinst  allerdings 
Amelia  heirathen,  vorher  aber  sn  seiner  weiteren  Ausbildung 
nach  Antorff  in  Brabant  gehen  sollte.  Zwar  zeigte  er  sich 
als  ilim  sein  Vater  dies  mittheilte,  zuerst  wenig  erbaut  und 
wollte  lieber  nach  Toledo  gehen.  Sein  Vater  warf  ihm  ein, 
dasz  er  ja  dort  nur  Portugiesisch  lernen  könne,  wfthrend  er 
in  Antorff  Gelegenheit  zum  Studium  aller  möglichen  Sprachen 
finden  werde.  Nachdem  sich  Lasarus  junior  bereit  erklärt, 
nach  Antoiff  zu  gehen,  nahm  er  von  seiner  geliebten  Am^ 
den  z&rtlichsten  Abschied,  sein  Vater  gab  ihm  gnte  Lehren 
und  ein  schön  gebundenes  Buch ,  welches  den  Jesus  Sirach, 
das  IV.  und  XIV.  Kapitel  des  Tobias  und  etliche  Spruche 
Salomonis  enihieli  Am  Tage  der  Abreise  sagte  er  AmeUen 
nicht  noch  einmal  besonders  Lebewohl,  was  sie  sehr  übel  ver- 
merkte, doch  den  folgenden  Tag  erhielt  sie  einen  Brief  von  ihm 
durch  seine  Mutter,  welcher  sie  umstimroie.  Sie  bat  Luden 
infolge  dessen  sogar  um  der  barschen  Worte  willent  die  sie 


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—   258  — 

ne  beim  Empfimge  des  Briafes  hatte  hdren  laeseo,  um  Veiv 
wtSkaag  und  wurde  mit  ihrer  Matter  zn  jener  Ungeladen,  da 

Edchart  mit  dem  jungen  Lasarus  nach  Brabant  und  auch 
der  ältere  Lasarus  auf  eine  längere  Beise  gegangen  war. 
Kaasandra  wollte  erst  die  Einhidnng  nicht  annehmen,  da  es 
einer  Frau  nicht  gezieme,  in  Abwesenheit  ihres  Mannes  zu 
Gaste  zu  gehen,  willigte  aber  auf  Ameliens  Zureden  ein.  Ihre 
Mägde  nahm  sie  mit,  damit  sie  nicht  etwa  zn  Hanse  allein 
Unfug  stifteten.  Beim  Essen  enäUte  Eassandra  die  Geschichte 
der  Lucretia,  und  Lucia  scherzte,  Amelia  habe  ins  Kloster 
gehen  wollen,  ihren  Entsohlnsz  jedoch  nach  Lesung  Ton  Erasmi 
Tiigo  misogamos  nnd  virgo  poenitms  geändert. 

Der  junge  Lasarus  erkrankte  auf  dem  Schiffe  aus  ^le- 
lancholie,  genas  aber  wieder  und  gelangte  mit  Beichart  nach 
Atttorff,  dessen  herrUdie  Gebäude  seme  Yerwundemng  erregten. 
Er  fend  dort  auch  einen  früheren  Schulkamenulen  aus  Lissabon 
Namens  Ferdinandus,  der  als  Factor  seines  Vaters  in  Brabant 
war,  dem  Lasarus  die  Sehenswürdigkeiten  der  Stadt  zeigte 
und  ihn  Yor  zwei  sehr  Abel  berufenen  jungen  Portugiesen, 
Lorenz  und  Veit,  warnte.  Keichart  lud  den  reichen  Gold- 
schmied Fiandscus  in  seine  Herberge  zum  Essen  und  stellte 
ihm  Lasarus  als  seinen  zukänftigen  Gesellen  Tor.  Als  die 
Sache  abgemacht  war,  fuhr  er  wieder  nach  Lissabon  zurück. 

Morpheus,  einer  von  den  vielen  Traumen,  die  um  den 
Goti  des  Sdüafes  wohnen,  nahm  die  Gestalt  Ameliens  an 
und  erschien  dem  liebenden  Jüngling  mit  kläglichen  Geberden 
und  Worten,  was  ihm  eine  schlechte  Nacht  verursachte. 

Lasarus  hielt  sich  bei  seinem  Herrn  sehr  gut  und  betrieb 
das  Sprachstudium  mit  Eifer.  Indessen  stahl  einer  der  oben 
erwähnten  losen  Buben  dem  Franciscus  ein  Kleinod,  denn 
Lasarus  hatte  sie,  von  jenem  wegen  seiner  Zurückhaltung 
g^gen  sie  getadelt,  zugelassen.  Der  Verdacht  fiel  auf  Lasarus, 


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—    254  — 


aber  sein  Henr  wendete  sich  an  Ferdinand,  worauf  Ihm  dieaer 

ein  Licht  über  jene  zwei  jungen  Leute  aufsteckte  und  auch 
das  Kleinod  wieder  herbeizuschaffen  waszte.  Lorenz  ward 
entianrt  nnd  sachte  das  Weite. 

Nach  einem  Jahre  ging  Lasams  {nni<Nr  nach  Venedig. 
Sein  dortiger  Wirth  wollte  ihm  seine  nicht  eben  ehrbare 
Tochter  anhängen.  Als  er  von  dem  JOngling  hörte,  daaz  er 
schon  7erlobt  sei,  ward  er  sehr  wüthend  und  hescfaloss,  ihn 
zu  ermorden.  Lasarus  aber  w^urde  von  einer  Magd,  die  eine 
Deutsche  war,  gewarnt,  übeimchtete,  als  das  Attentat  zur 
Ansffthmng  kommen  sollte,  anderswo,  der  Wirth  tddtete  semen 
eigenen  Sohn  und  warf  ihn  ins  Meer.  Den  anderen  Tag ,  als 
Lasarus  kam,  um  mit  ihm  abzurechnen,  stürzte  er  sich  selbst 
ins  Meer,  Lasarus  aher  kehrte  bald  darauf  nach  Lissabon 
zurück,  heirathete  Amelien,  alle  Familienglieder  yereinigten 
ihre  Hauslialtung  und  lebten  glücklich  bis  an  ihr  Ende. 

4)  Der  Goldfaden. ')  Im  Königreich  Portugal  lebte 
em  armer  Hirt^  mit  Namen  Erich,  der  auilallaid  schöne  Emder 
hatte.  Zu  einer  Zeit,  als  seine  Frau  nicht  weit  von  ihrer 
Niederkunft  war,  ereignete  es  sich,  dasz  sich  zu  Erich,  während 
er  das  Vieh  hatete,  ein  groszer  Löwe  iand,  welcher  nicht  nur 
die  Thiere  keineswegs  anfiel,  sondern  sich  sogar  von  Anftng 
an  im  höchsten  Grade  zahm  und  freundlich  erwies.  Ah  Feli- 
citas, des  Hirten  Frau,  einen  Sohn  geboren  hatte,  erhielt  er, 
da  er  em  Mal  in  Gestalt  einer  Löwentatze  auf  der  Brust 
trug,  den  Namen  LewMed.    Hermannus  und  Laureta,  ein 


*}  Der  Goldtfiiden.  Eine  schöne,  liebliche  vnd  knrtzweilige 
ffietorie  von  eines  mnen  ffirtm  Sohn,  Ldivfried  genannt  Erste  Ansg. 
Straesbnrg  J.  Frölioh  1557.  4.  —  Femer;  Frankt  Weyg.  Han  o.  J.  d. 
—  Ebenda.  W.  Han  Erben  o.  J.  8.  ^  Bieel  König  1616.  8.  —  Strasib. 
1628.  8.  —  NOnb.  1668.  8.  Ebend.  1665.  8.  —  o.  0.  1670.  8.  — 
0.  0.  1687.  ^  Erneuert     CL  Brentano.  Heidelb.  1809.  8. 


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—    2ÖÖ  — 

rsiefaes  Ehepaar  in  der  nahen  Stadt,  waren  Pathen  nnd  erzogen 
Lewfiied  mit  ihrem  gldchartigen  Sehne  Walter.  Lewfried 

zeichnete  sich  in  der  Schule  auf  jede  Weise  aus,  kam  aber 
in  die  Lage,  von  seinen  Genossen  zum  König  gewählt  zu 
wwden«  nnd,  da  er  seine  Stellung  ebenso  wie  Gyros  gegen 
einen  Yomehmen  Knaben  geltend  machte,  das  Weite  suchen 
zu  müssen.  £r  gelangte  an  eines  Grafen  Hof,  wo  er  als 
Küchenbube  angestellt  wurde.  Bald  gewann  er  sich  die  Liebe 
des  Meisterkoches  dnreh  seine  Anstelligkeit  nnd  sein  Wohl- 
Terhalten,  aber  auch  die  schöne  Angliana,  des  Gi-afen  Tochter, 
welche  Arachne  in  weiblichen  Handarbeiten  übertraf  und  in 
•mnsihalischen  Leistungen  der  Sappho  gleichkam,  wurde  durch 
seine  schöne  Stimme  auf  ihn  aufmerksam.  Denn  er  sang  uft 
im  Garten  unter  ihrem  Fenster  und  gab  auszer  den  von  dem 
Ho^eisonal  gelernten  fieuterliedlein  auch  eigene  poetische  Ver- 
suche zum  Besten. 

Als  zum  Neujahr  alle  Diener  von  Angliana  Geschenke 
erhielten,  wurde  Lewfried  zu  seinem  grossen  Leidwesen  ver- 
gessen,  doch  bemerkte  der  Graf  gelegentlich  seine  schöne 
Stimme  und  machte  ihn  zu  Ariglianas  Aufwüiter,  in  welcher 
Stelle  Lewfried  denn  bald  Gelegenheit  fand,  durch  folgendes 
Lied  seine  Herrin  säuberlich  zu  treffen. 

Im  thon  gang  mir 
ausz  den  Bönen. 

0  Armüt  du  yntreglichs  Joch/ 

wie  bist  so  gar  verachtet/ 

wer  wolt  didi  gern  behaussen  doch/ 

So  er  ans  grundt  betrachtet/ 

wie  gantz  vnwerdt/ 

du  bist  auff  erdt/ 

es  m&cht  eim  vor  dir  grausen/ 

k&ntst  schon  all  kunst/ 


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—  256 

so  ists  vmb  sunst  / 
niemant  will  dich  behausen. 

0  armnt  du  vntreglicb  bürd  / 
wie  liart  bast  mieli  bpvrhwaret  / 
autf  erd  niernant  erfunden  wirt/ 
der  dein  zum  frünt  begeret/ 
kumbst  eim  zii  bausz/ 
wilt  nimmer  drausz/ 
versperrest  jm  sein  glücke/ 
dem  sonst  zur  zeit/ 
gut  bab  vnd  beüt / 
m6cht  werden  o&i  Yod  dicke. 

So  giengs  mir  auch  im  neweil  jar  / 

da  müst  ich  dein  entgelten/ 

ward  hindan  gestelt  /  tö  Ur  gezelt/ 

dmmb  ich  dich  billig  schelten/ 

mto  tag  Yod  nadit  / 

dann  ich  yeracht/ 

ward  vor  allem  ho^g[esmde/ 

die  man  snnst  all/ 

begabt  mit  schall/ 

darnmb  bin  ick  ß&t  hmie. 

Am  nächsten  Neujahr  liesz  Angliana  den  Knaben  zwar 
wieder  au3,  schenkte  ihm  aber  dann  von  ihrer  Stickerei  einen 
Qold&den.  LewMed  eilte  damit  nach  seiner  Kammer,  wo  er 
dch  eine  Wnnde  in  die  Brost  schnitt  nnd  den  Fäden  darin 
vernähte.   Darauf  dichtete  und  sang  er  folgendes  Lied: 


Im  thon  ach  lieb  mit  lejrd. 

GBosz  1^  vnd  schmen/ 

Hat  mir  mein  herts/ 

vor  emem  bdadra/ 

ZA  diesem  jar/ 

hat  mir  fürwar  / 

Ton  rotem  gold  ein  finden/ 

Als  kfd  xerstftrt/ 


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—   267  — 
md  gar  verkert/ 

mein  trawren  vnnd  mein  schmertzen/ 

Bin  gante  frftlich/ 

dromb  jetznnd  iclt  / 

wfl  singen  springen  seherteen. 

Den  &d§  ich/ 

gante  fleiszigUch/ 

hab  in  mein  herte  beseUoflsen/ 

nieniant  jn  mag  / 

bey  nadit  vnd  tag/ 

mir  nemen  in  dermassen/ 

In  aterkem  schrein/ 

▼nd  herteen  msin/ 

M  diaer  ÜEMton  bdialton/ 

der  den  will  han/ 

mtsi  Ton  stand  an/ 

Vomen  män  bmst  serspaUen. 

Den  &den  schan/ 

der  ehren  krön/ 

hatt  mir  geben  mit  frend9/ 

Kein  gstein  noch  goldt/ 

noch  reicher  solt/ 

sol  mich  danon  nit  scheiden/ 

▼om  fade  reich/ 

Tnd  ob  schon  ich/ 

darum  niüsz  leide  schaden/ 

will  ich  ön  leyd/ 

in  ewigkeyt/ 

lieb  häm  diesen  Fftden. 

Das  Lied  hatte  den  Erfolg,  dasz  Angliana  nach  dem 
faden  fragte.  Lewfiried  schnitt  ihn  wieder  ans  seiner  Bmst 
heraus  nnd  wies  ihn  Tor.  Angliana,  hienron  gerührt,  spielte 
ihm  bald  darauf  einen  Brief  in  die  Hände,  welcher  eine  ebenso 
bündige  als  tongendhalte  und  solide  Liebeserklämng  enthielt 
und  naiOrlich  Lewfried  in  anszerordenfliche  Fronde  Ycrsetzie. 

Als  es  der  Anstand  nicht  mehr  vertrug,  dasz  der  nun- 


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—    258  — 


mehr  schon  erwachsene  Jüngling  in  der  näheren  Umgebung 
\  AnglianaB  blieb,  machte  ihn  der  Graf  za  seinem  Eammerdiener. 
Auf  einer  Reise  ihnd  sich  in  einem  Walde  ein  sdiOner  Bracire 

zu  ihm,  dessen  Besitz  er  gegen  den  sehr  unhöflichen  Diener 
des  eigentlichen  fiigenthümers  mit  groszem  Muth  behauptete. 
Dazwischen  hatte  Erich,  von  Hermann,  dem  Pathen  und 
Pflegevater  Lewfrieds,  zum  Meier  gemacht,  sein  Amt  so  wohl 
verwaltet,  dasz  jener  ihm  den  verwaltet'ju  Hof  nach  Theilung 
des  Viehs  als  Erblehen  flberliesz.  Lewfried  brachte  den  Bracken 
mit  zu  Angliana,  welche  sich  das  Abenteuer  erzählen  liesi, 
dem  Hündlein  ein  kunstreiches  Halsband  fertigte  und  es  zu 
sich  nahm. 

Walter,  Hermanns  Sohn,  erUtngte  es  nach  vielem  Bitten 
▼on  sdnem  Vater,  dasz  er  auf  die  Sache  nach  LewMed  gehen 

durlte.  Auf  dem  Wege  wurde  er  mit  seinem  Diener  von 
Mdrdem  überlallen ,  welche  sie  ausj^lünderten  und  an  einen 
Baum  banden,  jedoch  von  LewMed,  der  auf  einer  Beise  nach 
Idssabon  begiiffen  war,  beiVeit  und  gerftdlii  Erst  am  Abend 
in  der  Herberge  erlblgte  die  Wiedererkennung.  Walter  be- 
gleitete Lewfried  nach  Lissabon,  wo  sie  zu  ihrer  freudigen 
üeberraschung  im  Besitze  des  Königs  Lewfrieds  ältesten  Freund, 
den  Löwen  Lozmann,  wiederfanden,  der  auch  seinerseits  Lew- 
fried nicht  nur  erkannte,  sondern  darüber  auch  seine  gröszte 
Befriedigung  ausdrückte.  Hierauf  kehrtoi  die  beiden  Jünglinge 
nadi  dem  Hofe  des  Grafen  znrü<^.  Allen  Jungfrauen  brachte 
Lewfried  einen  schönen  Kram  mit.  Angliana  trldelt  eine 
kostbare  Haube,  von  Gold  und  Perlen  gewirkt,  Florina,  ihre 
Vertrante,  eine  köstliche  Schle]^  und  ein  Paar  Handschuhe 
mit  einem  sübemen  Mahlschlöazlein,  die  Qbrigen  aUe  nor 
Handschuhe.  Von  einer  bald  darauf  erfolgten  Reise  nach 
Lissabon,  auf  welcher  Lewfried  den  Grafen  begleitete,  brachten 
m  anch  den  Löwen,  welcher  sich  von  Lewfried  nicht  mehr 


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—   259  — 


tmiMi  wfdüeti  not  Walter  loigie  ridi  als  gewandten  Sehacii- 

spieltT,  und  beide  Jünglinge  wurden  sehr  fr»^iindlich  gehalten. 
Doch  ward  das  Vechältnisz  Lewfrieds  za  Angliana,  obwohl 
äe  von  Fknna  sclion  gewarnt  worden  war,  durch  eine  Fatzr- 
ntitawin  nnd  geboiene  KlbTin,  wddie  die  Jv^fftan  bei  aA 
hatte,  dem  Grafen  verrathen.  Dieser  beauftmgte  in  seiner 
Wuih  einen  ?erw^nen  Schalk,  LewMed  aof  der  Jagd  umzu- 
bringen,  aber  kferterer  ward  Ton  einem  Kammorboben  gewarnt, 
fenmed  den  tOdilichen  Speerworf^  and  der  Löwe  erwfiigte  den 
Mdrder. 

Während  Lewfried  nun  seine  Eltern  anfirochte  nnd  aidi 
dann  eine  Zeit  lang  in  Satanumca  anfhielt,  batte  Angliana 

zuerst  seinetwegen  l>ei  ihrem  Vater  böse  Zeit  Dodi  besann 
sich  der  Graf  schlieszUch  and  sandte  einen  Boten  mit  einem 
sdir  gnädigen  nnd  Tenfthnlicben  Briefe  an  Lewfried  ab.  Da 
dieser  ihm  aber  nodi  nidit  ganz  tränte,  so  wandte  er  sidi 
zunächst  nach  Lissabon,  von  dort  aus  begab  er  sich  als  Mönch 
verkleidet  nach  dem  Schlosse  des  Grafen,  üntowegs  erschien 
ihm  der  Geist  des  mit  seiner  Tödtnng  beanftragt  gewesenen  Bnben. 
Zm  GUldr  brach  nm  diese  Zeit  em  Krieg  mit  dem  KOnig 
von  Kastilien  aus,  an  dem  sich  der  Graf  und  Lewfried,  mit 
dem  er  äch  TOllig  ausgesöhnt  hatte,  betheiligten.  Was  beide 
Toabiedet  nnd  geheilt  hatten,  geschah:  Lewfried  leiehnete 
ridii  in  dem  Kriege  ans  mid  nahm  sogar  den  feindlichen  König 
gefangen,  so  da^z  Um  der  König  von  Portugal  zum  Ritter 
ichfaig.  Sin  Sehildbnbe  eilte  TOians  nnd  brachte  Angiiana 
die  erftvnlidie  BolMhaft,  der  Grsf  nnd  Bitter  Lewfried  wur- 
den festlich  von  der  frohlockenden  Bürgerschaft  und  Angliana 
empfangen.  Nachdem  Lewfrieds  Tapferkeit  noch  einen  An- 
sehhig  auf  das  Leben  des  Grata,  den  ein  abgewiesener  Be- 
werber Anglianss  madite,  Tereitelt  hatte,  fimd  die  überaus 
glänzende  Hochzeitsfeier  statt   Nach  einiger  Zeit  starb  der 


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—    260  — 

Graf  vor  Sehreek  über  die  gefthrliehe  Verwnndang  Lewfneds 
dureli  einen  Hirsch,  Lewfried  wurde  sein  Erbe  und  nahm  säne 

Eltern  zu  sich.  Waltern  vermählte  er  mit  einer  scliOnen, 
aber  armen  Jangfran  von  altem  Adel.  Auch  Walters  Eltern 
zogen  in  LewMeds  Ora&diaft,  nachdem  sie  ihr  Qni  yerhanft 

hatten. 

Fridsam  vnd  gantz  fründtlich  lebt  Angliana  vnd  LewMd 
mit  einander /die  kind'  so  jn  Got  beschert  zogm  sie  in 
grosser  Gotsforcht  anif.  Bammb  jnen  zft  bdden  Seiten  jungen 
vnd  alten  grosz  glück  vnd  s4ld  zu  banden  gicng  /  Bisz  sie 
Gott  ans  disem  jamerthal  zft  der  ewigen  freud  vnd  seligkat 
berAift/  zA  deren  alle  die  konunen  werden/  so  in  dem  willen 
Gottes  leben  /  Den  wil  er  die  ewig  gloiy  geben  /  darzuo  helff 
vns  Got  der  Vater  /  Gott  der  Son  /  Ynd  Gott  der  heylig 
Gegrst  Amen. 

Wickrams  Romanen  kann  man  nur  gerecht  werden,  wenn 
man  sie  von  dem  Gesichtspunkte  aus  auÜ'aszt,  den  uns  hier 
die  Aufgabe  des  vorliegenden  Buches  von  selbst  giebt,  der 
sich  aber  in  emer  Darstellung  der  gesammten  deutschen 
Nationalliteratui-  darum  weniger  leicht  in  den  Vordergrund 
steUen  l&szt,  weil  wur  es  jetzt  noch  mit  einer  im  Werden  be- 
griffenen Gattung  zu  ihnn  haben,  deren  Anfinge  nur  mfthsam 
und  mit  besonderer  Absichtlichkeit  zusammenzusuchen  und  zu 
einem  einigermaszen  einheitlichen  Bilde  zu  vereinigen  sind. 
Das  Verdienst  unseres  Mannes  hat  Goedeke  trotzdem,  dasz  er 
in  seinem  Grundrisz  von  dem  allgemeinsten  Gesichtspunkte 
ausgeht,  dennoch  richtig  erkannt,  iudem  er  sagt,  „dasz  Wickram 
durch  seme  Erzählungen  von  Beinhart  und  Gabriotto,  von 
Wilibald,  von  den  guten  und  bOsen  Nachbaren,  und  den  Gold« 
faden  den  deutschen  Roman  schuf.**  Indem  Goedeke  weiter 
bemerkt:  «Seine  Bedeutung  liegt  wie  bei  Hans  Sachs,  dem 
er  an  Lebensglflck  und  Eunst  nachsteht,  in  der  Einfthrung 


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261  — 


der  Diditiing  in  den  Bflrgeretand,  teils  indem  er  ftbr  ihn  eohrieb, 

teils  indem  er  aus  ihm  schöpfte**,  so  ist  in  der  That  den 
Qrundzügen  nach  Wickrams  Stellung  bezeiclmet,  und  wir  haben 
diesen  Grandsfigen  nur  wenig  näher  Bestimmendes  nnd  Er- 
weiterndes binKQziifBgfen. 

Wickrams  gesammte  schrifkstelleriscihe  Thätigkeit  drängte 
ihn  «if  die  Gattong  des  Bomans  hin  nnd  gipfelte  in  ihr. 
Denn  er  war  ünterhaltongssdiriflisteller  ven  Faeh,  trieb  das 
Kich  wahrscheinlich  znra  Erwerb,  also  mit  liücksicht  vorzugs- 
weise auf  das  Bedürfiiisz  des  Publicums,  welches  ünterhaltungs- 
leetllre  suchte.  In  der  verschiedenartigen  TJnteriialtungsleetflre 
jener  Zeit,  der  Mitte  des  XVI.  Jahrhunderts,  nahm  aber  der. 
Boman  bereits  die  hervorragendste  Stellung  ein,  und  wenn  sich 
aneh  Wiekram  erst  in  der  zweiten  Hälfte  seiner  Thätigkeit 
als  Schriftsteller  der  Prosaerzähinng  hauptsächlich  zuwandte, 
so  mag  er  doch  bald  inne  geworden  sein,  dasz  er  in  seinen 
Bonuinen  seine  begehrtesten  und  bestrerkäuflichen  Werke  ge- 
liefert hatte.  Die  Abhängigheit  Ten  dem  €(esdmiaeke  des 
groszen  Lesepublicuras  ist  also  bereits  in  der  Kindheitsperiode 
des  deutschen  Kanstromans  zu  bemerken  und  bleibt  in  Deutsch- 
land wie  überall  ein  unserer  Gattung  wesentliches  SchicksaL 
Aber  wir  werden  auch  in  Bezug  auf  unseren  Stadtschreiber 
schon  anzuerkennen  haben,  dasz  bei  den  bedeutenderen  Vertretern 
deiBelben  nicht  der  Produoent  allein  Ton  den  Oonsnmenten 
abhängt,  sondern  auch  «dnerseits  den  Geschmaclc  seines  Publi- 
cums  bestimmt  und  gerade,  indem  er  ihm  entgegenkommt, 
auf  ihn  emwirkt.  Wir  bemerken  dies  bei  Wickram  sogleich, 
wenn  wir  seme  Tier  Bomane  einer  Betrachtung  in  ffinsicht 
ihrer  Aufeinanderfolge  würdigen.  Gabriotto  und  lieinhart  ist 
von  ihnen  den  iranzüsischen  Bomanen  am  ähnlichsten,  er  be- 
wegt sich  ganz  und  gar  in  h(^chen  und  ritterlichen  Kreisen, 
in  der  Welt,  die  der  Schauplatz  des  mittelalterlichen  Bpos 


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ist,  und  aus  dem  Schatze  des  dieäem  angehöi'enden  übeiTeichen 
Stoffes  hat  er  auch  noek  am  meisten  entlehnt,  ohne  doch  aof 
irgend  ein  bestimmtes  Werk  als  Quelle  oder  Vorlage,  so  weit 
wir  dies  übersehen  können,  zuriickzngehen.  Aber  er  unter- 
scheidet sich  doch  auf  den  ersten  Blick  von  jener  ausländischen 
Waare,  denn  das  höfische  und  ritterliche  Wesen  ist  so  be- 
handelt, dass  man  die  IdembOrgerliclie  Stdlnng  des  Yei&sseiB 
sofort  heraus  erkennt,  die  Personen  heiszen  Könige,  Kitter  nnd 
Prinzessinnen,  doch  sie  sind  streng  und  tüchtig,  aber  eben 
ganz  bürgerlich  gesinnte  Leute.  Von  der  Art,  wie  die  Bitter 
des  mnden  Tisches  nnd  die  Paladine  Karls  politische,  religiöse 
namentlich  gesellschaftliche  und  Liebesangelegenheiten  behan- 
deln und  wie  diese  Angelegenheiten  auch  zu  Wickimnä  Zeiten 
noch  in  den  Kreisen,  denen  seine  Helden  dem  Naman  nadi 
angehören,  behsndelt  wurden,  ist  keine  Spnr.  Lehnsfeihilt- 
nisse  und  die  aus  ihnen  erwachsenden  Verwickelungen  und 
Leidenschaften  sowie  die  Glaubenak&mpfe,  welche  in  den  eigent- 
lichen Bitterbfidiem  kein  Ende  nahmen,  werden  gar  nicht 
hereingezogen,  so  dasz  von  Politik  und  Religion  als  öffentlichen 
Angelegenheiten  keine  Kede  ist.  Die  geschlechtlichen  Ver- 
hältnisse werden  mit  einer  Beinheit  und  Tüchtigkeit  der  Ge- 
sinnung aufgefosit,  welche  nicht  allem  dem  Verfiuner  sondern 
seinem  ganzen  Volke  zur  Ehre  gereichen.  Ganz  eigenthümlich 
ist  unserem  Dichter,  denn  dieser  Name  wird  ihm  zuerkannt 
werden  müssen,  die  sentimentale  Innigkeit,  die  er  seinen  Lieben- 
den zu  geben  weisE,  und  wodurdi  er  gesdiiekt,  ja  mehr  als 
geschickt,  denn  echt  poetischer  Sinn  ist  mehr  als  Geschick- 
lichkeit, die  Gefahr  vermeidet,  in  der  Darstellung  der  Ge- 
scfalechtsliebe  bei  seinen  bürgerlich  strengen  und  reinen  Qnmd- 
sfttsen  hausbacken  und  spiesKbfirgerlich  su  werden.  Dieser 
sentimentale  Zug  tritt  am  stärksten  in  Eeiuhart  und  Gabriotto  - 
henror,  der  auch  der  einzige  von  WickramsBomanen  mit  einem 


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—   263  — 

tnmnig«!!  Ausgaag  ist,  doch  mag  Mar  gesagt  meatäau  da»  ^ 
«ksh  aooh  in  den  andmn  als  ägenihQmfiches  Etement  der 

Auflassungsweise  des  Verfassers  leicht  herauserkennen  läszt, 
und  dasselbe  würde,  wenn  sich  der  Bitter  Galmy  in  der  That 
einmal  als  Wicfaams  Arbeit  erweisen  sollte,  anch  anf  dieses 

Bveh  Anwendung  Hmlen. 

In  JDer  jungen  Knaben  Spiegel*"  bat  Wicki-am  die  Qe- 
sdiiehte  Ton  dem  yerlorenen  Sohne  mit  grossem  Qesehick  auf 
Vorhaltnisse  seiner  Gegenwart  Übertragen  nnd  dnreb  gut  ge- 
wählte Staffage  von  Nebenpersonen  und  Zwischenhandlungen 
ein  lebeosTolies»  buntes  nnd  doch  einheitUches  Bild  hergestellt, 
durdi  die  Einheit  mid  den  flotten  Fortgang  der  Handlang 
zeichnet  sich  dieses  Werk  sogar  vor  der  „guten  und  bösen 
Kaehbacschaft''  aus,  welche  meines  Erachtens  allerdings  der 
beste  Boman  unseres  Mannes  ist,  weil  er  sich  hier  aussehliesi- 
lich  in  solchen  Kreisen  bewegt,  deren  Anschauungen,  Sitten 
und  Lebensweise  ihm  durchaus  bekannt  und  ihm  selbst  eigen 
nnd.  Hier  kommt  er  niemals  in  Ge&hr,  Fürsten  und  Heraen 
si^  benehmen  und  reden  ku  lassen,  wie  tflehtige  Bürger  des 
XVI.  Jahrhunderts,  und  so  wurde  diese  Erzählung  die  lebens- 
wahrste, aber  auch  die  Tolksthümlichste,  ein  nicht  zu  unter- 
scbüwndes  Denkmal  deutsdi-bürgerlicher  Gesinnung  und  Bil- 
dung. Dasz  der  Stolz  des  Bürgers  in  Wickram  lebendig  war, 
dass  der  Gedanke  an  persönliche  Tüchtigkeit,  welche  auch 
oiiiie  die  Hülfe  ?on  angeborenen  Yortheilen  zu  Bhren  bringt 
und  Erfolge  im  Leben  sichert,  zu  seinen  Lieblingsgedanken 
gehört,  sehen  wir  aus  der  Figur  des  Fridbert  im  Knabenspiegel 
und  ans  dem  Helden  seines  letzten  Bomans,  dem  zum  Bitter  und 
Grafen  gewordenen  Hurtensohne  Lewfried,  aber  in  keuiem  sdner 
Werke  hat  er  sich  den  socialen  Schauplatz  so  gut  gewählt 
wie  in  der  guten  und  bOsen  Kachbarschaft,  und  auch  der 
Onrndgedanke  oder  die  Itüan  des  ganzen  Buches  ist  em  Satz 


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echt  bürgwHeher  WeUieit,  clasz  nftmlidi  enger  Zoflammeii- 

schlusz  sittlich  tüchtiger  Menschen  von  Bildung  und  Lebens- 
erfüurang  nicht  allein  zum  Gedeihen  der  wirthschaftlichen  An- 
gelegenheiten, sondern  aaeh  rar  Fdrderang  jeglidien  Lebena- 
glückes  führt.  Das  den  Roman  abschlieszende  Bild,  die  Ver- 
einigung mehrerer  Familien  und  Generationen  in  einer  Kau^ 
lidikelt,  zeigt  onsdas  mit  tief  dentecher  Stunmnngan^gefiuBte 
Ideal  des  VerÜEMsers  ?on  einer  behaglichen  Existenz,  nnd  dar 
Gedanke,  eine  musterhafte  Familie  sich  organisch  erweitem 
zu  hisseo,  beweist,  dasz  es  Wicknun  auch  nicht  an  Tiefe 
der  socialen  Anfihssnngen  fehlt,  wie  er  Tiefe  des  Ge- 
mUths  stets  oflfenbai-t,  wo  er  vom  Familienleben,  von  dem 
Yerh&ltnisz  der  Eltern  zu  den  Kindern  spricht  Wir  werden 
weiterhhi  zu  sogenannten  Familienromanen  kommen,  wel^ 
wir  als  solche  in  ihrer  Einseitigkeit  und  gespreizten  Mittel- 
maszigkeit  werden  zu  erkennen  haben,  aber  in  der  Zeit,  Yon 
der  wir  reden,  und  auf  dem  Punkte  der  Entwickelnng  onsenr 
Gattung,  den  wir  augenblicklich  betrachten,  war  die  Abfassung 
eines  Familienromans  ein  groszer  Fortschritt,  und  wir  sind 
berechtigt  zu  sagen:  Wickrams  ^ff^id  und  böse  Nachbar- 
sdiaft^  ist  eben  deshalb  der  hervorragendste  Boman  mtseres 
Dichters,  weil  er  ein  deutscher  Familienroman  ist.  Der  Gold- 
fiiden  ist  die  einzige  Erzählung  Wicknuns,  welche  in  unserem 
Jahrhundert  m  wenig  erneuter  Gestalt  von  Clemens  Brentano 
der  Aufmerksamkeit  des  gi  öazeren  deutschen  Publikums  empfoh- 
len worden  ist  £s  dürfte  zuviel  behauptet  sein,  wenn  wir 
erwarteten,  dasz  das  heutige  Publikum  an  der  UnterhaLtungs- 
leetOre,  welche  Wickram  seiner  Zeit  bot,  als  solcher  (Geschmack 
finden  werde,  aber  ohne  Zweifel  würde  die  Erneuerung  der 
guten  und  bösen  Nachbarschaft  TerdienstToUer  gewesen  sein. 
Doch  soll  nicht  yerkannt  werden^  dasz  auch  der  Goldfiiden 
seinem  einheitlichen  Bau  nach  den  Vorzug  vor  dem  vorher- 


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—  '265  — 

gehenden  Roman  verdient,  wenngleicft  der  Yerfiisser  seinem 

Helden  und  sich  selbst  das  f^ute  Fortkommen  des  wackeren 
fanrenus  etwas  gar  zu  leiclit  gemacht  und  es  an  einigen  Un- 
wahrsehemlichkeiten  nicht  hat  fehlen  hissen.  Wenn  sich 
Wickram  in  dem  Motiv  von  der  Ungleichheit  der  Lehensetel- 
Inng  zweier  Liebt.-nden.  das  er  bereits  in  Gabriotto  und  Rein- 
htft  ansgeföhrt,  wiederholt  hat,  so  hat  er  wenigstens  durch 
den  tragischen  Ausgang  in  der  einen  und  den  glftcUichen  in 
der  anderen  Geschichte  der  Sache  eine  neue  Wendung  zu 
geben  gewuszt,  und  nicht  mehr  gethan,  als  auch  heut  zu 
Tage  nicht  die  unbedeutendsten  Bomandichter  häufig  genug 
tiion. 

Wickranis  Sprache  ist  für  seine  Zeit  etwas  mehr  mit 
alterthümlichen  und  provinciellen  Formen  behaltet,  als  es  bei 
eniem  Manne  von  nmfiissenderer  Schulbildung  und  allseitigerer 
yorhereitnng  auf  den  Schriftstellerberuf  vielleicht  wflrde  der 
Fall  gewesen  sein.  Was  aber  seine  Darstellung  hiervon  ab- 
gesehen anbetrill't,  so  theilt  sie  die  Vorzüge  der  besseren 
Schriftsteller  seiner  Zeit,  Anschaulichkeit,  Kraft  und  volks- 
tUtanlichen  Ton,  ohne  jemals  ins  Bebe  zu  verfallen.  Neigung 
zum  Sehwulst,  welche  ihm  von  Gervinus  vorgeworlen  wird, 
tritt  denn  doch  nur  an  vei'einzelten  Stellen  hervor,  im  Ganzen 
schreitet  seine  Erzählung,  allerdings  mit  behaglicher  Breite 
nod  einem  gern  he!  Lieblingsgegenständen  veiharrenden  Humor, 
aber  doch  sicher  und  wirklich  episch  fort  Die  etwas  langen 
Gespiftche,  in  welchen  er  seine  Personen  seine  Gedanken  nnd 
Qfundsfttze  vortragen  Ifiszt,  lassen  allerdings  erkennen,  dasz 
seine  Leute  keinen  Mangel  an  Zeit  hatten,  gehören  aber  doch 
immer  weit  mehr  zur  Sache  als  die  endlosen  und  ganz  aus 
der  Geschichte  herausführenden  Unterredungen  im  Fäustbuche 
and  Aehnlichea  m  Bomanen  Älterer  Zeit. 

Weon  Wicki-am  üi  dem  Ideengehalte  seiner  Werke  sich 

18 


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—   266  — 

dmcihaiui  auf  den  Ereb  toh  Gedanken  and  Er&hrangen  b&- 
sdirtiliki,  welclie  sich  anf  das  PrivatLeben  beziehen,  nnd  poli- 
tischen wie  religiösen  Zeitfragen  fem  bleibt,  so  läszt  das  eine 
Schranke  seines  geistigen  Gesichtskreises  erkennen.  Man  wird 
sogar  Tennathen  dürfen,  dasz  hierbd  vielleicht  die  Bftcksicht 
•of  die  onanstOssige  Verkftnflichkdt  seiner  Bflcher  eine  Bolle 
spielte,  es  ist  aber  zu  bemerken,  dasz  diese  Schranke  mit  den 
besonders  in  der  guten  und  bösen  Nachbarschaft  hervorgehobenen 
Yoixflgen  in  Verbindnng  stehi  Unser  Schlnszortheil  über 
Wiekram  können  wir  im  Ansdilnsz  an  die  schon  von  Qoedeke 
angedeutete  Parallele  mit  Hans  Sachs  zusammenfassen:  Wie 
die  Dramen  des  Nürnberger  Schusters  diese  Grattung  durchaoB 
in  ihrer  Kindheit,  aber  als  ein  lebensfthiges  and  mit  den  besten 
Anlagen  sn  einer  gedeihlichen  nnd  selbständig-nationalen  Eni- 
Wickelung  begabtes  Kind  darstellen,  so  sehen  wir  auch  in 
Wickrams  Bomanen  den  ein  gutes  Wachsthom  verheiszenden 
Anfimg  eines  sich  dnrchaas  national  nnd  TolkaUiftDificfa  ge- 
staltenden deutschen  Romans  dnrch  bewnszte  nnd  omslehtige 
Ennstübung  sich  bilden. 

Dass  der  Yergleich  zwischen  dem  Hans  Sachsschen  Drama 
und  dem  Wickramsohea  Bomane  noch  weiter,  als  eben  gesagt, 
zutrifft,  dasz  die  folgende  Entwickelung  unserer  Gattung  sehr 
bald  Wege  einschlug,  welche  von  der  nationalen  und  volks- 
thümlichen  Qestaltang  weit  abführten,  dasz  eine  Periode  ein« 
tnty  in  welcher  die  dentsche  Bomanütemtnr  gerade  die  am 
wenigsten  deutschnationalen  und  am  meisten  aristokratischen  Pro- 
dncte  lieferte,  werden  wir  bald  ausführlich  nachzuweisen  haben. 

Jetzt  drftngt  sich  zonftchst  noch  eine  Srschemnng  in  den 
Erels  der  Werke,  die  wir  zn  betrachten  haben,  welche  dordi 
ihre  Berühmtheit  die  ßomanschriftstellerei  Wickrams  sowohl 
zu  ihrer  Zeit  als  auch  in  dem  Interesse  der  Literarhistorie 
nrfloktreten  za  lassen  geeignet  ist,  aber  aach  doroh  die  mit 


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—   267  — 

ihrer  insBenscliafllichen  BehBndlung  Terinittpfteii  flbergfromn 

Schwierigkeiten  von  jeher  den  an  sie  herantretenden  Gelehrten 
eine  gewisse  Scheu  emgeflöszt  hat,  bis  W.  Wackemagel  durch 
seine  ^rtreffliche  Abhandhing  „Johann  Fischart  ▼on  StnsE* 
bürg  und  Basels  Antheil  an  ihm'*  (Basel  1870)  den  Grund 
zu  einer  der  Wissenschaft  unserer  Zeit  und  der  Bedeatong 
des  Mannes  würdigen  Behandinng  Fischarts  gelegt  hat. 

Mag  Wackemagels  Annahme,  dasz  Fischart  von  Geburt 
aus  Straszburg  war,  dmch  weitere  Untersuchungen  fester  be- 
gründet oder  wankend  gemacht  werden,  wir  yerdanken  seiner 
andringenden  und  hingebenden  Genauigkeit  jedenfiüls  das  Beste  - 
und  Vollständigste,  was  wir  über  Fischart  haben,  und  auch 
das  hier  über  ihn  zu  Sagende  wurde  ohne  Wackemagels  For- 
sehnngen  nicht  haben  gesagt  weiden  können. 

Fischarts  Bedeutung  für  die  Entwickelung  der  deutschen 
Frosadichtung  ist  nicht  leicht  abzuschätzen  und  genau  zu 
ebarakterisiren.  Dies  beruht  einerseits  auf  seiner  Allseitigkeit, 
anderersdts  auf  seiner  ausgeprägten  und  sugeepitzten  Besonder- 
heit, Fischart  vereinigt  alle  Elemente  der  Bildung  semer 
Zeit  in  sich,  alle  die  Zeit  bew^enden  Ideen  und  Bestrebun- 
gen zieht  er  in  den  Kreis  seines  schriflstellerischen  Wurkens, 
alle  Strahlen  des  damals  im  Culturleben  unseres  Volkes  an 
den  verschiedensten  Stellen  henrorbrechenden  geistigen  Lichtes 
sammelt  er  wie  in  einem  Brennpunkt  Und  wie  im  Inhalt, 
80  erscheint  er  in  der  Form  allseitig,  Aberall  zu  Hause,  in 
allen  Sätteln  gerecht  und  fest,  die  meisten  der  in  seinen  Tagen 
beliebten  und  gangbaren  literarischen  Gattungen  weisz  er  zu 


t)  Vgl.  aaner  den  betreffenden  Abschnitten  bei  Eoberstein,  Ger- 
vinus  und  Wackernagel  (L.  G.)  namentlich:  Yilmar  zur  Literatur  J. 
Fischarts.  Frkf.  a.  M.  1865,  H.  Kurz  J.  Fischarts  säramtliche  Dich- 
tungen. Leipzig  1866.  HI.  Bd.  L  Einleitung  und  G.  Dederding  „zur 
Charakteristik  FiscbartBi  Progr.  der  Lolsenst  Qew.  Sch.  L  Berlin  1876* 

18* 


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268 


behandeln,  in  Prosa  wie  im  Vene  ist  er  Mdster,  ja  Virtoos. 

Auf  der  anderen  Seite  zeigt  Fischart  die  bestimmteste  und 
nur  ihm  eigene  Eigenthiimlichkeit  in  seiner  Weise,  die  Dinge 
anzusehen  and  zu  behandeln.  Sein  Stil  in  der  prosaischen 
Rede  wie  im  Vei*se  und  hier  seine  Verskunst  sind  so  eigen- 
artig, dasz  seine  Schriften,  wenigstens  die,  in  denen  er  selbst- 
stftndig  and  frei  sich  bewegt,  leicht  schon  daran  za  erkenoen 
sind.  Ganz  and  gar  em  Sohn  seiner  Zeit  entfoltet  er  eine 
staunenswerthe,  aber  das  Verstfindnisz  seiner  Schriften  oft  er- 
schwerende Yerti-auiheit  mit  den  Zeitverh&ltaissen  und  dem 
kleinen  Leben  des  Volkes,  and,  obwohl  ein  wmtgereister  Mann, 
hängen  seine  Erzeugnisse  mit  unzähligen  örtliclien  Anspielun  - 
gen an  dem  Boden  fest,  auf  welchem  sie  entstanden  sind. 
Die  Hauptsache  aber  ist  sem  Hamor,  eine  Eigenschaft,  welche 
mit  seinem  ausgeprägt  dentsch-nationalem  Charakter  im  innigsten 
Zusammenhange  steht.  Es  ist  hier  nicht  der  Ort,  eingehend-- 
Erörterungen  über  diese  in  unserer  Literatur  dne  grosse  und 
vielleicht  noch  nicht  genug  gewQrdigte  Bolle  spielende  Geistes- 
richtung  anzustellen ,  und  eine  philosophische  Deduction  dej? 
Humors  unterbleibt  aus  mehr  als  einem  Grunde,  aber  es  wird 
auf  die  historische  Stellong,  welche  der  Humor  des  XVL  Jahr- 
hunderts als  eine  mit  der  geistigen  Bewegung  jener  Zdt  ur- 
sächlich zusammenhängende  und  andererseits  gerade  unsere 
Nation  kennzeichnende  Erscheinung  ehmimmt,  anfinerksam  zn 
machen  sein.  Deutlich  und  glänzend  zeigt  sich  der  Humor 
des  XVI.  Jahrhunderts  als  ein  Ausdruck  des  gesteigerten,  sich 
seiner  Energie  und  gewaltigen  Freiheit  bewuszten  geistigen 
Lebens.  Niemals  hat  der  denkende  Mensch,  das  der  Welt 
gegenüber  stehende  Snbject,  sich  als  solches  so  vollkrftftig 
und  jugendfrisch  fühlen  können  als  damals,  in  dem  an  geisti- 
gen Fortschritten  reichsten  Jahrhundert,  welches  die  Geschichte 
der  eoiopaischen  Volker  kennt  Ueberall  neues  Licht  and 


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—   269  — 

folglieh  neue  Belencbtunc^  der  Dinge,  wodiurch  die  Welt  den 

Lebenden  anders  erschien  als  bisher!  Wie  sollte  da  nicht  der 
dankende  and  bildende  Geist  sich  seiner  Gewalt  über  die 
Welt  80  bewmzt  werden  and  sich  in  sevm  iVeiheit  so  be- 
rauschen, dasz  er  seinem  eigenen  inneren  Leben  das  über- 
mütbigste  Spiel  mit  den  weltlichen  Dingen  gestattete?  In 
diesem  Verhftltniss  zu  der  yerschiedenen  Intensität  des  geisti* 
gen  Lebens  finden  wir  den  Hnmor  im  Oaltnrleben  yersehiede* 
ner  Völker,  die  besondere  Neigung,  welche  sich  bei  uns  zu 
demselben  bekondet,  steht  aber  mit  einer  bleibenden  Eigen- 
thfimlidikeit  anseres  Volkes  in  Yerbindong,  mit  seinem  Zage 
zur  Innerlichkeit  und  Vertiefung  des  geistigen  Lebens,  oder 
sagen  wir  mit  seiner  starken  Subjectivitat.  Dasz  diese  Sub- 
jeetivitftt,  diese  geistige  Innerlichkeit,  im  Charakter  onserer 
Nation  dareh  eine  ebenso  starke  Beoepti?itftt,  eine  bospiellose 
AuÜ'aööungsßihigkeit  ihr  Gegengewicht  findet,  mag  diese  letz- 
tere nun  in  der  Aufeinanderfolge  der  Zeiten  als  Beaction  aaf- 
tieten  od^  mag  sie  sich  als  gleichzeitiges  Gomplement  geltend 
machen,  darauf  ist  bereits  hingewiesen  worden,  und  ist  hier 
nur  zu  erwähnen,  um  an  Fischart  den  letzteren  fall  zu  exem- 
[dificiren,  weil  sich  kein  besseres  Beispiel  im  gansen  Gebiet 
anserer  Literatur  finden  läszt.  Es  läszt  sich  aber  von  diesem 
Gesichtspunkte  aus  ein  Einblick  in  das  mehrfach  complicirte 
Verhältnisz  des  groszen  Mannes  za  anserer  Frosadichtang  ge* 
Winnen,  and*  hierbei  masz  znnftehst  etwas  verweilt  werden. 

Dasz  der  Trieb  zur  Vulksthümlichkeit,  zu  einer  echt 
deatschen  und  für  unsere  Nation  charakteristischen  Gre- 
tftaltang  schon  in  der  Zeit,  wfthrend  der  wir  bis  jetat 
die  Entwickelnng  der  deutschen  Prosadichtung  unserer 
trachtung  unterzogen  haben,  sich  in  derselben  voi*findet,  ist 
hinreichend  nachgewiesen  worden.  Ebenso  deatlich  trat  aber 
za  Tage,  wie  beaeichnend  gerade  für  die  Gattung  des  Bomana 


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—   270  — 

und  seiner  Verwandten  das  massenhafte  Einströmen  firemdeii 
Stoffes  wie  fremder  Formen  In  nnser  Idteratargebiet  ist  Wii 

können  schon  für  das  XV.  und  XVI.  Jahrhundert  das  Zn- 
sammensein dieser  Gegensätze  als  das  eigentliche  Entwickelungs- 
prlndp  miserar  Frosadichtnng  anspreehen.  Zorn  Theil  drocheiBt 
nns  dieses  Znsammens^  nnr  als  die  Gleiebzeitigkeit  starrer 
Contraste,  oder  historisch- anscliaulicher  ausgedrückt  als  der 
Ausdruck  der  tiefen  Verschiedenheit  in  der  Bildung  verschie- 
dener  Schichteii  unseres  Volkes,  ünlenspiegel,  Boland«  die 
Schildbürger  und  die  Karls  des  Oronen,  der  Gelehrte 
Faust  und  der  „Löflfler"  Tristan  sind  Gestalten,  welche  nicht 
verochiedener  gedacht  werden  können.  Schon  bei  Wickram 
sehen  ivir  Elemente  dieser  so  disparaten  Vorstellungskreise 
einander  angenähert,  bei  Fischarfc  finden  wir  sie  innig  mit 
einander  verschmolzen  durch  die  Alles  kurz  und  klein  schla- 
gende Gewalt  des  Humors.  Arioste,  Babelais»  Fischart  und 
Gervantes  and  die  einzigen  Vorarbeiter  mittelalterlidier  Stoffs, 
welche  sie  von  der  Höhe  ihrer  Bildung,  welche  sie  als  Männer 
ihrer  Zeit  im  besten  Sinne  anzufassen  wuszten.  Entweder 
misite  man  über  das  lachen,  was  der  Lächerlichkeit  einmal 
TO&nen  war,  oder  man  musste  sich  selbst  lächerlich  machen, 
wenn  man  ernstliaft  behandelte,  was  den  eigentlichen  Ernst  der 
Zeit,  die  fortgeschrittene  Weltanschauung,  nicht  mehr  vertrug. 
Arioste,  „det  Göttliche",  hat  seine  Aufgabe  am  wenigsten  mit 
dem  Geiste  der  neuen  Zeit  einheitlich  durchdrungen,  durdi 
und  durch  negativ  und  zersetzend  bleibt  er  beim  bloszen  Spott 
und  verletzt  uns  dadurch,  dasz  er  doch  immer  wieder  das 
Verq^ttete  durch  sich  selbst  glänzen  lässt,  weshalb  auch  die 
mit  reinem  Hohn  bduindelte  Figur  des  Medoro,  des  dummen  Jun- 
gen von  Gottes  Gnaden,  entschieden  als  seine  genialste  Schöpfung 
ZU  bezeichnen  ist  Babelais  hat  ganz  andere  Züge  aus  dem 
Bom  der  Erkemitaisz  geUian.  In  ihm  sehen  wir  den  Jüngling, 


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—    271  — 

welolMr  snm  erateii  Male  die  Ideen  mlimlidieii  Srnetee  und 
mimilidier  Tttcbtigkeit  gefiuzt  bat  und  voll  Begeisterung  seb 

Knabenspielzeug  und  seine  Schulbucher  zerschlägt  und  zerreiszt. 
Der  groaze  hilfreiche  Arzt  hatte  daß  YoUkommenste  Bechti  die 
ganze  Möncherei  und  den  andern  abergUUibisclien  Plnnder, 
mit  dem  man  der  Menschheit  hatte  helfen  wollen,  wie  Blöd- 
sinn zu  behandeln,  der  denkende  Politiker  durfte  mit  der 
gttnen  Selbbenrlichkeit  des  Genies  die  ritterliche  Banfboldig- 
keit  als  pibrocholiBche  Hnrnverbranntheit  hinstellen,  den  beneble- 
rischen  Minnedienst  seiner  Zeit  mit  den  unfläthigsten  Possen 
besudeln,  der  Mann,  welcher  seinen  Geschmack  an  den  besten 
Quellen  hannomscher  Bildung,  den  classischen  Griechen,  g&» 
bildet,  sah  sich  gedrungen,  zu  zeigen,  wie  sich  in  seiner  Seele 
das  Bild  der  Verkehrtheiten  seiner  Zeit  spiegelte. 

An  Babehiis  knüpfte  Fischart  an,  und  gerade  hierin  xeigt 
sich  sfflne  geniale  Ader  am  deutlichsien,  denn  die  Yerschieden- 
heit  seines  Standpunktes  machte  seine  Bearbeitung  des  Gar- 
gantua  zu  einem  selbständigen  Werke,  zu  einer  neuen  Geistes- 
tbat.  Babebüs  hat  nichts  heftiger  bekftmpft  und  nidits  bit- 
terer geharzt  als  das  katholische  Kirchen-  und  Mönchswesen. 
Aber  er  hat  nicht  die  Genugthuung  genossen,  seine  Nation 
ton  diesem  Yerderblichsten  Gifte  nationalen  Glückes  geheilt 
zn  sehen,  ja  er  durfte  dies  nicht  einmal  hoffen.  Fischart  mur 
Protestant,  und  er  betrachtete  seine  Nation  als  im  Siege  gegen 
die  römische  Kirche  fortschreü^id,  er  war  grOndlich  geheilt,  seine 
Umgebung  und  seine  Heimath,  ja  sem  ganzes  Vaterland  war 
in  der  Heilung  begriffen.  Daher  des  Rabelais  wüthender 
Hasz,  der  dem  furchtbaren  Feinde  wenigstens  seine  volle  Ver- 
achtung ?on  Seiten  seiner  Person  zn  zeigen  beeifert  ist,  daher 
Fischarts  freudiger  Eampfesmuth,  dem  in  der  That  die  Stif- 
tung des  Jesuitenordens  ein  recht  gefundener  Handel  gewesen 
zu  sein  scheint,  denn  die  „lausigen  Barf&szeimdnche*'  wann 


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schon  Lather  viel  za  dumm  and  wären  dem  Fischart  sehr 
bald  langweilig  geworden.  So  enoheint  das  Vorwiegen  des 

Witzes  bei  Rabelais,  das  des  Humors  bei  Fiscbart,  als  Aus- 
druck auch  der  historischen  Stellung  beider  Männer,  wie  es 
allerdings  andererseits  in  der  bleibenden  Vorliebe  der  beiden 
Nationen,  denen  sie  angeh((ren,  begrfindet  ist.   Das  Aufgehen 
beider  Männer  in  ihrer  bistorisclien  Stellung  ist  es,  was  beide 
von  dem  groszen  Spanier,  zu  dem  sich  unsere  Blicke  immer 
wieder  snrftckzawenden  haben,  unterscheidet.  Die  ftnszerliche 
Thatsaehe  schon,  dasz  Rabelais  und  Fischart  späteren  Zeiten 
nur  vermittelst  gelehrter  Mühe  verständlich  werden,  Cervantes 
Don  Quixote  noch  heute  em  ziemlich  leicht  lesbares  und  viel 
gelesenes  Buch  ist,  kennzeichnet  diesen  Unterschied.  Als 
Spanier  konnte  Cervantes  auch  keine  Stellung  in  der  politischen 
Entwickelung  seines  Vaterlandes  emnehmen,  denn  Spanien  hatte 
die  wichtigste  Frage  der  Zeit,  die  Idrchoipolitische,  ein&ch  ab- 
gelehnt, es  war  dadurch  allerdin^'s  zuerst  von  den  europäischen 
Hauptvölkem   mit  seiner   politischen  und  kirchlichen  Ent- 
wickelung fertig  geworden,  aber  fertig  im  bedenklichsten  Sinne, 
fertig,  wie  ein  Eanfinann  fertig  wird,  es  hatte  keine  Zukunft, 
wenn  unter  der  Zukunft  eines  Volkes  mit  Kecht  nicht  die 
Zeit  seiner  Existenz  von  emem  bestimmten  Zeitpunkte  an, 
sondern  sdn  Fortschreiten  von  einer  bestinomten  erreichten 
Stufe  an  verstanden  wird.    War  somit  der  historische  Hint-er- 
grund  im  Don  Quixote  ganz  von  selbst  nicht  ein  sich  bilden- 
der Staat  und  eme  sich  bildende  Eürche,  so  war  schon  dieses 
ffintergmndes  wegen  seine  ganze  Weltbetrachtung  auf  da^ 
Bleibende  und  nicht  auf  das  Werdende  gerichtet,  seine  Be- 
deutung wurde  aber  dadurch,  dasz  er  das  im  Dasein  dßs 
Menschen  auch  neben  dem  historischen  Werden  Bleibende  zu 
ergreifen  wuszte,  eine  allgemeinere  als  eine  historische. 

So  zog  der  Genius  auch  aus  scheinbar  ungünstigen  Be- 


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—   273  — • 

dingniigen  QewiDD,  mid  weil  kein  Zdtbuch  entstehen  konnte, 

entstand  ein  Weltbuch,  bei  dem  der  Geist  der  Zeit  gegen  den 
Geist  aller  Zeiten  zur  Nebensache  und  zur  Aeoszerlichkeit 
wird.  Was  ich  hier  nur  im  Groszen  und  Ganzen  anzadeaten 
nntemehnien  konnte,  scheint  mir  die  Weise  zu  sein,  wie  anch 
eine  stieng  historische  Betrachtung  einer  solchen  Erschei- 
nimg, wie  Cervantes  Don  Qoixote  ist,  gerecht  werden  kann, 
freilich  will  ich  hiermit  eben  anch  nur  eine  Seite  der  Ep> 
scheinung  beleuchtet  haben,  welche  Yon  verschiedenen  Seiten 
beleuchtet  auf  die  verschiedensten  hier  uns  au^stoszenden 
Fragen  licht  zu  werfen  geeignet  ist 

Gehen  wir  nun  von  der  Höhe,  aus  welcher  uns  verstattet 
war,  in  weitere  Umkreise  unsere  Blicke  schweifen  zu  lassen, 
herab  and  treten  an  die  besondere  Erscheinung,  die  wur  noch 
in  ihrer  nftheren  Umgebung  in  Augenschein  zu  nehmen  haben, 
heran.  Nur  die  Geschichtklitterung  gehört  von  Fischarts 
Werken  entschieden  in  unsere  Gattung,  während  allerdings 
auch  seine  andern  Sduiften,  nicht  allem  die  prosaischen,  son- 
dern auch  die  versificirten,  ihrem  eben  angedeuteten  Charakter  nach 
nicht  ohne  Einwirkung  auf  die  Entwickelung  der  prosaischen 
UnterhaJItungslitefatur  Deutschhinds  geblieben  sind  und  ihren 
Einflnsz  bis  in  die  neueste  Zeit,  vrie  nachweisbar  z.  B.  auf 
Jean  Paul,  geltend  gemacht  haben.  Der  als  Einführung  eines 
halbantiken  Bomanstoffes  schon  erwähnte  Ismenius  konnte 
eben  nur  vorfibergehend  erwähnt  werden,  da  hier  Fischart 
nicht  der  eigentliche  üeliersetzer,  sondern  nur  poetischt^r  Vor- 
redner und  im  besten  Ealle  bessernder  Bedactor  war ')  und 


Mit  dieser  Heiming  stimmt  das  von  Ooedeke  in  seinem  Pam- 
pliilns  Genxenbech  S.  527 1  Gesagte  gnt  fiberein,  snmal  da  sich  wohl 
kanm  wird  annehmen  hissen,  dasi  Artopens,  der  als  Ucbeisetxer  ge- 
nannt wird,  seine  Arbeit  ohne  jede  gelehrte  Beihilfe  gefertigt  habe. 
YergL  aneh  W.  Wackemagel,  Lii-Oesoh.  8.  491.  Anm.  10.  Der  Yer- 


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—   274  — 


was  das  im  n&chsteii  Capitel  za  erwähnende  VI.  Bach  des 
dentsehen  Amadis  betrifft,  so  war  Fisdiart  andi  hier  gewiss 

poetischer  Vorredner,  vielleicht  üebersetzer,  dann  aber  blo8zer 
üebersetzer,  und  es  gehOit  diese  Arbeit  zu  denen,  die  er 
lediglich  uns  Brot  machte,  wenn  anch  seine  BeihiUle  rar  BSin- 
fthrnng  des  weltbekannten  Bomans  in  Deutschland,  namentiich 
aber  seine  versificirte  Vorrede  in  den  Amadis  weiter  unten 
nicht  übergangen  werden  darf.  Zu  thun  haben  wir  es  hier 
demnach  ägentlioh  nnr  mit  der  berühmten  Gesohichtklitterong. 
Ihre  Bntstehnng  fftllt  in  die  Zeit  des  längsten  Baseler  Anfent- 
haltes  Fischarts,  und  schön  und  trolTend  sagt  hieiTon  W. 
Wackemagel  (S.  24):  „Unmittelbarer,  gehäufter,  durchgängiger, 
.zweifelloser  (als  in  dem  1576  erschienenen  „Glückhafken  Schiff'') 
zeigt  sidi  der  Einflnsz,  den  das  Leben  in  Basel  anf  Fisoharts 
Denken  und  Dichten  geübt  hat,  in  einem  zweiten  umfang- 
reicheren Werke,  das  zuerst  1575  >),  also  gleich  nach  seiner 
Promotion  gedni4^  erschienen  nnd  in  der  Beihe  der  vielen,  die 
wir  ihm  danken,  das  bOchstgestellte ,  die  strotzende  Blüten- 
krone seines  und  alles  deutschen  Humoreö  ist,  dem  Gargantua 
oder  wie  man  mit  anderer  Efirzong  des  Titels,  aber  erst  nach 
dessen  späterer  Fässnng,  za  sagen  pflegt,  der  Gesehicfatlditta- 
mng  d.  h.  mit  einem  Fremdwort  ansgedentet,  Geschicbts- 


lasser  der  griech.  Urschrift  ist  Emtitliiiu  oder  fimnatliiai,  nieht  eiii 
Philoeoph  EostiobiiiB,  wi«  der  Titel  sagt,  die  Vorlage  aber  war 
die  ital  Uebenetntng  des  Lelio  Canai.  Aoagaben  o.  0.  1579.  — 
0.  0.  1594  —  0.  0.  1610. 

*)  0.  Ort  und  Namen  des  Druckers,  welcher  aber  nach  Wacker- 
nagd  S.  88.  Fiscbarts  Schwager  Jobin  in  Stnuiborg  war.  Weitere 
Ansgaben:  Grensfaig  imGenseiiöh  1582.  —  Ebend.  1590.— 1593.— 1594.  — 
1596.- 1600.- 1606.—  1606.— 1612.—  1617.— 1620.- 1626.— 1681.  — 
1657  n.  einmal  o.  J.  Tgl.  Weiler  Nene  Orig.  Poes.  J.  Fisoharts.  Ein 
Abdruck  t.  Scheible.  Stuttgart  1847  u.  ebe  Bearbeitung  t.  EcksteiB 
(Sander).  Hamb.  1785. 


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—  276  — 

iNwniDoii  1):  nrspranglicli  baHe  es  Ckeehiditschiifl;  geheiszen, 

das  mochte  ihm  aber  nachher  zu  gewöhnlich  oder  auch  unbe- 
scheiden dünken.  Ganz  von  ihm  selber  freilich  rührte  dieses 
Werk  nieht  lier,  er  entnahm  die  Grundlage  daza  Ton  Franz 
BslMiais,  ans  dessen  Yie,  Mets  et  diets  herolqnes  de  Gar- 
gantna  et  de  son  fils  Pantagruel,  führte  jedoch  bei  weitem 
nicht  alles  wieder  auf  Deutsch  aas,  was  der  Franzose  ihm  bot, 
nur  das  erste  Buch,  eben  den  Gaigantna,  wflhiend  er  bis  an 
den  Fantagrnel,  der  hei  Babelais  die  drei  nooh  übrigen  Melier 
fUttt,  den  auch  sein  eigener  Titel  mit  ankündigt,  gleichwohl 
Bieht  gelangte,  aus  £rmüdang,  aus  Uebers&ttigang:  schon 
gegen  das  finde  der  Gargantna  ist  ein  Nachlassen  und  Sinken 
des  Bearbeiters  wahrzunehmen,  weil  er  nicht  mehr  den  gleichen 
vollen  Reiz  wie  früher  und  namentlich  nicht  mehr  Anlasz 
genog  für  ein  eigenes  freieres  Schaffen  £uid.  Denn  allerdings 
wer  hier  eine  üebersetsnng,  wie  man  sonst  diesen  Ansdmck 
nimmt,  erwartete,  wäre  schwer  getäuscht:  Fischart  ^vertirt" 
er  sagt  das  auch  selber,  „nur  ungefährlich"  sehr  ungeiUhrlich 
„obenhin"*  2) :  Alles  in  der  Art  des  Anschanens,  des  Denkens 
sad  Empfindens  ist,  nm  (ftr  jetzt  nnr  diese  ehie  Seite  der 
Abweichung  ins  Auge  zu  fassen,  halb  mit  Bowusztsein,  halb 
naiv  „auf  den  Teutschen  Meridian  visirt'';  nicht  mehr  der 
fianzOsisehe,  es  ist  dnrdiweg  «der  leutsch  Babelais**,  der 
ZQ  ans  spricht,  nnd  wie  dieser  in  der  Schöpfung  unerhörter 
neuer  Worte  kühner  und  glücklicher  sein  kann  als  sein  Vor- 
gänger, weil  er  sie  ohne  lateinische  und  griechische  Hilfe  rein 
ans  dem  Deatschen  selbst  zu  schöpfen  Tormag,  so  sind  anch 


')  Dieses  Fremdwort  ist  durchaus  unnöthig,  und  Wackernagel 
hätte  dafür  das  mit  Klitterung  etymologisch  identische  Kladde  setzen 
Blässen.   S.  Grirams  Wörterbuch  a.  v.  Kladde  und  EUttemng. 

*)  „Wie  man  den  Grindigen  lauBst'*  sttht  aaoh  dabei  und  ist 
edrt  Fiscbartisch. 


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^   276  — 

die  zahlreidißii,  zahlloflen,  wahrhaft  sich  drflagenden  Bezüge 
aaf  die  Sitte  der  Zeit,  auf  die  Bewegangra  des  Geistes  in  ihr, 

auf  Sage  und  Märchen,  auf  Lied  und  Sprach  und  Sprache 
des  Voike.s,  fast  sämmtlich  sind  sie  (nur  zur  Ausnahrae  an- 
ders) aas  Deutschland  geholt:  hier  denn  namostlich  sieht  man 
mit  Stannen,  wie  genan  Johann  Fischart  bis  an  die  entlegensten 
Kndon  und  von  den  höchsten  Schichten  der  Gesellschaft  bis 
zu  den  uiediigäteu  hinab  Menschen  und  Dinge  der  Ueimath 
kennt,  wie  er  gewandert,  wo  er  geweilt,  von  wem  allen  er 
gelernt  hat,  und  nicht  blosz  um  von  seiner  Lebensftthrung, 
von  deren  Sinn  und  Art  ein  Bild  zu  gewinnen,  sondern  viel  mehr 
noch  für  die  ganze  deutsche  Culturgeschichte  des  sechzehnten 
Jahrhunderts  ist  dieses  Bach  eine  Fondgrube  wie  Tielleicht  sonst 
keines,  bat  aber  schon  aner  unserer  Gnltdrhistoriker  siebefthren?*' 

Wackernagel  giebt  hierauf  eine  reiche  Auswalil  von  ver- 
glichenen Stellen,  welche  deutlich  zeigen,  wie  Fischart  auf 
jedem  Schritt  und  Tritt  seine  franzOeische  Vorlage  durch  locale 
und  nationale  Anklftnge  and  Benehungen  „auf  den  tentschen 
Meridian  zu  visiren",  l)etlissen  war.  Tretflich  wird  dann  unser 
Mann  mit  Sebastian  Brant,  dem  er  durch  seine  engen  Be- 
ziehnngen  zu  Basel  so  nahe  steht,  verglichen,  ein  Yeigleich, 
der  selbstverständlich  nur  zur  Anfweisung  der  bei  weitem  höheren 
und  allgeiueineren  Begabung  und  Thätigkeit  Fischarts  führt. 

Noch  eine  Steile  Wackemagels  kdnnen  und  müssen  wir 
uns  hier  zu  eigen  machen,  welche  von  dem  Verh&ltniBse 
Fischarts  zu  dem  nur  lehrhaften  und  auch  die  Satire  nur  um 
der  Lehre  willen  übenden  Brant  ausgehend,  treüend  die  Stel- 
lung des  groszen  deutschen  Humoristen  zu  seinem  groszen 
französischen  Fachgenossen  weiter  bezeichnet  ^Auoh  Fischart*' 
sagt  Wackernagel  auf  S.  80,  .JüMint  und  übt  die  L 'lulraltig- 
keit,  kennt  und  übt  die  Satii'e  wohl,  beides  in  Prosa  und  in 
Versen  .  .  .   Aber  für  seine  eigentlichste  Art  ist  die  Lehr- 


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—  277 


haftigkeit  nur  Nebensache  und  das  Geringere,  nnd  die  Satire 

tritt  erst  dann  voll  in  seine  Eigenart  ein,  wenn  der  Spott 
zur  yernichtendeo  Ironie  sich  steigert  und  veredelt.  Die  Besonder- 
heit jedoch,  die  ihn  Torans  bezeichnet,  wfthrend  Brant  davon 
nichts  empfangen  hatte,  ist  die  entsprechend  geadelte  Laune, 
der  Hunn»r.  Auffallend  genug,  er  war  sich  dessen  beinahe 
bis  zu  Idarer  Theorie  bewuszt,  worin  das  Wesen  des  Humors 
bestehe:  das  zeigen  die  Vorreden  zum  Chirgantua  und  schon 
zum  Eulenspiegel ;  ')  und  dennoch  wo  er  nun  selbst  die  Dinge 
mit  Humor  erfaszt,  waltet  darüber  sichtlich  jene  naive  Genia* 
litftt,  die  kemerlei  Bechenschaft  von  ihrem  Thun  zu  geben 
vermöchte.  So  hat  er  denselben  auch  nicht  etwa  erst  von 
Babelais  gelernt :  den  kannte  er  wahrscheinlich  noch  gar  nicht, 
als  er  den  Eulenspiegel  und  nur  noch  von  fem,  als  er  zuerst 
die  FlOhbatz  dichtete,  und  vergleleht  man  nachher  seinen 
Gargantua  mit  dem  des  Franzosen,  wie  steht  er  diesem,  der 
oft  mehr  witzig  als  humoristisch  ist,  auch  in  Bezug  auf  Letz- 
teres voraus,  und  wo  nicht  das,  doch  mit  der  vollsten  Selbst- 
ständigkeit neben  ihm,  mit  Selbständigkeit,  wo  es  den  frohen 
Uebermuth  des  Humors  uud  noch  entschiedener,  wo  es  auch 
dessen  ernstere  Seite  herauszukehren  güt:  Beispiele  das  achte 
Oapitel,  in  dessen  strömende  Fülle  er  kaum  ein  Wort  ans 
Hat>elais  herübergenommen ,  und  gar  schon  vorher  das  fünfte, 
dessen  Lobpreisung  des  ehelichen  Lebens,  humoristisch  wie 
spftteriiin  die  Unterweisungen  des  Ehezuchtbüchlems  schlicht 
lehrhaft  sind,  er  vollkommen  für  sich  hat.  Gleichwohl 
ist  nicht  in  Abrede  zu  stellen  .  .  .  ,  dasz  Eischart, 
seiidem  er  zuerst  an  Babelais  Boman  herangetreten,  das  Wirken 
seines  Humors  je  mehr  und  mehr  an  diesen  geknüpft  hat: 
sind  doch  sogar  in  die  Flöhhatz,  die  ursprünglich  und  an  sich 
sdbst  auszer  aller  Beziehung  auf  Babelais  stand,  nachträglich 

0  Siehe  die  Beilagen  sa  diesem  CapiteL 


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—   278  — 


solche  gebracht  worden  und  ebensolche,  gleich  bei  dem  ersten 
Srscheineii  (im  Jahre  1577,  demselben,  wo  die  ümarbeitang 
der  Flöhhats  kam),  in  das  Podagrammsdie  Trostbtehldn,  dne 
Schrift  deren  Inhalt,  zwei  Reden  zu  Schutz  und  Ehren  des 
Podagras,  vielmehr  in  jene  Verquickung  von  Ironie  und  Humor 
einschlug,  welche  Erasmus  durch  sein  Lob  der  Narrheit  und 
Cornelius  Agrippa  durdi  sein  Lob  des  Esels  beliebt  gemacht 
Fischart  hatte  es  nicht  vermocht  dem  Romane  Rabelais  bis 
in  den  Fantagruel  nachzufolgen;  aber  der  Faden  blieb  ihm 
doch  stets  in  der  Hand:  wie  locker  immerhin,  die  FKäihata^ 
das  Trostbüchlein  wurden  mit  in  die  Reihe  der  EUoposclerischen 
Schriften  eingeflochten,  und  noch  kurz  bevor  er  sterben  sollte, 
nahm  er  den  Faden  selbst  wieder  auf  und  übertrug  unter 
dem  Titel  Gatalogns  Gatalogorum  perpetuo  durabilis  und  indem 
er  sich  dieszmal  Artwisus  von  Fischmentzweiler  nannte,  aus 
Rabelais  siebentem  Capitel  des  zweiten  Buches  des  repertoire 
der  librairie  de  samct  Victor  in  deutsche  Sprache  und  auch 
diess  wie  einst  den  Gaigantua  in  raicfaate  deutsche  Besllg- 
Uchkeit.** 

Um,  was  von  Wackernagel  in  Betreff  der  Beziehungen 
Fischarts  au  Babehüs  beigebracht  wird,  zu  TonroUstftndigen, 
füge  ich  noch  Folgendes  (Seite  60  f.)  hinzu :  „JedenÜilIs 
zeigt  uns  die  Praktik  (zuerst  gedruckt  1572.)  die  ei-sten  Spuren 
des  von  Babelais  auf  Fischart  geübten  Einflusses:  der  Eulen- 
Spiegel  so  noch  nicht ....  wohl  aber  ist  jene  ein  starkor  Ver- 
klang und  schon  ein  Stflck  Vorarbeit  auf  den  Gargantua.  Nur 
hat  damit  Fischart  gleichsam  von  hinten  angefangen:  denn 
was  ihm  hier  den  Anstosz  gab,  die  Pantagnieline  Prognostir 
cation  u.  s.  w.  par  Maisire  Alcofribas  Ardütridin  dudit 
Pantagruel,  ist  bei  Rabelais  an  den  Sehlusz  des  ganzen  Romans 
gehängt.  Es  gab  jedoch  letztere  eben  blosz  den  Anstosz  und 
hie  und  da  einen  wolübenutzfcen  Wink  her,  nicht  die  Urschrift 


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—  m  — 

ftr  doe  fortlaiifende  üeberaetenng,  und  niclit  dnmal  so  wie 

weiterhin  der  deutsche  Gargantua  zu  dem  französischen  ver- 
hält sich  die  Practik  zu  der  Prognosticfttion:  der  Unterschied 
iit  laßt  neeh  um  vieles  grOszer,  die  Selbstlndigkeit  des 
Deutschen  noch  ausgeprägter  und  schon  die  Menge  des  Stoffs 
und  dessen  Yertheüong  und  Rinr^hiD^ing  bei  ihm  eine  mehr- 
&ch  andere  neue/' 

Ich  habe  den  hochverdienten  Hann  so  viel  selbst  reden 
lassen,  weil  ich  den  angeführten  Worten  über  die  Dinge,  von 
denen  hier  die  Bede  ist,  nichts  iünzuiügen,  noch  etwas  davon 
hmwegnehmen  und  nicht,  was  er  vortrefflich  gesagt,  anders 
sagen  wollte.  Es  bleibt  nun  nur  noch  übrig,  die  Bedeutung 
der  uns  hier  zunächst  interessirenden  Schriften  Eisch&rts  grade 
ftr  die  historische  üntwickelnng  unserer  Gattung  vollstSndig 
und  mehr  im  Besonderen  als  bisher  zu  beleuchten,  denn  über 
die  bedeutenden  Einwirkungen,  welche  Fischarts  Thätigkeit 
anf  die  Literatur  seiner  Zeit  im  Allgemeinen  und  dadurch 
soi^eidi  auf  die  prosaische  Unterhaltnngsepik  ausübte,  ist 
genug  gesagt  worden. 

Zuerst  das  Positive.  Wir  haben  im  vierten  und  fünften 
Oipitel  eine  Anzahl  Schriften  kennen  gelernt,  die  in  Betraff 
des  Humors  als  Vorläufer  Fischarts  bezeichnet  werden  können 
und  zu  denen  er  in  einem  directen  Verhältnisz  steht.  Eulen- 
BjgMgA  hat  er  trefflich  versificirt,  und  wie  gut  er  ihn  ver- 
slanden, davon  giebt  seine  Vorrede  das  beredteste  Zeugniss. 
Er  kennt,  wie  aus  namentlichen  Anführungen  hervorgeht,  nicht 
nur  die  Schwankbächer,  welche  wir  kennen  gelernt  haben, 
soodeni  noch  ehuge,  die  wir  nicht  kennen  lernen  konnten, 
weil  die  Ungunst  der  Zeiten  oder  vielleicht  auch  eigener  Un- 
werth  sie  hat  verloren  gehen  lassen*).   Wenn  man  von  der 

>)  Vgl.  die  Beilagen  zu  diesem  Cftpitel  und  die  in  denen  vm 
Tierten  gegebene  Vorrede  der  Eatiipori 


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Leetüre  Bebels,  Paulis  und  der  anderen  derarügen  Schriftsteller 
zu  Fischart  kommt,  so  kann  man  erst  beortheUen,  wie  tief 

Fischart  nicht  blos  —  wius  bereis  hervorgi'huljcn  ward  —  im 
Volksleben  überhaupt,  sondern  iasbesoudere  in  der  komischen 
Literatur  seines  Jahrhunderts  wurzeli  Und  wenn  seine  Qe- 
schichtklitterang  ebenfiills  schon  mit  Wackemagels  Worten 
als  die  strotzende  Biüthenkione  seines  und  alles  deutschen 
Humors  bezeichnet  ward,  so  kann  auch  hier  noch  genauer  be- 
stimmt werden,  inwiefern  sich  Fischart  über  die  Erzeugnisse, 
welche  wir  im  vierten  und  zum  Theil  im  ftmften  Capitel  be- 
trachteten, emporschwang  und  die  organisch  aus  diesen 
Erschwungen  sich  entwickelnde  hühere  Gestaltung  der  Gattung 
darstellt.  Es  liegt  dies,  wodurch  er  zugleich  modemer,  neu- 
zeitlicher als  alle  jene  erschemt,  um  mich  eines  zunächst 
möglichst  allgemdnen  Ausdruckes  zu  bedienen,  in  seiner  Fro- 
heit  dem  Stoffe  gegenüber.  Er  überliefert  nicht  mehr  den 
schon  Jahrhunderte  lang  von  verschiedenen  Nationen  immer 
wieder  verarbeiteten  epischen  Stoff,  er  schreibt  nicht  aus  zehn 
Büchern  eia  elftes  zusammen,  wie  wir  dies,  wenigstens  beinahe, 
die  grössere  Anzahl  der  Schwanksammler  thun  sehen.  Aber 
er  ist  auch  insofern  dem  Stoffe  gegenüber  freier,  als  es  hei 
ihm  viel  weniger  als  bei  seinen  Vorgängern  auf  den  Stoff  als 
solchen  ankommt»  Hatte  schon  Babelais  mit  seinem  epischen 
Stoffe  gemacht,  was  er  wollte,  so  wiederholt  Fischart  dieselbe 
Procedur  noch  einmal  in  höherer  Potenz  an  dem  schon  humo- 
ristisch und  höchst  subjectiy  bearbeiteten.  Will  man  unter 
den  Schwankbücbem  der  früheren  Zeit  diejenigen  herausheben, 
welche  Fischarts  Schriften  am  nächsten  stt^lien,  so  sind  es  die 
des  etwas  unsauberen  Gesellen  Michael  Lindener  und  das 
Sehiltburgerbuch.  Ersterer  nfthert  sich  in  seiner  freilich  viel 
roheren  und  von  viel  weniger  Ideengehalt  erfüllten  humoristi- 
schen Darstellungsform  am  meisten  der  Fischartschen  Fülle 


Digiiizoa  by  Cjc, 


—  281  — 

md  Fifldiarts  spnidelndmi  Uebennathe  ao  und  rerdient  unter 

seinen  Vorläufern  jedt'ntalls  besonders  genannt  zu  werden.  Das 
Schiltbürgerbuch,  der  Zeit  nach  zwanzig  Jahre  später  als  die 
Geflchichtklittoniiig,  mfiazte  als  eine  gate  und  selbatftndige  Naeh- 
iHldoDg  der  Fischartseheii  Schreibweise  beiEeiebnefc  werden, 
wenn  zu  beweisen  wäre,  dasz  sein  Verfasser  Fischart  gekannt 
und  ihm  nachgestrebt  habe,  ohne  ihn  nachzuahmen. 

Doch  nnn  anch  die  Kehrseite.  Gleich  die  Erwfthnnng 
der  ScfaQibürger  bringt  uns  anf  einen  hierher  gehörigen  Pnnki 
Dieses  Buch  bietet  auch  in  seinem  Stolle  nur  wesentlich  Deut- 
sches, nirgends  hat  der  Verfasser  nachweisbar  direct  aus  einer 
finmden  literator  sein  Material  geborgt,  wfthiend  Fischart 
beim  bmenins  nnd  beim  sechsten  Bnche  des  Amadis  sidi  in 
den  Reihen  deijoni<ien  befindet,  welche  das,  wie  wir  gesehen, 
schon  im  XV.  Jahrhundert  im  Gange  gewesene  üeberfluthen 
der  franzUsischen  Literatur  in  die  unsere  Tennitteln.  Und  so 
fest  alles,  was  Uber  die  grflndliche  imd  voUstftndige  Ter* 
deutschuDg  des  Babelais  gesagt  worden  ist,  stehen  bleibt,  so 
hat  er  doch  anch  hier  sich  an  eine  franzAsiache  Vorlage  an- 
geschlossen. Er  hat  ,  dies  alles  aof  eine  seines  Gmns  völlig 
wORÜge  "Weise  gethan,  er  hat  sich  m  Babelais  wenigstens  so 
verhalten  wie  später  Le  Sage  zu  seinem  spanischen  Vorbilde, 
Iber  er  bat  doch  mit  semer  nnserer  Gattung  angewendeten 
dichterischen  Thfttigkeit  dem  Znge  der  Zeit  Folge  nnd  gam 
ohne  Zweifel  dem  Verfahren  Späterer,  welche  das  nicht  konn- 
ten, was  er  mit  Leichtigkeit  vermocht,  —  nämlich  deutsch 
zu  Ueiben  —  Yoischnb  geleistet  Somit  erscheint  er  nicht 
bks  als  Vollender  der  SchwankHteratnr  Ar  seine  Zeit,  sondern 
auch  als  Furtleiter  und  Vervollkommner  jener  schon  lange 
Zeit  auf  das  Aneignen  fremder  Erzeugnisse  gerichteten  Be- 
strebungen, mit  deren  Betrachtung  wir  unsere  Aufgabe  zu  be- 
gknien  hatten  und  die  wir  bereits  als  einen  durchaus  be- 

10 


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—    282  — 

zeichneadeD  Zug  der  Entwickelong  der  deatschea  Prosadiclitung 
genaaer  kennen  gelernt  haben.  Er  liat  —  um  die  Sachlage 
nun  so  Ta  sagen  mit  dem  bewaszten  Interesse  an  nnserar  be- 
stimmten Gattung,  als  Anwalt  des  Kornaus,  anzusehen  —  dieser 
Gattung  nicht  das  geleistet,  was  Grimmelshausen  hundert 
Jahre  spftter  unter  wenigstens  durchaus  nicht  günstigeren  Be> 
dSngungen  geleistet  hat.  Und  dies  in  dop})elter  Beziehnng. 
Grimmelshausen  schuf  einen  nach  Form  und  liilialt  <luicliaus 
Yolkathümliehen ,  ja  den  Tolksthümlichsten  deutschen  ßoman, 
und  swar  im  Gegensätze  zu  dem  damals  en  Yogue  befindlicheii 
heroisch-galanten  Kunstroman,  der  ganz  und  gar  auf  französi- 
schen Vorbildern  beruht  und  seinen  Simplicianischen  Schriften  weit 
un&hnlicher  gegentlber  und  beim  Publicum  im  Wege  stand, 
als  es  die  deutsch-firanzOsiBehen  Bitterbücher  des  XV.  und 
XVI.  Jahrhunderts  gethan  haben  würden.  Die  Herbeiziehung 
Grimmelshausens  iuhi-t  uns  aber  noch  auf  einen  zweiten  Punkt, 
der  uns  eben  gem&sz  unserem  besonderen  Interesse  an  unserer 
besonderen  Gattung  scharf  ins  Auge  fidlen  musz.  Grimmele- 
hausen  ist  durch  und  durch  ei)ischer  Dichter ,  er  ist  als  Er- 
zähler unübertrefnicb,  sowohl  was  das  Einzelne  seiner  Darstel- 
lnngswirise,  als  audi  was  die  Architektonik  seiner  um&ng- 
reicheo  epischen  Dichtungen  betrifft  Fischart  dagegen  kann 
kaum  mehr  als  episclicr  Dichter,  seine  Geschichtklitterung 
kaum  mehr  als  eine  erzählende  Dichtung  bezeichnet  werden, 
80  sehr  ist  der  Stoff,  sind  die  epischen  Motive  durch  den 
Humor  erdrückt  und  überdeckt.  Auch  Grimmelshausen  ver- 
dient als  Humorist  erster  Ordnung  bezeichnet  zu  werden, 
aber  bei  ihm  schwebt  der  Humor  als  ein  den  tiotten  und 
doch  behaglichen  Gang  der  Erzählung  nur  heller  und  lebhafter 
machender  Duft,  als  eme  das  Gemälde  hebende  Lasur,  über 
dem  Ganzen,  bei  Fischart  wogt  der  Huniur  um  und  über  die 
eigentlich  epischen  Motive  wie  die  Wellen  des  Meeres  in 


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I 


—  283  — 

emein  Semtficke  um  em  paar  Klippen  branseiif  welche  nur  da 
sind,  um  die  malerischen  Brechungen  nnd  üeberstfinnngen  der 

Wellen  hervorzuheben  und  zu  motiviren.  Daher  konnte  Fischarts 
Geschiehtklitterung  auf  die  Enbvickelung  des  Romans  als 
epischer  Dichtangsgatfcong  nicht  so  wirken,  dasz  die  Einwirkung 
den  eigentilichen  Kern  der  Kunst,  welche  in  dieser  Gattung 
zu  üben  ist,  traf,  nämlich  die  Kunst  des  Erzählens,  und  darum 
uam  seine  Thätigkeit  in  ihrer  Beziehung  aul'  unsere  Gattung 
ünmer  mit  dem  Bewusztsein  betrachtet  werden,  dasz  sie  ein 
anderes  Gentrum  hatte,  als  die  Bomandichtung  haben  musz, 
wenn  sie  ihrem  Wesen,  dem  Wesen  der  erzählenden  Dichtung, 
gemäsz  bleiben  will. 

Trotz  alledem  aber,  was  jetzt  zuletzt  gesagt  ward,  ver- 
diente Fischart  immerhin  die  Beachtung,  weldie  wir  ihm  hier 
haben  zu  Theil  werden  lassen.  Er  bleibt  für  unsere  Gattung  ein 
wichtiger  Markstein  der  £ntwickelung.  Denn  er  ist  derjenige, 
welcher  am  Ende  des  sechszehnten  Jahrhunderts  die  beiden 
einander  entgegengesetzten  Entwickelnngstriebe,  den  nach  Volks- 
tliümlichkeit  und  den  nach  Aneignung  der  Fremden,  innig  in 
einem  Werke  Tereinigt,  nach  ihm  sehen  wir  sie  sich  wieder 
trennen  und,  bedingt  durch  die  allgemehien  Gultnrverh&ltnisse, 
sich  weiter  von  einander  in  ihren  Aeuszerungen  entfernen  als 
je.  Dieser  getrennten  Entwickelung  der  deutschen  Prosadich- 
toQg  wird  von  nun  ab  eine  ziemlich  geraume  Zeit  unsere  Auf- 
merksamkeit zugewendet  werden  mtlssen. 


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Beilagen  zu  Capltel  Tl. 
L 

Aus  ,^einliart  und  Qabriotto."  1551.   Cap.  XVL 

Wie  Philomena  dem  hofifgesind  ein  kleiDot  vazgab  /  mit  dem 

ballen  darnmb  sikselilageii. 
Eines  tags  sich  begab  /  das  die  jiinckfraw  Philomena  mit 
jiem  firawen  zimmer  för  die  statt  auff  einen  schinen  anger 
spaeieren  gienge  /  vnd  mit  jne  vil  des  Ellnige  boffgeBind  /  vnder 
denen  was  aiicli  Reinliart  vnd  Gabriotto  /  als  sye  nun  an  das 
lustig  ort  kummen  waren  /  die  junckfraw  Philomena  welche 
allzeit  ein  wolgefallen  an  jrem  allerliebsten  jflngling  nemen 
tbet,  damit  sye  jn  aber  mer  dann  die  andren  preisen  m6cht/ 
gedacht  sye  jr  /  den  jungen  edlen  ein  gab  ausz  zugeben  /  mit 
dem  ballen  die  zügewinnen/dan  sye  woszt  Qabriotto  also  ge- 
schickt vnd  behend  mit  mn  /  das  jm  nyemandts  an  dem  hoff 
geleiche  mocht  /  das  so  die  junckfraw  auszgab  was  eine  reiche 
schnür  /  mit  goldt  vnd  perliu  meysterlick  gesdimuckt  /  also 
das  sye  ein  Graff  mit  ehren  wol  het  m6ge  tragen  /  Philomena 
schliff  die  zu  hencken  an  ein  sch6ne  grÄne  linden  /  da  sye  jr 
dann  jren  sitz  sampt  jren  junckfrawen  auszerkoren  hat  /  die 
jungen  edlen  welcher  an  der  zal  bei  dreissig  wz  /  sich  all 
zftmai  nach  jrem  besten  vermAgi  darzö  schickten  /  dann  ein 
yeglicher  die  gab  vnderstund  zu  erlangen  /  da  sah  man 
manchen  behenden  jüngling  dem  baUen  entgegen  sprin- 
gen /  gleich  als  wann  er  geflogen  wer  /  vnd  dann  den  ballen  mit 
seiner  band  von  jm  weisen  /  so  behendt  /  das  man  jm 
nit  bald  genüg  hett  m6ge  zu  sehen  /  wie  vil  aber  dere  waren  / 
noch  ward  keiner  vnder  jn  /  so  dem  jüngling  Gabriotto  mit 
behendigkeyt  /  weisz  vnd  geberden  geleichen  mocht /des  Philo* 
mena  jr  sunder  grosse  freüd  nam  /  dieweil  sye  menigklich 


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—   285  — 


Frawen  Tnd  junckfrawen  dem  jfingling  den  preisz  geben  hört  / 
Keinhart  sich  auch  nach  allein  seinem  vermögen  brauchet/ 
Tuid  zu  aller  zeit  der  junckfrawen  Bosamonda  warnam  /  die 
jm  mt  minder  jre  eQglin  zA  taosent  malen  sehieseen  Hees/ 
den  jüngling  in  solch  gedancken  setzt  /  dz  er  seinselbs  g^ntz- 
Hell  vergessen  thet  /  vn  als  jm  einer  seiner  Gesellen  den  ballen 
z&8chläg/er  in  solchen  gedäcken  jm  den  ballen  meynt  wider 
zibchlagen  /jn  aber  gegen  Bosamnnda  schlagen  thet /des  er 
Ton  hertzen  seer  erschrack  /  auch  von  allen  andren  seinen  gsellen 
grWlich  verlacht  ward  /  jhn  damit  bewegten  /  das  er  sich  den- 
selben tag  des  Ballens  nit  mer  rnderziehen  wolt/  also  schamrot 
zA  Bosamnnda  sich  fftget  /  sye  mit  züchtigen  werten  freflndtlich 
bitten  ward  /  die  junckfraw  die  yotznnd  sampt  Philomena  ein 
klein  von  der  Linden  /  vnnd  den  andren  junckfrawen  gangen 
waren  /  Kemharten  mit  mancherley  schimpflEworten  vmbtriben/ 
der  jn  zft  aller  Zeit  zflohtigliche  antworten  knndt  /  zü  letst 
Philomena  anhüb  vnd  spracli  /  liirwar  Reinhart  '  jr  mir  auff 
«lisz  mal  nit  mer  schuldig  seind  /  dann  jr  euch  mit  ewerem 
miszschlagen  ein  vrsach  gennffien  haben  /  mit  Bosamnnda  zt 
reden  /  welehes  ench  /  als  mich  bednnckt  /  mer  IVeQd  geboren 
thflt  dann  der  ballen  /  der  jüngling  Reinliart  sich  von  wegen 
der  wort  Philomena  seer  schämen  ward  /  züchtigliclien  anhüb 
vnd  sprach  /  ach  allergnidigste  jungfiraw  /  es  ist  nit  on  /  mir 
ein  mnlichs  grosse  ftefid  bringen  thnt  /  wie  wol  ich  wo!  dencken 
mag  /  alles  vmb  ^unst  sein  /  noch  musz  ieli  bekenne  /  mir  gr6.^ser 
t'reüd  nit  beknmen  micht/dann  so  ich  mich  wiszt  ein  diener 
sein  /  einer  semlichen  wolgebomen  züchtigen  schinen  junck- 
frawen /  als  dann  mein  gnädige  jnnckfVaw  Bosamnnda  ist  / 
Philomena  /  sprach  Keiuhart  /  so  ieli  wissen  m6cht  /  dir  sem- 
licher wort  ernst  sdn  /  vnd  das  du  nit  deinen  spott  mit  vns 
treiben  thetest/ich  dir  warlichen  etwas  zft  wissen  thün  wblt/ 
dauou  dir  grosse  ü  eüd  bekummen  mScbt  /  der  jüngling  anhüb 


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▼nd  flpraoh/Adi  goldige  jnnckfraw/  des  sand  jr  sonder  swesjifel 

an  mir  sein  /  dann  ich  mich  des  nimer  gege  euch  vnderston 
dirfft/als  jr  mir  vertrewen/ja  das  ich  mich  spottwort  gegen 
eoeh  oder  d'jonckfraweoBoeamonda  gebraocheo  solt/dan  ich 
michs  gegeo  einer  mindern  nye  ynderstandai  hab  /  ich  eprieh 
wie  vor  /  mir  grÄszer  freüd  nymmer  züston  m6cht  /  dann  so 
ich  mazi  einer  solchen  schönen  jonckfrawen  zu  dienen  /  also 
das  jr  meine  diepst  aagenem  weren  /  Sagend  mir  doch  /  ob 
sich  ein  jüngling  auch  seliger  schetzen  m6cht  /  dann  in  einem 
solichen  stand  wie  ich  euch  anzeygt  hab  /  Philomena  also 
sprach/ Non  wohm  Beinhart/ so  bisz  du  des  sonder  sweyffel / 
das  dich  jonckfraw  Bosamonda  vor  lang  von  gantzem  hertzen 
gehuldet  hat  /  darumb  du  dich  sein  l)illich  erfrewen  magst  / 
die  junck^w  Bosamunda  z^gege  stund  /  allen  werten  von 
Philomena  der  jonckfrawen  geredt  z&hort/derhalb  sye  sich  in 
jrem  angesicht  entferbet/dz  sye  ein  klein  wenig  r6szlechter 
ward  /  das  dann  jr  ein  sundere  zier  gab  /  Reinhait  sprach  zu 
der  jonckfiuwe  Bosamonda  /  wolgebome  joockfraw  /  die  wäl 
jhr  mich  dann  zft  einem  diener  nit  verschmähen  wend  /  demnadi 
Philomena  mit  mir  geredt  bat  /  so  bitt  ich  euch  mit  höchstem 
fleisz/jr  w6llend  mich  in  keinem  dienst  nymmer  sparen /vnd. 
mir  z&  aller  zeit  gebieten  eoch  zft  dienen  /  in  allem  so  ewer 
gefallen  ymmer  sein  mag  /  ich  mich  nimmer  in  keinen  weg 
sparen  will  /  die  junckfraw  liosamunda  dem  jüngling  seiner  red 
mit  groszen  freftden  z&  gehört  hat/  anhüb  vnd  sprach  /  edler 
jüngling  ewer  trostlich  züsagen  mich  von  gantzem  hertzen  er- 
frewet/vnd  wiewol  ich  mir  fürgcnummen  hat  /  euch  seralitlis 
zä  oerbergen  /  vnd  mein  liebe  so  ich  euch  lang  zeit  getragen 
hab  /  nit  z&  iffhen  /  so  mag  ichs  doch  nymmer  geleOgnen/ 
dieweil  euch  Philomena  deren  zum  thevl  bericht  hat  /  so  wissen 
das  ich  euch  fürthin  für  meinen  lieben  bülen  halten  will/ 
damit  aber  wir  jetzond  nit  den  £Edschen  zongen  vrsach  geben/ 


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—   287  — 

etwas  args  wider  tiis  zdgedencken  /  wAUend  wir  auf  diesz  mal 

gmftg  danon  geredt  haben  /  den  nechsten  tag  aber  /  so  jhr  mir 
auff  dem  platz  mit  ewcrem  grellen  Gabriotto  allein  zü  gesiebt 
kmnineD  /  will  ich  euch  den  yrsprong  meiner  liebe  in  gschriffb 
anuygen  /  dammb  gond  non  zAmal  mit  fireflden  wider  z6  ewerer 
gsellsehafft,  vnd  schaffend  euch  freüd  vnd  kiirtzweil  mit  jnen  / 
dann  vas  die  zeit  lenger  nit  vertragen  will  bei  einander  zft 
bleiben  /  der  jlkngling  mit  zAchten  vrlanb  von  den  beden 
janekfrawen  nam  /  frölich  vnd  wol  zÄmut  von  daüen  gieng  / 
Gabriotto  dz  lang  gesprAch  mit  fleisz  wargenumen  hatt  /  kaum 
gewarten  mocht/dz  er  allein  zü  seinem  gsellen  kirn/ damit 
er  vememmen  m6eht  /  was  doch  Rosamnnda  mit  jm  geredt 
hett  /  in  dem  sich  begab  /  das  man  de  schiniitff  yetzt  ein  end 
gab  /  alle  so  zügegen  waren  /  Ghibhotto  de  preisz  gaben  /  des 
jm  dann  Philomena  von  hertzen  gftnnet/jhn  bald  zA  jr  kom- 
men schaff  /  der  jüngling  das  mit  groszen  freüde  volstrecket  / 
Als  er  nun  zü  Philomena  kam  /  syc  mit  zÄchtiger  reuerentz 
giissen  thet  /  dem  die  jnnck&aw  zühandt  züchtiglichen  danck 
saget  /  anbAb  vnd  sprach  /  edler  jfingling  /  ich  glanb  eneh  ein 
sundfTo  giiad  von  Gott  verleyhen  sey  /  dann  euch  yederman 
aafi'  disen  tag  den  preysz  geben  thut  /  dai'omb  jr  dann  billich 
mit  disem  kleinot  sollen  begabt  werden  /  jm  mit  solichen 
Worten  die  schon  vnd  wol  macht  schnür  zü  seinen  banden 
geben  thet  /  die  er  mit  grussen  i'reüden  von  deren  /  so  jhm  ob 
atten  weihen  liebet  empfing  /  demnach  yederman  wider  heym 
20ch  /  Reinhart  vnd  Gabriotto  vnder  allen  andern  die  frtlichsten 
waren  /  ausz  der  vrsach  Keinhart  von  seiner  Rosamunda  einen 
Stehern  trost  empDangen  bat  /  Gabriotto  von  seiner  liebsten 
jaoflkfrawen  Philomena  ein  rei(ch)liche  gab  /  dammb  sye  sidi  dann 
billichen  mer  dann  der  andren  keiner  erfrewen  mochten  / 
deszgieicbeu  di*'  heyden  juncktrawen  /  mit  grossen  ireüden 
wider  an  den  Kfiniglichen  hoff  kamen. 


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—   288  — 
(17.) 

Hie  würt  Beinhart  ?on  seinem  geellen  z&  red  gestellt  /  der 
jonekfrawen  Bosamnnda  halben. 

GAbriotto  noch  in  gedancke  hat  das  freundlich  gesprach 
80  sein  gsell  Beinhart  mit  Bosamunda  der  jimckiiawea  gehabt/ 
dämm  als  i^e  yetzmid  an  ort  vnnd  end  kommen  waren  /  da 
sye  sich  gantz  einig  wuszten  /  Gkibriotto  anhüb  vnd  sprach  / 
mein  lieber  Beinhart  /  ich  bitt  dich  /  so  du  änderst  ein  recht 
▼nd  war  vertrewen  z&  mir  hast/du  w6llest  mir  sagen/wi  die 
jonekfraw  Bosamnnda  mit  dir  geredt  hat  /  als  dn  den  hefitigen 
tag  bei  jhr  gestanden  bist  /  Keinhart  anhul)  vnnd  sprach  /  mein 
Gabriotto/  dn  bedirffest  mich  nit  ako  hoch  ermane/  dan  du 
wsjyst  mich  allzeit  in  allem  yertiawen  gegen  dir  ston  /  ich 
hatt  mir  aach  zAnor  f&rgenummen  /  dir  ein  semlichs  nit  züuer- 
halte  /  du  seit  wissen  /  das  mich  heilt  zu  tag  Kosamunda  (als 
ich  mit  andren  den  ballen  schlüg)  mit  so  jnbrOnstiger  liebe 
entzftndt  hat  /  das  ich  ziün  theil  nit  wissen  mocht  /  was  ich 
thet  /  sye  mit  sulichen  gedancken  ansah  /  vnd  moynet  meinem 
gsellen  die  ballen  zu  züschlagen  /  in  solchem  anseilen  schlüg  . 
ich  der  jnnokfrawen  jr  den  ballen  zA/des  mich  zühand  grosie 
schäm  vmgeben  thet  /  von  stund  an  mich  zu  Bosamunda  fuget  / 
des  Philomena  bald  warnam  /  als  ich  nun  Bosamunda  mit 
gantzem  fleisz  dariOr  betten  thet  /  fieng  mich  die  jonckfiraw 
Philomena  mit  schimpflichen  werten  an  zü  kützlen/ateob  ich 
mit  fleisz  Bosamunda  de  hallen  zu  geschlagen  hette  /  mich 
darbey  jrs  gunsts  zü  mir  trage  vnderiichten  ward  /  des  mich 
grosse  frefld  umgeben  thet  /  in  de  mich  z&  Bosamnnda  der 
junckfrawen  keret  /  die  freündlich  batt  /  sye  inicli  für  ein  ii 
diener  nit  verschmähen  solt/  des  s^e  mii'  zuhandt  voröpiuch/ 
auch  nit  lefignet  /  das  ^e  mir  vor  lange  jr  hnld  gern  zu 
wissen  gethon  hette  /  aber  vmb  minder  nachred  willen  sye 
mich  batt  /  dz  ich  wider  zü  meinem  geseüeu  kere  solt/  dem- 


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—   289  — 

oadi  wolt  sjB  den  nechsteo  tag  (so  syo  nuch  Tud  dich  aUein 
hinden  an  dem  Palast  finde  micht)  mir  jr  liebe  zü  wissen 

thün  '  (larauff  ich  mit  gantzem  fleisz  harren  will  /  was  grosser 
freüd  Gabriotto  von  seines  gsellen  red  empüng  /  nit  wol  zu 
beschreiben  ist  /  dann  er  Tor  langem  nichts  anif  erden  mer 
begeren  tbet  /  dan  das  Rosamnnda  van  Beinharten  aneh  lieb 
gehalte/auch  der  maszen  Rojamundu  jhm  liebe  tragen  thet/ 
das  alles  nun  Torbanden  was  /  wie  jr  dann  solichs  wol  vei^ 
nmmnen  hand. 


Aus  „Von  guten  und  bösen  Nachbarn  1556.^*  Gap.  L 

Er  het  einen  zanckischen  /  arglistigen  '  vntl  aluontzischon 
oachbauren  /  der  was  ein  Tiichbereiter  /  der  hett  vil  knecht 
ansz  fremde  nationen  ynd  landen  /  wann  die  also  bey  einander 
waren  /  erzalt  jr  yeder  was  in  seiner  haimat  landüenffig  vnnd 
broucliig  wer.  Nun  het  der  Tüchbt'reiter  einen  sun  gar  ein 
argen  /  verlognen  /  mutwilligen  /  e\  gensinnigen  /  bösen  lecker  / 
der  nam  yeder  zeit  mit  flds  acht  /  vff  die  reden  so  die  geselle 
mit  einander  betten  /  wann  er  von  jn  kam  /  wnszt  er  vil  mer 
danion  ziVsagen  /  dan  keiner  vnder  dem  liauHen  kam  dan  also 
zu  herr  Koberte  kindern  /  sagt  von  der  sach  /  als  ol)  er  dieselb 
gesehen  vn  er&re  het  Das  het  der  gut  Bobertus  war  g^ 
nunmen  /  den  jungen  (der  dan  yetznnd  fest  die  vierzehen  jar 
vll'  jni  het)  mit  guten  werten  gestrafl't  /  jni  dal)cy  anzeigung 
geben  /  wie  gar  übel  diss  einen  jüngling  zieren  thue  /  so  er 
seiner  wort  so  milt  sey  /  dann  man  Sprech  gemeinlich  /  wer 
YÜ  redt  der  mAsz  tU  erfkren  vnd  gelesen  habe  /  oder  aber 
uiüsz  vil  darunter  liegen  /  so  sey  er  nocii  nit  dor  jaren  /  daü 
das  er  die  ding  alle  <deren  er  sich  rh^e)  erkondiget  habe/ 
ob  er  gleich  wol  ein  jar  /  zwey  bey  seinem  Tetteren  zü  Mecheln 


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hl 


—   290  — 

gewesen  /  mig  er  doch  der  ding  nit  sooil  erfare  habe.  Mit 
eemlielien  td  deren  gleiche  woiten  /  reimeint  der  gAt  Robertos 
etwas  gäts  bey  dem  jungen  anzurichten  /  aber  sein  mhh  vn 

arbeit  gar  vmb  sunst  was.  Als  aber  der  jung  seiner  weisz 
nicht  abston  wolt  /  sonder  gantz  daraoff  beharret  /  verbot 
Robertos  seinen  Idndem  (damit  sie  nit  der  Ingen  bey  jm  ge» 
wonten)  dz  sie  gedencken  vn  Wgen  solten  /  kein  gerne inschaflft 
mit  jm  zu  haben  /  jm  seiner  logen  vn  dant  gar  nit  zu  losen  /  sonder 
wan  er  sieh  also  vnder  sie  mischen  wolt  /  solten  sie  von  jm 
gon  /  vnd  jm  sein  wesen  allein  lassen.  Disz  stAnd  nit  sehr 
lang  un  /  d'  Tüchbereiter  nam  sein  acht  /  satzt  seine  sün  zu 
red  /  was  die  vrsach  wer  /  das  des  naclibauren  kind  so  ab- 
schenlich  ab  jm  sich  stalte  /  die  weil  sie  doch  allwegen  seiner 
geeelschaift  begert  betten.  Der  jong  so  zA  seinem  alter  gar 
zii  listig  was  /  zaigt  seinem  vatter  eine  lange  tant  an  so 
Robertus  mit  jm  solt  geredt  haben  /  jn  so  hart  der  lugen  ge- 
strafft /  so  er  jm  doch  sein  lebenlang  kerne  nie  gesagt  hett  / 
demnach  seinen  kinden  verbotten  /  kein  gemeinschalTt  mer  mit 
jm  zu  haben  /  diss  allein  wer  die  vrsach  so  er  von  jhiii  beiro)  t 
zü  wissen.  Der  Tücbbereiter  (so  von  art  ein  hochbruntzer 
was  /  vn  aber  dameben  /  gar  wenig  vnd  schier  gar  kein  ghmben 
anif  jn  zA  setzen)  nam  sich  die  sach  gar  sdiwer  anff  /  vermaint 
nit  /  das  man  seinen  kindern  (wie  übel  die  handleten)  Jm\den 
solt /er  was  gantz  vnd  gar  über  den  guten  herren  Kobertum 
erzQmet  /  lieff  mit  angehencktem  schwort  ffir  sein  thOren  /  find 
jn  von  vngeschicht  in  seinem  laden  sitzen  /  sich  in  etlichen 
registem  zu  ersehen  /  Vngewarneter  sach  ticng  der  Tuchbereiter 
an  /  mit  greosziichen  Worten  zo  reden  /  Nachbaur  sagt  er  / 
sagend  an  /  was  hat  mein  sAn  schantlichs  oder  listerHchs 
verwurcketP  oder  bin  ich  nit  so  gAt  noch  der  ehre /das  ewre 
kinder  geselschaft't  mit  <len  meinen  haben  müge  /  das  beger 
ich  einmal  von  eoch  zu  uememeni*   Der  gut  herr  dem  diss 


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2^1  — 


gar  do  raube  sacb  war  /  so  bett  er  ancb  sonder  zweii^l  der 

red  /  so  er  mit  seins  naclibaurn  sün  geliabt  /  lang  in  vergess 
gestelt  /  derhalben  er  von  solchem  grenazUohen  anfiuren  etwas 
sehiecken  empfleng  /  so  scbambt  er  sich  auch  Ton  wegen  der 
flirgonden  weiber  /  vn  manner  /  das  er  also  von  seinem 
nicksteD  nachbauren  solt  über  rumplet  werden.  Er  sagt  mit 
stnfftor  stim/Lieber  nachbanr/  jr  überforend  mich  gar  vnge- 
waneter  sacbe  /  ich.  bit  euch  von  wegen  gftter  nacbbanrscbaflt  / 
habt  jr  etwas  mit  mir  zu  reden /gond  zu  mir  in  mein  hausz/ 
es  ist  euch  doch  zä  jeder  zeit  offen  /  vnnd  gar  nicht  verbotten 
bann  z6  gon.  Das  geschieht  (so  mir  S.  Antonios  helff)  nimmer  / 
sagt  der  Tuehbereiter  /  Dann  welch  liausz  vnnd  hoft'  /  meinen 
kinderen  verbotten  sind  /  deren  kan  vnd  will  ich  mich  auch 
wol  enthalten  /  das  ich  nit  tU  stein  an  dem  piQaster  darinnen 
lerbet  /  eh  weit  ich  das  himlisck  fewr  yerbrant  ein  sollich 
hausz  /  vnd  hoUVeitine.  Kobertus  sagt  /  Da  w6lle  Got  vor  sein  / 
wie  m&gen  jr  einen  semliche  freflichen  wonsch  thün  /  nun  würd 
es  eowerem  haosz  gar  ?ü  zü  nahend  sem  /  so  dem  memen 
etwas  args  widerfaren  solt?  Lieber  nachbaur  nit  also  /  wir 
w6llend  gute  liebe  freundt  mit  einander  sein  /  Ynd  vns  der 
Idnder  sachen  nichts  beladen/dan  sich  in  jre  Sachen  gar 
nicht  zfi  legen  ist.  Das  mag  em  anderer  ihngon  /  nur  aber 
ist  meiner  kind  eins  lieber  /  dann  alle  nachbauren  so  hinder 
mir  Tnd  vor  mir  sind.  Bobertus  stund  auff  von  seinem  sitz  / 
weit  dem  vnnützS  man  seiner  ttding  nit  mer  zft  h&ren/vnnd 
er  gieng  in  das  liinderist  theil  seines  hauses  /  damit  er  nit 
Trsach  gewün  /  seinem  nachbaure(n)  weiter  antwort  zu  geben« 
£rst  kam  semes  nachbaorenweib  /  ein  schäum  von  einer 
btsen  beiftzin/die  fieng  erst  an /das  kind  mit  dem  kflbel 
vrabzuwerfen  /  vnd  ausz  zu  giusstn  /  Da  was  aber  niemant  /  so 
auff  jre  red  antworten  wolt  /  nicht  dest  weniger  /  bal  sie  für 
vnd  fftr/wie  em  jagdhflndlin/so  vorlaot/vnd  doch  kein  wüt- 


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bret  vorhaaden  ist  Aosz  solchem  jrem  jimerlichen  geschiey  / 
sich  gar  yU  volks  vor  herr  Bobeitos  haasz  Tersamlet  /  zu 

dem  was  diser  b6sz  mutz  /  aller  weit  jres  b^sen  maiils  halben 
wol  bekant.  Als  aber  niemants  zu  gegen  was  /  so  jr  antwurt 
geben  wAUen  /  hat  sie  zoletst  van  jr  selb  nachgelassen.  Es 
ist  aber  disz  ein  anfang  gewesen  /  eines  ynabltelichen  hader 
vnd  zancks  /  so  da  nimmermer  hat  auszleschfii  wolh-n  ,  bis 
zoletst  /  der  gut  Kobertus  hatt  einen  weiten  geben  müssen  / 
Dann  er  kund  spflren  nnd  sehen  /  das  jm  der  T6chbereiter  / 
alles  /  so  er  erdencken  mocht  /  das  jm  ein  leiden  Tnd  verdmsz 
was/ anfing /  vrl  was  er  durch  eygne  person  nit  kund  oder 
mocht  zu  wegen  biingen  /  da  rieht  er  seine  knecht  /  vn  magt  / 
weib  ynd  kind  an  /  damit  dem  gftten  herre  gar  tU  tmtz 
bewisen  ward.  Es  waren  des  TAehbereiters  migt  dabin  abge- 
rieht  /  wann  sie  nur  ein  Spülwasser  auszschutten  /  gesoliahe 
es  dermas/das  dem  guten  herren  sein  laden  damit  verun- 
reiniget yn  besprentet  ward  /  Des  nadites  /  schütten  seine  knecht 
aUen  Tnrhat  von  oben  ab  /  alles  dem  gäten  Roberto  fSr  sein 
hausz  /  dauon  dann  sumerszeit  ein  armer  gesclmiack  entstund. 
Nän  spricht  man  /  wan  ein  Jad  /  einem  gar  übel  wünschen 
wAlle  /  so  wQnsdit  er  jm  einen  bisen  nachbaoren  /  das  sey  nun 
oder  nit /so  ist  es  ftrwar  ein  biser  yn  arger  wünsch /Gott 
behüt  eynen  yeden  Irumen  menschen  daruor/ 

Ich  müsz  bekennen /das  es  ein  kngwings  ding  ist /dann 
ichs  ztm  tbeil  auch  Yeraftchet  hab  /  So  hab  ich  auch  ein 
reiche  witfraw  erkät/dere  mocht  ein  nachbanr  leicht  ettwas 
über  zwerchs  in  weg  legen  /  so  gieng  sie  hinacli  ein  jai*  oder 
zwey  on  reden  mit  jm  /  wiewol  sie  snnst  ein  grosze  geistern 
was  /  l&g  Üür  fewr  in  der  kirche  /  vnd  ob  dem  Hortulus  Anime 
sass  sie  gantz  gedeicht  /  tagiich  jr  siben  zeit  betten  /  als  wan 
sie  ein  ciosterlraw  gewesen.  Ob  aber  soliichs  aus  eim  güte 
gnmdt  geschehe  sey  /  oder  aus  einem  spiegelfechten  vor  der 


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—   293  — 

weit  /  ist  mir  Torborge.  Das  aber  wais  ich  wol  /  als  sie  in 
eine  grosze  vnd  lang^nrige  kranckheit  ^eMeii  ist  /  batt  sie  nit 

sonderlichen  vil  nach  gaistlichen  dingen  geforschet  /  Dan  gar 
wenig  tag  vor  jhrem  absterben  /hatt  man  sie  über  jren  schätz 
(wie  schwach  sie  gewesen  ist)  f6ren  mAssen/bald  darnach  ist 
jr  aller  yerstand  vä  red  empfiiUen  /  hat  weder  wortreichen 
noch  nichts  geben  mfigen  /  das  so  man  jr  zugesprochen  /  ist 
alles  vmb  sunst  gewesen  /  vnd  nachdem  sie  lang  in  eynem 
ernstlichen  wesen  gelegen,  ist  sie  zü  letst  on  alle  verounfft 
Tngeredt  /  ansz  disem  jamerthal  gefhre  /  Der  Abnechtig 
Gott  verzeihe  jr  armen  seelen  vnd  vns  allen  amen.  Diss  hab 
ich  allein  darum  hierin  geflicht  /  ob  doch  yergent  solche  hart- 
nlddge  lent  /  ynd  Tnhrantliche  nachbanren  /  dise  wäre  geschieht 
hftren  lesen  oder  selb  lesen  /  sie  jr  bAsen  weisz  abstanden  /  jr 
red  gegen  jrem  nächsten  /  nit  also  aus  neyd  vnd  hass  sparend  / 
damit  jn  /  an  jrem  lotsten  end  /  nit  an  jrer  sprach  manglen 
werde  /  Danon  sey  zik  disem  mal  genng  gesagt  Jetzt  knm 
ich  wider  an  den  Bobertnm  /  der  sich  seines  nachbanm  halben 
giosziich  bekümmert  /  Jedoch  nam  er  jm  mit  andren  nachbaure 
gät  gesellschafft/ rieht  zu  vil  malen  gute  malzeite  zn/beräfft 
sie  /  damit  sie  frilidien  vnd  gftts  mftts  mit  einander  weren  /  Das 
wolt  dann  den  TAcbbereiter  schellig  vnd  vnsinnig  machen  /  ynd 
vermeinet  /  die  weil  er  dem  Eoberto  feind  wer  /  es  solt  jn  yeder- 
man  von  seinetwegen  hassen  /  wie  man  daä  vil  solchen  dopleter 
stocknarre  findt/wann  sie  eun  femdschafft  trage/mnsz  als  jr 
gesind  den  selbigen  hassen  /  sie  ziehe  auch  jr  kinder  darzü  /  ver- 
meine auch  dameben,  jre  guten  freundt  sollend  deiyenigen  feind- 
schafft tragen  /  so  er  jn  doch  all  sein  tag  leids  nie  gethon  hat. 


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—    294  — 
III. 

Aus  der  Vorrede  der  Geschichtklitterung. 
(Ausgabe  von  1590). 

An   alle  Klugkiöpffige   Nebelverkappte   Nebel  Nebuloner/ 
Witzei*sauffte  Gurgelhandthirer  vnd  vngepalirte  Sinnversauerte 
Windmülleriscbe  Dürstaller  oder  Pantagiuelisten. 

GRoszmkhtige  /  Hoch  vnd  Wolgevexirte  tiefl'  vnd  ausz- 
gelirte  /  eitele  /  orenfeste  /  orenfeiszte  /  allerbefeistete  /  dhren- 
hafFte  vnd  hafftiren  /  orenbafen  /  vnnd  hafenoren  oder  basen- 
asinorige  insondere  liebe  Herrn  /  g6nner  vnd  freund.  E.  Keinnad 
vnnd  dunst  sollen  wissen  /  dasz  die  alte  Spartaner  /  das  Sprich- 
wort (Ein  vnflat  erleidets  dem  anderen)  warzumachen  /  kein 
bessere  weisz  gewuszt  haben  /  jhrer  jungen  Burgerschafft  die 
Trunckenbeit  zuerleyden  /  alsz  dasz  sie  zu  gewissen  Festtagen 
an  offenem  platz  in  beisein  jhrer  Kinder  jre  Knecht  sich  red- 
lich voll  vnd  doli  sauffen  Hessen  /  auff  dasz  so  sie  die  also 
hirntobig  vnd  schellh6mig  vnd  hirnsch6llig  von  Wein  rasen  / 
balgen  /  walgen  /  schelten  /  gauckeln  /  fallen  /  schallen  /  burtzeln/ 
schrien  /  g6lern  /  prellen  /  wüten  /  sincken  /  hincken  /  speien  vn 
vnllAtig  genug  sein  sehen  /  sich  vor  solcher  Vihiscben  unweis 
forthin  zu  hüten  wüszten:  Gleich  wie  auch  zu  \Ti3erer  zeit 
ein  namhaflter  Fürst  de  Lumpeböszlem  vnd  Zotten  junghem 
jhr  zottengelümp  zu  erleiden  /  eins  tags  einen  Hencker  /  in  der 
neuen  Kleidungsweisz  /  die  damals  Braunschweigisch  hiesz  /  an- 
thun  liesz  /  vnnd  den  auff  die  Schloszbruck  /  da  alle  Hofleut 
fürzogen  /  stelen  /  damit  er  jhnen  durch  disz  sch6n  schinder 
muster  das  gesasz  gefresz  versauerte  /  vnd  bat  danoch  darmit 
so  vil  geschafft / dasz  die  Lumpen  an  Hosen  sind  abkommen/ 
vnd  in  diis  gekr6sz  geflogen  /  vn  in  die  vorgewelbte  bauch  ge- 
schloffen.   Deszgleichen  pflege  nit  auch  noch  heut  etliche 


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—   296  — 


filtern  jre  Kinder  /  sie  von  Lastoro  ynnd  Babenst&cken  abzu- 
flchracken  /  rar  warnang  mitzimeffieii  /  wann  man  einen  Vbel- 
thtter  Tom  leben  zum  todt  zurichten  anszftretP  alda  die 

8cb6ne  LeicliprtMÜj^  /  so  der  Dieb  scbwanomnasig  zur  letzt  aüfl' 
der  leiter  jm  selbs  zu  spat  Galgt-nreulich  vnd  andern  zu  fr&he 
Oalgentrewlich  ihnt/  anzuhören.  Vnd  zwar  /  welche  sich  soldie 
bod  wflsle  vnd  schrecklich  spectacnl  nit  erschamroten  md  ab- 
manen  lassen  /  werden  nimermehr  durch  gliiiipfflicliere  vnd  ver- 
nÄnffügere  mittel  fruchtbarlich  zu  reciit  zubringen  seyn. 

So  nnn  beides  die  alte  vnd  auch  heutige  weit  /  solche 
beyspilige  spigelwelsK  ynd  spigelweiszliches  beyspiel  /  vn  Come» 
dische  art  der  leut  schäm  vnd  zucht  (wo  anders  noch  einige 
im  hindersten  spolwinckel  bey  jne  verborgen)  zuerwecken  vnd 
anffiramuntem  /  gebillichet  vnd  nutdich  beihnden:  wie  solten 
wir  vns  dann  derselbigen  bereit  bewirten  weisz  nnn  hierin 
vnd  zu  andermalen  anderswo  zugebrauchen  /  vnd  ein  verwirretes 
vngestaltes  Muster  der  heut  verwirrten  vngestalten  Welt/  sie 
von  jrer  verwirrten  vngestalt  vnd  vngestalter  verwumng  ab- 
zuf^iren  und  abzuveiiren /  fÄrzuspiegeln  beschämen?  Sintemal 
doch  auszfundlich  /  dasz  es  der  Welt  auff  solchen  schlag 
nichtig  wol  ge&llt/  vnd  ohn  nutz  nicht  abzugehen  pfleget/ 
weil  sie  augenscheinlich  spArm  /  dasz  jnen  daselbs  /  da  der 
Wirt  ein  Dieb  ist  /  nicht  wird  zu  stelen  sovn :  (doch  dem  Autho- 
rem  vnvorglichen  /  sonst  mhst  er  auch  wie  der  Schultheisz  von 
Hundsfelde  mithetsche).  Solt  aber  darum  ich  oder  ein  anderer 
schumpfieriKMz  (wie  ich  wol  weis  etliche  Wechseilum  schliessen) 
ein  VnHat  seyn  /  weil  wir  villeicht  euch  vnd  euers  gleichen 
Vnflater  vnfliUig  beschriebe?  (gleichwol  solchs  vnserm  Hand- 
werck  nit  schad  /  dann  wir  dirffen  nit  kochen).  Solten  darum 
die  Spartaner / weil  sie  trunckeubtltz  vorstellet^/  trunckebiltz 
sein  y  der  Fürst  /  weil  er  einen  Hosenbutz  auffstellt  ein  Hosen- 
lump?  die  Eitern /weil  sie  galgenschwengel  vorspi^eln/ 


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galgemnlssig  helssen?  Non  seqiiit  /  sa^  der  Abt:  sondern 
im  ^egenspil  mögen  die  /  dent^n  man  solche  vnn<l  andere 
saabere  musier  vorbildet  /  wol  fhr  sich  sehen  /  solche  Vnflater 
nidit  zu  werden:  weil  sie  sich  on  das  zimlich  darzn  arten 
vnd  geberden.  Was  kan  ein  Spiegel  dazu  /  dasz  er  einen 
lützelhupschen  lÄtzelhupsch  anzeigt?  der  Kutreck  /  dusz  er 
eim  die  Nasz  ausztmckt /  nachdem  er  drein  lallt?  Die  Blum  / 
dasz  eine  Spinn  gifft  aosz  jr  zeicht?  der  Paracelsns  /  dasz  jm 
der  Hencker/  wie  er  schreibt  /  21  Knecht  gehenkt  hat?  I>er 
Spi(»gel  wird  darumb  nicht  dunckeler  /  wann  schon  ein  Schrautz- 
kolb  drein  sieht:  die  Sonn  wirt  darumb  nicht  wilst/wann  sie 
schon  Wasser  ansz  Pfitzen  ziecht.  Der  Artzet  mnsz  darum  nicht 
kranck  werden  /  wah  er  schon  mit  Krancke  vmbgeht:  Solt 
ich  nit  »  in  geistlichen  Text  vnder  eine  Weltliche  weisz  singen 
kftnnen?  oder  ein  Weltlichen  Dantz  ansz  der  Psalmenweisz  / 
Der  Thorecht  spricht  /  geigen  kAnnen?  Dichten  doch  vnsere 
Predicanten  Gfistliche  Lieder  von  einer  Wilden  Sau  /  das  ü^oist- 
liche  wacker  braun  Meidlein  /  den  geistlichen  Felbinger  cet. 
0  mein  lieben  G48t  /  ich  sähe  den  Bettlerdantz  auch  wol  grosse 
Herren  dantzen  /  vnnd  den  PhiUpinadahtz  /  dantz  anch  wol 
ein  Bawer.  Ich  thu  wie  die  Griechischen  Pliilosophi  /  die  zogen 
anflf  alle  Kirchweihen  /  Messen  vnd  Markte  /  nicht  dasz  sie 
kaufften  /  sonder  alles  /  wie  es  zugieng/  begafften  /  wäre  Gaffleat 
Ar  Eanfleut.  Ich  sorg  nit  wie  jener  Cardinal  /  der  nit  durch 
Genff  ziehen  weit  besorgend  der  Lulft  macht  ihn  Ketzerisch  / 
wie  jener  zu  Bom/gieng  den  Griechen  zu  neid  /  nit  durch  die 
Griechisch  strasz  /  firchtend  /  er  ererbe  die  Griechisch  Pesti» 
lenil  /  oder  wie  jener  Signor  /  der  nicht  durch  Neapolis  wolt 
reissen  /  ausz  sorg  /  es  stosz  jn  die  Ne  apolitanisch  sucht  an  / 
das  ist /er  erb  die  RitterraAsigon  Frantzosen:  wie  jene  Mönch 
.«M^^ckfort  kein  Latharisch  B&cher  in  jr  Kloster  weiten  em* 
VstolM/Yor  tngsten  sie  w&rden  Ketzerisch:  Hei /wie  herrlich 

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—   297  — 

schioe  Witstilpel:  aie  sind  auch  etlicher  widertiulTer  arfc/ die/ 
weö  de  durch  ein  Kirch  oder  Bahthansz  gehe  /  die  schnch  / 

wiewol  nit  auff  Mo^is  /  sondern  widersinniger  meynung  aus- 
sehe /  damit  sie  nit  die  geweihete  schach  aber  nit  die  ge- 
weihete  Fftss  entheilige  /  od*  vil  mehr  den  geheiligte  Boden 
?erunreinen  /  vnd  den  staub  wie  die  Aposteln  von  Füssen 
schüttle  müssen.  Darum  nä  michs  offt  wunder  /  warumb  die 
Dorchliechthelligste  /  die  man  anff  Mistb4ren  trage  mnss  / 
vn  sonst  anff  Lewen  vn  Otter  gehen  /  damit  sie  keine  Zihe 
an  ein  stein  stussen  /  jlmen  auch  nit  die  Z4hen  wie  die  Finger 
beschweren  /  versegne  /  weihen/  schaben  /  beschneiden  /  Terchri- 
ttmen  /  verelementen  vnd  versacramenten  lassen  /  alszdann 
machte  sie  kein  Pantoffel  noch  Schuch  trucken  /  wie  jenen 
Predigkanzischen  ti'opffen  der  die  Schuch  mit  Chrisam  schmieret. 
Aber  disz  soll  noch  wol  auff  eim  Oondlio  berahtsohlaget  wer- 
den/wann mich  einmal  die  Schuch  nimer  trucken:  Nun  ha/ 
reim  dich  Eisenhut  an  den  Fusz  oder  Fut:  das  sind  eitel 
Satornische  /  tomische  Windmüüer  vn  Letzk6pff :  Die  Leut 
sind  nidit  Schlangenart /dasz  sie  sidi  so  laichtlich  mit  bftsen 
werten  soltmi  beschweren  vnnd  vergifften  lassen  /  dieweil  sie 
je  den  verstand  gutes  vnd  bäses  haben/  vnd  nichts  bises  be- 
schrieben wird  /  dasz  nicht  von  jnen  herkomt  /  vnd  es  selbe 
biss  orkennen.  Yerwirfit  man  doch  von  wegen  etlicher  vnbe- 
scheidener  Wort  mit  jedes  Buch:  Kan  doch  das  Ohrenzart 
Fiauenzimmer  wol  etliche  Zotten  inn  Bocatij  Centonovel  /  desz 
Jacob  Winters  Wintermeyen  /  der  beiden  Stattschreiber  su 
Bnrckheim  vnd  MaursmAnster  Wickmm  vn  Jacob  Freien  frey 
Boilengesprach  vnd  Gartenzech:  Auch  des  M.  Linders  Katzi- 
poiy  gestech  /  vnd  desz  Straparole  Historie  vertragen:  dass 
ich  jetzt  ander  Eulespiegelischer  vn  Wegkurtierischer  art 
buchern  geschweige.  Sie  soynd  dannoch  weit  nit  /  wie  desz 
Pog^  l^sjpurcitiarum  opus.    Verwirfft  man  doch  in  Schulen 

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—   298  — 


von  wegen  leichtfertiger  reden  nit  etliche  mutwillige  Poete  / 
alsz  den  Martiale  (wiewol  jhn  Nangerius  jirlichs  auflf  gewissen 
tag  verbrcnt  hat  /  wie  Paracelsus  den  Dioscoridem)  Ouidium  / 
Plautum  /  Juuenale  /  Pogium  /  Bebel iiim  /  vn  schier  alle  Come- 
dische  vii  Satyrische  scribente  /  dene  bossen  zureissen  ange- 
bore :  Teretius  d'  so  gar  sauber  sein  sol  /  ist  im  Eunucho 
nit  so  gar  lauter  /  so  doch  seine  Comedie  die  ern [st J hafftosten 
K6iner  Lelius  vn  Scipio  sollen  geschmit  haben  

Ein  vnd  Vor  Ritt  /  oder  das  Parat  vnnd  Bercytschlag  / 
inn    die  Chronick   vom  Grandgoschier  /  Gurgellantual  vnd 

Pantadurstlingern. 
Jß  meine  Schlampampische  gute  Schlucker  /  kurtzweilige 
Stall  vnd  TafelbrAder:  jhr  Schlaftruncene  wolbesoffene  Kautzen 
vn  Schnautzhin  /  jhr  Landkündige  vnd  Landschlindige  Wein 
Verderber  vnnd  Banckbubcn :  Jr  Schnargarkische  Angstertraher / 
Kutterufstorcken  /  Bii'pausen  /  vnd  meine  Zeckvollzepfige  Domini 
Winholdi  von  Holwin:  Ertzvilfrasz  lappscheisige  Scheiszhausz- 
füUer  vnnd  Abteckerische  Z4pfleinlÄller :  Freszchnaufige  Maul- 
procker  /  CoUatzbduch  /  Gargurgulianer :  .  Grosprockschlindige 
Zipfler  vnd  Schmärrotzer :  0  jr  Latzdeckige  Bluch  /  die  mit 
eim  Kind  essen  /  das  ein  Rotzige  Nasen  hat:  ja  den  L6ff<'l 
wider  holt  /  den  man  euch  hinder  die  thiir  wurfft:  Ja  auch 
jhr  Fuszgramige  Kruckenstupfer  /  Stdbelherrn  /  Pfatengramische 
Kapaunen  /  Hdndgratler  /  Badenwalfarter:  Huderer  /  Gutschirer 
Jarmeszbesucher  /  jr  Gargantztunige  Geiermundler  vnd  Gurgel- 
männer/Buttcrbrater/ safransucher/ Mesz  vnd  Marek tbesucher  / 
Hochzeitscliiffor  /  Auffhaspler /Gutverldmmerer/  Vaterverd  erber/ 
Schleitzer  /  Schultrabreiser:  Vii  du  mein  Gartengesellschaftl; 
vom  Rollwagen  /  vom  Marckschiff  /  von  der  Spigeleuten  /  mit 
üweren  sauberen  Erndfreien  HerbstsprÄchen.  Jr  Sontagsjüng- 
herlin  mit  dem  feyertiglichen  angesicht/jr  Bursch  vn  Marek- 


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stooten  /  Pflastertretter  /  Neazeytangsp&her  /  Zeitongrerwetter  / 
KaopeDtOckische  Nasen  rnd  Affentriher  /  Bauchverkenffer  / 

Oenclistecher  /  Blindmcusz  vnd  HÄtlinspiler/  Lichtscheue  Augen- 
nebeler:  Vnd  jr  feine  Verzuckerte  Gallen  vnd  Pillulen  /  vnnd 
floniggebeitzt«  Spinnen.   Sihe  da/jhr  feine  Schnadelbatien. 
Jbr  Lmigkiizlige  Backenhalter  vnnd  Wackenader  /  jhr  Enten- 
schnaderige/  Langzungige  Krumschndbel  /  SchwappelschwÄble  / 
die  ejm  eyn  Nusz  vom  Baum  schwätzen:  jr  Zuckerpapagoi / 
Hetzenamseler  /  Hetzenschwetzer/Staniai6rer/  Scherenschleiffer  / 
Borfinken/  EnnckelstnbischeGinsprediger/  Schirstobner/ Jndaa- 
jagige  Rftscher  /  Waffelarten  /  Babeler  vnd  Babelarten  /  Fabel- 
arten  vnd  Fabeler  /  von  der  Babilonische  Bauleut  eynigkeyt. 
Jr  Hildenbrandsstreichige  wilde  Hameln  /  Binmaiuzreiaeer  / 
Trotstenffelslnokstellige  Sticbdenteoffel  vnnd  PopponBcbiser/die 
dem  Teurt'L'l  ein  horn  auszrauffen  /  vnnd  pulferh^rnlein  drausz 
schrauffen.    Vnnd  endlich  du  mein  Gassentrettondes  Buler- 
bibstlein  /  das  hin  vn  wider  vmbechilet/  ?nd  nach  dem  Holiz 
stincket  /  auch  sonst  nichts  bessers  thnt  /  dann  rote  Nasm 
trincket  /  vnd  an  der  Geysen  elenbogen  hincket.    Ja  kurtzumb 
du  G^uchhornigs  Ynnd  weichzomigs  Hauszvergessen  Mann  vnnd 
WeibsTolck/  sampt  allem  anderen  dArstigen  Gesindlein  /  denen 
der  roh  gefressen  Narr  noch  aaflfotoeei 


20* 


Siebentes  Capitel 


Amadis. 

Wir  haben  durch  das  in  den  vorhergehenden  Capitek 
Gesagte  nan  schon  ein  beinahe  Yollstftndiges  Bild  des  Roman- 
wesens  in  Deutschland  in  der  zweiten  Hälfte  des  XVL  Jahr- 
hnnderts  gewonnen,  wenigstens  ein  so  vollständiges,  dasz  wir 
ans  die  Bomanlectüre  als  eine  sehr  ?erbreitete  und  beliebte 
Unterhaltung  der  mittleren,  namentlich  aber  der  höheren  öe- 
sellschaftsschichten  in  unserem  Vaterlande  zu  denken  haben. 
Ein  nicht  geringerer  äuszerer  Beweisz  von  dei-  Ausbreitung 
unserer  literatnrgattung  ist  die  bekannte  Thatsache,  dass  ▼e^ 
schiedene  Bnchhftndlerfirmen  der  damaligen  Zeit  die  Verviel- 
fältigung und  den  Vertrieb  von  prosaischen  Unterhaltungs- 
b&chern  zu  ihrer  besonderen  Aufgabe  machten.  Den  ersten 
Bang  nimmt  die  berfihmte  Bachhandlang  ?on  Siegmand  Fejer- 
abendt  in  Frankfurt  a.  M.  in  dieser  Beziehung  ein.  Wir  haben 
schon  viele  Bücher  und  Ausgaben  kennen  gelernt,  weiche  aus 
der  Feyerabendtschen  Offidn  hervorgingen,  besonders  anfinerk- 
sam  dürfte  noch  aof  ein  grOezeres  Unternehmen  za  machen 
sein,  welches  zeigt,  wie  bedeutend  die  Nachfrage  auf  diesem 
dem  höchst  intelligenten  Qeschäftsmanne  genau  bekannten  Gebiet 
gewesen  sein  musz.  Ich  meine  das  1578  and  1587  erschie- 
nene Buch  der  Idebei  eine  groszartig  angelegte  Sammlung  von 


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—   301  — 


Büchern  unserer  Gattung.  enthält  nicht  weniger  als  drei- 
zehn ei-zählende  Dichtungen  in  Prosa,  nämlich  Octavian, 
Magelone,  Galmy,  Tristrant,  Camillo  und  Emilie,  Florio  und 
Bbnoeffora,  Theagenen  und  Chariklea,  Gabriotto  und  Beinhart, 
Melusine,  den  Ritter  vom  Thum,  Pontus  und  Sidonia,  Herpin 
und  Wigoleisz,  alles  Bücher,  welche  wii*  bereits  kennen  gelernt 
haben.  Es  sei  noch  bemerkt,  dasz  die  Exemplare  dieser  zwei 
Folioansgaben  ftnszerst  selten  sind,  was  in  Verbindung  mit  der 
sicher  anzunehmenden  nicht  geringen  Stärke  der  Auflagen 
auf  sehr  zahlreiche  und  eifrige  Leser  hindeuten  durfte. 

Aber  nodi  weit  bedeutender  auch  als  blosses  buchhftndle- 
riscbes  üntemehmen  war  die  VerOflbntlichung  eines  zweiten 
groszen  Romanwerkes  durch  die  Feyerubendtsche  Officio,  näm- 
hch  die  der  deutschen  Amadisbücher.  Denn  nur  m  sehr  geringem 
Masze  waren  andere  deutsche  Firmen  an  der  Vervielftltigung 
dieses  Riesen-Ünterhaltungsbuches  betheiligt.  Während  wir 
aber  über  das  Buch  der  Liebe,  da  es  nur  uns  schon  bekannte 
Werke  enthalt,  nichts  weiter  zu  sagen  habe,  ninmit  der 
Amadis  eine  solche  Stellung  m  der  Entwickelungsgesdiichte 
unserer  Gattung  ein,  dasz  wir  ihm  allein  dieses  ganzt-  CaiÜel 
widmen  müssen.  Denn  erst  die  Betrachtung  dieses  Werkes 
wird  uns  das  Bild,  welches  wir  uns  von  LectOre  und  Lese- 
welt des  gebildeten  Deutschlands  jener  Zeit  zu  machen  ver^ 
sucht  haben,  wirklich  vervollständigen. 

Als  Wieland  im  Jahre  1771  seinen  „Neuen  Amadis'*  ?er- 
öifentlichte,  sagte  er  im  Vorbericht  zu  dieser  ersten  Ausgabe: 
^Weder  mit  dem  Amadigi  des  Bemardo  Tasso,  noch  mit  dem 
alten  Amadis  de  Gaula,  noch  mit  irgend  einem  andern  Amadis 
in  der  Welt  hat  der  gegenwärtige  neue  Amadis  auszer  dem 
Namen  (und  auszer  derjenigen  Aehnlidikeit,  die  er  sogar  mit 
den  Contes  de  ma  mhre  Toye  hat)  wenigstens  mit  Wissen 
und  Willen  des  Dichters  nicht  das  Mindeste  gemein.^^ 


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Damit  hatte  Wieland  Becbt,  denn  er  bat  weder  die  Ei^ 

eignisse,  noch  die  Personen,  noch  den  Ton,  in  dem  das  Ganze 
vorgetragen  wird,  im  Geringsten  von  dem  alten  Amadis  de 
Qanla  enti^t,  nidit  weniger  Becht  aber  hatte  er,  grade  den 
Kamen  Ämadia  seinem  Qedicbt  m  gehen,  da  der  alte  Amadis 
der  berühmteste  und  in  seiner  Art  originellste  Vertieter  der 
irrenden  Rittmcbaft  ist  und  Wieland  für  sein  komisch-satirisches 
Bpos  das  die  mnliebiis  levitas  snm  Hanptgegenstand  der 
Darstellang  hat,  einen  Chevalier  errant  als  Hanpthelden  nnd 
Träger  der  an  sich  sehr  losen  Einheit  der  Dichtung  haben 
mnsxte.  Es  bedarf  übrigens  der  Verwandtschaft  des  Amadis 
de  Oanla  mit  dem  «Kenen  Amadis**  dnrchans  nicht,  am  den 
ersteren  für  uns  hier  im  höchsten  Grade  interessant  zu  machen, 
denn  während  Wielands  Dichtung  zu  seinen  weniger  bedeuten- 
den und  epochemachenden  Erzeugnissen  gehört,  war  der  um 
dOO  Jahr  filtere  Namensvetter  seines  Heldoi  von  seiner  lite- 
rarischen Geburt  an  das  ganze  XVI.  Jahrhundert  hindurch 
bis  tief  in  das  siebzehnte  —  denn  Grimmelshausen  erwähnt 
ihn  in  der  Courage  als  vielgelesenes  Modebuch  —  der  er- 
Uftrte  Liebling  der  Lesewdi  Wenn  also  der  ftsthetisehe 
Werth  dieses  Buches  in  neuerer  Zeit  sehr  viel  anders  als 
früher  beurtheilt  worden  ist,  and  ich  mir  die  Besprechung  die- 
ses Punktes  auf  weiter  unten  vorbehalten  musz,  so  steht 
seine  ausserordentliche  historische  Bedeutung  doch  ausser  allem 
Zweifel. 

Ich  werde,  wenn  von  der  Geschichte  des  merkwürdigen 
Buches  wird  die  Bede  sein  müssen,  Gelegenheit  nehmen,  seine 
Belebtheit  nnd  seine  ausserordentliche  Verbreitung  durch  An- 
gabe der  sehr  zahlreichen  Ausgaben,  üebersctzungen,  Be- 
arbeitungen und  Fortsetzungen  ausfuhrlich  zu  beweisen,  halte 
m  aber  Ar  das  Beste,  jetzt  sogleich  zu  seinem  Inhalt,  dem 
Stoffe  sdbst,  zu  kommen,  än  Verfidiren,  wtMm  um  so  melur 


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—   803  — 


gerechtferti<^t  erschein"!!  dnrf.  nls  doi-  alte  Amadis  immer  noch 
zu  den  wenigst  bekannten  Büchern  gehört,  und  es  durchaus 
Dfiizlicb,  ja  iwihwendig  ist,  ehe  anderweitige  Uriheile  gefiUlt 
wenleii,  erst  eine  Vontelliing  von  dem  Stoffe  so  haben,  der 
geeie^net  war,    ein  so  munströ.s  urafangieiches  Werk  anzu- 
fiillen  und  ein  so  zahlrei**lH^-  Pul)licum  so  lange  Zeit  zu  fesseln, 
üm  jedoch  nicht  auch  in  dieser  Inhaltsangabe  ein  Monstmm 
zn  liefern,  beschrftnke  ich  mich  anf  die  ersten  vier  Bflcher. 
So  wild  von  dor  ganzen  Einrichtung  der  Erzalilung  ein  an- 
schauliches Bild  gegeben,  und  die  Geschichte  der  gosammten 
Amadisromane  wurd  zeigen,  dasz  nach  den  ersten  Tier  Bflchem, 
webhe  den  Gmndstock  nnd  zugleich  das  Beste  des  Ganzen 
luMen,  al»zu.sohlieszen  ist,  um  dann  nur  noch  kurz  und  im 
Allgemeineo  anzudeuten,  auf  welche  Weise  der  endlose  Faden 
weitergesponnen  ward.   In  der  Analyse  folge  ich  der  deutschen 
Ausgabe  Ton  1583. 

ünlang  nach  dem  Leiden  und  Sterben  Christi  regierte  in 
Klein-Britannien  ein  König  mit  Namen  Qarinter.  Seine  jüngste 
Tochter  Elisena  war  ein  Ausbund  von  ScbOnbeit,  zog  sich  aber 
durch  hartnäckige  Abneigr.n^  |i,'*^gen  die  Ehe  den  Spitznamen  der 
verlorenen  Geistlichen  zu.  Als  eines  Tages  der  König  Garinter 
in  der  Nähe  der  Stadt  Alyma  jagte,  verirrte  er  sich  und 
gewahrte  zwei  seiner  Bitter,  die  mit  einem  ihm  unbekannten 
kämpften.  Der  Unbekannte  erschlug  seine  Get,mer,  stellte  sich 
dem  Garinter  als  König  Perion  von  Frankreich  vor  und 
erlegte,  wfthrend  beide  miteinander  das  Gefolge  des  ersterim 
wieder  anfeuchten,  noch  emen  Löwen.  Er  wurde  tou  Garinter 
herrlich  enipftingen  und  beseitigte  durch  d-  n  Eindruck  seiner 
Perjiönlichkeit  Elisenens  vorerwähnte  Antipathie  so  gründlich, 
daez  er  durch  Vermittelung  der  Darioleta,  ihrer  Zofe,  noch  in 
der  ersten  Nacht  nach  seiner  Ankunft  den  Amadis  mit  ihr 
erzeugte.    Schon  nach  zehn  Tagen  aber  kehrte  er  nach  Frank- 


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reich  vtirftek,  namentlidi,  um  fttr  einen  in  der  gedaciiten  Nacht 

gehabten  Traum  dort  eine  Auslegung  zu  suchen.  Das  von 
EÜBena  geborene  Kind  legte  DarioleU  in  einen  Kasten,  dazu 
ein  Pergament  mit  der  Schrift:  „Dieser  ist  Amadis  Ooieit, 
eines  Königs  Sohn",  femer  den  Ring  und  das  Schwert  des 
Perion,  worauf  sie  das  Behältn^sz  dem  Meere  anvertraute. 
Bin  nnverforftchliches  Landesgesetz  bedrohte  n&mlich  alle  ge- 
fUlenen  Jongfranen  ohne  Unterschied  des  Standes  mit  dem 
Tode.  Das  gute  Glück  fügte  es  nun,  dasz  grade  um  diese 
Zeit  Gandales,  ein  schottischer  Bitter,  mit  seiner  Gemahlin 
nnd  semem  neugeborenen  Sohne  Qandalm  Aber  das  Meer  in 
seine  Heimath  reiste.  Er  fand  Amadis,  landete  bei  Antallia 
in  Schotten  und  gab  den  Findling  für  seinen  leiblichen  Sohn 
ans.  Etofg  Perion-  dagegen  erhielt  nicht  nur  in  seinem 
Lande  eine  anf  seine  SOhne  bezügliche  Auslegung  des  gehabten 
Traumes,  sondern  eine  ihm  plötzlicii  erscheinende  und  ver- 
schwindende Frau  versall  ihn  noch  zum  UeberHusz  mit  einem 
Orakel,  das  ihm  vor  der  Hand  freilich  ebenso  dunkel  war  wie 
fhst  alle  in  dem  Werke  vorkommenden  Weissagungen,  die 
auch  post  eventum  meist  nur  mit  Mühe  und  Scharfsinn  zu 
▼erstehen  smd.  Jene  selbe  Frau,  die  niemand  anders  als 
ürganda  die  Unerkannte  war,  erschien  auch  dem  €kudales 
und  sagte  ^hm,  er  erziehe  vielen  Fürsten  den  Untergang. 
Bald  nachdem  sie  verschwunden,  sah  er  sie  wieder,  und  nach- 
dem er  ihr  einen  wesentlichen  IMenst  geleistet,  oitdeckte  sie 
sieh  ihm  als  ürganda,  gab  ihm  eine  Probe  ihrer  Zauberkunst, 
indem  sie  sich  vermittelst  einer  Salbe  alt  und  wieder  jung 
machte,  und  erkl&rte  schlieszlich,  dasz  sie  dem  Amadis  ihr 
Wohlwollen  schenken  werde,  ein  Umstand,  welcher  in  der 
ganzen  folgenden  Geschichte  eine  auszerordentlich  bedeutende 
Bolle  spielt 

Als  nun  nach  einiger  Zeit  £6nig  Languines  Ton  Schotten 


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—   305  — 


auf  einer  Roise  zn  Gandalos  kam,  fiel  sein«»r  G»mialilin,  der 
älteren  Schwester  der  Prinzessin  Elisena,  Amadiä  wegen  seiner 
Sehdnheit  anf^  ond  nachdem  das  königliche  Ehepaar  yon  Gan- 
dales  fiber  die  Auffindung  des  Junkers  vom  Meere  —  so  hatte 
man  den  Knaben  xubenannt  —  die  Wahrheit  erfahren  Iiatte, 
nahmen  sie  den  letzteren  nebst  semem  Pflegebruder  Gandalin 
mit  in  ihre  Besidenz.  Ktoig  Perion  ward  inzwischen  dnrch 
einen  Brief  Elisenas  benaclirichtigt ,  dasz  ihr  Vater  Garinter 
gestorben  sei,  worauf  er  sich  zu  ihr  begab  und  sie  heirathete. 
Sie  TerheimUchte  ihm  jedoch^  auch  auf  seine  Frage,  die  Ge- 
bort des  Amadis.  Später  gebar  sie  ihm  den  Galaor  und  dann 
die  Melisea.  Ersterer  wurde  in  sehr  zartem  Alter  von  einem 
Bieaen  geiaubt,  als  sich  seine  Eltern  mit  ihm  in  der  Seestadt 
Qiangfl  befimdeD. 

Um  diese  Zeit  starb  der  König  Falangros  von  Grosz- 
Britannien,  und  sein  Bruder  Lisuaii,  der  die  dänische  Prin- 
lessin  Briaena  znr  Gemahlin  hatte,  ward  sein  Nachfolger.  Er 
spielt  in  unserer  Geschichte  so  dentüch  die  Rolle,  welche 
Karl,  Artus  und  Etzel  in  ihren  Sagenkreisen  haben,  dasz 
eme  Nachbildnng  nicht  verkennhar  isi  Seine  zehnjährige 
Toditer  Oriana,  die  zweite  Hanptfigor  der  ganzen  Brzählnng, 
liesz  er  aus  dem  Lande  seines  Schwiegervaters  nunmehr  nach 
England  fahrend,  da  sie  von  der  Seereise  allzu  angeln  iffen  war, 
bei  König  Langnines  znrAck.  Der  zwölQährige  Amadis  wnrde 
dieser  Prinzessin  znr  AnfWartnng  gegeben,  in  beiden  keimte 
bald  eine  gegenseitige  Neigung.  Unser  Held  kam  mittlerweile, 
freilich  etwas  sehr  frühzeitig,  auf  den  Gedanken,  Bitter  werden 
IQ  wollen,  da  aber  König  Langnines  gegen  das  an  ihn  gestellte 
Ansuchen  des  jugendlichen  Aspiranten  eben  ni'^lits  Erhebliches 
einzuwenden  fand,  wurden  von  Gandales  die  sorgfältig  aufbe- 
wahrten Erkennnngszeichen  herbeigeholt,  welche  dieser  bei  dem 
neogeboreiien  Knlbldn  hi  dem  Kasten  vorgeftanden  hatte. 


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—    306  — 


Oriana  nahm  ohne  besondere  Absidit  das  Wachs,  in  welches 
Darioleta  das  Pergament  verborgen  hatte,  an  sicli.  Zufallig 
kam  Perion  von  Frankreich,  welchem  nach  Erlangung  der 
Ritterwürde  zu  Hülfe  zu  ziehen,  des  jungen  Amadis  kindliche 
Schwärmerei  gewesen  war,  grade  um  diese  Zeit  liülfesuchend 
nach  Schottland,  da  ihn  Abies  von  Irland  aus  seinem  Lande 
vertrieben  hatte.  Languines  sagte  ihm  Hülfe  zu  und  schlug 
auch  Amadis  zum  Ritter,  der,  Gandalin  als  Begleiter  mit- 
nehmend, auf  Abenteuer  auszog,  allerdings  in  der  Absicht, 
dem  Perion  zu  Hülfe  zu  eilen.  Er  hatte,  um  weniger  wichtige 
Begegnisse  zu  übergehen,  auch  bald  das  Glück,  mit  seiner 
geheimniszvollen  Gönnerin  ürganda  zusammentreffen,  welche 
ihm  eine  Lanze  mit  dem  Bedeuten  übergab,  durch  diese  werde 
er  das  Haus  erlösen,  von  dem  er  entsprungen  sei.  Ferner 
werde  ein  Ritter  durch  ihn  die  höchste  Ehre  erlangen,  dadurcli 
aber  auch  in  grosze  Gefahren  kommen,  wie  seit  zehn  Jahren 
keiner  darin  gewesen.  Mit  der  Begleiterin  ürgandas  weiter 
ziehend  gelangte  Amadis  auf  »'in  Schlosz,  wo  er  Perion  aus 
groszer  Gefahr  befreite.  Er  gelobte  letzterem  seine  Dienste, 
verliesz  ihn  aber  dann  wieder  und  setzte  seinen  Weg  allein 
mit  Gandalin  fort,  nachdem  er  von  der  mit  ürganda  gekomme- 
nen Jungfrau  noch  erfahren,  dasz  sie  zu  Oriana  ziehe.  Nicht 
lange  darauf  begegnete  er  einer  andern  Jungfrau,  welche  von 
dem  Ungeheuer  Galpan  geschändet  worden  war.  Amadis 
richtet  sogleich  vor  dem  Schlosse  des  Riesen  ein  groszes  Blut- 
bad unter  dessen  Leuten  an  und  erschlug  schlieszlich  ihn 
selbst,  worauf  ein  in  der  Nähe  wohnender  Ritter,  den  Galpan 
früher  besiegt  hatte,  ihn  voll  Freuden  aufnahm  und  seine 
Wunden  heilte.  Sein  Ruhm  gelangte  nun  an  den  Hof  des 
Königs  Languines,  wo  um  dieselbe  Zeit  Oriana  durch  Oefftiung 
des  obenerwähnten  Wachses  seine  königliche  Abkunft  entdeckte. 
Nach  verschiedenen  Zwischenfallen  kam  Amadis  nach  dem 


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Schlosse  Balduin,  wo  Poii«)n  obon  duicli  Abies  und  Daganil 
eine  harte  Belagei'uug  mit  Notb  aushielt.  Nachdem  er  da- 
selbst sich  zneret  so  tapfer  gehalten,  dasz  er  Ton  seiner  aner- 
kannten Mntter  Elisena  entwaffnet  ward,  tOdtete  er  den  andern 
Tag  Abies  im  Zweikampfe.  Jetzt  erfolgte  unseres  Helden 
ErkennnDg  von  Seiten  seiner  Eltem,  und  eine  Botschaft  der 
Chiana  entbot  ihn  an  den  Hof  ihres  Vaters,  wohin  sie  sich 
inzwischen  begeben  hatte.  Ton  dem  Wege  nach  Yindelisora 
wnrde  Amadis  aber  durch  eine  Botschaft  ürgandas,  die  seiner 
dringend  bedurfte,  abgelenkt. 

Inzwischen  war  Qalaor  achtzehn  Jahre  alt  geworden  nnd 
finszte  gemeinschaftlich  mit  seinem  Pflegerater,  dem  Riesen, 
der  ihm  eine  gute  Erziehung  hatte  zutlieil  werden  lassen,  den 
Beschlusz,  za  König  Lisnart  zn  ziehen  und  sich  von  ihm  zum 
Bitter  schlagen  zu  lassen.  Da  er  aber  nnterwegs  auf  Amadis 
traf  und  sah,  mit  welcher  Tapferkeit  dieser  einen  von  ürganda 
geliebten  Ritter  befreite,  liesz  er  sich  sogleich  von  ihm  das 
Schwert  geben,  aber  erst,  nachdem  er  sich  wieder  von  Amadis 
getrennt  hatte,  erführ  dieser  von  ürganda,  dasz  Qalaor  sein 
Bnider  sei.  Dieselbe  erschien  dann  auch  dem  Galaor  nnd 
hielt  ihm  den  nöthigen  genealogisclien  Vortrag,  worauf  Galaor 
seinen  Pflege?ater  Oandaiach  an  Albadan,  emem  abscheulichen 
Biesen,  rftchte  nnd  jenen  wieder  in  seine  verlorene  'Herrschaft 
einsetzte.  Darauf  extern porirte  Galaor,  dessen  ganze  Figur 
dem  Don  Juan  aufs  Haar  gleicht,  mit  der  schönen  Aldena 
ein  Liebesverhältnisz,  bei  welchem  weniger  Prüderie  beider- 
seits als  halsbrediende  Ffthrlichlreiten  in  den  ftnszeren  Um- 
standen zu  überwinden  waren.  Amadis  aber  gelangte,  nachdem 
er  noch  den  trotzigen  Dardan  herausÄutordern  Gelegenheit  ge- 
nommen, in  die  Nähe  von  Vindelisora.  Hier  stieg  er  anf 
einen  Banm  nnd  versank,  wie  dies  seine  Qewohnheit  war,  in 


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elegisch-yerliebtes  TrSnmen,  ans  dem  ihn  Gandalin  nur  mit 
Mfilie  erwecken  kennte. 

Den  folgenden  Tag  besiegte  er  als  Kaiiipo  einer  Dune 
den  Dardan  in  (Gegenwart  des  Hofes,  aber  nieht  erkannt,  von 
Oriana  nur  ▼ermnthet.  Mit  dieser  sich  im  Garten  ein  heim- 
liches RendezTonfl  m  geben,  glückte  ihm  durch  Gandalins 
schlaue  Vermittelung,  und  erst  am  folgenden  Tage  stellte  er 
sich  dem  Hofe  vor,  nachdem  er,  wie  es  einmal  seine  Bigen- 
thflmlichkeit  war,  mit  sdnem  Namen,  ohne  dasz  man  recht 
erfahre,  warum,  sehr  lange  geheim  gethan.  Während  dessen 
fand  Galaor  schon  wieder,  wenn  aucli  noch  schwer  verwundet, 
dne  f&r  seine  nnplatomschen  Galanterie  erstaunlich  zugäng- 
liche Dame,  und  mit  sdnem  Vetter  Agraies  im  Bunde  be- 
siegte er  den  Herzog  von  Briton,  Aldenas  Vater.  Von  diesen 
Helden thaten  brachte  eine  Jungfrau  dem  an  Lisuarts  Hol 
weilenden  Amadis  Kunde,  die  Thrftnen  aber,  die  unser  Haupt- 
heldaus  Bfihmng  hierfiber  vergosz,  erregten  die  nur  durch  genaue 
Darlegung  des  ganzen  Thatbestandes  zu  be.schwichtigende  Eifer- 
sucht Orianas,  die  ihm  jedoch  nun  erlaubte,  nebst  Gandalin 
auf  die  Suche  nach  seinem  Bruder  ausEudehen.  Nach  einer 
Beihe  von  Abenteuern,  die  wie  lange  vorbereitet  seiner  auf 
jedem  Tritt  und  Schritt  harrten,  wurde  er  von  einem  Zwerge 
auf  ein  Schlosz  gelockt,  wo  sich  folgende  für  eine  Eigenthüm- 
lichkeit  der  Geschichte  recht  charakteristische  Begebenheit 
zutrug.  Das  Schlosz  gehörte  nftmlieh  dem  argen  Zauberer 
Arealaus,  dessen  Tücke  und  exquisite  Nichiswürdigheit  in  dem 
ganzen  Buche  eine  sehr  bedeutende  Rolle  spielt  und  ihn  zum 
Gegenstfick  und  Gegeogewicht  gegen  ürganda  macht  Amadis 
befreite  in  dem  Schlosse  des  Unholds  allerdings  erst  eine  An- 
zahl Gefangener  aus  scheuszliciiem  Kerker,  schlug  auch  den 
Arealaus,  der  ihn  zueist  in  ritterlichem  Kampfe  zu  bestehen 


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d09 


ttotemahm,  in  die  Flucht,  folgte  aber  dem  fliehenden  in  ein 
Zimmer,  wo  er  dnrch  Zanbergewalt  alsbald  kraft-  ond  lebloe 

zosammensank.  Arealaus  beraubte  ihn  nun  seiner  Büstung, 
gab  ihn  auffallender  Weise,  anstatt  ihm  den  Garaus  zu  machen, 
seiner  an  SchlechtiglKeit  ihm  durchaus  nicht  gleichenden  Qe- 
nnUin  zu  bewahren,  und  reiste  mit  den  Spellen  sogleich  nach 
König  Liiuaits  Huf  ab.  Kaum  aber  war  er  fortgezogen,  so 
traten  in  das  bewuszte  Gemach  plötzlich  zwei  von  Urganda 
gesendete  Jnngihioen,  Stimmen  nicht  sichtbarer  Personen  lieszen 
rieh  hören,  und  ?iele  schwebende  Lichter  erschienen,  alle  An- 
wesenden waren  an  ihrt  n  Platz  gebannt,  und  unter  mysteriösen 
Ceremonien  ward  Amadis  entzaubert  und  erweckt,  worauf  er 
die  noch  fibrigen  Gefimgenen  befreite  und  das  Sehloez  Terliesz. 
Es  ist  kaum  nOthig  zu  erwftbnen,  dasz,  sobald  er  den  Fnsz 
ins  Freie  gesetzt,  sogleich  die  Abenteuer  in  Masse  zur  Hand 
waren,  während  Arealaus  an  Lisuarts  Hof  durch  die  Nachricht, 
er  habe  Amadis  m  ritterlichem  Kampfe  umgebracht,  Alles  in 
grosze  Trauer  versetzt,  Onana  sogar  dem  Tode  nahe  bringt. 
Von  den  zahlreichen  Abenteuern  des  befreiten  Haupthelden 
sei  nur  die  Begegnung  mit  der  schönen  Briolania,  der  er  ver- 
sprach, ihr  sp&ter  zu  ffilfe  zu  kommen,  erwähnt  Ardan, 
der  den  Amadis  begleitende  Zwerg,  kam  hierbei  auf  den  (Je* 
danken,  zwischen  dem  Helden  und  der  Dame  bestehe  ein 
Liebesverhältnisz,  und  dieser  Irrthum  wurde  dem  uneischüt- 
terlich  treuen  Cayalier  späterhin  sehr  Terderblich,  indem  er 
die  wüthendste  Eifersucht  Orianius  zu  Wege  brachte.  Femer 
gerieth  Amadis  den  Andeutungen  ürgandas  gemäsz  mit  dem 
onerkannten  Galaor  in  einen  überaus  heftigen  und  gefährlichen 
Kampf,  welcher  mit  einer  Kunst,  die  unter  den  Neueren  last 
nur  Walter  Scott  besitzt,  geschildert  wird.  Ein  Zufall  führte 
die  Erkennung  schlieszlich  herbei,  aber  beide  Helden  muszten 
ihrer  Wnnden  wegen  die  beabsichtigte  Beise  nach  Vindelison 


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längere  Zeit  unterbrechen.  Auch  nachdem  sie  sicli  auf  den 
Weg  gemacht,  folgten  wieder  Abenteuer  in  athemloser  £ile  auf- 
einander, nur  dasz  Qalaor  anch  unter  diesen  ümstftnden  Zeit 

zu  summarisch  angeknüpften  und  abgewickelten  Liebesverhält' 
nissen  fand. 

Um  diese  Zeit  beschlosz  König  Lisnart,  ein  glftnsendes 
Hoflager  zn  halten,  nnd  berief  daher  alle  Welt  anf  den  Sep- 
tember nach  London.  Vorher  jedoch  lies/,  er  sich  unvorsich- 
tiger Weise  von  einer  Jungärau  die  EifuUung  einer  später  aus- 
zusprechenden Bitte  zusagen,  ein  in  nnserm  Boman  sehr  oft 
benfttzter  Anlasz  zn  Verwickelungen.  Die  hierdurch  erregte 
Besorgnis/,  seiner  Umgehung  vermehrte  der  König  noeh  dadurch, 
dasz  er  von  einem  geheimniszvoll  auftretenden  Bittei*  ein  De- 
positum Ton  Kleinodien  annahm  und  versprach,  &lls  er  sie 
nicht  wiedergebe,  jeden  Preis  dafür  zu  entrichten,  den  man 
fordern  würde.  Hinter  diesen  Maszregehi  steckte  ein  teuflischer 
Plan  des  Arealaus,  der  den  Barsinan,  König  in  Sanschwegen, 
Idsnarts  Nachbar,  in  sein  Interesse  zu  ziehen  gewuszt  hatte. 
Barsinan  begab  sich  auch  alsbald,  auf  Venrath  sinnend,  an 
Lisuaitö  Hof.  Die  unterdesz  ebendaselbst  angekommenen 
AmadJs  und  Galaor  lockte  eine  im  Einverständnisz  mit  den 
Verrftthem  befindliche  Jungfrau  in  einen  Wald,  wo  sie  in  die 
Gewalt  der  Madasima  geriethen  und  durch  Todesandrohungen 
genötliigt  Werden  sollten,  dem  Lisuart  zu  entsagen.  Aber 
hier  hilft  Galaors  Virtuosität  in  der  Buhlschaft  aus  der  Ge- 
hihr,  vermittelst  deren  er  Madisama  dergestalt  zn  befriedigen 
und  zu  gewinnen  weisz,  dasz  beide  Helden  wieder  auf  freien 
Fusz  gelangen.  £s  war  aber  hierzu  aucli  hohe  Zeit,  denn 
schon  war  der  Inhaber  der  auf  rftthselhafte  Weise  verschwun- 
denen Kleinodien  angelangt  und  hatte  Oriana  als  Preis  mit 
sich  fortgeführt.  Desgleichen  erschien  auch  bald  die  Jungfrau, 
der  Lisuart  das  unvorsichtige  Versprechen  gegeben  hatte,  und 


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-   311  — 


(ttiirte  Ilm  2a  einem  Kampfe,  wobei  er  verr&therischer  Weise 
gefimgen  genommen  ward  nnd  in  des  Arcalaos  Gewalt'^rieÜL 

Sobald  nun  AiiLidis  und  Galaor  zurückgekehrt  und  des  Ge- 
schehenen kundig  geworden  waren,  setzte  der  erstere  den  Ent- 
fohrem  Orianas,  der  andere  denen  des  Königs  nach.  Nachdem 
Amadis  seine  Qeliebte  am  nftehsten  Tage  glücklich  befreit 
hatte,  war  beider  überschwängliclie  und  bei  jeder  Gelegenheit 
gepriesene  Tugend  kein  Hinderungsgrund,  die  Ehe  zu  antici- 
piren,  welcher  Umstand  deswegen  zu  betonen  Ist,  weil  die 
SQSzereheliche  Erzeugung  der  Haupthelden  in  den  Amadis- 
roraanen  traditionell  ist  und,  wie  ich  glaube,  eine  Rolle  unter 
den  schwer  bestimmbaren  Indicien  der  sagenhaften  fiestand- 
theOe  imseres  Werkes  spielt  Galaor,  dem  sich  noch  Gillan 
der  Spfculirer,  und  Ladasin  anschlössen,  befreite  den  König 
Liäuart,  welcher  sogleich  Botschaft  an  seine  Gemahlin  Brisena 
sBikdte  nnd  auch  durch  Ge&ngene  Kunde  von  den  Plänen 
der  Arealaus  und  Barsinan  erhielt.  Letzterer  erntete  nach 
einigen  vorübergehenden  Erfolgen,  als  Lisuart,  Amadis  und 
andere  Halden  nach  London  kamen,  den  Lohn  seiner  Treu- 
losigkeit auf  dem  Scheiterhaufen. 

Nun  war  alle  Gefsihr  soweit  beseitigt,  dasz  Amadis  und 
Galaor  der  schönen  Briolaoia  zu  Hülfe  ziehen  konnten.  Unter 
den  Abenteuern,  die  ihnen  auf  dem  Wege  zu  dieser  Dame 
begegneten,  ist  die  Auffindung  ihres  ältesten  Bruders  Florestan 
m  erwähnen,  welchen  Perion  einst  mit  einer  Prinzessin  von 
Seeland  erzeugt  hatte.  Die  Heldenthaten  dieses  nunmehrigen 
Br&derkleeblattes,  durch  welche  sie  der  Briolania  alles  Ver- 
lorene wiedererwarben,  machen  den  Schlusz  des  ersten  Buches. 

Vor  der  Lebenszeit  des  Amadis  —  so  beginnt  das  zweite 
Bneh  —  regierte  in  Griechenland  ein  König,  der  seinem 
Schwager  auf  dem  kaiserlichen  Throne  von  Oonstantinopel 
nachfolgte.   Er  hatte  zwei  Söhne,  von  denen  der  eine  Apolidou 


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—   312  — 

sich  aller  ritterlichen  Künste,  aber  auch  der  Nigromanci  beflisz. 
Er  verzichtete  aus  Friedfertigkeit  za  Guusteii  seines  jüngeren 
Bradere  auf  seine  firbschaft,  bestieg  nach  seines  Yaie»  Tode 
ein  Sefaüf  nnd  kam  nach  Italien,  wo  er  taeh  m  die  Tochter 
des  Kaisers  Suidan  verliebte.  Er  enttuhrte  sie  und  gelangte 
mit  ihr  nach  der  „beschlossenen  Insel.''  Hier  tddtete  er  einen 
Bioaen  nnd  lebte  nadiher  f&n&ehn  Jahre  als  Herr  des  Landes, 
bis  smn  Bruder  starb  nnd  er  nach  Constantmopel  auf  den 
Kaiserthi'on  berufen  wuide.  Ehe  er  abreiste,  errichtete  er 
zauberische  Gebäude  und  Kunstwerke  zur  Prfiiung  tapferer 
Bitter,  treuer  Liebhaber  und  schdner  Damen. 

Nachdem  Amadis  mit  seinen  Genossen  die  Hauptstadt 
der  schönen  Briulania,  Sobradisa,  verlassen  hatte,  traf  er  unter- 
wegs die  Tochter  des  Isania,  Gubemators  der  beschlosseneD 
Insel.  Sie  zogen  mit  ihr  dorthin,  und  Amadis  allein  bestand 
das  Abenteuer  mit  dem  Schwibbogen  der  getreuen  Liebhaber, 
während  die  andern  übel  abfielen.  Hierdurch  wurde  uuser 
Held  zum  Herrn  der  Insel  und  empfing  die  Huldigung  der 
Emwolmer.  Inzwischen  hatte  sich  aber  in  Folge  der  oben 
erwähnten  Aeuszerung  des  Zwerges  Orianas  eine  so  heftige 
Eifersucht  bemächtigt,  dasz  sie  dem  Amadis  einen  höchst  be- 
leidigsnden  Absagebrief  schrieb,  mit  dem  sie  einen  Edelknaben 
Namens  Durin  abfertigte.  Dieser  kam  auf  die  Insel,  als 
Amadis  grade  durch  den  seine  Treue  so  glänzend  bewähren- 
den Schwibbogen  ritt  Als  er  das  verhängmszvoUe  Schreiben 
gelesen,  gerieth  er  m  die  entsetzlichste  Verzweiflung.  Br 
schenkte  die  Insel  und  seine  Waffen  dem  GandaUn  und  ritt 
in  die  Weit  hinein,  bis  er  in  einen  Wald  kam,  wo  er  abstieg 
und  entschließ  Nachdem  er  erwacht,  brach  er  in  lange  Kla» 
gen  aus,  welche  you  Gandalin  und  Durin,  die  ihm  nadigezogen, 
gehört  wurden.  Ein  yorüberziehender  Ritter  sang  ein  Lied, 
worin  er  sein  Glück  in  der  Liebe  pries  und  aussprach,  dasi 


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—   313  — 

Oriaoa  die  toq  ihm  Angebetete  sei,  vorber  sei»  die  Königin 
Strdaniira  «eine  Geliebte  gewesen.  Amadis  wollte  erst  des 
hervortretenden  Gandalin  AufForderuiig,  mit  jenem  zu  kämpfen, 
Dicht  böien,  da  er  durch  sein  Unglück  ganz  kraftlos  geworden 
sei,  endlich  jedoch  entschlosz  er  sich  dazn  nnd  sching  den 
Ritter  nieder,  liesz  aber  seinen  Bekannten  durch  Durin  melden, 
dasz  er  gestorben  wäre. 

Der  von  Amaüs  wegen  seines  bedenklichen  Liedes  sdiwer 
verwundete  Ritter  war  Patin,  Sidons,  des  römischen  Kaisers, 
Bruder.  Er  hatte  sich  von  seiner  Geliebten,  Sardamira  von 
Sardinien,  getrennt,  nm  ihre  Schönheit  in  ritterlichem  Kampfe 
gegen  Orianas  Ruf  zn  yertheidigen ,  sich  jedoch  an  Lisnarts 
Hof  in  letztere  verliebt  und  auch  vom  Könige  eine  ziemlich 
günstige  Antwort  erhalten.  Amadis,  den  zu  suchen  inzwischen 
Gahior,  Floiestan  nnd  Agraies  ansgezogen  waren,  gehingte, 
nachdem  er  sich  von  Gandalin  durch  List  entfernt,  zu  einem 
Eremiten.  Dieser  sprach  ihm  einigen  Trost  zu  und  nahm  ihn 
unter  dem  Namen  Dankeihübsch  in  seine  Gemeinschaft  auf. 
Gandalin  konnte  von  Amadis  nur  die  woggeworfene  Rüstung  auf- 
linden.  Oriana  vcrnaiim  von  Durin,  welche  Wirkung  ihr 
Brief  henrorgebracht  hatte,  ihr  Sinn  änderte  sich,  nnd  sie 
sandte  die  dänische  Jungfhin  mit  einem  Briefe  an  den  Helden, 
welcher  die  Folgen  des  ersten  wieder  gutmachen  sollte.  Die 
Jungfrau  wendete  sich  zuerst  nach  Schottland,  da  Oriana  ihren 
Geliebten  bei  Gandales  yermuthete.  Gillan  der  Speculirer, 
welcher  des  Amadis  Schild  gefunden  nnd  mitgenommen,  kam 
mit  demselben,  nachdem  er  mehrfache  Abenteuer  bestanden, 
an  Lisnarts  Hof,  wo  die  yerzweifelnde  Oriana  nur  mit  Mühe 
f  on  Mabila  abgehalten  wurde,  sich  aus  dem  Fenster  zu  stflrzen. 

Da  Dunkelhübsch  mittlerweile  zwei  Träume  hatte  und 

diese  ihm  von  dem  Kinsiedler  als  Glück  verheiszende  ausgelegt 

wurden»  raffte  er  sich  soweit  auf^  dasz  er  folgendes  Lied  rerfaszte: 

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1.  Die  weil  man  mir  die  verdiente  victori  / 

Vnbillich  thut  iiemmen  vnd  entziehen. 
Aach  sich  als  dann  das  erlengt  lob  vnd  glori 
Endet /so  sol  ich  mich  niin  benilkhen: 
Nacher  verlornen  rhura  (wie  denn  luhüch) 
Ausz  dieser  Welt  zu  scheiden  williglich. 

2.  Dann  eben  dorch  den  todt  hingenommen  werden 

Aller  mein  Knmmer/leid  vnd  anfiRhtnn^. 
Deszgleichen  mein  habender  trost  aull'  erden 
Idebe/ derselben  Inbrunst  vnd  hoffnong/ 
Dasz  also,  wenn  ich  jetso  sterben  ihne/ 
Ich  allererst  kom  zur  verlangton  ruhe. 

3.  Doch  wird  ich  stetigs  eingedeneken  tragen/ 

Desz  zugefügten  leidts  vnd  trawrigkeit 
Dardurch  man  hat  willen  mem  lob  yerjagen 

Auch  dasselb  stellfii  in  Vergessenheit. 

Vnd  dergestalt  neben  meiner  ehr  zumal/ 

Mich  auch  endtlich  ausztilgen  vberal. 
Nadi  einiger  Zeit  nun  kam  Corisanda,  Ihren  Geliebien 
Florestan  suchend,  zu  dem  Armfelsen  —  so  hiesz  des  Einsiedlers 
Aufenthalt  —  und  Amadis  lehrte  ihren  Zofen  sein  poetisches 
Erzeupisz,  audi  sagte  ,  er  ihnen,  dasz  er  DnnckeMbsch  heisee. 
Als  sich  nun  Corisanda  nach  Lisuarts  Hof  begab  und  ihre 
Jungfrauen  sich  dort  mit  dem  Liede  hören  lieszen,  kam  Mabila 
auf  den  Gedanken ,  dasz  der  „Penitentzer*"  Dunkelhübsch  mit 
Amadis  identisch  sei,  was  sie  Orianen  zum  Tröste  einzureden 
suchte.  Auch  die  dftnische  Jungfrau,  welche  unverriditeter 
Sache  von  Schottland ,  wo  sie  Gaiulales  besucht  hatte,  nach 
Grosz-Britannien  zuiUckkehren  wollte,  wurde  durch  Sturm  an 
den  Armfelsen  yerscUagen.  Sie  erkannte  den  sehr  entstellten 
Amadis  und  gab  ihm  den  versöhnenden  Brief  Orianas.  Der 
Held  entächlosz  sich  sogleich,  mit  ihr  uach  Mireflor,  wo  sich 


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—   315  — 

Orians  eben  aufhielt,  m  reisen,  ^e  kamen  in  England  an, 
ud  Amadis  wartote  .in  einem  Nonnenklostor,  Iris  Oriana  dnrch 

die  Jungfrau  auf  seine  Ankunft  vorbei  oitot  war. 

Florestan,  Ghüaor,  Agraies  und  Gandalin  kamen  verab- 
ndetor  Maszen  nm  diese  Zeit  nach  London,  nm  einander  von 
d«m  Erfolge  ihres  Suchens  nach  Amadis  Bericht  zu  erstatten. 
Lisuart  bat  sie,  ihm  in  einem  Kampfe  zu  helfen,  der  zwisclien 
je  hnndert  von  ihn  und  yon  dem  Tribut  verweigernden  König 
CQdadan  von  Irland  gestollten  Bittom  stottfinden  soUto. 
Hierdurch  wurden  sie  abgehalten,  ihre  Nachsuchungen  sogleich 
fortzusetzen.  Während  sich  Oiiana  nach  Mireflor  begab,  er- 
sdden  am  Hofe  ein  fremder  Bittor,  der  dem  Könige  die  Ab- 
sage folgender  gefahrlichen  Subjecte  übermittelte :  Famongomad, 
des  Biesen  im  brinnenden  See,  seines  Vetters  Cartadac,  des 
Biesen  vom  verbottnen  Berg,  seines  Schwagers  Mandafibel,  des 
Biesen  vom  grünen  Thnm,  des  Herrn  Qnedragant,  weiland 
des  Königs  Ab ies  Vdii  Irland  Bruder,  und  endlich  Arcalai  des 
Zanbereis.  Alle  diese  woUton  n&mlich  dem  König  CQdadan 
beistohen.  Sie  ftigton  die  schmfthlige  Znmuthnng  bei,  warn 
Lisuart  seine  Tochter  Oriana  der  Madasina,  Famongomads 
Tochter,  zu  einer  Jungft-aumagd  geben  wolle,  so  werde  man 
Qiiana  mit  dem  Prinzen  Basigant  verloben  nnd  ihn  in  Buhe 
hnen.  Lisuart  erwiderto  natürlich  die  Absage,  und  Floreston 
forderte  den  üeberbringer  der  unverschämten  Botschaft  für 
künftige  Zeit  heraus. 

Auf  dem  Wege  nach  Mireflor,  den  er  natOrlich  ohne 
Abenteuer  nicht  zurücklegen  duiite,  besiegte  Amadis  erst  den 
Quedragant  und  schickte  ihn  gefangen  zu  Lisuart,  dann  stach 
er  sehn  Bitter,  die  sidi  als  Gefolge  derLeonore,  Orianas  jüngerer 
Sebweeter,  in  Zelten  gelagert  hatten,  herab,  begegnete  bald 
darauf  dem  Famongomad  und  seinem  Sohne  Basigant,  welche  in- 
iwischen Leonoren  und  ihre  Begleiter  gelangen  genommen 

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hatten  und  sie  fortführten,  um  sie  ihren  Götzen  za  opfern,  be- 
freite die  Qefengenen  und  schickte  sie  mit  den  Leichen  der 

ÜTijBfeheuer  zum  Köiii<;e  nach  London.  Hii  rauf  erst  feierte  er 
ein  überaus  wonnevolles  Wiedersehen  mit  seiner  geliebten 
Onana.  Während  der  acht  Tage,  die  er  sich  in  Mireflor  auf- 
hielt, kam  ein  alter  Mann  an  den  Hof  des  Lisnart,  weldier 
zwei  Kleinode  zur  Fi  üfung  pretrouer  Liebhaiier  mit  sieh  brachte, 
und  es  ward  beschlossen,  eine  derartige  Probe  zu  Yeranstalten. 
Als  Amadis  und  Oriana  davon  hörten,  beschlossen  sie,  ver- 
kleidet nach  London  zu  ziehen  nnd  durch  Bestehung  der 
Probe  das  Sehwert  und  den  Kranz  zu  erwerben.  Macandon, 
der  GreiSf  welcher  die  Kleinode  hatte,  ein  Neffe  des  vorer- 
wähnten ApoUdon,  sollte  nur  von  dem,  der  die  Probe  be- 
stünde, zum  Kitter  gemacht  werden  und  suchte  beiläufig  be- 
reits GO  Jahre  nach  einem  hierzu  qualiticirten  Individuum. 
Unsem  beiden  Liebenden  gelang  es  nicht  mr,  am  Hofe  uner- 
kannt au  bleiben,  sondern  auch  die  Probe  zu  bestehen.  Da- 
gegen gestaltete  sich  das  llesultat  für  die  anderen  höchsten 
und  allerhöchsten  Herrschaften  sehr  ungünstig.  Der  König, 
Gahior,  ilorestan  nebst  über  hundert  anderen  Bittem  ver- 
suchten sich  an  dem  Zauberschwert  vergebens,  ingleichen  fiel 
die  Königin  Briolania  und  eine  Anzahl  Damen  bei  der  Pnifung 
durch  das  Kränzlein  durch.  Amadis  schlug  Macandon  zum 
Bitter  und  Lisuart  nebst  QaUor  gaben  dem  siegreichen  Paare, 
das  sich  nicht  zu  erkennen  gab,  das  Qeleit  bis  vor  die  Stadl 
Auf  dem  Buckwege  schlug  Amadis  noch  dem  Arcalaus  vier 
Finger  und  dessen  Vetter  Lindoracq  den  Kopf  ab,  welche 
Gegenstände  er  dem  Könige  schickte.  Schon  aber  hatte  dieser 
und  Galaor  von  Urganda  Briefe  eriialten,  welche  die  bevor- 
stehende Schlacht  mit  Cildadan  betrafen  und  geheimniszvoll- 
bedenklichen  Inhalts  waren.  Nachdem  noch  einige  wenige 
wichtige  Nadiriditen  über  das  Verhalten  der  fBindliehen  Partei 


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—   817  — 


«ingeknfaif  wurde  m  Felde  geiogeii,  und  ee  kam  m  einer 
forehibaren  Sehlaolit  mit  den  Irlftndeni,  welche  mit  wirklieh 

glänzender  Kunst  beschrieben  wird.  Amadis,  welcher  natür- 
Uoh  nicht  fehlte  und  Wander  der  Tapferkeit  verrichtete,  gab 
dch  mitten  im  Kampfe  sm  erkennen.  Gahior  wnrde  schwer 
verwandet  nebst  dem  Könige  Cildadan  von  zwölf  Jungfrauen 
zu  Schifte  weggeführt,  Briolania  besuchte  Oriana  zu  Mireflor, 
dar  letzteren  Eifersucht  drohte  bei  Anblick  der  Schönheit  jener 
nen  zn  erwachen,  doch  erllihr  sie  von  Briolama  selbst,  dass 
Amadis  wohl  anderswo  heimlich  buhlen  müsse.  Die  beiden 
verwundeten  Helden,  deren  Wegächafiung  Urganda  veranlaszt 
hatte,  wurden  von  dieser  geheilt,  wobei  sie  Gelegenheit  bin- 
den, mit  Juliane  nnd  Solisa,  den  Nichten  ürgandas  und 
Töchtern  von  Lisuarts  Bruder  Falangros,  jeder  einen  Selm  zu 
zeugen.  Orianas  Eilersucht  entbrannte  noch  einmal,  als  Ama- 
dis in  ihrer  Oegewart  der  Bhohwin  vorschlug,  das  Abenteuer 
auf  der  verschlossenen  Insel  zu  versuchen,  sie  wurde  aber  von 
der  vernünftigen  Mabila  gehörig  zureclit  gewiesen. 

Nachdem  noch  eine  Anzahl  weniger  eingreifender  Vor- 
ftUe  die  in  England  versammelten  Helden  in  Athem  gehalten 
nnd  Urganda  nrit  zauberhaftem  Feuerwerk  am  Hofe  erschienen, 
um  eine  Anzahl  noch  unveitjtändlicher  Weissagungen  auszu- 
kramen, auch  Amadis  und  Onana  durch  Anspielungen  auf  ihr 
Vcriilltnisz  in  Verlegenheit  zu  setzen,  zog  sich  wieder  ein 
höchst  gefthrlichee  Unwetter  Uber  den  Häuptern  der  hervor- 
ragendsten Personen  der  Geschichte  zusammen.  Zwei  ßitter 
nämlich,  Brocadan  nnd  Ghindadel,  flüsterten  dem  Könige  Lisuart 
ein,  Amadis  und  die  andern  Franzosen  sden  nur  darum  in 
England,  um  für  einen  Kriegsfall  zwischen  diesem  und  Frank- 
reich, das  im  Kriege  oft  Nachtheil  erlitten,  Anhang  zu  ge- 
whmen.  Der  KAnig,  der  niemals  groese  Proben  von  Verstand 
ablegte,  schenkte  ihnen  nur  zu  leicht  Ghiuben,  und  als  Ama^ 


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—   318  — 


dis  mit  seinen  Freunden,  von  ihren  Wanden  gelieilt,  vor  ihm 
erschienen  and  baten,  er  mOge  Chdiiaiies  fliit  Madaäna  vipr- 

heirathen  und  mit  der  Insel  Montgaze  belehnen,  schlug  er 
ihnen  die  Bitte  rund  ab  ^nd  setzte  lünzu,  sie  könnten  gehen, 
wohin  sie  wollten. 

Sine  solche  Behandlung  konnte  sich  unser  Held  meht  ge- 
lallen  lassen,  er  setzte  also  sogleich  seinen  und  seiner  Freunde 
Abzug  nach  der  beschlossenen  Insel  ins  Werk,  fünfhundert 
Bitter  sogen  mit  ihm,  wfthiend  Lisoart  bereits  auf  die  beiden 
Yerleomder  argwOhnisdi  wnrde  und  sie  barsch  aalifln.  Bine 
um  diese  Zeit  aus  der  Insel  nach  England  kommende  Jung- 
frau brachte  Orianen  den  Bericht,  dasz  die  schöne  Briolania 
alle  Abenteuer  der  Insel  bis  auf  die  letzte  Probe  mit  der 
„yeihottenen  Kammer''  bestanden  habe,  was  natOrKch  die 
Prinzessin  sehr  befriedigte.  Als  Aniadis  mit  den  Seinicren 
schon  eine  Zeit  lan^  auf  der  Insel  war,  kam  Bakis  von  Oar- 
santen  mit  der  Nachricht  dorthin,  dase  sich  Lisoart  rar  An- 
nahme dw  Insel  Montgaze  rflste,  derro  Heransgabe  Ihm  yon 
den  Verwandten  der  Madasina  verweigert  wurde.  Da  der 
Kdnig  Madasina  und  zwölf  in  dieser  Sache  Torgeiselte  Jong- 
taaim  tOdten  lassen  wollte,  sandte  Amadis  zwW  Bitter  sa 
deren  Befreiung  ab.  Sie  langten  jedoch,  nachdem  die  Sache 
bereits  im  Wesentlichen  beigelegt  war,  an,  hatten  nur  noch 
dnen  Wortwechsel  mit  dem  Könige  und  kämpften  darauf 
glücklich  mit  den  Vertretern  der  zwd  Verleumder.  Oriana, 
welche  sich  guter  Hoffnung  fühlte,  zog  sich  nach  einer  Be- 
rathung  mit  ihren  Freundinnen  nach  ]Mireflor  zurück. 

Hier  endet  das  zweite  Buch.  Der  Anfang  des  dritten 
berichtet,  dasz  König  Lisnart  gegen  den  Bath  des  Teratftndigen 
Arban  und  auch  gegen  seine  eigene  bessere  üeberzeugung 
einen  Kitter  nach  der  Insel  Forme  (der  beschlossenen  I.) 
sendete,  um  dem  Amadis  absagen  zu  hissen.   Hieranf  let" 


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—   319  — 


nmiDeite  er  seia  Eiiegsralk,  am  die  Insel  Mootgaie  mit  6e- 
vatt  beeelMn  za  lassen.  Amadis  erwiderte  die  Absage,  liess 
aller  der  Königin  Brisena  alle  Höflichkeit  entbieten  nnd  an- 
zeigen, er  selbst  werde  mit  Lisuart  nicht  um  die  Insel  Montgaze 
kimpfm,  da  er  allein  sie  ihm  erobert  habe.  Die  von  Agraies, 
der  bei  Amaiis  war,  miückgeforderte  Mabila  sog  es  vor,  am 
Hofe  Lisiiaits  zu  bleiben,  da  sie  allein  um  die  bevorstehende 
Entbindung  Orianas  wuszte.  Nachdem  Amadis  seine  Eitter 
naeh  der  Insel  Mootgace  abgesandt  hatte,  bescblosi  er,  xnr 
Yertrabong  dtf  Melaneoley  nadi  Frankreidi  sa  fidiren  mid 
Terliesz  deshalb  von  Bruneo  begleitet  sein  Gebiet.  Widriger 
Wind  fahrte  sie  bald  an  das  Gestade  der  „traiuigen  InseV^ 
we  Amadis  den  im  Kampfe  gegra  den  gewaltth&tigen  Biesen 
Madraqne  begriffenen  Oalaor  nnd  Cfldadon  beistand,  den  Biesen 
besiegte  und  viele  Gefangene  betreite.  Darauf  landeten  sie 
in  MonstreiL  ^v<»  Perion  eben  Uof  hielt,  und  die  beiden  Bruder 
wurden  toU  Freuden  Ton  ihren  Eitern  aufgenommen.  Der 
dnreii  einen  Sdinsz  von  des  Biesen  scheusdiito  Schwester 
Andadova  verwundete  Bruneo  wurde  von  seiner  Geliebten 
lidieta,  der  Schwester  des  Amadis  und  Gralaor,  gepflegt. 
Letilerar  fühlte  sieh,  indessen  veipltiehtet»  dem  EAnig  Lisuart 
mit  seinen  Gesellen  zu  Hülfe  zn  ziehen  nnd  nahm  dazu  Ton 
Vater  und  Bruder  Urlaub.  Cildadon  zog  mit  ihm,  an  beide 
scfaless  sich  unterwegs  ein  junger  Edelmann  an,  der  sieb  als 
Neiandelf  einen  natfiiliehen  Sohn  Lisnarts,  auswies.  Als  leirterer 
auf  dem  Kriegsschauplatze  ankam,  gewahrte  er  den  Schaden, 
den  die  Kitter  aus  der  Insel  Ferme  schon  angerichtet  hatten. 
Er  sddng  sie  in  heisier  Schlacht  und  behigerte  sie  lange 
Zeit,  bis  er  von  semem  Oheim,  dem  Grafen  von  Agramont, 
die  Nachricht  erhielt,  dasz  sich  sieben  Könige  auf  Antrieb 
des  mdurerwähnten  unermüdlichen  Intricanten  Arealaus 
gOgen  ihn  rOsteten*  Oeshalb  nahm  er  die  Oapitulation  der 


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Belageiteii  an  uiul  sdieiikte  odelmütliig  der  Mada^ina  und 
deui  Galuanos  die  Insel  Montgaze. 

Während  sich  dies  zutrug,  hatte  Oriaiia  euien  Sohn  ge- 
boren, den  die  dänische  J^ngfi-an  mit  Dnrin  hinwegbraditen, 
untei'wegs  nahm  ihnen  aber  eine  Löwin  das  Kind  ab  und  trug 
es  zu  dem  Einsiedler  Nasdan,  der  es  von  seiner  Schwester 
aufidehen  liesz  und  Esplandian  nannte,  weil  dieser  ITame  mit 
lateinisclien  Buclistaben  auf  seine  Brust  geschrieben  stand. 
Eine  ebendort  betindliche  giiecliische  Inschrift  blieb  vor  der 
Hand  noch  nnentzifiert.  Der  inzwischen  wieder  einmal  stark 
in  Melancolej  versunkene  Amadis  (derartige  Anftlle  treten  bei 
ihm  stets  in  höchst  acuten  Paroxysmen  aut)  wäre  beinahe  von 
der  Biesin  Andadova,  die  ihm  rachedürstend  nachgefolgt  war, 
erschossen  worden,  aber  es-miszglQckte,  und  Oandalin  erschlag 
das  Ungeheuer.  Amadis  erhielt  von  Oriana  einen  Brief  mit 
der  Nachricht  von  der  Geburt  seines  Sohnes,  aber  erst  dis 
Ermahnungen  des  inzwischen  anlangenden  Florestan  rissen  ihn 
aus  der  ünthätigkeit,  die  bereite  anfing,  ihm  üble  Nachrede 
zu  bringen,  und  er  zog  mit  Perion  und  Florestan  dem  Lisuart 
zii  Hülfe,  welcher  derselben  allerdings  sehr  bedürftig  war. 
Selbstverständlich  halfen  sie  ihm  zum  Siege,  schieden  aber 
unerkannt  von  ihm.  A))er  auf  der  Rückreise  überfiel  sie  ein 
Sturm  und  trieb  sie  wieder  nach  Grosz- Britannien  zurük. 
Hier  geriethen  sie  in  die  höchste  Gteiahr  und  beinahe  in  die 
Gewalt  des  Arealaus,  indem  sie  Dinarda,  deren  Vater  von 
Amadis  im  zweiten  Buche  gelegentlich  erschlagen  worden,  in 
ein  Schlosz  lockte,  wo  man  sie  schlafend  mittelst  ^eines  auf 
Schrauben  stehenden  Bettes  in  eine  tiefe  Grube  versenkte. 
Aber  Gandalin  iiinktc  den  !M«'clianismus  und  schraubte  sie 
mit  der  Hülle  anderer  Gefangener  wieder  herauf,  und  sie  setzten 
ihren  Weg  fort,  nachdem  sie  noch  die  bei  Arealaus  einge- 
sperrte Danoleta  gefunden  und  des  Zauberers  Schlosz  in  Flam- 


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—   321  — 

mio  gesetzt  hatten.  Dieser  traf  auf'  seiner  Flucht  Galaor  nnd 
NenuKlel,  welche  die  drei  unbekannten  Ritter  aus  dem  Kampfe 

gegen  die  sieben  Könige  suchten,  und  nur  dadurch,  dasz  er 
aie  Ober  seine  Identität  t&oschte,  entkam  er  ihnen.  Dinarda 
und  eine  andere  Jungfrau,  welche  sich  in  des  Arcalans  Be- 
gleitung befanden,  gewährten  den  galanten  Helden  zwar 
väbrend  einer  Nacht  Unterhaltung,  machten  sich  aber  schon 
im  folgenden  Tage  dadurdi  yon  ihnen  los,  dass  sie  sie  ans 
der  Burg  eines  Verwandten,  bd  dem  sie  übernachtet,  mit 
List  aussperrten.  Erst  in  Frankreich  erfuhren  Galaor  und 
Nonuidel,  wer  die  drei  Unerkannten  gewesen  nnd  brachten 
dem  EOnig  Lismurt  diese  Nachricht 

Inzwischen  erzog  der  Einsiedler  Nascian  den  jungen 
£splandian  mit  seinem  eigenen  KefTen,  jenes  Milchbruder,  und 
die  oben  erwShnte  Löwin  diente  den  beiden  Knaben  wie  em 
Hond.  Amadis  war  bereits  wieder  anf  Abenteuer  ausgezogen 
und  gelangte  nach  Böhmen  unter  dem  Namen  des  ßitters  mit 
dem  grftaien  Schwerte  oder  auch  mit  dem  Zwerge.  Tafinor, 
der  König  von  BOhmen,  war  eben  in  einen  gefthrlichen  Krieg 
mit  Patin,  dem  Kaiser  von  Rom,  begiiffen.  Amadis  besiegte 
die  Feinde,  auf  deren  Seite  sich  der  hochmuthige  Garadan, 
der  von  unseren  Helden  ersdüagen  wurde,  nnd  Arquisfl,  den 
er  gefangen  nahm,  auszeichneten.  Nachdem  Amadis  dem 
Könige  seinen  wählen  Namen  gesagt,  zog  er  nach  der 
Brauuiej  weiter. 

Anf  einer  Jagd  ihnd  KOnig  Lisnart  den  Bsplandian  nnd 
nahm  ihn,  durch  einen  Brief  Urgandas  dazu  ermahnt,  nebst 
seinem  Gesellen  Sargil  mit  sich.  Oriana,  welche  dem  Ein« 
Siedler  jenes  Sizengnng  gebuchtet,  erkannte  m  ihm  ihren  und 
des  Amadis  Sohn.  Dieser  kam  in  der  Romaney  zu  Grasinda, 
die  ihn  durch  Meister  Elisabet  von  einer  erhaltenen  Wunde 
bcüen  Uesz  und  sich  heftig  in  ihn  verliebte.   Sie  kain  jedoch 


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—   822  — 


nicht  dasQ,  ihm  ihre  Liebe  za  gestehen,  und  nachdem  er  ihr 
versprochen  hatte  wiederzukommen,  fhhr  er  weiter  zur  See 
nach  Constantinopel.  Vom  Stnrm  verschlagen  gelangte  er 
auf  eine  Insel,  des  Teufels  Insel  genannt  Dort  hauste  ein 
Thier,  das  von  einem  Tenfel  besessen  wurde  und  für  nnüber- 
windlich,  wild  and  giftig  galt  Es  hiesz  Endriagne  and 
war  von  einem  Riesen  mit  seiner  eigenen  Tochter  erzeugt 
worden.  Amadis  tödtete  es,  ward  aber  so  schwer  in  dem 
Kampfe  verwmidet,  dasz  er  zwanzig  Tdgp  das  Bett  hüten 
mnszte  und  nmr  die  Kunst  Meiste  Elisabets  ihn  rettete.  Dann 
setzte  er  seine  Reise  fort,  in  Constantinopel  wurde  er  sehr 
ehrenvoll  empfangen,  und  es  gab  viel  galante  Reden.  Die 
Prinzessin  Leonorina  erwedEte  in  ihm  die  lebhafteste  Erinnerung 
anOriana,  und  er  mu8zte*viel  durch  Fragen  nach  seinen  Ge- 
heimnissen leiden.  Als  er,  seines  Versprechens  eingedenk,  zu 
Grasinda  zurückgekehrt  war,  richtete  diese  an  ihn  die  nicht 
unbedenkliche  Bitte,  mit  ihr  nach  Grosz-Britannien  zu  ziehen 
und  dort  zu  behaupten,  dasz  «e  &  schönste  Jungfrau  sei, 
wie  dies  schon  ihr  Bruder,  der  Markgraf  Saleuder,  bei  dem 
Herzog  von  Basel  gethan.  Der  Bitter  vom  grünen  Schwerte 
gerieth  hierftber  in  nicht  geringe  Besttaung,  beruhigte  nch 
aber  damit,  dasz  Oriana  keine  Jungfrau  sei  und  er  ihr  ja  Aber 
die  Sache  eine  ziilViedenstellende  Erklärung  geben  könne. 
Grasinda,  er  und  drei  ihm  befreundete  Bitter,  die  er  zuflüUg 
auf  einer  Jagd  getrolTen,  gingen  nun  zu  Schiffis  um  nach 
Grosz-Britanniön  zu  fahren.  Ebendorthin  war  aber  schon 
einige  Zeit  vorher  eine  Gesandtschaft  des  Kaisers  Patin  von 
Bom  gekommen,  um  die  Hand  der  Oriana  für  diesen  Fürsten 
zu  werben.  Lisuart,  der  ihrem  Antrage  nicht  abgeneigt  war, 
nahm  sie  wohlwollend  auf,  und  die  mit  ihnen  gekommene 
m  ^  Königin  Sardamira  ging  von  dem  englischen  Bitter  Grumedan 

und  fünf  rSmisehen  b^leitet  nach  Mireflor,  um  Oriana  sufim- 


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—   323  — 


Sachen  und  für  Patin  zn  aünimen.  Floreeton  besiegte  die 
Bonner  und  übeniahm  nnn  selbBt  die  Begleitung  SardamirM, 
welcher  Gnimedan  den  wahren  Grund  der  Feindschaft  zwisohm 
Amadis  und  dem  Kaiser  von  Born  erklärte.  Während  sich 
SardaBuia  Tergeblich  nm  ihren  Zweck  bei  Oriana  bemühte, 
gab  auch  Gabor  dem  EOnig  Lisnart  anf  Befragen  den  Bath, 
seine  Tochter  dem  Kaiser  nicht  zu  geben,  da  es  sich  aber 
unmöglich  erwies,  jenen  umzustimmen,  ging  er  nach  Frank« 
rdch.  Audi  Floreetaa  yerlien  Gross -Britaanien  und  begab 
sich  nach  der  Insel  Fenne.  Im  Begnff,  in  Grosz-Britannien 
zu  landen,  trafen  Graainda  und  Amadis,  welcher  jetzt  unter 
dem  Namen  des  giiechischen  Bitters  auttrat,  ein  Schiff,  auf 
weldiem  Dragonis  und  Enil,  zwei  englische  Bitter,  üm  sndiend 
reisten.  Er  bestellte  sie  zu  einem  BendezTons  in  adit  Tagen 
auf  Ferme,  dann  ward  die  Jungfrau  Gonisesa  mit  Grasindas 
Heiaasfordemngsbrief  an  den  König  Lisuart  gesandt,  welcher 
inzwisdiMi,  za  Tagades  Hof  haltend,  gegen  den  Bath  aller 
seiner  Edlen  in  die  römische  Heirath  gewilligt  hatte.  Saluste 
Quide,  das  Haupt  der  römischen  Gesandtschaft,  bat  den  König, 
den  Kampf  gegen  den  griediischen  Bitter  für  die  britamischen 
Damen  aufnehmen  sn  dürfen.  Lisaart,  nm  die  bereits  ge* 
gebenen  Beweise  seiner  Unkhigheit  zu  vervollständigen,  ge- 
stattete es  zum  groszen  Verdrusz  der  einheimischen  Herren, 
zwischen  Gmmedan  nnd  dem  übermüthigen  Börner  kam  es 
darüber  zil  einer  Forderang.  Es  toinchte  kaam  erwfthnt  za 
werden,  dasz  die  Römer  von  Amadis  schmählichst  besiegt 
wurden.  Zufällig  sah  er  nach  dem  Kampfe  seinen  Sohn 
Bsplandian,  woranf  er  nach  Ferme  absegelte.  Oriana  wnrde 
an  den  Hof  citht  nnd  erhielt  onterwegs  einen  Brief  Ton  Amadis, 
der  ihr  den  Aufenthalt  des  Geliebten  anzeigte  und  baldige 
Hülfe  verhiesz.  Lisuart,  wiewohl  durch  ihre  Bitten  undArga- 
monts  nochmalige  Yorstellnngen  ein  wenig  wankend  geworden, 


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versprach,  sie  den  Römern  die  nächste  Woche  zu  überliefern. 
Mit  Gewalt  nebst  Olinda,  der  dem  Prahlbans  Saloste  Qaide 
versprodienen  Braut,  auf  ein  Schiff  gehmcht,  ging  sie  nnter 
Se^'cl,  bald  aber  griff  Amadis  und  die  Seinigen  die  Römer 
an,  besiegte  sie  nach  heftigem  Kampfe,  in  welchem  Saliisto 
getddtet  ward  und  nahm  die  Damen  Oriana,  Sardamira,  Clinda 
und  Mabila  mit  sich  nach  der  Insel  Forme,  wo  sich  Orasinda 
noch  befand. 

Die  Königin  Sardamira,  so  erzählt  das  vierte  Bach  weiter, 
beweinte  des  Prinzen  Salnste  Tod  änszerst  heftig,  sie  etklSrte, 

dasz  aus  diesem  und  dem  Raube  Orianas  die  emstesten  Ver- 
wickelungen entstehen  würden,  und  wollte  sich  von  der  öfter 
in  der  Bolle  der  Trösterin  auftretenden  Mabila  nicht  beruhigen 
hissen.  Bei  der  Ankunft  dbs  siegreichen  (Geschwaders  an  der 
Insel  begrüszten  sieh  Grasinda  und  Oriana  freundlichst  und 
sagten  sich  Artigkeiten  in  Menge,  letztere  aber  konnte  in  der 
Nacht  nach  der  Ankunft  in  dem  Schlosse  Apolidons,  welches 
uns  mit  groszem  Aufwand  von  antiquarischen  und  mytholo- 
gischen Kenntnissen  beschrieben  wird,  theils  wegen  des  durch 
die  See&hrt  Teraidaszten  Unwohlseins,  theils  aus  Besorgniss 
Aber  die  Folgen  des  gewaltsamen  Eingreifens  ihres  Geliebteo 
nicht  schlafen.  Sie  berief  am  nächsten  Morgen  die  Ritter- 
schaft zu  sich  und  nahm  ihnen  das  Versprechen  ab,  dasz  keiner 
die  Damen  ohne  ihre  Erlaubnisz  besuchen  werde.  Audi 
Amadis  konnte  sicli  ernsten  Gedanken  an  die  Zukunft  nicht 
entziehen,  weshalb  er  mit  den  Seinigen  darüber  Rath  hielt, 
was  unter  den  obwaltenden  bedenklichen  Umständen  zu  thim 
seL  Man  beschlosz,  durch  eine  Gesandtschaft  an  König  Lisusrt 
mit  diesem  gütlichen  Ausgleich  zu  versuchen.  Mit  diesem 
Beschlüsse  erklärte  sich  auch  Oriana  einverstanden,  und  es 
wurden  Quedragant  und  Brian,  des  Königs  von  Spanien  Sohn, 
von  allen  gebeten,  die  Sendung  zu  tlbemehmen. 


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—   325  — 

Aniftdis  besprach  sich  aach  mit  Grasinda,  welche  Meister 
Elieabet  nach  der  Romaney  achickto,  damit  er  Hilfevolk  herbei- 
hole. Gleiche  Gesoelie  bestellte  Amadis  darch  denselben 
Boten  an  den  Kaiser  zu  Constantinupel,  durch  andere  Gesandte 
an  Briohuiia,  an  seinen  Vater  Ferien  and  an  den  Ki^nig  Taänor 
Ton  Böhmen.  Agraies  sendete  an  seinen  Vater  nm  Hilfe, 
Brune.)  an  den  seinigen  und  Quediagant  an  die  Königin  von 
Irland.  In  einem  des  Anstands  wegen  in  Gegenwart  anderer 
gafthrten  Gesprftche  awischen  Amadis  und  Oriana  versicherten 
sie  einander  anf  das  Ausführlichste  ihre  Liebe,  kamen  aber 
dahin  ülierein,  dasz  sie,  ohne  Orianas  Ehre  zu  .gefährden,  nicht 
üreier  verkehren  konnten.  Amadis  erhielt  bei  dieser  Gelegen- 
heit andi  durch  Mabila  darQber  Gewisaheit,  dasz  er  der  Vater 
des  jungen  Esplandian  sei. 

Der  Eindruck,  welchen  der  Bericht  einiger  dem  Treffen 
entronnener  Börner  auf  die  Eltern  Orianas  machte,  war  ein 
sehr  verschiedener,  indem  Lisnart  Bache  schnaubte,  Brisena 
dagegen  eher  Freude  als  Verdrusz  empfand.  Ein  durch  Darin 
i[)e8teliter  Brief  Orianas  kam  an  ihre  Mutter  an,  konnte  aber 
vor  Ankunft  der  Gesandten  nicht  beantwortet  werden,  nor 
Hess  die  K((nigm  ihre  Toohter  ermahnen,  vor  Allem  ihre  Ehre 
zu  hüten.  Brian  und  Quediagant  langten  an,  wurden  aber 
von  Lisuart  höchst  ungnädig  entlassen.  Auf  der  Rückreise 
tiafen  sie  Esplandian,  welcher  dem  Amadis  seinen  dienstlichen 
Gmsz  entbieten  liess  nnd  den  Wunsch  aussprach,  dermalebst 
von  ihm  zum  Ritter  geschlagen  zu  werden.  In  der  Berathung, 
welche  Konig  Lisuart  mit  den  Seinigen  über  den  zu  unter- 
nehmenden Bachakrieg  hielt,  wurde  beschlossen,  Gesandte  zur 
Erwerbung  von  Bundesgenossen  aussnschicken ,  znnflchst  zum 
Kaiser  Patin,  dann  zu  den  Königen  von  Irland  und  Schweden. 
Arealaus,  welcher  von  den  Verwickelungen  zwischen  Amadis 
nnd  Lisnart  Kunde  erhielt,  entwarf  sogleich  einen  Plan  zur 


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—   326  — 


Vernichtung  beider.  £r  verf&gte  sich  zum  König  Aiauigiia 
und  heizte  ihn  zum  Kriege,  deBgteioheii  Barainan  von  Sanswege, 
dessen  Vater  Lisnart  hatte  verbrennen  lassen,  dann  in  gl^ber 
Absicht  zu  dem  Könif^e  von  den  tiefen  Inseln  und  den  Verwand- 
ten des  von  Amadis  j^etödteten  Dardan. 

Qaedragant  nnd  Brian  trafen  Tom  Sturm  versehlagra  auf 
Briolania,  mit  der  sie  die  Heise  nach  Fenne  fortsetiten,  wur- 
den unterwegs  von  Tiron,  dem  Sohne  des  Abiseos  angegriffen, 
gewannen  den  Si^g  und  erretteten  Briolania,  auf  deren  Ge- 
fiingennehmung  es  abgesehen  war,  endlieh  gelangten  sie  mit 
dem  gefangenen  Tiron  naeh  der  Insel.  In  dem  Kriegsrathe, 
welcher  jetzt  dort  gehalten  wurde,  sprach  Agraies,  der  Lisuart 
am  heftigsten  haszte,  für  den  sofortigen  Beginn  der  Feind- 
seligkeiten, man  solle  den  König  in  seinem  eigenen  Lande 
angreifen.  Dieser  Antrag  ward  angenommen.  Die  Mission 
des  Meister  Klisabet  in  dei  liomaney  und  Constantinopel 
hatte  guten  Erfolg  gehabt,  desgleichen  die  Gandalins  nadi  Frank- 
reidi  nnd  die  der  anderen  (Gesandten  des  Amadis.  Der  you  losaart 
nach  Rom  gescliickte  Wilhelm  der  Tichter  hatte  zwar  na- 
türlich auch  den  Erfolg,  dasz  ihm  Hülfe  zugesagt  wurde,  doch 
geberdete  mk  Kaiser  Patin  wie  ein  Unsinniger  und  schickte 
Wilhelm  mit  einer  Elle  zurAck,  die  den  GescfaSftetrftgir  be* 
leidigen  muszte,  und  da  König  Lisuart  nach  drei  Wochen 
immer  noch  keine  Nachricht  hatte,  muszte  er  seinen  Vetter 
Qiontes  als  zweiten  Boten  mit  einem  Bennschi£Qflin  naeh  Bom 
senden.  Alle  anderen  Ittehte  und  Helden  sagten  ihm  Unter- 
stützung sofort  zu,  nur  Galuanes  bat,  nicht  gegen  Amadis 
kämpfen  zu  dürien,  was  ihm  gewährt  wurde.  Giontes  stiesz 
auf  Grasandor  Ton  Böhmen,  dar  ihn  aber,  nachdem  er  seinen 
Auftrag  erfahren,  ruhig  weiter  ziehen  liesz  und  dann  nebst 
Perion  auf  der  Insel  des  Amadis  ankam.  Um  die  Damen  zu 
eigOtMnward  hier  eines  Tages  blinder  Alann  gesohhigen,  Perioa 


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—   327  — 


und  Graaandor  lieszen  sich  der  stets  betrübten  Oriana  vor- 
flMlen,  TiroD  erhielt,  nachdem  er  Treue  gelobt,  Ton  Briohuiia 
yenseQiilog  und  den  Oberbefehl  fiber  ihre  Truppen.  Ah  Patin 
nach  England  gekommen  war  und  dort  acht  Tage  gerastet 
hatte,  setzte  sich  das  eoglisch-rdmische  Heer  nebst  den  Uilfe- 
f<Ukara  in  Bewegung.  Vorher  hatte  Amadis  noch  den  Arqnisü, 
welcher  ihm  verpflichtet  war,  zurückfordern  lassen,  ihm  sein 
Heer  gezeigt  und  ihn  dann  hochJierzig  wieder  zu  den  Romern 
geaehiekt.  Während  aneh  das  Heer  Ton  der  Insel  Forme,  zu 
dessen  OberfeLdherm  man  Perion  erwählt  hatte,  anfbraeh, 
fielen  schon  die  von  Arealaus  angestifteten  Feinde  beider  krieg- 
fährenden  Parteien  in  Grosz  Britannien  ein. 

£ui  Zweikampf  des  Amadis  mit  dem  Ton  seiner  Gelieb- 
ten Pinela  hierzu  Teranhissten  Gasquillen,  König  von  Schwe- 
den, eröfl'nete  die  ])hitige  Schlaclit.  Die  von  Ferme  behaup- 
teten, allerdings  mit  groszer  Anstrengung,  den  Plats^,  bewilligten 
aber  dem  Feinde  einen  WaffenstiUstand  von  Tiemndzwanzig 
Standen.  Naeh  dessen  Ablauf  begann  der  Kampf  wiederum 
und  fülirte  zu  einem  vollständigen  Siege  der  von  Ferme.  Auf 
des  Amadis  Wunsch  und  gegen  den  Einspruch  des  Agraies 
wurde  jedoeh  nach  Sonnenuntergang  Ton  der  Verfolgung  Ab- 
stand genommen.  Hierauf  folgte  ein  viertägiger  WaffenstilU 
stand,  um  die  Todten  zu  begraben.  Den  nächsten  Tag  hielt 
Llfluurt  eine  Bede  an  die  fi6mer.,  yon  denen  er  besorgte,  sie 
worden,  weil  ihr  Kaiser  Patin*  gefellen  war,  den  Krieg  nicht 
weiter  fortsetzen  wollen,  eine  Besorgnisz,  die  er  jedoch  durch 
seine  Worte  zu  beseitigen  vermochte.  Inzwischen  hatte  sich 
der  Einsiedler  Naacian  au^nuu^t,  um  Flieden  zu  stiften, 
kam  SU  Oriana  auf  die  Insel  Ferme,  wo  er  Amadis  nodi  ver- 
muthete  und  von  ihr  die  Erlaubnisz  erhielt,  ihrem  Vater  be- 
hois  der  rriedensvermittelung  das  ihm  in  der  Beichte  An- 
Tertnaute  mitsutheflen.  Siligst  begab  er  sich  auf  den  Kriegs- 


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828 


Schauplatz,  sein  Zureden,  seine  .Mittheilnngm  über  das  Ver- 
hältnisz  Orianas  zu  Amadis  und  Esplandian  so  wie  die  bereits 
erlittene  Niederlage  machte  Lisiiart  geneigt,  den  Frieden  an- 
bieten zu  lassen.  Ton  Esplandin  geleitet  übernahm  der  Ein« 
Siedler  diese  Mission  und  fand  auch  bei  Perion  und  Amadis 
geneigtes  Gehör.  Wahrend  die  Unterhandlungen  fortgesetzt 
Warden,  zogen  sieh  beide  Heere  eine  Strecke  zurück.  Der 
EQnig  Aranigna  aber,  welcher  schon  lange  auf  die  Gelegenheit 
lauerte,  eines  der  beiden  Heere  allein  anzuj^eifen,  erfuhr  dies 
nicht  sobald,  als  er  beschlosz,  Lisuart»  welcher  sich  mit  seinen 
sehr  geschwftehten  Heere  nach  der  Stadt  Lnbania  zarflcl[g6- 
zopfen  hatte,  zu  überfallen  und  zu  vernichten.  Dieser  wurde 
jedoch  gewarnt  und  wandte  beim  Marsche  die  höchste  Vorsicht 
an,  auch  fimden  Esplandian  nnd  sein  Genosse  Sargil  Gelegen- 
heit, Arauigans  Plan  zu  dnrdischanen,  ond  eilten,  Amadis 
nnd  Perion  davon  in  Kenntnis/,  zu  setzen,  welchen  es  natürlieh 
Ehrensache  war,  den  König  Lisuart  sofort  aus  der  Gefahr  zu 
befreien.  Dazn  war  allerdings  die  höchste  Zeit,  denn  er  gerieth, 
▼on  Aranigna  nnd  Arealaus  angegiiffen,  in  solche  Noth,  dasz 
er  kaum  der  Gefangenschaft  onti^ing,  rettete  sich  nach  liöchst 
bedeutt'üden  Verlusten  in  die  Stadt  Lubania,  und  nur  die  eia- 
biechende  Nacht  Terhinderte  den  Feind,  der  bereits  zu  störmen 
ange&ngen  hatte,  diese  einzunehmen.  Schon  hatte  am  ni&dislen 
Tage  der  Sturm  von  neuem  begonnen,  als  Amadis  mit  seinem 
Heere  anhmgte  und  Lisuart  entsetzte.  Arealaus  und  Arauigna 
worden  gefimgen,  Perion  kam  eist  an,  nachdem  der  glänzende 
Sieg  gewonnen  war. 

Arquisil  wurde  an  Stelle  des  gefalleuen  Patin  auf  Amadis 
Betrieb  von  den  Hörnern  zum  Kaiser  erwfthlt  nnd  bei  dem 
auf  diesen  Anhisz  hin  stattfindenden  Festmahle  sagte  Idsiiart 
dl  III  Amadis  seine  Tochter  Oriana  und  auf  die  Bitten  des 
letzteren  seine  zweite  Tochter  Leonora  dem  neuen  Kaiser  zur 


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1 


—   329  — 

übe  nL  Bs  ward  wabrodet,  die  beiden  Hochaeiten  aaf  der 
Insel  Ferme  za  begeben,  worauf  dcb  bdde  Heere  nnd  ibre 

Anführer  trennten,  um  sich  an  die  Ausgangspunkte  des  Feld- 
zages zurückzubegeben.  £Onig  Lisaart  bewies,  nacb  Vindelisora 
behngxikotnmen,  mehr  Weisheit  in  der  Betrachtang  seines 
Unglücks,  als  er  im  Glück  gezeigt  hatte.  Auf  der  Insel  Ferme, 
wohin  sich  auch  Periou  mit  seinem  Heere  und  Gefolge  begeben 
bstte,  worden  jetzt  sehr  viele  galante  Gesprftdie  gehalten. 
Amadis  Tersprach  anf  den  Batii  seines  Vaters  seinen  Genossen, 
ilinen  bei  der  Enverbung  der  von  ihnen  gewünschten  Frauen 
beb&lflicb  za  sein,  wobei  er  sich  als  einen  ebenso  eneigischen 
Hniathsrennitaer  wie  Helden  bewies,  nnd  theQte  die  LSnder 
des  Arauigna  und  Arcalaus  unter  sie.  Drei  Ritter  wurden 
von  der  Insel  Ferme  abgesandt,  um  Elisena  und  Galaor  ab- 
zuholen. Die  Königin  und  der  Prinz,  welcher  sich  Ton  seiner 
Krankheit  ziemlieh  erholt  hatte,  kamen  sogleich  mit  Unter- 
wegs trafen  sie  die  auf  der  Fahrt  zu  Amadis  begriffene  Königin 
ans  Dada,  welche  Hilfe  gegen  ihren  rebellischen  und  Ter- 
Tttherischen  Schwiegersohn  suchte,  und  die  drei  Bitter,  Bruneo^ 
Angriota  und  Branfil  beschlossen,  sogleich  mit  ihr  in  ihr 
Land  zor&ck  zu  gehen.  Sie  kamen  mit  der  Königin,  der  sie 
sicfa  ent,  nachdem  sie  in  ihr  Schifflein  getretm,  Torgestellt 
kaHen,  in  Dada  an  und  wuszten  die  dortigen  Angelegenhdten 
in  kui^er  Zeit  so  zu  ordnen,  dasz  der  Aufstand  niedergeschlagen 
and  der  junge  König,  der  Sohn  der  Dame,  gekrönt  wurde. 

Letzterer  begab  sidi,  um  nach  errdchter  Volljfthrigkdt 
von  Amadis  den  Bitterorden  zu  empfangen,  mit  ihnen  nach 
der  Insel  Ferme* 

Lisaart,  Brisena  nnd  Leonore  kamen  inzwischen  ebendahin 
and  in  den  Palast  Apolidons,  wo  sich  auch  ürganda,  mit  dem 
gewohnten  Zauberpomp  auftretend,  einfand.  Sie  weissagte  dem 
Amadis  noch  viele  MOhsale  und  gewaltige  Thaten,  Teihiesz 

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—   330  — 


ihm  aber  auch  ihren  Beistand.  JeUt  fand  deun  auch  die 
lange  yorberuiete  and  «sehnte  Tranong  der  yerlobten  Ihm 
statt  Die  Briste  yenmchten  die  Prfifangeabenteoer  der  Insel, 
und  nur  Oriana  kam,  wie  vorauszusehen  war,  ohne  jeden  Anstosz 
durch.  Nachdem  die  Hochzeitsfeierlichkeiten  acht  Tage  ge- 
wfthrt  hatten,  erklärte  ürganda  den  yersammelteo  Uenrschaften 
Ihre  froheren  Weissagungen  (was  allerdings  aneh  post  eyentnra 
noch  nothwendig  war)  und  fugte  neue  hinzu,  welche  nament- 
lich den  jungen  Esplandian  betrafen,  aber  wieder  durch  ihre 
Gomplidrtheit  nnd  Dunkelheit  sehr  nnyerständlich  warm. 
Das  lanberisdie  nnd  brennende  Fahrzeug,  die  grosn  Sdilange 
genannt,  in  welchem  sie  gekommen  war,  liesz  sie  in  der  Nähe 
der  Insel,  verbot  aber  streng,  sich  ihm  zu  nähern. 

Als  sich  Amadis  eines  Tages  anf  der  Jagd  befind,  landete 
Darioleta  mit  dem  Leichnam  ihres  Sohnes  nnd  ercftUte  ihm, 
der  Riese  Balan  habe  sie,  ihren  Gemahl,  ihren  Sohn  und  ihre 
Tochter  auf  der  Beiae  nach  der  Insel  Ferme  ange&llen,  den 
Sohn  getOdtet  und  die  andern  eingesperrt,  darauf  habe  er  sie 
zu  Amadis  geschickt,  mit  dem  er  um  die  Freiheit  der  G(e» 
fangeuen  kämpfen  wollte.  Amadis  ging  sofort,  ohne  von  Oriana 
Abschied  zu  nehmen,  mit  ihr  zu  Schiffe  und  gelangte  nach 
einer  mehrtägigen  Fkihrt  an  eine  Insel,  anf  der  ihm  ein  Bitler 
dringend  von  dem  Abenteuer  abrieth.  Dei*selbe  begleitete  ihn 
jedoch,  da  er  auf  seinem  Entschlüsse  bestand,  and  sie  kamen 
zu  des  Biesen  Bui^,  welche  eust  Joseph  yon  Arimathia  erbaut 
hatte.  Amadis  besiegte  Balan,  aber  Brayor,  dessen  Sohn, 
überfiel  ihn  mit  dreiszig  Mann  und  brachte  ihn  in  grosze  Ge- 
fahr. Erst  die  Vorwürfe  des  Amadis  geleitenden  Kitters  und 
die  Yermuthung  der  Gemahlin  Balais,  dass  der  Uebeiftllene 
ihr  Jugendgespiele  Oakor  wfire,  bewuttsn,  dass  man  yon  dem 
schändlichen  Geleitsbruche  abstand.    Der  wieder  zu  sich  ge- 


V      kommene  Bahui  war  h^hst  angebracht  aber  seines  Sohnes 


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I 


—   831  — 

Benelunen  und  lieferte  ihn  dem  Amadis  aus,  seine  Gemahlin 
begütigte  diesen,  er  yersöhnte  sich  mit  Balan,  bewirkte  die 
Heraiisgabe  der  Gefimgenen  und  stiftete  eine  Hdrath  zwisdien 
Bravor  und  der  Tocliter  Darioletas,  aus  welcher  Ehe  später 
ein  sehr  beröhmtes  Geschlecht  entsprosz.   Die  inzwischen  auf 
die  Sache  nach  Amadis  von  der  Insel  Ferme  ausgeschickten 
Btiter  trafen  ihn,  nachdem  er  noch  einige  beiläufige  Abenteuer 
bestanden  hatte.    Grasandor,  welcher  sich  unter  ihnen  befand, 
und  Amadis  kamen  anf  eine  InseL,  wo  Amadis  ein  saaberisches 
Abenteuer  iand,  das  jedoch,  wie  er  ans  Inschriften  ersah,  sei- 
nem Sohne  Es]>landian  vorbehalten  war.    Gandalin,  welcher 
unterdesz  auch  Abenteuer  <^'ehabt  hatte,  trat  mit  ihm  zusam- 
men. Als  er  auf  seiner  Insel  eben  angekommen  war,  wnszte 
ihm  die  Gemahlin  des  Arealaus  das  Versprechen  abzulocken, 
ihren  Mann,  den  man  bereits  in  einen  Käfig  gesperrt  hatte, 
laufen  zu  lassen.   Arealaus  nahm  seine  Freiheit  trotzig  und 
ohne  sich  auf  billige  Bedingungen  einzulassen,  in  EmpSaag^ 
man  sieht,  dasz  Niemandem  auszer  dem  Terfinser  an  sdnem 
Leben  gelegen  war.    Zum  Glück  liatte  Urganda  an  Amadis 
und  Oriana  Hinge  geschenkt,  welche  die  Besitzer  vor  seiner 
ZaubertQeke  sicher  stellten.  Doch  nur  sie  beide,  denn  es  ver- 
ging nur  eine  kurze  Zeit,  so  wurde  EOnig  Lisuart  auf  der 
Jagd  durch  Zauberei  gefangen  genommen  und  weggeführt. 
Die  Königin  Brisena  schrieb  an  Amadis  einen  Brief  um  Hilfe, 
lOKwischen  aber  eiBchien  schon  ürganda  auf  der  beschlossenen 
Insel,  liesz  Esplandian  und  seinen  Gesellen  zu  Bittem  schlagen 
und  führte  sie  mit  sich  in  der  gi-oszen  Schlange  fort,  indem 
sie  dem  Esplandian  zunächst  das  von  seinem  Vater  schon  be- 
trachtete Abenteuer  m  Aussidit  stellte. 

Hiermit  schlieszt  das  vierte  Buch,  und  hiermit  soll  auch 
diese  Inhaltsangabe,  die,  so  gedrilngt  sie  ist,  doch  schon  lang 
genug  gewoiden,  schlieszen.  Zweierlei  ergiebt  sich  zunftchst 


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—  332  — 

aii8  dem,  was  hier  im  Aussage  mitgeUieilt  wurde,  erstens» 
dasz  nach  der  Methode  des  Erzählers  die  Oesebichte  noch  wer 

weisz  wie  weit  in  dieser  Weise  fortgesetzt  werden  kann, 
zweitens,  dasz  sie  aber  auch  gegen  Ende  des  vierten  Baches 
mit  der  Hochzeit  des  Helden  and  der  Heldin  einen  gnten 
Abschlusz  findet.  Da  nun  beides,  die  Fortsetzung  in  infinitom 
und  der  Abselilusz  mit  dem  Ende  des  vieiiien  Bucbes,  in  ge- 
wissem Sinne  Thatsachen  sind,  mag  zuerst  andeutungsweise 
die  Fortsetzung  des  Stoffes  gezeigt  werden,  allerdings  nar  an- 
deutungsweise, wie  es  aurli  iiiclit  anders  möglicb  ist.  Weiter 
unten  wird  noch  klarer  werden,  warum  wir  an  einer  Analyse 
der  ersten  vier  Bücher  ToUkommen  genug  haben. 

Das  ffinfte  Buch  ist  den  Thaten  Esplandians  gewidmet, 
welche  er  unter  dem  Namen  des  schwarten  liitters  ausfuhrt, 
er  bringt  es  in  seiner  Carriere  nach  siegreichen  Kftmpfen 
namentlich  gegen  die  Ungläubigen  bis  zum  Kaiser  von  Gon- 
stantinopel,  das  sechste  Buch  erzählt  seine  Abenteuer  weiter 
nebst  denen  seines  Bruders  Perion  und  seines  Sohnes  Lisuart 
▼on  Orieehenland* 

Das  siebente  und  achte  Buch  hat  Amadis  von  Griechen- 
land, den  Sohn  Lisuarts  von  Griechenland  zum  Hauptbelden, 
an  seine  Stelle  tritt  im  neunten  Buche  sein  Sohn  Florisel  von 
Kiquea,  und  so  spinnt  sich  die  Geschichte  an  der  Genealogie 
der  Nachkommen  des  ältesten  Amadis  weiter  bis  zum  vier- 
undzwanzigsten Buche  und  seinen  beiden  Hauptheld^  den 
hochberAhmten  Prinzen  Safiraraan  und  Hercules  vom  Gestim. 

Man  kann  den  Stoff  aller  dieser  Bücher  im  Allgemeinen 
als  aus  vier  Hauptbestandtbeilen  zusammengesetzt  bezeichnen, 
1)  Bitterliche  Abenteuer.  2)  H6fiseh-adlige  ConTersation,  ein 
Ingrediens,  dessen  Wichtigkeit  von  der  Lesewelt,  Ar  die  un- 
sere Bücher  geschrieben  waren,  sehr  hoch  geschätzt  wurde, 
wovon  weiter  unten  bestinunttte  Beweise  gegeben  werden  sollen. 


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—   333  — 

3)  üebeaabeDleaer,  durobaus  in  dem  die  lomaniBobeD  Litenp 
tnren  insgesammt  kennzdehneiiden  sinnlicb-realistisehen  Ge- 
schmack gehalten.  4)  Zauberspuck  und  anderweitige  Nahrung 
fär  Aberglauben,  Wunder-  und  Sensationsbedürfiiisz.  Dies 
mag  zn  Torlftnfiger  Hindentnng  auf  die  grosse  oaltorbistoriscbe 
Wicbtigkeit  unseres  Bncbes  dienen,  jetzt  ist  znnftcbst  auf  die 
l&tstebungsgescbicbte  der  uns  vorliegenden  Amadisromaue 
nflher  einzugeben. 

Die  Yorbige  onflerar  Amadisromane  in  deutscher  Spradie 
sind  die  französischen,  welche  in  der  ersten  Hälfte  des  XVI.  Jahr- 
bonderts  zu  entsteben  anlangen,  sie  beruhen  auf  den  spanischen 
Amadisbftcbem,  ?on  denen  die  ersten  fünf  Garci-Ordonez  de  Mon- 
talvo  Terfiisst  bat  Dass  vor  dieser  Bedaction  der  ersten  fünf 
Bücher  durch  Montalvo,  der  ältesten ,  welche  uns  erhalten  ist, 
—  die  Bücher  VI — XIL  sind  sämmtlich  später  erst  entr 
standen  —  nocb  eine  filtere  ezistirt  bat,  ist  sicher  nnd  sowohl 
durch  eine  deutliche  Aussage  Montalvos  selbst  festgestellt  als 
auch  von  allen  Gelehi-ten,  die  der  schwierigen  und  sehr  ver- 
wickelten Frage  ihre  Auünerksamkeit  zugewendet  haben,  ohne 
Zweifel  angenommen  worden.  In  wekber  Sprache  aber  die 
Vorlage  Montslvos  abgefaszt  gewesen  sei,  und  wer  ihr  Ver- 
fasser gewesen,  darüber  sind  die  verschiedensten  Traditionen 
und  Meinungen  vorbanden ,  und  erst  in  der  allemeuesten  Zeit 
ist  durch  grflndlicbe  nnd  scharfeinnige  Untersuchungen  ttber 
diese  Sache  ein  befriedigendes  Licht  verbreitet  worden.  Das 
Hauptverdienst  haben  sich  Eugene  Baret  und  Ludwig  Braun- 
fels erworben,  der  erstere  durch  sein  Bnch  fj>e  TAmadis  de 
Qaole  et  de  son  influence  sur  les  moeurs  et  la  litttetnre  an 
XVIe  et  au  XVIIe  siecle  cet.  IL  edit.  Paris  1878,  der  letz- 
tere durch  die  erst  kürzlich  veröffentlichte  tretÜicbe  Schrift 
„Kritiscber  Versuch  über  den  Boman  Amadis  von  Gallien, 
Leipzig  1876.**  Man  bum  tob  dieser  Schrift  sagen,  dass 


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—  aa4  — 

sie  in  der  dunkeln  Sache  auf  das  Gründlichste  aufgerfturat 
und  in  den  Hanptpankten  eine  abecblieezende  Entscheidnng 
gebracht  hat.  Da  beide  Bflcher  jedem  nnschwer  erreichbar 
sind,  sei  es  gestattet,  hier  ihi'e  Besnltate  nur  kurz  dai-zu- 
legen.O 

MontalTO  hatte  znr  Vorlage  eine  spanische  Erzählimg, 

welche  in  Ii  Hiicher  zerfiel,  und  hiernach  verfaszte  er  die  vier 
ersten  Bücher  seines  Amadis,  denen  er  als  fünftes  die  Thaten 
des  Esplandian  hinznfttgte.  Die  AnsprAehe  der  Portugiesen 
anf  die  Priorität  in  der  Abfiissnug  der  Amadisgescbichten 
sind  abzuweisen,  und  namentlich,  dasz  Vasco  Lobeiia  der  eigent- 
liche Urheber  des  berCihmten  Romans  sei,  ist  dne  Fabel,  deren 
ünhaltbarkeit  sich  thals  aas  der  Unsicherheit  nnd  Verdädi* 
tigkeit  der  Zeugnisse  ITii'  sie,  tlieils  aus  der  ziemlich  duieh- 
sichtigen  Geschichte  ihrer  allmähligcn  Entstehung  ergiebt. 
Schon  um  die  Mitte  des  XIV.  Jahrhunderts  ist  die  Amadis- 
gesehichte,  welche  Montalvo  umarbeitete,  in  Spanien  bekannt 
und  bald  ein  sehr  beliebtes  ünterhaltungsbuch  gewesen. 
Letzterer  Yollendete  seine  Bearbeitung  der  ersten  vier  Bücher 
yor  der  Begierungszeit  Ferdinands  und  Isabellas,  viele  histo- 
rische Bezüge  weisen  auf  die  Zustände  jener  Zeit,  den  Esplan- 

')  Der  iieuestt'ii  Zeit  gchürt  aucli  die  Sclirift  F.  A.  von  Varu- 
hagcns  „Da  littcraturu  d  r^  livrn';  de  oavallarias  cstudio  brove  o  con- 
sciencioso,  Viouna.  Na  iiiipreiisa  do  Filho  de  Carlos  Gerold  1872** 
an.  Die  Ansicht  Varnhagens,  dasz  Va.sco  Lobeira  der  Verfasser  des  ältesten 
Aniadisbuchcs  sei,  was  im  Gei^ousatz  nameiitlicli  zu  Gayangos  behauptet 
wird  ,  ist  <lurch  die  Brauufrlssclien  Untersuchungen  meines  Erachtens 
nun  nocli  vollständiircr  widerlegt,  als  sie  es  schon  durch  Tiayangos  und 
Jlarct  (in  seiner  letzten  Ausgabe  Paris  1S73)  war,  v.  Varnhagens  Buch 
enthält  aber  in  lielrell'  der  liittcrromane  wie  auch  der  später  zu  er- 
wähnenden Schäferruniane  so  manches  (Inte,  dit-z  seine  schwere  Er- 
reichbarkeit und  seine  Abfassung  in  portugiesischer  Sprache,  die  denn 
doch  in  Deutscblaud  wcuig  bekannt  ist,  bedauert  werden  musz. 


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—  885  — 

dian  schrieb  er  in  den  achtziger  Jahren  des  Jahrhunderts,  und 
die  Vonede  setzt  schon  die  Kinnahme  Granadas  Yoraus.  Die* 
Beüebihdt  nnd  die  dnroh  den  neu  erfündenen  Baehdrack  be- 
förderte Verbreitung  von  Montalvos  Buch  war  so  bedeutend, 
dasz  sie  die  ältere  Eedactioa  vergessen  and  infolge  davon  ver- 
schwinden liesa. 

Dies  ist  in  knrzen  Worten  das,  was  Aber  die  Vorlage 
Montalvos  und  die  portugiesischen  Ansprüche  auf  die  Urheber- 
schaft der  Amadisioniane  festKostellen  ist,  meist  Besnltate  der 
Bnuinfiftlsschen  Untersnchimgen.  Es  versteht  sich  von  selber, 
(iasz  sich  an  diese  Fragen  die  nicht  weniger  interessante  nach 
der  Herkunft  des  Steifes  unmittelbar  und  mit  Nothwendigkeit 
inscUieszL  Wenn  Montalvos  Voriago  auch  ein  spanisches 
Biidi  war,  konnte  nicht  dieses  ans  einer  andern  Sprache  fiber^ 
setzt  sein?  War  das  Buch,  welches  Pero  Lopez  de  Ayaia, 
Groszkanzler  CastiUens,  hochberflhmt  nicht  nur  als  Staatsmann, 
sondern  anch  als  Dichter  und  Schriftsteller,  geboren  1882  und 
gestorben  1407,  in  seiner  Dichtung  Rimado  de  Palacio  als 
der  erste  erwähnt,  und  zwar  so  erwähnt,  dasz  er  es  in  seiner 
Jagend  gelesen  haben  muss  >)«  ^  spanisches  oder  war 
es  etwa  ein  ImaMBdmf  Allerdings  sprechen  hiergegen  alle 
diejenigen  Stimmen,  welche  in  der  früheren  Zeit,  das  heiszt 
un  XIY.  and  XY.  Jahrhundert,  sich  vernehmen  lassen,  dadurch, 
dasz  sie  nur  von  einer  spaniscben  Amadisdichtang  zu  wissen 
scheinen,  der  Unwerth  späterer  Stimmen  wird  sich  weiter  unten 
ergeben.  Aber  die  ursprüngliche  Heimath  des  Stoifes  macht 
allerdings  den  Gedanken  an  die  Existenz  einer  alten  franzO- 


Ploponii  otrosi  oyr  muchas  vegadas 

Libros  de  devaneos  e  racntiras  probadas, 

Amudi's,  Lanzalote  e  biirlas  asacadas 

Kn  que  perdi  mi  tiempo  ä  muy  malas  jornadas. 

YgL  Braunf^ls  S.  94  ff.  Barot  S.  29  ff. 


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nschen  oder  vielleicht  prom9ali8clieii  Bedaction  immer  wieder 
rege.  Einen  Ungerzeig  erhalten  wir  snr  Auffindmig  dieser 

Hoimath  durch  eine  Stelle  des  spanischen  Chronisten  Rimon 
Muntaner  (1265 — c  1330),  welche  Galaor  als  einen  Ritter 
der  Tafefarmide  zusammen  mit  Tristan  und  Lancelot  erwfthnt 
Es  bedarf  nnr  dieses  Fingerzeiges,  um  sofort  anf  eme  ganse 
Anzahl  von  Beweisen  zu  stoszen,  dasz  die  Quelle  der  Amadid- 
sage  dieselbe  ist,  wie  die  der  Lancelot-,  Tristan-,  fireo-,  Iwein- 
nnd  Artasgesdiichten,  nbniich  der  bretonisdiHMrdfhmaOaisciie 
Sagenkreis.  Es  ist  erstannlich,  wie  reichlich  dort  der  (^uell 
der  Sagen  geflossen  ist,  und  man  hat  in  der  That  aut'  den 
beiden  Seiten  des  Oanals  im  MitteUilter  ebenso  fleisiig  ond 
geschickt  gefabelt  wie  im  Alterthnme  an  den  Kfisten  des 
ägäischen  Meeres.  Grade  um  die  Zeit  auch,  wo  erwiesener 
Maszen  die  anderen  Stoffe  ans  diesem  reichen  Boro  nach  der 
pyienSischen  Halbinsel  einwanderten,  tancht  anch  der  Name 
des  Araadis  in  Spanien  auf,  und  eine  ganze  Anzahl  von  Be- 
ziehungen auf  Personen,  Begebenheiten,  Zustande  und  Oertlich- 
keiten,  welche  in  den  bretonisch-nordfraniOsisohen  Sagen  top- 
kommen,  finden  sich  in  seiner  Geschichte. 

Hierher  gehört,  um  nur  Beispiele  und  gleich  das  erste 
beste  zn  geben,  die  Erwähnung  des  gransamen  Gesetzes  gegen 
die  geMienen  Jnngfiranen,  welches  im  Roman  von  Merlin  eine 
Rolle  spielt'),  und  zu  dem  Montalvo  bemerkt:  ^EsUi  tan 
eruel  costumbre  dorö  basta  la  venida  del  muy  virtuoso  rey 
Artus*",  ferner  die  ans  der  Graalsage  stammende  Erinnerong 
an  Joseph  von  Arimathia,  ^que  el  Sancto  Grial  traxö  k  la 
gian  Bretana**,  und  folgende  Steile  des  vierten  Buches  (Cap. 
XL VIII.  S.  377  der  Ausgabe  Ton  Gayangos):  que  desto 
BraYor,  (yergl.  Seite  330  des  vorliegenden  Buches)  Qjo  de 


>)  Yergl.  Doolop-Liebrecbt  IS.  65. 


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I 

—   337  ^ 


Baku,  6  de  aqaella  hija  de  Darioleta,  nasdd  an  hijo  qae  hobo 

nornbre  Galcote,  que  ya  este  tomö  de  la  madre,  6  non  fue 
tan  grande  ni  tan  desemejado  de  talle  conio  lo  eran  los  gigan- 
tes.  £8te  Galeote  fnö  senor  d*aqaella  insola  despnes  de  la 
vids  de  Brayor,  sn  padre,  6  caeö  con  nna  fija  de  don  ChtlTi- 
nes  6  de  la  hermosa  Madasima,  su  miijer;  y  destos  naciö 
otro  liijo,  qae  hobo  nombre  Balan,  oomo  sa  bisabueio;  asi 
qoe,  venieron  sneediendo  anos  en  pos  de  otroe,  senoreando 
eiempre  aqaella  fneola  tantos  tiempos  fluta  qae  dellos  deoen- 
di<5  aquel  valiente  y  esforzado  don  Segnrddes,  primo  cohermano 
del  Caballero  anciano  qae  ä  la  corte  dal  rey  Artur  Tino,  ha- 
biendo  dento  6  veinie  anos,  6  los  eaarenta  postrimeros  qae 
Inbia  per  su  gran  edad  dejado  las  annas,  i  sin  lanza  denibd 
d  todos  los  Caballeros  de  gran  nombradia  que  d  la  sazon  en 
la  Corte  ae  hallaron.  Paes  este  Segarädes  fad  en  tiempo  del 
rey  üter  Padngon  padie  del  rey  Artar  i  senor  de  la  Gran 
Bretiina,  y  este  dejö  un  hijo  6  seiior  de  aquella  msohi 
i  BraYor  el  Brun,  que  por  ser  demasiado  bravo  le  pusieron 
aqoel  nombre,  qae  en  el  lengnaje  de  entonoes  por  bravo  de- 
dan  bnoL  A  este  BraYor  mattf  Tristan  de  Leonis  en  batalla 
en  la  misma  insola,  donde  la  fortana  de  la  mar  echö  ä  ^1 
4  ä  Iseo  Labronda,  hija  del  rey  Languines  de  Irlanda,  ^  a 
ioda  sa  eompana,  traytodola  para  ser  major  del  rey  Marte 
de  Comnalla,  sa  tio,  6  desto  BraTor  el  Bran  qaedö  aqael 
gi^n  principe  muy  esforzado  Galeote  el  Brun,  senor  de  h\a 
Luengas  insolas,  gran  amigo  de  don  Lanzarote  del  Lago;  asi 
qae,  por  aqnf  podeis  saber,  si  liabeis  leido  6  leydrdes  el  libro 
de  don  Tristan  6  de  Lanzarote,  donde  se  hce  mendon  destos 
Brünes,  de  donde  vino  el  fundaiiionto  de  sua  linaje."  Diese 
Stelle  sagt  för  jeden,  der  aacb  nur  einigermaszen  in  der  roman- 


<)  T«rgL  Danlop-LiebT6cht  a.  a.  0. 


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—   338  — 

tischen  Poesie  Beseheid  weiss,  genog,  und  es  wftie  nnb^grOii- 
det,  in  ihr  blos  einen  Znsatz  des  Montalvo  zn  sehen,  denn 

erstens  gehört  sie  und  ihre  Umgebung  nicht  m  den  Zögen 
des  ausgehenden  vierten  Buches,  welche  bestimmt  scheinen, 
anf  die  Qesdiichte  des  EspUindiaa  hinftbennleiten,  zwdteos 
fingt  MontalTO  seine  Absehweifang  mit  den  meines  Eraehtens 
auf  die  Vorlage  hinweisenden  WorUMi  an:  „Agora  vos  quiere 
mostrar  la  historia  la  razon  deste  casamienfco.'*  Somit  können 
wir  die  anderen  einzelnen  Bezdge  des  Amadisromans  auf  die 
bretonisdi-nordfranzOsische  Sagenwelt,  namentlich  anf  die  Ge* 
schichten  von  Lancelot  und  Tristan deren  sich  noch  eine 
ganze  Anzahl  linden,^)  hier  unerwähnt  lassen,  nar  auf  ein 
Hanptmoment,  die  Oertlichkeit  der  Geschichte  sei  noch  hin- 
gewiesen, welche  tlbmns  deutlich  fttr  die  ursprüngliche  Hei- 
math des  Stoffes  zeugt  Es  wu-d  also  dem  Vater  des  Tor- 
quato Tasso,  Bemardo  Tasso,  anbedingt  Becht  zn  geben  sein, 
wenn  er  in  einem  Briefe  an  Girolamo  Bnscelli  sagt:  Non 
h  dubbio  que  lo  scrittore  di  qnesta  leggiadra  e  vaga  inveiH- 
tione  rha  in  parte  cavata  da  qualche  historia  di  Bretagna, 
e  poi  abbelitola  e  rendatola  a  qnella  vaghezza  che  ü  mondo 
cosi  dUetta.«) 

»)  Vgl.  Baret  S.  96  ff. 

>)  Vgl.  den  Abschnitt  XIII.  bei  Brauufels  S.  1G3  ff. 

3)  Gaula,  das  Vaterland  des  Amadis,  das  Reich  seines  Vaters 
Perion,  ist  Wales,  Vindelisora  Windsor,  Bristoya  Bristol,  lasnart  Ist 
Lych-warc'h,  der  Käme  eines  bretonischen  Barden  des  TL  JahrhutderlB 
Elisena,  des  Amadis  Matter,  ist  mit  Heliene  saus  per  hn  Lanoelot  sq- 
sammenzostellen,  wo  aneh  das  Land  Soreloys  Torkommt»  Norgalles  ist 
das  ndrdliebe  Walee,  die  «beseUoesene  Insel**  ist  die  Insel  Km.  Hiena 
kommen  eine  AntaU  Namen,  welehe  ohne  jede  ErkUning  kenatlieh 
shid  wie  Britannien,  Sehottland,  DSaemark  n.  s.  w. 

*)  Komisch  genug  ist  es,  dass  grade  Bemardo  dnreh  die  Be- 
seichnnng  Amadigidi  FraaciaUrheber  der  geographischen  Haaptconftisiom 
in  unserer  Qeiohiehte  warde. 


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—  839  — 


Auf  welche  Weise  und  auf  welchem  Wege  der  Stoff 

dies»'s  berühmten  Romans  in  das  Land  gelangte,  welches  ihn, 
soviel  wir  wissen,  zuei'st  gestaltet  hat,  ist  unschwer  zu  sagen. 
Die  Tioiibadoiin,  welche  in  der  Blütheseit  der  pfovenyalitcheii 
Dichtnng  znm  groszen  Thefl  dem  sQdHehen  Frankreich  und 
dem  nönllieheii  Spanien  zugleich  angehörten  und  bald  auf  den 
Burgen  and  an  den  Höfen  diesseits  bald  jenseits  der  Pvr*  näen 
wfllkommene  GSste  waren,  haben  whr  uns  ohne  jeden  Zweifel 
ab  die  Veimitiler  zu  denken,  wosn  die  damab  viel  grtaere 
Gleichheit  der  in  beiden  Gebieten  gesprochenen  Spraclien  und 
der  äaszerst  lebhafte  Verkehr  der  beiderseitigen  ßitterschaft 
kommt  Andi  liezt  sich  noch  im  Besonderen  erkennen,  dass 
der  Stoff  seinen  Weg  dnrch  Südfrankreich  genommen  hat,  denn 
eine  hier  spielende  Sage  zeigt  Verwandtschaft  mit  wesentlichen 
Zügen  der  Amadi^geschichte.  Ich  meine  die  Malegissage, 
welche  mit  den  ihr  verwandten  der  Haimonskinder  einen 
Seitenzweig  an  dem  groszen  und  vielästigen  Baum  der  Karls- 
.agen bildet.  Die  vielerwähnte  ürganda  des  Amadis  ist  ohne 
Zwei&l  dieselbe  Person  wie  die  schone  Oriande,  die  Geliebte 
des  Malegisi,  denn  anch  ürganda  hat  einen  Zaaberer  sam  Ge- 
liebten, und  die  Vorliebe  für  nicht  ehelich  geweihte  Liebes- 
bündnisse  bildet  hier  wie  dort  einen  charakteristischen  Zug. 
Yidleicht  Iftsst  sich  sogar  veimnthen,  dasz  sich  die  schöne 
Fee  Oriande,  die  nnerschütterlich  dem  Zauberer  Malegis,  wie- 
wohl nicht  in  ordentlicher  Ehe  mit  ihn  lebend,  eine  nihrciule 
Treue  bewahrt,  in  der  Amadisgeschichte  in  die  einen  Zauberer 
liebende  Fee  ürganda  und  die  schOne  und  treue  Oriana  .ge- 
8{Mdten  hat,  welche  weniger,  als  gehörig  ist,  auf  kirchliche 
Trauung  hfilt  und  diese  laxe  Praxis  gleichsam  auf  die  Damen 
üu-er  Nachkommen  vererbt.  Aber  aus  mehr  als  einem  Grunde 
stehe  ich  von  positiven  Behauptungen  und  weiteren  Aus- 
Ahrungen  hier  geiii  ab  und  entscheide  demgem&sz  auch  nicht, 


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—   340  — 


ob  der  onpranglicfa  bretonische  Stoff  die  mit  der  MAl^giesage 
ihm  gemeinsameii  Bestandtheüe  ans  seliier  Hebnath  mitge- 
bracht und  in  Fi-ankreich  an  don  Zweigen  der  Karlssage 
hängen  lassen  hat,  oder  ob  er  diese  Elemente  erst  in  Frank- 
reich auf-  mid  nach  Spanien  mitgenommen  hat  Für  beide 
•Annahmen  dflrften  sich  Grfinde  finden  lassen,  0  uns  inteiesslrt 
die  am  Tage  liegende  Verwandtschaft  hier  nur  als  ein  Be- 
weis, dasz  Frankreich  eine  yermittelnde  Rolle  spielte,  und  es 
mochte  doch  wohl  anch  als  nicht  nnmöglich  hingestellt  werden 
dürfen,  dass  der  Ämadisstoff  noch  einmal  in  dner  fhmxOsi- 
sehen  oder  provenyalischen  Dichtung  älteren  Datums  auftauchte. 
Daran  aber  ist  vor  der  Hand  festzuhalten,  dasz  ?on  einer 
solchen  Gestalt  des  Stoffes  dermalen  nirgend  eine  Spur  so  fin- 
den ist.  Es  ist  weder  auf  die  Angabe  des  weiter  unten  zu 
erwähnenden  Herberay  des  Essarts  etwas  zu  geben,  dasz  er 
nftmUdi  ein  altes  fragmentarisches  Buch  in  picardischo'  Sprache, 
welches  diesen  Stoff  behandelte,  geAmden  und  benutzt  habe, 
denn  er  folgt  Schritt  für  Scliritt  dem  Montalvo,  und  was  er 
zusetzt,  kennzeichnet  sich  deutlich  als  seine  eigenen  Zugaben, 
wozn  die  zahlreichen  Analogien  fingirter  Vorlagen  in  der  er» 
zfthlenden  IMditung  der  damaligen  und  sp&teren  Zeiten  kom- 
men, noch  haben  die  Vermuthungen,  wonach  der  in  einer 
Handschiifi  des  XIII.  Jahrhunderts  vorhandene  Tersifidrie 
Boman  Ton  Amadas  und  Ydome  die  Gmndhige  des  Aooadis- 
romans  bilden  soll,  irgend  welchen  Anspruch  auf  Wahrschein- 
lichkeit.^) Dagegen  dürfte  als  feststehend  zu  betrachten  sein, 
dasz  aus  den  schon  im  Mittelalter  vorhandenen  und  beliebten 
Bomanen  von  Tristan  und  Lancelot  stoffliehe  Elemente  in  den 


*)  „Der  Qiispanische,  echt  pioYenfallBche  Name  B«lt0n«hn» 
(le  Beau  Tteibrevx)  ist  em  dentliehM  Zdehen  ftr  den  tSdfrantStitdMa 
Ursprang  di«66r  Thefle  dfls  Bomaiie.*'  Bramifels  8.  178. 

')  Vgl  BMret  Cbpt  IV.  S.  57  ff 


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—   341  — 

iimdii,  und  gwar  wobl  schon  in  den  tot  Montalro  Tor- 
biodineD,  flbergegan^en  sind. ') 

Das  bisher  Gesagte  musz  als  die  Vorgesciiichte  des  ans  vor- 
fiegraden  Amadis  angesehen  werden,  denn  erst  mit  der  Arbeit 
MontalTOs  beginnt  die  «gentbche  nnd  sichere  Geschichte  dieses 
Weltbaches.  Der  erste  uns  bekannte  Drack  des  OTsten  der  vier 
Bücher  Montalvos,  welche  man  von  Anfang  an  als  ein  Ganzes 
betrachtet  hat  nnd  allen  Fortsetinngai  mit  Recht  weit  vorzog, 
geschah  zn  Saragosa  im  Jahre  1508,^)  der  zweite  zn  Salamanca 
1510,  und  von  da  an  folgen  eine  lange  üeihe  von  spanischen 
Augahen  nnd  Fortsetrongen,  welche  letsteren  ansser  den  Thaten 
dis  £splandian  von  anderen  Schriflstenem  verftsst  smd.  Anf 
mehr  als  zwölf  Bücher^)  scheinen  es  die  Spanier  nicht  ge- 
bracht zn  haben,  welcher  Umstand  dazu  beitrfigt,  die  Be- 
dratnng  der  firanzösischen  Bearhdtnngen  in  das  rechte  licht 
zu  setzen.  Alle  spanischen  Amadisromane  sind  wohl  im  XVI. 
Jabrhandert  erschienen,  denn  die  in  unserem  Jahrhundert  ge- 
druckten Ausgaben  von  1838,  1848  und  1857  verdanken  ge- 
lehrtem Interesse  ihre  Entstehung.  Ohgleicb  die  Amadisbücher 


<)  Batet  fofmaUrt  die  Reraliate  sehier  ünteraaehangen  auf  Seite 
97  fblgeademaMMB:  .  .  .  mm  aUoiia  eMayer  de  meltn  ml  Inmitoe 
Im  üfmiuiU  piiaoi^aaz  qiä  entreat  daas  la  eoropoaitioa  de  TAaiadit 
de  Qavle.  Vifnde  da  leite  fera  paraitre  qo*il8  se  rMaieeat  k  troii: 
1*  im  Hdt  primitif,  d*origine  bretonni,  depnii  longtempe  et  probable- 
MBt  k  jamais  perdv;  llmitatloii  trte-marqti^  du  Tristan  et  aar- 
toit  da  Lancelot;  3«  nn  ^Ument  original  qui  embrasse  roidonnaoce 
Ott  compoeition  g4n^rale,  le  deTeloppement  de  la  fable,  lea  eeatimenta 
«t  toi  caract^res.  VgL  die  weiteren  Anaeinandenetauigen  dieaea  Ab* 
lebuttes  bei  Baret. 

«)  YergL  Baret  8.  m  t 

>)  YergL  Baiet  a.  a.  0.  doeh  aveh  Oajpaogoa,  CMalogo  nsoiiado 
Mt  in  ^bUoteea  de  antoree  Eapannolea  eet  librei  de  eabaUeriaa  eon 
aa  diaeoito  prellndnar  yan  eaUUege  raionado  por  Don  Paacaal  de 
QaiaBgee.««  Madrid.  1851 


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—   342  — 


ilircizeit  zu  den  allergelesensten  ünterliultungsschriften  in 
Spaaien  müssen  gehört  haben,  sind  doch  die  alten  Ausgaben 
finszent  selten  geworden,  nnd  es  ist  ftst  nnmOglidi,  alle  so- 
sammenzabringen. ')  Weit  mehr  Ikdeutung  noch  nnd  unver- 
gleichlich mehr  Verbreitung  und  Beliebtlieit  als  die  spanischen 
Originale  haben  die  iianiAsischen  UebeisetKnngen,  BearbeitongeD 
ond  Fortsetningen  gefunden.  Nicolas  Herberay  des  Essarta 
hat  im  Jahre  1540  die  ersten  acht  Bücher  des  Amadis  ins 
Französische  frei  übertragen.  Er  hat  den  Ton  des  Ganzen 
fransösirt  und  modemisirt,  d.  h.  leichter,  anmuthiger,  phantasti- 
scher und  üppiger  gemacbi  Baret,  jedenliills  der  beste  Kenner 
der  Amadisbücher,  sagt  allerdings  (S.  59)  von  dieser  französi- 
schen Ueberiragung:  „On  ne  peat  dissimuler  tout  d'abord  que 
k  comparaison  des  textes  (seines  und  des  ?on  Montalvo)  ne 
lui  est  pas  fayorable.  Des  Essarts,  il  est  vr»,  retranche  ou 
abrfege,  quelquefois  avec  goüt,  certaines  gloses  de  Montalvo, 
^videmment  ^trangeres  ä  Tancien  röcit,  mais  loi-meme  gate 
souvent  et  ftlsifie  Torigina],  taatdt  a?ec  le  p^dantisme  de 
son  sidcle,  tantdt  ayec  la  plus  bizarre  aif<^erie,  tant^t  arec 
une  licence  d'imagination  et  de  langage  tout  u  fait  digne 
d*un  contemp<H:ain  de  Brantöme  et  de  Babelais.  La  con- 
▼eoance  m'üiteirdit  de  donner  des  preuw  de  ee  dermer  genre 
d'alttotions ;  alt^rations  d'autant  plus  graves,  qu'elles  d^figurent 
completement  sur  ce  point  le  caractere  de  roriginal  espagnol, 
dontrauteur,a*ildtoitquelquefoi8oertaiDeBa¥entuxeeioinaDeBqueB 


Bibliographisches  Material  findet  sich  bei  Baret,  GftJ&ngOS 
nnd  A.  t.  Keller  (Eibl,  des  21.  Vereins  XL.)  Von  älteren  Werke« 
liefern  dergleichen  der  im  ersten  Kapitel  erwähnte  G.  de.  Pereel  im 
U.  Baude  nnd  D.  Clement  in  seiner  Bibliotheqne  curionse.  Branct 
und  Graesse  (tresor.)  Die  Angaben  Clements  in  Betreff  der  Seltenheit 
der  Span.  Amadif^e  in  Deutschland  s«ind  nach  F.  WoUi  Abhandlung 
in  den  Wiener  Jahrbüchern  1S32  n  berichtigen. 


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343 


an  pen  vi?e8,  n'est  da  moms  januus,  n!  par  ,,miagiiiatIon,  ni 
eipffessioii,  de  oonnivenoe  a?ec  le  fioe.   Allein  der  hier 

Ton  Baret  eingenommene  Standtpunkt  scheint  mir  kaum  der 
lichtige,  da  er  nicht  der  Ii tei-arhis torische,  sondern  der  morali- 
sehe  ist  Die  Sittengefthrlichkeit  eines  Werkes,  welches  vor 
mehr  als  dreihnndert  Jahren  geschrieben  worden  ist,  entzieht 
sich  vollständig  der  Beurtheilung  in  einem  wissenschaftlichen 
Werke,  in  weichem  es  sich  darum  gar  nicht  handelt,  ob  das 
beorthdlte  Bach  in  onseran  Zdten,  in  denen  es  doch  nnr  Ton 
Cklehrten  gelesen  wird,  jemals  Sitten  gefährden  kann,  denn 
TOQ  dem,  was  seine  Landsleute  vor  800  Jahren  vice,  moeurs, 
eolivMumoe  a.  s.  w.  nannten,  wird  Herr  Baret  nicht  behanpten 
wollen,  dasz  es  dasselbe  sei,  wovon  er  spricht  Es  handelt 
sich  hier  lediglich  um  den  literarisclien  Charakter  der  des 
Essartsschen  Arbeit,  das  heiszt  mu  den  Grad,  in  welchem 
das  Bach  das  geistige  Leben  sdner  Sieit  ausdrückt  und  zu- 
glddi  beeinflnsst  nnd  in  dieser  Beziehong  steht  es  ungemein 
hoch,  und  von  diesem  Standpunkte  aus  darf  wohl  behauptet 
werden,  dasz  der  französische  Amadis  ein  classisches  Buch  ist 
und  alle  tortrefflichen  Eigenschaften  beeitst,  welche  man  von 
einem  Werke  seiner  Art  and  der  Zeit,  welcher  es  angehört, 
erwarten  kann.  Ich  möchte  es  in  seiner  Art  und  innerhalb 
seines  Literatorgebietes  den  Novellen  der  Marguerite  von  Yalois 
an  die  Seite  stellen,  mm  Werk»,  das  unverdieater  Masm 
asdi  80  onbekantt  sn  sein  sciieint,  dass  es  in  der  englischen 
Literaturgeschichte  von  Shaw  und  Smith  mit  den  Cent  nouvelles 
DOUTalles  verwechselt  wird.  So  kann  es  als  einigennasaen 
^tsehnldhir  gelten,  daiai  sich  des  Bssarts  einer  liotion  be- 
diente, um  das  Buch,  um  dessen  Gestaltung  er  sich  eines  be- 
deutenden Verdienstes  bewuszt  war,  als  ein  französisches  er- 
Mheinen  zn  lassen  und  sa  behaupten,  er  redamiie  mit  seiner 
üebenetsoig  gleichsam  nur  abhanden  gekommeoes  National- 


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—   344  — 

eigenthum.  Bei  einem  Franzosen  ist  es  nicht  eben  wunderbar, 
weoB  ihn  seine  nationale  Eitelkeit  zu  etwas  dergleichen  ?er- 
leitet,  vind  ebenso  natOrlich  mnsz  es  erscheinen,  dasz  er  Ins  in 
dieses  Jahrhundert  bei  seinen  Laiidsleuten  liie  und  da  Nach- 
sprecher gefunden  hat. ')  Von  den  Ausgaben  der  des  Essartaschen 
Debersetzung  nnd  den  Ueberaetsungen  nnd  Eortsetaingen  an- 
derer Franzosen  gehören  bei  weitem  die  meisten  nodi  in  dss 
XVI.  Jalirhundert.  Doch  hat  auch  das  XVIL  und  XVUI. 
das  Interesse  des  franzAsischen  Lesepnblicnms  an  diesem 
Werke  durch  nene  Besrbeitnngen  an  den  Tag  gelegt,  nnd 
80  giebt  es  von  dem  französisclien  Amadis  24  oder,  wenn 
man  will,  25  Bücher.  Mehr  als  52  französisclie  Amadisaus- 
gaben  und  Fortsetzungen  sind  bis  jetzt  bekannt  Wer  sich 
Qber  ihre  Bibliographie  unterrichten  will  und  breitspurige 
Darstellungen  liebt,  findet  auszer  bei  dem  in  dieser  Beziehung 
immer  unvergleichlichen  Gräsze  das  meiste  Material  in  Gordon 
de  Percels  Bibliothdque  des  Romans  und  D.  Gltoents  Biblio- 
theque  curieuse.  Das  erste  dieser  Werke  bietet  die  reich- 
haltigste Bibliographie  der  französischen  Amadise  und  ver- 
dient wegen  des  beabsichtigten  und  noch  mehr  wegen  des 
unbeabsichtigten  Humors,  den  es  einem  Literarhistoriker 
grade  bei  den  trockensten  Bestandtlieilen  seiner  Arbeit  zu 
bieten  vermag,  der  Beaditung  empfohlen  zu  werden.  In 
Italien  hat  der  Amadis  nicht  blos  eine  4idur  bedeutende  Menge 
von  Uebersetzungen  und  Bearbeitungen  in  Prosa,  von  denen 
die  letzte  in  das  Jahr  1606  fällt  und  welche  sicher  wenigstens 
zumTheil  auf  den  spanischen  Urtext  zurückgehn,  sondern  auch  ein 
episches  Gedicht,  den  Amadigi  di  Francia  des  Bemardo  Tasso, 
des  Vaters  des  Torquato  Tasso,  verursacht    Jener  Dichter 


')  Doch  eben  nur  hie  und  da.  Die  französischen  Gelehrten  be- 
handeln  die  Frage  -mit  einer  aaeikeimenswertheu  Vomrtheilsfteiheit 


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—  345  — 

nämlicli  hielt  sich  1'):).')  in  Spanien  auf  und  l>rachte  ron  dort 
den  für  die  Zeit  des  Ariosto  sehr  passenden  Stoff  mit  in  sein 
Viterland. 

Die  Enstenz  emes  ans  dem  FranzOeiscben  in  das  Portogie- 

sische  übertragenen  Amadis  ist  ebenso  zweifelhaft  wie  die  einer 
portugiesischen  Urschrift,  wenigstens  sind  nirgends  Spuren 
«nes  Drucks  vorbanden.  Von  englischen  hierher  gehörigen 
Werken  sind  zu  nennen  eine  alte  Ausgabe  in  4®  nnd  Bwei 
neuere,  eine  niederländische  üebersetzung  erschien  ir)96  zu 
Amsterdam,  und  nach  des  bekannten  spanischen  Literarhistorikers 
OemeDcin  Angabe  ist  der  Amadis  ancfa  in  das  Hebr&iBche 
übersetzt  worden. 

Endlich  nahm  auch  Deutschland,  und  nicht  am  wenigsten, 
an  der  Bewtmdenmg  des  vielgeprieseiieii  Bomancyclos  Antheil 
and  entwickelte  einen  Eifer,  sich  ihn  zudringlich  m  machen, 
welcher  den  Amadishücliein  eine  sehr  ]iorv(»riagendc  StdUing 
in  der  Entwickelung  dieser  Gattung  bei  uns  und  somit  auch 
m  nnsorer  Betrachtung  yerschaifte.    Spanier,  Franzosen  mid 
Deutsche  bildeten  das  Hauptpublicnm  der  Amadlsromane,  und 
man  kann  sagen,  dasz  sie  in  unserem  Vaterlande  keine  geringere 
Bolle  gespielt  habe  als  bei  jenen  beiden  Nationen,  auch  musz 
behauptet  werden,  dass  er  fttr  die  Cultur  und  das  geistige 
Leben  gewisser  Kreise  der  damaligen  deutschen  Naüon  eine 
eben  solche  munumentalo  Bedeutung  hat  wie  in  Frankreich, 
wo  er  jedenfalls  das  beseichnendste  Literaturerzeugnisz  seiner 
Gattung  und  semer  Zeit  isi    Ausdrückliche  Zeugnisse  Ar 
seine  Wichtigkeit  werden  wir  am  besten  unter  die  über  seinen 
poetischen  Werth  in  verschiedenen  Zeiten  und  Ländern  sich 
hören  lassenden  Stimmen  einreihen«    Hier  sei  zunächst  nur 
auf  die  sehr  grosze  Menge  ?on  deutschen  Amadisausgaben 
hingewiesen,  und  zu  denen,  die  uns  vorliegen,  dürften  immer- 
hin im  Laufe  der  Zeit  bisher  noch  unbekannte  kouunen.  Die 

88 


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—  346 


ODS  Torliegenden  erstrecken  sich  auf  TieniBdzwaiizig  Bflcher 
mnd  aind  mit  einer  Ausnahme  sämmtüdi  von  den  franzOaisdien 

Ausgaben  abhängig.')    Wie  die  Franzosen,  wenigstens  Dr. 


')  ücbcr  das  Verhältnisz  der  spanischen  Fortsetzungen  zn  i1t»n 
italieniHcheOi  französischen  und  deutschen  Büchern,  welche  sich  als 
Fortsetzungen  der  Aniadisbücher  geben,  ist  bisher  durchaus  nichts 
Befriedigendem  ermittelt,  und  es  wird  dies  so  lanp^e  unmöcjh'ch  sein, 
bis  nicht  allein  die  f^nf  ersten  Bttcber  (die  toh  llontaWo  verfaszten) 
sondern  ancb  die  anderen  spanischen  Aniadise  in  erreichbaren  Ans^ 
gaben  vorliegen  worden.  Ob  von  den  spanischen  Gelehrten  das  Un- 
ternehmen eines  alle  unifassenden  Nendrnekes  zu  erwarten  oder  auch 
nur  ihnen  zuzumuthen  sei,  steht  dahin.  Jedenfalls  ist,  wie  aus  Gayangos 
Catalo£r,  den  franzüsisclien  und  deutschen  Ausgaben  sich  ergiebt,  die 
Vertheiliing  de>  Slcffes  in  den  spaniscljen  Fortsetzungen  und  «leuen  in 
französischer,  deutsch«'r  nnd  italienisi  lit  r  Spraclie  vorscliieden  und  zwar 
in  der  Art,  dasz  in  dfii  letzten-n  dor  StdfT  auf  mehr  Bücher  vertheilt 
ist  als  in  jenen.  Dasz  die  deutsclie  Ausgabe  von  1583  die  drei- 
zehn in  spanisi'lier  Sprache  erschienenen  Bücher  enthalte  wie  man 
öfter  anj^.'^'clM'ii  tin  iet .  ist  falsch  (vgl.  auch  S.  341  dieses  Buohi  s) 
denn  das  VI.  d.  r  sjtanisilien  Bücher,  der  Florisando,  fehlt  in  der 
frauzüsischen  Uebtrsetzung  (vergl.  Gräsze.  Literärgeschichte  II..  3, 
1,  S.  40S  ff.)  und  di.ni;:oniäsz  auch  in  der  deut.schen.  Weitere  Beden- 
ken tlnile  ich  hier  niclit  mit,  da  die  oben  angedeutete  Unvollständig« 
keit  des  vorliegenden  Materials  eine  befriedigende  Lösung  nicht  ru- 
lisst.  Ucber  den  Stoff  der  Fortsetzangen  finden  sich  Nachweisnngen 
bei  Dnnlop-Liebrecht  and  bei  Valentin  Schmidt  in  dsn  Wiener  JnJa«- 
büehera  Bd.  XXXIII.  Von  einer  Bieht  am  framSaiflcher,  sondon 
italienischer  Qnelle  geflossenen  dentsehen  Ausgabe,  welche  bisher  gaos 
nnbekannt  gewesen  sn  sein  scheint,  (vergl.  OrSsie»  Idterirgeach.  II, 
3,  1.  8.  417  ftX  findet  sieh  ein  Eiempter  in  der  KtaigUehen  nai 
UniTersitäts-Bibllotiiek  zn  Breslan,  dessen  Titel  lautet: 

Dens  Tierdten  Bheha  Der  Hystorien  vom  Amadis  ausz 
Frankreich  ander  Theyl.  Li  welchem  der  erschreckliche  Kri^  / 
welchen  die  Heydensebafft/nach  dem  Einig  Lisznart  vM^Iom/ 
wider  die  Christenheit  fibrgenommen  vnnd  getthrt  hat/andi 
in  was  gefthrligkeiten  der  Amadis  vnd  sein  Brüder  Qalaor 
gewes«i  /  wie  sie  darausz  erlediget  /  vnd  endlich  durch  jre  Bitter- 
liche thaten  /  disen  gransaraen  Ejrieg  in  glAddichem  end  ge- 
bracht haben/auf  &b  aller  fleissigiäi heschiiben  wild.  Alto 


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347  — 


des  Essarts,  das  spanische  Buch  mit  groszem  Geschick  und 
Glficfc  firanztairt  haben,  so  haben  die  dentsehen  Bearbeiter 
das  fomzOsische  allerdings  mit  etwas  weniger  von  beiden 

Ehrliebenden  vom  Adel  /  züchtigen  Frawen  vnd  Junckfrawen/ 
sehr  dienstlich  vnd  kiiiizweilig  zu  lesen.  Newlich  ausz  der 
Spannischen  Sj^racb  /  inn  das  Italianisch  verdolmetscht  /  vnd 
volgends  in  (las  Teutscli  gebracht.  Diu  cli :  A.  F.  V.  L.  Mit 
B^m.  Kay.  May.  Ereyheit  /  nit  nach  zu  drucken.  M..D.  LXXVIIL 
In  der  toh  „Georgins  WiUer  von  Aogsporg,  Buchhändler"  untere 
MiduMteo  Bedication  vom  24.  April  1577  an  den  PfUzgrafen  Albrecht 
bej  Bhem  etc.  findet  sich  folgende  Stelle: 

„So  hab  ich  mich  vnderstanden  /  solche  verteütschte  Bächer 
desz  auszstendigen  anhangs  etlicher  voriger  Bieber  vons  Amadis 
ausz  Franckreich  /  vnd  seiner  Gesipschafft  /  Ritterlichen  ge- 
waltigen tbaten  /  vndertbenigist  zu  dedideren  /  vnd  zuzuschrei- 
ben ...  .  Vnd  damit  E.  F.  G.,  oder  wer  solche  Bucher  list  / 
ein  genedige  erfabrung  haben  migen  /  wolier  vnd  waruon  dech 
solche  nacMolgende  imnd  zuuTor  nie  gedruckte  B^icbor  kommen 
thun  /  weyl  zuuor  schon  dreyzcbene  in  Teütcber  Spi^ach  ge- 
druckt worden  /  so  sollen  E.  F.  G.  gneJiglieli  verneinen  /  das 
ob  wol  schon  droyzcbfnc  in  Teütsch  /  dannoclit  in  Spanischer 
Sprach  24.  vnd  Italienischer  *20.  gefunden  wt'iden  /  so  nicht 
besondere  new  erfundene  Bucber/  sondern  weyl  etliclie/  wie 
dann  das  vierdte  Buch  von  Amadis  ausz  Franckreich  /  gleich- 
samb  abgekürzt  vnd  beschnitten  worden  ■  dero  anhang  gar  in 
Frantzösiscber  vnd  Teütscher  Si>rarli  vt  i-scliwigen  werden  /  so 
kanman  solche  anders  nielitals  ebenanhenge  nennen  /  so  gleiclisam 
ein  Zusatz  /  was  in  den  andein  abgebet  /  erstatten  vnd  erfüllen." 

Das  Buch  nn)f;is-/.t  583  Seiten  8^.  ohno  diis  Kegister. 
Von  <len  obigen  Angaljcn  ist  sicher  richtig,  dasz  die  französi.sclie 
Uebersetznng,  und  surait  aucli  die  deutsche  das  vierte  Buch  ah- 
kürzen  (beide  haben  38,  die  Urschrift  52  Kai)itel.)  Das  vorlie- 
gende Bucli  ist  aber  keineswegs  eine  ausführlichen  Bearbeitung 
des  Stolle.-  des  IV.  Buches,  sondi  rn  fängt  da  an,  wu  König  Lisuart 
weggeführt  wird,  also  wo  das  IV,  Buch  im  Spanischen  und  Französi- 
schen schlieszt.  Auch  mit  dem  Esplaudian  stimmt  es  nicht  übercin, 
und  da  ein  spanisches  Buch,  welches  ihm  entspriiche.  nicht  vorlianden 
zu  sein  scheint,  so  dürfte  seine  Urschrift  wohl  ein  italienisches  Origi- 
nalwerk  sein.  Der  Inhalt  beschäftigt  sich  mit  m  uenlntriguen  des  Arealaus, 
Abenteuern  den  Amadia  und  anderer  neuer  Personen  und  füllt  150  Kapitel. 

88* 


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yerdetttscht,  sie  sdindden  etwas  weniges  Y<m  dem  Schlüpfri- 
gen wog  und  haben  mehr  Neignng  znm  Moralisiren  nnd  Be- 

flectiren.  Einige  Büc  lior,  wie  das  erste  und  vierte,  sind  sogar 
protestanüsirt,  allerdings  nur  ganz  äusserlich  und  ungesdücki, 
so  dasz  eine  komische  Wirkung  entstdit,  wenn  die  frommen 
Helden  vor  ihren  Unternehmungen  an  Stelle  der  Messe  schnell 
die  Predigt  hören.  Die  Namen  der  schon  durch  das  ehen 
Erwähnte  als  yerschieden  sich  darstellenden  dentsehen  Be- 
arbeiter sind,  ansgenommen  Tielleidit  das  sechste  Bach,  nnbe» 
kannt,  wie  auch  das  genauere  Verhältnisz  der  einzelnen  über- 
setzten Bücher  zu  ihren  französischen  Vorlagen  noch  nicht  im 
Einzelnen  festgestellt  ist. 

Die  erste  Ausgabe  erschien  zu  Frankfurt  am  Main  bei 
Sigmund  Feyerabend  im  Jahre  1 560.  die  Jahreszahl  des  Titels 
giebt  durch  einen  Druckfehler  1561.  Hierauf  folgte  eine  lange 
Beihe  Ton  Ausgaben  bis  in  das  XVII.  Jahrhundert,  und  glddi- 
sam  den  Beschlusz  aller  Fortsetzungen  macht  die  Schatzkammer 
schöner  zierlicher  Orationen,  Sendbriefen,  desprächen,  Vortift- 
gen,  Vermahnungen  und  dergleichen  aus  den  viernndswamdg 
Büchern  des  Amadis  von  Frankreich  zusammengezogen,  welche 
zuerst  1597  erschien  und  dem  ähnlich  ist,  was  wir  jetzt  ein 
Gomplimentirbuch  nennen. 


•)  Wenn  auch  die  vollständige  Reihe  der  24  deutschen  AmaJi»- 
bOcher  bekannt  nnd  zugänglich  ist,  so  befindet  sich  die  Bibliographie 
die^ccr  Bücher  doch  noch  nicht  auf  einem  Standpunkte,  welcher  ihre 
Besoltate  hier  verwendbar  machon  würde,  da  eine  ganze  Anzahl  der 
von  A.  V.  Keller  (Bd.  XL.  der  Bibl.  des  Stuttg.  Litt.  Vereins,  Stutt- 
gart 1857)  angeführten  Ausgaben  auf  frühere  bisher  noch  unbekannte 
nr&ckweisty  also  die  hier  nnr  mögliche  blosze  Aufzählung  kein  auch 
nur  annKherndes  Bild  der  Verbreitung  des  Buches  geben  würde.  Aoi 
diesem  Grunde  begnügo  ich  mich  aneb  hinsichtlich  der  deutscbeo 
Amadise.  nnr  auf  v.  Kellers  Angaben  zu  verweisen.  Was  ich  dieMB 
Angaben  binzuznftgen  habe,  findet  sieb  im  Folgenden. 


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» 


—   849  — 

Die  berühmteste  and  durch  ihre  Aasstattmig  die  Beliebt- 
iMit  der  Bflcher  am  besten  Qlnstrirende  Aasgabe  ist  die,  welche 

1583  in  Folio  bei  Feyerabend  erschien.  In  Betreff  derselben 
aei  bemerkt,  dasz  sie  in  den  mir  vorliegenden  zwei  Exempla- 
len  der  Breslaoer  Stadtbibliothek  einen  Band  mit  zwei  Theilen 
bildet,  in  diesen  dr^ehn  Bficher  enthftlt  nnd  anch  nicht  mehr 
enthalten  konnte,  wi-il  sie  eine  Sammlung  aller  bis  dahin  er- 
schienenen Uebersetzungen  war,  und  1583  es  nur  die  dreizehn 
ersten  BOcher  in  deutscher  Uebersestung  gab,  alle  übrigen 
sind,  soviel  wir  jetzt  wissen,  erst  spftter  herausgekommen. 
Beachtenswerth  ist  die  in  der  Vorrede  gegebene  Notiz  des 
Bachhändlers  über  den  rapiden  Absatz  seines  Yerlagsbestandes. 
Wenn  in  derselben  Vorrede  die  sonst  nirgend  zu  findende 
Nachricht  auftaucht,  dasz  der  Amadis  auch  ins  Griechische 
übersetzt  sei,  so  liegt  auf  der  Hand,  dasz  sie  mit  groszer  Vor- 
sicht an^nnehmen  istO 

Der  Binfluss,  welchen  die  Amadisromane  auf  die  Ent- 

<)  „Dieser  Art  ist  non  auch  das  gegenwertige  Werck  vom  Amadis 
ansz  Franckreich  /  welches  ein  Sinnreicher  vnd  bochventäudiger  erst- 
nals  in  Frantzösi^^cher  Sprach  beschrieben  /  so  denn  nacbgehendts  in 
viel  andere  Sprachen  /  als  Italiänische  /  Hispanische  /  Engelländiaehe  / 

Griechische  /  vnd  cndtlich  in  vnserc  Teutsche  Sprach  /  wegen  jres 
sonderbaren  Nutzen  vnd  lustiger  kurtzweil  /  transferiert  worden."  Weiter 
onten  heiszt  es:  „So  denn/  wie  vermeldt  /  solche  grosse  Nutzbarkeit 
darcli  verstand  vnd  vberlcsung  solcher  herrlichen  edlen  Bücher  erschöpfft 
mag  werden/  Als  hab  ich  verrückter  zeit  dieselbe  stückweisz  / 
nicht  mit  geringen  Kosten/  mchrcrtheils  vertiren/  vnd  vermittelst 
drucks  öftentlich  ausgehen  lassen  /  Welche  auch  Jermassen  ange- 
nommen/auffgekautft/ vnd  gelesen  worden  /  dasz  alle  derselben  Exemplaria 
in  kurtz  abgangen  /  verkantet  worden  /  vnd  in  grosse  naehfrag  gerahten. 
Dero  wegen  denn  ich  von  verständigen  Leuten  /  solche  Bücher  von 
Araadis  /  so  viel  deren  in  vnsere  Teutsche  Sprach  vertiert  worden  /  in 
goter  richtigtjr  Ordnung  in  ein  Werck  zusammen  zu  richten  /  vnd  widcr- 
urob  auszgehen  zu  lassen  /  bittlich  angclanget  worden  bin  /  Vnd  wegen 
dess  erschies/lichen  fruchtbarlichcu  Nutzens  derselben  bitt/so  ich 
Tor  ziemlich  erachtet  /  wülfahreu  vnd  im  Werk  nachsetzen  wollen.  — 


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—   350  — 


Wickelung  unserer  Gattung  auch  in  Deutschland  gehabt  haben 
und  ihre  Wichtigkeit  als  cnltaiv  und  sittengeechiditliches 
Doonment,  machen  es  nOthig.  dasz  wir  uns  Uber  ihren  poeti- 
schen Worth  und  ihre  literarhistorische  Bedeutung  sowie 
namentlich  über  den  Eindruck,  welchen  sie  auf  ihre  Zeit 
hervorbrachten,  so  klar  als  möglich  werden.  Hierzu  genügt 
es  nicht ,  blos  die  in  Deutscliland  lautwerdendfn  Stimmen  zu 
hören,  sondern  wir  müssen  auch  die  Urthcile,  welche  in  auszer- 
deutschen  Kreisen  Ton  Lesern  und  Gelehrten  gefUlt  worden 
smd,  heranziehen,  wenn  wir  anders  das  Buch,  welches  ein- 
mal Weltbuch  war,  von  allen  Seiten  im  rechten  Lichte  er- 
blicken wollen.  Es  wird  sich  sehr  bald  zeigen^  wie  unerl&a^ 
Ueh  eine  solche  Vernehmung  von  nahestehenden  Sach?e^ 
ständigen  einem  Werke  gegenüber  ist,  welches,  aus  einer  von 
der  unsrigen  sehr  verschiedenen  Zeit  hervorgegangen,  uns  nach 
der  Mehrzahl  seiner  charakteristischen  EigentbOmlichkeiten 
fremd  gegenübersteht.  Wir  sind  in  der  glückHchen  Lage, 
hier  Namen  von  yuteiu  Klange  unter  denen  zu  linden,  die 
sich  über  den  Amadis  ausgesprochen,  nicht  ebenso  gut  wird 
der  Einklang  der  zu  vernehmenden  Vota  ausfeilen. 

Der  Vortritt  gebührt  dem,  der  l)is  heut  in  der  gesamiu» 
ten  Weltliteratur  als  der  erste  aui  dem  Gebiete  der  Prosa- 
dichtnng  dasteht,  Miguel  Cervantes.  Jene  berühmte  literarhistori- 
sche Stelle  im  sechsten  Kapitel  des  ersten  Buches  des  üon 
Quixote,  welche  mit  liecht  der  Gegenstand  besonderer  gelehrter 
Schriften  geworden  ist,  enthält  auch  em  Urtheil  über  unseren 
Amadis,  und  zwar  ein  verschiedenes  über  verschiedene  Theile 
des  Gesam  Ulis  Werkes. 

Der  Pfarrer  also  und  der  Barbier,  Meister  Nicolas,  halten  Ge- 
richt über  des  sinnreichen  Edlen  von  der  Mancha  Bibliothek, 
welche  aus  l\itterbüchern  bestand.  ,,I)as  erste  Buch,  welches 
ihm  (dem  Piarrer)  Meister  Nicolas  i*eichte,  waren  die  vier 


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—  851  — 

Bttcher  dee  Amadn  Ton  GaoUi.   Der  Pflirrer  sagte:  Hierin 

scheint  mir  das  Geheiinnisz  zu  liegen ,  denn  so  wie  man  mir 
gesagt  hat,  war  das  Buch  das  erste  von  den  Kitterschafts- 
eidieii  (de  caballerias),  das  in  Spanien  gedruckt  wnrde»  nnd 
daa  aUe  flbrigen  ihm  ihren  Ursprung  nnd  ihr  Entstehen  m  danken 
haben,  darum  musz  man  es  auch  als  den  Stifter  einer  so  verderb- 
lichen Secte  ansehen  und  ohne  Qnade  zum  Feuer  verdammen! 

Nein,  mein  Herr»  sagte  der  Barbier,  denn  man  hat  mhr 
anch  gesagt,  dasz  dies  Buch  das  beste  von  allen  in  dieser 
Gattung  sei,  und  darum  könnte  man  ihm  wohl  als  dem  ein- 
seiner  Gilde  veigeben. 

Das  ist  wahr,  sagte  der  Pfarrer,  und  aus  diesem  Qmnde 

sei  ihm  das  Leben  für  jetzt  geschenkt.  Wir  wollen  das  an- 
dere  sehen,  das  daneben  steht. 

Diesee,  sagte  der  Barbier,  heiszt  die  Groezthaten  des 
Esphindian,  rechtmässigen  Sohnes  des  Amadis*?on  Gaula. 

Nun  wahrlich,  sagte  der  Pfarrer,  die  Tugend  des  Vaters 
darf  dem  Sohne  nicht  zu  Gute  kommen.  Nehmt,  Frau  Haus- 
b&lteiin,  macht  das  Fenster  auf  nnd  schmeiszt  ihn  auf  den 
Ho^  er  soll  die  Grundlage  des  Scheiterhaufens  sein. 

Die  Haushälterin  that  dies  mit  Freuden,  und  der  wackere 
fisplandian  Üog  in  den  Hof  hinunter,  wo  er  das  Feuer,  das 
ihm  drohte,  mit  grosser  Geduld  erwartete. 

Weiter!  sagte  der  Pfarrer. — Der  nun  kommt,  sagte  der 
Barbier,  ist  Amadis  von  Grecia,  und  iille  auf  dieser  lieihe 
sind,  wie  ich  gUube,  Ton  derselben  Familie  des  Amadis. 

So  können  sie  alle  in  den  Hof  reisen,  sagte  der  Pfiurrer, 
denn  um  nur  die  Königin  Pintiquiniestra  verbrennen  zu  kön- 
nen, und  den  Schäfer  Darinel  saromt  seinen  Ek logen,  mit 
den  verteufelten  nnd  vejruchten  Beden  des  Verfassers,  wurd* 
ich  meinen  leiblichen  Yater  zum  Verbrennen  hergeben,  wenn 
er  sich  in  Gestalt  eines  irrenden  Bitters  ertappen  lieszo.  * 


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—    35-2  — 

Der  Meinung  bin  auch  ich,  sagte  der  Barbier.  —  Ich 
ebenfalls,  rief  die  Nichte  —  Wenn  69  so  ist,  sagte  die  Haus- 
hälterin, wohl,  mit  allen  in  den  Hof  hinunter!  Sie  gaben  sie 
ihr  —  und  es  waren  ihrer  viele  —  und  da  ihr  die  Treppe 
zu  umständlich  schien,  so  warf  sie  sie  alle  aus  dem  Fenster 
in  den  Hof  hinab. 

Soweit  Cerrantes,  denn  die  Bfleher  nnd  Helden,  ▼on  denen 
zuniichst  weitcrliin  die  Rede  ist,  gehören  dem  Amadiskreise, 
wie  er  sich. in  der  weiter  oben  erklärten  Weise  gebildet  hat, 
nicht  an,  wenn  sie  auch  zum  grtaten  Theil  zu  derselben 
Dichtungsgattung  zu  zählen  sind. 

Nun  noch  einige  Bemerkungen  zum  Verständnisz  der  an- 
geführten Stelle. 

Genrantes  macht,  das  ist  die  Hauptsache,  emen  bedeu- 
tenden Unterschied  zwischen  den  ersten  vier  Büchern,  also 
dem  Grundstöcke  der  Amadisbüclier,  und  den  lulgenden,  von 
denen  namentlich  der  Esplandian,  also  das  fänfte  Buch  sehr 
abstechen  soll  Dieses  f&nfte  Buch  ist  aber  eben  das,  welches, 
wie  schon  gesagt,  Montalvo  seiner  Bearbeitung  des  alten  Amadis 
hinzufugte  mit  der  albernen  Fiction,  es  aus  einem  giiecliischen 
Originale  gezogen  zu  haben.  Wie  er  gerade  auf  das  Griechische 
verfallen  ist,  geht  aus  dem  Inhalt  hervor,  der  sidi  um  die 
Kämpfe  des  Kaisers  in  Constantinopel  mit  den  Heiden  dreht. 
Da  aber  seine  Nachahmung  und  Fortsetzung  selbst  gegen  seine 
dgene  Bearbeitung  des  älteren  uns  leider  verlorenen  Werkes 
so  sehr  absticht,  dflrfen  wir  beiläufig  den  Schlusz  ziehen,  dasz 
er  an  der  ihm  vorliegenden  liedaction  nicht  allzuviel  geändert 
haben  wird,  ein  Schlusz,  der  sich  recht  gut  mit  seinen  eigenen 
Worten  in  der  Vorrede  reimt'),  und  der  bei  einem  Versuche^ 


*)  .  .  .  corrigiendo  estos  tres  libros  de  Amadis  qae  por  ialta  de 
los  malos  escritores  6  eompooedores  may  comptos  y  Tieiosos  se  leaa. 


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—   353  — 

daa  Urspröogliche  von  dem  Hinzugekommenen  zu  scheiden, 
Beachtnng  yerdienen  wfirde.   Doch  da  wir  jetzt  nicht  nur 

bei  der  Geschichte  der  ästhetischen  und  moralischen  Würdi- 
gung des  Buches  stehen,  sondern  auch  die  Entstehungskiitik 
des  spanischen  Budiee  schon,  soweit  sie  neben  der  in  einer 
Oeschichte  des  Romans  in  Deutschland  viel  wichtigeren  Frage 
nach  der  Beschaffenheit  des  fertigen  und  bei  unseren  Vorfahren 
beliebten  Werkes  im  Allgemeinen  ihren  Platz  .finden  konnte, 
abgeihan  ist,  werden  wir  den  Iftngst  ruhenden  Don  Oarda 
Ordöüez  de  Montalvo  mit  einem  Lanzenstechen  nacli  den 
Toumierregeln  der  neueren  Philologie  unbehelligt  lassen,  sonst 
dftrfte  er  wohl  gar  den  gehörnten  SiegMed  zu  Hülfe  rufen, 
der  sicherlich  des  fünften  Gapitels  wegen  nicht  sondeilich  gut 
auf  uns  zu  sprechen  sein  mag. 

Eine  Erklärung  verdient  auch  die  Stelle,  wo  Cervantes 
jenes  berufene  Dictum  Philipps  n.  umbildet ,  wodurch  dieser 
König  genügend  vorgebeugt  hat,  dasz  er  nicht  zu  dem  Theile 
des  skrophulösen  Gesindels  gerechnet  werde,  welches  an  ver- 
schwommener und  sentimentaler  Humanität  gegen  Andersden- 
kende leidet.  Die  Königin  Pmtiquiniestra  nämlich,  welche  die 
Galle  des  groszen  Dichters  so  sehr  erregt,  dasz  er  sich  im 
dgentlichsten  Sinne  als  feurigen  Spanier  zeigt,  ist  eine  Persön- 
lichkeit, die  im  sechsten  Buche  <)  auftaucht  und  Perion,  den 
Sohn  Galaors,  den  Neffen  des  alten  Amadis  vun  Gaula,  heirathet. 
Der  Schäfer  Darinel  kommt  später  vor  und  verliebt  sich  in 
Süria,  Lisuarts  von  Griechenhind  und  Onolorias  von  Trapezunt 
Tochter,  welche  aus  Pietät  gegen  die  Familientradition  von 
ihren  Eltern  vor  der  Einsegnung  ihrer  Ehe  erzeugt  und  in 
der  Verborgenheit  erzogen  wird«  Sie  erzeigt  ihm,  nur  mit 


1)  Nach  der  Z&hlang  der  Bächer  in  der  fhuisSsischen  tind  deut- 
schen Bearbeitnog. 


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—    354  — 


weit  gröszerer  Hartnäckigkeit,  eine  Behandlung  wie  die,  durch 
welche  Oriana  den  Amadis  fxm  Dunkelhübsch  machte,  was 
ihn  zu  dem  Entschlnsse  hruigt,  auf  dem  Gipfel  des  hitchsten 
Berges  im  babyloni-^chon  Koielio  den  Tod  zu  erwarten  und  die 
rührendsten  wie  ausführlichsten  Klagen  auszustoszen.  Seine 
Fignr  verdient  insofern  einiges  Interesse,  als  mit  ihm  das 
damals  sehr  beliebte  pastoral-sentimentale  Moment  in  die 
Aniadisromane  eingefüliit  wird,  sie  mdi^,  auch,  soweit  ich  es 
l)eurtheilen  kann,  nicht  viel  alberner  sein  als  die  scliaferlichen 
Helden  in  den  gleichzeitigen  und  wenig  später  folgenden  Pastoral- 
romanen, denen  die  Möglichkeit,  einen  Charakter  an  sich  auf- 
zuweisen und  in  greifbaren  Situationen  sicli  überhaupt  nach 
menschlicher  Analogie  zu  bewegen,  gleichsam  a  priori  durch 
das  Wesen  dieser  Dichtungsgattong  sdilechtweg  abgeschnit- 
ten ist. 

Doch  uberlassen  wir  den  Schäfer  Darinel  und  die  Königin 
Pintiqomiestra  nebst  ihrer  ganzen  Yerwandschaft  dem  gmch- 
ten  Zorne  des  Cervantes.  Es  mag  nun  ein  anderer  Kritiker 
als  Zeuge  ITir  den  Aniadis  auftreten,  ein  Kritiker,  der  auch 
zugleich  ein  bedeutender  epischer  Dichter  ist,  und  wenigstens 
von  seiner  Nation  zu  den  grOszten  Dichtem  der  Welt  gesfthlt 
wtfd,  nftmlich  Torquato  Tasso.  In  der  Vertheidigangsschrift 
seines  berühnitosten  AVerkes,  Genisalemrae  libeiatii ')  gegenüber 
den  Accademici  della  Crusca  sagt  Tasso,  indem  er  zugleich 
von  der  Bearbeitung  seines  Vaters  berichtet:  „Sappiate  dnnque 
ch'  essende  mio  padre  nella  corte  di  Spagna  per  servixio  del 
Principe  di  Salerno  suo  padrone,  fu  persuaso  dai  principuli 
di  quella  corte  a  ridurre  in  poema  Tistoria  favoiosa  deir 
Amadigi,  la  quäle  per  giudizio  di  molti,  e  mio  partioolannente 
h  la  piik  bella,  che  si  legga  fra  quelle  di  questo  genere,  e  forse 


<)  In  der  Ausgabe  Pisa        Bd.  X,  S.  7. 


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—   355  — 

la  giovevele,  perohd  nell*  a£fetio,  e  nel  oostome  in  lasoia 
addietro  tntte  Vattre,  e  nella  variet^  degli  aoddenti  non 

Code  ad  alcuna,  che  da  poi,  o  prima  sia  3tat<i  scritta.** 

An  einer  Stelle  seiner  Discorsi  del  poema  eroico  >)  be- 
trachtet Tasso  mehr  die  moralische  Seite  des  Amadis,  welche 
er  oben  nnr  kurz  mit  dem  Ansdnicke  giovevole  berflhrt, 
wodurch  diese  zweite  Stelle  noch  interessanter  wird.  Er  li^eht 
aus  7on  der  Platonischen  Trichotomie  der  menschlichen  Seele 
(voflic;  imdufiia)  die  er  dnrch  .die  Ansdracke  ragione, 

uppetito  irascibile  und  appetito  ooncupiscibile  wiedergiebt. 
Mit  Kücksicht  auf  den  verschiedenen  Rang  der  drei  seelischen 
Elemente  sagt  er  dann:  Dnnque  deir  ira  piuttosto,  che  dell' 
amore  dee  prendere  soggetto  il  poeta  eroico:  e  ci6  peraTven- 
tiira  sarebbe  vero  se  gli  eroi  fossero  tutti,  e  sempre  soggetti 
alle  pasäioni:  ma  se  ramore  e  non  solo  una  passione,  e  un 
morimento  dell'  appetito  sensitiTO,  ma  nn  abito  nobilissimo 
delhi  Tolont^  come  yoUe  San  Tomaso,  Tamore  sarik  piü  lodevole 
negli  eroi,  e  per  conseguente,  nel  poeina  eroico:  ma  gli  an- 
tichi  0  üOD  conobbero  questo  amore,  o  non  vollero  descriverlo 
negli  eroL  Ma  se  non  onorarono  Famore  come  virtä  nmana, 
Tadorarono  qnas!  divina,  per6  ninna  altra  dovevano  slamar 
piü  conveniente  agli  eroi;  laonde  azioni  eroicho  ci  potranno 
parer  oltre  Taltre  quelle,  che  son  &tte  per  amore. 

Ma  i  poeti  moderni  se  non  vogliono  desmvere  la  divimtä 
deir  amore  in  quelli.  che  espongono  la  vita  per  Cristo,  possono 
ancora  nel  lorraarvi  un  Cavaliere,  descriverci  l'amore  come  un 
abita  constante  della  yolontä  e  cosi  gli  hanno  formati,  oltre 
tntti  gli  altri,  qnelli  scrittori  Spagnnoli,  i  quali  favoleggiarono 
nella  loro  lingua  materna  sonza  ohbligo  alciino  di  rime,  e  con 
81  poca  ambizione,  che  appena  e  passato  alia  posteritä  nostra 


*)  Bd.  Xn,  8.  54  it  der  erw&hnten  Ausgabe. 


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—    356  — 


ü  nome  d'aiciino.  Ma  qaalnnqae  fosse  colui,  che  ci  descriase 
Amadigi  amante  d^Oriana,  merita  maggior  lode,  che  aldmo 
degli  scrittori  Franoesi,  e  non  traggo  de  questo  nnmero  Ar- 
naldo  Daniello,  il  quäle  scriääe  di  Lancilotto,  quantuDque 
dioesse  Dante: 

Veni  d^amofe,  e  proee  di  romanzi 
SoverehiÖ  tntti,  e  lascia  dir  gli  stolti, 
Che  quel  di  Lemosi  credon  ch'avanzi. 
Ma  s'egli  avesse  letio  Amadigi  di  Qaala  o  qael  di  Gre» 
da,  0  Primaleoiie,  peraTventara  aviehbe  matata  opinioiie; 
perch^  piü  nobilmente,  e  con  maggior  constanza  sono  descritti 
gU  amori  da'  poeti  Spagnuoli,  che  da'  Francesi,  se  pur  oon 
merita  d'esser  tratto  da  questo  nnmero  Girone  ü  Cortese,  il 
qnale  castiga  cofil  gravemeoto  la  saa  amoroea  inoontinemn 
aUa  tbntana.    Ma  senza  iallo  e  maggior  lode  avero  in  guisa 
disposto  l'animo,  che  alcuno  iiifetto  non  possa  prender  lärme 
contra  la  ragione;  laonde  pia  perfetta  sarebbe  stata  l*amicizia 
di  Girone  con  Danaino  8*ella  non  fosse  stata  pertoiiMtta  dall* 


Soweit  Torquato  Tasso.  £s  ist  hier  niclit  der  Ort,  die 
Schwftdien  seiner  Kritik  ans  den  Gmnda&tsen  seiner  gan- 
zen Theorie  im  Bmzelnen  abznleiteD.   Dabei  mflszte  auf  die 

nicht  grade  einfache  Theorie,  welche  er  seinen  poetischen 
Schöpfungen  zur  Seite  zu  stellen  fiür  gut  befunden  hat,  ge* 
naner  eingegangen  werden,  wobei  sich  dann  allerdings  noob 
deutlicher,  als  man  es  so  schon  aus  seinen  Betrachtungen 
herausfühlt,  ergeben  würde,  wie  einem  gelehrten  Poeten,  der 
in  der  Weise  der  Benaissanoe  mit  reactionftrem  Anfluge 
reflecthi,  viel  gröszere  Naivitäten  passhren  können,  als  einem 
ungelchrten  mittf'laltorlichen  Volks-  oder  höfischen  Dichter, 
der  zu  seinem  und  seiner  Erzeugnisse  Gluck  nicht  erst  in 
GeÜEÜir  kam,  seine,  Piatos  nnd  des  heiligen  Thomas  Eat^rien 


amore. 


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—  367 


auf  dia  Alten  saus  fiicon  anzowenden  und  den  A£Pecien  den 

Mund  zu  verbieten.  Wir  haben  übrigens  schon  innerhalb  der 
deutschen  Unterhaitungsliterator  des  XV.  und  XVI«  Jalirhunderts 
die  Einwirkangen  des  italienischen  Hnmanismi»  nnd  dadurch 
den  Chainlrter  eines  ^ten  Theües  dieser  frfthesten  Benaissance- 
literatur  soweit  kennen  gelernt,  dasz  ein  jeder  hieraus  schon, 
auch  ohne  Kenntnisz  Ariostos,  Pulcis  und  Fortiguerras  ganz 
tu  gesefaweigen,  den  Eintritt  einer  Beaction  nnd  das  Suchen 
nach  mehr  Würde  und  Ehrbarkeit  nicht  anders  als  natürlich 
finden  wird.  Von  dieser  Strömung  war  beieits  Bemardo  Tassos 
Amadigi  beeinflnszt«  nnd  es  machte  sich  Ton  selber,  dasz  sein 
grOszerer  Sohn  von  seinem  Gesichtspnnkte  aus  grade  auf  den 
Araadis  verfiel  und  in  der  Liebe  der  beiden  Hauptpersonen 
ein  anschauliches  Beispiel  zu  der  Lehre  von  der  Liebe  als 
Tugend  und  als  smnlicher  Leidenschaft  fand,  wenn  er  auch 
dabei  die  Sache  nicht  unerlielilich  verdrehte.  Aber  interessant 
ist  das,  was  Tiisso  vorbringt,  dennoch  und  werth,  dasz  wir 
bei  etlichen  Punkten  noch  einen  Augenblick  stehen  bleiben. 
Was  nSmlich  Tasso,  wenn  man  allen  gespreizten  Wust  weg- 
liszt,  ttgentlich  sagen  will,  ist  eine  feine  und  richtige  Be- 
meikmig.  Es  ist,  meint  er,  das  oder  ein  Hauptverdienst  jener 
spanischen  SchriftsteBer,  dasz  sie  die  GescUechtsBebe  erstens 
als  einen  dauernden,  also  der  Entwickelung  fähigen,  Zustand 
and  zweitens  als  eine  heldenmäszige  Eigenschaft  aufzufassen 
and  danostellen  wnszten.  Kam  dies  emerseits  dem  epischen 
Gh8nd[ter  ihrer  Dichtungen  in  ästhetischer  Beziehung  trefflich 
zu  statten,  so  wurde  andererseits  dadurch  eine  Veredelung  des 
Beiden  und  demgemAsz  der  ganzen  Dichtung  in  moralischer 
Besiehui^  erreicht  —  ün  Vergleich  namentlich  mit  den 
französischen  Schrirtstellern,  worunter  Tasso  die  Verfasser  ver- 
siticirter  Epen,  namentlich  aus  dem  Artuskreise,  wie  auch  ohne 
Zweifel  die  FaUiaux-  und  Contesdiehter  versteht  DafBr,  dasz 


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—   358  — 

dieses  ürtheil  etwas  schiel  ist,  kann  Taüso  nicht  verantwort- 
lich gemacht  werden,  denn  er  war  nicht  im  Stande,  diese 
Idteratnr  auch  nor  emigermaszen  zn  ttberblicken,  andi  zeigt 
er  durch  die  Erwähnung  des  Girone,  dasz  sein  Blick  für  ab- 
weichende Fälle  geschärft  genug  war.  Leider  mischt  er  aber 
fortwährend  den  ästhetischen  mid  den  moralischen  Standpunkt 
untereinander,  nnd  so  gelangt  er  nicht  dazu,  söne  Bemerkungen 
klar  und  nutzbar  zu  machen. 

Gerrautes  hat  sein  günstiges  ürtheil  über  die  vier  ersten 
Bftcher  dee  Amadis  nicht  begründet,  sem  ganzer  Don  Quixote 
ist  ja  mne  Eriiak  der  Amadisromane  und  fthnlicher.  Jeden- 
falls aber  würde  er  es  anders  motivirt  haben  als  Tasso,  und 
es  ist  sehr  schade,  dasz  sich  grade  Cerrantes  über  seine 
positiTen  Qrflnde  fflr  den  Stamm-Amadis  in  so  tiefiBS  Schwei- 
gen hfOlt,  dasz  uns  nicht  möglich  ist,  sie  irgendwie  zu  be- 
stimmen. Wir  dürfen  aber  d^halb  annehmen,  dasz  er  anders 
als  Tasso  argumentirt  haben  würde,  weil  eben  jenes  Motiv  von 
der  bestftndigen  und  edlen  Liebe,  welehes  schon  in  den  ersten 
vier  Büchern  mit  so  viel  Bewusztsein  durchgeffthrt  ist,  dasz 
ihr  als  Gegensatz  eine  unbeständige  und  rein  sinnhche  gegen- 
übergestellt wird,  andi  in  den  andern  Büchern,  die  Cerrantes 
auf  das  SdiSr&te  tadelt,  ebenso  auftritt  Schon  da  Oervantes 
einen  Theil  lobt  und  den  anderen  verurtheilt,  Tasso  beide 
Theiie  lobt,  so  kann  das  Lob,  in  welchem  sie  in  Bezui:  auf 
den  einen  Theil  zusammentreffen,  unmöglich  dieselben  Gründe 
haben,  üm  aber  jeden  Zweifel  an  meiner  Vermuthung  zu 
heben,  erinnere  ich  daran,  dasz  Tasso  grade  dasjenige  Buch 
des  Amadis  lobt,  welches  Cervantes  am  entschiedensten  für 
schlecht  erklärt,  denn  Tasso  erwähnt  mit  dem  Stamm-Amadis 
zusammen  den  Amadis  von  Grecia,  indem  er  sagt,  wenn  Dante 
den  Amadis  von  Gaula  oder  den  von  Grecia  oder  den  Primaleon 
gelesen  hätte,  so  würde  er  anders  geurtheilt  haben.  Amadis 


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TOS  Grecia  spielt  o&nüich  eine  wichtige,  ja  die  Haaptrolle 
eben  da,  wo  die  Kl^nigin  Fintiqaimestra  und  Darinel  Yor- 
loinmen,  war  also  das  Hauptobject  des  Antodaf(\  der  am 
schwersten  Compiumittirte.  Und  was  den  Priiiiuiecn  betrifl't, 
den  Tasso  auch  nemit,  so  kommt  dieser  zwar  in  des  Cervantes 
kritisoliem  Yendehnisz  niclit  vor,  aber  er  gehOrt  sa  der  ge- 
nealogischen Klasse  der  Palnierin-Romane,  und  von  diesen 
fuhrt  Cervantes  zwei,  den  Phitir  und  den  Palmerin  von  Oliva, 
der  genealogischen  BucksichteD  zufolge  an  erster  Stelle  wäre 
ra  nennen  gewesen,  mit  dem  herbsten  Tadel  an,  nnd  es  ist 
kein  Grund  vorhanden,  anzunehmen,  dusz  di  r  Prinialeon  besser  sei 
als  seine  Verwandten.  Doeli  ist  dies  in  der  That  zu  unwesent- 
lich, nm  mehr  Worte  darüber  zn  verlieren.  Das  ist  jedenialls  als 
aieber  anzunehmen,  dasz  in  des  Cervantes  kritischen  Reflexionen 
die  stetige  Liebe  und  die  bessere  Moialitut')  keine  liedcutende 
Holle  gespielt  haben  werden.  Hören  können  wir  aber  aller- 
dings, was  Cervantes  an  einem  Romane,  wenn  auch  nicht 
grade  am  Amadis,  fftr  lobenswerth  hieli  Er  begnadigt 
nämlich  unter  den  Ritterbüehern  überhaupt  nur  zwei,  d.  Ji. 
aoszer  den  vier  ersten  Büchern  des  Amadis  nur  den  Palmeriu 
von  England,  der  mit  dem  von  Oliva  nicht  verwechselt  werden 
darf  and  den  er  mit  folgenden  Worten  bespricht:  „Esa  pabna 
de  Ingaluterra  se  guarde,  y  se  conserve  como  &  cosa  ünica, 
y  se  haga  para  alla  otra  caxa,  como  la  qoe  hallö  Alexandre 
€D  los  despcjoB  de  Dario^  qne  b  diputd  para  goardar  en  eUa 
las  obras  del  Poeta  Homero.  Este  libro,  senor  compadre, 
tiene  autoridad  por  dos  cosas:  la  una,  j^orque  61  por  si  es 
muy  baeno,  y  la  otra,  porqne  es  Huna  qne  le  oompnao  nn 
diseieto  Rey  de  Portugal.  Todas  bis  aventuras  del  castiUo 
de  Miraguarda  son  bonisimas,  y  de  grande  ariificio,  las  razones 


9  Vergl«  auch,  was  er  in  demielben  Kapittl  ttW  Aiiaato  sagt. 


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—  360  — 

cortesanas  y  ciaras,  que  guardan  v  mii*an  el  decoro  del  que 
habla,  con  macha  propiedad  y  eutendimiento.  Digo  pues, 
salva  ▼oesia:o  baen  parecer,  sonor  Maase  Nioolas,  que  este 
y  Amadis  de  Gaiila  queden  libres  del  fuego,  y  todoa  los 
demas,  sin  liacer  mas  cala  y  cata,  perescan.** 

Wenn  sich  hier,  wie  wir  sehen,  Cervantes  rein  auf  den 
ästhetischen  Standpunkt  stellt,  den  er  ohne  Zweifel  auch  bei 
der  Beurtheilung  des  Amadis  entweder  allein  oder  doch  Yom 
moralischen  getrennt  würde  geltend  gemacht  haben,  wenn  da- 
gegen Tasse  den  ästhetischen  und  moralischen  Standpunkt 
nicht  gehörig  auseinandemihalten  weiss,  so  nimmt  der  dritte, 
der  hier  zu  Worte  kommen  mag,  den  Amadis  eigentlich  nur 
in  Hinsicht  auf  seinen  moi*alischen ,  bezüglich  unmoralischen, 
Gehalt  zum  Gegenstände  einer  Besprechung.  Allerdings  ist 
das  Buch,  dem  diese  Besprechung  vorausgeschickt  wird,  nur 
das  sechste  —  eben  jenes,  wo  die  Königin  Pintiquiniestra 
auftritt  —  dafür  aber  ist  der  Beurtheiler  kein  Geringerer  als 
Johann  Fischart  und  seine  Worte  beziehen  sich  auf  den  ganzen 
Amadis.  Vielleicht  ist  das  ganze  Buch  von  Fischart  selbst 
übei-setzt,  ein  Vielleicht,  das  nicht  zum  Gewisz  erhoben  zu 
haben,  mir  und  anderen  jeder,  der  einigermaszen  die  unge- 
meine Schwierigkeit  aller  Untersuchungen  Aber  Fischart  zn 
benrtheilen  weisz,  verzeihen  wird.  Aber  sicher  ist  Fischart' der 
Verfasser  der  dem  sechsten  Buche,  Ausgabe  von  1572,  vorauf- 
gehenden  poetischen  Vorbereitung  in  d^  Amadis.  In  diesem  Ge- 
dicht sagt  Fischart,  —  zur  voUstftndigen  Mittheilung  ist  es 
zu  lang  —  EOnig  Mithridates  habe  sich  in  seiner  Jugend 
durcli  Gebrauch  eines  Krautes  Namens  Giltwend  die  Ver- 
dauungswerkzeuge derartig  gegen  Vergiftung  abgehärtet,  dass, 
als  er,  durch  die  'Börner  bezwungen^  m  die  Lage  gekommen 
sei,  seinem  Leben  durch  Gift  ein  Ende  zu  machen,  nichts  an 
ihm  habe  verfangen  wollen. 


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—   361  — 


„Also  soll  es  auch  hie  gescliehen 

In  diesem  Buch  /  darinnen  jhr  sehen  / 
Wie  in  Cumedij  vnd  im  spiel 

Beide  guttes  vnd  aiicli  hoses  viel/ 
Das  jhr  euch  machet  vorgerüst 

Mit  guttem  welchs  das  b6s  verdrüst 
,  Vnd  habt  mit  reinem  kraut  der  Tugend 

Vor  ewer  hertz  erweicht  von  Jugend  / 
Vnd  seyt  bereyt  mit  Göttlich  h'hren  / 

Darmit  jhr  m6cht  dem  b^sen  wehren 


Wa  jr  denn  also  seyt  versehen  / 

Word  ench  von  giftt  kein  schad  geschehen/ 
Vnd  wnrd  den  Bdnen  alles  rein 

Ynd  mag  ench  alles  nutKÜdi  s^/ 


Also  wer  in  dem  Büchlein  bie 

Nicht  weisz  was  er  ihn  /  was  er  flieh  / 
Weisz  nicht  das  Thngend  h^szt  vom  thun 

Vnd  laster  von  dem  lassen  nun/ 
Vnd  hat  nicht  so  viel  witz  bey  jm  / 

Das  er  wisz  was  be}Ti  öi>freln  schwimm/ 
Vnd  halten  kan  ein  vnderscheid  / 

Zwischen  der  Zucht  vnd  vppigkeit 
Derselb  des  Büchleins  sich  entheb/ 

Das  jm  selbst  nicht  mit  vergeh/ 
Vnd  volg  das  nicht  zu  volgen  ist: 

Die  weil  liierinnen  seind  vermischt/ 
Beide  gutte  und  auch  böse  Leut. 

Jen  das  man  leid /die  das  man  meid. 


Deszgleichen  welchem  nicht  geialt 

Dieweil  es  fabeln  in  sich  halt/ 
Der  gibt  sein  vnverstand  an  tag  / 

Das  er  nicht  giosses  wissens  trag 
Vmb  der  Poeten  jlire  kunst 

Die  aller  weiszheyt  ist  ein  gespunst/ 
Wie  fein  sie  vnder  den  Parabeln  / 

Vnd  kunst  gedicliten  jhren  fabeln  / 
Die  schönsten  lehren  süsz  verdecken  .  .  .  . 


84 


3G2  — 


Dan  wer  den  Namen  Aniadis 

Bedencket  redit  /  der  tindt  jrewi^z  / 
Das  er  zu  Teut^ch  heiszt  G(»ttes  \'uA\  / 

Darunib  besteht  or  sfisz  vnd  trüh: 
Gleicliwol  laszt  jhn  Gott  nielit  erliegen/ 

Sonder  nnisz  allentliall)  obsiegen  / 
Ja  sein  gfselilcelit  genieszts  auch  darniit  /  ^ 

Dan  Gott  tliut  wohl  ins  driito  glied/ 
Darneben  ward  anch  drin  bedeit 

Das  Aiiipt  der  Rechten  Obrigkeit/ 
Wie  sie  Iii«?  solb^n  Ringen  /  kanipffen  / 

Bisz  sie  die  argen  hüben  diuuidlVn  / 
Sollen  den  Riesen  /  Rauber  /  Dieb  / 

Sein  Hercules  von  Gottes  lieb  / 
Dem  bluthund  Tvrann  vnd  dem  Wiitrich 

S'in  kurl/.unib  von  Bern  König  Dietrich/ 
Sollen  die  Tnrcken  /  Tartern/ Heiden 

Niclit  zu  nah  hissen  an  sicli  weiden. 
Nun  solche  vnd  dergleichen  leinen 

Kann  man  in  dem  Buch  sehr  viel  hören 


Es  ist  gewiss  kein  gering  m  achtender  Beweis  von  der 

Bedeutung  unseres  Amadis,  dasz  drei  solche  Männer  wie  Cer- 
vantes, Tasso  und  Fischart  sich  über  ihn  auszuspreclien  Ge- 
legenheit genommen  haben.  Auch  hieraus  gewinnen  wir  den 
Eindruck,  dasz  der  Amadis  in  der  That  ein  fUr  seine  gan2e 
Gattung  typisches  Werk,  ein  Urbild  der  modernisirt^n  Ritter- 
bücher seiner  Zeit  war.  Ehe  wir  aber  noch  andere  Stimmen 
anhören,  mnsz  noch  mm  geschichtlichen  Verstilndnisz  gerade 
dieser  drei  Kritiken,  oder  richtiger  gelegentlichen  Auslassungen, 
etwas  bemerkt  werden. 

Zunächst  Mt  auf,  dasz  sich  Tassos  und  Fischarts  ür- 
theile  einigermaszen  widersprechen.  Denn  während  jener  grade 
vom  moralischen  Gesichtspunkte  aus  den  dnreh  die  Amadis- 
romane  vertretenen  Geschmack  lobt  und  das  Verfahren  der 
spanischen  Schriftseller  als  einen  entschiedenen  Fortschritt 


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3G8  — 


gegen  das  der  fnuz^toischeii  bezeiehoet,  Iftszt  FischartB  ürtbeil 
den  Malt  des  Werkes  keineswegs  als  harmlos  erscheineii,  ja 

der  i's  ohne  Schaden  lesen  will,  soll  durch  eigene  wohlbe- 
festigte Tugend  gegen  moralisches  Gift  ebenso  gefeit  sein,  wie 
es  Mitbridates  gegen  leibliches  war.  Dieser  Widerspruch  ist 
nicht  daraus  zu  erklären,  dasz  Tasso  etwa  nur  die  ersten  vier 
Bücher  im  Auge  gehabt,  JTischart  dagegen  nur  das  sechste 
gekannt  oder  doch  nnr  dieses  gemeint  habe.  Denn  Tasso 
nennt  ansdrficklich  auch  den  Amadis  von  Grecia,  womit  ohne 
Zweifel  das  sechste  Buch  gemeint  ist,  und  es  wäre  ungehörig 
Ton  Fischart  anzanehmen,  dasz  er  nur  den  Theil  des  Amadis 
gekannt  haben  sollte,  den  er  bevorwortet,  vielleicht  auch  über- 
setzt hat.  Und  hierzu  kommt  noch,  dasz  sich  ohcn  jene 
ersten  vier  Bücher,  was  Schlüpfrigkeit  und  Naivität  in  Aus- 
malung die  Sinnlichkeit  reizender  Situationen  anlangt,  in  der 
französischen  Bearbeitung  und  der  deutschen  üeberset/ung  von 
dem  sechsten  und  überluiupt  von  den  tblgcndcn  gar  nicht  unter- 
scheiden, mit  Ausnahme  etwa  des  zwölften,  das  fast  nur  aus 
Zoten  besteht. 

Auch  die  Erklärung  des  vorliegenden  Widersiiruches  aus 
der  verschiedenen  Nationalität  der  beiden  Beurtheilor  und  ihrer 
dadurch  bedingten  verschiedenen  Maszstftbe  fAr  das  Schick- 
liche und  sittlich  üngeföhrliche,  ist  abzuweisen,  schon  au  sich 
als  banal  und  zu  viel  beweisend,  vorzüglich  aber,  weil  sie  für  einen, 
der  Tasso  und  Fischart  auch  nur  oberflächlich  kennte  lächerlieh 
isi  Die  einzig  richtige  Lösung,  die  zn  suchen  bei  einer  Meinungs- 
verschiedenheit weniger  bedeutender  und  berühmter  Männer 
etwas  Pedantisches  haben  wflrde,  liegt  darin,  dasz  Tasso  das 
spanische  Original  im  Sinne  hatte  und  woU  auch  durch  den 
Amadigi  seines  Vaters  in  gewissem  Grade  beeinüuszt  war ')  • 

Vgl.  die  weiter  oben  aogefthrte  Apologie  im  X.  Bd.  der  Werke 
TttWM.  Pia«  1884. 


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364  — 

während  JPiscbart  den  Text  des  des  £ssartB  meinte,  was  aber  das 
spanisdie  Original  betrifft,  nicht  einmal  ?on  dessen  Vorhanden- 
sein etwas  wuszte,  da  ihm  wie  seiner  ganzen  Zeit  der  franzd- 
siscbe  Amadis  diircliaus  ulä  ein  Originalwerk  galt. 

Zur  Vervollständigung  der  zeitgenössischen  Urtheile  diene 
hier  zunächst  noch  einiges  aus  der  Vorrede  des  mehrflu^h  en* 
wähnten  französischen  üebersetzers.  Des  p]ssarts  richtet  seine 
Widmongsepistel  an  den  Herzog  von  Angouleme,  den  zweiten 
Sohn  Königs  Heinrich  U.,  also  den  nachmaligen  König  Karl  IX. 
Kr  erzählt,  dasz  ihm  der  Watlenstillstand  zwischen  Karl  V. 
und  dem  Vater  des  Angeredeten  plötzlich  sehr  viel  Musze  ge- 
bracht habe,  und  fährt  fort:  me  suis  mis  (pour  eviter  la  trop 
pemideuse  oysiuet^)  ä  lire  plnsieurs  sortes  de  linres,  tant 
vulgaires  qu'  estrangers  entre  lesqueiz  m'  estant  tomb6  es  mains 
celuy  d'Amadis  de  Gaule  en  langue  Castillane,  iequel  münte- 
fois  plnsieurs  Gentilhommes  d'Espagne,  mavoient  lou^  et 
estime  sur  tous  leur  Romans,  et  le  trouuant  tel  que  ilz  me 
Tavoient  asseure,  tant  pour  la  diversite  des  pluisantes  matieres, 
dont  11  traite,  que  de  hi  reputation  subtilement  descrite,  qn^il 
fait  des  personnes  suyuans  les  armes,  ou  amours:  ay  prins 
plaisir  a  le  communiquer  par  tiauslation  (sous  vobtre  auctorit^) 
ä  ceux  qni  n'entendront  le  langage  Espagnol,  pour  fiiire  reuiure 
hl  renommde  d*Amadis  (laquelle  par  riniure  et  l'antiquit^  du 
temps  estuit  ostainte  en  ceste  nostre  France)  et  aussi  pour  ce 
qu*il  est  tout  certain  qu'il  fut  premier  mis  en  nostre  langue 
Franjoyse,  estant  Amadis  Gaulois  et  non  EspagnoL  Et 
qu*anisi  soit:  JVn  ay  trouu6  encores  quelque  reste  d'vn  vieil 
liure  i'scrit  ä  la  main  en  langage  Picard,  sur  lequel  i'estirae 
que  les  £spaignolz  ont  fait  leur  traduction,  non  pas  du  tout 
suiuant  le  vray  original,  comme  Ion  })ourra  vour  par  cestuy: 
car  ilz  en  ont  obmis  en  aiuuns  endroitz  et  augmente  aux 
autres.   Parquoy  supliant  ä  leur  obmission,  eile  se  trouuera  en 


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865  — 


ce  liore,  dans  leqael  ce  ii*ay  vonln  coucher  la  pluspai-t  de 
leur  (licte  augnunitation  qii'ilz  n-unint^nt  in\  lour  langage 
Consiliaria,  qui  yault  antant  a  dire  au  nostre  coiumc  auis, 
OH  oonseil,  me  semblant  tels  sermons  mal  propres  ä  la  matiere 
dont  parle  Thistoire,  laquello  i'ay  expressement  mis  an 
lumiere,  non  pour  esperance  d'en  raporter  louange  (estant 
l'oeaare  de  trop  peu  de  mente)  mais  seulement  pour  tesmoigner 
tont  le  Rionde  combien  ce  voudrois  pouoir  pour  vous  faire 
tresliumble  sorvicc,  me.snioniont  pour  vous  tlonner  ([U('l(pu'sfois 
ilequoy  recreer  vostre  geatü  cspru,  lors  qu'ii  sera  ennye  de 

lire  choees  plus  hautes  et  ardues  

Et  combien  que  ce  qui  s'oflTre  cn  coste  traduction  d'Amadis 
De  seit  tü'^  de  nul  autrc  (uuteur?)  laineux  peur  luy  donner 
conleur  de  verit^,  si  trouuera  on  en  eile  tant  de  rencontres 
cheaalerenses  et  plaisantes,  avec  infiniz  pK^pos  d*amours  si 
delectables  ä  ceux  qui  ayment,  ou  sont  dignes  d'aynier  que 
tonte  personne  de  bon  jugement  se  doit  persuader,  voire  quasi 
contraindre  k  Iure  son  histoire,  poor  le  passetemps  et  playsir 
qn'il  pouna  reoeuoir  on  la  bien  voyant.  A  ceste  cause  mon 
Sdgneur,  ie  m'ose  asseurer,  quo  si  eile  trouue  gracc  devant  voä 
yenx,  ou  seit  quelqne  peu  fkToris^e  de  vous,  quo  non  seule» 
ment  eile  sera  estim^  beanconp:  mais  aquerra  le  premier 
lieu  entre  toutes  les  autres  histoires  seniblahlos,  qui  est  en 
partie  la  cause  pour  ]aquolle  i'ay  entrepris  la  traduire,  et  aussi 
pour  faire  cognoistre  ä  cbacnn  mon  intendon  qui  tcnd  k  exalter 
la  Qanle,  en  laquelle  passe  de  }»n  senl  vn  sieole  bion  hour»nix 
.  .  .  .  et  si  vous  aperceuez  en  quelque  endroit  que  ie  ne  me 
8018  assoietfy  k  la  rendre  de  mot  k  mot,  ie  vous  snpplte 
mire  qne  ie  Tay  feit,  tant  pource  quMl  m*a  semble  beanconp 
de  choses  estre  mal  seantes  aux  personnes  introduites,  eu  re- 
gard  aux  moenis  et  fii^ons  du  iourd'hny  qu'auasi  par  Fauis 
d'anenns  mes  amys  qui  ont  tronn^  bon  me  delinrer  de  la 


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—  3t)ö 


commane  superstitiou  des  translateors  meamement  qae  ce  n'est 
maiiere  oa  soit  reqaise  gi  scnipiilease  observance. 

Aehnliches  bringt  die  Vorrede  der  dentscben  Sammel- 

ansf^abi'  zur  Empfeliliintr  des  Werkes  bei,  nur  da.s/.  liier  aus- 
drücklicher eine  Apologie  in  Betreft*  möglicher  SittenschMgaug 
Tersacht  und  darauf  hingewiesen  wird,  wie  ein  jeder  ans  dem 
Buche  das  verschiedenen  Orten,  Personen,  Stftnden,  Geschlech- 
tem  gegenüber  angemessene  und  erforderliche  Benehmen  lernen 
kdnne. 

Es  ist  übrigens  nicht  zweifelhaft,  dasz  gerade  anch  in 
Deutschland  in  gewissen  Kreisen  der  schlüpfrige  Inhalt  des 

Buches  ihm  viele  Leser  und  eine  nicht  geringe  Berühmtheit 
verschafll  haben  wird,  gerade  so  wie  nenn  Zehntheile  von 
denen,  die  jetzt  in  Deutschland  und  Frankreich  den  Boccaccio 
lesen,  eben  nichts  weiter  snchen  als  was  das  Thier  im  Men- 
schen kitzelt,  wodurch  allerdings  daran  nichts  geändert  wird, 
dasz  Boccaccio  aus  anderen  Gründen  ein  lesenswerther  Dichter 
ist  Dafür,  dasz  gerade  die  gedachten  Schlüpfrigkeiten  dem, 
so  zu  sagen^  gemeinen  Zeitgeschmäcke  zusagten,  spricht  nament- 
lich, abgesehen  von  dem  Urtheil,  weiches  man  sich  auch 
anderswoher  von  dem  Vorwalten  dieses  Geschmackes  in  jener 
Zeit  sehr  Idcht  bilden  kann,  ein  Gedicht  vor  der  Ausgabe 
des  II.  Buches  von  1578,  das  mit  den  Buchstaben  F.  C.  V.  B. 
übei*schrieben  ist  und  beginnt: 

Wann  ich  die  Bnlschaflt  thu  erwegen 
Ynd  halt  die  Bitterschafit  dargegen: 

So  find  ich,  dasz  sie  sich  gar  leyn 
Vergleichen,  vnd  stimmen  vberein. 

Dann  das  ist  gewisz,  zu  aller  inst 

Ein  Buler  auch  ein  Eriegsmann  ist 
Dann  wird  nicht  ohne  Geschicklichkeit  und  mit  einer 
Art  von  Witz,  die  einem  in  die  Pi-aids  der  Buhlschaft  £in- 

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—  367 


geweihten  alle  Ehre  machen  kann,  eine  ins  Einzelne  gehende 
FftmUele  zwischen  der  Bittenchaft  und  Bahlschaft  gezogen. 
Es  scheint,  dasz  dieses  Gedicht  von  allen  Vorreden  diejenige 
sei,  welche  die  meiste  Einsieht  in  die  IJedüi iiiisse  der  Mehr- 
heit des  vornehmen  Lesepuhlicums  verräth  und  am  offen- 
herzigsten ausspricht,  was  das  nachstehende  Buch  Ülr  diese 
Schönes  bringe. 

In  diesem  Sinne  spricht  sich  auch  die  in  dfr  l^uhlschaft 
und  anderen  schönen  Dingen  sehr  erfahi'ene  Frau  Courage 
bei  Grimmehf hausen  aus,  indem  sie  von  ihrer  Wirthin  be- 
richtet :  ^Sie  lehnte  mir  auch  nur  den  Amadis,  die  Zeit  darinn  zu 
vertreiben  und  Couipiinienten  chuans  zu  ergreitfcn ;  und  was 
sie  sonst  daraus  erdencken  konnte,  das  zu  Liebes-Lüsten  reitzen 
mochte,  das  liesse  sie  nicht  unterw^en.** 

Doch  hören  wir  eine  gewichtigere  und  anstAndigere  Per- 
jiönlichkeit,  dif  niclit  sowold .  „was  zu  Liehes-Lusten  reitzen 
mochte"*,  im  Amadis  sucht,  sondern  ästhetisch-gelehrte  Be- 
trachtangen darüber  anstellte.  Denn  auch  unser  Martin  Opitz 
hat  nicht  versäumt,  sich  über  dieses  Weltbuch  auszusprechen, 
und  es  gewinnt  seine  Auslassung  durch  ilue  Kücksicht  vor- 
zugsweise auf  den  deutschen  Amadis  ihr  besonderes  Interesse. 
In  seinem  Aristarchus  (Werke,  herausgegeben  von  Bodmer, 
Seite  78)  sagt  er:  Ingenium  certe  verborum  et  tractus  sen- 
tentiarum  ita  decens  est,  ita  lelix,  ut  nec^ue  Ilispaiiorum  ma- 
jestaü,  neque  Italorum  decenüae  neque  Gallorum  yenustae 
Tolubflitati  concedere  debeat.  Cujus  rei  unicam  Amadaei  bis- 
toriain,  in  nostnim  idioraa  conversam,  optimae  fidei  testem 
arcessere  possumus.  iinem  quidem  librum,  «luod  (luidum  ita 
atrod  sfylo  et  indignanti  pnngunt  ac  contodiunt '),  causam 


^)  Es  winl  sich  mit  der  l'lliclit  dor  Unparteiliclikeit  ohne  Zweifel 
Teriragen,  wenn  ich  die  Leute,  welche  jenen  „atrox  et  indignans  Stylus" 


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—    368  — 


profecto  non  habent.  Nihil  sane  est  in  tarn  festivo  opere,  quod 
non  et  ad  moiuni  comitatem  praecepta  ingerat,  et  honesta  sua- 
vitate  conditum,  vim  quasi  asperioribus  naturis  faciat,  ac  nil 


geführt  haben,  iu  ciuu  Anmerkung  verweise  und  auch  nur  einen  von 
ihnen  ausführlicher  zu  Worte  kommen  lasse.  Denn  im  besten  Falle 
halten  sie  einseitige  und  engherzige  Moralpredigten,  einige  üherschüt- 
ten  unser  Buch  mit  gradezu  blödsinnigen  Vorwürfen.  Unter  denjenigen, 
welche  in  Deutschland  dagegen  geeifert,  nimmt  Buchholtz  den  ersten 
Rang  ein,  welcher  nicht  nur  in  den  Vorreden  seines  Hercules  und 
Herculiscus  die  Amadisbücher  heftig  angreift,  sondern  auch  seine  gan- 
zen Romane  ausdrücklich  zu  ihrer  Verdrängung  abgefaszt  hat.  Buch- 
holtz kann  jedoch  aus  chronologischen  Gründen  von  Opitz  nicht  ge- 
meint sein,  dagegen  dürfte  sich  letzterer  über  des  Jesuiten  Possevin 
Auslassungen  im  XVI.  Buche  seiner  Bibliothoca  solecta,  Sectio  IV, 
Cap.  III.  (ich  benütze  die  Ausgabe  Venetiis  ir>0:^»  fol.)  geärgert  haben. 
Hier  heiszt  es:  Et  hinc  quoque  Satanao  patebunt  stratagemata.  quac 
cxpugnandia  otiosioribus  animis  hoc  seculo  ndhibuit.  Tentaverat  enim 
onmibus  .seculis,  omnique  hominum  generi  varias ,  tamquam  peritus 
auceps,  disponere  pedicas,  in  quas  illaqucaret  incautas  mentcs,  vt 
a  Deo  certissirao  scopo  obtutum  auerterent.  Itaque  curauit,  a  paganis 
spectacula  edi,  in  Theatris  homines  caedi,  ab  Oraculis  responsa  peti, 
vocatos  Daemones  adesse  vocantibus,  et  plcraquc  obijci  spectra,  per  eos 
ctiam,  qui  cum  Romani  tenerent  Impcrii  clauum,  pojmlos  ita  retineri 
in  officio  melius  putabant.  Accessit  auctoritas  quorundam  Philosopho- 
rum,  qui  altius  sapere  vi.sj  sunt,  Jamblicus,  Psellus,  Porphyrius,  Apollo- 
nius  Tyanaeus;  sed  qui  euanuerunt  in  dcsiderijs  et  fa.stibus  suis;  neque 
vero  haeresis  pene  ulla  caepta  est,  quae  talia  non  habuerit  quasi  pro- 
gymnasmata.  Tum  enim  dementatos  istis  i>racstigiis  animos,  securius 
inuasit  Spiritus  nequam,  et  audenter  sub  Dei  specie.  diabolica  quae- 
<|uc  semina  proiecit,  et  abiit.  Et  quoniam  post  uires  animi  interio- 
rcs  deccptas,  ipsae  quoquc  irascibilis,  et  concupiscibilis,  obiectu  fallacis 
fortitudinis,  atque  libidinis.  facile  inccnduntar,  factum  est,  ut  et  istis 
machinis  eipugnatae,  nihil  non  audcrent  perrumpere  sepium,  quibus 
animum,  tanquani  diuinum  hortum,  circumsepserat  Deus.  Sic  Poeta- 
rum  illorum  veternni,  de  quibus  diiimu.s,  tetros  et  impios  laborcä 
cum  Satanas  band  fuisse  irritos  expertus  esset,  fabulosa  alia  nobilitati 
post  multa  secnla  obtrusit,  quae  fere  quingentos  annos  Europam,  et 
ipsas  Prinoi])U)ii  anlas  peruagata  sunt.  Inde  igitur  quo  non  intrarunt 
Lancelotus  a  Lacu,  Perseforestu.s,  Tristanus,  Giro  Coitesius,  Amadisias, 


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—   369  — 

tale  cogitantes  expagnet.   Delidanim  omniiiiii  pyxidem  dixerim, 

mirotheoiuiü  Gratiaram,  cunirum  medelani,  loiiiini  iiiorum : 
äbsque  quo  ncc  ipsa  Venus  satis  venusta.  Vcrba  siugula 
majestatem  spirant  singularem  et  elegantiam,  ac  sensus 
noetros  non  dncont  sed  rapiwit    Adeo  Inmtata  fiicOitas, 


Frimaleo,  Boocacijque  Decamero,  et  Ariosti  poema?  ne  hic  enamerem 
alknum  ignobiliornm  Poetamm  earmina  male  texta,  et  caro  vendita: 
Et  plerbqoe  igitar  Istia  omnibos  nt  snaiihu  nenena  inflnerent,  dedit 
de  spirita  sao  Diabolns,  doquentia,  et  inaentione  fabolanim  ditans 
ingenia,  qvae  tarn  miserae  sappellectilis  offieinae  ftienint  In  nno 
imadisio  ista  intaeamiir.  Yenerat  bic  Uber  aliena  lingua  in  Gallias: 
Lithero  antem  iam  Satanas  utebatnr  taaiqnam  maneipio  in  Germania, 
qvae  pene  omnis,  ant  ceciderat,  ant  nntabat  ad  casnm;  enroqne  in 
aoüdissimae  fidei  Regnnm  Teilet  innadere,  Amadisinm  enranit  in  Gfl3- 
lieam  lingnam  eleganter  verti.  Haec  igitor  prima  ftiit  illecebra,  et 
Uaqnam  sibflns,  qno  ineeeanit  nobilinm  Anlieoram  ingenia.  Sparserat 
eidm  eo  in  libro,  qnieqnie  eins  fnit  anctor,  amores  foedos,  inanditoe 
congresens  eqnestres»  Magicas  artes.  Sic  bis  mentes,  illis  corpora 
perkiaxit  in  nassam,  in  qna  innnmerae  propemodnm  animae  perierunt 
setemnm.  Kam  sie  ablegata  snnt  stadia  sacraram  remm,  diniuaeqne 
historiae  oblinioni  snnt  traditae,  atqne  bonun  loca  Pantagmeles,  et 
nunenta  qnaeqne  Tartari  snceessemnt:  praelia  Tero  Domini  ignorata; 
isToeatia  omnipotentis  Dei  omissa,  bla«pbemiae  receptae,  labes,  et 
Hbido  tanqnam  torrens  inrecta;  proqne  veris  railitaribns  Stüdes,  hic 
nale  sanns  Saianae  nonitiatns  professionem  müitiae  peadmam  prae- 
cessii  Qnitt  etiam  visnm  est  peccatnm  lene,  atqne  adeo  festinnm  sapere, 
n  qnis  Hagiam  Vrgandae,  et  AlcbinQ,  Arcelai,  Meliae,  Magni  ApoUi- 
donb  passim  recenseret;  yt  interim  deaideria  sensim  irreperent  eadem 
experiendi,  Magosqne  accersendi,  qni  nonas  ipd  bnmanamm  mentinm 
libcrent  primitias,  et  homines  ad  ipsam  imaginem  Dei  factos  senocarent 
ab  Tno  vnins  Dei  syneerissimo  cnltn.  Hinc  ergo  scatnriere,  quae 
postea  vignemnt,  sortUegia,  lamiae,  augnria  conqnisita,  consnlti  Dae- 
moocs  a  niris,  qni  nidebantnr  eminentiores,  relataqne  in  sydemm  aspe- 
etof,  et  eoncntsns,  enenta,  sexcentaqne  iUa  alia,  qvlbos  mdentia  ipsis 
oeolis  vidimns  Begna,  qni  olim  Tna  Christiana,  et  Catbolica  Beügione 
per  tot  seeula  steterant.'* 

Wer  mehr  dergleichen  wünscht,  wird  mit  Httlfe  Ton  Grftsses  nnd 
ndsrer  Nachweisnng  leicht  sehr  riel  auffinden  können. 


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—   870   —  I 

^ratia  inexhausta  ac  lepos  ita  lectorem  detinet,  ut  quo  magis 

eadoni  ropetat,  eo  minus  fastidium  relectionis  ullum  sentire  ■ 
sibi  videatur.  (juae  omnia  et  pellicere  nos  ad  se,  et  iaviiare  i 
ad  eicogitanda  plnra  paris  elegantiae  ac  festiTitatis  debeni**  I 

Hieinächst  raacf  eine  Stelle  des  bereits  mehrfach  erwähn- 
ten Gordon  de  Percel,  welche  besonders  für  die  lange  Dauer 
der  Beliebtheit  unserer  Bomane  spricht,  ihren  Platz  finden.  ^ 
„Jamals,  Roman  n*a  en  plns  de  vogue  qne  celoi  desAmadis. 
il  se  soutient  encore  dejuiis  de  deiix  cens  ans,  malere  les 
changemens  qui  sont  airiv^  k  notre  Langue  depuis  Ic  Segne 
de  Fran9ois  I.  qne  Ton  a  commenc^  k  Thnprimor.  H  &nt 
avüüer  aussi  qiie  c  est  le  meillenr  de  tous  les  Itomans  de 
Chevaleric,  le  plus  amüsant  et  le  niicux  ^crit  en  son  genre. 
Cependant  il  ne  se  soutient  point  ^galement  par-tout  et  com- 
mence  fort  h  d6cliner  an  troisi^me  volnme.  N^nmoins  les 
volumes  ne  sont  pas  egalenient  reclierclies.  Nicolas  Desossars 
u'a  traduit  que  les  holt  premiei's;  comme  c'^toit  TEcrivain  le 
plns  joli  de  son  temps,  il  releva  encore  par  Fölegance  et  la  ! 
l)nrete  de  son  Stile  la  consideration  que  Ton  avait  poiir  cet 
üuvrage." 

Die  Beihe  der  Zeugnisse  sowohl  für  den  Eindruck  des  i 
Amadis  anf  die  Zeitgenossen  seiner  Verbreitung  in  Europa  als 

auch  für  das  bleibende  Interesse,  welches  er  in  Anspruch  zu 
nehmen  gewuszt,  mag  eine  Stelle  aus  einem  Briefe  Goethes 
an  Schiller  beschlieszen,  wo  ersterer  sagt:  (Briefwechsel  IL 
Ausg.  Stuttg.  185(3.  8.  2.  449.)  ,.Ich  habe  v.n-  langer  Weile 
allerlei  gelesen,  z.  B.  den  Amadis  von  Gallien.  Es  ist  doch 
eine  Schande,  dasz  man  so  alt  wird,  ohne  ein  so  vorzflgliches 
Werk  anders  als  aus  dem  Munde  der  Parodisten  gekannt  zn 
haben.*'  Wenn  auch  l)ekannt  ist,  dasz  Goethe  gegen  gleich- 
zeitige Dichter  und  Schriftsteller  meist  ein  sehr  gutmüthiger 
Kritiker  gewesen  ist,  so  ftllt  doch  sein  Urtheil  deswegen  sehr 


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—   371  — 


ins  Gewicht»  weil  dazQ  mehi*  Fähigkeit,  sich  auf  den  Stand* 
ponkt  hifitorischer  Benitheilung  za  stellen,  vorauszusetzen  zu 

sein  scheint,  als  man  in  jener  Zeit  selbst  von  einem  Goethe 
Terüuigen  und  erwai  teu  kann. 

Nachdem  wir  nun»  wie  ich  glauhen  darf,  ein  ziemlich 
anschauliches  Bild  von  der  Eigenthümlichkeit  des  interessan- 
ten Liteiaturerzeugnisses,  von  dem  wir  reden,  und  auch  von 
dem  Eindruck,  den  es  auf  seine  Zeiten  gemacht,  erhalten  haben, 
bleibt  uns  nur  noch  flbrig,  uns  Aber  die  Ursachen  der  wichti- 
gen  Stellung,  welche  der  Amadis,  sowohl  in  anderen  Literaturen 
als  insbesondere  im  Gebiete  unserer  deutschen  zu  der  Ent* 
Wickelung  seiner  Gattung  emimmt,  khur  zu  werden.  Hierzu 
läszt  sich  der  richtige  Ausgangspunkt  einzig  und  allein  durch 
einen  vergleichenden  Blick  auf  die  grosze  Masse  der  nächsten 
älteren  Verwandten  unseres  Buches  finden.  Ich  habe  schon 
im  II.  Kapitel  darauf  hingewiesen,  dasz  unser  Buch  in  Bezug 
aul  die  Entwiekelung  der  ganzen  Gattung,  welche  als  die  am 
meisten  internationale  Dichtungsgattung  zu  bezeichnen  war, 
emen  ganz  besonders  groszen  Fortschritt  bekunde  und  zwar  in 
der  Richtung  vom  Mittelalterlichen  zum  Modernen.  Und  in 
demselben  Kapitel  ist  dem  Amadis  bereits  seine  Aehnlichkoit 
mit  den  weit  mehr  mittelalterlichen  Bomanen,  welche  ent- 
weder Anfl^ungen  von  rein  mittelalterlichen  Epen  oder  doch 
nicht  viel  nielir  waren,  vindieirt  worden.  Sie  besteht  in  dem 
Masze,  in  welchem  dem  Amadis  noch  eigentlich  mittelalter^ 
lieber  Sagenstoif  zu  Grunde  liegt  Dasz  dieses  wirklich  der 
Fall  sei,  ist  unzweiti  Ihalt ,  aber  ebenso  gewisz  ist  es,  dasz 
im  Vergleich  zu  seinen  älteren  Verwandten  dieses  Masz  l)eim 
Amadis  ein  sehr  beschränktes  ist,  dasz  sich  also  unser  Werk, 
eine  yennittelnde  Stellung  einnehmend,  trotz  sdnes  ftcht 
sagenhaftem  Grund-  und  ürstoffes,  sehr  stark  den  völlig  auf 
Erfindung  und  Gestaltung  eines  Einzelnen  beruhenden  ganz 


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—    372  — 


uad  gar  modernen  Bomanen  annfthert,  von  denen  die  früheskn 
Beispiele,  welche  eine  internationale  Verbreitung  nnd  Be> 

deutung  gewonnen  hüben,  die  lieroiscli-i^nilanten  Romane  der 
Franzosen,  die  unmittelbaren  Nachfolger  des  Amadis,  sind. 
Dies  Yoraosgeschiokt  kdnnen  wir  den  vortrefflichen  AusfAhrangen 
Ferdinand  Wolfe')  ToUkommen  beipflichten,  welche  nur  in- 
sofern zu  modirtciren  sind,  als  Wolf  meint,  d;is/.  der  Aniadis 
das  rein  subjecüve  Gebilde  der  Phantasie  eines  Einzelnen  sei, 
und  somit  das  unbedingt  anzuerkennende,  wenn  auch  von  der 
subjectiven  Phantasii»  und  modernen  Zuthaten  durcliaus  über- 
wneherte  sagenhafte  Element  eigentlich  gleich  Null  setzt. 
Zu  der  geringen  Geltung  dieses  sagenhaften  Urstoffes  kommt 
hinzu,  dasz  dem  nach  der  pyrenftisclien  Halbinsel  gebrachten 
und  dort  gestalteten  die  nationale  Grundhigc  fehlte,  wodurch 
er  sich  in  Gegensatz  zu  den  in  Bomanzenform  umgehenden 
nationalen  Erinnerungen  setzte  nnd  dadurch  eine  ganz 'neue 
und  wesentlicli  moderne  Gattutii,'  begründete.  Eben  dadurch 
wurde  er  ja  nicht  nur  handlicher  fiir  die  freie  subjective  Ge- 
staltung, sondern  auch  des  üeberganges  in  fremdlftndische 
Literaturen  fthiger. 

Treftiich  sind  auch  die  Bemerkungen  Wolfs  über  den 
veränderten  Charakter  der  Amadis-Bomane  gegenüber  den 
älteren  Ritterbtichem,  wie  Ober  die  äuszeren  Umstände,  welche 
seine  Aufnahme  und  Verbreitung  in  so  ausgezeielmetem  Masze 
begünstigten.  „Er  kündigt  sich,''  heiszt  es  von  unserem 
Romane,  „abgesehen  von  semem  Ursprung  und  den  an  ihn 
sich  reihenden  Nachahmungen  schon  durch  Inhalt  und  Form 
als  ein  gleich  anlänglich  in  Prosa  abgefasztcs  Product  einer 
späteren  Zeit  an.   Zwar  ist  der  Gegenstand  des  Amadis,  wie 


<)  Studien  zur  Geschichte  der  span.  und  portQg.  Nat.  Lil 
Berlin  1859.  S.  176  ff. 


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—    Ö73  — 


der  der  älteren  Hittergedichto,  zonachst  ebenfiüls  das  allge- 
wan  europftische  Ititterthmn,  aber  wie  ganz  anders  ist  es  in 
beiden  anfgefluzt!  —  In  den  ftlteren  Gedichten  nnd  Romanen 

aus  (l«'m  bretonisclien  und  fränkischen  Sagenkreise  erscheint 
es  noch  in  seiner  ursprünglichen,  rauhen,  ja  derben,  aber  <;iosz- 
artigen  Nat&rlichkeit,  in  kecken,  trenen  Umrissen  nachgebildet, 
ond  dnrch  das  lebendige,  religiöse  oder  politische  Princip  zn 
einem  univei-salhistorischen  ^loraent  eilioben.  Das  Ritterthnm 
im  Amadis  hingegen  ist  ein  künstlich  raffiniertes,  ideell  poten- 
zieiies,  mit  Tieler  Soigfhlt  ms  Einzelne  anqgemalt,  aber  nie 
80  wirUicb  dagewesen,  nnd  daher  eine  hohle,  todtgebome 
Form  ohne  ein  belebendes  Princip  und  einen  realen  Zweck. 
£ine  solche  Anffassnng  desselben  konnte  aber  nur  in  der  Zeit 
seines  beginnenden  Yerfiilles  Statt  finden,  denn  nnr,  wenn  die 
Wirklichkeit  nicht  mehr  genügt,  sucht  man  sie  durch  Ideali- 
siren zu  heben. 

Nächst  dem  Bitterthume,  ja  noch  als  em  eig&nzender 
TheQ  desselben  erscheint  die  Gteschlechtsliebe  im  Vordergründe,  . 
aber  auch  diese  zeigt  sieh  schon  unter  einer  ganz  anderen 
Form  im  Amadis:  es  ist  nicht  mehr  der  mächtige,  alle  Schranken 
dnrehbiechende  Naturtrieb,  der  mit  geheimer,  unwidersteh- 
licher Qewalt,  wie  dnrch  dnen  Zanbertrank  (Tristan  nnd  Isanlt), 
gerade  den  Mann  und  dieses  Weib  an  einander  fesselte; 
aber,  durch  altgermanische  Sitte  und  das  Christenthum  ver- 
edelt, sich  dennoch  einer  höheren  Macht,  der  weiblichen  An- 
mnth  nnd  Schönheit,  unterwarf,  das  stärkere  Qeschlecht  dem 
scliwacluren  liuldigen,  es  gegen  rolie  Gewalt  beschützen,  und 
dessen  Lob  und  Gunst,  als  den  scliönsten  Kampfpreis,  erstre- 
ben machte.  Im  Amadis  erscheint  diese  Liebe,  obgleich 
Qanpttriebfeder  der  ganzen  Handlung,  schon  mehr  als  ein 
cx:»nventionelles  Eriordernisz,  eine  verli<'bte  Narrheit,  eine  eigen- 
sinnige Grille,  nicht  das  Weib  als  solches,  sondern  die 


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schönste  Prinzessin  zur  Herzonsgebieterin  zu  erkiesen;  die 
huldigende  Anerkennang  weiblicher  ADmath  wird  zur  mi* 
mftnnliGh  possenhafteD  Sklaverei,  das  Streben  nach  dem  Lobe 
und  der  Gunst  der  Schönen  durch  adliges  Thun  zur  ph;lnt<^^ti^ell- 
iormlichen  Galanterie  und  steifen  Etikette,  die  Sprache  des 
Herzens  zu  wohlgesetzten,  zierlichen  Phrasen,  der  Ausdruck 
der  Leidenschaft  znm  abgemessenen  Pathos,  und  selbst  der 
unwillkürliche,  durcli  die  Macht  des  Verhängnisses  herein- 
brechende Wahnsinn  (Jwain)  zur  hiunenhaft  selbsterzengteo 
und  selbstpeinigenden  VerrQcktheit;  und  sucht  der  Dichter 
fftr  so  viele  Unnatur,  gleichsam  unwillkürlich,  durch  den  Ge- 
gensatz zu  entschädigen,  so  sinkt  er  in  seinem  Galaor  zur 
gemeinen  Wirklichkeit,  zur  Libertinage  herab.  Eben  so  er* 
scheint  die  andere  Seite  des  Ritterthums,  das  Verhaltnisz  der 
gröszeren  Vasallen  zu  ihrem  obersten  Lehnsherren  und  das 
Feudalsystem  zum  Ednigthum  im  Amadis  schon  in  einer  gast 
anderen  Form.  Im  bretonischen  Sagenkreise  ist  Artus  nur 
durch  gröszereu  Länderhesitz  von  den  (ihrigen  Rittern  unter- 
schieden, und  sein  glänzenderer  Eoflialt  nur  fesselt  sie  an  ihn; 
sonst  aber  ihr  völlig  gleicher  Genosse  an  derselben  runden 
Tafel,  d.  i.  einer  solchen,  die  ihrer  Form  nach  nicht  einmal 
einen  ausgezeichneten  erhöhten  Ehrenplatz  gestattete. 

Der  fränkische  C^dus  zeigt  uns  das  Ednigthum  im 
Kampfe  mit  den  UbermSchtigen,  groszen  KrouYasaOen,  die 
nur  ungern  eine  höhere  Macht  üher  sich  erkennen,  häufig  und 
oft  glücklich  gegen  dieselbe  sich  auflehnen  und  dessen  schiecht 
yerhflllte  Schwäche  zum  Temporisieren  und  Eapitolieren 
zwingen.  Im  Amadis  erscheint  dagegen  das  Königthum  schon 
als  eine  wohlbegrundete,  absolut  höhere  Potenz,  die  Ei-sten 
des  Reiches  sind  gegen  dieselbe  doch  nur  Unterthanen, 
Lisuarte  regiert  nach  Laune,  hört  wohl  seine  Bftthe  an,  aber 
läszt  sich  nicht  durch  den  Ausspruch  der  Pairs  bestiuuneD, 


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—  370 


dem  Könige  gegenüber  ist  Trene  die  höchste  Pflicht,  nur 
Anuuiis,  als  imbhSiigiger  Forst,  darf  ihn  herausfordern, 
Galaor,  des  Königs  Vasall,  ficht  anf  dessen  Seite  gegen  seinen 
eigenen,  innig  geliehttn  Bruder.  Vergleicht  man  endlich  den 
Amadis  in  Rücksicht  anf  Darstellung  und  Stil  mit  den  älteren 
Bittergedichten  nnd  selbst  den  späteren,  ans  ihrer  Anfldsnng 
her?orgegangenen  prosaisehen  Bmnanen,  so  wird  sich  eine  eben 
80  grosze  \\rscliiedenheit  ergeht  n.  In  diesen  herrscht  fast 
durchaus  ein  einüstcher,  ansprachsloser  Erzählongston;  doch 
wird  der  Gang  der  Erzählnng  häufig  durch  Bpisoden  unter- 
brochen, Abenteuer  folgen  auf  Abenteuer,  die  oft  lose  genng 
zusammenhängen,  was  ihnen  ein  rhapsodisches  Aussehen  gieht; 
die  Beschreibungen  smd  meist  gedrängt,  manchmal  nur  fluchtig 
skiiaiert,  aber  oft  wahrhaft  pittoresk,  von  grosster  Anschanlieh- 
keit  und  Natnrtrene;  die  sparsam  angebrachten  Reden  und 
Dialuge  nnr  kurz  und  ohne  rhetorischen  Sclimuck,  aber 
leidenschaftlich  -  lebendig,  derb  -  kräftig,  charakteristisch  - 
nair,  wie  der  nowillkfirliche  Ausbruch  des  fiberstrSmenden 
Gefühls;  die  Sprache  ist  noch  roli  und  ungelenk,  arm  an 
Wendungen,  und  daher  noch  zu  ungeschmeidig  zur  künst- 
licheren Stmctnr  des  Periodenbanes;  aber  ansdmcksvoll,  rdch 
an  OnomatopOien,  und  nicht  ohne  Numerus,  natftrliche  Anmnth 
und  Frische.  Und  haben  auch  die  siȊteren  prosaischen 
Romane  manche  Veränderungen  in  der  Darstellung,  und  in 
Böcksicht  des  Stils  und  der  Sprache  natürlich  eine  noch  be- 
deutendere Umbüdung  erlitten,  so  smd  die  ersteren  doch  leicht 
als  neuere  Zusätze  und  Einschiebsel,  und  trotz  der  letzteren 
der  ursprüngliche,  poetische  Grundton  und  selbst  die  alter- 
thämlichen  Wendungen  noch  vielfach  erkennbar.  Nicht  so  im 
Amadis;  in  diesem  ist  die  Erzählnng  yiel  zusammenhängen- 
der, tiüssiger;  aber  auch  viel  weitschweifiger,  wortreicher  und 
manieriert;  die  eingewebten  Episoden  stehen  nicht  so  vereinzelt 


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in  kaum  merkbarer  Vorbindung  mit  der  Haupthandlung,  sie 
sind  Tielmebrwohlbeiechnet  zu  dem  folgerecbteu  fintwickelungs- 
gange  derselben;  die  Bescbmbnngen  sind  viel  sorgfiUtiger, 
oft  mit  ermüdender  Ängstlichkeit  bis  ins  Einzelne  ansgeffthrt ; 
hal)en  aber  deshalb  viel  weniger  TütaleÜect,  verlieren  durch  das 
Vei-waschen  der  Farben  an  Frische  des  Colorits,  und  durch 
gesuchte  Efinsteleien  und  phantastische  üeberladnngen  an  in- 
nerer Walirheit  und  Natur.  Mit  besonderer  Vorliebe  werden 
Reden  und  Gespräche  angebracht,  meist  von  bedeutender  Länge, 
mit  unverkennbarem  Bestreben  nach  Eleganz  und  rhetorischer 
Ansschmüdrang  und  nicht  ohne  einen  bedeutenden  Qnä  von 
Kunstfertigkeit;  aber  eben  dadurch  oft  wahre  Geduldproben 
für  den  Leser,  der  sich  durch  einen  Schwall  von  zierlich  ge- 
drechselten Phrasen,  pathetischen  Bedensarten  und  affectiert- 
pretiltoen  Gomplimenten  hindurch  arbeiten  musz,  um  „der 
langen  Rede  kurzen  Sinn"  herauszufinden.  Natürlich  fordert 
eine  solche  Darsti'llung  eine  weit  ausgebildetere,  geschmeidigere 
und  feiner  NQanoen  fähige  Sprache  und  einen  in  der  Eunat 
des  Periodenbaues  und  der  zierlichen  Wortfügung  gefibten 
Stil,  deren  sich  in  der  Tliat  auch  der  Anja<lis  rühmen  kann, 
daher  er  lange  Zeit  für  ein  stilistisches  Musterbuch  galt  und 
zum  Theile  noch  gilt  Dabei  ist  er  reich  an  Sentenzen  und 
moralischen  Tiraden  undjiat  überhaupt  schon  einen  didakti- 
schen Zuschnitt." 

Wenn  wir  bei  diesen  Bemerkungen  Wol&  uns  erinnern, 
dasz  sie  sich  auf  den  Stamm-Amadis  und  zwar  den  spanischen, 
beziehen,  dasz  also,  wie  schon  gesagt,  die  firanzOsiche  Be^ 
arbeitung,  die  das  Buch  erst  zum  Weltbuche  macht-e,  den 
Charakter  der  Darstellung  in  wesentlichen  Punkten  veränderte, 
bleibt  in  der  That  wenig  hinzuzufügen  übrig.  Den  (Gegen- 
satz, in  welchem  nach  Wolf  die  Behandlung  der  Geschleehts- 
liebe  im  Amadis  zu  der  iu  den  firuheren  liomanea  und  den 


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—   377  — 

diesen  va  Grunde  liegenden  ritterlichen  Epopöen  bildet«  m()chte 
idi  weniger  schroff  hingestellt  wissen.   Denn  der  ganze  Franen- 

dienst  des  Mittelalters  trägt  durdiaus  mehr  oder  minder  den 
Stempel  des  Gemachten  und  Kunatlichen,  ja  auch  schon  in 
froherer  Zdt  nidit  selten  den  des  Unwahren  und  GrOlen- 
baften.  Es  kommt  meines  Erachtens  im  Amadis  wie  in  den 
sich  ihm  anschlieszenden  heroisch  -  galanten  Komanen  haupt- 
siehlich  nur  ein  höherer  Grad  des  Baifinements  und  die  aus- 
fthrlidiere  Form  hinzu,  welche  die  fortschreitende  literarische 
Cnltnr  zur  Zeit  der  Renaissance  von  selbst  mit  sicli  brachte. 
Mehr  hervorzuheben  scheint  mii*  dagegen  die  Kunst  des  Er- 
zählers zu  fldn,  mag  nun,  wie  es  wahrscheinlicher  ist,  hierin 
schon  der  Vorgänger  des  HontaWo  das  Beste  gethan  oder 
dieser  ein  Haupttbeil  des  Verdienstes  haben,  lieber  die 
architektonische  Gliederung  des  Romans  dürfte  nach  der  oben 
Torangestellten  austührlichen  Analyse  kaum  noch  etwas  zu 
sagen  sein^  denn  jeder  TJrtheilstfthige  wird  die  Vurtnosität  des 
Verfassers  in  dieser  Beziehung  bewundern,  eine  Virtuosität, 
die  sich  allerdings  fast  im  Uebermasz  geltend  m  machen  be* 
strebt  ist 

Was  die  Gespräche  und  Beden  betrifft,  so  sind  sie  fttr 

unseren  Gesclimack  allerdings  viel  zw  auslührlieh  und  künst- 
lich, und  für  unser  einen,  der  das  Buch  nur  aus  literarhistori- 
schem oder  culturhistorichem  Interesse  liest,  ftuszerst  ennüdend^ 
sie  haben  aber  fttr  ihre  Zeit  jedeniliiUs  groszen  Werth  gehabt, 
wie  die  schon  erwähnten  Zusammenstellungen  von  stilistischen 
Musterstttcken')  aus  unserem  Buche  beweisen,  und  sie  sind  in 
der  That,  wenn  man  aidi  die  Mflhe  giebt,  sie  zu  analysiren,  sehr 
gelungene  Specimina  ihetorioes  und  nach  Disposition  und  Aus- 
iuliruDg  höchst  sorgfältige  Elaborate,  welche  in  der  Zeit,  die 


1)  Yetf^  8.  848. 

25 


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einmal  für  scliuiiuüszige  und  decente  Form  vor  alleu  Dingen 
eingenommen  war,  Bewnndemng  erregen  muszten. 

Anders  ist  der  Eindmck,  den  die  zablreichen  nnd  ans- 
fuhrlichen  Besclneibuni^f^n  auf  uns  machen.  Solche  wie  die 
des  Palastes  auf  d&t  beschlossenen  Insel  sind  freiHch  ebenso 
ermfldend  ausführlich  wie  die  Beden  und  Gespr&che,  antiqnarisdie, 
arcbitelvtonisrlie  Gelehrsamkeit  und  magisclier  Wust  worden 
mit  allerdings  bewundernswerther  Ue])eisichtlichkeit  und  Klar- 
heit, jedenfalls  immer  mit  groszer  Sorgfalt  zu  einem  Bilde 
verarbeitet.  Die  Beschreibungen  bewegter  Scenen,  namentlidi 
die  von  Kämpfen  und  Schlachten,  verfehlen  aber  keineswegs, 
auch  auf  uns  einen  guten  und  anregenden  Eindruck  zu  machen. 
Ich  wüszte  in  der  modernen  Literatur  solchen  Partien  nur 
Walter  Scotts  j2:lfinzen(le  Kamjifsrhilderungen  an  die  Seite  zu 
stellen,  und  möchte  die  Veraiuthung  aussprechen,  dasz  er,  der 
sich  mit  dem  Amadis  eingehend  beschäftigt  hat,  manches  aus 
ihm  gelernt,  was  er  z.  B.  in  seinenCi  Quentin  Durward  und 
anderwärts  mit  Vortbeil  verwendet.  Jedenfalls  kann  gesagt 
werden,  dasz,  wer  nicht  beim  Lesen  solcher  Eampfecenen  ans 
dem  Amadis  eine  höchst  befriedigende  Aufregung  der  heroischen 
Seite  seiner  Phantasie  enii)tin(l('t,  überhaupt  von  aller  epischen 
Poesie  groszarti froren  Stiles  f«M  n  bleiben  möge.  Ferner  ist  die 
geschickte  Behandlung  des  Zauberhaften  an  einigen  SteUen 
Ton  groszer  und  bleibender  Wirkung,  z.  B.  die  Rettung  des 
Amadis  aus  dem  Zauberschlafe  durch  Urganda  kann  auf  keine, 
auch  noch  so  moderne,  wenn  nnr  überhaupt  noch  erregbare 
Phantasie  ohne  Effect  bleiben.  Die  erotischen  Scenen  sind 
alltidings  in  einer  Art  bebandelt,  welche  nur  der  sinnlichen, 
oder  änderet  seits  nur  der  künstlich-grillenhaften  Seite  der 
Geschlechtsliebe  gerecht  wird,  deshalb  berfihren  sie  wn 
oder  fremdartig,  hierin  ganz  deutlich  die  Zeit  der  Entstehung 
des  Kornaus  und  seinen  romanischen  Ursprung  verrathend. 


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—   379  — 


Endlich  aber  musz  erwälint  werden,  dasz  die  Hauptcliaraktere, 
Amadis,  Otiana,  Lisuart»  Galaor,  Arcalans  und  andi  eine 
nennenswerthe  Anzahl  der  Nebenspersonen  wie  Briolania, 
Grasinda,  Gandalin,  Saluste  Quide,  gut  durcligefulirt  sind, 
wenn  auch  oft  in  gi*ellem  Contraste,  namentlich  Amadis  and 
Galaor,  so  doch  mit  Bewnaztsein,  Umsiclit  und  Consequenz, 
woher  es  kommt,  dasz,  wie  z.  B.  in  der  Person  des  Hanpt- 
helden  wirklich  sittlich  ideale  Anschauungen  zu  W(»hldurch- 
dachter  und  gelungener  Darstellung  gelangen,  wenn  wir  auch 
seine  Liebe  zu  Oriana  keineswegs  mit  Baret  als  eine  phito- 
nische  bezeichnen  können,  auch  nicht  in  der  Fässung  des 
spanischen  Originals. 

Unter  den  äuszeren  IJmst&nden,  welche  die  Aufnahme 
und  Verbreitung  der  Amadis  begünstigten,  hebt  Wolf  mit 
Becht  das  beinahe  gleichzeitige  Bekanntwerden  der  Bnch- 
druckerkunst,  das  Eindringen  der  Tiuken  in  Europa,  wodurch 
die  Aufmerksamkeit  des  Welttheils  nach  den  östlichen  Ge- 
genden gelenkt  und  die  Erinnerungen  an  frühere  Kämpfe  der 
Christen  gegen  Heiden  und  Unholde  neu  belebt  wurden, 
die  Entdeckung  von  Amerika  und  überhaupt  deu  Uebergang 
aus  dem  Mittehilter  in  die  neuere  Zeit  herror.  Hierzu  dürfte 
noch  hinzuzufügen  sein,  dasz  die  Aufiiahme  unseres  Buches 
erst  dann  eine  glänzende  und  rapide  wurde,  als  die  französische 
Bearbeitung  vorhanden  war,  aber  es  ist  von  der  Bedeutung 
doselben  für  die  Geschichte  unseres  Bomans  schon  genug  die 
Bede  gewesen,  und  auch  für  das  Buch  in  der  E^usung,  welche 
ihm  Herberay  des  Essarts  und  die  ihn  wieder  übei*setzten, 
gegeben  haben,  blieben  jene  äuszeren  Umstände  in  ihrer  vollen 
Wirksamkeit  Die  Hauptsache,  und  auch  darin  künnen  wir 
nur  mit  Wolf  übereinstimmen,  bleibt  einerseits  das  Talent  und 
die  Geschicklichkeit  des  Verfassers  und  des  französischen  Be- 
arbeiten und  andererseits  der  Zeitgeist,  welcher  im  Amadis 

25* 


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—    380  — 


in  emiDentein  Sinne  seinen  Ausdiuck  and  seine  Nahrang  finden 
mnszlie.  Nehmen  wir  aber  jetxt  von  dem  Helden  und  «einer 
ganzen  erlauchten  Sippe  Abschied!  Wir  werden  im  Verfolge 
unserer  Betiiu  litiinf]:  auf  seinen  Einflnsz  noch  iiiolufach  zurück- 
zukommen haben,  wie  sich  derselbe  sowohl  in  unserem  Vater- 
lande  als  auch  in  Frankreich  geltend  machte,  dessen  Literatur 
wir  Ton  jetzt  ab  noch  mehr  AufmerkHimkeit  als  bisher  zn 
widmen  haben. 


Bellagen  zn  Cnpltel  VIL 

Aus  dem  zweiten  Buche  des  Amadis. 
(Ausgabe  Fraokftirt  1583  fol.) 

Das  1.  Capital. 

VOB  desz  Amadis  (von  dem  diese  gegenwertige  Historien 
geschrieben)  lebzeiten  regiert  Tund  herrschet  ein  Ktnig  in 

Grecia  /  oder  GriechenUuult  /  der  nach  absterbt'U  des/.  Keyseis 
zu  Constantinopel  seines  Schwagers  weil  vnnd  er  mit  seiner 
leibliche  Schwester  verm&hlet/  als  der  nechstgesipte  nnd  mäch- 
tigste jm  in  dem  Eeyserthnmb  sncoediert/?nd  bey  erstgemeld- 
ter  seiner  Gemaliel  zwcen  Sohne  /  die  alle  beyd  mit  herrlichen 
Tugenden  vnnd  löblichen  Gaben  der  Natur  gezieret  /  bekäme 
vnnd  erzeuget  Vnter  denen  war  sonderlichen  der  eine/Apo- 
lidon  genannt  /  so  wol  aniferzogen  Yud  ynterwieeen  /  dasz  sich 
keiner  in  einiger  lobwurdigen  handlung  jrae  vergleichen  ra6chte. 
Dieser  Apolidon  jetztgemeldt  /  neben  dem  /  dasz  er  sich  auff 
erlemung  allerhand  KAnsten  b^be/?nd  fleissig  studiert /be- 
flisse  sich  auch  fermers  in  den  Bitterspielen  (wie  einem  seines 
gleichen  Herrn  gebi^rlich  vnd  wol  anstendig)  etwas  erfahrung 
vnud  vbuug  zu  erlangen  /  also  vn  der  gestalt  /  dasz  er  endt- 


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—   381  — 


•     

Hehen  hiedurch  beyde  in  Weiszheit  ynd  Yernanflft  /  auch  Bitter« 

sriiaßt  vnd  Mannheit  /  alle  die  jenige /so  zu  seinor  zeit  gelebt  / 
so  weit  vbertroffen  /  als  der  Mon  an  klarheit  zu  Nacht  die 
aodeni  Stern  vberscheinet/FAniemlichen  aber  leget  er  sich 
Tie!  anlT  die  Nigreinanci/odw  (wie  mtmB  nennet)  scbwartze 
Kunst  /  durch  w  eiche  er  nachgehends  andern  Menschen  vn- 
m&gliche  Sachen  ToUbracht  Ynd  za  ende  gef&hrt. 

Vnd  dieweil  non  der  Eeyser  /  dieser  zweyen  jungen  Printzen 
Herr  Vattcr  /  alt  vnd  schwach  /  auch  der  wegen  /  natürlicher 
weisz  nach  /  wol  abnemmen  vnd  auszrechncn  kondte  /  dasz  er 
na  mebr  seinen  abselued  ausz  dieser  Welt  nemen/vnd  also 
die  ?on  Gott  Verliebene  Eftnigreicb  /  Land  Tnd  Leut  binderlassen 
niuste.  Daneben  aber  nicht  vnnotwendig  /  sondern  weiszlichen 
betrachtet /dasz  zu  f&rkommong  der  embinuig/ vnrob/jnner- 
lieben  Krieg  vn  jimmerlicben  Blntrergiessens  /  welcbffl*  ynrabt 
aller  gemeinlich  vnter  den  Erben /ja  auch  in  schlechtesten 
dingen  /  vnnd  wie  man  sagt  /  vmb  einer  Herings  Nasen  willen  / 
dorch  Tielltfley  zanck/bader  vnnd  zwispalt  sieb  zutregt  /  gute 
mitlel  Tttnd  fftglicbe  wege  zuvor  anzustellen. 

Demnach  vnd  damit  er  solchem  /  so  viel  jnMner  muglich  / 
begegnet /Hesse  er  ein  Testament  vnnd  letzten  wiUen  auff- 
ricbten  /  darinnen  er /wie  es  allerdings  naeb  seim  t&dtiicben 
abgang  gehalten  werden  solt  /  disponiert  /  vnnd  in  Sonderheit 
den  Apolidon  /  als  den  eitern/  Successorem  in  dem  Keysertbumb  / 
Tmid  obersten  regierenden  Herrn  yerordnet  /  Dem  andern  aber 
all  sein  verlassenschafft  an  barem  Gelt  vnnd  fahrender  Haab/ 
vnter  deren  denn  viel  furtreffiicher  vnd  gant/,  kostlicher  Bik^her 
waren /Termadit  vnd  testiert  Sintemal  aber  solcbe  theilong 
dem  ji^ngem  nicbt  gefellig  /  beklagt  er  sieb  desselben  gegen 
seinem  Herr  Vatter  /  mit  angeheft'ter  bitt  /  dasz  er  Gnedig  vnd 
Vitterlicb  zu  Gem&t  f&hren  weite  /  wie  er  jhn  durch  solche 
geringe  Erbsdiafft  arm  vnnd  bedArffig  maeben  /  ancb  sobier  gar 


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—   382  — 


gegen  ansehang  seines  Bruders  /  enterben  w&rde.   Ob  wol  non 

der  alte  Keyser  ab  solchem  seines  Sons  klag  vnd  vnvemÄgen 
(welcbä  er  nur  allein  in  seinem  Testament  zu  furkomen  /  vnud 
also  alle  vneinigkeit  absoscbaffen  verhofft)  nicht  wol  za  frieden/ 
sondern  bekAmmert  war/anch  gern  beyde  sein  Sfin  vemAgt 
liette  /  Jedocli  wolt  er  das  jenig  /  so  liicvor  von  jhme  statuiert 
worden  /  ohne  desz  Apolidon  Yorwiasen  ynnd  verwilligung/ 
nicht  cassieren  noeh  widermffiBn.  Als  aber  ynlang  hemaeh 
der  Apolidon  desselbigen  verständigt  /  gieng  er  zu  seinem 
Herrn  Vatter  /  vn  sagt  in  seins  Bruders  gegenwertigkeit :  Gne- 
diger  Herr  Vatter /mich  hat  diser  tagen  von  vielen  gkablicb 
angelangt  /  wie  dasz  meinBrnder  bie  zugegen  der  beschebemn 
theilung/so  E.  Vätterlich  G.  der  gestalt  zu  ordnen  gefallen/ 
sich  was  beschweren  thu.  Dieweü  denn  mir  nicht  ynbewust/ 
zu  was  knnäer  vn  betrAbnng  S.  V.  G.  disz  gericht/ indem  sie 
bey  dei  o  lebzeiten  sehen  vnnd  erfahren  müssen  /  dasz  sich 
unser  Brüderliche  liebe  zwischen  vns  beiden  /  albereit  etlicher 
massen  trennen  vnnd  in  vergesz  gestellt  werden  wU/  So  ist 
derobalben  vnd  anff  dasz  E.  Y.  G.  hiemit  nicht  beleidigt  /  sonder 
derselben  von  vns  viel  mehr  aller  schuldiger  vnd  gebuiiiclier 
gehorsam  geleistet  werde /mein  vnderthenig  Sdnliche  bitt/ 
E.  y.  G.  willen  alles  das /so  sie  mir  hieuor  auszgemacht  vn 
gegeben  /  meinem  freundtlichen  lieben  Bnuier  einbehendigen 
vnnd  zustellen  /  Denn  ich  mich  für  reich  vnd  ghkkselig  genug 
achte  vnd  halt  /  wo  ich  allein  E.  Y&tterlichen  G.  gehorchen 
vnnd  vemAgen  /  auch  vnbemAbet  lassen  vnnd  dann  das  jenig  / 
so  E.  V.  G.  jhm  verlassen  /  haben  vnnd  bekommen  mögen 
wArde.  Auff  diese  rede  /  weil  vnnd  der  Eeyser  ab  seuies 
Sons  Apolidon  gehorsam  vnd  frtmbkeit  /  ein  sehr  grosses  vnd 
vnbegreiffliches  wolgefallen  emptieng  /  wanle  er  dermassen  ver- 
zuckt /  dasz  er  vor  lauter  freud  in  selbigen  fuszstaplfen  ent- 
schiieffe  /  vnd  den  Geist  Gott  dem  Herrn  seinem  Schöpfler 


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—   383  — 


auÖ'gabe.  Narli  be^ichehener  herrlichen  begiebnu^z  vnnd  be- 
stetigang  zur  Erd^n  /  jlurea  Herrn  Yatters  Leichnam,  liesK 
A[K)lidon  etliche  Schiff  zurichten  /  vnnd  mit  allerhandt  not- 
törfftigor  Prouiandt  iiucli  iindci  iii  versehen  /  sasse  tolgendts 
mit  etlichen  seinen  geliebten  Edelieuten  darein  /  vnnd  dieweil 
der  wind  seiner  fbrhabenden  reisz  nach  /  gnt  vnnd  gl&cklich/ 
befEihle  er  die  Anckem  auffiniziehen  vnd  das  Segel  aoszzn- 
ötrecken  /  Demnach  sie  gar  baldt  ferr  auff  das  Meer  kamen  / 
Tod  das  Griechenland  ausser  dem  gesicht  verloren.  Seitemal 
aber  hernach  durch  entstandnen  vngest&mmen  wind  die  Schiff 
verworften  /  vnnd  docli  entliolien  in  Italium  oder  Welschland 
angelangt  /  auch  sie  daseibäten  auszstiegen  vnnd  solches  der 
Keyser  Suidan  verstendigt  wäre  /  fertigt  er  etliche  seiner  Herrn 
vnnd  Hofdiener  zu  jnen  ab  /  nut  befelch  /  jn  zu  bitten  vnnd 
freundlich  zu  laden  /  dasz  er  zu  jlmi  gen  Koni  kommen  vnd 
jhn  heimsuchen  wolte/  allda  jhm  alle  freundschatt't/ebr  vnnd 
gute  tractation  /  so  viel  m&glich  /  widerfahren  vnd  geschehen 
solte.  Auf  diese  inuitation  erschiene  Apolidon  zu  Rom  /  da- 
selbsten  er  vom  Keyser  gantz  herrlich  empiangen  /  aucli  sonsten 
mit  allem  so  wol  gehalte  wurde/ dasz/  ob  er  wol  f&rhabens 
gewest  /  an  solchem  ort  vber  acht  tag  nit  zuverharren  /  dennoch 
selbige  sem  nieinung  verendert  /  vnnd  lange  zeit  allda  ver- 
harret/ innerhalb  deren  er  denn  solche  gewaltige/  Bitterliche 
thaten  volbracht  /  dasz  er  nicht  allein  ein  sehr  grosses  lob 
vnnd  ansehen  bey  den  Romern  /  Sondern  auch  einer  jungen 
Prinzessin  /  desz  Keysers  einigen  Schwester  holdschatft  vod 
liebe  erlanget  vnd  gewänne.  Vnd  ob  gleich  wol  jhr  liebe  beider- 
seits gleichmassig /jedoch  wurde  disz  junge  Preuwlin  (so  vber 
allemassen  schon  vnnd  Grimanesa  genant  war)  mit  solchem 
fleisz  verwaret/dasz  sie  jr  beider  tragenden  liebe  vnnd  begerde 
mit  dem  werck  nicht  gnug  thun  noch  volziehen  kondten.  Als 
jnen  aber  autf  ein  zeit  gelegenheit  zugestanden  /  dasz  sie  etwas 


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—   384  — 


freundlicher  vnd  mit  melirer  gemeinschafft  mit  einander  reden 
mögen  /  verwilligten  sie  beide  vnd  versprachen  jedes  dem  an- 
dern /  dasz  sie  zu  jhrer  Term4hlaiig  Yimd  voktieckung  dersel- 
ben /  von  dannen  weichen  ynd  heiuilichen  in  ein  frembdes  vn- 
bekaÄtes  Land  /  da  sie  in  ruhe  beysamen  leben  mochten  /  ziehen 
weiten  /  welches  auch  in  kurtzem  hernach  beschahe.  Dann 
die  schAne  Grimanesa  käme  aaff  eine  beetunpte  Nacht  za 
jhrem  geliebten  Apolidon/  welclier  vor  dem  etliche  Schiff  zu- 
rtbten  lassen  /  vnnd  jhr  am  gestad  des  Meers  erwartet/  von 
dannen  sie  als  bald  nach  jhrer  ankunfft  darren  segelten /vnnd 
durch  starcken  wind  -inner  wenig  tagen  in  die  beschlossoen 
Insel  getrieben  wurden  /  welche  dazumal  ein  Biesz  innen  hett  / 
dessen  doch  der  Apolidon  ynd  seine  Mitgeferten  nicht  Wissens 
trugen.  Demnach  vnnd  dieweil  sie  in  sicherm  ort  vnd  mwi- 
gem  w^esen  zu  sein  vermeinten  /  stiegen  sie  daselbston  auff  das 
Landt  /  vnd  richteten  jre  Zelt  auff  /  damit  sie  sich  widerumb 
erholeten  vnnd  erlabten  /  Denn  die  Grimanesa /von  wegen  d«r 
vngewohnten  mAheseligkeit  vnd  grossen  Widerwillens  /  so  jeder- 
menniglich  desz  eretenmals  autf  dem  Meer  zusteht  /  befände 
sich  etwas  bl6d  vnnd  schwach.  Aber  in  dem  sie  verhofften 
jr  beste  ruh  zu  habe  /  Tberfiele  sie  ein  Riesz  /  der  sie  hieuor 
anlenden  gesehen  so  vnuersehener  sach  dasz  Apolidon  kummer- 
lich zeit  vnd  weil  hette  /  sein  Harnisch  anzulegen  /  Daromb 
die  Grimanesa  dermassen  erschrack  /  dz  sie  von  emgenomnem 
schrecken  schier  verstorben.  Denn  der  Riesz  nam  sie  bey  der 
band /vnnd  sagte  zum  Aiiolidon:  Knecht  /  wiewol  es  nit  mein 
brauch  ist  /  gegen  jemandts  viel  freundtUchkeit  zuerzeigen/ 
jedoch  bin  ich  zufrieden  vnd  wil  dir  auff  diszmal  zugeben/ 
dasz  du  allein  wider  mich  in  kämpft'  tretten  vn  streitten 
must  /  mit  dem  geding  /  wo  du  von  mir  vberwonden  /  dasz 
diese  schftne  Fraw  mir  bleiben  /  vnnd  du  hemacher  an  diesen 
Maszbaum  gehenckt  werde  solt.    Als  Apolidon  veruomen  /  dz 


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—   385  — 


durch  obnegung  einer  solche  abscheuwlichen  Creatur  /  er  zumal 
sich  selb«  vnd  sein  hertegeliebt  Qemahl  erretten  migen  wArde  / 

faste  er  ein  so  gut  hertz  /  dasz  jn  nit  schwer  noch  mühsam 
beduocket  /  denselbigen  aaff  den  plats  zu  crimen  vn  umbza- 
briDge  /  besonder  schetzet  sich  auch  fftr  gl&ckselig  /  dz  jm 
also  gelegenheit  lurgefallen  /  da  er  vor  seiner  Grimanesa  zn 
erkennen  geben  k6ndte  /  was  er  mit  seiner  Mamihaü'tea 
handt  vmid  Ritterlichen  g^genwehr  aaszznrichten  yenii6chte. 
Derwegen  der  Icampff  ohne  langen  yenmg  zwischen  jnen  bey- 
den  ungienge  i  welcher  doch  /  weil  der  ApoIidoD  hitzig  auf  den 
Biesen  dartrange  also  /  dasz  er  hindersich  weichen  must/vnd 
in  selbigem  stolpert  /  auch  za  rftck  nider  fiel  /  nicht  hmg 
.  wehret  ^  denn  der  Apolidon  spränge  als  baldt  aulV  jhn  vnnd 
jichlug  jhme  das  Haupt  ab.  Nachdem  nun  die  Einwohner 
dieser  Insel  solches  innen  worden /kamen  sie  alle /vnnd  baten 
jn  yndertbenigsts  fieisz  /  dasz  er  bey  jhnen  bleiben  /  vnnd  jhr 
Herr  /  Beschützer  ynd  beschirnier  sein  wolte.  Vnnd  weil  er 
jhn  solch  jhr  beger  yerwilligt  /  vnnd  zu  sonderm  gnedigen 
danck  anname  /  f&rten  sie  jhn  folgendts  mit  grossem  pracht 
durch  das  Land  hin  vnnd  wider  /  vnnd  zeigten  jlini  darinnen 
alle  Üestungen  /  die  jhn  so  wol  erbauwet  vnnd  mit  aller  noturfl- 
tigen  Monition  dermassen  versehen  bed&nckten  /  dasz  er  sich 
vor  des  Keysers  Macht  /  im  fall  derselbig  /  von  der  heimlichen 
liinwegfürung  seiner  Schwester  wegen  /  sich  was  mit  gewalt 
wider  ihn  fürzonemmen  vnderst&nde  /  gar  nicht  entsetzet  noch 
Arehtet.  Nachmals  aber  liesz  er  /  anff  der  Grimanesa  anhal- 
ten /  ein  solchen  schonen  vnnd  köstlichen  Palast  bauwen  dasz 
man  in  allen  vmbligenden  Inseln  seines  gleichen  nicht  kette 
finden  m&gen  /  welchen  er  yber  das  herrlich  gebew  /  inwendig 
mit  vbergÄlden  vnd  anderem  reichturab  dermassen  geziert/ 
dasz  auch  der  aller  gewaltigst  Potentat  /  einen  andern  solchen 
nicht  hette  machen  lassen  kinnen.  Aber  es  begäbe  sich  vn- 


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geferlit'h  liinfftzelm  Jar  nach  s«'lbii(ein  /  dasz  der  Kf  vsci  zu 
Constantinopel  sein  Bruder  /  ohne  leibliche  Erben  /  mit  Todt 
abgienge  /  der  vrsachen  denn  die  Landsf&rsten  /  Herren  vnd 
Stinde  /  ein  anseheliche  Bottschafft  ynd  Legation  zu  dem 
Apolidon  abfertigten  /  mit  dieser  Werbung  /  dasz  vnd  in  be- 
denckung  er  der  rechte  /  naturliche  Ynnd  necbste  Erb  selbiger 
£6nigreich  vnd  Landen  were  /  er  gnedigBt  solche  in  sein 
schntz  ynd  schirm  anffhemmen  /  anch  sich  anff  das  ehest  darein 
personlich  begeben  wolle  /  welches  er  nun  one  viel  weigerns  / 
gantz  gutwillig  (Menschlicher  angeboraer  Natur  vnd  art  nach  / 
deren  b^erd  jmmer  vnnd  allzeit  vnersettigt  ist)  anname. 
Diew^  aber  entgegen  die  Grimanesa  solche  Instige  Insel  nit 
gern  verliesso  /  bäte  sie  jren  Herren  vnd  Gemahel  gantz 
hreundtlich  /  dasz  er  vor  jhrem  abreisen  in  selbigem  ort  /  zu 
erinnemng  vnd  eingedencken  der  daselbst  eingenomen  finead  vnd 
wolgefallens  /  durch  sein  Ennst  vnd  wissenheit  solche  ordnnng 
anstellet  /  dasz  niemaadts  /  derselb  were  /  denn  beides  in  liitter- 
schaffit  vnnd  getreuwen  tragenden  Bulschafft/so  auffrecht  vnd 
volkommen  als  er  /  der  ends  Herr  vnd  Begent  sein  kindte. 
Auff  solches  antwortet  jr  Apolidon  /  dasz  er  jhr  zu  freundlichem 
gefallen  /  nicht  allein  disz  /  sondern  auch  weiters  machen  vnd 
verschaffen  wolt  /  das  jede  Fraw  oder  Jungfraw  /  was  standts 
die  gleich  were  /  nicht  da  hinein  komen  solte  /  wo  sie  jr  an 
tugent  vnd  schone  nicht  gleichen  mochte.  Hierautf  liesz  er 
zu  eingang  eins  garten  /  so  mit  allerhand  lüstigen  Baumen  be- 
setzt vnnd  wol  gepflantzt  ware/em  gewelb  banwen/vnnd  auff 
selbiges  ein  steinern  Manszbild  /  welches  ein  Trommet  /  gleich 
als  ob  es  blasen  wolt  /  in  der  band  vnd  am  Mund  hielt  /  auff- 
hchten  /  auch  bey  seines  Palasts  pforten  oder  Thor  /  sein  vnd 
der  Qiimanesa  Bildnnsz  so  sehr  künstlich  anszgehanwen  /  dasz 
man  sie  fÄr  lebendig  achtet /stellen /vnnd  dann  nechst  dabey 
ein  hohe  Seul  von  Jaspen  /  auch  ein  halben  Bogenschusz  dar- 


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—   387  — 

TOn  ein  amU  rn  Kiüeru  Flosten  /  so  vngelelirlich  tim&  eleu  hoch  / 
setzen.  Alü  qiid  disz  alles  gehörter  massen  veronbet  /  sagt 
er  zur  Grimanesa  /  damit  sie  wisset»  haben  mtcht  wanunb 
er  solches  gethan  /  nachfolgende  wort  vnd  sprach :  Geliebte 
Gemahel  /  ich  sag  £.  L.  gewiszlich  zu  /  dasz  weder  Mann  noch 
Franw  /  so  sein  erste  Bnlschaffb  betrogen  /  vnnd  derselben  liebe 
gefeiseht  /  vnder  disem  gewelb  oder  Schwibbogen  nit  hmm 
komen  können.  Dann  da  sie  sich  desselben  vnderfahen  /  wirdt 
die  Bildnusz  so  £.  L.  vor  äugen  sehen  /  so  erschrecklichen 
bhuen/anch  dmch  das  hom  solchen  flammen  ymid  geetanck 
herausser  werffen  /  dasz  jhnen  vnmÄglich  sein  wirdt  f&rder  zu 
passieren  /  zu  dem  sollen  sie  so  grob  hinausz  getiogt  /  dasz  sie 
aufi'  der  Erden  vor  dem  Gewelb  gestrecket  ligen  werden.  Im 
Fall  aber /dasz  ein  getreuwer  Bnler  oder  Bnlerin  diese  Aben* 
thenwer  versucht  /  so  wirdt  das  Bild  so  lieblich  vnnd  wol 
blasen  /  dasz  solches  den  ziihnrern  grosses  vnd  angenemes  ge- 
&llen  bringen:  ?nd  also  daselbsten  derselb  oder  dieselbe  /  one 
einiche  yerhinderang  /  fort  hinem  gehen  migen  wird.  So  dann 
werde  sie  in  diesem  Jaspen  vnser  beider  Abconteifeihtung  / 
auch  jre  namen  geschrieben  finden  /  vnwissent  /  wer  sie  darein 
gehanwen  /  vnd  damit  £.  L.  sehen  Ynnd  erfahren  /  dasz  dam 
in  waiheit  also  sey/so  willen  wir  es  halt  /  wo  E.  L.  gefellig/ 
versuchen.  Hiera uif  name  er  die  Grimanesa  bey  der  band  / 
vnd  als  sie  vnderm  Schwibbogen  hinein  tratten  /  bliesz  dasz 
steinen  Mansbild  sehr  vnd  vber  alle  massen  liebliche  Melodey. 
Folgendts  giengen  sie  znm  Jaspen  /  da  sie  jhre  Namen  nenw- 
lichen  darein  gegraben  sahen.  Dieweil  aber  die  Grimanesa 
gern  sehen  wolte  /  wie  es  den  andern  /  so  jr  nachfolgte  /  ergehen 
iftadid  I  mffet  sie  etlichen  Jonckherm  vad  Junckfirawen  /  anff 
dasz  sie  die  Abenthewr  yersnchten.  Aber  in  dem  sie  durch 
das  Gewelb  hineyn  zu  passieren  vermeynte  /  bliesse  das  Bild 
80  erschrecklichen  /  yn  schlng  so  gransamer  flam  fewr  vn  rauch 


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—  388 


lierausser  /  dz  sie  alle  weit  hiiulan  auiVni  Boilen  oniuAi  htig 
danider  gewoi-ffen  wurde  /  dessen  denn  Grimanesa  begundt  zu 
lachen  /  weil  jr  wol  bewnst  /  dasz  solchs  ein  forcht  on  gAht 
war  /  vn  daiieben  iren  Herrn  Apolidon  /  dasz  er  solbiires  vnib 
jrent  willen  der  gestalt  angestellt  vnd  gemacht  /  gantz  freiindt- 
liehen  bedancket  Doch  sagt  sie  /  geliebter  Herr  vnd  Gemahl  / 
wem  wftUen  E.  L.  dieses  köstlich  Gemach  vnd  Kammer /in 
deren  E.  L.  vnd  ich  so  viel  lusts  vnd  vernugens  eyngenommen  / 
verschaffen?  Ich  wil  es  £a.  L.  jetst  bald  sagen  /  antwortet 
er.  Als  den  liesz  er  zwo  andere  Senlen  machen  /  die  eine  von 
Marber  /  welclie  er  fAnft'  schritt  weit  von  der  Kanior  setzen  / 
vnd  die  ander  von  Kupftier  /  so  er  abermal  funff  schritt  weiter 
f&r  die  Marberin  hinansz  anffrichten  liesz  /  alldahin  trag?. 
Folgendts  sagt  er  zu  der  Grimanesa :  Liebe  Gemahl  /  ich  wil 
E.  L.  nit  verhalten  /  dasz  hin! ü  ran  weder  Fraw  noch  Mann  in 
dieses  Gemach  vnd  Kammer  kernen  sol  /  bis  dasz  der  oder  die 
liine3rn  gegangen  /  so  mich  an  Mannheit  vnd  BitterschatFt  /  oder 
E.  L.  an  schöner  gestalt  vbertreffen  wirdt.  Vnd  da  nun  durch 
Schickung  desz  gl&cks  dieselbige  /  so  dieses  gewaltigen  fi^rtreff- 
liche  orts wirdig seyen / hieher gelangen / werden de/vnd sonst 
auch  menniglich  hienach  /  ohn  einige  Verhinderung  /  ausz  vnd 
eyn  wandern  m6gen.  Nachgoliends  liesz  er  an  die  KÄpfferia 
Senl  diese  Wort  schreibe:  Jeder  Ititter/so  diese  Abentheuwer 
versuchen / wirdt  seiner  tugendt  vnd  starckm&tigkeit  nach/ 
vnd  also  je  einer  weiter  /  nachdem  er  den  andern  in  Mannheit 
vbertrifft  /  diese  Seul  f&r&ber  gehen.  An  den  Marberin  Pl6sten . 
Keiner  vnterstehe  sich  f&r  diesen  anf^erichten  stein  zu  passieren  / 
vnd  dem  Gemach  zu  nahem  /  wo  er  nicht  ein  besserer  Ritter 
als  der  Apolidon  st.  Vnd  denn  zu  eingang  desz  Gemachs 
schriebe  er  vber  die  Th&r:  Dieser  /  so  hierein  gehet  /  wirdt  den 
Apolidon  in  Kriegssachen  vbertreffen  /  vn  nach  jm  Herr  vnd 
Hegent  dieses  Lands  seyn.    Letzlich  verordnet  er  /  dasz  ein 


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—   389  — 


jeder  /  HiYor  Tnd  ehe  er  za  dem  Gemach  (von  dem  oben  geredt  / 
Tnnd  welches  nachmals  das  verbotten  Gemach  genannt  worden) 

gienge  /  die  zwo  Sellien  aiiriiren  /  vnnd  daselbsten  sein  Mann- 
heit  versachen  mhst  Im  fall  aber  einer  oder  viel  sich  vntei- 
stdien  /  Tnter  dem  Schwibbogen  der  getrenwen  Liebhabern 
(denn  also  nennet  man  jn)  hineyn  zu  gehen  /  doch  widerumb 
hinder  sich  hinausz  geworffen  würden  /  befahl  vnnd  statuiert 
er/dasi  man  dieselbige  ausser  der  Insel  /  als  fiüsche  vnd  misz^ 
trenwe  Lent  /  verjagte  /  Heigegen  den  anl!i*echten  vnd  ge- 
treuwen  alle  elir  vnd  diensteibietung  zum  muglichsten  erzeiget. 
Benanntlichen  aber  selten  man  die  /  so  die  abenthewr  der 
Scalen  versachen  /  vnd  doch  nit  Ar  die  EApfferin  Seul  hlnansz 
gehen  wurden  /  zugleich  wie  andere  falsche  Buler  halten. 
Doch  da  sie  vielleicht  füi-  solchen  passierten  /  dasz  jhnen  allein 
jhr  Wehr  oder  Schwerdt  /  zu  ynterschiedt  der  andern  /  abge- 
gtrtet  wArde.  Aber  wenn  ein  besserer  Bitter  zn  der  Marberin 
Seal  kommen  kondte  /  dasz  man  demselben  nur  den  Schilt/ 
Yond  da  er  weiter  hineyn  /  doch  nicht  gar  bisz  in  das  Gemach 
gienge /allein  die  Sporn  abnemmen  solt.  Ynd  so  viel  die 
Frawen  vn  Jungfrawen  belangte  /  die  gleicher  gestallt  diese 
Abenthewr  der  getreuwen  Liebhaber  veisuchen  /  doch  nicht 
hin^.  kernen /sondern  hindersich  geworffen  wibrden  /  rerordnet 
Tnd  gebot  er  /  dasz  sie  jhre  Namen  anzeigen  mÄsten  /  damit 
ma  hemacher  selbige  zu  eingang  des  Schwibbogen  /  benebe 
Yermeldong  der  schritt/wie  viel  jede  dahinein  gegangen/anff 
sehrdben  michte.  Nachdem  aber  die  zeit  kommen  Tnd  diese 
Insel  von  dem  Herrn  /  so  jr  versprochen  /  eyngenommen  seyn 
,  wirdt  /  alsdann  solten  diese  Zauberey  kemem  Mann  mehr 
schaden  thun/ besonder  desselben  gefreyt  Tnnd  sidier  sejm. 
Gleichwol  selten  die  Weibsbilder  solcher  gefahr  nicht  enthebt 
werden  /  bisz  auch  die  schöne  Fraw  oder  Jungfraw  hineyn 
gehen /Tnd  die  andern  alle  dadurch  freyen  w&rde.  Bndlichen 


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—  890  — 

TOr  seinem  abeclnedt  setzt  Apolidon  einen  Gubernatorn  oder 
Statthaltern  in  die  Insel  /  damit  derselbe  mitler  weil  /  bisz  der- 
jenige/so solcher  wirdig  ynd  wehxi/  seinen  reden  tö  beschelieiiflr 
Ordnung  naehkommen  w&rde/alle  Zinse /GAlten  vnnd  An- 
kommen empfienge  vnd  einneme.  Etlicli  tag  nun  hernach  / 
als  er  all  sein  Sachen  genügsame  fteehung  gethan  /  vnd  die 
Schiff  allerdings  znrästen  lassen  /  segelt  erdarron/niddieweil 
er  gnten  Wind  /  kam  er  am  gestad  zn  Oonstantino)M}l  / 
da  man  denn  jn  gantz  herrlich  vn  mit  sonderm  Pomp  empiieog  / 
gl&cklichen  Yud  wol  an. 

(Am  dem  S.  Capitd  des  2.  Boches.) 

Der  Frincessin  Oriana  schreiben  an  den  Amadis. 

MBin  Tn&bersohwencklicher  knmmer  vn  schweres  anligen/ 

so  ausser  vielen  bewegenden  vrsachen  herkompt  /  zwingt  vnnd 
dringt  mein  schwache  band  /  durch  disz  gegenwertig  schreiben 
das  jenig  ntrermelde  /  so  mein  trawrigs  herte  euch  Amadis 
anse  Franckreieh  /  als  einem  misztrenwen  ynd  Meiniydigen 
Mann  nit  lenger  vorhalten  kan  oder  mag.  Dann  seitemal 
ewer  misztrew  vod  vnbestendigkeit  gegen  mir  (die  ich  allein 
vmb  der  vrsach  willen/dasa  ich  ench  hie  anff  Erden  ftr  md 
ob  allen  dingen  lieb  gehabt  /  ynselig  vü  von  allem  guten  glAck 
verlassen  bin)  Jetzunder  offenbar  vnnd  hell  am  tag  ist /für- 
nemlichen  aber  jr  endi  also  vnfaillicher  weiss  von  mhr  eni- 
enssert  vnnd  hindan  gethan /damit  jhr  sn  deren /wdche  (an- 
gesehe  jr  jugend  vnd  vnbescheidenheit)  euch  doch  keine  gunst  / 
noch  fteundtUchkeit  zu  erzeigen  weisz  /  kommen  m&gen:  So 
Inn  ich  anch  bedacht/die  ensserste  inbrinstigo  holdsehaIR 
vnd  liebe  /  so  ich  euch  zuvor  getragen  /  in  ewigkeit  von  mir 
zu  verbannen  vn  zu  vegagen  /  dieweil  je  mein  bekümmert  hertz 
kein  andere  Bach  nemmen  kan.  Vn  da  schon  ich  das  vn- 
redit  /  welches  jr  mir  bewiesen  /  gern  in  gntem  anfheniDien 


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—   391  — 


wolle  /  jedoch  w^de  es  ein  grosse  thorheit  an  mich  sein  /  dasz 
ich  einem  Tndaokbani  /  za  weldies  ▼olk<»iimea  Uebe  ich  mich 
8^  /  auch  alle  andre  ding  rerhasse  /  was  ^ts  erzeigte.  Aber 

ach  /  ach ,/  ich  werde  jetzunder  (doch  leider  scliier  zu  spat) 
gar  wol  gewahr  /  das  ich  mein  freyheit  einer  so  yndanckbaren 
person  zqyü  vbel  vndei^eben  /  in  betrachtong  dasz  zn  wider- 
geltnng  memes  Tolbrachten  seufftzens  vnnd  anliegens  /  ich  mich 
jetzt  vnehrlicher  /  öchmehlicher  weisz  verspott  vnd  betrogen 
sehe.  Dem  allen  nach  so  verbiete  ich  euch  dasz  jhr  euch 
weder  vor  mir /noch  an  dem  ort  /  da  idi  wohnen  wbd /  finden 
lassen  /  desz  entlichen  Versehens  gegen  mir  /  dasz  mein  hertz- 
liche liebe  vnnd  affection  jetzo  durch  euwern  dienst  vnnd  be- 
8chuldeii/in  feindschafft  vnd  grewliche  w&t  verendert  ist 
Dammb'  jr  hinf&rt  an  (mit  ewer  gefälschten  meineydigen 
treuw/vnd  gezuckerten  süssen  wortlein)  wol  anderstwobin  ziehen/ 
vnd  andere  voglückhafften  Frauwen  oder  Jungfrawen  /  zu  gleich 
mich  betriegen  vnd  am  Karrenseil  f&ren  mögen  /  der  vnge- 
zweiffeite  hoffhnng/dasz  enwer  entsehUdigung  keine  bey  mir 
statt  noch  platz  werde  liaben  kondten  /  besonder  beger  euch 
nimmermehr  anznschawen  /  vnd  daneben  allein  die  vberige  zeit 
meines  kummerhaften  lebens  mit  vbeiflAssigen  hauffeohtigen 
zibem  znklagen  vnd  zntrawren  /  welche  nicht  anffhiren  wer- 
den/denn  nur  wenn  da  sterben  wiirdet. 

Die  /  so  gern  sterben  w6lt  /  wo  allein  jr 
nit  der  todtachliger  weret 

Als  nun  dieser  Brieff  verferticft  vnd  zugemacht  /  liesz 
Oriana  ein  Jungen  vom  Adel  /  der  Jungirauwen  ausz  Denmarck 
Bmder/Dorin  genant /berÄffen/ welchem  sie  sonders  wolver- 
tranwet  /  vnnd  ansztr&ckenlich  befiihle  /  dasz  er  one  einigen 
Verzug  zum  Amadis  in  das  Königreich  Sobradisen  ritte  /  vnd 
ihm  forderlichen  das  schreiben  /  so  sie  jm  hiemit  zustellet/ 


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—  392  — 

vberantwortet.  In  Sonderheit  aber  solte  er  gut  achtnnjr  sreben  / 
vnd  ein  fleissiges  aulfnierrken  haben  /  wie  er  sich  im  losen 
stellen  /  Timd  wess  er  sich  hernach  whalten  wikrde  /  doch  d&rffle 
er /ob  jhm  gleich  Ämadis  eine  e)  ubehendigen  wolte/ kein 

widerantwort  bringen. 


Das  IIL  GapiteL 

NAchdem  Durin  der  Prinzessin  meinung  vnnd  befelch  / 
nach  der  leng  verstanden  /  sasse  er  zu  Eosz  /  ?od  wendet 
solchen  fleiss  ftu/ dasz  er  den  zehenden  tag  hemadi  in  der 
gewaltigen  Statt  Sobradisa  ankäme  /  allda  er  die  nengekrSnte 
Königin  Briolania  fand  /  die  jn  das  aller  schonest  Freuwlin 
vnd  Prinzessin  bedunckt/  so  er  jemals  nach  der  Oiiana  ge- 
sehen. Nachgehends  veimeldet  er  jr/wie  er  aaszgesogen  den 
Amadis  zn  suchen.  Aber  sie  antwort  jhm  herwider  dasz  tor 
zweyen  tagen  jungsthin  /  er  vnnd  seine  gesellen  widerumb 
nacher  grossen  Britanien  abgereiset/  doch  were  jhr  hieoach 
bericht  eynkommen  /  wie  dasz  sie  jren  we^  gegen  der  be- 
schlossnen  Insel  zu  genommen.  Derwecren  auch  Dnrin  ohne 
lenger  verharren  vrlaub  name  /  vnnd  solang  fort  zöge  /  bisz  er 
.  in  der  Insel  eben  m  der  stnndt  ankam  /  als  Amadis  vnder  dem 
Schwibbogen  der  getrewen  Liebhaber  hienem  gegangen.  Dar- 
umb  auch  der  Durin  gesehen  /  wie  das  steineiin  bild  mehr 
f4r  jhn  denn  keinen  ander  Ritter  gethan  /  so  jemals  /  wie  die 
Einwoner  sagten  /  sich  desselben  vnderf angen.  Vnd  als  Amadis 
sampt  dem  Agraies  seinen  BrAdem  /  so  heransz  geworffen  waren  / 
zuließ'/  vermeint  Durin  jn  anzusprechen  Aber  Gandalin  bähte 
jhn  solches  zuvcrzielien  /  bisz  er  die  gefahr  desz  verbottnen  ge- 
machs  Tersncht/dieweil  jm  wol  bewust/dasi  er  jm  Bri^  von 
der  Oriana  bracht  /  welche  jhn  Tiellflicbt  an  seinem  Amenien 
verhindero/  oder  darvon  abwendig  machen  m6gen.  Denn 


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—   393  — 

Amadis  wäre  gedachter  Princessin  dermassen  ergeben  vnd  ge- 
iiorsam  /  dasz  er  nicht  allein  die  beschlossene  Insel  /  sondern 
auch  die  gantze  Welt  zumal  /  da  de  jhm  solches  befohlen/ 
von  jhrent  wegen  hette  in  die  Schantz  schlagen  vnd  verlieren 
w6llen.  Nachdem  er  aber  alle  Abenthewr  vnnd  wunderbar- 
liche  ding  ToUendet/ auch  die  Vnierthanen  jhme  gehuldigt/ 
da  praeeentiert  mek  Dnrin  vor  jhme  /  Welchen  Amadis  fraget  / 
was  es  für  ein  neiiw  Geschrey  an  des  K6nig  Lisuarts  Hof  hette. 
Gnediger  Herr  /  antwort  Durin  /  ich  hab  solches  allerdings  in 
dfim  stand  vnd  wesen  verlassen/  als  deiselbig  in  £.  G.  ab- 
scheiden gewesen  /  vnd  als  er  in  seiner  Bed  f&rfahren  weite  / 
nam  jn  Amadis  bey  der  Hand  /  vnd  giengen  allein  mit  ein- 
nand*  in  ein  schdnen  Lustgarten  /  folgends  forschet  er  von  jm/ 
wie  er  in  die  beschlossene  Insel  kommen.  Qnediger  Herr/ 
antwortet  er  /  mein  G.  Fräwlein  Orinana  hat  mich  der  sach 
halber  /  so  £.  G.  ausser  dem  schreiben  vememen  werden  /  ab« 
gefertigt  Vnd  hiemit  vberreicht  er  jhm  den  Brief/ welchen 
Amadis  empficng  /  vnd  hemacher  dem  Durin  den  r&cken  kehret  / 
damit  er  die  verenderung  seiner  faib  an  jme  nit  spüret  noch 
vermercket  Dann  vor  grosser  freud  fienge  jme  an  dz  hertz 
aaff  zuspringen  /  also  /  dasz  er  schier  nicht  wust  /  wie  er  sich 
stellen  seit.  Aber  diese  newe  verenderung  ward  bald  in  ver- 
zweifflung  verkert/  Seitemal  er  ausser  demselbigen  jhren  ge- 
raten hasz  vnnd  sein  Verbannung  verstünde/ vnd  deszhalber 
mit  solcher  grossen  trawrigkeit  vberfallen  ward  /  dasz  er  selbige 
nicht  lenger  verheHgen  kondt  /  besonder  so  kleglich  zu  weinen 
anfieng/  dasz  es  zu  erbarmen / Darum  den  Durin  sehr  rewet/ 
dasz  er  jme  so  vnglAckliche  vn  leidige  Brieff  gebracht /ob 
jhm  gleichwol  derselben  Inhalt  vnbewust.  Jedoch  mocht  er 
solches  nicht  mehr  f&rkommen/  vnd  dorffte  sich  auch  nicht 
zum  Amadis  hinzu  thun/  welcher  so  verstockt  vnd  verwirt 

waid/  dz  er  auff  das  Grasz  damider  fiel  vnd  das  schreiben 

26 


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ausser  der  handt  falleu  liesz/  das  er  doch  bald  widerumb 
aafihabe  ynd  von  newem  läse  /  denn  ja  gleich  der  anfong  der- 
massen  betr&bt/  dasz  er  soldis  nit  hin  zam  ende  lesen  kinnen. 
Als  er  aber  die  Subscription  vnd  wie  sie  sich  vnterschrieben 
(Die/ so  gero  sterben  wölt/  wo  allein  jr  niclit  der  Todt- 
scfalftger  weret)  gesehen  /  da  begandt  er  zn  seofi'Uen  /  als  wenn 
jme  die  Seel  anszgehen  wolt  /  ynd  schlag  hindersich  an  rAcken 
danider  /  dessen  der  Durin  nicht  weniger  erschrack  /  vnd  jme 
Ztthelfl'en  vnd  auffzuheben  zulieff.  Dieweil  er  aber  sähe  /  dasz 
er  wie  ein  todter  Mensch  /  weder  hendt  noch  titBz  reget /auch 
das  hieransz  entstehendt  ybel  vnd  ynrath  fftrchtet/ynd  der- 
wegen  den  Galaor  oder  einen  andern  zu  berußen  /  doch  da- 
neben gedacht  /  dz  was  geschreyes  oder  rumor  hierausz  er- 
wachsen m6chte  /  So  yerzoge  er  demnach  solches  ansa  gehirten 
▼rsachen/  gienge  nachmalen  hinan  ynd  hnhe  jn  anff.  Da 
schrie  Amadis  /  Ach  Herr  Gott  /  waruuib  giljst  du  zu  /  dasz  ich 
also  vnuerdienter  sachen  sterben  musz.  0  mein  trew/  was 
danck  ynd  widergeltong  empiahest  da  jetaunder  Ar  dein  red* 
Hcheit  Nnn  hat  mich  die  yerlassen/  ymb  deren  willen  ich 
ehe  tausent  ibdt  erlitten  /  denn  dasz  ich  jhrer  befelch  einen 
yberschritten  haben  w6lt'  Nacher  beschawet  er  den  Briefi' 
erbermlichen  an  '  ynd  sagt:  Ach  glAckseliger  BrtdS/  dieweil 
dn  dnreh  die  allerf&rtrefBidiste  Person  /  so  jetzt  dw  zeit  lebet  / 
geschrieben  worden  /  doch  bistu  noch  viel  vngluckhaffter  /  weil 
du  den  allergetrewesten  Liebhaber /so  jemals  ymb  ein  Frawen 
gebolet  /  ymb  das  leben  biingesi  Aber  ynd  damit  idi  solehen 
mein  todt  desto  mein*  befftrdere  /  so  wil  ich  dich  stetigs  die 
tag  meins  lebens  bey  mir  behalten.  Hierauff  stiesse  er  den- 
selben in  sein  Basen/ ynd  iragt  den  Darin/  ob  er  befelch 
hette  jme  was  weiters  anznhxingenP  Neiyn  / antwort  er/ Wolan 
sagt  Amadis /ich  wil  dich  btaldimit  antwort  wideramb  ab* 
fertigeD.    Qnediger  Herr  /  antwort  Darin/  es  ist  mir  auss- 


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—   395  — 

trÄckenlich  befohlen  worden  /  dasz  ich  keine  empfahen  sei. 
Hat  über  /  sagt  Amadis  /  das  Frewlin  Mabila  Tnnd  dem 
Schwester  dir  nidits  anfferlegt  mir  anzuzeigen?  Keyn  Gnediger 
Herr  /  antwortet  er.    Dann  sie  haben  nicht  von  meiner  Keisz 
gewüst    dieweil  meine  Gnedigste  Prinzessin  mir  sonderlich  in 
befelch  gegeben  /  dasz  ich  es  niemands  sagen  soli  Ach  Gott/ 
sagt  Amadis  /  ich  sehe  wol  dasz  weder  htiff  noch  rath  mehr 
da  ist.    Demnach  stunde  er  auf  /  gienge  zu  einem  Bdchlin  so 
vberzwerch  durch  den  Gai*ten  lieff/  vnnd  wusch  daselbsten 
seme  angen/Folgendt  befiihle  er  dem  Darin/  dasz  er  den 
Qandalin  bemffet/md  allein  mit  jme  keme.   Als  sie  nn  bey 
jme  erschienen  /  fanden  sie  jn  abermals  in  einer  onmachb  liegen  / 
aber  er  käme  wider  zn  sich  selbe  /  Tnd  sagt  zum  Gandaün: 
0  lieber  Gandalin/es  ist  ansz  mit  mir/daramb  hole  Isanian 
den  Gnbematom  dieser  Insel  /  vnd  bringe  jn  allein  mit  dir 
alhero.    Auif  disz  lieil  üandalin  dahin/  vnd  bliebe  nit  lang 
ansz  /  besonder  giengen  sie  beide  zu  jhm  /  Tnd  derwegen  so 
sagte  Amadis  zu  jm:  Isania  )hr  seid  der  pflicht/  so  jhr  mhr 
gethan  /  wie  auch  der  trcw  so  jr  mir  zu  leisten  schuldig  / 
gnugsam  eingedenck.    Vnd  wiewol  mii*  nicht  daran  zweiffeit/ 
80  bitte  ich  euch  doch/  w6llen  mir  femers/  als  em  ehrlicher 
Bitter  /  versprechen  /  alles  das  so  jhr  ?on  mir  /  bisz  morgens 
meine  Brfider  Predig  gehört  haben  /  sehen  werdet  /  in  still 
vnd  enge  bey  euch  zu  behalten.    So  dann  solt  jr  auch  heindt 
die  Nacht  desz  Schlosz  Pfordten  6ffiien/ vnd  da  Gandalin  dich 
gerAst  halten  mit  mdnem  Boss  vnnd  Harnisch  /  damit  wir 
one  menniglichs  wissen  hinweg  scheiden  m6gen.    Als  bald  sie 
von  jhme  hindan  gegange  /  erinnert  er  sich  eines  Traums  so 
jm  die  vorgehende  nacht  fArko&en/  da  jn  bedAnckt/ wie  dasz 
er  in  seiner  Ristung  anlf  dem  Pferd  aaflf  einem  hohen  er* 
hebten  erdtreich  mit  viel  Beumen  gepflantzt/  vnd  rings  vmh 
jhn  viel  Leut/  so  da  vber  alle  massen  fir6lich  weren/  vnder 


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—   896  — 

welchen  jemands  jme  ein  Buchsen  furhielt  vn  sagt:  Herr  ver- 
sucht was  hieinnen  ist  /  das  er  nun  thete  /  vnnd  derwegen 
solchs  gantz  bitter  vnd  herb  so  essen  befände/  auch  in  dem 
er  dasselbig  hinweg  weriFen  wolte  /  jhme  seins  Boss  z&gel 
brachen  /  darunib  dasselb  anfieng  gegen  berg  vbersich  zu  lauflen  / 
dasz  jhm  nicht  m&glich  wäre /selbiges  anffzuhalten  /  Tnd  die- 
weil  er  ferr  yon  solcher  frftlichen  gesellschalt  hindan  käme/ 
bedunckt  jhn  /  dasz  er  sich  vrabsehe  /  vnnd  jhr  vorige  freud  in 
grosse  hohe  trawrigkeit  verwandelt  were/  deszwegen  er  er- 
birmbd  mit  jhnen  hette/  vnd  gern  vmbgekert/  wo  er  sdn 
Pferd  meistern  migen  /  dieselbige  zu  tr69ten  /  doch  lieffe  sdches 
i&r  in  einen  tieffen  dicken  Wald  vnd  verwachsen  gestand  /  da 
sein  Pfordt/  weil  es  anff  einem  Felsen  mit  wasser  Tmbgebeo 
wäre  /  still  stunde.  Als  denn  ?ermeint  er  /  wie  er  abstige  / 
damit  er  docli  ein  wenig  ruhen  mochte /vnd  sich  auszz6ge: 
Aber  vnlang  auf  solches  ein  gar  alter  Mann  zu  jm  kerne/ 
jn  gleich/als  ob  er  sich  seiner  erlittnen  mibe  erbannet/bey 
der  handt  neme  /  vnd  etliche  wort  in  einer  auszlendischen  vnd 
vnbekandten  Sprach  /  die  er  nicht  verst^inde  /  zu  Jm  saget  /  vnd 
als  er  in  solcher  pein  wäre/  so  erwachet  er  daran.  Diesem 
Tranm  gedachte  Amadis  nun  gute  wdl  nach  /  yn  eiachtet  bey 
sich  selbs  /  das  selbige  nicht  alle  mal  gar  in  wind  zuschlagen 
vnd  für  nichts  zu  halten  /  sonderlichen  weil  er  vermerckt  /  dasz 
schon  etliches  zum  theils  in  seinem  Traom  erttllet  Demnach 
gienge  er  zu  der  Pforten /da  Gkmdalin  vn  Jsania  mit  seiner 
Küstung  warteten  /  walt'net  sich  daselbst  /  Sasse  folgends  zu 
Bosz/  vn  zöge  one  achtnng  geben  desz  wegjs  damon/  bisz  er 
zu  einer  Kirchen  anff  dem  Feld  käme/  alda  stand  er  ab/ 
gienge  hinein  /  fiel  auff  die  Knie  danider  /  vnd  fienge  an  mit 
inbriinstigcr  andacht  zu  betten/  dasz  jme  vnser  Heylandt 
Christus/  als  der  rechte  trister  vnnd  einige  znllucht  aller  be- 
kAmmerlen  /  gnedig  seyn  /  jhm  seine  begangene  sAndf^n  vensrnhen/ 


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—  897 


TTid  vnangeschen  derselben  /  vrä  seiner  grossen  barmhertzigkeit 
auch  bittem  Leidens  vnd  Sterbens  willen  /  sich  seiner  armen 
Seel  (sa  demt  vnd  aller  Menschen  erlAsnng  er  aoff  Erden 
kommen)  erbarmen  /  vnd  amner  dieser  eossersten  not  ynd  an- 
fechtung  erretten  w6lte  /  nach  dem  stund  er  widemmb  auff  / 
rafft  den  Gandalin  fast  vnd  truckt  jn  in  seine  Arm  /  yü  sagt: 
Oetrewer  lieber  Gandalin  /  dn  vnd  idi  seind  mit  einer  müoh 
geseuget  /  vnd  jederzeit  mit  einander  anffenogen  worden  /  also  / 
dasz  ich  weder  m&he  noch  arbeit  erduldet  /  die  du  nicht  auch 
gmigsam  Tersncht  Tnd  einen  guten  theil  dauon  Angenommen. 
So  hat  mich  dein  lieber  Vater  ausser  den  Wellen  dess  Meers  / 
als  ich  erst  einer  nacht  alt  gewesen  /  gefreyet  vnnd  errettet  / 
auch  dein  Mutter  hernacher  mich/  als  wenn  ich  jr  leiblich 
Tn  hertzgeliebtes  Kind  were/  gantz  zartiglich/freundtUch  vnd 
wol  aufferziehen  lassen.  Nun  ob  ich  wol  ferrers  dein  getrewen 
dienst  /  so  du  mir  von  jugendt  auff  bewiesen  /  gnugsam  er- 
kennet Tnd  erfiiren  habe/  vnd  derwegen  (wie  ich  denn  allezeit 
in  hoiliimig  gestanden  /  mit  der  zeit  vnd  Gottes  bAlff  dich 
deszhalber  zu  belohnen)  wol  geneigt  were  /  dir  solche  trew  vnd 
fleisz  zu  widerlegen  vnd  zuvergelten  /  So  ist  aber  /  wie  du  selbs 
siheBt/mir  solch  grosser  vnftll  zugestanden /  welcher  mür  be- 
schwerlicher vnd  vberÜstiger  denn  der  tod  selbst  ist  /  dasz  ich 
dich  jetzundt  verladen  musz/  vnd  daneben  nichts  zugeben/ 
noch  kein  andere  gnad  vnd gutthat  dir  znerzeigen  wem/ denn 
dasz  ich  dür  die  Insel  /  so  idi  erst  on  gestern  bekommen  / 
schencke  vnd  zustelle.  Darumb  befehle  ich  dem  Isania  vn 
aU  meinen  Ynderthanen  /  bej  der  pflicht  vnd  huldigung  /  so  sie 
mir  gethan/dasz  sie  dich /so  baldt  sie  meines  tods  Tergwis- 
sert  sind  /  f&r  jren  Herrn  auff  vnd  annemen.  Doch  ist  mein 
wil  vnd  meinung  /  dasz  dein  Vater  vfi  Mutter  solche  jr  leben 
lang  innbaben  /  vnd  hernacher  du  dieselbe  gleicher  gestalt  be- 
dtaest / damit  jnen  etlicher  massen  die  erzeigte  trawYU  liebe/ 


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—    398  — 


weil  ich  jiMn  je  jhrem  yerdiemt  vnd  mdner  begirdt  nacii/ 

nicht  mehrers  zu  thun  weisz  /  vergolten  werde.  So  viel  aber 
euch  Herr  Isania  betrifft  /  ist  mein  gesinnen  ?nd  beger  /  dasz 
jr  Yon  dem  emkommen  dieser  Insel  /  so  jr  nan  lange  leit  hero 
m  eurer  Gnbemierang  empfluigen  yü  eingenommen  /  m  Sdnd 
▼nd  denn  ein  armer  Leut  hausz  mit  geb&rlichem  eintrasr  zinsz 
vnd  gülden  /  zu  der  ehr  Gottes  /  demasseu  auffbaweu  vnd  so 
stattlich  TOisehen  lassen  /  dasK  dreissig  personeo  danon  sich 
wol  erhalten  mtgen.  Ach  Gnediger  Herr  antwort  Gandalm  / 
dieweil  ich  Eu.  G.  (wie  die  selbs  jetzo  gesagt)  niemals  weder 
Tmb  arbeit  noch  gefahr  willen  verlassen  /  auch  dasselbig  ich 
noch  zuthon  nicht  weniger  gantz  Ynderthenigs  fleiss  gewüt/ 
So  bitte  E.  Gn.  ich  /  die  wftlle  mich  bey  jr  lassen.  Denn  da 
E.  G.  ausser  dieser  Welt  scheiden  solte  (dauor  doch  Gott 
lange  zeit  gnedig  sein  w6lle)  b^er  ich  nach  derselben  ab- 
sterben nicht  mehr  zo  leben  /  in  massen  ich  denn  weder  frend 
noch  knrtzweil  haben  ktndte.  Dammb  so  migen  E.  G.  dero 
gnedigem  gefallen  nach  /  solche  Insel  deren  Brudom  /  meinen 
anch  gnedige  Herrn  /  presentieren  vnd  vbergeben  /  seitemal  ich  / 
beneben  gethaner  yndertheniger  danoksagung/ solche  nicht  an- 
nemmen  wil  /  vnd  in  keinerley  weisz*  zn  haben  verlange.  Nnn 
schweige  /  sagt  Amadis  /  vnd  gedencke  dieser  reden  nicht  mehr/ 
da  da  mir  änderst  nit  miszfiülens  enseigen  wilt/  besonder  sej 
meinem  befelch  gehorsam  /  denn  meine  BrAder  werden  wol 
herrlichere  Lender  vnd  herrschafften  fftr  sie  vnd  jre  freund/ 
den  diese  so  ich  dir  jetzo  zustelle  /  bekommen  vn  erobern  raocren. 
Was  denn  euch  belangt/  lieber  Isania  /  ist  mir  bey  glauben 
gantz  Iddig  /  dz  ich  nicht  zeit  vnnd  gelegenheit  habe  /  eoch 
ewenn  verdienst  nacli  /  zu  tractieren  vnd  zuhalten.  Nicht  dest 
minder  aber  bin  ich  der  hoffnung  /  weil  ich  euch  vnder  so 
fiel  meiner  lieben  Herrn  vnd  gaten  (reond  verlasse  /  dieselbe 
werden  /  was  an  mir  ermangelt  /  erstatten  in  hereyn  bringen. 


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899  — 


Onediger  Herr /  antwortet  er/ich  bitt  E.  O.  Tiidertlieiug / die 

w6llen  mir  allein  gnedig  vergönnen  /  dasz  ich  mit  derselben 
ziehea  /  ynd  beides  gut  vnd  b6ses  /  so  dero  zubandt  stossen  / 
mit  eionenmieii  nige/  denn  solche  mein  Yiiderttieiiigeii/ 
neigten  willen  mehr  denn  gnngsam  Temtgen  ynd  contentieren 
würde.  Lieber  Isania  /  sagt  Araadis/  mir  zweiffeit  gar  nicht 
daran/  vnnd  dieweil  aber  mein  vnfall  vnd  widerwertigen  zu- 
Staudt  80  gton/  dass  solchem  nionands/  denn  allein  der 
AIhneehtig  helifen  kan  /  so  verharret  jhr  nnn  hie  /  denn  ich 
keines  andern  Gleidsmans  denn  seiner  G6ttlichen  hülff  (welches 
der  beste  vnd  verwarsamest)  begere.  Derwegen  Gandalin  /  wo 
da  lost  hast  zn  der  Bittenehaft/  so  nimb  hin  jetzo  mein 
Rflstnng  vnd  wehr  /  denn  ich  sdiencke  sie  dir  /  in  bedencknng 
dz  billich  ist  /  weil  du  solche  zu  anderer  zeit  so  fleissig  ver- 
wahret vn  auffgehalten  /  dasz  selbige  dir  nun  auch  dienstlich 
Seyen  /  angesehoi  dass  deren  ich  hinfko  nit  vielmehr  be- 
dAriTen  werde  /  im  fUl  aber  dn  Heber  solche  ehr  von 
meinem  Bruder  Galaor  empfahen  woltest/  so  sol  der  Herr 
Isania  jhne  von  meintwegen  daramb  bitUichen  anlangen  /  Wie 
denn  an  dich  gleidiihls  mem  beger/  dasz  da  jme  als  mür/ 
getrewlich  vnnd  wol  dienen  thust  /  denn  er  mir  so  hertzlich 
lieb  ist  dasz  sein  abwesen  neben  andern  meinen  bekÄmerlichen 
ob  vnd  anligen  /  mir  nicht  den  geringsten  schmertzen  gebiert 
vnnd  bringet  /  in  betrachtang  /  dasz  ich  jhn  allezeit  getrew  / 
gehorsam  /  geliissen  vnd  dienstlich  gegen  mir  gespAret  vnd  er- 
funden. Du  solt  jm  auch  daneben  anzeigen/  dasz  er  mein 
Zwerg  Ardan  za  sdnem  Diener  anneme  vnd  dasz  er  jme  solchen 
befohlen  seyn  lasse.  Dem  Zwergen  aber  wirsta  vermelden  /  dasz 
er  jhme  vndorthenig  vnd  wie  sich  gebürt  Heissig  diene.  Als 
er  nun  dieser  reden  pfleget  /  gieng  es  jme  derraassen  zu  hertzen  / 
dasz  er  wie  aach  die  andere  /  das  weinen  nicht  verhalten 
moehie/  folgende  botte  er  jnen  die  hand  vnd  sagt:  Wolan 


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—  400 


mein  liebe  /  dieweil  ich  nit  verhoffe  /  euch  lortan  mehr  zusehen  / 
80  Ist  an  euch  mein  letzt  beger  vnd  gesimien  /  wftlt  auch  Qoü 
f&r  mich  bitten /vnd  keiner /bey  yerlienmg  seins  Leibs  vn 
Lebens  /  mir  nachfolgen.    Demnach  sasse  er  widerumb  auff  sein 
Rosz/  stäche  dasselb  an  ynd  reimet  on  Schilt  /  Lantzen  vnd 
Beckelhauben  daaon.   Ynd  dieweil  er  sein  Pfeidt  ama  ge&Ueos 
laoifen  liesz  /  ynd  fast  die  gantie  Nacht  flmiset  /  baue  er 
gar  weit  in  ein  Wald  hineyn  /  vnnd  als  das  Pferdt  jmmer 
sein  stapff  fortgienge  /  Bitte  Amadis  vnuersehener  sach  wider 
etliche  ist/  die  jhne  so  grob  anff  die  Nasen  traffen/  daaz  er 
znm  theil  seiner  fkntasey  vnd  gedancken  /  denen  er  naehsinnet  / 
yergasse  /  vnnd  derwegon  vbersich  schau wet  /  aucli  also  gewahr 
wurde  /  dasz  er  in  einem  gautz  dunckeln  /  einsamen  vnd  w^ten 
ort  /  mit  viel  dicken  hecken  yerwadisen  wäre/  dessen  er  sich 
'sonders  efrewet  /  weil  er  yermeynt  /  dasz  man  |n  nicht  Idcht- 
lich  alda  finden  oder  suchen  wurde.    Dasei bsten  st^^ige  er  ab  / 
bände  sein  Pferdt  au  vnd  setzte  sich  smSl  das  grasz  danider  / 
damit  er  semer  Melancol^  desto  besser  nachgedencken  michte  / 
Aber  er  bette  so  sehr  geweynet/  vnd  derwegen  dz  haapt  so 
toU  vad  lassz  gemacht  /  dasz  er  bald  darauff  eutächliefie. 


Das  niL  Capitel. 

ALs  Gandaün/  der  da  sampt  dem  Isania  vnd  Dnrin  in 
der  Kirchen  geblieben/  wie  erst  oben  gemelt/  also  halb 

zweiffelt  seinen  Henn  Amadis  dahin  ziehen  sähe  /  fieng"  er  ein 
gautz  jamerliche^  klagen  vnd  trawren  an  /  vnd  sagt :  Ob  er 
mur  gleich  verbotten/  jme  nit  nachzufolgen/  so  wü  ich  doch 
nicht  da  bleiben  /  sonder  jhme  nachziehen  /  damit  ich  jme  som 

wenigst<*n  seine  Rustunge  bringe.  Ich  bin  wol  zufrieden  / 
antwortet  Durin  /  auch  diese  Nacht  gesellschafft  zu  leisten/ 


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—   401  — 

wilie  aber  Qott/  dasz  wir  jlm  in  einer  beeeem  meiniug  vnd 
f&ilMbeD  finden  /  denn  als  er  ron  hinnen  gescheiden  ist.  Anif 

solehs  namen  sie  vom  Isania  vrlaub  /  sassen  zu  Rosz  /  vnd  zogen 
den  weg  so  Amadis  daraor  genomen  /  vnd  den  femer  in  dem 
Wald  so  lang  hin  vnd  wider  /  bisz  sie  dnrch  scbicknng  des 
glÄcks  m  dem  ort  da  er  schliefF  /  kamen  /  da  fieng  sein  Pferd  / 
weil  es  die  andere  Temam  /  an  zu  wiolen  /  daher  denn  Gandalin 
erkant  /  dasz  sein  Henr  nich  weit  war  /  vnd  damit  er  heimlichen 
sdie/  wessen  er  sich  verhielt/  stunde  er  ab/  gab  sem  Pfordt 
dem  Durin  zn  halten  /  vnd  gienge  so  nahend  zu  jhm  /  dasz  er 
jhn  neben  einem  B&chlein  schlaffen  sähe  /  derwegen  er  daselbsten 
still  stand  vnd  seines  erwachens  erwartet  /  aber  sein  schlaff 
wehret  meht  lang  /  sonder  erwachet  bald  darnach  vnd  wischet 
auiT /  als  wenn  er  erschrocken  were  /  damals  war  der  Mon  schon 
vnder/  vnd  die  Soii  ein  wenig  herfur  gegangen.  Nichts  dest 
weniger  setzt  er  sich  wideramb  anff  das  grasz  danider/  fieng 
ein  sehr  erbirmlich  klag  an  /  vnd  sagt  weinend.  0  verblendtes 
vnd  vnbestendiges  gluck  /  stieffmuttcr  der  wolfart  /  Emereiin 
des  vnfals  /  greuliche  feindin  der  IViedfertigkeit  /  erweckerin  der 
kri^g  /  Widersacherin  der  rohe  /  Geleidtsminnin  der  wider- 
wertigkeit/  ach  warum  wilt  du  mich  so  grausam  verfolgen? 
0  verfluchtes  vnd  vermaledeytes  gluck  /  wie  viel  gewaltiger 
Menner  vnd  herrlicher  Lent  hastu  mit  dieser  deiner  wanckel- 
mAtigkeit  angefochten  vn  nidergetruckt?  Ach  zu  viel  wanckel- 
baies  vnd  vngegrAndtes  gl&ck/ansz  was  vrsachen  hastu  mich 
vber  all  andere  furtreffenliche  Bitter  erhebt  vn  erliucht  /  damit 
du  mich  hernach  so  leichtfertig  widerumb  in  abgond  st&rtzest? 
Aber  jetzonder  sehe  vnd  er&re  ich  wol  /  dasz  du  einem 
zn  einer  stundt  mehr  vnfals  vnd  widerwertigkeit  znrftsten  /  denn 
in  taosent  jaren  gnad  /  ganst  oder  guts  erzeigen  magst.  Denn 
da  du  wir  schon  voncfaiener  zeit  was  freud  vnd  wolgefallens 
wideifuren  lassen/  so  hastu  mur  soldie  doch  jetzo  in  einem 


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Angenblick  alle  wictonim  entfkri/  Tnd  mich  in  yberttstiger 
irftbsal  /  die  mir  hAher  denn  der  Todt  selbe  beschwerüeher  / 

verlassen.  Da  du  aber  je  last  gehabt  /  mir  solch  Pancket  zu 
schencken  /  So  soltesta  billich  zum  wenigsten  eins  dem  andern 
gletchmessig  gemacht  vnd  getfaan  haben  /  seitemal  dir  bewnst/ 
dasz  /  ob  du  mir  gleich  zn  andern  Seiten  was  ▼ernAgens  gege- 
ben/ dennoch  solches  nicht  one  angst  vnd  not  mir  zu  theil 
worden.  Also  soltest  dn  mir  anch  jetsmalen  /  benebe  dieser 
gienlicheit/ etwas  hoffbnng  vorbehalten  /  vnd  midi  nit  so  yn- 
barmhertzig  geplagt  haben  /  dasz  anch  alle  die  /  denen  dn 
günstig  /  solches  in  jhro  godancken  nit  fassen  k6ndten  /  Welche 
zwar  /  weü  vnd  sie  solch  vbel  noch  nicht  wissen  vnd  erkennen  / 
den  Ruhm  /  glori  /  pomp  /  pracht  vnd  ehr  /  so  dn  jnen  verleihest  / 
bestendig  /  sicher  vnd  jmmer  wehrend  achten  /  vn  nit  einge- 
denckens  tragen  /  dasz  vber  die  schwere  mhh  vnd  arbeit  /  so 
jhre  Leiber  zn  handthabnng  derselben  vberstehn  /  auch  jre 
Seel  biszweilen  in  grosse  gefahr  der  verdanmisz  /  vn  also  (wie 
man  zusage  pflegt)  auff  der  vbei  thur  gesetzt  stehen.  Derwegen 
da  sie  mit  jren  jnnerlichen  äugen  desz  veistandts  vnnd  ver- 
nnnfft  /  welche  der  alimechtig  jnen  mitgetheilt  /  dein  desz  glAcks 
wanckelbarheit  sehen  vnd  beschawen  kAndten  /  so  wArden  sie 
(vngezweiflflet)  viel  ehe  dein  widerwertigkeit  /  denn  vnbestendige 
wolfart  (ob  die  gleichwol  jhren  begierden  vnd  gelüsten  geniAsz 
vnd  gleichförmig)  begeren  vh  wibdschen  /  denn  durch  dein 
sartigkeit  vnd  scfameichlerey  dn  sie  verfftrest  vnd  verderbst 
vnd  entlichen  dringest  in  den  jrrgang  vnd  Labyrinthen  der 
bitterkeit  vnd  mühseligkeit  zu  gehn/  damit  sie  hernach  nit 
Mfar  heranszkommen  kindten«  Hergegen  aber  so  sind  deine 
widerwertigkeit  vnd  vnglÄcUicher  zustand  nützlich  vnd  fbrder- 
sam  /  dieweil  man  hiedurch  /  da  man  selbige  mit  gedult  wider- 
^ehet  /  alle  begierd  vnd  vnzimliche  gelüst  /  auch  ehrgeitzig- 
1^  iiehet/  zn  der  rechten  erkantnnsz  vnsere  Herrn  Qettee 


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—  408  — 

angereitzt  vnd  von  diesem  aibeitseligen  leben  in  die  ewige 
fread  TDd  gloh  erhebt  w&rdet.   Dessen  alles  doch  vnange- 
sehen/hab  ieh  ToglAcUiaffter  solchen  gaten  heilsamen  weg 
nicht  erwelen  mögen  /  in  bedenckung  /  dasz  wo  gleich  die  gantze 
Welt  mein  vnd  mir  durch  dich  hingenomen  were/  vnd  aber 
ich  allein  meiner  hertsgeliebten  gonst  Tnd  huld  nit  verloren 
hette  /  solches  mich  genugsam  hedAnckt  /  mi^  in  aller  wolihrt 
vnd  gutem  glück  zuerhalten.    Darumb  seitemal  mir  selbige 
entzogen  /  so  ist  auch  vnm&glich  dasz  ich  lenger  leben  kinne  / 
wie  denn  mein  eüdg  hitt/  wdl  es  je  nit  aQderst  daran  /  das» 
ich  allein  geschwind  hinweg  sterben  m6ge  /  vnd  nicht  also 
lang  in  diesem  vnrauth  verzablen  vnd  verdorre  müsse.  Als 
er  disz  ansgeredt/  waltzet  er  sich  anff  dem  grasz  hin  vnd 
wider  /  als  wen  er  in  TodtszAgen  lege  /  nachher  schrie  er:  Ach 
hertz  aller  geliebste  Oriana  /  Jr  habt  mich  durch  euwer  letztem 
Terbott  za  dem  todt  verwundet.   Denn  ich  wU  ewere  Befelch  / 
es  begegne  nur  f&r  gefiüur  darüber  was  da  wftUe/ nimmer 
vbertretten.    Wann  da  ich  solchen  nicht  nachkeme  /  kowlU 
ich  auch  one  das  /  mein  leben  nit  fristen.    Jedoch  weil  ich 
vnnerdienter  sach  also  vnsch&ldig  sterben  mnsz/  so  ist  vmb 
so  viel  desto  mehr  mir  mein  schmertz  vnertrtglich.  Aber 
aeitemal  eucli  duich  mein  absterbe  gnug  beschicht  /  So  bab  icli 
mein  Leben  nie  so  lieb  gehabt /dasz  ich  es  nicht  von  hertzen 
gm  vmb  desz  geringsten  dings  willen  /  so  euch  anm&tig  /  tansent 
mahl  /  wo  muglich  /  in  die  schiintz  schlagen  vnd  auffopffern 
w&lte.   Also  vnd  der  gestalt  /  die  weil  euch  angenem  /  eweni 
zom  wider  mich  anszznstossen  vnd  znnolstrecken  /  so  ist  mir 
das  anch  wol  gefellig  /  da  änderst  jr  allein  von  wegg  meines 
kummers  /  färohin  in  ruhe  seyn.    In  mittels  aber  bisz  euch 
mein  vnschold  bekand  wirdt  /  so  wU  ich  mich  befleissen  /  meine 
vberige  Lebzeit  vollends  in  trawrigkeit  vnd  knmmer  zn  ver- 
oohliessen.   Doch  wirt  mich  allein  disz  anfechten/  dasz  ich 


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—   404  — 

each  /  im  fall  euch  was  leids  oder  TOgUcks  zn  handen  gehen  / 

nit  helflfen  noch  erlösen  mögen  mri.  0  König  Perion  mein 
Herr  vn  Vatter/  was  geringe  vrsach  werdet  jr  habe  /  mein 
todt/  weil  euch  solcher  /  wie  auch  die  mach  desselben  ver- 
borgen /  zu  trawren.  Aber  seitemal  ewre  klag  vnd  trawren/ 
da  jr  schon  dessen  bericht  wdrden  /  mein  anligen  nicht  mindern  / 
noch  mein  Lebai  widerbringen  kindten  /  So  bitt  ich  den  Allmech- 
tigen  irewlich  /  dasz  euch  solcher  vn&l  niffier  geoffenbaret/ 
sonder  ewer  lebenlang  verhalten  /  damit  nicht  erst  ewer  todt 
gefürdcrt  werde.  Auff  disz  schwige  er  ein  kleines/  begundt 
doch  bald  mit  noch  grisserm  seniltKen  zu  sprechen:  0  mein 
anderer  Tatter  Qandales  /  es  bekümmert  mich  f&rwar  anch 
sonders  hoch  /  dasz  mein  widerwertig  glück  nit  zugelassen/ 
euch  die  grosse  gutthat  so  jhr  mir  erzeigt  /  zn  widergelten. 
Denn  ob  wol  mem  Herr  Vatter  mir  das  leben  gegeben  /  so  habt 
jr  mir  doch  solches  erhalte  /  indem  jr  mich  ausser  dem  vn- 
gestümen  Meer  /  da  ich  schier  in  der  ersten  stundt  meiner  ge- 
hurt Terhissen  worden/  errettet  /  vnd  hemacher  so  ireundtlich 
vnd  wol  /  als  wenn  ich  ewer  eigen  natArlich  kind  /  erzogen. 
Fürwai'  löblicher  König  Arban  /  ich  glaub  dasz  jhr  wenig  ge- 
failens  empMen  werdet/  da  jr  meins  k&mmerhafften  todts 
berichtet.  Doch  zum  wenigsten  wirdt  Angriota  yon  Estmnas  / 
Gillan  vn  ander  vnzalbar  viel  meiner  freundt  vnd  Spieszge- 
sellen  /  euch  diesen  helffen  klagen  vnd  beweinen  /  der  ewer  aller 
so  getrewer  freundt  Bruder  vn  Diener  gewesen  ist  Adi  liebe 
Mume  vnd  Schwester  Mabila  /  wie  hab  ich  es  vmb  euch  /  noch 
vmb  die  Jungfraw  ausz  Denmarck  verdient  /  dasz  jr  mich  also 
in  dieser  grossen  not  yerlassen?  Hieuor  habt  jr  mich  offtermals 
vor  dem  todt  erhalten  /  ynd  jetzunder  (ob  ich  euch  gleich 
meins  wissens  /  nie  erzÄmet  noch  beleidiget)  machet  jr  mich 
den  tribut  vnd  zinsz  zu  bezalen  /  in  dem  jr  zu  meinem  todt 
Terwilliget  /  dasz  memo  zuuor  eingenomene  freud  tewer  gnug 


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—   405  — 


gekauift  worden.  So  habt  jr  f&rwar  ein  solchen  Bitter  an  mir 
gehabt/der  sich  in  der  not  f&r  eaeh  aofigeopffert  hetto/  aber 
nichtB  deet  minder  so  ftrchtet  jhr  ench  nicht  s&nden  daramb/ 

jn  jetzt  zuveilassen.  Daher  ich  nu  glduh  vnd  schliesse  /  weil 
ewer  hulif  mir  versagt  vnd  abgeschlagen  /  dz  auch  der  Himel 
ynd  die  erden  mein  vndergang  begeren  /  dessen  ich  denn  /  weil 
es  je  nit  änderst  gesem  kan  /  wol  zufrieden.  In  dessen  als 

Gandalin  vnd  Durin  dieser  klag  zuhorchten  /  weineten  sie  /  zu- 
gleich er /ausser  hertzliche  mitleiden  gantz  bitterlich. 

Das  XVI.  Gapitel. 

DRey  tag  lang  nach  croherung  oder  gewinnung  desz 
Schwerts  vnd  Krdntzlins  /  blieb  der  Dunckelh^bsch  bey  iV  Prin- 
cessin  Oriana  zu  Mireflor  /  vnd  den  nadifolgenden  yierdten  / 
Tngefefarlidi  zu  mitiemacfat  /  nam  er  vrlaub  von  jr  /  vnd  als 
er  armiert  vnd  allerdings  gerust  /  ritte  er  die  gantzo  nacht. 
Nun  hette  er  dem  £nil  befohlen  /  sein  in  einem  Schlosz  /  so 
mderst  am  Beig  läge  /  dab^  die  Schlacht  geschehen  solte/  zu 
warten  /  dasselbig  Schlosz  war  eines  alten  Ritters  Albradan 
genannt  /  darinnen  dann  allen  auszlendischen  Eittern  /  wann  sie 
eiynkeren  theten/alle  ehr  vnd  gute  tractation  widerfiihre  /  sel- 
bes naoht  sohe  der  DunckelhAbBch  zu  nechst  an  desz  Einig 
Lisuarts  LAger  hin /vnd  ward  doch  nit  gesehen  /  vnd  ritte  so 
lang  dasz  er  den  f&nfften  tag  in  ermelts  Albradaos  Schlosz 
^ynritt/allda  er  den  Enil  fimd  /  welcher  onlang  damor  dahin 
ankommen  war.  Treffentlich  wol  lieez  der  alt  Bitter  den 
Dnnckelhübschen  tractiren  /  vnnd  als  sie  also  allerley  mit 
einander  sprachien  /  kamen  desz  alten  Kitters  zween  Vetter  / 
die  waren  an  dem  ort  gewesen  /  da  die  Schlacht  sein  solte  / 
die  zeigten  jnen  an  dz  der  Einig  Gildadan  vnd  sein  hauff  al- 
bereit  allda  ankommen  weren  /  vnd  hetten  jre  Zelten  am  gestad 
desz  Meers  aufgeschlagen  /  eben  hetten  sie  auch  alda  den 


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—    406  ^ 

Grumedan  /  Ynnd  Giontes  desz  Königs  Vetter  lunden  /  die  betten 
mit  Jnen  gehandelt  /  dasz  kein  theil  gegen  de  andern  nichts 
ihiilichs  fbnemmeo /  bisz  an  dem  tag/  da  die  SeUacht  ge- 
schehen solte  /  darzu  solle  keiner  beyder  Königen  /  melir  nit  dann 
hundert  ßitter  mit  bringen  /  in  raassen  beiderseits  gesprochen 
vnd  geschworen  worden.  Liebe  Vettern /sagt  der  Haosiherr  / 
was  haltet  jr  von  cÜesen  Irllndem  /  die  Qott  Terflnche  /  Lieber 
Vetter  sagt  jren  einer  /  sie  haben  bey  sich  so  viel  Eisen  /  dasz  / 
wann  Gott  der  Hürr  vnserm  frommen  König  nit  wunderbarlich 
hilff/so  ist  es  vnmÄglidi  dasz  er  jnen  widerstehen  m6ge. 
Alsdann  fieng  der  alt  jr  Vetter  an  zn  weinen  vnd  sduie/O 
Allmächtiger  Gott  /  gib  nicht  zu  so  es  dein  Gottlicher  will 
ist  /  dasz  der  frombst  vnd  gerechtest  Konig  der  weit  /  in  ge- 
walt  vnd  hende  dieser  yngttckselige  art  gerate.  Lieber  Hanss- 
herr  /  antwortet  der  Dnnekelhtbsch  /  erschreckt  noch  nicht/ 
dann  oft'ternialen  das  recht  vnd  die  billigkeit/  den  stoltz  vnd 
pracht  der  sterckesten  vberwindet  Ich  bitt  euch  aber  jr 
wollet  zum  König  reitten  ?nd  jm  anzeigen  /  wie  dasz  in  ewerm 
Hansz  ein  Bitter  sey  /  der  Danckelhibsch  genant  /  der  jn  bittet  / 
er  w6lle  jm  durch  euch  den  tag  autl'  welchen  die  Schlacht 
gesehen  solle  /  zu  wissen  machen.  Wie?  sagt  der  alt  /  seid 
jhr  der  /  der  newlidi  den  Herrn  Quedragant  an  seinen  Hof 
geschickt  /  vnd  den  Risen  Famongomad  vnd  sein  Sone  /  als 
sie  das  Frewlin  Leonora  vnd  jre  Ritter  fiengen  /  vnd  gebunden 
wegf&rten  /  get6dtet  haben.  .  Bey  Qott  Herr  /  so  idi  je  den 
anszlindischen  Bittem  was  gnts  gethan  habe  /  so  halte  leh 
solches  nicht  vmbsonst  angelegt  seyn/ weil  jetzund  mein  Hausz 
dmrch  euch  geehret  wird  /  wil  ich  auch  dasjenig  gutwillig  ver- 
riditen  so  jr  nur  befolen  habt  Sasz  anch  damadi  alsbald 
zn  Rosz  /  vnd  nam  mit  sich  mehr  bemelte  söne  beide  Yettero  / 
vnnd  kamen  zum  K6nig  geritten  /  der  hatte  sich  vngefehrlich 
ein  halbe  meil  wegs  von  semen  Feinden  gelegert  /  deme  er  an- 


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—  407  — 

zeigt  /  was  jhm  der  Dunekelliubsch  zu  verrichten  befohlen 
lieite  /  dessen  sie  alle  wol  zu  mui  Tnd  £r6lioh  wurden.  Darauff 
aaeh  der  König  aiitw<nrtet  /  weil  wir  den  Donckellii^bschen  atiif 
Vilser  Seiten  haben  /  so  hoff  ich  auch  wir  wollen  vnser  von 
Laben  mit  ehren  hinauszbringen.  So  ist  auch  die  anzal  der 
hundert  Bitter  wo]  erfüllt  /  wann  wir  noch  einen  hetten,  Qne- 
digster  Herr /sagt  Qmmedan/jr  haben  deren  Tber  die  anzal/ 
dan  Dunckelh&bsch  allein  /  wol  als  gut  ist  als  sonsten  jr  fönff. 
Dieser  reden  halben  wurden  Galaor/ Florestan/ noch  Ajjnaies/ 
nit  mfrieden  /  dann  sie  dem  Dunckelh&schen  bisz  aoff  den  Todt 
▼bei  gewolt/ln  bedencknng  dasz  er  jres  Yermeinens  dem 
Amadis  sein  gut  lob  und  ruiii  zu  nichten  machen  thet/ Jedoch 
schwiegen  sie  still.  Als  aber  Albradau  widerumb  von  dem 
Einig  antwort  bekomen  hatte  /  ritte  er  wider  za  seinem  Gast  / 
?nd  aeigt  ]m  nach  lengs  an /was  frende  jeder  menniglich 
empfangen  /  von  wegen  der  guten  zeitung  so  er  jnen  von  jm 
gebracht  hette  /  vnd  dasz  an  der  anzahl  der  liundert  Kittera 
nidit  mehr  dann  einer  mangeln  thet/ Als  na  der  £nil  solches 
▼emam/  sacht  er  mittel  ynd  wege  dasz  er  seinen  Herrn  be- 
sonders antreflfen  m6chte  /  vnnd  kniet  vor  jm  nider  /  vnd  sagt : 
Mein  Herr  /  ob  wol  ich  euch  so  wol  nicht  gedient  /  als  ich 
biUich  gethan  haben  solte/Hab  ich  doch  nit  vnderlassen 
ktnnen  each  omb  ein  gab  zu  bitten  /  der  mzweiffenlichen 
hoffnung  /  jr  werdet  mir  solche  nit  abschlagen.  Beger  was  du 
wilt  /  antwortet  er  /  vnd  stehe  anff.  Mein  Herr  /  sagt  Enil  / 
mein  bitt  ist /wollet  mich  zn  Bitter  schlagen /so  wil  ich  fol- 
gends  zum  Eftnig  reitten  /  ynd  jhn  bitten  /  dasz  er  mich  Ar 
den  hundersten  Ritter  annemmen  wolle.  Enil  mein  Freundt/ 
antwortet  der  Donckelh^bsch  /  meins  erachtens  soltesta  dein 
Bittetschafflt  an  ort  Tnnd  enden  woiig  gefiurlicher  anfiihen  za 
bewdsen  /  dan  in  diser  schlacbt  /  nit  deszhalben  /  dasz  ich  dich 
nit  zu  Bitter  schlage  wolle  /  diese  bärde  mochte  dir  aber  zu 


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—   408  — 


schwer  werden.  Mein  Herr  /  sagt  Enil  /  ich  weisz  dasz  ich 
mein  tag  nit  besser  gelegenheit  haben  würde  ehr  za  erlangen  / 
dann  wo  gleich  ich  vnder  so  viel  ehrlichen  Leuten  vmbko&e  / 
80  wird  mem  lob  desto  grhaaer  /  komme  ich  aber  davon  /  so 
erlange  ich  einen  ewigen  rühm  /  dasz  ich  in  der  anzal  der 
hundert  besten  Ritter  der  gantzen  weit  gewesen  bin.  Als 
nun  der  DonckeMbsch  den  Enil  also  dapffer  hiret  reden/ 
ansi  sonderer  lieb  vnd  mitleiden  so  er  ab  jn  heite  /  sagt  er 
lenis  bey  jm  selbs  /  du  gibst  wol  zu  erkennen  /  dasz  du  desz 
guten  Bitters  Gandales  (meines  andern  Yatters)  yerwandter 
bist/ Darauf  er  auch  zu  jhm  sagt:  Hastu  so  eiiien  groBseo 
lust  darsu/als  du  angezeigt  /  wil  ich  dich  nicht  dauon  abwen- 
den /  Gieng  auch  alsbald  zu  seinem  Wirth  /  vnd  bat  jhn  /  er 
wilte  jm  t&r  seinen  Diener  ein  B&stung  geben  /  dann  er  wolt 
EU  Bitter  werden  /  welches  er  Yerwilliget/  derhalben  Enil  die 
gantze  nacht  in  der  Capel  wachet  /  vnnd  morgens  so  baldt 
der  tag  angieng  /  vnd  er  Mesz  gehört  /  wurd  er  durch  den 
DunckeMbsche  zu  Bitter  geschlagen  /  Darauf  sie  auch  alabald 
zu  Bosz  sassm  /  vnd  beleiteten  sie  jr  Hauszwirth  vrnid  seme 
beyde  Vettern.  Als  sie  nun  in  desz  Konig  Lisuarts  Lager 
ankamen  /  hatte  der  König  allbereit  sein  Schlachtordnung  an- 
gestellt/bereit seinen  Feinden  entgegen  zuziehen/  weldie  sein 
in  emem  ebnen  feldt  warteten.  Da  nun  der  Einig  den  Dunekel- 
hübschen  sähe  /  ward  er  sehr  erfrewet  /  also  dasz  menniglichen 
vnder  dem  hauffen  das  hertz  dauon  wuchsz  /  n&hert  sich  also 
zum  Kftnig  vnnd  sagt  jm:  Gnedigster  Herr  ich  komme  danunb 
das  jeoig  zuhalten  /  so  ich  versprochen  /  bring  auch  mit  mir 
noch  einen  Ritter  /  dann  ich  bin  bericht  worden  /  dasz  Ewer 
Maie  anzal  nicht  gantz  sey  /  Dessen  sagt  jm  der  König  son- 
ders hohen  danck.  Vnd  wiewol  keiner  vnder  den  Hunderten 
gewesen  /  der  nicht  zuuor  bewehrt  /  vnd  vnder  den  besten  / 
berumet  gewesen  /  Noch  dann  aber  fieng  der  König  an  (nach 


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409  — 

dnn  «r  sem  SchbMihtordniuig  gemacht  /  vimd  sähe  seine  Fond 
nahen)  vnd  thet  Jnen  nachfi>lgende  rede:  Liebe  Freund  vnd 

Gesellen  /  ich  zweiffei  nicht  /  es  sey  ewer  keiner  verhanden  / 
der  nit  gut  Wissens  trage  /  dasz  wir  diese  Schlacht  /  mit  guten 
fugen  Ynnd  recht  f&rgenommen  haben  /  sonderlich  die  ehr  vnd 
Reputation  desz  Kinigreichee  Engellandt  zaerhalten  /  welche 
der  König  Cildadan  vnd  die  ausz  Irlandt  vernichten  /  in  dem 
dasz  sie  den  Tribut  oder  Schätzung  /  so  sie  je  vn  allwegen  ?n- 
sem  Yoieltem  /  von  wegen  der  grossen  gntthaten  so  sie  toq 
Jhnen  yorzoten  empfengen  habra  /  gegeben  /  nicht  mehr  reichen 
w6llen.   So  weisz  ich  auch  gnugsam  /  dasz  ewer  keiner  nicht 
ist  /  der  nicht  behertzt  vnd  mutig  sey  /  darumben  on  von  n6ttffli 
euch  weiter  wider  die  jenigen  /  mit  denen  jr  msciiaffon  haben 
werdet  /  zuTormanen  /  weil  jr  die  ehr  vor  angen  habet  /  die 
euch  auch  lieber  ist  /  dann  hundert  leben  /  so  m&glich  were  / 
eiDB  nach  dem  andern  zu  Terlieren.  Derwegen  liebe  Freundt/ 
lasset  vns  dapihr  za  jnen  treten/vnd  nicht  ansehen/  dasz  sie 
vnder  jnen  etliche  Risen  so  greuszlich  vnd  voll  bluts  /  Dann 
der  Mann  wirdt  von  wegen  seiner  grossen  vnbehobelten  gliedern 
nicht  desto  mehr  gerhimbt/ sonder  ymb  seines  dapfem  Tnuer- 
zagten  Herteens  Tnnd  gemto  wiUeii  /  Jhr  sehet  anch  ciR 
dasz  ein  windt  den  Ochsen  niederreiszt  /  desgleichen  den  Sper- 
ber oder  Blawfusz  den  Weihen  schlagen.    Vnsere  Feinde  ver- 
lassen sich  anff  die  stercke  /  Tnnd  gewalt  dieser  Monslroen/ 
Tnangesehen  dasz  sie  vnrecht  Tnnd  kein  reditmessige  vrsadi 
haben  /  So  vertrawen  wir  nu  auch  dem  barmhertzigen  gutigen 
vn  Allmechtigen  Gott  /  welcher  als  ein  gerechter  vns  die  krafft 
Tnd  stercke  Terkihen  wirdt  /  jnen  obznsigen  /  So  lasset  m 
kecUich  an  sie  /  vnd  halte  ein  jeder  von  jhm  selbs  er  sejr 
gnugsam  den  allerf&rtreffenlichstcn  vnder  jnen  zu  vberwinden. 
Dann  ich  sage  euch  f&r  gewisz  /  so  wir  diesen  tag  die  schlacht 
erobern/ dasz /Tber  das  ?nser  lob  ?nnd  rhnm  m  der  gantzen 


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—   410  — 


weit  erschallen  wiidt  /  aach  Tnser  Feindt  keiner  sich  gegen 
ms  mebr  regen  /  oder  in  ^ngntem  aasehen  d&ilSBn.  Also  err 
manet  der  K6nig  Lisaart  seine  Ritterschafft  /  Vnd  anderweris 
thet  der  Konig  Cildadan  weniger  nicht  gegen  den  seinen/ 
dann  er  ritt  von  dnem  glied  zun  andern /vnd  ermanete  sie/ 
sagend:  Edle  Bitter  ansa  Irland  /  so  jr  vermercket  ans  waa 
vrsachen  jr  mit  dem  Feindt  streitten  sollet /so  ist  keiner  vn- 
der  euch  der  nit  seinen  Vortfarn  verweisen  thet  /  dasz  sie  solch 
l6UiGh  flümemmen  so  lang  anstehen  lassen.  Die  E&nige  ansi 
Sngellandt  haben  als  Tyrannische  Vsnrpatores  (mdit  aUem 
wider  jre  Vnderthanen  vnd  Nachpaum)  hieuor  ohne  rechtmessige 
vrsachen  /  auff  vnseie  Vorfai  en/ein  solchen  Tribut/ wie  jr  wisset/ 
vnd  offlmals  bexalt  haben  /  schhigen.  Derw^gen  wir  vns  allhie 
▼ersaffilei  /  vnd  ansamen  kommen  seyn  /  solch  Joch  Ton  vns  ni 
legen  /  vnd  wideiumb  frey  zu  machen  /  welche  freyheit  mit 
einigem  gelt  nicht  kan  bczalt  werden  /  es  ist  ewer  eigen  sach 
vnd  recht/  vnd  nich  allein  Eawer  /  sonder  andi  ewer  Kinder 
vnd  Nachkommen  /  so  bisshieher  von  denen  (so  jhr  begierig 
sehet  /  euch  fenner  in  seruitut  vnd  dienstbarkeit  auch  vnder 
dem  Joch  zu  zwingen)  f&r  leibeigen  vnd  dienstbar  gehalten 
wordenseyn.  WöUet  jr  dann  f&r  nnd  f&r  solcher  geatalt  leben / 
wtUet  jr  [in]  diesen  Joch  biss  anif  ewem  Nachkommen  verharren  / 
seid  jr  weniger  behertzt  oder  minders  Staudts  als  ewere  Nach- 
pauren  /  Ach  so  wir  obsigen  /  müssen  sie  vns  wider  heraosa- 
geben  was  ae  von  vns  empfimgen.  Ich  bin  auch  gowin/ 
dasE  vns  das  glAck  gAnstig  ist  /  dann  jhr  sehet  wie  yiel  ehr- 
licher Leut  vns  zu  hu  Iii'  kommen  /  die  vnsers  befügten  rechtens 
wol  bericht  vnd  verstendigt  s^en/Imcket/ Trucket  daraoff 
jr  Edle  Bitter /  dann  ich  sihe  also  haar /dasx  d*  Kinig  Idsoari 
ynd  die  seinen  in  zweiffei  stehen  /  ob  sie  fliehen  sollen  /  sie 
sagen  sie  seyen  gewonet  obzusigen  /  so  wolle  wir  sie  jetzund 
gewenen  vnder  an  Ilgen.  Emes  will  ich  euch  aber  ermant 


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—  411 

haben  /  daas  ein  jeder  aaineiii  geseUen  helfe  vnd  zuapriBge/ 
Tnd  so  nahe  bey  einander  halten  /  als  jr  jmmer  kennen.  Ynd 

lenger  hette  er  mit  jnen  geredt  /  so  er  den  König  Lisuart 
nicht  bereit  gesehen  hette /jn  anzugreifien.   Derwegen  stellet 
er  aich  In  mitten  seiner  Ordnung  /  vnd  schrie  zimlich  laut: 
Wolanff  an  sie  /  weil  sie  Inst  danon  m  fressen  haben  /  aoft 
solch  geschrey  liesz  ein  jeder  sein  Visier  ab  /  vnd  stelleten 
sich  als  vnoerzagie  Leat  /  Vnd  jhnen  za  beg^en  /  stelleten 
sidi  znnordeist  der  DunckelhAbsQh/ ?nd  Enü  sem  gesell/ 
Galaor  /  Agraies  /  Florestan  /  Gandalac  der  Riesz  /  welcher  den 
Galaor  /  als  er  nur  zwey  jirig  war  /  wegstale)  mit  sampt  zweyen 
seinen  Sinen/Bramandil  vnd  Gannns  (welche  Galaor  newlich 
zn  Bitter  geschlagen  hette)  Damadi  Nicoran  ?on  der  sdiredk- 
lichen  Brucken  /  Dragonis  /  Palomir  /  Viuorant  /  Giontes  des 
K6nigs  Vetter  /  der  weitberhimbt  Bruneo  yom  guten  Meer/ 
Branfil  sein  Bruder/ vnd  GniUan.  Diese  alle  ritten  nach  dem 
alten  Gmmedan  /  welchiHr  dess  Kinig  Lisnari»  Hof  Fahnen 
führet.    Auft'  desz  Königs  Cildaduns  suiten  ritten  zu  förderst 
die  grausamen  vnd  vngeheuren  groszen  Bisen  /  mit  sarapt 
zwentzig  gnten  vnnd  mannlichen  Bittem/  alle  desz  Einig 
Gildadans  nahe  frennde  vnd  verwandten  /  weldier  als  ein  Ar- 
sichtiger  Oberster  vnnd  Haupt  den  Kiesen  Mandafabul  vom 
Bosinfarben  Thum /mit  sampt  noch  zehen  der  fürnembsten 
Bittem/ jhies  hanffens/anff  ein  BÄhel  allemechst  dabegr  Ter- 
erdnet/mit  dem  befelch  von  dannen  nicht  zn  weichen /bisz 
sie  gewisz  sehen  würden /dasz  desz  Königs  Lisuarts  beste 
Bitter  /  gantz   m4d  vnd  nicht   mehr  möchten  /  folgends 
danuiif  zn  hanwen/vnd  jhren  kems/anch  desz  Kinigs  person 
nicht  zn  verschonen  /  jhn  gefangen  neffien  /  oder  da  sie  jhn 
groszen  widerstand^  halben  /  nicht  fahen  oder  dauon  in  jre 
Schiff  bringen  k6ndten  /  jhn  vmbzubringen  /  Auff  solches  ruckten 
begrde  hanfbn  zusammen  /  vnnd  griffen  emander  dapffer  an  / 


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—   412  — 


AlBdann  bette  man  sehen  Spiesz  brechen  /  fiitter  vmbst&rtien  / 
Harnisdi  zerschlaben  /  arm  yfi   glieder  abhawen  /  eüidie 

schreyn  /  vnd  etliche  durch  das  getreng  brechen  /  also  /  dasz 
solcher  Tag  /  ein  tag  desz  Zorns  vnd  schmei-tzens  für  die 
jenigen  so  da  gewesen  /  genent  mftgen  werden  /  vnd  wehret 
solcher  streit  so  lang/dasz  der  tag  mehrertheils  Arftber  war/ 
ehe  einiger  vnder  jhnen  mochte  ein  wenig  sich  wider  erholen 
vnd  Athem  fassen  /  zu  dem  auch  so  heisz  gewesen  /  dasz  beyde 
Bitter  vnd  Pfordt  yber  die  massen  lassz  ?nd  m&d  waren/ 
etlicbe  lagen  auff  der  Walstatt  /  vnd  die  andere  denen  weniger 
schaden  begegnet  /  waren  so  schwach  vnd  abgearbeit  /  dasz  sie 
kaom  zn  Bosz  sitzen  kondten.  Zur  derselbigen  stnndt  besorgt 
d«r  Dnnckelb&bsch  /  die  seinen  mlchten  die  Sehhudit  yerlieien/ 
derwegen  er  sich  mehr  dann  zuuor  gebrauchet  /  traff  auch 
keinen  IrlAnder  oder  Risen/dem  er  nicht  das  lauter  blut  vom 
leib  fliessen  machte/  Za  nechst  bejr  jm  hielt  sich  der  Gross* 
mechtige  Kinig  Lisnart  /  welcher  wol  sehen  liesz  mit  was 
dapflferkeit  vnd  mannlicheit  er  begäbet  war  /  So  ist  jm  auch 
wol  wissend  vnd  vnverborgen  gewesen  /  was  jm  /  K6nig  Lisuart/ 
an  dieser  gransamen  vnd  grossen  Schhicht  gelegen /Dann  so 
er  verlAstig  /  wftrde  er  ymb  sein  Etnigreich  /  leben  /  ehr  /  gnt 
vnd  gefier  vnd  alles  kommen.  Darurab  er  auch  seiner  eig- 
nen person  nicht  verschonet  /  sonder  trang  dermassen  auff  seine 
Feinde/  dasz  sein  rechter  Arm  von  der  Feinden  blut/  so  er 
dnrch  die  scherpffe  seines  schwerts  vrabbracht/  bedecket  war. 
Gleicher  gestalt  Agruios  /  Galaor  vnd  Florestan  /  als  sie  gleich 
von  anfang  gesehen  betten  /  welcher  massen  sich  der  Dunckel- 
h&bsch  gebraucht/  vnd  was  Ritterlicher  thaten  er  wider  jre 
Feinde  verbradit  /  ?nd  anszrichten  thete  /  fintscMossen  sich 
die  jenigen  /  so  jm  lange  zeit  miszgunstig  gewesen  /  zu  sterben  / 
oder  meniglichen  zu  erkeüen  zu  geben/  dasz  sie  so  wol  oder 
basz  als  er  /streitten  k6ndten/  also  dasz  solch  vibmnst  znm 


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—   413  — 


theil  Terorsachet  /  dasz  sie  sich  dermassen  gebrauchten  /  also 
dasz  sie  schier  alle  dar&ber  gaogen  weren/  Dann  Galaor  als 
em  Uw  I  so  man  verfolgt  /  erhitziget  /  mitten  vnder  die  Bisen 
raiit  /  vnd  traft  an  den  Cartadaque  /  den  Risen  desz  verbottenen 
Bergs/  welcher  mit  einer  Mordaxt  mehr  dann  sechsz  desz 
Einig  Lisnarts  Bitter  zn  seinen  FAssen  gesttrtzt/ Wiewol  er 
von  emem  streiche  /  so  jm  Florestan  geben  hette  /  in  einer 
Schultern  /  dadurch  er  viel  Bluts  verlöre  /  sehr  verwundet  war  / 
Da  nihert  sich  Galaor  zu  jm/  vnd  von  allen  seinen  krifften 
scblng  er  jn  anflT  das  hanpt/  also  dasz  er  jm  das  Helmlin 
ejmschlug  /  dauon  das  Schwert  glitschet  /  vnd  jm  das  Ohr  ab- 
hiewe  /  sanipt  dem  Helft  seiner  Axt  /  zu  aller  nechst  bey  der 
Faosi/Derwegen  als  der  Biese  sein  Waffen  verloren  gehabt/ 
tniog  er  anff  den  Galaor/  vnd  erhebt  jhn  ansz  dem  Sattel  mit 
aller  stercke  /  vnd  nam  jhn  in  seinen  Armen  /  vnd  trucket  jhn 
also  hart  /  dasz  man  leichtlich  seine  Bein  hett  krachen  hören 
kennen/  Jedoch  mocht  sich  der  Bise  so  fest  nicht  halten/ 
sonder  fiel  mit  dem  Galaor  zn  boden.  Dammb  Gabor  (welcher 
sein  Schwert  noch  in  der  Faust  hielte)  mittel  vnd  wege  fand  / 
dasz  er  dem  Bisen  dasselbig  durchs  Visier  /  so  tieif  ins  Haupt 
eynstiesz  /  dasz  er  danon  starb.   Galaor  aber  nach  dem  er  sich 
▼nder  dem  Bisen  herf&r  risse  /  ward  er  dermassen  athem  losz 
vnd  schwach  /  dasz  er  sein  Schwerdt  nicht  kondte  ausz  desz 
Bisen  Haupt  ziehen  /  vnnd  das  noch  mehr  /  ward  er  dermassen 
von  den  Pferden  zertrackt  /  dasz  er  verneint  vnter  jhren 
FAssen  zn  sterben.   Dann  mancher  gnter  Bitter  beyderseits/ 
der  jren  streit  vnd  gefahr  gesehen  /  hatte  sich  genehert  jhm 
zu  helffen/ danmib  an  solchem  ort  der  streit  grosz  vnd  hefftig 
war.   Dann  der  Einig  Oildadan/  welcher  ein  jeden/ so  jhm 
ankam  /  den  Sattel  lehret  /  anch  darzn  kam  /  vnd  so  jhn  der 
Dunckelhubsch  nicht  mit  dem  Schwerdt  zu  boden  geschlagen 
bette/  were  der  Gahu)r  darzumal  erschlagen  oder  gefangen 


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worden.    Dft  nun  er  den  Kbmg  Cildadan  ni  eeben  Fteen 

%eTi  sähe  /  erwüscht  er  sein  Schwert/ vnd  wehret  sich  so 
dapffor  /  dasz  jm  seine  Feinde  ranm  lassen  mosten  /  Jedoch  be- 
wegt er  ridi  demuusen/  dasE  jm  der  Athem  ragieog/  vnd 
fiel  stracks  den  langen  weg  anff  der  Wahlstatt  nider  /  vnd  reget 
weder  Hende  noch  F&sse/  gleich  als  were  er  todt  gewesen. 
Daran  kam  der  Bise  Qandalac/ welcher  jn  Ton  jngendt  aoffiei^ 
zogen  bette/  vnd  ward  daroon  so  vmnfttig/  dasz  ansz  grossem 
zora  er  sich  zu  Albadanor  einem  andern  Risen  /  machet  /  vnd 
gaben  einander  so  manchen  schlag  mit  jhren  Streitäxten  /  dasz 
sie  vnd  jhre  Pferde  zn  Mm  fielen  /  vnd  fiel  der  Albadanor 
einen  Arm  /  vnnd  Gandalac  den  einen  Scbenckel  ab  /  Sie  wur- 
den aber  nicht  allein  vbel  vertheilt  /  sonder  man  hette  auff  der 
Walstatt  melir  dann  hundert  vnd  zwentzig  Risen  vnnd  lüttem 
sehen  Ilgen/  vnd  war  nocb^  nicht  viel  vber  Mittag.  Als  vm 
Manda&bnl  der  Bise  ansz  der  Insel  desz  Bosinfiurben  Thuns  / 
(welcher  auff  dem  Böhel  verordnet  gewesen  /  von  dannen  nicht 
zu  weichen  /  bisz  dasz  die  Schlacht  am  hefftigsten  sejn  würde) 
ersähe  dasz  so  viel  Bitter  todt/  verwnnd/  vnd  abgearbeitet 
waren  /  gedacht  er  seinem  voihaben  ein  ende  zn  geben  /  vnd  es 
were  jhm  leicht  den  vberigen  obzusiegen.  Deszhalben  beweget 
er  sich  mit  seinen  Rittern/  vnd  rannte  mitten  am  dicksten/ 
seinen  Biitem  znschreiend:  Sehet  zn  daez  kemer  lebendig  damoo 
komme  /  Sondern  jaget  sie  alle  durch  die  schirplFe  des  Schwerdts. 
So  viel  mich  antrifft  behalte  ich  mir  den  K5nig  Lisuart 
benor/  lebendig  oder  todt  Dien  geschrey  h&rte  menigUch/ 
sonderlich  der  BnnckelhAbsGfa  (welcher  erst  ein  flfisoih  Pfordt/ 
so  jhm  seines  Wirts  Vetter  auffgehalten  hette  /  genommen  / 
vnd  darauf  gesessen)  sehr  wol  /  vnd  besorgt  der  Rise  würde 
sein  flmemmen  ins  werck  richten  /  Derwegen  er/  AgiaisB  / 
Flomtan /Bmno  vom  guten  Meer /Branail/  Gmllan  der  Tiehter 
vnd  Enil  (welcher  sich  dermassen  Ritterlich  den  gantzen  tag 


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415  — 


gehalten  /  dasz  jhm  deszwegen  grosz  lob  nachgesagt  ward) 
stdUeteo  sich  fdur  den  König  /  ?nd  empfiengon  den  Mandatonl 
besser  dann  er  selbs  Termeint  hette  /  Dann  als  sie  henn  naheten/ 
ritte  der  Saimadan  der  Lew  desz  Konig  Cildadans  Vetter  vnd 
fbmemst  Bitter  in  seinem  Geschlecht  ausz  der  Ordnung/  vnd 
rennt  eben  stracks  vnd  so  eben  anff  den  DunokeMbsob  /  dass 
er  jhn  in  mitte  seines  Sddlts/  antiaff/  Tnd  yerwnndet  dodi 
nicht  sehr.    Aber  im  f&rziehen  schlag  der  Dunckelhübsch  nach 
jhm  neben  hin  /  Tnd  traf  jn  dermassen  auff  das  Visier  /  dasz 
er  jn  beyde  Augen  mid  das  Angesicht  entawey  banwet/  vnd 
stracks  anif  den  boden  todt  niderfiel/  dessen  MandaMnl  Tnd 
die  seinen  gar  grosses  leid  empfiengen  /  vnd  derwegen  auflf  desz 
K6nig  Lisoarts  Bittem/  mit  solchem  grimmigen  zom  /  trangen 
vnnd  sohlngen/dass  Tnangesehen  sie  sich  Mannlich  Tnd  Bit- 
terlieli  wehreten  /  ergriffe  dannooht  der  Mandafiibnl  den  Einig 
Lisuart  bey  dem  Bingkragen  /  vnd  hub  jn  vom  Pferde  /  trug 
jn  vnder  seinem  Arm  /  vnd  rant  mit  jhm  damon  zu  seinen 
Scfaiffien/Der  Dunekelh&bsch  aber  ersähe  solches/ vnd  rante 
binnaeh/ynd  ereylet  jn  /  vod  schlag  den  Bisen  anff  den  Arm  / 
also  dasz  er  jm  denselben  neben  dem  Einbogen  entzwey  ab- 
hiewe/also  dasz  von  solchem  streich  der  Einig  auch  so  sehr 
verwundet  /  dasz  jhm  das  Blut  biss  auff  die  Erden  abrann/ 
Der  Mandafabul  liesz  ein  laut  geschrey  /  vnd  endet  alsbald 
darauff  ma  leben.    Derszwegen  als  der  Dunckelhübsch  sähe/ 
dasz  sein  streich  so  wol  angai^n/  dasz  er  ein  solchen  Bism 
vmbbraebt/(  audi  eben  damit  den  Einig  erlediget  hetto/  fieng 
er  an  vber  laut  zu  schreyen :  Gallia  /  Gallia  /  Ich  bin  Amadis  / 
vnd  lebe  noch  /  Vnd  als  er  solches  geredt  /  rant  er  vnder  die 
Feind  /  die  gar  nahe  kein  herta  mehr  betten  /  sonderlich  weil 
die  swen  itmembsten  jhres  Heers  vmbkommen  waren  /  vnd 
dasz  der  Amadis  (welchen  sie  lengst  todt  gehalten)  jnen  zum 
vngl&ck/  schimpff/  spot  vnd  schaden/  aida  vorhanden  were/ 


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—  416 


hetten  m  die  flucht  geben  /  wann  der  Gandacariel  der  stercke- 
sbdü  BiflOD  einer  /  sie  nicht  anffgehalten  hetie  /  £r  hielt  aber 
fest/  derwegen  der  Amadis  (seing  Bmders  todt/den  er  Ar 
gewisz  gehalten  /  rechen  wolte)  mitten  am  dicksten  vnder  seine 
Feinde  trang/ynd  so  weit  vnder  sie/dasz  er  nicht  mehr 
daoon  koffien  were/so  ferr  jhm  der  Kinig  niefat  zohiliF  kern* 
men  were  /  Dann  er  wider  ein  Pferd  bekommen  /  ynd  bette 
bey  jm  Bruneo  vom  guten  Meer  /  Florestan  /  Guillan  /  Ladasin  / 
Ckdnanes  /  Olinae  /  vnd  der  alt  Gmmedan  (welcher  dee  Kivag 
Idsoarta  Hof  Fahnen  geAbret/  vnd  noch  in  seinen  Eenden 
gantz  zerhawen  vnd  zerrissen  hielte)  Die  alle  dem  Amadis/ 
als  sie  sahen  in  was  grosser  gefahr  er  stecket  (wiewol  sie  alle 
selbst  sehr  verwnndt)  znspmngen/  vnd  an  hJÜff  kamen.  Ynd 
weil  sie  seinentbalben  erfinewet  waren  /  bearbeiteten  sie  sich  so 
viel  /  dasz  vnangesehen  den  grossen  widorstand  /  so  die  Irlender 
theten  /  sie  jme  ansz  sorgen  halffen  /  vnd  im  f&rziehen  traifen 
sie  an  den  Agraies/  Palomir/  Bransil  vnd  Dragonis  /  welche 
mannlich  zu  Fusz  wider  die  jenigen  so  sie  von  Pferden  ge- 
stochen betten /stiitten.  Sie  waren  aber  dermassen  getrengt/ 
dasz  sie  solchem  gewalt  vnd  n&ten  nicht  lange  widerstandt  Üm 
m6gen.  Wiewol  sie  sechs  /  so  wol  Risen  /  als  Irlender  umbge- 
bracht  /  welche  sie  trennen  wolten  /  wie  sonder  zweiffei  sie  von 
jhnen  nidit  abgebissen  hetten  /  so  jhnen  nicht  hAlff  zokonmieD 
were.  Derwegen  die  jenen  so  sie  gewaltigen  wtUen  /  folgendls 
zu  schaffen  gnug  bekamen/  von  da  an  jhren  saclien  rath  zu 
Sachen.  Dann  Amadis  sie  wider  jren  willen  trennet/ vnd  mit 
den  seinigen  dermassen  stritte  /  dasa  er  seinen  Vettern  Agraies 
vnd  seinen  Gesellen  /  wider  zu  Rosz  halff.  Damach  stei  cket 
sich  der  Einig  lasuart  auff  seiner  seiten  wider  /  vnd  wurden 
die  Irlender  dagegen  geschwecht  Welche  aller  hilif  beranbt 
vnd  venBwdfTelt  /  lieffen  jren  Schiffen  zu  /  so  am  gestadt  des 
Meers  hin  vnd  wider  von  den  wellen  getrieben  wurde /desz 


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—  41T 


verraeinens  jren  plunder  dauon  zu  bringen  /  so  jnen  nicht  ge- 
fehlt hette.  Dann  Amadis  /  der  seiner  Yietori  nachhengen 
wolle/ jaget  jom  nach  mit  solchem  zorn/  daes  der  mehier- 
tbeil  der  ^berwandenen  jhr  begrebnnsz  zwiselien  den  wellen 
des  Meers  viel  lieber  dann  im  Erdtreich  von  jrem  blut  geferbt  / 
vn  begossen  /  suchen  wolten.  Da  nun  solches  der  geraelte 
Gandacniiel  (welcher  vnder  allen  Bisen  f&r  den  streitbarsten 
gehaltoi  wafd)  ersähe  /  on  ti/ag  abschenhen  dees  todes  /  so  er 
vor  seinen  aiigen  sähe  /  in  willen  sich  vor  seinem  ende  zu 
rechen  /  fasset  sein  Schwert  in  beyden  Feusten  vnd  wolt  den 
Kinig  Lisoart  erschlagen  haben  /  Florestan  aber  kam  jhm  vor/ 
vnd  gab  jhm  [einen  soldien  Schwertstreich  anlF  das  Helmlin 
dasz  jm  dasselb  vom  Häupt  hinweg  sprang/  Vnd  der  K6nig 
so  nächst  darbej  gehalten  /  säumet  sich  nit/  ?n  also  blosz 
spaltet  er  jm  dasselbig  entzwey.  Anif  solches  ward  das  tod- 
schlagen der  Irlender  gross  /  dann  sie  wurden  alle  durch 
den  Amadis  /  Florestan  vnd  Agraies  zu  boden  gesturtzt  /  welche 
jnen  bisz  an  dasz  Meer  nacheyleten  /  vnnd  trangen  sie  /  diisz 
sie  zwischen  den  wellen  desz  Meers  ersanffen  mosten  /  der* 
wegen  des  Einig  Lisnarts  Yoldc  von  jnen  abliesz.  Vnd  die- 
wdl  der  Amadis  acht  geben  hette  /  an  das  ort  /  da  sein 
Bruder  Galaor  niedergeschlagen  worden  vnd  vmbgefallen/ 
Bäte  er  seinen  Vettern  Agraies  vnd  andere  /  Sie  wolten  jn 
htüSm  suchen  Tnder  den  todten/ Jedoch  betten  sie  jn  nimmer- 
mehr otoit  /  one  Florestan  /  welcher  jn  bey  einem  grftnen 
Ermel  mit  weissen  BlÄmlein  verbremt  so  er  gefuhret  /  er- 
kennet /  Er  war  dazu  mit  blut  vnd  staub  dermassen  bedeckt  / 
dz  sie  alle  jn  kaum  erkenen  mochten/ Vnd  solte  ein  steinems 
hertz  erbannet  haben  /  so  es  gesehen  hette /was  grosser  klag 
vnd  weinen  sein  bruder  Amadis  seinethalben  führet.  Dann 
als  er  jn  in  solcher  gestalt  sähe  /  fiel  er  auff  jhn  so  lang  er 
war  /  also  dasz  seine  wunden  sich  wider  iffheten  /  wieder  welche 


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—   418  — 


das  blut  sich  schon  gesetzt  bette  /  vnd  glaub  dasz  der 
Amadis  auff  jm  vergangeii  were  /  wann  nit  von  vngefehr 
zw^lff  Jongfrawen  sehr  wol  henuin  gestrichea  /  fnd  denen 
jre  edel  Knaben  ein  Ueükli  wol  ragerieht  Bett  «Mdiflreten/ 
kommen  weien  


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Achtes  Capitel 


Znstand  der  Prosadichtnng  in  den  flremdländisciieu  Lite- 
ratoren  am  Ende  des  XYI.  und  in  der  ersten  Hälfte  des 

JLVJLi.  Jahrkimderts. 

Wir  haben  weiter  oben  schon  mehr  als  einmal  Gelegen- 
heit gehabt  zu  der  Bemerkung,  dasz  der  ßoman  die  inter- 
nationalste aller  Diehttuigs^ttaiigeii  sei  Deshalb  soll  hier 
nicht  wdter  an  die  Grflnde  dieser  Eigenihflndichkeit  erinnert, 
noch  auch  besonders  daraof  anfinerksam  gemacht  werden,  wie 
die  in  Rede  stehende  Erscheinung  je  mehr  und  mehr  deutlich 
an  unserer  Gattung  zu  Tage  tritt.  Das  ganze  vorliegende 
Ospitel  wird  eigenüicb  nnr  solche  Thatsacheii  bringen,  welche 
sich  Ton  selbst  miter  diesen  Gesichtspunkt  stellen,  und  der 
Umstand,  dasz  wir  ein  ganzes  Capitel  den  fremdländischen 
Erzeugnissen  auf  dem  Gebiete  des  Komans  zu  widmen  haben, 
ist  dadurch  bedingt,  dasz  jetzt  gerade  deutlicher  als  je  sonst 
der  internationale  Charakter  unserer  Gattung  in  die  Augen 
springt.  Freilich  nicht  allein  aus  in  ihr  selber  liegenden 
Gründen,  sondern  auch  in  Folge  der  bekannten  Wendung, 
welche  unsere  Nationalliteratur  von  den  letzten  Decennien  des 
XYI.  Jahrhunderts  ab  nimmt,  um  sie  das  ganze  XYII.  Jahr- 
hundert hindurch,  ja  tief  bis  ins  XVIII.  hinein  beizubehalten. 
Ich  meine  die  Wendung  zur  Abhängigkeit  ?om  Auslande, 
namentlich  ?on  Frankreich,  Ton  der  wur  zwar  in  Grimmels* 


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—   420  — 


hansens  SimplicianischeD  Schriften  eine  bedeutende  Abweichoog 
werden  zn  bemerken  haben,  die  sich  aber  nichts  destoweniger, 

sowohl  überhaupt  als  insbesondere  für  das  Gesammtgebiet  der 
Prosadichtong  als  der  Charakter  der  Periode  aussprechen  läszt, 
schon  wegen  des  überaus  groszen  numerischen  Uebergewichts 
der  Werke,  wefche  ihn  an  sich  tragen,  ein  Uebergewicht, 
gegen  welches  die  Simplicianischen  Scbriiten  Grimmelshausens 
ihrer  isolirten  Stellung  wegen  doch  nur  um  ihres  inneren 
Werthes  willen  Oberhaupt  geltend  gemacht  werden  können, 
und  dieser  innere  Wertli  ist  denn  doch  wiederum  hauptsäch- 
lich durch  das  Talent  und  die  besondere  Bildungsweise  ihres  Ver- 
jfosseis,  also  durch  subjeciiTe  und  isolirte  Umstände,  bedingt 
Noch  eine  allgemeine,  nicht  sowohl  literarhisterische  als 
culturlüstorische  Bemerkung  wird  hier  gemacht  werden  müssen, 
ehe  wir  unsere  Aufmerksamkeit  den  besonderen  Arten  und 
einzelnen  besonders  charakteristischen  und  einfluszreichen  Wer- 
ken der  Ausländer  zuwenden,  nämlich,  dasz  die  Entstehung 
des  ?on  allem  Mittelalterlichen  g&nzlich  abgetrennten  modernen 
Bomans  der  Zeit  nach  mitder  Feststellung  der  absoluten  Monarchie 
im  Gegensatz  zu  der  Lehnsmonarchie  des  Mittelaltei*s  zusammen- 
fällt. Und  diejenige  Art  des  Romans,  welche  unzweifelhaft 
als  die  Hauptgattung  des  XVII.  Jahrhunderte  zu  bezeichnen 
ist,  der  heroisch -galante  Boman,  st^t  in  einem  mehr  als 
äuszerlichen  und  zufälligen  Zusammenhange  mit  der  Begrün- 
dung der  absoluten  Monarchie  in  Frankreich.  Es  ist  leicht 
zu  sehen,  dasz  auch  in  dieser  Beziehung  der  Amadis  eme 
vermittelnde  Stellung  einnimmt,  denn,  wie  bereite  bemerkt 
worden,  finden  wir  das  Königthum  im  Amadis  bereits  stark 
auf  dem  Wege  zum  Absolutismus  und  den  Lehensadel  im  An- 
fionge  des  XJeberganges  zum  Hofadel,  wenn  auch  nur  durch 
hervorgehobene  Betonung  des  ünterthanenverhältnisses.  Wir 
werden  weiter  unten  hierauf  zurückkommen,  um  mehr  im  Be- 


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—   421  — 


sonderen  die  Bemerkung  zu  machen,  dasz  die  AendeniDg  der 
politiscb-sodalen  Verhftltiusse  in  noeh  maniehfiMheiram  Za- 
sammenhange  mit  der  Gestaltung  der  von  aller  mittelalterlicben 
Tradition  nunmelir  abgelösten  Gattung  steht. 

Der  füi"  die  Iiölioron  Schichten  der  Gesellschaft  berechnete 
Knnatroman  des  XVII.  Jahrhunderts  seig^  dch  in  zwei  Haupi- 
gattnngen,  dem  SchftTeiroman  und  dem  heroisdi-galanten. 
Was  sich  auszer  diesen  beiden  Formen,  die  übrigens  sich  viel- 
fach einander  annähern,  findet,  ist  als  Nebengattung  oder  aber 
bald  als  Vorläufer  späterer  bald  als  Nachzügler  früherer  For- 
men zu  betrachten.  Schäferroman  und  heroiseh-gahinter  Boman 
sind  es,  die  den  Geschmack  der  Zeit  bezeichnen,  sie  sind  es 
auch,  die  von  den  ausländischen  Literaturen  bei  weitem  am 
durchgreifendste  auf  die  deutsche  wirkten. 

Dem  Schäferromane  gebührt  als  dem  älteren  unsere  Au^ 
merksamheit  zuerst,  wenn  auch  sein  höheres  Alter  ihm  nichts 
weniger  als  eine  höhere  historische  Bedeutung  verschaüen  kann. 
Denn  er  und  die  ganze  idyllische  Dichtung  kann  nur  deswegen 
zu  sehr  verscfaiedeneii  Zeiten  in  Aufiiahme  kommen  und  konnte 
nur  deshalb  schon  im  Alterthume,  ja  schon  yor  dem  chissl- 
schen  Alterthume,  erfunden  werden,  weil  sie  einen  durchaus 
subjectiven  und  oft  im  schlechten  Sinne  idealistischen  Charak- 
ter trägt  Jede  idyllische  Poesie  ist  entstanden  aus  dnem 
Bedflrftiisz  höhere  Gnltur  Tertretender  Oesellschaftssdiiditen, 
zur  Betrachtung  solcher  Zustände  zurückzugehen,  die  zu  ihnen 
in  dieser  Beziehung  im  Gegensatze  stehen,  ist  daher  immer 
Xunatpoesie  oder  Poesie  der  Gebildeten  und  für  Gebildete. 
Es  braucht  nicht  hnmer  TJeberdrusz  oder  Krankhaftigkeit  zu 
Grunde  zu  liegen,  blosze  Neigung  zur  Veränderung  der  poeti- 
schen Olyecte,  wie  sie  in  hochgebildeten  Zeiten  und  Kreisen 
sich  immer  sehr  leicht  finden  wird,  genügt  schon,  aber  in 
fielen  Fällen,  zu  denen  leider  die  Entstehung  des  pastoialen 


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—   422  — 

BonuuiB  der  Zeiten,  die  wir  za  betrachten  liaben,  gehört,  hai 
das  Znrflckgehen  auf  das,  was  man  Nator  nnd  Binfeebheit 

nennt,  etwas  Affectirtes,  und  man  geht  deshalb  auf  eine  afiec- 
tierte,  gemaehte,  uinatfirliche  Natur  zurück.  Weil  die  Bil- 
dung der  Zeit  eines  Theokrit  weit  weniger  geeignet  war, 
UebeiTcizung  und  Sehnsucht  nach  dem  üeberspringon  in  eine 
möglichst  entgegengesetzte  Sphäre  zu  erzeugen,  als  die  Zeit, 
wo  sidi  das  absolute  Kömgthum  feststellte,  und  weil  die  Kreise, 
fßat  die  er  scMeb,  weniger  diesen  krankhaften  Erscheinnngeii 
ausgesetzt  wai-en  als  der  spanische,  italienische  und  französische 
Hofodel  des  ausgehenden  XYL  und  des  XYII.  Jahrhunderts, 
waren  seine  Anstrengungen,  zur  Natur  zurflckzugehen,  kam 
ki-ankhaften,  und  er  kam  nicht,  wie  jene  höfischen  Schäferdich- 
ter, so  zu  sagen,  über  die  Natur  hinaus  in  ein  völlig  unreelles 
Arkadien.  Aber  der  die  Gattung  erzengende  Gegensatz  ist 
auch  bei  ihm  vorhanden,  sonst  müszte  nachzuweisen  sdn,  dasz 
Theokrit  nicht  nur  von  Hirten  und  Personen  anderer  an  der 
Höhe  der  Zeitbildung  unbetheiligter  Schichte,  sondern  vack 
Ar  diese  gedichtet  habe,  was  doch  wohl  weder  einem  Philo- 
logen a  posteriori  noch  einem  Aesthetiker  a  priori  gelingen 
dürfte. 

Die  Sdififerpoesie  hat,  wie  das  Beispiel  des  Longns  beweist, 

schon  im  Alterthume  ihre  Fähigkeit  gezeigt,  sich  in  der  Fonn 
der  Frosadichtung  darzustellen.  Im  Mittelalter  tritt  sie  aus 
Gründen,  die  bereitB  früher  entwickelt  worden  sind,  nicht  in 
dieser  Eonn  auf,  auch  ihre  Anfänge  in  der  neueren  Zeit  wen- 
den sich  erst  allmählich  der  prosaischen  Erzählung  zu.  Es 
dürfte  hier  noch  auf  die  Stellung  des  Virgil  aufmerksam  zu 
madien  sem,  welche  dieser  im  Hittelalter  selbst  und  der 
Benaissancezeit  in  der  Achtung  der  Gelehrten  und  Gebildeten 
einnahm.  Yiigil  war  von  allen  Dichtem  des  classischea  Alter- 
thums dem  Mittelalter  am  bekanntesten,  er  war  in  der  Zeit 


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dar  «raten  Begangen  der  Benausaiioe  dejjenige,  an  den  man 
aieh  ziurat  nnd  mit  der  lebbaftesten  BegeiBternng  ineli  Seine 

Eklogen  haben  ebenso  wie  die  Aeneis  den  Geschmack  für 
DichtungeD  ihrer  Art  geweckt  and  Dichter  zur  Nachahnung 
angereizt»  irenn  noch  das  Mittelalter  Ifindliehe  Diditongen 
eelbständig  herrombringen  nnd  dem  herrsehenden  Zettge- 
adimack  gem&sz  zu  behandeln  wnszte.  Als  ersten  Vorlftnfer 
der  uns  hier  am  meisten  interessirenden  SchäfeiTomane  können 
wir  den  Am^  des  Boccaccio  betrachten,  ein  ans  Prosa  und 
Venen  bestehendes  idjUisches  Gedicht,  welches  anch  m  der 
Hinsicht  sehen  seinen  mehr  entwickelten  Nachfolgern  ahnlich 
ist,  dasz  es  unter  den  erzählten  Abenteuern  wirkliche  Be- 
gebenheiten und  den  zeitgenössischen  Lesern  mehr  oder  weniger 
bekannte  Personen  biigt  An  den  Ameto  schliesst  sich  zn- 
nftdist  Sannazaios  Arcadia  an,  ebenlhUs  ans  prosaisdien  nnd 
rereificirten  Abschnitten  zusammengesetzt,  hier  waltet  aber  die 
Poesie  noch  so  sehr  vor  und  die  Prosa  bildet  nur  die  Ver- 
bindnngen  zwiscfaai  den  Btflcken  in  Yenen,  dasz  anch  disse  he- 
rflhmte  Dichtung  nnr  als  Torlftnfer  der  dgentlichen  pastorakn 
Romane  zu  betrachten  ist,  denen  sie  jedoch  durch  den  Beifall, 
den  sie  fand,  und  durch  ihre  weite  Verbreitung  einen  höchst 
gOnsti^  Boden  bereitete.  Der  ente  wirkliche  Sch&fenoman 
Ist  die  ifareieit  in  ganz  Europa  berlkhmte  Diana  des  Jorge  de 
Montemajor,  der,  obgleich  von  Geburt  Portugiese,  in  Spanien 
in  der  nächsten  Umgebung  Philipps  n.  lebte  und  in  spanischer 
Spradie  schrieb.  Er  starb  1562,  zwm  Jahre  nach  der  Yer* 
Qflfenilichnng  seines  berflhmten  Werkes,  welches  gleich  dem 
Amadis  mehrfach  fortgesetzt  nnd  vielfach  nachgeahmt  worden 
ist  Natürlich  fehlten  auch  üebersetzungen  und  Beai'beitungen 
in  anderen  Sprachen  nicht»  und  wenn  anch  die  Bedeatmig, 
wakhe  die  Diana  m  unsemiii  Vaterlands  erlangte,  deijemgen 
des  Amadis  mcht  gleich  kam,  so  hat  sie  doch  ihre  BoUe  yon 


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von  Anfang  bis  nach  der  Mitte  des  XVIL  Jahrhondeiis  bei 
der  deot8cli6D  Lesewelt  gespielt  und  ist,  wenn  nicfat  die  atter* 
b^ebteste,  go  dodi  sieberUch  in  Dentscbland  eine  der  be- 
liebtesten Erzählungen  ihrer  Gattung  geworden.  Man  erkennt 
dies  80b<m  aas  der  Geschichte  ihrer  Uebersetsungen.  1619 
erschien  sie  zom  ersten  Mal  ans  dem  Spanisdien  ins  Deutsche 
fibersetzt  von  dem  Preiherm  von  Euffstein.  Diese  üeber* 
setzung,  welche  mehrmals')  neu  aufgelegt  ward,  genügte  dem 
durch  Opitz  gereinigten  Geschmacke  in  Sprache  nnd  Yerdconst 
bald  nidit  mehr,  so  dasz  Georg  HarsdOiiTer  eine  neoe  üeber^ 
arbeitung  unternahm,  die  zuerst  1646  zu  Nürnberg  erschien^) 
und  für  eine  nach  dem  Maszstabe  der  damaligen  Zeit  in  jedem 
Betracht  musterhafte  gelten  kann. 

Da  unter  den  originalen  Schiftmmanen,  weldie  von 
deutschen  Verfasseni  geschrieben  worden  sind,  kein  irgend 
bedeutender,  unter  den  übersetzten  kein  in  seiner  Art  besserer 
SU  finden  ist  als  Montemayors  Diana,  und  das  Buch  in  unserer^ 
Literatur,  wie  schon  gesagt,  von  nidit  unbedeutendem  Snflusi 
gewesen  ist,  dürfte  eine  gedrängte  Uebersicht  seiner  Gliederung 
hier  am  Oite  sein.') 

Zu  AnfiiD^  des  ersten  Buches  finden  wir  den  Sohlte 
Sirene,  welcher  an  den  üten  des  Esla  mit  fielen  Tbrinen  und 
Seufzern,  an  denen  in  dem  ganzen  Buche  ein  erstaunlicher 
Ueberflusz  vorhanden  ist,  die  verlorene  Liebe  der  schdnen 
Diana  beklagt  Er  biiqgt  ein  aus  „dero  weissen  Euuran  und 
grüner  Seiden^  geflochtenes  Armband  und  einen  einstnnls 


1]  Leipzig  1624.  &  (Goed.  Grundr.)  —  Lins  IBU,  8.  (li«|rt  nir 
Tor.)  Der  UebersAtMK  sagt  in  der  Dediesftioiit  dsss  er  anch  Boeeseeiot 
Fiammetta  übertragen  habe. 

^)  Noch  einmal  Nürnberg  1661.  IS.  — 

3}  In  der  Schreibung  der  Kigianainea  folge  ich  dem  spanischen 
Urteite.  Hihui  1616. 


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—   425  — 

f  <»  Duma  ihm  geBehhebeneD  Brief  zum  Yoneheiii«  worin  sie 
ihm  ttber  seine  Büfenndit  Torwflife  macht,  senst  eher  eine 

beständige  Liebe  zeigt.  Zu  ihm  gesellt  sich  der  nicht  minder 
unglückselige  Hirt  Sylvano,  welcher  Diana  immer  auf  das 
heftigste  geliebt,  nie  aber  ?on  ihr  Gegenliebe  gefanden  hat 
Syl?aiM>  singtf  nachdem  sie  einander  ihr  Lmd  geUagt,  ein 
Lied,  welches  Sireno  auf  Diana  gedichtet  hatte,  und  ein 
anderes,  welches  Diana  einstmals  wfthrend  einer  Abwesenheit 
Siienos  auf  diesen  gesungen,  mid  fügt  noch  andere  Nachrichten 
hinzu,  welche  beweisen,  wie  grosz  früher  die  Liebe  Dianas 
zu  Sirene  gewesen.  Endlich  erzählt  er  von  der  Ehe  derselben, 
die  sie  vor  Emaen  mit  dem  wenig  liebenswürdigen  Delio  ge- 
schlossen. Inzwischen  erscheint  eine  schöne  Hirtin  Namens 
Selvagia  auf  dem  Schauplatze  und  singt  ein  Lied,  welches 
?enftth,  dass  sie  sich  ebenfidls  in  dem  Zustande  unglücklicher 
Ueibe  befindet  Sie  beginnt  mit  den  beiden  an  einem  Brunnen 
sitzenden  Hirten  eine  Discussion  über  die  Liebe  und  erzählt 
ihre  Geschichte.  Sie  stammt  aus  Portugal  aus  einer  Gegend 
in  der  Nfthe  des  Dnero.  Dort  ist  ein  bertthmter  Tempel  der 
Mmerra.  Bei  einem  daselbst  abgehaltenen  Feste  spielte  die 
schöne  Ysmenia  der  Selvagia  gegenüber  die  Holle  ihi'es  Vetters 
und  Geliebten  Alanio,  der  ihr  ftuszeist  ähnlich  war.  Dieser 
Sehen  hatte  aber  sehr  bedenkliche  Folgen,  denn  Selvagia 
wurde  dadurch  in  Alanio  verliebt,  dieser  wurde  der  Ysmenia 
abhold  und  begann  Selvagia  zu  verehren,  weder  ein  Brief- 
wechsel Ysmeniens  mit  leteerer  noch  andere  Mittel  wollten 
etwas  verfangen,  bis  sie  sich,  um  Alanios  Eifersucht  zu  er- 
regen, in  Montane  verliebt  stellte.  Aber  hierbei  verliebte  sie 
sich  wirklich  in  diesen,  schlieszlich  geschah  dem  Montane 
mit  Sehagia  dasselbe,  es  half  nun  nichts,  dasz  Alanio  zu 
seiner  Leidenschaft  für  Ysmenien  zurückkam,  die  sechs  guten 

Leute  liebten  unglücklich  im  Kreise  herum.   In  Folge  dieses 

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—   426  — 

eroüselieii  Rattenkönigs  wurde  Selvagia  von  ihrem  Vater  aus 
ihrer  Heimath  entfernt,  Montano  heirathete  Ysmenien,  und 
Alanios  Hochzeit  mit  ihrer  Schwester  Sylvia  stand  be?or. 
Nach  AnhOrang  dieser  Geschichte  gehen  die  dm,  Sirene^ 
Sjlvano  und  Sehagia,  singend  nach  Hanse. 

Den  andern  Tag  (Anf,  des  II.  Buches)  kommen  sie  wie- 
der an  demselben  Orte  zusammen.  Sie  vernehmen  in  der  Nähe 
dnen  mehrstimmigen  Gesang,  and  hinsngehend  bemerken  sie, 
dasz  derselbe  von  drei  Nymphen,  Dorida,  CSnthia  und  Polidora 
geheiszen,  ausgelührt  wurde,  und  Sirene  hört  zu  seinem  Er- 
staunen, dasz  sie  seine  eigenen  Schicksale  besprechen  und  be> 
singen.  Nachdem  sie  den  sehr  ansführlichen  Gesang  beendet, 
wurden  sie  von  drei  wilden  MSnnem  angegriffen  und  ftbel 
tractirt,  die  beiden  Hirten  und  Selvai^qa  eilten  zur  Hülfe  her- 
bei, den  Kamjjf  entschied  aber  erst  eine  andere  schöne  Hirtin, 
welche  hinzukam  und  die  drei  Unholde  erschosz.  Während 
daranf  Selvagia  mit  ihren  zwei  Begleitern  nach  Nahrungsmitteln 
geht,  stellen  sich  die  drei  Nymphen  ihrer  Befreierin  vor  als 
zu  einem  Tempel  der  Diana  gehörig  und  bei  dessen  Vorsteherin, 
der  weisen  Felicia,  welche  allen  Verliebten  fiath  giebt,  weilend. 
Felismena,  die  tapfere  Hirtm,  erzählt  daranf  ihre  Geschichte. 
Sie  stammte  ans  der  Stadt  Soldina  in  der  Landschaft  Tandalia. 
Ihre  Mutter  hatte,  während  sie  guter  Hoffnung  war,  mit  ihrem 
Gatten  ein  Gespräch,  wobei  sie  die  Behauptung  aussprach, 
dasz  Fans  nicht  der  Venns  sondern  der  Minerva  habe  den 
Apfel  geben  sollen.  Venns  erschien  ihr  un  Traume  und  ver- 
kündigte ihr  unter  Vorwürfen,  sie  werde  einen  Sohn  und  eine 
Tochter  gebären,  bei  der  Geburt  sterben,  und  beide  Kinder 
wflrden  in  der  Liebe  höchst  nnglflcklich  sein.  Dvanf  erschien 
ihr  sogleich  Pallas  und  verhiesz  ihren  Eindom  VFaffenglftdL 
Während  nun  nach  dem  Tode  der  Mutter  und  nachdem  die 
Geschwister  herangewachsen  waieu,  der  Bruder  an  den  Hof 


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—   427  — 


kam,  blieb  Felismena  bei  ihrer  Alinfrau  und  machte  die  Be- 
Iranntschaft  des  Don  Felis,  mit  dem  sie  bald  die  heftigste 
Liebe  mlNUid.  Sein  Vater  schidcte  üm  an  einen  frem- 
den Hof,  sie  folgte  ihm  in  MännerkleidQng,  ftnd  ihn  in  Oelift 
▼erliebt  and  trat  unerkannt  in  seine  Dienste.  Da  sie  die 
Corrospondenz  des  Don  Felis  mit  seiner  neuen  Geliebten  ver- 
mittelte, 80  verliebte  sich  Celia  in  sie,  die  sie  iftr  einen 
Jflngling  hielt,  dies  fAhrte  swar  zaeist  ^en  An&ehimng  des 
BrielWechseis,  sehliesdieh  aber  den  Tod  der  Celia  herbei. 
Don  Felis  verreiste  aus  Verzweifelung  fdotzlich  und  wird  von 
da  an  ?od  Felismena  gesucht.  Mit  dem  Ende  der  Geschichte 
kommen  die  Drei  sorück,  nnd  es  werden  nodi  einige  Lieder 
gesongen. 

Beim  Weitergehen  (Anl.  des  III.  B.)  kommen  die  beiden 
Hirten,  die  drei  Nymphen,  Felismena  und  Selvagia  auf  eine 
Insel  in  einem  See,  wo  sie  die  schdne  Hirtin  Beiisa  schlafend 
finden.  AnfiKewacht  erzählt  sie  ihnen,  dasz  sie  mit  ihrai 
Thränen  die  ganze  Gegend  bewässere.  Die  Ursache  ihrer 
übergroszen  Traurigkeit  war  folgende:  Arsenio  und  Arsileo, 
Vater  nnd  Sohn,  waren  in  sie  verliebt,  sie  liebte  den  Sohn. 
Bei  dnem  Stelldichein  erschosz  der  Vater  den  Nebenbuhler 
mit  einem  vergifteten  Pfeile,  und  als  er  ihn  erkannte,  stürzte 
er  sich  in  sein  Schwert,  worauf  sich  die  trostlose  Beiisa  in 
die  iänsamkeit  zurückgezogen  hatte. 

2a  Anfimg  des  vierten  Baches  wird  die  durch  Beiisa  ver- 
mehrte C^llschaft  bei  der  weisen  Felicia  prächtig  aufge- 
nommen, wobei  der  Verfasser  seine  Stärke  in  der  damals  so 
beliebten  beschreibenden  Poesie  zeigt  uud  mit  Gold  und  Edel- 
steinen eine  eben  solche  Vemchwendang  treibt  wie  die  Dichter 
der  zweiten  schlesichen  Sdinle  mit  Zncker  nnd  Ambra.  Es 
werden  Gesänge  aufgeführt,  die  Kostbarkeiten  und  Kunstwerke 

des  Palastes  und  des  Tempels  vorgezeigt,  dann  Gespräche  über 

2&* 


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^  428  — 

die  Liebe  geführt.  Felismena  erzählt  auf  Verlangen  die  Ge- 
schichte des  tupleien  Mohren  Abindarraez,  welcher  von  Bodrigo 
Karvaez  gefangen  genommen  ward  nnd  durch  diesen  Un&ll 
in  den  Besitz  seiner  geliebten  Xari&  gelangte. 

Den  nächsten  Tag  (Anf.  des  Y.  Bnehes)  giebt  die  weise 
Felicia  dorn  Sireno,  dem  Sylvano  und  der  Selvagia  einen 
Zaubei'trank,  wodurch  der  erste  seiner  Liebe  zur  Diana  ledig 
die  anderen  beiden  in  einander  verliebt  werden.  Felismena, 
▼on  Feiida  entlassen,  findet  bald  daranf  den  Arsileo  lebendig, 
denn  sein  und  seines  Vaters  Tod  waren  nur  ein  von  dem 
neidischen  Alleo  gemaclites  Zauberblendwerk  gewesen.  Arsileo 
gelangt  zum  Tempel  der  Diana  nnd  findet  Beiisa,  Sireno  kehrt 
mit  Sylvano  und  Sehagia  in  die  Hdmath  znrOck,  wo  sie  die 
dem  Sireno  nun  gleichgültige  Diana  finden. 

Zu  Anfung  des  sechsten  Buches  vereinigt  Filismena  die 
Amerilda,  welche  dem  Arsileo  angehangen  hatte,  mit  Filemon, 
ihrem  bisher  znrfickgewiesenen  Liebhaber.  Shreno,  Sylvano  ond 
Selvagia  unterreden  sich  mit  der  unglücklichen  Diana  über 
ihre  früheren  Verhältnisse  und  Leidenschaften.  Felismena  ge- 
langt (An£  des  VII.  B.)  auf  ihrer  weiteren  Wanderung  in  das 
Königreich  Portugal,  wo  sie  zuerst  die  Bekanntschaft  zweier 
sieh  Uber  Liebesangelegenheiten  unterhaltenden  SchSferinnen 
macht,  dann  aber  Gelegenheit  findet,  einem  Ritter  gegen  drei 
Angreifer  beizustehen,  welcher  erstere  sich  als  ihr  geliebter 
Don  Felis  zu  erkennen  giebi  Zum  Glflek  erscheint  auch  eine 
▼on  Felidens  Nymphen,  welche  nicht  nur  den  ohnmlchtig 
Gewordenen  erweckt,  sondern  auch  durch  einen  Trank  seine 
Liebe  zu  Felismena  in  der  alten  Stärke  wiederherstellt 

Wenn  uns  auch  die  Diana  für  ihre  Gattung  nicht  sonder» 
lieh  einzunehmen  im  Stande  ist,  so  musz  doch  gesagt 
werden,  dasz  sie  sich  als  das  Werk  eines  ungewöhnlichen 
Talentes  und  als  eines  der  besten  seiner  Gattung  daratellt 


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—    429  — 

Es  ist  ein  Gabinetsstftck  höfischer  Poesie  des  ansgeheoden  XYL 
Jahrirandeiis,  rierlich,  glatt  nnd  toU  schöner  nnd  höchst  wohl- 
gesetzter Reden  und  wohlgereimter  Vei*se.  Man  kann  leicht 
ermessen,  wie  sehr  eine  solche  Dichtung  dem  höfischen  oder 
doch  vornehmen  nnd  eleganten  Deutschland  des  XYII.  Jahr- 
hunderts zusagen  muszto,  wie  sehr  sie  die  Nürnberger  Schäfer 
in  ihren  Tändeleien  bestiirkte.  Wie  schon  in  dem  Orginal 
nichts  irgend  welchen  wirklichen  Verhältnissen  entspricht,  wie 
die  unTereinbarsten  nnd  unnatfirlichsten  Verhältnisse  und  Dinge 
—  heidnische  und  christliche  Zustände  werden  vermischt,  die 
Schäfer  reden  die  Ho&prache  mit  gelehrten  Anspielungen,  der 
ffirt  Arsileo  besucht  eine  Universität,  Tempel,  Nymphen, 
Ritter,  Zauberer,  adlige  Fräulein,  Mauren  laufen  durchein- 
ander, daneben  bestimmte  googrnphische  Angaben  —  ohne  Ver- 
mittelong  nebeneinandergestellt  sind,  so  war  die  ganze  Schäfer- 
poesie der  Nfimberger  und  ihrer  anderen  deutschen  Anhänger 
beschaffen,  und  Harsdöi-ffer-Strephon  fügt  zu  diesen  ünnatür- 
lichkeiten  noch  die  Allegorie  hinzu,  indem  er  seine  Leser 
folgendennaszen  benachrichtigt:  «Durch  die  Hurten  oder  Schäfer 
werden  yerstanden  die  Poeten,  durch  ihre  Schafe  die  Bücher, 
durch  derselben  Wolle  ihre  Gedichte,  durch  die  Schat-Hunde 
ihre  Tom  wichtigen  Studiren  mOssige  Stunden.  Welches  dem 
Teutschliebenden  Leser  auch  dieses  Orts  kürzlich  anzumelden 
für  nöthig  erachtet  wurden."  Wie  wenig  diese  Allegorie,  aus 
einem  andern  Elrzeugnisz  der  Pegnesischen  Muse  genommen, 
hier  angebiacht  erschemt,  ersieht  man  auch  ohne  besondere 
Vergleichungen,  aber  es  eröffnet  einen  tiefen  Blick  in  die  Ver- 
kehrtheit der  Zeit,  welche  durch  etwas  derart  den  Werth  des* 
Buches  zu  erhöhen  gUiubte. 

Ohne  uns  weiter  auf  die  in  Spanien  erschienenen  und  Ton 
den  deutschen  Bearbeitern  mit  übersetzten  Fortsetzungen  der 
Diana  noch  auf  ihre  Nachahmungen,  deren  sogar  Cervantes  und 


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—   430  — 

Lope  d6  Vega  welehe  geliefert,')  einzalasseii,  wollen  wir,  um 
die  intematioiiale  BeMebfholt  dieser  Art  Ton  Romanen  za  top- 

anschaulichen.  noch  den  borühmtesten  französischen  und  den 
berühmtesten  englischen  Pastoi*ahomanen  erwähnen,  welche  beide 
in  BeutBoldand  so  gut  wie  auf  ihrem  heimathlichen  Boden  znr 
Geltung  gelangten.   In  Frankreich  trag  Honor6  d*  ürfiSe  mit 
seiner  Astr^e,  in  England  Philipp  Sidney  mit  seiner  Arcadia 
die  Palme  davon.    Wenn  man  die  Astr^e  mit  der  Diana  ver- 
gleicht, wird  sofort  klar,  wie  groszen  Anklang  die  Gattung 
auch  in  Frankreich  geftmden  haben  mnsz,  da  d*  Ui^  em  so 
yiel  omfangreicheres  nnd  ansfflhrlieheres  Werk  zu  Hefem  un- 
ternahm.   Der  erste  Band  erschien  1610,  vollendet  aber  war 
das  Ganze  erst  im  Jahre  1Ü47,  die  späteren  Theüe  erschienen 
nach  dem  1625  erfolgten  Tode  des  Yer&ssen,  zom  Tbial  von 
anderer  Hand  redigvt.   Schon  1619  hatte  man  eine  dentsdie 
üebersetzung  der  bis  dahin  erschienenen  Theile,  welche  nach- 
mals vervollständigt  ward,  freilich  in  einer  ebenso  von  den 
Opitsischen  Beformen  nnberdhrten  Sprache  wie  die  Knffiiteinsche 
üebersetznng  der  Diana^.  Von  dem  Inhalte  dieses  andi  in 
Deutschland  höchst  beliebten  Schäferromans  mag  nur  bemerkt 
werden,  dasz  des  Montemayor  Diana  im  Ganzen  das  Modell 
war,  nach  welchem  der  Franzose  arbeitete,  dasi  er  auch  gans 
analog  seinem  Vorbilde  wirkliclie  Penonen  nnd  Begebenheiten 
—  nftmlich  die  Vorgänge  sowohl  in  der  Umgebung  Heinrichs 
IV.,  dem  der  Anfang  des  Buches  gewidmet  ist,  als  in  seiner 
eigenen  Familie  —  unter  schäferischer  Verhüllung  Torbringt, 

Vergl.  den  betref!".  iiden  Abschuitt  bei  Dunlop- Liebrecht  Seite 
350  ff.  In  der  deutäcbon  Diana  ?0D  1661,  welche  mir  vorliegt,  finden 
sich  auch  die  Fortsetzungen. 

')  Von  diesem  seltenen  Buche  (vergl.  Barthold,  Fruchtbr.  Ges.) 
besitzt  die  KönigL  und  Univ.-Biblioth.  zu  Breslau  ein  Exemplar.  Der 
erste  Theil  erschien  Hümpekart  1619,  der  dritte  Hall  in  Sachsen 
1625|  der  vierte  Leipt.  1685. 


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—    431  — 


mid  dasz  der  Name  des  Hanptbeldeii  Celadon  nicht  nur  in  der 
Idtermtor,  sondern  im  sprQchwOrUichen  Gebrauch  nnsterblidi' 

geworden  ist. 

Eine  sehr  ähnliche  Eolle  spielte  Sidneys  Arcadia  in 
Eogland  uid  auch  anderwftrts,  in  Deutschland  ging  es  ihr 
ähnlich  wie  der  Diana,  denn  nachdem  1629  eine  deutsche 
Uebersetzung  von  V«ilentinus  Theocritus  von  Hirsch'berg  er- 
schienen, unterzog  sich  kein  Geringerer  als  Martin  Opitz  einer 
Ueberarbeitnng,  welche  1638  zu  Frankfiirt  in  8.  und  nach- 
mals öfter  gedrackt  wurde. ')  Auch  für  diese  Arcadia,  die 
nach  der  Schwester  des  Verfassers,  welcher  sie 'gewidmet  ist, 
die  Arcadia  der  Gräfin  von  Pembrock  genannt  wurde  (zum 
üntersdiiede  von  Sannazaros  und  Lope  de  Vegas  gleichnami- 
gen Werken)  war  Montemayors  Diana  ila.s  Vorbild,  nur  mischte 
der  Verfasser  heroische  und  komische  Partien  ein,  eine  der 
ersteren  stammt  aus  dem  Amadis  yon  Greda. 

Wir  werden  weiter  unten  noch  einmal,  wenn  auch  nur 
in  Kürae,  auf  die  wenigen  original-deutschen  Schäicrromane 
zurückzukommen  haben,  das  Gesagte  genügt,  um  es  berechtigt 
eraeheinen  zu  lassen,  wenn  wür  in  Bezug  auf  Italien,  Spanien, 
Frankreich  und  England  die  Zeit  von  etwa  1560  bis  1G40 
die  elassische  Zeit  des  Schäierromans  nennen,  und  es  sei  noch 
auf  die  damals  streng  innegehaltene  Form,  auch  ein  Merkmal 
der  Classicitftt,  hingewiesen,  üeberall  Erzählung,  Verse  und 
prosaischer  Dialog  oder  lichtiger  Conversation,  denn  es  unter- 
liegt keinem  Zweifel,  dasz  wir  in  den  Gesprächen,  welche 
Montemayor,  d*ürfö  und  Sidney  ihre  Hirten  und  Hirtinnen 
führen  lassen,  die  nur  ein  wenig  buckmäsziger  redigirte  Cou- 


')  Leydcn  161'J.  \2.  —  Frankf.  1G43.  8.  —  Amsterdam  o,  J.  12. 
—  Amsterdam  J.  Jansson  1659.  II.  Ö.  —  Die  erste  englische  Ausgabe 
encbiea  vn  London  1590. 


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—  482 


yersation  „derer  CaTaliers  mit  dem  hocbadligen  Franamminer* 

•  an  den  Höfen  eines  Philipp  II. ,  Ludwig  XTII.  und  der 
KdDigiQ  filiBabeth  vor  uns  haben.  Diese  Thatsache  wiid  durch 
das  Yorhandensrnn  von  AaszQgen  aus  derartigen  BQdieni  be- 
stätigt, welche  ganz  ebenso  wie  die  Amadis  -  Schatzkammern 
eingeiichtet  sind,  und  aack  die  zahlreichen  Briefe  welche  in 
den  Sdiäferromanen  Torkommen,  stellen  sich  dnrohaos  als 
Mosterstttcke  m  praktischem  (}ebranche  dar. 

Eine  weit  gröszere  Bedeutung  noch  gewannen  die  heroisch- 
galanten fiomane,  deren  Entstehung  in  Frankreich  vor  sich 
ging  und  deren  Blüthezdt  ein  wenig  vor  das  glftnzende  Zeit- 
alter der  französischen  Literatur  unter  Ludwig  XIV.  fällt 
Madeleine  de  Scud^ri,  die  zu  den  Hauptvertretem  dieser  Gatr 
tong  gehört,  lebtci  zur  Zeit  und  bisweilen  in  der  Umgebung 
Lndwigs  XIV.,  nnd  Boilean,  der  Chorage  der  classiscben  Bieh- 
tung,  war  es,  der  dem  Geschmack  an  diesen  Dichtungen  den 
Hauptstosz  versetzte.  Die  tie^eifende  Einwirkung,  welche 
sie  anf  die  deutsche  FMadichtong  unserer  Landslente  im 
XVII.  Jahrhundert  hatten,  sichert  ihnen,  wie  schon  gesagt, 
unser  Interesse,  aber  sie  werden  auch  abgesehen  von  diesem 
Einflüsse  an  sich  selber  als  Ausdruck  der  Gultur  ihrer  Zeit 
und  namentlich  der  Sinnesart  der  Tomehmen  Stftnde  des  Landes, 
welches  damals  anfing  ^an  der  Spitze  der  Civilisation  einher- 
zugehen^,  stets  ein  allgemeines  Interesse  in  Anspruch  nehmen, 
welches  weit  grOsier  ist,  als  es  nach  ihrem  poetischen  VFerthe 
allein  sein  würde. 

Aus  diesem  Gesichtspunkte  ist  auch  jedenfalls  die  Erdrte- 
nmg  über  ihre  Entstehung,  über  ihre  Vorläufer,  über  die  ver- 
schiedenartigen Elemente,  welche  sie  aus  der  vorhandenen 
Literatur  aufnahmen,  anzustellen.  Und  hierbei  scheint  nicht 
auszer  Acht  zu  lassen,  dasz  diese  „romans  de  longue  haieine" 
auch  ihrer  sprachlichen  und  stilistischen  Seite  nach  in  dnem 


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—   433  — 


nftberen  Yerbältoisse  za  der  Siuachweise  und  der  Denkangs- 
ark  welche  in  den  Tomehineii  Kreisen  Frankreichs  damals 

lebendig  und  maszgebend  war,  standen,  als  dies  jemals  bei 
ähnlichen  deutschen  Erzeugnissen  in  Bezug  auf  die  lebende 
^piadie  nnd  die  wirklichen  Verhältnisse  der  höheren  Stände 
unseres  Vaterlandes  der  Fall  gewesen  ist.  Die  ConTersations- 
sprache  des  Hofes  von  Paris  und  Versailles  ward  die  Sprache 
des  bei  weitem  grOszten  Theiles  der  französischen  schönen 
Idterator.  Das  Hfttel  Bambonillet  lieferte  den  Schöngeistern 
und  Dichtern  eine  höfisch-zierliche,  regelnia.^zige  und  zum 
Aosdracke  ihrer  Ideen  und  Begrifte  durchaus  geeignete  Sprache. 
Man  entging  in  Frankreich  Tollständig  der  Ge&hr,  dnrch  Ent- 
lehnung finrander  Sprachen  das  zu  leisten,  was  man  der  eigenen 
nicht  zutraute,  die  französische  Nation  gelangte  schon  in  der 
ersten  Hälfte  des  XVII.  Jahrhunderts  zu  einer  durchaus  national- 
sdbstftiidigen  Literatursprache,  weil  sie  zu  einer  solchen 
Sprache  der  Gebildeten  und  Vornehmen  gelangte-  Es  ist  auch 
zu  berücksichtigen,  dasz  die  Verfasser  dieser  heroisch-galanten 
Romane  höfisch  gebildete  Leute  waren,  welche,  wie  schon 
die  erwähnten  VerüBuser  der  wichtigsten  Schäferromane,  Monte- 
mayor,  d'ürfe  und  Sidney  Hof-  und  Adelskreisen  entstammten 
und  angehörten.  So  die  drei  Koiyphäen,  Gomberville,  Cal- 
prendde  und  das  Fräulein  Madeleme  de  ScudM.  Hieraus 
schon  ergiebt  sich,  wie  viel  fester  ihre  Schriften  in  den  wirk- 
lichen Bildungselementen  der  Zeit  wurzelten  als  die  der  ihnen 
entsprechenden  Deutschen. 

Und  wie  in  sprachlicher  und  stilistischer  Beziehung,  so 
schöpften  sie  auch  in  Bezug  auf  ihre  poetischen  Motive,  ilire 
Vorbilder  und  ihren  Stoff  unmittelbar  aus  der  vollen  Wirk- 
Hchkeii  Es  ist  daher  dnseitig,  die  Entstehung  des  heroisch- 
galanten Romans  aus  dem  Sehaferroraane  herzuleiten,  wenn 
auch  eine  Menge  von  Elementen,  wie  namentlich  die  Gonver- 


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—    434  — 


sationspartien  und  die  Bi  iefe  in  den  etwas  älteren  S»*häfenomanen 
ihre  Vorlage  von  classischer  Geltung  fanden.  Auch  der  ghe- 
chisdie  Boman  fibte  seine  Wirfamg,  Amyots  Plntarch  ist  mit 
seinem  Binflosse  Tertreten,  die  noch  immer  Toihandenen  alten 
Hittorbüchor ,  die  Romane  des  XIV.  und  XV.  Jahrhunderts, 
lieferten  namentlich  stoffliche  Motive  in  reicher  Auswahl ,  und 
SU  beachten  ist  aach,  ine  sich  die  Bomandichtnng  nnd  die 
GeediichtBschrmbnng  damals  viel  nfther  standen,  als  whr  nns 
heutzutage  leicht  vorstellen  können,  die  nächsten  Vorläufer 
aber  unserer  Romane  sind  ohne  Zweifel  die  Amadisbücher, 
mid  eine  Yergieichang  mit  ihnen  wird  nns  am  besten  am  einer 
ansdianlichea  litenurhistorisdien  Charakteristik  jener  Terhelfeo. 

Im  vorhergehenden  Capitel  bestimmten  wir  die  Hauptbestand- 
theile  des  Stoffes  jener  Bücher,  indem  wir  sie  in  folgende  vier 
Gruppen  ihrer  Qualität  nach  sonderten  1)  Bitterliche  Abenteuer, 
2)  höfisdhadlige  Conyersation,  3)  liebesabentener«  4)  Zanber- 
spuck  nnd  anderwdtige  Nahrung  fOr  Aberglauben  nnd  Sensa- 
tionsbedürfnisz.  Ein  Unterschied  zwischen  den  heroisch-galan- 
ten Bomanen  und  den  Amadisromanen  springt  sofort  in  die 
Angen,  wenn  wir  von  dieser  allgemeinen  Analyse  ansgeben, 
nftmlich  das  Fehlen  der  Memmte  der  vierten  Ebisse  in  den 
ersteren,  ein  bedeutendes  Zeichen  der  Zeit,  um  so  bedeutender, 
als  sich  auf  den  ersten  Blick  auch  schon  der  Zusammenhang 
dieser  Geschmaeksverftndemng  in  einem  beschrftnkten  Liteiatar- 
gebiete  mit  dem  Fortschritte  des  Gesdimackes,  wie  er  ndtk 
im  Allgemeinen  in  der  französischen  Literatur  des  XVII.  Jahr- 
hunderts kundgiebt,  herausstellt.  Es  ist  das  Vorherrschen 
des  Verstandes  imd  des  Eunstgeschmacks  über  die  Phantasie, 
jener  so  änsserst  ftst  ansgepiftgte  Gmndsng  der  framOsischen 
Classik,  welcher  sich  hier  kundgiebt,  nnd  insofern  sind  unsere 
Bomane,  die,  wie  schon  bemerkt,  sich  der  Zeit  nach  hart  mit 
den  Ersengnissen  der  dassischen  Blüthezeit  berühren,  Vorlftofer 


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—   435  — 


der  Classik  gewesen,  wenn  diese  sie  auch  mit  gutem  Recht 
als  nicht  zu  sich  gehörig  abwies.  Wir  können  also  im  Allge- 
meinen —  und  nm  eine  gans  allgemmne  Charakteristik  handelt 
es  sich  hier  nur  —  sagen,  dasz  das  Zauberhafte  und  Wunder- 
bare aus  den  heroisch -galanten  Romanen  verschwunden  ist. 
Ist  es  nnn  dnrch  irgend  ein  anderes  poetisches  Beqnisit  ersetzt 
worden?  Diese  Frage,  dergleichen  sich  in  der  Geschichte  der 
(Jeschmacksveränderungen  dem  Betracliter  oft  aufdrängen,  kann 
höchstens  theiiweise  bejaht  werden.  Inwiefern  nämlich  durch 
die  Weglassnng  des  Zauberhaften  und  Wunderbaren  eine  Bin* 
Wirkung  weniger  auf  die  Phantade  des  Lesers  geschieht,  also 
gerade  diese  Seite  des  Seelenlebens  etwas  verliert,  insofern 
kann  von  einem  Ersätze  hier  ganz  und  gar  nicht  die  Rede 
sein.  Die  heroisch-galanten  Bomane  sind  merklich  weniger 
phantastisch  —  es  sei  gestattet,  dieses  Wort  hier  im  guten 
oder  wenigstens  nidit  im  schlimmen  Sinne  zn  nehmen  —  als 
die  Amadisromane,  und,  um  es  gleich  rund  heraus  zu  sagen, 
ebendadurch  merklich  weniger  poetisch  geworden.  Die  Prosa 
hat  gewaltig  um  sich  gegriffen  ?on  der  Zeit  an,  da  MontalTO 
arbeitete,  ja  anch  von  der  an,  wo  des  Essarts  ihn  ftbersetzte, 
bis  zu  der,  wo  Gomberville,  Calprenede  und  die  Scudöri  blüli- 
ten.  Wenn  wir  jedoch  untersuchen,  ob  und  inwieweit  an  die 
Stelle  der  verbannten  Urganda,  Arcalans  and  ihrer  Sippe 
flberhanpt  etwas  anders  getreten  sei,  nm  die  neue  Art  Bomane 
bei  ihren  Lesern  zu  empfehlen,  so  werden  allerdings  sich 
Elemente  bemerklich  machen,  welche  der  älteren  Art  fehlen 
oder  wenigstens  nur  in  weit  schwächeren  Bruohtheilen  bei  ihr 
sa  finden  smd.  Das  letztere  iSszt  sich  von  dem  sagen,  was 
wir  Spannung  und  Ueberraschung  nennen.  Um  diese  hervor- 
zubringen und  zu  steigern,  sind  Nüttel  angewendet,  welche 
wir  zwar  schon  in  den  älteren  Bomanen,  auch  den  Bitter- 
btkcbeni  finden,  aber  nicht  in  demselben  Grade  ansgebentet 


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—    436  — 


and  gesteigert  Hierher  gehören  in  erster  Linie  Incognitos, 
YerwechseliiDgen,  Wiedererkeimiiiigen  ond  jene  nameiitlich  in 
den  griechiseheD  Romanen  eingt  so  hOcbst  gewaltsam  tat  Dar- 
stellung gebrachten  Irrungen,  wo  der  Leser  und  die  bei  einem 
Vorgänge  gegenwärtigen  Personen  vom  Dichter  getäuscht  und 
glaoben  gemacht  werden,  es  sei  so  oder  so  gewesen»  und  nach 
vielen  Seiten  oder  Oapiteln  zeigt  sieh,  dasz  es  ganz  anders 
sich  zugetragen  hat  nnd  die  Fignren  des  Bomans  wenigstens 
einen  Augenblick  ihre  fünf  Sinne  nicht  recht  bei  der  Hand 
gehabt  haben  mässen.  So  wird  in  Calprencdes  Cassandra  der 
Prinz  Artazerxes  vor  Hunderten  von  Zeogen  in  einer  Schlacht 
Ton  den  Seythen  niedergehauen,  was  ihn  keineswegs  ändert, 
nach  Verlauf  einiger  Zeit  wieder  aufzutauchen,  und  man  wird 
hierbei  an  die  überaas  abgeschmackte  Begebenheit  im  Achilles 
Tatins  erinnert,  wo  der  Leakippe  in  (Gegenwart  ihres  Lieb- 
habers und  Tieler  anderen  Leute  der  Baach  anfgeschlitzt  wird, 
nur  um  sie  zu  gröszerer  TJeberraschung  des  Lesers  später  ans 
dem  Grabe  auübtehen  zu  lassen. 

Ist,  wie  das  angeführte  Beispiel  beweist,  die  künstliche 
and  ftbenraschende  Verwickelang  ein  Mittel,  welches  wenigstens 
in  seinem  üebermasz  verwerffich  ist,  so  masz  dieses  Ton  dem 
an  zweiter  Stelle  angewandten  vom  ästhetischen  Standnunkte 
ans  ohne  Bedingung  gesagt  werden.  Ich  meine  die  schon  in 
den  SchSliBrromanen  zum  chankteristischeo  Merkmale  dar 
Gattung  gewordene  Darstellung  Ton  Persönlichkeiten  und  Er- 
eignissen der  Gegenwart  unter  bald  mehr  bald  weniger  ver- 
deckenden Masken  aus  weitabliegendem  Zeitaltem  und  Län- 
den, oder,  wie  der  Kunstausdruck  der  Franzosen  noch  im 
XVni.  Jahrhundert  lautet,  les  personnages  d^guis^s.  Wenn 
beide  Mittel  combinirt  werden,  entstehen  wahre  Räthsel  für 
den  Scharfsinn  der  liochgeborenen  Lesewelt.  Um  die  abstracte 
Sache  in  eine  abstiacte  Fonnel  zu  fiissen,  tritt  z.  B.  die  Person  z 


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—    437  — 


in  dem  grOszten  Theile  der  Geschichte  anter  dem  Namen  j  auf, 
aber  eigentlich  ist  sie  die  Person  z,  wobei  s  eine  PersOnlieh- 
keit  am  Hofe  Ludwig  XIY.,  y  einen  angenommenen  nnd  x  den 
wirklichen  Namen  einer  Eomaniigur  vorstellt  Auch  gestatten 
es  die  Eonstregeln,  diese  Algebra  des  Bomans  wdter  za  ent- 
wi^eln,  80  dasz  dem  z  ein  y,  und  ya,  sowie  ein  x,  nnd  x, 
entspricht,  oder  x=y=z,  und  Z2  und  so  weiter,  das  heiszt 
eine  wirkliche  Person  entspricht  zwei  fingirten,  deren  jede  wie- 
der nach  dem  Bedflrfiiisz  der  YerwiiMung  mit  zwei  Namen 
auftreten  kann,  und  umgekehrt. 

Doch  genug  hiervon,  und  wenden  wir  uns  einer  bessern 
Seite  der  heroisch-gahmten  Bomane  Frankreiehs  za,  n&mlich 
ihrer  Behandlung  der  Gesehlechtsliebe.  Es  bedarf  keiner  Worte, 
um  zu  sagen,  dasz  dieser  Bestandtheil  der  Amadisromane  so 
wie  der  Schäferromane  in  den  heroisch-galanten  Bomanen  na- 
tftrlioh  nicfat  fthlen  kann  nodi  daif ,  ja  dasz  er  dn  Hanpt- 
erfordemisz,  wenn  nicht  —  wie  es  in  der  Meinung  des  grösz« 
ten  Theiles  der  Zeitgenossen  wenigstens  der  Fall  war  —  das 
Hanpterfordemisz  ist.  Man  mnsz  es  nnseren  Nachbaren  nach- 
sagen, dasz  sie  dieses  Thema  ans  dem  Grande  verstehen,  nnd 
hier  tritt,  wenn  wir  auf  die  Amadisbücher  zurückblicken,  na- 
mentlich heryor,  wie  gat  sie  mit  der  Zeit  fortzuschreiten 
waszten.  Wir  bemeikten  yor  Eorzem,  dasz  die  heroiseh- 
galanten  liomane  in  Hinsicht  auf  Verständigkeit  und  Gegen- 
satz gegen  das  Phantastische  eine  die  französische  Classik  an- 
kflndigende  Stellnng  einnehmen,  wir  können  ihnen  dieselbe  Be- 
deatnng  in  Hinsicht  anf  noeh  eine  andere  ehankteiistische 
Eigenschaft  beilegen,  nämlich  in  Hinsicht  auf  die  Decenz.  Be- 
kanntlißh  war  es  bei  den  Helden  der  AmadisbAcher  so  gat 
wie  tradiiioneD,  von  ihren  Mtem  vor  der  Ehe  erzengt  za 
werden,  und  Galaor  und  andere  Ritter,  die  sich  zu  seinen 
libertinistischen  Qrandsätzen  bekannten,  Mden  immer  so  yiel 


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—  488  — 

gleichgesionie  Damen,  dasz  «die  verbottne  Kammer*'  lange 

Zeit  auf  ein  ihrer  würdiges  Paar  warten  muszte,  und  wenn 
diese  Kammer  nicht  blos  Treue  in  der  Liebe,  sondern  auch 
Beinheit  mid  Unschuld  Terkngt  hfttte.  so  w&ren  auch  Amadb 
und  Oriana  nicht  hinemgekommen.  In  dieser  Besdehnng  ist 
es  denn  in  den  heroisch-galanten  Romanen  im  Allgemeinen 
erheblich  besser  geworden.  Man  sieht  bei  ihrer  Leetüre  sehr 
bald,  dass  die  Kreise,  für  die  sie  bestimmt  waren,  die  Gren- 
wa  des  SehicUichen  sehr  viel  enger  gesogen  hatten,  als  ne 
fftr  die  Leser  der  AmadisbQcher  gewesen,  es  ging  am  Hofe 
Ludwig  XIV.  ohne  Vergleich  viel  decenter  zu  als  an  dem 
Franz  1.  und  der  ihm  folgenden  Könige.  Wir  wissen  ans 
der  Geschichte,  dasz  es  nicht  wiridich  sittlicher  zngegan- 
gen  ist,  dasz  an  die  Stelle  offener  Zugellosigkeit  groszentheile 
nur  Scheinheiligkeit  getreten  war,  und  deshalb  sagen  wir  nur 
decenter  und  nicht  sittlicher.  Auch  von  den  Romanen  kann  nur 
dies  gelten,  and  man  wOrde  vergeblich  sich  bemühen,  wenn 
man  nach  Beweisen  suchte,  daaz  die  Dichter  wurUidb  Ton  der 
Vortrefflichkeit  einer  reinen,  unschuldigen  und  unter  der 
Herrschaft  sittlich  edler  Grandsatze  gebaltenen  Geschlechts- 
liebe darchdrangen  gewesen  wftren«  Ifen  begreift  viehmehr 
sehr  laicht,  dasz  die  verhlUtniszmftszig  grossere  Beinheit  dieesr 
Leidenschaft  nur  von  den  hoffähigen  Helden  und  nur  als 
höfische  VoUkomminlieit  gefordert  wird,  nicht  als  eine  dem 
Menschen  als  solchem  zar  Zierde  gereichende  Ghaiakteieigeii- 
schaft.  Man  würde  aber  nnsersn  Bomanen  grosses  Unrecht 
thnn.  wenn  man  verkennen  woHte,  daez  sie  in  der  in  Bede 
stehenden  Beziehung  auf  dem  Wege  zu  einer  wirklichen  Vcr- 
edelang  gewesen  seien.  Dasz  sie  diesz  waren,  sieht  man  aas 
den  sicfa  an  sie  ansAlieszenden  Bomanen  der  Grifin  La&yette 
nnd  ühnliefaen,  von  denen  nicht  bestritten  werden  kann,  dasz 
sie  die  sittlich  edelsten  Liebesromane  sind,  welche  es  über- 


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* 


—   489  — 

haupt  giebt.  Und  hier  musz  darauf  aufmerksam  gemacht 
werden,  dasz  den  heroisch -galanten  Romanen  der  Franzosen 
ftbeEhaapt  kaum  etwas  mdir  zum  Lobe  gereicht,  als  jenen 
Sproez,  die  heroisch-sentimentalen,  getrieben  zn  haben,  ein 
Umstand,  der  sie  voiiheilhaft  Yon  ihren  deiitächon  Gegenstücken 
unterscheidet,  von  denen  grade  herauszusagen  ist,  dasz  »ie 
mit  nichts  Yemünitigem  nnd  iirspriesziichem  weder  in  der 
Idterator  ihrer  Zeit  noch  der  Folgezeit  in  oiganischer  Yer- 
bindnng  stehen. 

Ein  vergleichendes  ürtheil  über  die  ritterlichen  Abenteuer  der 
heroisch-gahwten  nnd  der  Amadisromane,  wobei  auch  die  spftte- 
ren  der  eigentlichen  Bitterbücher  mit  herbdgesogen  werden 
können,  wird  fthnlich  wie  das  Aber  die  Liebesabenteuer  ansMen. 
Wenigstens  insofern  ist  auch  hier  ein  Fortschritt,  wenn  auch 
keine  Veredelung  anzuerkennen^  als  der  Kreis  nur  ritterlicher 
Abenteoer,  die  in  den  Amadiscflcheni  Ihst,  in  den  Bitterbüchem 
mit  Tersehwindenden  Ausnahmen  nnr  ansEinzelk&mpfen  bestehen, 
sich  zu  der  Darstellung  nicht  nur  solcher,  sondern  auch  kriege- 
rischer Scenen  groszen  Stils  erweitert.  Allerdings  herrscht 
in  diesen  ein  stark  gascognisdier  Ton  nicht  znm  Vortheü  des 
Cksammteindntckes  nnd  oft  anch  in  ermüdender  Monotonie. 
Die  Helden  erlegen  soviel  Feinde,  dasz  sie  einen  Wall  von 
Leichen  um  sich  aufthürmen,  und  wenn  sie  einmal  das  Schwert 
gezogen,  geht  es  selten  <^me  die  nnglanblichsten  Wunder  der 
'  Tapferkeit  ab.  Auch  finden  sich  kriegsgeschichtliche  Ab- 
schnitte von  ermüdender  Breite,  welche  an  übermäszig  aus- 
f^Iiche  Chroniken  erinnern  und  grade  dadurch  den  Koman- 
kser  ermüden^  dasz  sie  absichtlich  die  Erfahrenheit  ihres  Vor- 
fassers  in  mOitftrisohen  Dmgen  darlegen  wollen.  Nicht  weni- 
ger breit  pflegen  auch  die  Abschnitte  zu  sein,  welche  die 
Auaeinandersetzung  politischer  Verhältnisse  zum  Zwecke  haben. 

Was  endlich  die  sehr  umfieuigreichen  Cionversationen  an- 


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langt,  so  stehen  die  heroisch -galanten  Eomanc  darin  den 
Amadisbüchera  und  den  Schäferromanen  ganz  gleich  und  bil- 
den nnerschOpflidbe  Sdiatzkammem  schOner  Baden,  pcmipbaftor 
Ansprachen,  zierlicher  Entgegnungen,  und  auch  Musterbriefe 
für  die  verschiedensten  Fälle  fehlen  nicht.  Nimmt  man  aber 
Alles  in  Allem»  so  stobt  fest,  dasz  die  Gattung  in  dem  Ueber- 
gange  von  den  Amadisen  und  fthnliehen  BQchern,  an  denen 
besonders  die  spanische  Literatur  reich  ist,  zai  den  heroisch- 
galanten fiomanen  der  Franzosen  einen  Fortschritt  in  Bezug 
anf  poetischen  Werth  nicht  gemacht  hat  Und  wenn  inr  in 
einigen  Punkten  die  heroisch-galanten  Romane  als  Vorläufer 
des  classischen  Geschmackes  bei  den  Franzosen  erkennen  konnteo, 
80  mag  doch  anch  ausdr&cklich  henrorgehoben  werdeo,  dasE  ddi 
die  psychologische  Fdnheit,ManichibItigkeitnnd  Folgerichtigkeit, 
welche  eine  der  besten  Seiten  der  französischen  Classik  hildet, 
jene  durchdachte  und  künstlerisch  durchgearbeitete  Entwicke- 
Inng  der  Charaktere,  die  wir  von  alloi  gl&nsenden  Eigenschaf- 
ten Racines  und  Corneilles  —  von  dem  unübertroffenen  Moli^re 
ganz  zu  schweigen  —  vielleicht  mit  dem  meisten  Recht  be- 
wundern, in  den  heroisdh-gahmten  Bomanen  nicht  henrorthat 
Dieser  Mangel,  der  grade  der  historischen,  die  TerBchiedeDOi 
Gattungen  und  Epochen  der  Literatur  in  Verbindung  bringen- 
den Betrachtung  auffallen  musz,  scheint  auch  historisch  er- 
klftrhar  zu  sein,  wie  er  dadnrdi  historisch  wirksam  wurde, 
dasz  er  sich  in  verhängniszvoller  Weise  in  den  entsprechenden 
Erzeugnissen  unserer  deutschen  Literatur  —  mit  sehr  geringen 
Ausnahmen  —  geltend  machte.  Ankge  zur  pBychok)gi8chA 
Analyse  und  Dialektik  hatten  die  Yerfiisser  sidieiUdi,  da  rie 
Franzosen  waren,  Gelegenlieit  zur  Beobachtung  menschlicher 
Charaktere  und  Leidenschaiten  hatten  sie  auch,  denn  sie  waren 
Leute,  welche  sich  in  den  oomplidrten  und  geistige  An- 
Spannung  erheisdienden  Lebensverhältnissen  der  vornehmen 


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—   441  — 

Gesellschaft  bewegten,  aber  der  schon  gerügte  Miszbrauch,  das 
Gopiren  wirtdicher  Y erhältnisse,  legte  ihnen  fftr  die  kflnsüerisch 
freie  EntwickeluDg  der  Charaktere  Fesseln  an,  welche  jeden 
Versuch  eines  solchen  Verfahrens  vereiti-ln  niuszten.  Das  fort- 
währende Versteckenspielen  wurde  Nothwendigkeit  und  machte 
die  ganze  Darchf&hmng  der  Charaktere  zn  einer  rein  ftnssser- 
liehen  Handwerksarbeit,  drängte  die  Dichter  in  einen  durch- 
aus falschen  Realismus  hinein,  in  dem  sie  die  Wahrheit  auf 
Kosten  der  Wirklichkeit  im  schlechten  Sinne,  d.  h.  der  Zu- 
fälligkeit, Aeoszerlichkeii,  des  Nebensächlichen  nnd  Interesse- 
losen, Temachlässigten.  Daher  die  oft  hst  unerklärliche  ün- 
empfindlichkeit  gegen  das  Passende  und  Unpassende  in  den 
Handlungen  und  Beden  der  Personen  von  einem  bestimmten 
Charakter,  eine  iägenschaft,  die  besonders  bei  dem  Fräulein 
Ton  Scudfri  stark  hervortrat  und  ihr  den  Spott  Boileaus  ein- 
trug, daher  auch  die  schablonenhafte  Behandlung  der  Helden 
und  Heldinnen,  der  guten  und  bösen  Menschen,  die  sich  allein 
durch  mit  ihrem  Charakter  nicht  zusammenhängende  Zu- 
fälligkeiten und  Situationen  untwscheiden,  als  Menschen  be- 
trachtet aber  eine  abstracto  Congruenz  zeigen,  welche  das  In- 
teresse derer,  die  an  den  Aeuszerlichkeiten,  weil  sie  zeitlich 
oder  öiilich  den  äuszerlich  copirten  Personen  und  Ereignissen  fem 
standen,  nichts  theihiehmen  konnten,  giadezu  ertödten  muszte. 

Nach  dieser  allgemeinen  Charakteristik  des  heroisch- 
galanten Romans  der  Franzosen  sei  nur  noch  Weniges  in  Be- 
zug auf  die  wichtigsten  einzelnen  Erzeugnisse  dieser  Gattung 
gesagt*)«  Als  der  erste  Boman  dieser  Art  gilt  der  1632  er- 
schienene Poldxandre  von  Louis  le  Boy  de  Ooqiberville.  Wir 

I)  Jh  Bmumgelnng  ?on  ▼o]Igtändig«n  Ausgaben  kann,  wer  eich 
näher  ftber  den  Ldudt  dieser  Bomane  in  nnteniehten  wttnscht»  die 
sehr  mnfangieiehen  Analysen  in  der  Bibl.  nniv.  des  B.  benfltaKn. 
Yergl.  ausserdem  den  beträffonden  Abschnitt  bei  I>nnlop. 

29 


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—   442  — 


bemerken  an  dieser  höchst  weitsciiichtigen  Erzählung  deutlich, 
wie  sich  damals  der  Charakter  der  heroisch-galanten  Bomane 
«rat  bildatOy  denii  das  Vorhensohfiii  dar  Pliantastik  stelli  oe 
den  Amadiaroinaiiea  nodi  anffidlend  nahe.  Biii  Biese  ind  ein 
Drache,  ganz  von  der  Qualität  der  Figuren  dieses  Namens  in 
den  Amadiäen  und  Kitterbüchem,  eine  Insel,  auf  welche,  wer 
sie  verlassen,  nicht  mehr  zurückkehren  kann,  und  andere  den 
Cksdmuusk  der  framOsisehen  Literatar  der  XYII.  Jahiimiideris 
nicht  mehr  recht  entsprechende  Dinge  kommen  vor.  Ausser^ 
dem  hat  Gomber^ille  noch  zwei  weniger  berühmte  Bomane, 
Garit6e  nnd  G^rther^  geschriebeB«  sewie  eine  Fortsetsong  des 
Pol^xBBdie  unter  dem  Namen  Le  jenne  AlddiaiM^  die  er  je- 
doch nicht  selbst  vollendete. 

Ungleich  gröszeren  Ruhm  erwarb  sich  der  Qascognische 
Edelmann,  Gardeofficier  und  tragische  Dichter  Gautier  de 
Gostes  Seignenr  de  la  Oaljoendde,  der  mit  Beehi  als  der  Srate 
aaf  dem  Gebiete  des  haroisch-gaknten  Romans  angesehen 
wird.  Auch  in  seinen  Prosadichtungen  zeigt  er  sich  durch 
seine  Begeisterung  für  kriegerische  Abenteuer  als  Cavalier, 
durch  seine  höchst  pathetischen  Dedamationen  als  TragOde  und 
durch  seine  Aber  die  Grenzen  des  guten  QeschmaekaB  und 
der  Wahrscheinlichkeit  hinausgehenden  üebertreibungen  ab 
Gascogner,  und  Boileau  hat  sich  den  letzteren  Umstand  nicht 
entgehen  lassen,  indem  er  sagt: 

.Tont  a  llinmesr  GiMouie  cn  un  antenr  OtaeeB, 
OtlpTen^do  et  Jnbft'parleiit  du  mSme  ton." 

Der  König  Juba,  welcher  mit  seinem  Homer  in  Gas- 
connaden  wetteifert,  spielt  eine  bedeutende  BoUe  in  Galprenddes 
OTstem  Bomane  Cl^patre,  welcher  1646  zu  ersdieiBeB  anfing 

nnd  die  gewaltige  Ausdehnung  von  zwölf  Bänden  erreichte, 
also  die  landläufige  Bezeichnung  Bomans  de  longue  haieine 
vollkommen  .lecbtfertigte.  Hier,  wie  in  seinem  awaiten  Werke, 


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—    443  — 


welches  dem  ersten  die  Palme  streitig  machte,  der  Cassandra, 
hat  akb  Oalprendde  an  die  EralgBisse  emer  bestimmtoB 
Urtonseben  Zeit  sngesdiloflBeiL,  nftmlich  in  jenem  an  dk  der 
Regierungszeit  des  Aiigustus  —  Cleopatra  ist  die  Tochter  jener 
Cleopatra,  die  im  Staats-  und  Privatleben  ihrerzeit  kaum  mehr 
Unheil  gestiftet  hat,  als  nach  ihrem  Tode  in  der  Poesie  — 
in  diesem  an  die  Geschioke  der  grieeluscb-aaaliscben  Welt 
rar  Zeit  Alexanders,  man  darf  sich  aber  keineswegs  nnter 
diesen  Geschichten  etwas  von  der  Art  vorstellen,  die  wh*  seit 
Walter  Scott  hiatoiiscbe  Bomane  nennen^  denn  gerade  daa, 
was  bei  Seott  das  Wesen  der  Gattung  ansmacbt,  das  genau 
bislorisclie  nur  dm'eh  diobierisebe  Phantasie  m  griteESior  An- 
schaulichkeit belebte  Colorit  des  Hintergrundes,  der  Zustände 
und  der  Denkungsart  der  Personen,  fehlt  bei  Calprenede,  der 
Tiehndur  nur  die  Ereignisse  und  die  Namen  der  Hanptpersooen 
der  Oescbicbte  entlehnt,  erstere  freilich  auch  mit  grosser 
Willkür  behandelnd,  im  Uebrigen  aber  Alieb  durcliaus  modern 
zugehen  und  gesagt  werden  la^zt. 

Der  zweite  der  beiden  berfthmtesten  Homaae  unseres 
Mannes^  die  Gassandra,  weldie  der  Cleopatra  aa  BerlUiml- 
heit  gleich  ist,  an  Lange  nicht  zu  ihrem  Nachtheile  ziem- 
lich hinter  ihr  zurücksteht,  erschien  zu  Paris  im  Jahre 
1^  nad  erlebte  eine  sehr  grosse  Ansabl  Ton  Auf« 
lag«.  Die  Titslbeldin  beisst  eigenfilieb  Statiia  und  ist 
die  Tochter  des  Darins,  des  letzten  Königs  der  Perser. 
Oroondates,  der  Sohn  des  Scythenkönigs  Matthäus,  sah  sie 
als  er  in  einem  Kriege  zwischen  seinem  und  ihrem  Yater  einen 
nftohtHdien  Ueber&U  auf  das  peisiscbe  Lager  machte^  und  ver- 
liebte si^  sterbUcb  in  sie.  In  demselben  Kampfe  hatte  er 
noch  Gelegenheit,  die  Tapferkeit  ihres  Bruders  Artaxerxes  zu 
hewundem  und,  ohne  dasz  er  als  Sohn  des  feindlichen  Königs 
efbami  ward,  mit  ihm  Freundschaft  su  sohliesien.  Die  Liebe 

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—    444  — 

zu  Staiira  trieb  ihn,  unter  dem  Kamen  Orontes  am  penisclien 

Hofe  aufzutreten  und  beide  Verbältnisse  fortzusetzen,  bis  ihn 
ein  übereiltes  Geständnisz  in  die  Lage  brachte,  dem  Freunde 
seinen  wahren  Namen  und  seine  Leidenschaft  zu  offenbaieo. 
Der  darauf  von  Neuem  zwischen  den  Scythen  und  Persem  ent- 
})rennende  Krieg  findet  üm  daher  in  den  Reihen  der  Perser« 
Artaierxes  filllt  —  wie  sdion  erwähnt»  allerdings  nur  schein- 
bar —  in  einer  Schlacht,  Oroondates  kehrt  zu  Darius  zurück 
und  leistet  ihm  in  dem  unglücklichen  Kriege  gegen  Alexander 
Beistand.  Die  Schlacht  bei  Issus  bringt  die  Gattin  und  Tochter 
des  Darius  in  Alexanders  Gefengenschaftv  Oroondates  bleibt 
noch  bis  zum  Untergänge  des  ersteren  in  Persien  und  macht 
Versuche,  seine  gefangene  Geliebte  zu  sehen,  endlich  kehrt  er 
▼eraweiflungsfoll  in  sein  Vaterland  znr&ck,  wo  er  als  Ver- 
rftther  in  den  Kerker  wandern  musz.  Als  aber  Arsaces,  ein 
beim  Könige  in  groszer  Gunst  stellender  Fremdling,  in  Un- 
gnade fällt,  erlangt  er  seine  Freiheit  wieder  und  fuhrt  den 
Krieg  gegen  das  Heer  Alexanders.  Zwar  erfährt  er  zu  seinem 
groszen  Schrecken  von  einem  Gefiingenen,  dasz  Statira  ihn  für 
untreu  gelmlten  habe  und  die  Gemahlin  Alexanders  geworden 
sei,  es  gelingt  ihm  aber,  in  Susa  die  Statira  zu  sehen  und  ihr 
die  nOthigen  Aufklärungen  zu  geben,  worauf  er  nach  Babylon 
eilt,  um  mit  Alexander  um  Statira  im  Zweikampfe  zu  streiten. 
In  der  N&he  von  Babylon  trifit  er  mit  Lysimachus  zusammen, 
welcher  seinerseits  der  Statim  Schwester  Parisatis  liebte.  Es 
folgen  nun  noch  eine  Menge  höchst  verwickelter  Abenteuer, 
und  eine  grosze  Anzahl  Nebenpersonen  treten  auf.  Perdiccas 
und  Bozane,  welche  sich  in  Oroondates,  als  er  Tor  dem 
macedonischen  Kriege  in  Persepolis  weilte,  verliebt  hatte  und 
daher  die  unversöhnlichste  Feindin  der  Statira  ist,  spielen  die 
Rollen  der  Intricanten  und  bereiten  den  Haup^»ersoneD  die 
furchtbarsten  Geföbren  und  Yerl^fenheiten.   Jener  Aisaoes, 


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—   445  — 

der  wSliraiid  des  Oroondates  ersten  Aafenthaltes  in  Persien 

am  geythisehen  Hofe  emporgekommen  war  und  des  letzteren 
Schwester  Berenice  liebte,  enthüllt  sich  als  der  persische 
Prinz  Artaxerxes.  Schlieszlich  gelangen  jedoch  die  Liebenden 
EU  der  langersehnten  Vereinigung,  indem  Oroondates  die 
Statira,  Lysimaclms  die  Parisatis  und  Aisaces  —  denn  diesen 
Namen  hatte  er  als  den  bleihenden  angenommen  —  die 
Berenice  heirathete.  Oroondates  nahm  den  Thron  seines  Vaters 
ein,  und  Arsaces  wurde  —  allerdings  höchst  unchronologisch 
—  der  Gründer  des  pai-tbischen  Reiches. 

CalprenMes  dritter  Boman,  Pharamond  (Paris  1641.) 
ist  nur  zmn  Theil  von  ihm  selber,  von  den  zwOlf  Binden,  die 
er  nmfiiszt,  haben  die  fünf  letzten  den  auch  als  Verfasser 
weiterer  heroischer  Komane  bekannten  Pierre  de  Vaumoriäre 
zum  Urheber,  auch  hat  dieses  Werk  nicht  dieselbe  Berühmt- 
heit wie  die  Cleopatra  und  Cassandra  erlangt. 

Fruchtbarer  als  alle  anderen,  welche  das  Feld  des  heroisch- 
galanten Bomans  in  Frankreich  bebaut  haben,  erwies  sich  das 
Fräulein  Madeleine  de  Senden,  deren  Lob  schon  ihr  Zeitge- 
nosse  Wagensoil,  der  Gönner  der  Nürnberger  Meistersänger, 
in  Deutschland  ausbreitete  und  die  noch  in  unserem  Jahr- 
hmidert  Ton  Hoffinann  in  einer  Novelle  yerhenrlicht  worden 
ist,  welche  allerdings  von  ihrem  Charakter  als  Schriftstellerin 
kein  richtiges  Bild  liefert.  Mit  Becht  gilt  Madeleine  de 
Scad6ri,  ein  vollkommener  Blaustrumpf  in  einer  Zeit,  da  diese 
Speeles  noch  unyerhftltniszmftszig  seltener  als  in  unserer  Zeit 
auftrat,  als  diejenige,  welche  die  Scliwruhen  und  Geschmack- 
losigkeiten der  von  ihr  gepflegten  Gattung  am  meisten  aus^ 
gebildet  hat  Denn  sie  hat  es  in  dem  Versteckenspielen  mit 
Personen  und  Begebenheiten  sowie  in  der  üebertragung  durch- 
aus modemer  Zustände  und  Anschauungen  auf  weit  entlegene 
Zeiten  und  Volker  entschieden  am  weitesten  gebracht  und 


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ansBsrdem  eine  Menge  von  an  ridi  gesdimackloseii,  ja  liclier» 

liehen  Tändeleien  bei  sehr  wenig  passenden  Anlässen  in  ihre 
Erzählungen  eingemischt.  Ihr  erstes  Werk,  Ibrahim  ou  Tiilustre 
BasBa,  hat  für  uns  das  Interesse,  dasz  es  dem  Ibrahim  Baaaa 
Philipps  Ton  Zesen  m  Gmnde  liegt  nnd  avch  den  Stoff  n 
dem  gleichnamigen  Tranerspiele  Lohensteins  hergegeben  hat, 
weit  iMjrühmter  aber  wurde  ihr  Artamene  ou  le  grand  Cyrus 
(Paris  1650)  und  ihre  Cl^lie,  histoire  romaine  (Paris  1654). 
Die  Art|  wie  in  jenem  der  Stifter  der  persischen  Monardiie. 
in  diesem  die  Oloelia  Tirgo  der  römischen  Urzeit  verarbeitet 
werden,  hat  der  Verfasserin  allerdings  reichlich  den  wohlver- 
dienten Spott  Boileaus,  den  wir  sogleich  zu  Worte  werden 
kommen  lassen,  zngesogen,  andererseits  aber  anch  die  vollste 
Bewunderung  der  Tomehmen  Herren  und  Damen  an  dem  Hofe 
Ludwigs  des  XIV.  eiregt,  und  welche  Wichtigkeit  man  den 
zahllosen,  den  zeitgenössischen  Lesern  sehr  interessanten,  d&c 
Lüerstargeschichte  aber  sehr  nninteressanten,  Ampelnngen 
ihrerMit  beilegte,  beweist  am  besten  der  Umstand,  dass  man 
zur  Deutung  derselben  einen  förmlichen  Schlüssel  herstellte. 

£3  ist  bekanntlich  der  Literatur  unserer  westlichen  Nach- 
baren beschieden  gewesen,  sich  ton  dem  Beginne 'der  Neizeit 
an  TO«  den  gftnst^stea  yeihftltmsseB  unterstltjft  za  entwickehi, 
und  80  hat  sie  sich  nicht  blos  in  der  Lage  befunden,  ver- 
hältniszmiiszig  früh  einen  Höhepunkt  ihrer  Leistungen  zu  er- 
reichen, sondern  hat  sich  auch  des  noch  weit  unbez weifeiteren 
Vortheils  zu  erfreuen  gehabt,  dass  die  eneigiBche  Lebense»^ 
Wickelung  rasch  und  entschieden  Auswfkchse  mid  IGszbildnngen 
zu  beseitigen  im  Stande  war.  Jedermann  weisz,  wie  ver- 
schieden in  dieser  Beziehung  die  Schicksale  unserer  National- 
IHeratnr  sich  gestaltet  haben.  An  der  EntwidDeln^g  des 
heroisclft^galaBten  Bemaas  Iftszt  sich  dies  redrt  gut  aoikeigeB. 
Lange  konnte  seine  Geltung  bei  der  Energie,  mit  welcher  die 


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—   447  — 


franziOsische  Literatur  ihren  höchsten  Zielen  zustrebte,  nicht 
daotini,  weoigstons  nicht  in  den  Kreisen,  weldie  in  ihrer  Ge- 
sdimackBrichtong  und  ihrer  LeciOre  mit  der  Literatur  wirk- 
lich Schritt  hielten.  Den  vollgültigsten  und  interessantesten 
Beweis  hierftlr  bietet  Boileaus  trefflicher  lucianiscber  Dialog 
Lee  h^roB  de  xoman,  wdcher  sohon  in  den  Jahren  1664  und 
1665  entstand,  also  in  einer  Zeit,  da  wenig  über  ein  Menschen- 
alter seit  dem  firscbeinen  der  ersten  Werke  dieser  Art  ver- 
flessen  war.  Wir  weiden,  wie  es  in  den  TodtengeBpiftGhen 
LsciaBS  geschieht,  in  die  Unterwelt  veraetzt  Die  Spitzen  der 
zuständigen  Behörden,  Pluto,  Minos,  Rhadamanthys,  denen  sich 
Diogenes  als  lastiger  Rath  beigesellt,  befinden  sich  in  nicht 
geringer  Verlegenheit,  da  ein  gefiUurlieher  Anfttand  der  Yei^ 
dammten  'ausgebrochen  ist  Um  diesen  niedemiwerfen,  be- 
schliest Pluto,  die  Helden  des  Aiterthums  aufeubieten,  welche 
aber  erst,  da  man  bedenklidie  Symptome  einer  Charaktenrer- 
todemng  bei  einer  Annhl  yon  ihnen  wahlgenommen,  vor 
den  genannten  Vorgesetzten  eine  Art  Revue  zu  passiren  haben. 
Zaent  erscheint  Gyrus,  Diogenes  macht  Pkto  bemerklich,  dass 
jener  jetat  Artamdne  heisze  nnd  dass  er  alle  seine  Thaten 
nnr  Tollbracht  habe,  um  seine  Prinzessin,  die  achtmal  ent- 
führte Mandane,  zu  befreien. 

Minos.   Voilä  nne  beavt^  qni  passe  par  bien  des  mains. 

Diogdne.  Geb  est  vrai;  mais  tons  ses  ravissenrs 
^toient  les  sc^l6rats  du  monde  les  plus  vertueoz.  Assur^ment, 
ils  n'ont  pas  os^  loi  toucher. 

Pin  ton.  J'en  donte.  Mais  laissons  Ii  ce  fon  de  Diegtee 
n  ftnt  parier  ä  Cyms  Ini-mtoe.  Eh  bien!  Cyrus,  ü  ^nt 
combattare.  Je  vous  ai  envoy^  chercher  pour  vous  donner 
le  oommsodement  de  mes  tnmpes.  n  ne  r^ond  rienl 
Qa'Srt-fl?  Vons  diriez  qn*il  ne  sait  oü  il  est 

Cyrus.   £h!  divine  princesse! 


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—  448  — 

Pluto  n.  Ciuoi? 

Cyrus.   All!  injuste  Mandane2 

Pluton.  Plaitrü? 

Oy  ms.   Tu  me  flattes,  trop  complaisant  F^raulas.  Es-ts 

si  peu  sage  que  de  penser  que  Mandane,  rillustre  Mandane, 
pniflse  jamais  toorner  les  yeox  sur  rinfortun^  Artamene? 
Aimons-la  tbatefois;  mais  aimerons-Doos  One  enielle?  Sem- 
rons-nous  iine  inexorable?  Oiii,  Cyrus,  il  faut  aimer  une 
cruelle.  Oai,  Artamene,  il  faut  serrir  ane  insensible.  Oui, 
fils  de  Cambyse,  ü       adorer  Tinexorable  fille  de  C|yaiare. 

Pluton.   II  est  foa.   Je  crois  que  Diogeae  a  dit  TiaL 

Diogene.  Vous  voyez  bien  que  voua  ne  saviez  pas  son 
histoire.  Mais  Mtes  appi-ocher  son  öcnyer  F^raulas;  ü  ne 
demande  pas  mienz  qne  de  vons  la  raconter;  il  sait  per 
coeur  tout  ce  qui  s'est  pass6  dans  Tesiirit  de  son  maitre,  et 
a  tenu  un  registre  eiact  de  toutes  les  paroies  que  son  maitre 
a  ditee  en  lui-meme  depuis  qn'ü  est  an  monde,  avec  un  rooleaa 
de  ses  lettres  qn*il  a  tonjonra  dans  sa  podie.  A  la  liaM 
vous  etes  en  danger  de  bailler  un  peu;  car  ses  narrations  ne 
sont  pas  fort  coortes. 

Plnton.  Oh!  fai  bien  le  tempe  de  cela! 

Cyrus.    Mais,  trop  engageante  personne  

Pluton.  Quel  langage !  A-t-  on  jamais  parl^  de  la  sorte? 
Mais  dites-moi)  Tons,  trop  plenrant  Artam^e,  est-ce  qneTOiis 
n^avez  pas  envie  de  oombattre? 

Cyrus.  Eh!  de  gräce,  g^nereui  Pluton,  souflfrez  que 
j'aille  entendre  Thistoire  d'Aglatidas  et  d'Amestris ,  qn*on  me 
va  conter.  Bendons  ce  devoir  k  denz  iUnstres  malhenrenx. 
Cependant  voici  le  fidele  Feraulas  qu  e  je  vous  laisse,  qui  vous 
instruira  positivement  de  Thistoire  de  ma  Tie,  et  de  rimpossi- 
bilit^  de  mon  bonheur. 

Pinto  jagt  den  Cyms  im  höchsten  Zorne  hinans,  nach 


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—  449 


diesem  erscheint  Tomyris,  die  Königin  der  Massageten,  welche 
ihre  Schreibtafel  eifrigst  sucht,  denn  sie  hat  ein  Madrigal  auf 
Cym  darin  oiedergesdirieben.  Hoiatiiu  Coeles  singt  ein 
Ecliolied  verliebten  Inhalts,  Oloelia  fftrchtet,  dasz  sieh  Un- 
ruhen im  royaume  de  Tendre  erheben  möchten  und  setzt  die 
verschiedenen  Arten  des  Tendre  auseinander  —  eine  überaus 
abgeschmackte  Spielerei  der  Scuddri^  welche  die  verschiedenen 
Formen  nnd  Grade  zftrtticher  Zuneigung  durch  eine  allegorische 
Geographie  darstellt.  Dann  kommt  Liicretia,  welche  mit 
Brutus  ein  Liebesverhältnisz  unterhält  und  Gedichte  aus  ver- 
stellten Worten  wechselt  Sappho  tritt  auf  und  giebt  unter  dem 
Kamen  der  Tisiphone  eine  Personalbeschreibung  des  Frftnldns 
von  Scud^ri,  eine  Menge  von  erdichteten  Helden  setzen  Pluto 
in  nicht  geringe  Verwunderung.  Pharamond,  der  Stifter  des 
Frankenreiches,  bat  sich  (nach  Calpren^)  in  das  Bild  einer  nie 
von  ihm  gesehenen  Fflrstin  verliebt  Nachdem  noch  einige 
nicht  hierher  gehörige  Schriftsteller  ihr  Theil  Spott  erhalten 
haben,  erscheint  Merkur  und  klärt  die  Sache  dahin  auf,  dasz 
die  eben  gemusterten  nicht  die  wirklichen  Helden  des  Alter- 
thums, sondern  blosze  Phantome  und  Masken  modemer  Per^ 
sOnlichkeiten  seien,  ein  eben  in  der  Unterwelt  angekommnner 
Franzose  sieht  alte  Bekannte  in  ihnen,  und  sie  werden  sammt 
und  sonders  in  der  Lethe  ersauft. 

Die  Wirkung  von  Boileaus  Satire  war  durchschhigend, 
aber  dies  war  kein  ffindemisz,  dasz  die  heroisch-galanten 
Romane  noch  lange  Zeit  Leser  landen,  und  leider  hinderte  die 
starke  Reaction,  welche  sich  in  Frankreich  gegen  die  Ge- 
schmacklosigkeit dieser  Gattung  erhob,  nidit,  dasz  sie  im 
ürteit  wie  in  Uebersetzungen  in  Deutschland  eines  überaus 
groszen  und  allgemeinen  Beifalls  sich  erfreute,  ja  hier  euie 
Anzahl  Schriftsteller  zur  Nachahmung  begeisterte,  welche  fast 
noch  fruchtbarer  waren  als  ihre  Meister.  Mit  diesen  deutschen 


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—  450  — 

beroisch-galanten  BomaneB  baben  wir  uns  mm  EimädHt  m 

boscliäftigen.  üeber  alle  Einzelheiten  der  Geschichte  der 
Begründung  und  Aufnahme  dieser  Dichtungäart,  daher  auch 
über  die  Verbreitimg  der  fraazAsiachea  Urbilder  uid  ihrer 
UebersetsoDgett  soll  das  nftehste  Gapitel  bandeliL 

Sehftferroman  und  heroisch -galanter  BomAn  sind  die 
Huuptgattnngen  jener  Zeit  und  kamen  daher  auch  am  meisten 
za  internationaler  Geltung,  wenngleich  es  auch  an  Nebenarten 
nicht  ÜBhlte.  Hier  sei  abor  nur  noch  bemerkt,  daai  aidi  die 
BeliebÜielt  der  Somanform  nm  das  Ende  des  XYL  nnd  dea 
Anfang  des  XVII.  Jahrhunderts  grade  darin  zu  zeigen  be- 
ginnt, dasz  man  auch  ganz  unepische  Themata,  zom  Beispiel 
politische  Weisheit,  in  Form  von  Bomaneii  Yortnig.  Wir 
werden  Qelegenheit  haben,  zu  bemeriren,  dass  onser»  Lands- 
lente,  dem  Lehrhaften  immer  zugeneigt,  aucli  hierin  den  Aus- 
ländem, welche  sie  in  allen  Stücken  zu  bewundem  entschlossen 
waren,  nachfolgten. 

BeUage  zu  Capitel  YUL 

Aus  der  Diana,  üebersetzt  von  fiarsdörffer. 

Nümbei^  1661. 

Das  ander  Buch. 

Bs  begnnten  allbmit/nach  daro  Gewohnheit /dJ^yemgeii 
Hirteo  /  so  bei  dem  liebliclien  üfer  des  orystallinenen  Esch  ihre 

Sohaliein  zu  weiden  pHegten/sich  nach  einander  dahin  zu 
finden  /  und  vor  Auffgang  der  Sonnen  eine  süsse  Weide  und 
schattigen  Ort /allda  sich  iwMifthtniün  in  der  grOsaten  Hitn 
die  satte  Heerd  unterstellen  michten  /  an  sadien  /  als  die 

schine  Hutin  Ö)lvagia  ausz  ihrem  Dorff  dem  Berg  herab  gegen 

I 


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—   461  — 

dem  Wald  gegaogen  käme /ihn  gedulüge  Sehiflem  vor  aoh 
hertrcibeBd  /  die  ne  dm  iwter  denen  daselbst  in  grosser 

Menge  stehenden  dicken  Standen  '  deroselhen  nnter  Nestlein/ 
zu  stilkii  ihres  Hungers  /  abzwackend  /  verliesse  /  und  sich 
straehs  gegen  demBdenbanin  /  bey  weldiem  sie  /  neben  denen 
Hilten  /  den  vorigen  Abend  zngebracbt  hatte  /  begäbe.  Folgends/ 
den  Ort  zu  traurigen  Einbildungen  also  gelegen  sehend  /  bey 
gemddtem  Brtnnlein  sich  niedersetste/ dessen  helles  Wasser 
■ut  ilrai  keissen  Z4bren  vermduete  /  und  nach  lang  mit  sich 
selbst  gepflegtem  stumen  Ansprach  auff  solche  Weis  zu  klagen 
anüei^: 

Ach  Alanio:  Ists  mAgUch  /  dasz  da  der  jenige  seyst  / 
dessen  Alge  ich  niemalen  in  meiner  Gegenwart  habe  trocken 

gesehen  /  und  der  du  so  unzehlich  otft  /  mit  viel  veriicbten 
üisachen  /  kniend  ?on  mir  die  Gnad  /  so  ich  nachmalen  zn 
meinem  Unglück  dir  erwiesen  /  gebeten  hast? 

Sage  mir  /  du  allem ntreuester  Hirt  '  so  jemalen  gewesen  / 
hat  dann  deine  Liebe  gegen  mir  kein  weiteres  Absehe  gehabt  / 
als  dasB  da  memer  so  behend  Aberdrissig  worden  /  and  dur 
▼ieHflleht  einbflden  weitest  /  dasz  /  gleich  nach  Erfthrang  deiner 
Untreu /ich  selbige  auch  fhr  mich  erwehlen  wfirde?  Inmassen 
die  jenigen  ferner  /  so  die  edle  Lieb  nicht  nach  dero  Wirdig- 
keit  bdiandlen  kAnnen  /  ihnen  einzabilden  pflegen  /  dasz  anff 
jede  ihre  eilende  Einfalle  dero  Lieliste  sich  gleichmassig  ent- 
schliessen  sollen*  Ob  zwar  etliche  unter  euch  dergleichen 
Yer&ndenmgeQ  xn  einem  Mittel  /  dardnrch  die  Lieb  solte  w» 
mehret  werden  /  gebranchen  /  andere  dareh  dnen  seldien  Schem- 
Eifw  ihre  Nymphen  dermassen  einnemen  wollen  /  dasz  sie  kein 
Aog  gegen  einem  andern  wende  diiffen  and  doch  folgende 
selch  ihr  Ftrgeben  allgemach  Selbsten  yerrshten  dardordi  dann 
ihre  Untreue  vor  manniglith  offenbar  wird :  Wiewol  ja  fi*eulich 
zuletzt  alle  diese  Umbstände  niemand  als  uns  blenden  die 


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—  452  — 

wir  ohne  gnugsame  Betrachtung  dessen /so  kUnfftig  beschehen 

mÄchte  /  uns  in  eucli  ebon  stark  verlieben  /  als  ubcl  wir  von 
euch  belohnet  werden  /  zu  Schaden  und  Schmerzen  gedeyet  / 
allormassen  do  mir  /  die  ich  dich  so  hoch  f^eliebei  und  noch 
liebe  /  gante  nnbillich  erwiesen  /  ich  aber  gleichwol  /  welche 
unter  diesen  allen  dein  anfAnglicbes  Absehen  gewesen  /  nicht 
auszsinnen  kan.  Darob  du  denn  dich  zu  verwundem  kein 
Ursach  hast/ in  Erw^ng  der  £iüschen  Lieb  nnd  Vergessen- 
heit gar  geringe  Erüihning  seyn  kan  bey  der  jenigen  /  so  in 
Treu  und  Beständigkeit  so  vollkommen  ist:  Zu  deme  habe 
ich  ausz  deinen  auftrichtigen  Worten  gleichmassiger  Worck 
mich  vesehen/  auch  bey  deinem  FÄrgeben  /  dasz  du  mit  solcher 
Lieb  nichts  anders  als  nmb  kensche  Qegenlieb  bey  nur  an- 
werben wollest  /  ein  wenig  Beständigkeit  verhoffet  /  deren  ich 
mich  bey  unehrlichem  Vorsatz  keinesweges  getröstet  oder  ge- 
achtet hätte.  Ey  /  ey  /  ey  /  Ich  ungl4ckselige  /  ob  ich  wol  leider 
deine  Falschheit  allznfirA  empfinde  /  habe  ich  sie  doch  f Ar 
mich  viel  zn  spat  wargenommen  /  nnd  wire  mir  bey  weitem 
furtnVdicher  gewesen  /  in  steter  Einsamkeit  /  allda  ich  dich 
niemalen  gesehen  hätte  /  mein  fr6liches  und  ireyes  Leben /als 
nonmehr  in  so  trauriger  Dienstbarkeit/ zn  venehren/etc 

Indeme  diese  so  betrübte  als  schftne  Hirtin  solch  ihre 
Klag  (so  mit  einem  herztbrechomlon  Seufftzen  geendet  ward) 
angehörter  Massen  fuhiete  /  hatte  allerneclist  darbey  der  unge- 
liebte Sylvano  seine  Heerde  zu  etlichen  Myrten-Stauden  /  so 
bey  dem  Brunnen  stunden  /  getrieben  /  nnd  /  allda  seinen  trau- 
rigen Einbildungen  nachhengend  /  die  klagliche  Stimme  der 
betrübten  Hirtin  erhöret;  darob  er  dann  /  gleichsam  ausz 
einem  Schlaff  erwachend  /  zu  sich  selbst  käme  /  und  auff  die- 
selbe genauere  Achtung  gäbe.  Wann  aber  dieser  betrübte 
Hirt  von  Liebe  dermassen  hart  gehalten  /  und  von  der  sch6nen 
Diana  so  übel  gewolt  wäre /dasz  er  zum  Theil  seiner  Yer- 


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—  453  — 

nunift  beraubet  ward :  Also  beschahe  za  mehrmaln  /  dasz  er 
heut  die  Liebe  anfe  iusserste  tadelte  /  morgen  dieselbe  nicht 
weniger  r&hmte  /  einen  Tag  mit  sondern  Freuden  /  den  andern 
mit  nicht  geringerer  Traurigkeit  verzehrete;  bald  von  allen 
Weibern  mit  h6chster  Bitterkeit  ubel  redete  /  bald  mit  herta^ 
lieber  Neigung  selbige  ansz  dermassen  preisete:  Schlieszlicben 
ein  solch  widerwertiges  Leben  ffthrete  /  dasz  dessen  Beschaffen- 
heit mit  Worten  gnugsani  zu  erwehneii  schwer  /  muglich  / 
fallen  würde.  Nachdem  er  aber  obangedeute  der  Hirtiu 
l^l?agia  anmutiges  Klagli^  angeh6ret/  und  dardurch  seine 
traurigen  Einbildungen  zum  Theil  rergessen  hatte  /  nam  er 
sein  Geiglein  hervor /und  sänge  nach  dessen  Ton  folgendes 
Liedlein: 

1. 

Der  klaro  FIusz,  der  kühle  Myrton-Thal/ 
Die  hohen  Borg  ermüden  allzumal  / 

Mein  stetes  Klagen  abzuhören  / 
Das  matte  Gras  fleht  Floren  selbst  umb  Kach/ 
Weil  es  versehrt  (ein'  ungewohnte  Sach) 

Und  wird  verzehrt  von  meinen  Zahren. 

Du  raubest  mir  den  werthsten  Lebens-Schatz/ 
Vemunfl't  erlag  und  Freyheit  in  der  Hätz/ 

Mein  Leben  wird  von  dir  bestolen: 
Ich  war  gesund  /  nun  bin  ich  bUnd/ 
Die  Einsamkeit  sich  nechsten  bey  mur  findt 

Ich  brenn*  m  Liebe  &8t  zu  Eolen. 

3. 

Der  Hertzensschmertz,  die  schwere  Jammerpein 
Ist  ungezihmt/ic^  musz  wol  traurig  seyn/ 

Hertz,  Augen,  du  mein  schwaches  Leben  / 
Bist  halb  und  hidb  Terfaauchet  und  dahin. 
Mein  bester  Theil  Vemnnfft  imd  alle  Sinn 

Bestehen /wie  die  V^l  schweben. 


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—  454  — 
4. 

Dein  Angesicht  vergleich  ich  /  Schilferin  / 
Dem  Marraorhals  /  die  Lippen  von  Rubin  / 

So  in  das  Tugend-Gold  gesetzet: 
Doch  ist  dein  Hertz  von  Felsen-hartem  Stein  / 
Das  nicht  erweicht  von  meiner  Klage  Pein  / 

So  bin  und  bleib'  ich  jedeizeit  verletzet. 

5« 

Ich  bring*  in  FBreht  nnd  sonder  waare  Bah/ 
Mit  alter  Angst /meiB  junges  Lebea  sn/ 

Das  da  dodi  leichtlich  kanst  TersAssen: 
Der  Krieg  in  sich  ist  eine  solche  Last/ 
Dasz  man  die  Leut  und  sich  auch  selbsten  hasst: 

Kovm  Tod  und  weade  mein  VerdWiflsen! 

IMeses  war  des  nngellebten  Sylvano  iraoriger  Gesang /an 

welchem  beynebens  der  Stimme  er  alsbald  von  der  schönen 
Sjlvagia  erkant  wäre  /  die  dann  /  von  ihrer  Stelle  auäätehend  / 
EU  ihm  sich  begäbe /und  nachdem  sie  beede  einander  mit 
fipeondlichen  Worten  gegrftsaet  hatten /setaten  aie  sich  in* 
sammen  bey  einem  dicken  Myrtenbanm  /  so  mitten  in  einer 
kleinen  Wiesen  stuude  /  deren  mancherley  sch6ne  Blumen  ein 
yiel  lieblicheres  Ansehen  von  sich  gaben  /  als  die  tranrige  Ge- 
dancken  dieser  bekümmerten  Personen  ihnen  einbilden  oder 
anch  wftnsehen  moditen  /  inmaasen  ihr  beeder  melanehoMschea 
Gespräch  zum  Theil  bezeugete :  Denn  bald  /  nachdeme  sie  sich 
gesetzet  /  begonte  der  ungeliebte  SylTano  folgender  Massen 
an  reden: 

Es  ist  jemahi  /  meine  schftne  Sylvagia  /  nnmtglieh  /  daaz 

man  ohne  sonderbares  Mitleiden  die  viel  imd  mancherley  Un- 
glück /  so  ans  elenden  Verliebten  zusustehen  fliegen  /  erwogen 
k6nne:  Aber  nnter  teen  allen/ venneiBe  ich/ssy  keines 
mehrer  an  fbditen  als  die  ibmdselige  Erinnerung  dess  irgend 
einmal  genossenen  glückseligen  Standes  /  ob  sich  auch  zwar  /  in- 
massendu  mir  Torgestera  fürgeworffe/ diesen  Zustand  wircklichen 


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^   455  — 

niemaln  erfahre  habe:  So  beweget  mich  doch  mein  unrtibig 
und  elendes  Leben  za  mehmalen  dahin  /  dasz  ich  durch 
mancherky  Einbildang  mich  flelbstMi  wissentlich  zu  betziegei 
tndiie.  Dannenhero  ofit  besdiicht  /  dasz  ich  mir  eine  gute 
Weil  auffs  allerstdrckeste  nacbsinne/ ich  werde  von  meiner 
Hirtin  auffs  beste  wieder  geliel)et  /  auch  in  wai-endera  solchen 
Wahn  alle  widerwertige  (Jedancken  aosz  dem  Eopff  schlage: 
So  bald  idi  abor  durch  Eriunemiig  dar  Wahrheit  aur  solche 
fiilsebe  Einbildang  selbsten  benimme/ist  nnanszsprecblich  die 
BestÄrtzung  /  so  ich  ob  mir  befinde  /  die  mich  dann  jederzeit  / 
ehe  und  dann  ichs  fsAi  wahmimm/zu  nicht  geringer  Unge- 
duU  beweget  M  mm  eia  blosier  Wahn  demasaan  nnertriig- 
lich/nein  Goit/waa  Schmertaeii  mius  nicht  reelite  Wahrheit 
yerursachen. 

Ich  wolte/mein  Sylvano  /  antwortet  hierauff  Sylvagia/ 
wfbschen/daaz  ich  von  diesem/davon  da  redest/  fte^  wixe/ 
damit  ich  der  Nothdnrflft  nach  dir  hieranff  antworten  lAmidi 
Du  sollest  aber  gewisz  dafürhalten  /  dasz  die  Grosse  der  Liebe 
oder  einer  andern  Gemütsbewegung  nicht  besser  kan  erkennet 
werden  als  ans  denen  Beden  dessen,  so  selbige  zn  empfinden 
fkrgibot:  Dann  niemaleo  ktts  wichtiges  Anügen  ▼on  dam 
jenigen/so  es  leidet  /  auszf&hrlich  mit  Worten  erzehlet  kan 
werden:  Dannenhero  auch  ich/bey  so  Äberhkifftem  Unglück 
«nd  beschwerlicher  ünbillichkeit/die  mir  toii  de  Alanio  be- 
sefafliet/die  Grtsia  meiner  Fem  mit  Worten  nadi  BognAgen 
zn  entdecken /gani^  nnmAglich  befindend /das  Unreeht  dem/ 
so  es  begehet /in  seine  Beurtheilong  ergibe/als  deren  Yoll" 
kommenhfflt  ich  mich  gar  gerne  Tertraae. 

AniF  solche  Weise /antwortet  ^vano  seafteend/ weiden 
wir /ausser  e%nes  Elagens/kdn  Enthebung  uneens  Slendes 
zu  hoffen  haben  /  da  du  nicht  /  mein  Sylvagia,  jrgead  ein  Mittel 


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—   456  — 


erdenckest.  Ich  habe  allbereit  eines  gefunden  /  sagte  die 
Hirtin  /  das  will  ich  dir  sagen  /  lasse  ab  von  der  Liebe, 
Trauest  da  dir  /  antwortet  Syivano/disz  Mittel  bey  dir  zn 
eDdeo?  Wenn  es  halt  (sagte  Sylvagia  mit  an  sich  gezognen 
Achseln)  dem  GlÄck  und  der  Zeit  also  gefiele  /  was  muste  ich 
anders  machen?  Ich  schwere  /  sagte  der  Hirt /mit  Verwun- 
derung/dasz  man  dir  einig  Unrecht  nicht  erwiese/ wann  man 
gleich  mit  dir  diss  orts  kän  Mitleide  tr&ge/in  Erwegung 
eme  Lieb  /  so  dem  GMek  und  der  nnterworffen  /  nimmer- 
mehr so  grosz  seyn  kan  '  dasz  sie  der  Person  /  so  selbige 
empfindet/ viel  Ungelegenheit  machen  solte. 

Wammb  das/  mein  Sylvano?  fragte  die  schöne  Hirtin: 
Eanst  du  auch  dafftr  schweren  /  dasz  entweder  durch  den  Tod  / 
oder  aber  durch  eine  neue  Lieb  /  oder  mehrere  Gewogenheit 
an  einem  andern  Ort  /  das  Ende  deiner  jetzigen  Lieb  unmüg- 
lich  seyeu  solte  P  Ich  will  /  antwortet  Sylvano  /  diesz  Orts  nicht 
sagen  /  dasz  ich  dergleichen  Yeribdemng  bey  einem  andern 
für  unmÄglich  halten  solten:  Aber  bey  mir  wiids  nimmermehr 
beschehen  /  sondeni  ich  verfluche  einen  solche  Verliebten  / 
der  in  seiner  Lieb  so  unbestindig  sich  befindet  /  dasz  /  ob  er 
wol  b^  einer  andern  soldie  Wanckelmiktigkeit  sihet  /  er  bqr 
sich  Selbsten  eine  gleichmissige  Untren  besorget. 

Ich  bin  ein  Weib  /  antwortete  Sylvagia  /  und  inmassen  du 
selber  sihest/so  starck  als  niemand  anderer  verliebt:  Aber 
ungehindert  dessen  unterlasse  ich  nicht  zu  erkennen /dasz  alle 
Sachen  in  der  Welt,  wie  starck  auch  selbige  zu  seyn  scheinen  / 
dermaleins  ein  Ende  nemen  mi\ssen  /  weiln  wissentlich  /  dasz 
beede  das  Gl^ick  und  die  Zeet  eben  darzu  verordnet,  dasz  sie 
bisz  an  das  Ende  der  Welt  ihre  untzhero  gepflegte  Yertnder- 
und  Beschwerung  wireken  sollen :  Wollest  auch  /  mein  Hirt  / 
keineswegs  darfürhalten  /  dasz  ich  dieses  /  mit  Fürsatz  dessen  / 


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—   457  — 

so  meiner  ohne  Ursach  nichts  geachtet  /  zu  vergessen  /  rede  / 
soodem  bloez  aon  Er&hmng/so  ich  in  dieser  Sache  erlanget 
habe /etc. 

Indeme  diese  beede  angehörter  Massen  Sprach  halten  /  er- 
h&ren  sie  eines  Hirten  Stimme /so  gegen  ihnen  die  Wiesen 
herab  smgend  kame/dene  sie  alsbald  f&r  den  yergeasenen 
Syreno  erkannten  /  welcher  nach  Ebing  seines  Geigleins  fol- 
gendes Liedlein  sunge: 

Sonett 

Ihr  Geduncken  harret  hier/ 

Schauet /wie  die  Liebe  blendet/ 
Die  doch  in  mir  nicht  geendet 

Die  gelobte  Licbs-Begier  / 

Dencket  an  des  Spiegels  Zier/ 
Welchen  ich  ihr  zugewendet/ 
Der  anjetzo  wird  geschändet 

Von  der  Falsclilieit  Ungebühr. 

Der  Bedenckens  ist  nicht  werth/ 

Hat  Diana  Ruhm  geführt. 

H6r  zuvor /wie  es  ergangen: 

Nein /mein  Wahn  ist  ein  Prophet/ 

Der  auflf  sichern  Wegen  geht. 
Ach  Diana /mein  Verlangen. 


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* 


Inhalt  des  L  Bandes. 

Capitel    I.     Schriften    über  Geschichte  und  Theorie  des 
Romans,  Anfange  der  Theorie  desselben  in 

Deutschland   1 

Capitel   II.     Allgemeines  über  die  Entstehung  der  Frosa- 

dichtung  in  den  europäischen  Literaturen  ...  99 
Capitel  m.     Anfange  der  deutschen  Ronianliteratur  durch 
üebersetzungen    und   Bearbeitungen  zumeist 
französischer  Ritterbücher.     Einführung  der 
italienischen  NoTelle  in  die  deutsche  Literatur  55 

Beilagen  zu  Capitel  III   95 

Capitel  IV.     Die  prosaischen  Faceticn  oder  vScUwankbttcber 

des  XV.  und  XVI.  Jahrhuntlerts   114 

Beilagen  zu  Capitel  IV   144 

Capitel  V.       Die  volksthümlichsten  Anfiinge  der  deutschen 

Prosadichtung      165 

Beilagen  zu  ('apitel  V   225 

Capitel  VI.     Anfiinge  eines  deutschen  Oricrinal-K'uii^tromaus 

durch  Georg  Wickram.  Juliaim  Fisohart  ....  233 

Beilagen  zu  Capitel  VI   2S4 

Capitel    VIL   Amadis    300 

Beilagen  zu  Capitel  VII   880 

Capitel  VIII.  Zustand  der  Prosadichtung  in  den  fremdlän- 
dischen Literaturen  am  Ende  des  XVI.  und  in 
der  ersten  H&lfte  des  XYU.  Jahrhunderte  . . .  419 
Beilage  tu  Capitel  VUI   450 


Dmck  Ton  Fi*il«r  t  Ilenticliel,  Bradta« 


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Geschichte  des  Romans 


und  der 


iliin  verwandten  Dichtungsgattungen 
—         in  Deutschland 


von 


Felix  Boliertagf. 


Erste  Abtheiluug. 
Bis  nun  Anfange  dea  XVIIL  Jahrhunderts. 


Zweiter  Band. 


 >m<  

BERLIN. 

Verlag  von  Leonhard  Simion. 


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Inlialt  des  IL  Bajides. 


Erste  Hälfte. 

Seit« 

Oapitel  IX.  Alli^^nieines  über  die  Entwickeluni^  der  deutsclien 
Prusiulichtuuß:  im  XVII.  Jahrhundert.  Die  Zeit 
votii  Anfange  ded  Jahrliuuderts  bU  zum  Auftreten 

Z<'-.t  ii<   1 

Capitel  X.  l>ie  Kniwickf^lnnüf  des  Kunstronians  in  Deutsch- 
hind  vom  Aiü treten  ZeseuB  bis  auf  Anton  Ulrich 
Von  Hl  auQächweig   51 

Beilagen  zn  Capitel  X   143 

Capitel  XI.    Der  heroisch -galante  Roman  auf  dem  Höhepunkte 

seiner  Kntwickelung:  Ziegler  und  Lohenstein  .  .  .  158 

Beilage  zu  Capitel  XI  264 

Zweite  Hälfte. 

("apit»I  Xll,  (irimmelHhausen   1 

CrtiMi.!  XIll   III 

Beüageu  zu  Capitel  XUL   170 

liegister  zum  1.  und  Ii.  Bande   191 


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Geschiebte  des  Romans 


und  der 

ihm  verwandteü  Dichtungsgattuugen 

in  Deutschland 


Brote  Abtheilong. 
Bis  zum  An&nge  des  XVIIL  Jahrhunderts. 


Zweiter  Band.  —  Erste  Hälfte. 


BERLIN. 

Verlag  von  Leonhard  SimioD. 


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Ich  t|:laubt',  8chon  durch  das  iu  der  Vorrede  des  ersten  Bandes 
Gesagte  veranlaszt  zu  sein,  allen  denen,  welche  jenen  Band  einer 
öffentlichen  Be.sprechun«,'  jjewürdij^t  haben,  dafür  an  dieser  Stelle  mei- 
nen Dank  abzustatten,  und  zwar  den  Verlassern  der  un^äinstigen 
Heurtheiluni,'en  ebensowohl  wie  denen  der  ijünstigen.  Teljer  die  letz- 
teren auszerdeni  etwas  zu  sagen,  liei^t  kein  (inind  vor,  auf  dit«  erste- 
reii  einicre  Worte  zu  erwidern,  veranlaszt  niit  h  allrin  der  Wunsch,  nicht 
zu  denen  i^^erechnet  zu  werden,  weldie  sich  von  bedeutenden  und  eiu- 
flnszreichen  Männern  eine  BeliandlunLc  g:etall(  ii  lassen,  i^'-eiren  welche 
sie  Protest  zu  erheben  verpfliditet  wären.  Wenn  t  in  solcher  Protest 
niliiu:  und  hötiicli  gclialten  ist,  kann  er  nur  im  Interesse  beid«*r  Par- 
teien liegen,  und  um  diese  V(»rzüi;e  dein,  was  ich  auf  ilie  Kritik  des 
Herrn  Professor  Sdierer  glaube  o.ntwoitf'n  zu  sidlen,  zu  wahren,  habe 
ich  von  einer  sofortigen  Erwiderung  Abstand  geni»mmen.  Das  Wort 
Erwiderung  bitte  ich  nicht  miszzuverst<dien.  Es  liegt  mir  fern,  eine 
solche  ErwideiTing  zu  liefern,  wie  sie,  leider  nicht  zur  Ehre  der  dt  ut- 
»chen  (telehrten,  jetzt  sehr  in  Brauch  «^'■eknmmen  zu  sein  scheinen, 
krankhaft  animose,  den  (Tcgner  gcringsciiätzig  und  ungerecht  behan- 
delnde Invectiven,  als  deren  Hauptzweck  man  sogleich  die  Erregung 
von  Venlrusz  erkennt.  Den  Zweck,  Herrn  Professor  Schcrer  mit 
solchen  Auslassungen,  die  ich  durcliaus  verabscheue,  zu  verletzen, 
würde  ich  wahrscheinlich  auch  gar  nicht  erreichen.  Ich  kann  und 
darf  aber  diesen  Zweck  auch  einem  >Manne  gegenttl>er,  d«!m 
ich  viel  Belehrung  und  Anregung  verdanke,  nielit  haben.  Ich 
mag  und  will  ferner,  weil  meine  Antwort  wesentlich  nur  ein 
P^inspruch  gegen  die  Art  der  mir  widerfahienen  Behandlung  sein 
soll,  keineswegs  eingehende  suehliehe  Erörterungen  vorbringen  und 
diese  als  Gelegenheit  benutzen,  mir  eine  sehr  zweifelhafte  Geuug- 
thaong  zu  verschaffen. 


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—   IV  - 

'  Zunächst  rnnss  ich  dagegen  Protest  erheben»  dMs  Herr  Pro- 
fessor Scherer  seiner  ausflUirlichen  Kritik  eine  dnrchMis  TenrerCende, 
aber  mit  Iceiner  BegrUndnng  versehene  Besprechung  meines  Buches 
▼orangehen  Hess.  Die  (Gerechtigkeit  erforderte  nach  meiner  Ansicht, 
dasz  die  öffentliche  Vemrtheilung  nach  dem  Process  erfolgte,  und 
was  hätte  es  geschadet,  wenn  Herr  Professor  Scherer  die  besttgllche 
Anzeige  in  dem  nächstfolgenden  Hefte  der  Zeitschrift  hätte  elnrOeken 
lassen,  als  seine  gegen  mich  gerichtete  Schrift  in  den  Q.  F.  in  aller 
Händen  war? 

Doch  das  ist  Kebensache.  Die  Hauptsache  ist  mir  der  Ton,  welcher 
in  der  kurzen  Amieige  des  Herrn  Professor  Scherer  sowohl  als  in  seiner 
ausfährlichen  Kritik  vorwaltet.  Dieser  Ton  ist  freUlch  nieht  infntUls 
und  grob,  wohl  aber  in  hohem  Grade  gereizt,  animos,  herab- 
ziehend und  macht  den  Eindmck,  als  ob  er  von  der  Absieht,  aofeine 
verletzende  Weise  Verachtung  gegen  mich  an  den  Tag  zu  legen, 
erzeugt  sei.  Ich  erblicke  diese  Absicht  ganz  besonders  darin,  dasz 
Herr  Professor  Scherer,  wie  ich  nachzuweisen  vennohen  weide,  nur 
zu  geneigt  ist,  auf  das,  was  ich  gesagt  habe,  gar  nicht  «rdentlteh 
zu  hören,  und  stelle  mit  voller  Zuversicht  allen  Unparteisehen  an- 
heim,  zu  entscheiden,  ob  dies  der  Pflicht  eines  Kritikers  entspricht 
oder  nicht 

Ich  setze  jedoch,  um  keinen  Zweifel  darüber  entstehen  an  bssen, 
worauf  es  mir  in  erster  Linie  ankommt,  den  Fall,  dasz  alles,  vras 
Herr  Professor  Scherer  in  seiner  Kritik  sagt,  keine  KögUehkeit  einer 
Wideriegnng  darböte,  und  glaube  auch  für  diesen  Fall  sein  Beoht, 
mich  in  dieser  Weise  anzugreifen,  verneinen  zu  dflrfen.  So  wie  in 
einer  anständigen  Gesellschaft,  &lls  Jemand  eine  ünlsche  Meinung 
geäuszert  hat,  bei  Bestreitung  derselben  nicht  blos  gesetzlich  »traf- 
bare  Injurien,  sondern  auch  Gereiztheit,  verletzende  Wendungen,  Hohn 
und  gcring8chützige  Ausdrücke  untersagt  »ind^  m  sollte  es  auch  in  der 
wissenschaftlichen  Kritik  hergehen.  Denn  die  deutseheu  Ge- 
lehrten sind  olme  Zweifel  als  eine  anständige  Gesellschaft  im 
strenf^sten  Sinne  des  Wortes  zu  betrachten.  Dasz  Ich  auf  Herrn 
Trofessor  Scherer  einen  besonderen  £indru<>k  maclieii  werde,  wenn  ich 
auf  (irund  des  obeu  Gesa^:toii  v^cf^en  den  in  seiner  Kritik  herrschen* 
den  Toit  ])r(>testire,  f^laube  ich  nicht.  Ich  vermacf  nicht  zu  hindern, 
dasz  Herr  Professor  Scherer  si)äter  vielleicht  denselben  Ton,  gegen 
den  ich  jetzt  protestire,  nur  nodi  stärker  gegen  mich  anschla^j^e,  es 
kann  aber  an*  h  iiii  iiiaiid  hindern,  dasz  ich  durch  die  vorstehenclt;  Er- 
klärung den  Verda<-ht  von  mir  abwälze,  d*  sst  n  MögUclikeit  mich 
überhaupt  veraulaszt  ^t,  in  dieser  An^^elcj^enlieit  das  Wort  zu  er- 
greifen. Mir  ist  das  genug.   Und  so  hätte  icli  denn  vielleicht  auch 


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-  V  - 

■eiaea  Flotest  genügend  begründet,  wenn  der  obw  Toa  mir  uigtt* 
noBUBene  Fall,  dan  Hair  ProÜMMr  Sehenr  anmahaiiloa  Beeht  UMa» 
wirklich  wäre.  Daa  M  aber  nicht  lo,  aad  da  mein  Pioteat  daieh 
difiaea  Uautaad  baawr  bagHkadet  wlfd.  ist  aa  arforMleh,  dla  Bldir 
tigiceit  meiner  gegeatheiligen  Behanptaag  la  bewelaeB.  Ich  heechriake 
mich  dabei  aaf  das  geringste  Haas.  Dia  Qali^gaBhalt;  aiaaehaa»  waa 
Half  Professor  Scberer  IrrthttBillch  behanplet,  richtig  an  steUen«  wird 
sich  ffir  mich  md  aadare  spitar  Kndan,  iHa  de  sieh  ti  dar  Thal  lehoa 
geftinden  hat.*) 

Wena  ich  diese  Qetogaahaii  aa  mich  kommen  lasse,  das  Fol- 
gende nur  aas  dea  eben  angegebenen  Gesichtspunkten  behandle  und 
somit  hier  Tnanche»  nnerürtert  bleibt,  so  liegt  das  in  meiner  Alh 
sieht,  und  ich  tlme  es  in  dem  Bewunzt^^rin,  dasz  dem  Tone  den  Herra 
Prof.  Sclierer  gegenüber  eine  umfangreiche  Vertheidigung  nicht  an- 
gebracht i>*t,  auch  habe  nicht  icli,  »ondern  die,  welche  ohne  genügende 
Prüfung  HeiTU  Professor  Sclierer  Recht  gehen,  den  Schaden  davon. 

Auf  Seite  4  ^'ird  die  Art  hemüiigt  lt,  wie  ich(S,27  f.)  xwel Seiten  (die 
Seite  hat  in  meinem  Buche  32  Zeilen)  mit  Büchertiteln  gefüllt.  Die 
Büch»Ttitel  nehmen  genau  27  Zeilen  ein,  jede  angefangene  Zeile  mit- 
gerechnet. Hierzu  kommen  lü  Zeilen,  in  denen  ich  die  aufgeführten 
Bücher  charakterisire  and  ordne.  Die  deutsche  Bibliothek  der  Bo- 
mane  steht  tot  der  fraosOsischen,  weil  sie  ailr  ihrem  Zwecke  nach 
dar  Geachiehta  dea  deatschea  Ronaos  alher  aa  stehen  schlsn.  Wie 
man  fibenehen  kann,  dasa  Itfi  a)  awel  Sammlangea  yan  alten  Praea- 
diehtaagea,  b)  awei  Sammlangen  ton  Anialgen,  e)  drei  bIbUografUaeba 
Nadmehlagebttcher  aaflUne,  and  anamfni  kann:  Und  wenn  dabei  nach 
eine  gewisse  Ordnung  beobachtet  wire!  ist  mir  darohana  nnerfindUdh. 
Ich  gebe  gern  aa,  dasa  ich  an  dieser  Stelle  hätte  Ranm  sparen  kön- 
nen, gUnbe  aber  doch  das  Recht  an  der  Behauptung  su  haben:  Die 
In  der  Stelle  vorhandene  Ordnung  fUr  falsch  zu  erklären,  war  Heir 
Professor  Scherer  berechtigt,  aber  da«  Vorhandensein  jeder  Ordnang 
aa  leagnen,  heUzt  mir  einfach  Unrecht  thun. 

,DaH  bekannte  Buch  von  Cholevlns  etc.  erwähnt  H.  BobertAg 
nicht"  ht'ixzt  es  feiner  Seite  4.  Bei  mir  steht  auf  S.  28:  , Alle  übri- 
gen Bü(  her  und  Schritten  mdgen  aa  den  einseinen  Steilen  erwähnt 
werden." 

Seite  5  wird  mir  Tnri^'t  woiien,  dasz  ich  (tiraldi  und  Pigna  nicht 
berheii,'-ez(igen,  währen«!  die  von  mir  (S.  5)  eitirte  Stelle  den  Httet 
deutlich  angiebt,  warum  mq  nicht  herbeizuziehen  waren. 

Da  ich  nicht  kleinlich  werden  will,  bitte  ich  diejenigen,  welche 
daan  Zeit  und  Luüt  haben,  lecht  genau  alle  die  mir  seaat  im  Bin* 

1)  Omaato  Ulli.  a.  tSl. 


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-  VI  - 


aeltten  snr  Last  gelegen  Ungeuauigkeiten  (s.  B.  das  mir  auf  8.2  hin- 
tlchtUdi  der  Proben  Vorgeworfene,  die  in  der  Anm.  8.  4.  5.  anijge- 
redmeten  84^%  FMüer  anf  100  Zeilen)  nadusaprtUiBn  nnd  m  benr- 
theHen.  Ich  büde  mir  nicht  ein,  ein  Üehlerloses  Baeh  geachrleben  sn 
haben«  nnd  werde  In  den  Nachtrigen  nnd  Berlchtigongea«  die  m 
bringen  meine  Pflicht  nnd  mein  Recht  Ist,  allee,  wofür  ich  Herrn 
Prof.  Sdierer  in  Dank  Terpfliehtet  Mn,  anflIhrRn,  mag  aber  weder 
mich  noch  andere  mit  Streiten  über  Dinge  anilialten,  die  mir  eine 
ErOrtemng  nicht  n<irhig  xn  machen  scheinen. 

Was  niii  Herr  Professor  Scherer  damit  Torwerfen  will,  dasz  er 
8.  8  meine  Wendimi^r  «nnser  an  die  Illastrationen  der  Qartenlanbe 
und  ähnlUhfr  Blätter  gewöhntes  Auge"  sehr  be<leiiklich  nennt,  weiss 
ich  nicht,  jeder  Uji parteiische  wird  aber  finden,  dasz  ich  hier  diese 
llluMfrationcn  als  Beweis  der  Fortschritte,  wdoli«*  die  Holzschneide- 
kunst seit  dem  XV.  und  XVI.  Jahrhundert  i^rmacht  hat,  anführe, 
und  jcd(>  anderwcitiLrc  Insinuation  als  etwas  bezüiclmeu,  was  in  eine 
wissensrhat'tliclir  Kritik  niclit  «^ohrtj-t. 

Seit«'  15  liriszt  es;  „Bei  H.  Bubertai?  liebt  sich  ni<ht  einmal  die 
Zeit  vor  der  Hct\trniati(»ii  vnn  der  Zeit  nach  der  Reformation  ordent- 
lich und  deutlich  al)."  Wenn  ich  anders  iu  dieser  Stelle  mit  Kecht 
die  Behauptung  sehe,  dass  die  Reformation  als  Epoche  nnd  swar, 
wie  die  Worte  «nicht  einmal*  tu  sagen  scheinen,  als  sehr  einschnei- 
dende Bpoche  in  der  Oeschichte  der  deutschen  Prosadiehtvng  betrach- 
tet werden  soll,  so  kann  Ich  nicht  nmhlri,  bei  allem  Respeet  Tor  der 
(Gelehrsamkeit  des  Herrn  Professor  Scherer  sn  meinen,  daai  er  hier 
entweder  seiner  Sachkenntniss  oder  seiner  üeberlegnng  eine  schUmme 
Blösse  gegeben  hat. 

Auf  Seite  S5  sagt  Herr  Prof.  Scherer:  «Die  Ansicht,  das  pro- 
saische Volksbnch  (vom  gehörnten  Sieirfried)  sei  nicht  Uter  als  das 
Ende  des  XVII.  oder  der  Anfang  des  XVIII.  Jahrhunderts,  ISszt  sieh 
hOren,  aber  sie  war  leicht  besser  zn  stützen."  Darauf  folgen  Anga* 
l>en,  worin  Herr  Prof.  Scherer  dies  thut.  Wenn  ich  zu  beachten 
bitte,  dasz  ich  Seite  172  die  Anmerkung^  gemacht  habe:  «Alles 
Näbere  zur  Bej^ründunjf  meiner  Ansicht  musz  ich  als  in  eine  Arb«'it 
wie  die  vorlicßfendc  nicht  Lrohöri^'-  der  Mittheilnnir  an  einem  anderen 
Orte  vorbclialtcu",  >o  liotte  ich,  dasz  mein  Recht  zu  dem  Vorwurfe, 
Herr  Prof.  Scliercr  liöre  Lr:ir  nicht  "nlentlich  a\if  das.  was  ich  say^e, 
Jiicht  bestritten  werden  wiid.  1  ).i  ii  Ii  al)er  glanbe,  dasz  Herr  l'n^fessor 
Sciierer.  was  ja  auch  natiirli«  Ii  i.-^t,  das  XOrurtheii  vieler  meim^r  Leser  ftir  sich 
hat,  will  ich  sclilies/Jich  noch  d»-r  Beachtung  anheimstellen,  daszermir  auf 
Seite  63  mit  hidmischen  Worten  („Daliei  passirt  folgendes  reizende")  vor- 
wirft, dasz  ich  in  der  Anmerkung  statt  der  Ausgaben  des  Gargentua  die 


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des  Glüokliftften  SchiiTes  anftkhre.  Dies  wäre  der  ftrgste  Fehler,  den 
ich  mir  hfttte  zu  Schulden  kommen  lassen,  wenn  nicht  Herr  Prof. 
Sciierer  hier  der  wSre,  welcher  die  beiden  Bücher  rerwechselt. 

Ich  komme  noch  der  Anstandspflicht  nach  in  erklären,  dass  ich 
die  angefahrten  Stellen  au8  Herrn  Pro!  Scherem  Schrift  keineswegs 
als  Proben  des  Werthen  alles  dessen,  was  er  darin  vorgebracht, 
betrachtet  wissen  will,  obgleich  ich  mich  berechtigt  glaube,  sie  als 
dtarakt«  ristisch  für  seine  gegen  mich  geübte  Kritik  zw  bezeichnen. 

Vor  dem  Erscheinen  der  Kritik  df  s  Herrn  Prof.  Schererhaben 
Herr  Prof.  Erich  Schmidt  und  Herr  Karl  Schröder  günstige,  nach- 
her ungOnstige  Urtheile  U))«jr  mein  Bach  ansgesprochen.  Ich  könnte, 
wenn  es  meine  eigenen  Ausfülirungeu  nicht  hinderten,  an  das  Andle- 
bnistschlagen  des  einen  nnd  das  ,duu  si  faciunt  idem,  noii  est  idem**  des  an- 
dern bosliafte  Bemerkungen  knüpfen,  begnüge  mich  aber  damit,  Herrn 
Prof.  Erich  Schmidt  mitzutheilen,  dasz  er  die  Erklärung  des  ihm 
räthselhaften  Bildes  (Archiv,  für  L.  G.  VIII.  3,  S.  318)  in  meiner 
üesch.  d.  K.  S.  86  findet 

Ich  darf  die  an  dieser  Stelle  gebotene  Gelegenheit  wohl  auch 
zn  der  Bitte  an  meine  Leser  benutzen,  die  iu  dem  nachstehenden 
Halbbande  getroffene  Auswahl  und  Anordnung  des  Stuifes  erst  dann 
endgültig  zu  beurtheilen,  wenn  der  ganze  Band  vorliegen  wird.  Hin- 
sichtlich  der  Zesenschen  Orthographie  bemerke  ich,  dasz  alles,  was 
mit  Text  typen  gedruckt  ist,  genau  dem  Zesensdieu  Texte  entspricht 
mit  einziger  Ausnahme  seiner  Zeichen  für  die  verschiedenen  Modift- 
cationen  des  u.  Auszer  u  und  ü  hat  Zesen  noch  drei  verscliiedene 
u,  eins  mit  Uhergeschriebeueni  e,  eins  mit  üburgcscliriehenem  Kreise 
und  eins  mit  übergeschriebenem  Häkchen,  verwendet,  er  vei-fiihrt  aber 
dabei  so  inconsequeut,  dasz  es  mir  schlieszlidi  das  Beste  schien,  alle 
drei  durch  u  mit  ul)crgeschriebeuciii  e  zu  geben.  Dies  mag  vielleicht 
auf  den  ersten  Blick  gewaltsam  ersclicinen,  wer  aber  den  Zesensclien 
Originaltext  naclivergleichcu  will,  wird  tinden,  dasz  es  nicht  so  ist, 
nnd  dasz  ich  wolil  bere<ditigt  war,  hier  mit  der  Schrulle  eines  ein- 
zelnen kurzen  Proceäz  zu  machen. 

Breslatt,  Juni  1879. 

Felix  BoberCag. 


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Neuntes  Capitel 


AUgemeiiies  über  die  Entwickeiimg  der  deutschen  Prosadiclitimg 
im  XVIL  Jalirlmndert.  Die  Zeit  Tom  Anfknge  des  JalurhiiBderts 

bis  zum  Auftreten  Zesens. 

Wir  haben  jetzt  die  Entwickelung  der  deutsclien 
Prosadiciitung  in  einer  Periode  zu  betrachten,  w  eiche  sich 
schon  durch  die  ailgemeiusten  charalcteristischen  Züge  von 
der  Torhergehenden  unterscheidet,  andererseits  aber  durch 
ebenso  allgemeine  und  wesentliche  3Ierknuiie  ihren  Zu- 
sammenliang  mit  jener  bekundet  Denn  wie  es  Jdar  ge- 
worden sein  wird,  dasz  der  deutsche  Roman,  von  den 
iXebengattungen  ganz  zu  schweigen,  während  des  XV.  und 
XYI.  Jahrhunderts  aus  den  Anfäugeu  und  Ansätzen  nicht 
herausgekommen  ist,  sofern  man  ihn  als  eine  bestimmte 
und  einheitliche  Gattung  betrachten  und  demgemftsze  For- 
derungen an  ihn  stellen  will,  so  deutlich  wird  sich  in  der 
Folge  zeigen,  dasz  das  Heraustreten  der  Gattung  aus  je- 
nem' Stadium  während  des  XVII.  Jahrhunderts  eine  voll- 
endete Thatsache  geworden  ist.  Hiermit  steht  im  engsten 
Znsammenliauge,  dasz  wii*  die  deutsche  Prosadichtung  zum 
bei  weitem  gröszten,  wenn  auch  nicht  werthvollsten,  Theile 
im  Xyil.  Jahrhundert  durchaus  unter  dem  Einflüsse  der 
an  den  Namen  des  Martin  Opitz  sich  anknüpfenden  be- 
deutenden Umwälzungen  und  Eeformen  der  deutschen  Ge- 

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—   2  — 


sammtliterator  finden.  Andererseits  wurde  schon  darauf 
hingewiesen,  wie  sich  Eigenes  und  Ausländisches  in  un- 
serer Gattung  während  des  XVI.  Jahrhunderts  getrennt 
entwickelt,  und  wie  sich  diese  Trennong,  je  länger  je  mehr, 
zu  einem  denüich  bemerkbaren  G^egensatze  gestaltet  Die- 
ser Gegensatz  nun  bildet  in  einer  besonderen  Modification, 
welche  sich  erst  allmählich  deutlich  herausbildet,  ein  Kenn- 
zeichen auch  der  deutschen  Frosadichtnng  des  XYII.  Jahr- 
hunderts, und  zwar  ein  so  tief  eingreifendes,  dasz  wir 
ihn  von  vornherein  der  Eintheilung  des  höchst  umfang- 
reichen und  maniclifaltigen  Stolies  zu  Grunde  legön  müssen. 

Zwei  literarische  Thatsachen  nämlich  auf  dem  Ge- 
biete der  deutschen  Prosadichtung  sind  es,  welche  im 
XVII.  Jahrhundert  unsere  Aufmerksamkeit  vor  allen  an- 
deren in  Anspruch  nehmen,  der  heroisch -galante  Kunst- 
roman nach  dem  Muster  der  Franzosen  und  die  hervor- 
ragendsten alten  volksthttmlichen  Bomane,  die  unsere  Li- 
teratur überhaupt  hervorgebracht  hat,  die  Simplicianischen 
Schriften  Grimmelshausens.  Die  Bedeutung  der  beiden  so 
sehr  verschiedenen  Gruppen  von  Erzeugnissen  unserer  Gat- 
tung und  ihre  verschiedene  Herkunft  läszt  es  passend  er» 
scheinen,  ihre  Betrachtung  zu  trennen  und  beide  in  der 
Art  zu  Mittelpunkten  der  Erurteiung  zu  machen,  dasz 
wii'  alle  anderen  Erscheinungen  von  geringerer  Bedeutung 
und  von  nicht  so  ausgeprägtem  Charakter  sich  ihnen  unter- 
ordnen und  an  sie  anschliesaen  lassen.  Hierbei  musz  nun 
der  heroisch -galante  Knnstroman  den  Vortritt  erhalten, 
nicht  seines  inneren  A\'erLhes  wegen,  sondern  weil  er  eher 
begründet  wurde,  als  Grimmelshausens  schnftstellerische 
Thätigkeit  ihm  eui  in  Form  wie  in  Inhalt  gleich  unähn- 
liches Gegenbild  schuf. 

Mau  pflegt  Dai^stellungen  der  deutscheu  Literat ui^  des 


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XYIL  JabihradertB  mit  dem  Hmmifie  auf  die  AbUbig%f 
loeit  der  dentedmi  Liteiwtiir.  von  der-  framOgtoctai  al»  anl 

das,  was  ihrer  Entwickelung  in  jener  Zeit  allmählich 
immer  mfihr  eiuea  bestimmten  Stoiapel  auHdrttckt^und  mit  der 
Erl^rteniig  der  Gründe  dieser  luuaerem  nadenalea  Selbst? 
geÜUü  wwig  schneiehellialtaii  BraeheiAimg  za  beginne.! 
Eine  Geschichte  des  deutschen  Komans  kann  sich  an  die- 
ser Stelle  einen  solclißn  Hiaweis  ersparen  ^  weil  sie  über- 
haupt damit  anfangen  mnazte^  Der  erste  Name  eines 
deutschen  Prosaromans,  den  wir  ftberhanpt  m  nennen  hat- 
ten, war  der  des  Lancelot,  ein  Name,  der  bereits  jene» 
Abhängigkeitsverhältnisz  darstellt  und  so  vollständig  dar- 
stellt, als  nur  von  einem  anschaulichen  Beispiele  gewünscht 
werden  kann.  Und  wer  das  dritte  Capitel  des  yorher- 
gehenden  Bandes  dieses  Bnches  nachschlagen  will,  wird 
sich  leicht  von  dem  Umfange  dieser  Beziehungen  einen  so 
zu  sagen  statistischen  Nachweis  herstellen  können  und 
sehen,  dasz  in  der  Entwickelung  des  deutschen  Bomans 
das  Ton  AnHang  an  Plata  greift,  was  man  sonst  etwa  als 
Kennzeichen  der  deutschen  Literatur  von  der  Mitte  des 
XVII.  bis  zu  der  des  XVIll.  Jahrhunderts  beschreibt. 
Bei  der  Betrachtung  des  Amadis  sahen  wir  bernts  jenes 
Abhftngigkeitsyerhältnisz  in  ein  weiteres  Stadium  treten 
und  die  unter  dem  fremdländischen  Einflüsse  stehende  Gat« 
tung  eine  Gestalt  annehmen,  welche  sie  in  einen  entscliie- 
denen  und  tiefeinschneidenden  Gegensatz  zu  den  volks- 
thftmlichen  Erzengnissen  auf  dem  Gebiete  der  deutschen 
ünterhaltungsliteratnr  stellt  Von  da  an  wird,  wie  am 
gehörigen  Orte  hervorgehoben  ward,  dieser  Gegensatz  in 
noch  höherem  Grade  für  uns  zum  obei-sten  Eintheilungs- 
princip,  als  er  es  schon  war,  seine  Aufhebung,  seine  Lö- 
sung in  einer  höheren  Einheit,  eine  That,  an  der  Wieland 

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—    4  — 


den  bedeatendsten  Antiieü  hat,  wird  uns  ^ter  Ursache 
geben,  den  Sintiitt  nnserer  Haaptgattnng:  in  eine  nene 

Periode»  ihrer  EIlt\^ickelun^r,  in  ilire  classisohe  Zeit,  als 
Tollendt  t  anzusehen.  Doch  bis  dahin  haben  wir  noch  einen 
weiten  Weg  zur&ckzulegen.  Das,  was  mis  jetit  za  be- 
trachten vorliegt,  ist  nicht  blos  der  Theil  nnserer  Prosa- 
diehtnn?,  sondern  anch  der  Theil  nnserer  Gesammtliteratnr 
überhaupt  ,  der  die  AbhäniB^ij^keit  von  den  Franzosen  auf 
ihrem  Höhepunkte  darstellt,  und  darum  eben  bildet  der 
heroisch-galante  Boman  des  XVII.  Jahrhunderts  eine 
Gmppe  von  Erscheinungen,  die  nicht  nur  mit  gleichzeitigen, 
soiidt  rn  ancli  mit  voraufprehenden  und  nachtbljrenden  Er- 
zeuguissen  des  unserem  Volke  eigenthümlichen  Geistes  iu  i>ehr 
geringer  Verbindung  steht,  so  sehr  diese  Erzeagnisse  bei 
blos  oberflfichlicher  Betrachtung  mit  ihnen  von  einerlei 
Art  zu  sein  scheinen.  Ans  diesem  Grunde  war  es  nöthig, 
das  vorhergehende  Capitel,  welches  seinem  Inhalte  naeh 
vielleicht  manchem  kaum  in  ein  Buch  mit  dem  Titel  des 
vorliegenden  zu  gehören  scheinen  könnte,  einzuschieben, 
denn  nur  so  wird  es  möglich,  die  nunmehr  nnserer  Be- 
trachtung vorliegenden  Romane  geschichtlich  zu  verst.»  lien. 
Hätten  wir  unseren  Gesichtskreis  durch  die  Grenzen  der 
deutschen  Literatur  allein  beschränkt,  so  würden  Zesens, 
Buchholtzs,  Anton  Ulrichs  und  ihrer  Fach-  und  Zeitgenossen 
"Werke  für  uns  in  der  Luft  schweben. 

Dni  ch  die  Hervorhebung  ihrer  Abhängigkeit  von  fran- 
zösischen Vorbildern  sind  unsere  heroisch-galanten  Romane 
des  XVn.  Jahrhunderts  allerdings  noch  lange  nicht  ge- 
nügend charakterisirt.  auch  im  Allgemeinen  noch  nicht. 
Es  wird  sich  bei  der  Besprechung  der  einzelnen  hierher 
gehörigen  Werke  noch  Gelegenheit  genug  finden,  aut  die 
verschiedene  Stellung,  welche  jene  Schrifteteller  zu  ihren 


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—   6  — 


Vorbildern  eiimehmeii,  das  nöthige  Liebt  fallen  zn  lassen. 

Deshalb  uiag  vor  der  Hand  in  dieser  Beziehung  nur  da- 
rauf hingewiesen  ^^ erden,  dasz  sich  in  den  deutschen 
Kunstromanen  des  XYIL  Jahrhunderts  ^e  Anzahl  von 
Elementen  sehr  dentlich  vertreten  finden,  welche,  allerdings 
nicht  irgend  welchen  Regungen  eines  national  oder  volks- 
thümlich  selbständigen  Geistes,  wohl  aber  Geschmacksrich- 
tmigen  und  geistigen  Strömungen  ihren  Ur^rung  verdanken, 
welche  der  deiitsclieu  l^iteratur  des  XVII.  Jahrhunderts 
eigeuthünilich  sind,  ohne  von  der  französischen  ausgegangen 
zu  sein.  Ich  darf  nur  andeuten,  dasz  der  Geschmack  der 
zweiten  Schlesischen  Schule  grade  in  den  Romanen  des 
XVIl.  Jahrhunderts,  die  —  wenigstens  eine  Zeitlang  — 
am  meisten  bewandert  und  gelobt  worden  sind,  in  Lohen- 
steins Arminius  und  Zieglers  Banise,  einen  hervortretenden 
Charakterzug  bildet,  um  das  Gesagte  zu  veranschaulichen, 
womit  allerdings  zugleich  angedeutet  wiid,  dasz  die  Be- 
sonderheiten, welche  die  deutschen  heroisch-galanten  Eo- 
mane  von  ihren  französischen  Mustern  unterscheiden,  kei- 
neswegs immer  der  deutschen  Literatui"  zum  Vortheil  und 
zur  Ehre  gereichen. 

Aber,  hiervon  abgesehen,  dürften  der  Vorführung  der 
einzelnen  Schriftsteller  und  ihrer  Werke  nocli  einige  noth- 
wendige  allgemeine  Bemerkungen  vorauszuschicken  sein. 
£m  eigentliches  Urtheü  über  den  poetischen  Werth,  die 
künstlerische  Gestalt  unserer  Bomane,  über  ihre  Auffassung 
des  Lebens  und  der  sittlichen  Probleme,  über  ihre  Beur- 
theüung  und  Darstellung  menschlicher  Persönlichkeiten 
werden  wir  erst  dann  filUen  können,  wenn  wir  uns  mit 
den  einzelnen  Werken  selber  werden  zur  Genüge  bekannt 
gemacht  haben.  Denn  um  diese  Punkte  beuitheilen  zu 
können,  müssen  wir  gesehen  haben,  was  Jene  Werke  in 


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.WiriüiofalMlt  vwm  «nd  letetetoa.  >V«r  Am  EmA  lUt 
WB  'mnr  iIas  ins  ^Ange,  ms  «ie  Miii  wollleai,  def^ntti  6(tor 

«die  Prätension,  womit  sie  und  worauf  hin  sie  ihren  Platz 
in  der  deutsohdii  Literator  emuahmeu.  Hierin  tiegt,  mei- 
nes Sraehtens  WM^islens,  der  am  meisten  aageaftUige 
'Fortschritt  des  deuts^eii  Bomaas  des  XVIL  Jalirkiraderte 

l^en  das,  was  im  XVI.  seinen  Platz  einnimmt,  die 
Amadisromane  mit  eingeschlossen,  und  dieser  Foitschritt 
gewinnt  wieder  dadurch  eine  nicht  geringe  Wichtigkeit» 
dasz  er  in  geaaner  Yerbindong  mit  den  sehr  erheblichen 
ümgestaltnngen  steht,  welche  die  deutsche  Natienailite- 
ratur  in  der  ei-sten  Haltte  dieses  .Tahrhnnderts  durch  Opitz 
und  seine  Anhänger  erliüu'.  Es  besteht  eine  auöailende 
Analogie  zwischen  dem»  was  Opitz  um  das  Jahr  16fi5  fSar 
die  deutsche  Nationalliteratur  that,  nnd  dem,  was  dnrchFrie- 
drich  T.  tunlundsiebzi^  Jahre  später  für  die  preuszische 
Politik  K^schehen  ist,  und  man  kann  die  (Tix)szthaten 
-Friedrichs  des  Crroszen  mit  den  geistigen  Thaten  unsmr 
Dichterfaeroen  der  classischen  Zeit  yergleichen.  Friedrich  L 
gab  seinem  Staate  den  Namen  eines  Köniprreichs,  Frie- 
drich der  Gro>ze  machte  Preuszen  erst  zu  einem  Staate, 
dessen  Oberhaupt  sich  den  andern  Königen  Europas  an 
die  Seite  stelle  konnte,  Opitz  proclamirte  die  deutsche 
Poesie  als  eine  edle  nnd  Tomehme  Knnst,  Lessing,  Schil- 
ler. Gr>tlie  machten  sie  erst  zu  einer  Kunst,  welche  sich 
neben  die  Künste  aller  Zeit^-n  stellen  und  die  Gresciiichte 
an  einem  Urtheil  aoftbrdem  konnte.  Die  Zeit  vwi  den 
ersten  Jahrzehnten  des  KVII.  bis  zn  denen  des  XVIIL 
Jahrhmiderts  war  für  beides,  die  pieuszische  Politik  und 
die  deutsche  Xationaliiteratur,  das  Zeitalter  der  Titeier- 
werbimg,  des  Antpmcherhebens,  der  Uebemahme  von 
Aachen,  das  XVin.  das  der  'Eiiangnng  der  Würde 


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—  .7  — 


mnd  Maehtf  dM  Besiteergreifens,  der  LOsoiig  der  gesteUlen 

Anf^abeii.  Wenn  ein  verschuldeter  Geschäftsmann  so  auf- 
tritty  als  ob^er  eine  wolilbegründete ,  achtbare  Firma  ver- 
treten Wolle,  wenn  ein  jnnger  Anfiüiger  In  den  Wissen- 
-sehaften  die 'ernste  Miene  eines  gediegen  Gfelehrten  an- 
nimmt^ so  hat  der  Erfolg-  zu  entscht  iden.  ob  er  ein  leerer 
Prahler  gewesen  sei,  oder  wirklich  das  Scheinen  der  An- 
ISftng  des  Seins  war.  Im  letzten  Falle  gereicht  ihm  sein 
selbstbewnsztes  Anftreten,  wenn  es  anch  zunächst  'wenig 
reellen  Hinter/arrnnd  j^ehabt  haben  majr.  als  Zeichen  eines 
ernsten  Vorsatzes  und  des  Bewusztseins  seiner  Kräfte  zum 
Lobe,  und  in  diesem  Lichte  müssen  wir  die  ans  allerdings 
oft  recht  leer  erseheinenden  Pifttensionen  —  ein  deutsches 
Wort  findet  sich  kaum  fttr  die  Sache  —  der  deutschen 
Literatur  des  XVI 1.  Jahrhunderts  autiassen.  Denn  sie 
sind  in  der  That  das  Wichtigste  und  Üeste,  was  die  Poe- 
sie dieser  Epoche,  insonderheit  die  erste  Schlesische  Schule 
geleistet  hat,  wenigstens  sind  diejenigen  nur  noch  selten, 
welclie,  die  Tänschnnpr  verpfanj^ener  Zeiten  bewahrend, 
in  dem,  was  jene  Männer  wirldich  waren,  und  nicht  viel- 
mehr richtig  in  dem,  was  sie  sein  wollten  und  zu  bedeu- 
ten strebten,  ihre  geschichliche  Stellung  begründet  finden. 

\\^as  nun  dem  Gesagten  irt^mäsz  als  der  eije^entliche 
Kern  der  Üpitzischen  Reformen  anzusehen  ist,  das  ist  es 
auch,  was  hauptsächlich  die  verschiedene  Stellung  und 
Bedeutung  des  deutschen  Bomans  des  XVn.  Jahrhunderts 
im  Gegrensatze  zu  der  deutschen  Prosadichtnng  des  XVI. 
.Talirhunderts  bedingt.  Opitz  und  seine  Xaclitblger  pro- 
damirten  die  deutsche  Poesie  als  eine  Kunst,  richteten, 
so  gut  es  ging,  den  deutschen  Pamass  ein,  das  heiszt,  ga- 
ben ihm  ein  anspruchsvolles  Aushängeschild  und  seinen 
Bewohnern  durch  Gesetze  und  Kitual  il&a  Ausehen  einer 


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—    8  — 


geschlossenen  feinen  Gesellschaft,  und  in  diese  Gesellschaft 
traten  die  Romandichter  mit  ihren  Werken  als  geprOfte 

und  le«ritiinirte  Mitpflieder  ein.  Von  einer  solchen  Stellung 
der  GattunfT  kann  vorher  nicht  die  Kede  sein,  das  XV. 
nnd  XVL  Jahrhundert  lieszen  es  sich  nicht  einfallen,  üher- 
hanpt  nnr  einen  Gesichtspunkt  festzustellen,  von  welchem 
aus  man  die  Sache  eben  von  dieser  Seite  hätte  sehen  kön- 
nen. Dafiir  steht  dieser  Gesichtspunkt  nun  aber  auch  im 
XVII.  Jahrhundert  mit  einer  solchen  Ausschlieszlichkeit 
fOr  die  Hauptmasse  unserer  Literatur  fest,  dasz  dar&ber 
jeder  andere  Gesichtspunkt,  namentlich  der  nationale  und 
der  sachliche  oder  eigentlich  poetische  verloren  jring. 
grade  so  wie  in  ihrer  juristisch-diplomatischen  Fonnen- 
seligkeit  die  deutschen  Staatsmänn^er  jener  Zeit  es  oft  genug 
yergaszen,  nach  dem  Selbstgeföhl  der  Nation  und  nach 
den  Mitteln  zur  Erreichung-  wirklicher  Macht  zu  fra<ren. 
Es  ist  niclit  schwer  nachzuweisen,  dasz  die  ileut^cheu 
heroisch-galanten  Itomane  des  XVII.  Jahrhunderts  an  dem 
allgemeinen  Charakter  der  Literatur  jener  Zeit,  wie  er 
soeben  bezeichnet  wurde,  durchaus  theilnahmen,  nur  mnsz 
man  einerseits  nicht  die  der  «ganzen  Gruppe  siemeinsanien 
Züge  über  den  Vei^clüedenheiten  der  einzelnen  Erschei- 
nungen anszer  Acht  lassen,  andererseits  ist  es  nöthig,  das 
Ganze  anch  wieder  als  Glied  einer  zusammenhftngenden 
Kette  aufzufassen  und  ans  dem  ursächlichen  Zusaumien- 
hange  mit  den  voraufgehenden  und  nachfolgenden  Stufen 
der  Entwickelung  einen  Maszstab  zur  Beurtheilung  seiner 
historischen  Bedeutung  zu  suchen.  Um  der  ersterwähnten 
Anforderung  zu  genügen,  wird  man  die  Frage  aufstel- 
len müssen,  in  welchen  Erzeugnissen  aus  dem  Gebiete 
des  heroisch-galanten  Bomans  des  XVIL  Jahrhunderts 
die  ganze  Entwickelung  der  Gktttung  in  dieser  Zeit  gip- 


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—    9  — 

feit»  in  welchen  Bomanen  die  gemeinsamen  Z9ge  aller  am 
meisten  ausgeprägt  zu  Tage  treten,  nnd  welche  dem  Be- 

diiifnisse  nnd  dem  GeschiiKu  ke  (kr  Zeit,  aus  welcher  sie 
alle  hervorgiü^^eu ,  am  vullkoiuiuensten  Genüge  geleistet 
haben.  Es  kann  kein  Zweite!  darüber  sein,  dasz  dieses 
Vorrecht  Lohensteins  Arminias  und  Zieglers  asiatische 
Banise  in  Anspruch  nehmen.  In  ihnen  hat  die  Entwii  ke- 
lung,  welche  der  deutsche  Kunstroman  des  X\'ll.  »Jahr- 
hnndeits  nnn  einmal  zn  nehmen  hatte,  nach  dem  Urtheiie  der 
Zeitgenossen  ihren  Höhepunkt  erreicht  Die  freilich  nach 
unserem  Geschmacke nichts  weniger  als  vortheilhaften  Eigen- 
tliüuilichkeiten,  welche  au  diesen  Dichtungen  am  schärf- 
sten hervortreten,  sind  diejenigen,  welche  der  ganzen 
Gruppe  ihre  Signatur  geben  und  die  Einheit  der  Ent- 
wickeln n^(  darstellen.  Dies  wird  uns  keineswegs  hindern, 
die  schriftstellerische  Tliätigkeit  Zesens  in  ihi  en  hesunde- 
reu  Eigenthümliclikeiteu  zu  würdigen  und  seine  verhält- 
niszmaszig  grosze  Selbständigkeit  und  Eigenart  anzuer- 
kennen, nichtsdestoweniger'  aber  werden  wir  darum  in 
ihm  den  Hauptbeofriinder  des  heroiscli-galanten  Honums  in 
Deutöchland  zu  erkennen  haben,  weil  wir  wahinelimen  wer- 
den, dasz  nicht  seine  selbständigen  YorzAge,  sondern  grade 
sein  Zusammenhang  mit  den  uns  als  Yerirrungen  erschei- 
nenden Geschmacksrichtungen  seiner  Zeit  das  ist,  was  auf 
seine  }\achfolger  gewirkt  hat,  was  er  also  eigentlich  als 
dauernden  Charakterzug  der  Gattung  einführte,  weil  wir 
bemerken  werden,  dasz  er  von  dem  besseren  Wege,  den 
er  ohne  Zweifel  in  der  Rosemnnd  nnd  Assenat  einschlug, 
später  wieder  abkam  und  dasz  er  zwar  selbständig,  aber 
nicht  klar  und  ausdauernd  genug  war,  um  in  seinen  Werken 
der  vom  rechten  Wege  abirrenden  Strömung  einen  Damm 
entgegenzusetzen.  Da  wir  bald  genug  Gelegenheit  finden 


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—  10 


werden,  diese  Auffassung  im  Einzelnen  zn  begründen, 
mag  vor  der  Hand  das  Angedeutete  genügen. 

Was  die  Unterordnimi:  der  ttns  jetzt  Yorüegendfln 
G^nippe  von  epischen  Prosadichtongen  unter  einem  allge- 
meineren historischen  Gesichtspunkt  betrifft,  von  dem  aas 
ihr  Werth  im  Gkmzen  geschätzt  werden  soll,  so  sdieint 
es  das  Sicherste  zn  sein,  dasz  wir  hier  wiebei  jederin  die- 
ser Beziehung  zu  würdigenden  Erscheinung:  der  Vergan- 
genheit, sofern  wir  überliaupt  im  Stande  sind,  ihien  Zu- 
sammenhang mit  dem  Vorher  und  dem  Nachher  aosreichend 
zn  erkennen,  genau  beachten,  Ton  welcher  Art  der  F<»i- 
schritt  zum  Besseren  gewesen  sei,  bestimmter  gesagt,  zu 
ermitteln,  ob  der  Eortschritt  zum  Besseren  mehr  von  einer 
Entwickelung  oder  mehr  von  einer  Umkehr  an  sich  habe. 
Wenn  wir  nun  den  deutschen  Roman  des  vorgeschrittenen 
XVIII.  Jalirhunderts  als  den  Punkt  festhalten,  von  dem 
aus  zurückzublicken  und  die  angeregte  Frage  zu  beant- 
worten ist  —  und  ohne  Zweifel  müssen  wir  das  thnn  — 
so  entscheiden  wir  uns  oline  Bedenken,  dasz  die  vSache 
hier  in  dem  letzteren  Falle  ist.  Die  Literatur  des  XVIII. 
Jahrhunderts,  wie  sie  uns  vorliegt  mit  ihrem  Ideengehalt, 
dessen  Kern  Humanität,  Aufklärung,  Befreiung  des  füh- 
lenden und  denkenden  8ubjectes  ist,  mit  ihrer  zur  Natür- 
lichkeit und  Unmittelbarkeit  des  G^edanken<-  und  Grefühls- 
ausdmckes  erfolgreich  hinstrebenden  und  nur  deshalb  dem 
chissischen  Geiste  der  Grieclien  neues  Leben  verleihenden 
Form  and  Kunstübung,  sie  ist  hervorgegangen  aus  einer 
Revolution.    Der  erste  Vertreter  der  europäischen  G^e- 
sammtliteratur  des  XVIII.  Jahrhunderts  ist  der  revolu- 
tiouäiste  Geist,  den  die  neuere  Gesclüchte  kennt,  Jean 
Jaques  Rousseau,  bei  dem  jedes  Wort  ein  Schrei  der  Lei-^ 
denschaft,  jeder  Gedanke  ein  Angriff  auf  das  Bestehende. 


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—  11  — 


ist.  Bs  wird  Sich  später  zeigen,  wie  unsere  Nation  in 
ftrer  Weise  2U  j^er  Zeit  das  that,  was  andere  in  ande« 
-m  -Weise  geiiiaii  häbexif  wie  gcUbizend  grade  bei  ihrer 

Mitwirlning  in  dem  groszen  europäischen  Concert  der 
deutsche  Geist  seine  Tiefe  und  Selbständigkeit  bewälirt 
iiat,  es  mrd  sieh  dies  auch  in  dem  begrenzten  Gebiete 
leigen,  welches  wir  m  betrachten  hfKben,  und  dämm  sei 
hier  nur  auf  das  Allfremeiiie  liinpewiesen,  aber  grade  das 
Einzelne  wird  uns  eine  Fülle  von  Beweisen  liefern,  dasz 
zwischen  dem,  was'  unsere  Gattung  im  XVIL  Jahrdonhert 
und  dem,  was  sie  «tnf  der  H5he  des  XYIII.  darstellt, 
eine  radicale,  negative,  zerstörende  Umwälzung  liegt. 
liiBe  genanei^  und  sachlich  begründete  Bestimmung  der 
Grenze  ftr  c^e  uns  jetzt  beschäftigende  Entwickehings- 
periode  der  deutschen  Piosadichtnng  ist  jedoch  sclion  an 
dieser  Stelle  wünschenswertli  und  auch  unschwer  ausführ- 
bar, da  wir  in  jenem  revolutionären  Geiste  des  XVIIL 
Jahrhunderts  die  Signatur  der  folgenden  Periode  sicher 
erkannt  haben.     A\'o  nur  innner  sich   dieser  Geist  in 
Dichtungen  und  sonstigen  Schriftwerken  als  das  leitende 
und  kennzeichnende  Princip  zeigt,  da  liegen  uns  Erschei- 
nuiiiren  vor.  welche  unserer  Periode  nicht  mehr  angeli()i  en, 
welche  sich  also  innerhalb  der  Literatur  des  XVIIL 
Jahrhunderts  gruppiren  mflssen.  Die  ersten  Erscheinungen 
in  der  deutschen  Prosadichtung  des  XVIII.  Jahrhunderts^ 
welche  diesen  (4 eist  wirklich  athmen,  sind  die  zahlreichen 
Erzählungen,  die  ihre  Entstehung  dem  Kobinson  des  De 
Foe  verdanken,  vor  allen  Dingen  die  Uebersetzung  dieses 
epochemachenden  Buchs  selber,  denn  die  Nachbildungen 
entfernen  sich  zum  Theil  wieder  erheblich  von  dem  Ideen- 
gehalte und  den  Ghrundanschauungen  des  Originals.  Die 
enge  Yerwandtsohaft  der  Bobinsonaden  mit  dem  Gedan« 


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—    12  — 


kenkreise  Itousseaus  ist  eine  That^ache,  welche  zu  allge- 
mein aBeriEAimt  und  su  dettUich  ist,  als  dasz  darftber  mehr 
gesagt  zo  werden  branchte.  Kurze  Zeit  nach  der  Blftthe- 

zeit  der  Robiiisoiit»  macht  dann  der  englische  Familien- 
roman in  Deutschland  seinen  Kiuflusz  geltend,  und  Wie- 
land  bringt  den  deutschen  Boman  seiner  Zeit  dem  Ge- 
dankengehalte nach  im  Allgemeinen  vollständig  anf  die 
Höhe  des  XVIII.  Jahrhnndei-ts.  Schon  in  den  ei-sten 
Jahrzehnten  des  XVlli.  Jahrhunderts  haben  wir  also  in 
der  deutschen  Prosadichtnng  das  iNeue  vor  uns.  Freilich 
hört  mit  dem  Hervortreten  desselben  das  Alte  noch  keines- 
wegs anf,  denn  um  dieselbe  Zeit  steht  noch  die  ordinäre 

Bellettristik  der  Taiander,  Menantes.  Pallidor  und  einisrer 
jüngeren  Genossen  in  vollster  Blüthe.  und  erst  die  Einwir- 
kung Gottscheds  und  der  Gottschedianer  bringt  diesB 
Schriften  in  den  Augen  der  Höchstgebildeten  um  das  Recht 
der  Existenz  als  Literatuifialtnng.  ^'icht  (lottscheds 
kiitische  Dichtkunst,  nicht  die  Anschauungen  der  Gott- 
schedschen  Richtung  über  das  Wesen  des  Romans  — 
denn  mit  der  Theorie  desselben  gab  m^n  sich  fiist  gar 
nicht  ab  —  bewirkten  dies,  sondern  die  erhöhten  und 
jedenfalls  stark  veränderten  Ansprüche  an  formelle,  na- 
mentlich stilistische  und  ästhetische  Regelmäszigkeit  und 
Vollkommenheit  Die  mit  Erfolg  von  jener  Richtung  be- 
triebene Schulung  und  oft  schubneisterliche  Disciplinirung 
der  poetischen  Literatur,  der  grosze  Auskehrungs-  und 
Säuberun^seifei  j^ner  Männer  brachte,  was  in  der  ersten 
Hälfte  des  XVIIL  Jahrhunderts  von  der  Frosadichtong 
des  XVU.  noch  lebendig  war,  um  seine  Geltung,  so  sehr 
auch  diese  Einwirkung  eine  nur  negative  blieb  und 
so  wenig  ihi-e  Vertieter  selber  von  dem  neuen  bele- 
benden Geiste,  welcher  schon  in  der  Literatur  ihrer  Zeit 


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—    13  — 


hie  und  da  seine  Schwingen  regte,  eine  Ahnung 
hatten. 

Jene  durch  und  durch  oberflächliche,  nur  dem  unso- 
fidesten  ünterhaltun^interesse  mit  den  wohlfeilsten  Mit* 
teln  dienende  Bellettristik  hängt  ihrerseits,  wie  sich  uns 
weiter  unten  ausiiUiriiclier  zeigen  wird,  ebensowohl  mit 
dem  heroisch-galanten  Kunstroman  der  Lohenstein  und 
Ziegler,  wie  mit  der  volksthttmlichen  Richtnnj^,  in  wel- 
cher Grimmelshausen  ebensoweit  über  alles  Aehnliche  wie 
über  das  Andersartige  hervorragt,  zusammen,  bald  mehr 
dahin,  bald  mehr  dorthin  sich  neigend.  Den  praktischen 
Gegensatz  gegen  Lohenstein  nnd  seine  Vorgänger  und 
Nacheiferer  vertrat  zuerst  Weise  mit  seinen  überaus  platt- 
verständitjen  Romanen,  ihm  aber  lernten  die  Vielschreiber 
der  letzten  Jahrzehnte  des  XVII.  nnd  der  ersten  des 
XVIir.  Jahrhunderts  die  bequeme  Form  oder  Formlosig- 
keit in  der  Anordnung  des  Stoffes,  die  grosze  üngenirt- 
heit  in  seiner  Auswahl  und  die  bis  zum  vulirärsten  Tone 
herabsinkende  Anspruchslosigkeit  in  der  Darst^^lluiiii  ab. 
die  sich  schon  bei  der  Lectttre  einer  einzigen  Seite  durch 
die  geschmacklose  Ueberladnng  der  dentschen  Sprache 
mit  Fl  enid  Wörtern  kundgiebt.  Eiprenschat  len.  die  wir  we- 
der bei  den  Vertretern  des  heroisch -galanten  Romans, 
noch  bei  Grimmelshausen  vorfinden  werden.  Daher  be- 
trachten wir  jene  nnd  diesen  als  die  beiden  einander  ge* 
genftberstehenden  Höhepunkte  der  Entwickelun?,  und 
müssen,  um  uns  ein  richtiges  Bild  zu  machen,  zuerst  den 
emen,  dann  den  anderen  betrachten,  um  znletzt  das,  was 
jenseits  beider  liegt,  in  Augenschein  zu  nehmen.  Wir 
werden  aber  auch  von  vornherein  die  AVahmehmnng  ma- 
chen, dasz  die  Romane  und  kleineren  f^rzählungen,  welche 
in  Deutschland  während  des  XVII.  Jahrhunderts  und 


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14  — 


4er  eraten  Jahrz^hate  XVIXI.  eraeu^  wordfin,  ket^ 
aeswegs  dem  LesebedQrMsz  genügten,  sondern  dass  dar 

Eifer,  fremde  Waare  zii  importireii,  dem  fftr  Originalpro- 
'ducüou  mindesteDS  gleich  war.  Die  Uebersetzimgen 
treten  zn  den  deutecben  OriginaLwerken  in  ein  clianüUe- 
jistiscbes  Verfailltnisz,  und  es  Hegt  in  der  Nator  der  Saehe, 
■dasz  wir  bei  weitem  die  meisten  und  bedeutendsten  der- 
•selben  unmittelbar  mit  den  keroiscä-galanten  JELomanen 
werden  in  Verbindung  zn  bringe  haben,  wenn  aaeh  die 
volksthtimlichen  Unterlialtungsschriftsteller,  ja  Grimmela- 
hausen  selber,  keineswegs  die  Benutzung  fremder  8tot)e 
verschmähten.  Ebenso  gehörte,  was  sich  etwa  von  deia- 
43chen  Schilferromanen  findet,  dorchaos  mit  dieser  Gruppe 
zusammen,  denn  im  Auslande  wie  bei  uns  war  diese  Gat- 
tung, das  Nonplusultra  Ton  Kunst-  und  Modepoesie,  uur 
&ÜC  die  vornehmen  und  gebildeten  Stände  berechnet  In- 
dem wir  uns  nun  der  Betrachtun^j:  des  Einzelnen  zuwen- 
den, haben  wir  zunächst  zu  zeigen,  wie  keine  der  später- 
hin zu  Tage  kommenden  Erscheinungen,  welche  der  gan- 
zen Periode  eine  bestimmte  Signatur  verleihen,  unvermittelt 
aufti'itt,  und  \on  diesem  Gesichtspunkt-e  aus  bieten  uns 
schon  die  Leistungen  der  ersten  Jahrzehnte  des  XYIL 
Jahrhunderte  mehr&ches  Interesse,  so  wenig  Anspruch 
auf  Beachtung  sie  als  Zubehör  der  deutschen  National- 
literatur haben  mögen.  Demi  was  uns  hier  bis  zu  Zeseus 
eigenen  Arbeiten  entgegentritt,  sind  mit  ganz  geringen 
Ausnahmen  nur  Uebersetzungen,  wenn  wir  von  den  spä- 
ter nachzuliülendeii  Sammlungen  von  kleinen  Anekduten, 
Schwänken  und  dergleichen  absehen,  die  sich  aus  dem 
XY.  und  XVL  Jahrhundert  durch  das  ganze  XYIL  und 
bis  ins  XVIII.  hinein  fortsetzen.  Zum  Theil  noch  in 
das  XYI.  Jahi'hundert  gehören  die  Schäfeieien  von  der 


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—    15  — 


«cbODoii  Jiüiana,.  welche  sich  grosser  Gunst  erfreoit  lialm 
ntssen,  da  meii  aiieli  ans  Unten,  wie  ans  dem  AmadiSy 

j^chatzkammern"  auszog.*)  Auszer  der  schon  im  vorigen 
Caiatel  (Seite  430)  erw&lmten  Uebersetzong  der  AMree 
(1619)  finden  wir  in  den  beiden  ersten  Jahrzehnten  keine 

nennensweithen  üebersetzungen  französischer  Werke,  denn 
des  Aeschacius  Major  (Joachimus  Caei^ar)  Glücks-  und 
Liebeskampf  ^)  gehört,  obwohl  zunftchst  ans  einem  fran- 

*)  Das  erate  Buch,  Tentsch  dnreh  F.  C.  V.  B.,  enehien  m  M ttm- 
pelgart  bei  P.  Fischer.  1595.  8^  femer  Frankfiirt  1001.  S^ 
(nach  Orisxe  Tr«8or)«  ebeaiU  1605.  a  (Ooed.  480.)  und  1616.  8^ 
(764  Sin.).  Das  swtite  Buch,  tUbersetct,  wie  auch  die  folgenden  Bh., 
▼on  J.  B.  B.  B.,  Strasshnrg  bei  Las.  Zetsner.  1616.  8^  (Dedicatioa 
TOB  Jacob  FoUlet  nnten.  1.  Jan.  1616  (1550  Stn.;,  das  dritte  ebenda 
1616.  8^  bei  Las.  Zetsners  Eihen  (1200  Stn.),  das  yierte  ebenda  1617. 
9  (swei  Theile  824  +  900  das  fünfte  ebenda  1617.  8»  (1S27 

Stn.).  Die  Uebersetsong  scheint  erst  1615  durch  den  zweiten  Ueber- 
setcer  J.  B.  B.  B.  mit  dem  sweiten  •  Bande  fortgeführt  worden  an 
sein,  denn  der  Dmelcer  J.  Foillet  bemerkt  in  der  Dedication  des  zwei- 
ten nnd  dritten  Bandes^  dasz  er  ]^flnlieh  die  Uebersetsong  yeran- 
staltet.  Die  Schatzkammer  ans  der  schOnen  Jnliane  erschien  zn 
Straszbnrg.  Zetzners  Erben  1818.  8^.  —  Vergi.  noch  Höpfher,  Be- 
formbestr.  S.  81. 

*)  Leipzig  (Niool  nnd  Ghtistoff  Neriich)  1615.  Bs  dnd  fBnf 
Novelien  ,so  knrtz  Tor  unseren  zeiten  sich  zugetragen,  vnd  erstUcfa 
in  Italienisclier,  hernach  In  FrantzSsischer  Sprache  Teneiclinet,  anoh  zum 
Theil  Kön.  May.  in  Franckreich  dedidert  worden.**  1.  Eduard  UL  und 
die  Qräfin  Ton  Salisbury  (Cäsar  hat  dieselbe  Geschichte  schon  Halle 
ma.  ia>  lateinisch  unter  dem  Titel  Baätmit  et  a^^pdÜHB  ptigna  ceL 
herausgegeben  und  in  der  Vorrede  liierzu  Iwmerkt,  dasz  sie  erst  ita- 
,  iieni^^cll,  dann  deutsch,  dann  fhuizOsisch  erschienen  sei.  (V^:l.  noch 
d.  Percei  S.  114.)  2,  Mahomet  und  Hyrenea.  Der  Eroberer  Ton 
Constantinopel  tSdtet  die  schüne  Griechin,  durch  deren  Liebe  er  weMi- 
lieh  geworden.  3.  Romeo  und  Julia.  4.  Von  einem  piemontesischen 
Edelmann  zur  Zeit  Maximilians  1.,  der  seine  ehebrec)u  lisdie  Frau 
zwingt^  lliren  Buhlen  aufzuhängen,  und  sie  dauu  bei  dem  Leichname 
'ünltommen  läszt.  6.  Von  Didaco,  einem  ValeiK  ianisclien  Bitter,  wel- 
cher durch  die  Ton  ihm  betrogene  Violenta  schrecklich  ermordet  wird. 


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—  16 


zösiscben  Texte  geflossen,  nicht  zu  diesen.    Das  Jahr  da- 
g^n,  in  welchem  jener  Anfang  der  Aströe  ins  Deatsche 
ftbertragen  ward,  brachte  die  eben&lls  schon  anfgeführte 
Kuffsteinsche  Diana  aus  dem  Spanisdien.     Auch  die 
Auswahl  der  Novellen  des  Cinthio,*)  neben  denen  die  des 
Boccaccio')  nen  erschienen  und  vermehrt  wurden,  gehö- 
ren noch  in  diese  Jahre,  am  meisten  aber  that  sich  jetzt  als 
Uebersetzer  Aegidius  Albertinus  zu  München  hervor,  der 
seine  Beiniiliiuigeii  namentlich  der  spanischen  Literatur 
zuwandte.  Seine  Thätigkeii,  die  einen  bewundeiusweithen 
Umfang  hatte,  gewinnt  dadurch  ein  besonderes  Interesse, 
dasz  sie  einerseits  von  katholischen  Tendenzen  geleitet 
war.  andererseits  den  i)icaresken  oder  iSchelmenronian  der 
•Spanier  in  Deutschland  einführte  und  dadurch  immerlün. 
zu  der  Entstehung  der  Simplidanischen  Schriften  Grim- 
melshausens eine  Art  Anstosz  gab.    Als  Secretär  des 
Herzogs  ]\Iaxiniilian  von  Baiern  sUmd  Albertinus  mit  dem 
Mittelpunkte  der  katholischen  Partei  in  Deutschland  in 
engster  Beziehung,  und  jedenfalls  war  sein  Fürst,  wenn 
neben  Ferdinand  auch  nicht  das  Haupt,  so  doch  der  gei- 
stig bedeutendste  Vertreter  derselben  unter  den  Beichs- 
tiii  sten,  nicht  ohne  Eintlusz  auf  di<^  Kic  lituug  seiner  SchrilY- 
stellerei.   So  widmete  er  den  besten  Theil  derselben  den 
mehr  ermahnenden  ab  erzählenden  Schriften  des  Antonio 
Ouevara,  aus  dem  auchGrimmelshausen  mehrfache  Anregung 
zog",  und  diese  \'erdeiitschungen  fanden  überall  im  katho- 
lischen Deutschland  den  stäiksteu  Absatz,  so  dasz  Alber- 

*)  Frankftirt  a.  M.  Sdiomberger  1614.  13.  Es  sind  40  Ge- 
schichten Ton  den  100  der  italienischen  Vorlage,  welche  1665  snerst 
erschien. 

-)  Veigl.  Bd.  I.  S.  89.  Anm.  1.  n.  S.  94.  Anm.  1.  In  den  88 
hincngefii^eii  Geschichten  hefinden  sich  auch  einige  pleareske  ans- 
dem  Spanischen. 


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—    17  — 


CiniiB  dann  auch  anderswoher  Aehnliches  herbeiholte. 
Seine  sehr  verbreitete  Bearbeitung  des  Gnsman  Ton  AI- 
ISmche^)  von  Mateo  Aleman  bedeutet  übrigens  keines- 

*)  Qoedeke  (Qnmdr.  S.  480X  «vf  den  ich  in  Betreff  der  anderen 
lieh  nnr  mehr  oder  weniger  mit  nnaerer  Gattung  berfihrenden*  Sdirif- 
ten  des  Aeg.  Albertinns  Terwelae«  giel»t  Ton  dem  dentaehen  Gnsman 
folgende  Anagaben  an:  Hilneken  1615.  8^.  —  Mfincben  1617.  8^.  — 
1618.  fi^.  —  1633.  8^.  —  Frankf.  1670.  8P.  Mir  liegen  aneaer  diesen 
nock  tot:  eine  zweite  Ausgabe  Mftnchen  1615.  8^«  eine  ebenda  1616. 
8^.  (die  Widmnag  d.  d.  1.  JannaiQ  1615)  gedr.  dnreh  Nie.  Henrienm, 
eine  Ton  168L  8P.  o.  O.  und  eine  Ton  1670. Franokf.  J.  G.  Schiele. 
Die  Aiisgaben  Ton  1616  n.  1618  geben  den  ersten  und  aweiten  Tkeil, 
die  Ton  1631  n.  1670.  12.  kahen  anck  den  dritten,  Ton  dem  ich  eine 
besondere  Ausgabe  nicht  kenne.  Dessen  Titel  lautet: 

Der  Landstdrtzer  Gnsman  Ton  Alfarche  oder  Picaro  genant. 
Dritter  Tnd  Letzter  Tkeil.  Darinnen  seine  Eeiss  nach  Jenisalem  in 
die  Türckey  vnd  Morgenländer  auch  wie  Er  von  dem  Türcken  {gefan- 
gen /  will«  mmb  erledifi^et  /  die  Indianischen  Landsdiafften  besuchet  / 
Tnd  in  Teutseliland  selbst  alle  Stätte  durchwandert  /  auch  allerliand 
Tnderschiedliche  Dienste  vnd  Handwerck  versuchet  —  Be- 
neben anmutliiirer  vnd  eigentlicher  Bcschreibong  der  Morgenländer  /  dess 
H.  Lands  vnd  der  Indianischen  Insalen  —  Ansz  dem  Spani- 
schen Original  erstmals  anjetzo  verteutacht  Durch  Martiuuni  Fren- 
denhold.  (iednickt  im  Jalir  MDCXXXU.  Die  Vorrede  ist  nnter- 
seichnet  20.  Martij  laufendes  Jahr  1626.    J.  M.  F. 

Der  erste  Theil  des  Oriiriuüls  erschien  1599  zu  Madrid,  vor  dem 
Jahre  1603  kam  eine  Fortsetzung  von  einem  anderen,  der  sich  Saya- 
Tedra  nannte,  heraus,  1605  folgte  der  echt«  zweite  Theil,  ein 
dritter  Th»*!!  ist  nie  erschienen,  obwohl  er  verheiszen  wurde.  Vergl. 
Tieknor.  II,  *212  ff.  u.  den  Disrurco  prcliniinar  der  Novelas  anteriores 
a  Cervantes  in  der  IHblioteca  de  Aut.  E>i).  III.  ed.    Madrid  1H58. 

Der  unechte  zweite  Theil  liey;t  mir  in  2  alten  Ausgaben  vor:  1) 
rarairora  por  Angeln  Tauano,  a.  MDCIII.  8  (Stadtbibl.  zu  Bres- 
lau), 2)  Impresso  en  Milan  i»or  .leronimo  Bordon,  y  INdromartir  Lo- 
carno.  A.  1603,  Der  Nachdrucker  hat  den  \amen  Alemans  auf 
den  Titel  <_rpsetzt  und  so  falsche  Angaben  der  Bibliographen  ((iräsze 
Tr.  I  veiaula.^izt.  Es  existirt.  aueli  eine  zu  I^eipzig  17r)l/r»2  8'^  er- 
st hieiiene,  alxT  naeh  einer  französi.<(  hen  l'eliertragung  gearbeitete  Ver- 
deutschung Von  F.  AV.  Beer,  eine  andere  T-itz.  17S2.  s"  luuh  Le  Saire 
und  (Gr.  Tr.  Suppl.)  eine  abgekürzte  lateinische  Bearbeitung.  Col. 
Agripp.  1623, 24  u.  Dantisci  1652.  3  vol.  12. 


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—    18  — 


wegs  einen  Uebergang  zn  einer  fnue  anderen  Gkittnng^,  so 

sehr  auch  der  Picaro  und  der  Fürsten  unil  Potentaten 
äterbekunst  auf  den  ersten  Blick  verschieden  erscheinen 
mOgen,  denn  grade  des  Albertinos  Gasmann  von  Al£Butudie 
enthftlt  wenigstens  ebensoviel  asceüsclie  Betrachtangen  wie 

Schelni»*nabeiiteuer. 

Der  Gang  der  Krzählung  ist  folgender:  Zuerst  giebt 
Gttsman  J^achricht  von  seinen  Eltern,  wie  in  allen  Stel- 
len seiner  Geschichte,  ndt  Beif&gang  einer  Menge  von 
gelegentlichen  Bemerknngen,  welche  an  vielen  Orten  so- 
gai'  zu  umfangreichen  Disciirscn,  Alh-goricn,  Beschreibun- 
gen and  encyclopädisch-wiäseuschaftlicheu  Abhaudlaugen 
anschwellen.  Sein  Vater  war  ein  betrügerischer  und 
wucherischer  Kaufmann  von  maurischer  Abkunft  in  Se- 
villa, seine  Mutter  die  ('(»ncubine  eines  Ordensherrn,  der 
ihn  auch  für  sein  Kind  hielt.  Nach  dessen  Tode  heim- 
thete  sein  Vater  seine  Matter,  brachte  ihr  and  sein  Geld 
durch  und  starb.  Gusman  begab  sich  aus  Noth  in  die 
weite  AV'elt,  sein  erstes  Abenteuer  bestand  in  schlechtem 
Essen  in  einem  M'irtUsüause.  Er  befand  sich  in  Gesell- 
schaft eines  Eseltreibers  und  zweier  Priester,  einer  von 
diesen  ermahnte  ihn  eindringlichst  snr  Tagend,  aber  vei^ 
geblich.  Er  trat  in  den  Dienst  eines  betrflgerischen  Gast- 
wirthes,  verliesz  diesen  aber  bald  wieder  und  kam  nach 
Madrid,  wo  er  ein  „Picaro  oder  Öchwarack"  wurde,  dann 
Kflchenjunge,  als  weicher  er  durch  seine  Spielwuth  und 
das  böse  Beispiel  anderer  Dienstboten  zum  Stehlen  ver- 
leitet wurde.  Nach  einiger  Zeit  führte  dann  seine  Un- 
treue auch  zu  seiner  Entlassung.  Er  waid  wieder  Picaro 
und  Packtr&ger,  bis  ihm  der  Diebstahl  einer  nicht  un- 
bedeutenden Summe  Geldes  gelang,  womit  er  nach  To- 
ledo entfloh.   Hier  von  einigen  schönen  Frauen,  denen  er 


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—    19  — 

nadüicf,  um  flinen  Theü  a^aes  Geldes  betrogea,  vermichte 
er  in  Ahiiftgro,  Soldat  sn  werden,  wurde  aiber  seiner  Ja- 
gend wegen  nicht  angenommen.  Nachdem  er  mit  einem 
fiaaptanann  seinGkld  verthan,  nahm  üm  dieser  als  Borscken 
mit  nach  Italien,  enüiesa  ihn  aber  in  G^noa.  Da  sein 
Vater  aus  diesei'  Stadt  stammte,  hoffte  er,  dasz  sich  Ver- 
wandte seiner  annehmen  w  ürden,  fand  sich  aber  getäuscht, 
£in  alter  Mann  nahm  ihn  in  sein  Haus,  aber  in  der  Nacht 
wurde  er  von  Teufeln  ftbel  gephigt  und  lief  den  andern 
Tag  fort.  El  kam  als  Bettler  nach  Kom,  wo  er  Gelegen- 
imt  fand,  sich  in  diesem  Handwerk  sehr  zu  vei'VoUkommnen. 
In  Gaeta  wurde  er  zwar  wegen  eines  gefälschten  schlim- 
men Beines  tüchtig  abgeprügelt,  aber  in  Kom  gerieth  ihm 
die  Sache  besser,  ein  Cai'dinal  nahm  ihn  zu  sich,  mit  den 
Aerzten  verständigte  er  sich,  ward  als  Gesunder  sechs 
Monate  curirt  und  trat  dann  in  die  Dienste  seines  TVohl- 
thäters.  Seine  Mausereien  und  Lügen  setzte  er  hier  fort, 
unterhielt  aber  seinen  üerm  durch  seinen  Witz.  Gele- 
gentlich beschreibt  er  die  römischen  Kirchen  und  zählt 
deren  Reliquien  auf.  Seine  Spiehruth  ward  schlieszlich 
Ursache,  dasz  ihn  der  Cardinal  fortschickte.  Er  ti'at  bei 
dem  franaösischen  Gesandten  in  Dienst,  dieser  benfitzte 
ihn  als  Spasemacher,  besonders  aber  dazu,  Schmarotzer 
zu  vexiren  und  dadurch  zu  entfernen.  Endlich  bestahl 
er  seinen  Herrn,  abei*  die  Beute  waid  ihm  sogleich 
▼on  zwei  Landslevten,  mit  den«i  er  ans  Born  flttchtig 
geworden  war,  wieder  entführt,  worauf  er  bei  einem  ita- 
lienischen Grafen,  wiederum  sich  durch  seine  spaszhaften 
Unterhaltungen  empfehlend,  in  Dienst  trat  In  der  Buhl- 
schaft  abermals  betrogen,  stahl  er  dem  Grafen  Geld, 
ward  ins  Gefangnisz  gebracht,  aber  wieder  losgelassen 
und  £uid  als  Koch  bei  dem  königlichen  Statüialter  in 


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—   80  — 

Neapel,  wohin  er  sdion  mit  dem  Grafen  gekommen  war, 
ein  Unterkommen.  Dieser  Statthalter  hatte  eine  trunk- 
süchtige deutsche  Frau,  mit  der  es  oft  heftige  Auftritte 
gab.  Gnaman  verliesz  ihn,  um  nach  Montserrat  m  ge- 
hen, wo  ihn  ein  Einsiedler  ermahnte,  von  seinem  lieder- 
lichen Leben  abzulassen.  Dies  hatte  den  Erfolg,  da^z  er 
sich  nach  Alcala  begab,  wo  er  auch  als  Student  aufge- 
nommen ward.  £r  sollte  die  Bechte  studiren,  der  Bector 
unterrichtete  ihn  auch  sogleich  in  den  obersten  Rechts- 
gmndsätzen,  anderweitige  methodologische  und  encyclo- 
pädische  Voitiäge  folgten  nach.  Er  wuide  Präceptor  et- 
licher anderen  Schider,  aber,  wenn  er  auch  den  einen  von 
der  Liebschaft  mit  einer  Nonne  zurückhielt,  so  that  er 
doch  sammt  seinen  Pflegebefohlenen  nichts  Gutes,  alle  ka- 
men auch  zu  Schaden  und  Schande,  er  seinerseits  als  „ein 
Frantzösischer  JÜtter'*  ins  Spital,  wo  er  es  sehr  übel  fand, 
aber  wenigstens  geheilt  ward.  Darauf  ging  er  wieder 
nach  Italien  und  kam  nach  Bononia  in  den  Dienst  des 
dort  residirenden  Cardinais.  Uebei'  Tisch  wurden  bei  diesem 
HeiTn  allerlei  erbauliche  und  moralische  Discui-se  geführt, 
über  das  Lügen,  über  Luxus,  Keichthum,  Weisheit,  Adel, 
warum  die  Gottlosen  in  der  Welt  floriren,  yon  der  Gunst 
der  Welt,  von  der  Ignorantz  der  Welt,  vom  Gewissen, 
von  der  Einigkeit  und  Uneinigkeit,  vom  Eifer,  vom  Müszig- 
gange, durch  was  Mittel  der  Himmel  erlangt  werde 
—  wonach  Gusman  selbst  als  der  Dreizehnte  von  der  edlen 
Thorheit  discurirte.  Nach  einiger  Zeit  stahl  er  einer 
reichen  Frau  eine  Menge  Geld,  kam  nach  Turin,  trat  als 
Edelmann  auf  und  heirathete  ein  vornehmes  ^lädchen, 
brachte  aber  in  kurzer  Zeit  alle  seine  Habe  durch.  Da- 
rauf ward  er  Gerichtsschreiber,  und  in  dieser  Stellung 
kam  er  durch  Uniedlichkeit  und  „Schinden''  wieder  za 


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—   21  — 

einigem  Gelde.  Nun  legte  er  eine  Gastwirthschatt  an  und 
erwarb  durch  ähnliche  Künste  noch  mehr  Vermögen,  aber 
Alchymisten  brachten  ihn  theils  durch  betrügerische  Vor- 
spiegelungen, theils  durch  Baub  wieder  um  alles,  infolge 
des  Schrecks  starb  seine  Frau,  er  wurde  Hausirer,  Dieb, 
eingesperrt  und  ausgehauen.  Hierauf  ging  er  nach  der 
Schweiz  und  trat  in  ein  Benedictinerkloster,  hielt  sich 
zuerst  zwar  gut,  dann  aber  risz  er  mit  dem  SchaiRier  zu- 
sammen aus,  wurde  gefangen,  entkam  aber  wieder  und 
arbeitete  kurze  Zeit  in  Tirol  als  Bergknappe.  Dann  ward 
er  Comödiant,  er  erzählt,  welche  überaus  schmutzigen 
Possen  er  als  Spaszmacher  gerissen,  be  sc  hreibt  die  deut- 
schen Wii  thshäuser  und  tadelt  die  Deutschen  wegen  ihrer 
argen  Unmftszigkeit  im  Essen  und  Trinken,  Baiem  wird 
Wegen  seiner  Frömmigkeit  und  guter  Justiz  sehr  heraus- 
gestiichen,  sobald  er  aber  in  andere  „Provintzen"  kommt, 
beginnt  wieder  der  Tadel  der  deutschen  Völlerei  und  Trun- 
kenboldigkeit  —  die  Weiber  thun  es  den  Männern  gleich. 
Gusman  durchstreifte  mit  seiner  Trnppe  Oberdeutschhind 
und  wandte  sich  dann  nach  Westfalen.  Hier  heirathete 
er  die  Frau  seines  von  Räubern  getödteten  Principals, 
er  und  seine  Genossen,  deren  Haupt  er  geworden, 
verübten  in  Lüttich  einen  groszartigen  Betrug  an  einem 
Juwelier  und  entflohen  mit  ihrem  Baube  nach  Amiens,  von 
da  wandten  sie  sich  nach  Spanien,  in  Lissabon  starb 
Gusmans  (deutsche)  Frau  infolge  ihrer  Trunksucht,  er 
heirathete  in  Valencia  seine  dritte  Gattin,  die  Verschwen- 
dung derselben  machte  ihn  wieder  zum  Diebe,  er  ward  ge- 
fangen und  zum  Ghügen  vemrtheilt,  doch  bei  Gelegenheit 
einer  königlichen  Hochzeil  begnadigt  und  für  diei  Jahre 
aot  die  Galeeren  geschickt  Hier  schlieszt  der  erste  Theü 
des  deutschen  Gusman. 


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—  99 


Nach  aiisifestaadeiMr  Strafiieit  (ans  der  sehlechtliiB 

nichts  erwähnt  wird)  kommt  Gusman  in  einen  Wald, 
ein  Einsiedler  nnterrichtete  ihn  über  die  Busze.  Diese 
Discorse  sind  ftberans  lang*,  tqU  sckolaatischer  Gelehrsam- 
keit, spielen  mit  Gleiehnissen  nnd  ktknstlich  ansgedefanten 
Allegorien  und  mischen,  wie  schon  die  früheren  Reden, 
in  höchst  abgeschmackter  Weise  massenhafte  lateinische 
Citate  ein.  Die  Erklärungen  bibliseher  Stellen  Inetea 
zum  groszen  Theil  wahrliaft  abschreckende,  aber  jedenfalls 
charakteristische  Belege  für  die  Auslegungs-  und  Predigt- 
weise der  damaligen  katholischen  Greistlichkeit  Weiter 
ist  nun  noch  ganz  in  derselben  Weise  die  Bede  vom  Fasten, 
vom  Gebet,  vom  A\"einen  nnd  einer  Anzahl  von  theologi- 
schen Materien.  Nach  geschehener  Beichte  und  Gommunion 
legt  der  Einsiedler  Gosman  eine  Wallfahrt  nach  Jenisaiem 
als  Busze  auf,  worauf  sogleich  wieder  ein  sehr  langer 
paräuetischer  Abschnitt  folgt.  Es  werden  nämlich  cüe 
reqnisita  des  geistlichen  Pilgrims  behandelt,  indem  alle 
die  Dinge,  welche  ein  Pilger  thnn  oder  besitzen  rnnsz, 
geisllicli  gedeutet  werden,  oft.  mit  erstaunliclier  Abge- 
schmacktheit und  Tändelei.  Mit  diesen  Uiscurseu  geht 
der  zweite  Theil  ohne  alle  nnd  jede  Handlung  aus,  und 
Gusman  verweist  nun  auf  den  dritten. 

Von  JMaita  aus,  so  beginnt  Martin  Jb'reudenhold  den 
dritten  Theil,  wo  Gusman  von  den  Galeeren  war  entlassen 
worden,  fuhr  er  mit  einer  Flotte  der  Malteser,  um  nach 
Alexandrien  zu  gelangen  und  djuiu  seine  A\'ullfa]irt  weiter 
fortzusetzen.  Er  ward  Proviantsclueiber,  aber  wegen  Be- 
trugs bald  zum  gemeinen  Bnderkneehte  degradirt.  Durch 
einen  Sturm  zu  landen  gezwungen,  wurden  die  Reisege- 
iUluten  von  den  Türken  gefangen  genommen  und  nach 
Alexandrien  geschleppt   Hier  verwandte  man  Gusman 


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—  28 


erst  mit  den  anderes  Gktftngenen  snsammen  eu  harter 

Arbeit,  doch  es  gelang  ilim,  sicli  durch  Fuclisschwäiizerei 
80  in  Gunst  zu  setzen,  dasz  er  als  Aufseher  beim  kUustli- 
ehen  Htthneranehrttten  angestellt  ward.  Dann  miethete 
er  seinem  Herren  eine  Badstube  in  Alcayr  ab,  wo  er  durch 
seine  scklechteu  Künste  viel  Geld  iri^vann.  Sclilieiszück 
führte  er  wieder  einen  grosse  Diebstahl  gegen  einen 
deatschen  Grafen  ans  und  machte  sich  dann  in  Pilgertracht 
mit  dem  ersparten  und  gestohlenen  Gelde  davon.  Die 
Stadt  Cayr  wird  ausführlich  beschrieben.  lieber  Joppe 
geht  die  Beise  nach  Jerusalem,  die  heiligen  Orte  Jeru- 
salem, Bethlehem,  der  Sinai  u.  a.  werden  beschrieben4 
Als  Tyriakskrämer  und  Seifensieder  setzte  Giusiuan  seine 
Beise,  nachdem  er  das  Ziel  seiner  Wallfahrt  erreicht,  wei- 
ter fort,  um  noch  fernere  Länder  zu  sehen.  Zuerst  blieb 
er  ein  .Jahr  in  Tiii)olis,  ging  dann  nach  Aleppo,  Städte 
und  Gegend  werden  ausführlicJi  beschrieben.  Weiter  ging 
die  Beise  mit  einer  Handelskarawane  nach  Mesopotamien, 
Alt-Babylon,  Bagdad  wurden  besucht,  dann  kehrte  Gusman 
nach  Aleppo  und  über  Tripolij»  zu  Schiii'  nach  Venedig 
znrflck.  Hier  ward  er  wieder  yon  einem  Alchymisten  um 
all  sein  gut  und  bOse  erworhenee  Geld  gebracht,  ein 
Discurs  gegen  die  Alchymie  schlieszt  sich  an.  Nachdem 
Gusman  einige  Zeit  sich  als  Gondolier  erhalten,  t&ud  er 
Gelegenheit,  einon  Juden  viel  Geld  zu  stehlen,  und  ent- 
floh mit  einem  Spiegelmacher  und  Polierer  nach  Amster- 
dam, ein  Discurs  vom  Spiegelmachen  und  Polieren  wird 
beigegeben.  In  Amsterdam  stahl  ihm  sein  Gefährte  wie- 
der alles,  und  er  wurde  als  Bettler  ins  Zuchthaus  (Arbeits- 
haus) gesteckt,  wo  er  ein  Jahr  lang  streng  arbeiten 
muszte.  Als  er  entlassen  wurde,  verdang  er  sich  auf  ein 
Schiff  welches  nach  Westindien  bestimmt  war.  Dieses 


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24  — 


gelangte  nach  einigen  Abenteuern  zunächst  nach  Brasilien, 
dann  ging  die  Fahrt  weiter  nach  Süden.  Gusman  machte 
noeh  fttr  sich  eine  Bdse  nach  Japan,  welches  Land  be- 
schrieben wird,  nach  Eorofia  snrQckgekommen  ging  er 
mit  einem  Calendermacher  nach  Deutschland*),  die  Kunst 
seines  Geföhrten  erlernte  er,  und  sie  wird  encyclopädisch 
abgehandelt.  Dann  wurde  er  ein  Apotheker,  und  eine 
Phannacie  in  noce  wird  den  Lesern  nicht  yorenthalten. 
Seine  Untrene  führte  znr  Dienstentlassnng,  er  yerftnderte 
seinen  Auleiithali  und  wurde  ein  Kuftian  oder  Kuppler 
(Discuis  von  diesem  Gewerbe),  dann  Müller,  dann  Reiter 
bei  einem  Edehnann  (Discnrs  Yom  Adel),  dieser  schickte 
ihn  wegen  Bühlens  mit  der  Beschlieszerin  fort  (Discnrs 
von  den  Pferden  und  ihrer  Behandlung),  darauf  ging  er 
zu  Gauklern  und  Tänzern  (Discnrs  von  ihren  Künsten), 
dann  zu  einem  Wahrsager,  er  erkannte  aber  die  Ge&hr* 
lichkeit  dieser  Knnst,  indem  er  einen  (natOrlich  aosf&hr- 
lieh  mitgetheilten)  Discui-s  gegen  sie  in  die  Hände  bekam. 
Mit  dem  lakonischen  Bericht,  dasz  er  Busze  gethan,  bricht 
das  Buch  plötzlich  ab. 

Wenn  es  anch  hier  nicht  der  Ort  ist,  auf  das  Yer- 
hältnisz  des  deutschen  Gusman  zu  seiner  spanischen  Vorlage 
ausführlich  einzugelien,  so  musz  doch  hervorgehoben  werden, 
dasz  das  Buch  den  Namen  einer  Uebersetzung  durchaus 
nicht  verdient  Der  Inhalt  des  spanischen  und  des  deut- 
schen Buches  deckt  sich,  wenn  man  Einzelnes  gegen  Ein- 
zelnes hält,  kaum  zur  kleineren  Hftlfte,  denn  wenn  sich 
Albertiuus  auch  fast  durchweg  an  die  üeiseroute,  welche 
^lateo  Aleman  und  der  Verfasser  des  unechten  zweiten 
Theiles  —  denn  diesem  und  nicht  der  echten  spanischen 

*)  Bei  dieser  Oolegenheit  läszt  der  Fortsetser  den  Helden  sagen, 
dasz  er  noch  uidit  in  Deutschland  gewesen. 


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—  S6 


Fortaetzang  folgt  er  haaptsächlich  —  und  wenn  er  «eh 
aadi  im  Ganzen  an  den  Gang  der  Erzählung  hftlt,  so  ist  er 

nicht  allein  schon  zu  Ende  seines  ersten  Theiles  da,  wo 
der  zweite  Theil  des  spanischen  Uosman  ausgelit,  sondern 
er  Itet  weg  nnd  setzt  zn  and  zwar  vielfiEM^h  in  einem 
Mäste,  dasz  das  Bach  ein  ganz  anderes  Ansehen  erhftlt 
Man  kann  aber  nicht  sajren  ein  besseres.  Um  nun  ei- 
nige ins  Auge  sprinp^ende  Hanptsachen  zu  bemerken,  so 
heziehen  sich  die  Weglassangen  sehr  h&ufig  auf  erzählende 
Abschnitte,  zogesetzt  sind  BLscorse.  Umgekehrt  ist  es 
fast  nur  bei  den  in  Dentschland  spielenden  Partien  des 
ersten  Theils,  in  denen  aber  mehr  das  besclueibende  Ele- 
ment vorwaltet.  Auch  die  bis  zum  Widerwärtigen  gehäuf- 
.  ten  lateinischen  Stellen  sind  meist  Sttnden  des  Bearbeiters. 
Aegidius  Albertinas  zeigt  also  darch  seinen  Gusman,  was 
auch  in  seinen  andeni  Sc  lirifteu  sehr  oft  zu  Tage  tritt,  dasz 
er  eigentlich  mehr  ein  Biichermacher  als  ein  Schriftsteller 
war,  and  Ton  seinem  Fortsetzer  mnsz  dies  mit  noch  mehr 
Entschiedenheit  behanptet  werden.  Er  ftgt  bei  gänzli- 
cher Unfähigkeit,  seinen  aus  Keisebeschreibungen  und  ei- 
nigen bcUwaukbücheru  geholten  Stoti  eiuigemiaszeu  zu 
gestalten  and  zn  beleben,  zn  den  Fehlem  seines  Yorarbei- 
%m  noch  den  gedankenloser  oder  ans  Gedankenarmnth 
hervorgegangener  Wiederholungen.  Wie  naheliegend  war 
der  (  Jedanke.  den  Helden  nach  den  bis  zur  Albernheit 
aosflthrlichen  Bemühungen  des  Einsiedlers  wirklich  ge- 
bessert oder  wenigstens  etwas  gesetzter  geworden  sein  zn 
lassen,  nnd  ihn  dann  in  nene  Lagen  zn  bringen,  die  sich 
wiedenini  aus  der  l'mwandehing  seiner  selbst  leicht  wür- 
den ergeben  haben.  DalUr  bleibt  aber  Gusman  so  con- 
seqnent  ein  nichtswürdiger  nnd  nicht  selten  gedankenloser 
Lomp,  dasz  er  ewig  seine  Schnrkereien  wiederholt  nnd 


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—    26  — 


wir  alles  Interesse  an  seiner  durch  und  durch  obeilUtohr 
Hohen  Natnr  verlieren. 

Der  frerin^e  Werth,  den  vnr  sonach  dem  dent^hen 
Uusman,  an  und  für  sich  selbst  betrachtet,  zuschreiben 
mflssen,  schlieszt  jedoch  keineswegs  den  Anspruch  auf  Be- 
deutung ans,  den  das  Buch  in  Bezug  auf  die  Entwickelung 
der  deutschen  ünterhaltungsliteratur  im  Xvil.  Jahrhun- 
dert in  der  That  maclien  darf.  Dasz  es  nach  der  einen 
Seite  als  Vorläufer  der  freilich  nicht  blos  den  deutschen^ 
sondern  auch  den  spanischen  Gusman  unendlich  ftbora- 
genden  Simplicianischen  Schriften  Grimmelshausens  anzu* 
sehen  ist,  ward  bereits  antjedeutet,  ebenso  deutlich  weist 
es  aber  auf  der  andern  Seite  auf  die  zunächst  von  uns 
zu  betrachtende  Entwickelung  des  heroisch-galanten  Eo- 
mans  hin,  zwar  nicht  durch  seinen  epischen  Inhalt,  aber 
desto  deutlicher  durch  den  Hauptbestandtheil  seiner  Ne» 
benwerke,  der  zuj2:leich  an  Umfan?  der  bedeutendste  Theil 
des  Ganzen  ist.  nändich  die  lehrhaften  Discurse  und  Be- 
schreibungen. Wir  werden  im  Folgenden  noch  viel  mit 
diesem  wesentlichen,  aber  den  poetischen  Werth  der  Ro- 
mane niemals  erhöhenden  Requisit  unserer  (iattuujij:  zu 
thun  haben,  denn  nur  wenige  der  uns  aufstoszenden  Er- 
scheinungen halten  Masz  im  Aufnehmen  dieses  BallaateSi 
und  darum  ist  es  nicht  nöthig,  Weiteres  von  Albertiniia 
und  Freudenholds  Gusman  zu  sagen,  als  nöthig  war,  seine 
Besprechung  auch  liier,  wo  uns  der  heroisch-galante  Ko- 
rnau zun&chst  am  Herzen  liegen  musz,  zu  begründen. 

Wir  kOnnra  eine  Anzahl  anderer  Uebersetznngen  ans 
dem  Spanischen  hter  sogleich  mit  erwähnen,  und  zwar  auch 
aus  dem  Grunde,  weil  sie  für  die  Zeit  vor  der  Ausgestaltung 
des  heroisch-galanten  Eomans  in  Deutschland  bezeichnend 
und  in  den  Mheren  J ahraehnten  hftufigw  sind  ala  die  Ueber- 


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—    27  — 


Setzlingen  und  Bearbeitungen  französischer  Origiiiale,  de- 
nen sie  späterhin  entschieden  weichen  mflssen. 

Als  Yerdeatscher  spanischer  Unterhaltnni^sschriften 
fknd  Albertinus  bald  Mitarbeiter  und  Naclifolprer.  Xon 
pic<iresken  Erzähluugen  ist  Nicol.  l'lenharts  Yerdeutächuüg 
des  Lazarillo  de  Tormes  und  der  Novelle  Bineonnete  y  Corta- 
dillo  von  Cervantes  (Isaac  Winkelfelder  nnd  Jobst  von 
der  Schneid)  zu  ueuuen,  welclie  zusanuuen  als  ein  Buch 
erschienen.')  Der  Uebersetzer  folgt  im  Lazarillo  dem 
spanischen  Texte  ziemlich  genau,  hat  aber  als  guter  Ka- 
tludik  die  die  Kiiirichtunpren  der  katliolisclieu  Kirche  am 
meisten  bloszstelleiideu  Abschnitte  ausgelassen  oder  ver- 
Andert,  falls  er  nicht  etwa  eine  schon  derartig  verstümmelte 
Ausgabe  benutzt  hat.  Am  Ende  fügt  er  nicht  ungeschickt 
ein  Lob  der  Deutschen  an.  l^azarillo  nämlich,  desseu  El- 
tern beide  nicht  viel  taugten,  wurde  zuerst  noch  als  Kind 
FQhrer  eines  Blinden,  bei  dem  er  viel  Uebles  ausstehen 
muszte,  aber  sich  in  allerlei  kleinen  Betrüfrereien  vervoll- 
kommnete, darauf  kam  er  zu  einem  Geistlic  lKMi.  bei  dem 
er  fast  vor  Hunger  starb,  bis  er  einra  Nachschlüssel  zu 
dessen  Truhe  erwarb,  noch  muszte  er  aber  allerlei  Listen 
anwenden,  damit  sein  Herr  ihn  nicht  als  Dieb  erkaimte. 

^)  Zwo  kurzwellige,  lustige  viid  IScherliche  Hbtorien,  die  Ente 
eet.  Angsbnrgr  1617.  8.  —  Nttrnbeig  1666.  —  Die  Novelle  enehien 
noch  einm&l  allein  1734.  8P  o.  O.  —  YergL  Gosches  Archiv.  I,  295 
ff.  Wenn  die  B.  d.  R.  1781.  Aonst  S.  4.  Ton  dem  Lazarillo,  zu 
dessen  Ansso^  Übrigens  eine  interpolirte  Ausgabe  benützt  ist,  aagt: 
.  .  en  Allemagne  .  .  .  il  est  encore  anssl  recherch4  ponr  le  molns  qoe 
le  divin  original  de  Tiel  Ulespiegle,  so  ist  das  blosze  Faselei.  Das 
Original  des  Lazarillo  von  dem  berfihmten  Diego  Hnrtado  de  Kendos* 
erschien  1558  nnd  gilt  fdr  den  Mhesten  Boman  seiner  Art.  Ausser 
der  Uebersetzung  von  Bertiich  j^iebt  es  ans  dem  XVIII.  Jahrh.  noch 
eine  (gereinigte)  Um  1769.  8°.  Die  Novelle  Rinconnetc  y  rortadlUoer^ 
schien  als  die  dritte  der  Novelas  exemplares  1613.  Yergl.  Iiierzu  wie 
ma  der  Ersähiong  vom  «nnseltigen  Fttrwits*  Tieknor  I,  605  ff. 


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—    28  — 


Die  Sache  kam  schlieszlich  heraus,  und  Lazarillo  wurde 
arg  gemifizhandelt  fortgejagt  Sein  dritter  Herr  war  ein 
imner,  aber  ftberans  stolzer  Edelmann,  der  schlieszlich 
Schulden  halber  das  Weite  suchte.  Nach  verschiedenen 
anderen  Stellungen  <,^elang:t  der  Held  zu  dem  anständigen 
Amte  eines  öflfentlichen  Weinansmfers,  und  als  solchen  l&szt 
ihn  XJlenhart  besonders  gnte  Frenndschalt  mit  den  Deut- 
schen im  Gefolge  Karls  V.  schlieszen,  welcher  nach  To- 
ledo kommt.  Dasz  Ulenhart  den  unechten  zweiten  Theil 
nicht  mit  Übersetzt  hat,  sondern  hier  abschlieszt.  ist  viel- 
leicht Zufall,  wenn  nicht,  so  gereicht  es  ihm  zum  Lobe. 

Femer  gehört  hierher  die  LandstOrtzerin  Justina 
Dietzin  Picara  «genannt*),  ein  Sclielmenroman,  der  sich 
zum  (iusraan  von  Aliarache  so  verhalten  würde  wie 
Grimmelshausens  Courage  zum  Simpiicissimus,  wenn  er 
nicht  unendlich  viel  schwacher  und  langweiliger  wäre  als 
sein  Vorbild. 

Zu  den  religiösen  Homanen  spanischen  Ui'sprungs  ge- 
hört der  £deie  Sonnenritter,  welcher  durch  Matthäus  Hoff- 
stetter  aus  dem  Italienischen  übersetzt  wurde  und  trotz 

der  Kürzungen  des  Verdeutschers  (vergl.  die  Vorrede) 
noch  sehr  weitschweiüg  und  langweilig  geblieben  ist.-) 

Mit  der  Verdeutschung  des  bedeutendsten  spanischen 
Romans,  des  unsterblichen  Don  Quixote,  ist  man  in  der 
Zeit,  die  wir  jetzt  betrachten,  nicht  weit  gekommen.  Das 
erste  Stück  davon,  welches  meines  Wissens  verdeutscht 
worden  ist,  erschien  allerdings  schon  ziemlich  üüh,  im 

Theil  I  Franckf:  a.  M.  1626.  8,  Thl.  II  ebenda  1697.  8.  Der 
YerfMser  des  Oriipiiials«  weichet  1605  enehlen,  war  der  DomlnlcaDer 
Andreas  Perei,  nannte  sich  aber  aof  dem  Titel  Francisco  Lopei  de 
Ubeda.  Die  dentsche  Uebersetsong  flosi  ans  der  itaUenischen  des 
Bareuo  BarenL 

*)  Glessen  1611.  a  (StadtblbUothek  an  Breslan.) 


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—   29  — 


Jahre  1617.  Es  ist  die  Einsode  yon  Anselm  und  Lotario 

und  trägt  den  Titel  „Unzeitiger  Fürwitz".*)  Die  von 
Pahsch  Basteln  von  der  iSohle  1621  herausgegebene  Ue- 
bersetzong  scheint  nicht  über  zwdnndzwanzig  Capitel 
herangekommen  zu  sein,  so  sehr  die  verständigen  Grund- 
sätze des  Uebersetzers,  seine  (xeschicklichkeit  und  seine 
richtige  Würdigung  des  Werkes  zu  loben  sind.^) 

Das  Jahr  1630  brachte  einen  auf  französischer  Vor- 
lage fuszeiuleii  Roman  Honiiy  soit  qui  mal  y  pense,  Hi- 
storie Von  Aurelio  und  Isabeila')  und  des  schon  genannten 
Freiherm  von  Knffistein  Garcell  de  amor*). 

*)  Im  Beslts  der  Stadtbibliothek  sn  Bredan.  Der  yoHstllndige 
Titel  lautet:  Ynzeitiger  Fonrits/  \  Eine  Newe  Ynd  |  schOne  Historie.  | 
Dorinnen  etlicher  Mftimer  vnsei-  |  Uger  Eyfer  /  vnd  der  W^ber 
schwaGUieit  /  i  auch  beyder  anisgang  abgemahlet  |  wird  /  Ntttadich  vnd 
lustig  I  an  lesen  |  Jetao  ans  Spanischer  Sprach  |  in  die  Deutsche 
biaefat.  t  Gedruckt  im  Jahr  /  1617.  |  55  Blätter  ffi  ohne  Seitensahlen. 
Die  Ausstattung,  auch  der  Hoheschnitt  auf  dem  zweiten  Blatte,  wo 
der  Text  beginnt,  ist  ganz  wie  die  der  sogenannten  Volksbflcher. 

^  Diese  Uebersetzung  erschien  l)C5then  1621  12.2)  Franokfnrt 
in  Verlegung  Thomae  Matthiae  GOtzen  1648.  12.  Auf  dem  dritten 
Blatt  findet  sich  ein  besonderer  Titel  mit  der  Angabe  Holf  Geiszmar. 
Gedruckt  bey  Salomon  Schadewits.  1648.  (Das  mir  Torllegende  Exem* 
phur  findet  sich  in  Wolffenbflttel)  Die  EnUilung  bricht  da  ab,  wo 
Sancho  um  seinen  Esel  klagt  und  von  D.  Q.  getrOstet  wird.  Diese 
Ausgabe  ist  sehr  schOn  ausgestattet,  mit  Bildern  yersehen  und  zierlich 
gedruckt.  8)  Franckfort  1669.  12.  Auch  diese  Ausgabe  hat  nach 
Ebert  8944  nur  22  CapiteL  Die  Ton  1682.  Basel  n.  Franckfl  II.  ist 
nach  Gräsze  tr.  gar  nicht  die  Pahschsche  Uebeisetzung,  und  wenn 
Eberts  Angabe  richtig  ist,  so  kann  kaum  daran  gezweifelt  werden,  dasz 
Palisch  sein  ISbliches  UnCemelimen  ttberhaupt  nicht  zu  Ende  gefährt  hat 

*)  Nfimberg  ffi.  Unter  der  Vorrede  Christian  Pharemund.  Das 
Original  ist  Ton  Juan  de  Flores  und  1521  abgefiuzt  G.  de  Pereel 
Ahrt  II,  29  eine  ital.  Uebersetzung  ,con  la  traduttione  Francese*"  in 
16^.  Paris  1558  und  eine  franzSsische  Ausgatte  in  16^  Lyon  1555  auf. 
Vergl.  Tidmor  II,  225  tl  KotoL  anter.  a.  a.  0. 

*)  Das  Original  ist  von  Diego  de  San  Pedro,  erschien  1492  und 


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—    30  — 


Von  weit  gröszerer  Bedeutuug  iiii*  die  £nut«liim^ 
des  heroisch-galaiiteii  Kimstromans  in  Deatsdüaad  als 

säramtliche  andere  während  der  ersten  Jahrzehnte  des 
XVII.  JahrhuüdertÄ  angefertigten  l^e])er!<etzungen  aus 
fremden  Sprachen  war  Opitzens  Uebersetzung  der  Aigenis 
von  John  Barcley,  bei  der  wir  etwas  länger  zn  verweilen 
haben.    Der  Inlialt  ist  folgender: 

Zui'  Zeit  vor  der  Herrschaft  der  liümer  landete  ein 
fremder  Jüngling  in  Sicilien.  Als  er  sich,  von  der  See- 
fahrt erschüi)ft,  soeben  am  Strande  zur  Ruhe  niedergelegt 
hatte,  eilte  Tinioclea,  eine  \urnehme  Dame,  in  höchster 
Bestürzung  herbei,  nm  ihn  für  den  von  Käubem  ange£EÜle- 
nen  Poliarchns  zu  Hülfe  zn  rufen.  Beide  begaben  sich  in 
den  in  der  Nähe  befindlichen  Wald  kamen  aber  nnr  zurecht, 
um  zu  sehen,  wie  L'oliarchns  die  Räuber  gloiTeich  besiegt«, 
worauf  Timoclea  die  beiden  Herren  auf  ihr  unweit  gele- 
genes Landgut  einladete.  Hier  ward  der  Fremde  nach 
seinem  Xameu  gefragt  und  sagte,  er  wolle  sich  einstweilen 
Archombrotus  nennen,  und  sei  ein  Aiiicaner.  Poliarchos 
erzählte  ihm,  dasz  in  Sicilien  Bürgerkrieg  herrsche,  da 
Lycogenes  gegen  den  König  Melcaiider  eine  HniiM'.iung 
angestiftet  habe.  Dieser  hal)e  zwar  gesiegt,  wolle  aber 
Frieden  schlieszen.  Er,  Poliarchns,  sei  auch  ein  Fremder 
und  dem  Könige  von  Sicilien  nur  zugezogen.  Aus  den 
weiteren  Gesprächen  ahnte  Archombrotus,  dasz  Poliaixhus 
des  Königs  Tochter  Argenis  liebe,  und  erhielt  von  ihm 
noch  einige  Nachrichten  über  Zustände  und  Persönlichkei- 
ten des  Landes,  in  welchem  er  sich  einige  Zeit  autlialteu 

erfreute  sich  bald  einer  croszen  "neUebtheit.  Es  lieiriiiiit  mit  einer 
aHejJ^orischen  ErzähliniL:,  an  die  sich  ein  Stück  heroisch-t^alanter  Ko- 
man  anschlieszt.  Kurtsttineis  Verdeutschung  Lpzg.  1630.  ö*'  und 
Hambttig  1675.  if,   Tickuor  II,  217. 


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—    31  — 


wullte,  bis  sie  von  Timoclea  mit  der  Nachricht  erschi  kt 
worden,  ds&z  die  Signalfeuer,  welche  aar  wegen  bedeuten* 
ier  und  geftJirUclia*  Angekagenheiten  angezftndet  zu  wer- 
den pflegten,  bräunten.  Es  wurde  jemand  ansgesandt, 
um  (It'shall»  Erkuii(lij<iuigeu  einzuziehen,  welche  dahin  aus- 
tieieu,  dasz  Poliarchus  ak>  Majestäteverbrecher  gesacht 
werde.  Timoclea  entschlosz  sich,  ihn  zn  retten,  und  yei^ 
barg  ihn  in  eine  Höhle,  w&hrend  Gtelanor,  der  Diener  des 
Poliarchus.  weggeschickt  ward,  um  die  Nachricht  zu  ver- 
breiten. da.sz  sein  Herr  ertrunken  sei.  Er  erluhr.  dasz 
die  fiäuber,  welche  Poliarchas  geUidtet  hatte,  Gesandte 
des  Lycogtties  an  den  König  gewesen,  Poliarchus  somit 
das  Völkerrecht  verletzt  habe,  nnd  erzählte  dem  Timoni- 
des,  einem  (iroszen  des  Köni^rs.  dasz  Pfdiarchns  todt  sei. 
(Inm  Arsidas.  einem  anderen  Herru  vom  Hole,  dagegen  mit 
Antoig  des  Poliarchus  den  wahren  Sachverhalt.  Beim 
Könige  nnd  seiner  Umgebung  erregte  die  Nachricht  vom 
Tode  des  Poliarclius  grosze  Bestiirzung,  da  er  bei  Mt>- 
leander  und  dessen  wahren  i?'reandea  sehr  i>eliebt  und 
jetzt  nur  der  geDährlichen  Uegenpartei  zum  Opfer  gebracht 
worden  war.  Argenis  wurde,  als  sie  die  Trauerbotschaft 
vernahm,  von  ihrer  Pflegerin  Selenisse  nur  mit  Mühe  vom 
Selbstmorde  zurikkgehalten.  Ai-sidas,  der  treue  Freund 
des  Poliarchus,  besuchte  diesen  in  seinem  Versteck  bei 
Timoclea  und  rieth  ihm  dringend,  sich  .ans  Sicilien  zu 
entfernen,  wozu  Timoclea  falsche  Bärte  nnd  Verkleidungen 
herbeischaffte,  während  Arclidnibrotus  und  Ai-sidas  ein 
Grespräch  über  bedeutende  Mäuuer,  und  wie  diese  von 
Fflrsten  geschätzt  zu  werden  pflegten,  AUirten.  Ein  Haufe 
bewaffneter  Bauern  drang  in  das  Haus  der  Timoclea,  ver- 
haftete den  Archombrotus  anstatt  Poliarclius  und  führte 
ihn  zu  Meieander,  der  den  Fremden  wolüwoileud  auliiahuu 


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—    82  — 


Arsidas  brachte  der  Prinzessin  Argenis  die  Nachricht,  dasz 
Poliarchns  noch  lebe.  Noch  einmal  ward  ein  falscher  Po- 

liarchus,  der  blödsinnip^e  Heracleon,  welcher  sich  selbst  ftr 
den  Verfolgten  hielt,  vor  den  König  gebracht,  an  die 
Aofklämng  des  komischen  ZwischenfiaUs  kn&pfen  sich 
sprftche  Ober  die  Narrheit.  Lycogenes,  der  sich  schon  frü- 
her hatte  anmelden  lassen,  kam  zum  Könige,  nm  Unterhand- 
lungen zu  beginnen,  und  es  fand  ein  Gastmahl  statt,  hä. 
welchem  Gespräche  Aber  die  yerschiedaien  Begienings- 
fonnen  geführt  wurden.  Der  weise  Priester  Dunalhius  ver- 
theidigte  die  erbliche  Monarchie.  Lycogenes  zog  ans  ebeui»o 
verwerflichen  wie  persönlichen  Gründen  die  Wahlmonaiv 
tihie  Yor.  Nachdem  Argenis  durch  Arsidas  an  Poliarchus 
einen  Brief  gesendet,  verliesz  dieser  seinen  Vei-steck.  be- 
schlosz  aber,  durch  Verkleidung  völlig  unkenntlich  gemacht, 
Argenis,  ehe  er  ans  Sicilien  scheiden  wflrde,  noch  einmal 
wiederzusehen.  Dies  brachte  er  im  Tempel  der  Pallas, 
deren  Priesterin  Argenis  war,  zur  Ausfühi  ung.  Als  ihr 
Vater  und  Lycogenes  in  den  Tempel  eintraten,  stellte  sich 
die  schon  an&  Höchste  Erregte  wahnsinnig,  um  das  Opfer 
zur  Weilie  des  unkhijien  und  verder])liehen  Friedensver- 
trages nicht  bringen  zu  müssen.  Diesen  selbst  vermochte 
sie  jedoch  nicht  zu  hintertreiben.  Der  König  faszte  den 
Entschlusz  (Anfanp^  des  IL  Buchs)  nach  dem  festen  Epeir- 
cte  zu  gehen,  um  erforderlichen  Falls  von  dort  aus  den 
Krieg  gegen  Lycogenes,  dessen  Ausbruch  man  erwarten 
muszte,  zu  ftthren,  oder  anszer  Landes  zu  fliehen.  Er 
hielt  mit  Arc^enis,  die  in  alle  Gelicimnisse  ein^^e weiht  war. 
und  mit  seinen  Getreuen  Cleobulus  und  Archombrotus  ge- 
heimen Bath,  es  ward  beschlossen,  den  Poliarchus  und 
zugleich  den  seiner  Unterstützung  des  Flüchtigen  wegen 
verdächtigen  Arsidas,  die  sich  beide  in  Italien  belaudeu, 


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—   38  — 


znrQclmnifeB.  ArehonibrotM  Terfiel^  von  dem  Interesse 
an  dein  zwischen  Poliarchus  und  Argenis  vennuthlich 
obwaltenden  Verbältniaae  ansg^MBd,  seibat  in  liebe  u  der 
Prinzesam,  eine  Wendnng,  weldie  dazn  beatunnit  'vrar,  die 

grüszten  Verwickelungen  herbeizuführen.  Inzwischen  sti*eilte 
Lycogenes  in  den  Städten  des  Landes  die  Saat  der  Unen- 
friedenheit  and  Smpt^nmg  aas,  an  dtti  poftitiscshen  Wirren 
kam  noch  die  rellgiOae  8iMdtnng  zwischen  den  Anhängern 
der  alten  Grötterverehning  und  der  Söcte  der  Hyperepha- 
nier  (in  denen  die  Hnga^tlen  gesdiüdert  und  bekämpft 
werden),  Aber  wekhe  der  gelehrte  Priester  Ibbnranes  den 
Aichonibmtus  in  aiistiihrlicheni  (4esj)räch  helelnie.  Eri- 
jitenes.  von  der  Partei  des  Lycogenes,  machte  den  Plan, 
den  König  and  die  Prinzessin  aulenheben,  das  an  Potiar- 
chns  Tom  Könige  als  AnssOhirangsgeschenk  zn  sradende 
Armband  liesz  Lycogenes  duich  Eristenes,  der  es  im  Aul- 
trage des  Königs  gekautt  batte,  vergiften  und  sehrieb  ei- 
nen Brief  an  Poliarchus,  worin  er  ihm  den  König  ails 
seinen  Feind  und  einen  ( iiftmischer  darstellte.  .Meieander 
berief,  um  die  AnHilirer  dei*  llebellen  in  seine  (iewalt  zu 
bekommen,  den  Ljcogenes  und  seine  zwei  Genossen  Oloo- 
demus  und  ißristenes  au  eich,  letztere  beide  wurden  ver- 
hattet, Lycogenes  erschien  nicht.  Timonides,  der  Abge- 
sandte des  Königs  an  Poliarchos,  hörte  unterwegs  von 
einem  Schiffbrttehigen,  dasz  andi  Poliarchus  Schiffbruch 
gelitten  habe,  er  muszte  sich  also  damit  begni\gen,  Arsi- 
daä  aufzusuchen  und  mit  ihm  nach  Epeircte  zuriickzukehren, 
wo  sie  den  Gelanor  mit  der  edreaüchen  Naohricht  .antra- 
fen, dasz  sein  Herr  noch  am  Leben  sei.  Poliarchus  war 
nämlich,  als  seine  Schifte  zu  (Jrumle  gegangen,  von  See- 
räubern aufgenommen  w<»deu,  hatte  diese  besiegt  und 
sich  ihres  SchifliBB  bemächtigt.  Da  die  Seeräuber  den  Schatz 

8 


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—   34  — 


der  Königin  von  Mauretanien,  den  sie  vor  Kurzem  ge- 
raubt, mit  sieh  ftthrten,  so  besciilost.  er,  ihn  nach  Afiiea 

znrttckziihrinjren.  Bei  einem  Menschen,  der  in  dem  Kampfe 
mit  den  8eeräubeni  umgekommen  \vai\  fand  er  den  Brietz 
den  Lycogenes  an  ihn  geschrieben  hatte.   Nachdem  er 
glflcklich  in  der  Hanfitstadt  Lixa,  deren  Umgebung  aus* 
fiilirlich  und  anziehend  beschrieben  wird,  angelangt  war, 
übergab  er  Königin  Hyanisbe  den  Schatz,  worunter  sich 
ein  Kftstchra  befand,  Aber  dessen  Verlast  jene  inszenst 
betrübt  gewesen  war.   Er  sandte  jet«t  den  rechtmäszigen 
Herren  des  den  Seeräubeni  eutrisseuea  Schiffes  mit  Cjela- 
nor  und  dem  Briefe  des  Lycogenes  zu  Meieander  nach 
Sicilien.  während  er,  in  AMca  snrückbleibend,  infolge  der 
erhaltenen  Wunden  erkrankte.    Die  Königin,  deren  mit 
Polia  rebus  ohngetiähr  gleichalteriger  Sohn  Hiempsal  iu- 
cognito  im  Auslände  lebte,  pflegte  ihn  und  bot  ihm  die 
reichsten  Geschenke,  dif?  er  jedoch  ablehnte.  G^lanor  be- 
gab sich,  als  er  in  Sicilien  ankam,  zunäclist  zu  dem  A  poUo- 
priester  Antenorius,  bei  dem  er  Männer  fand,  die  ihm 
von  Argenis  erzählten.  In  einem  Gespräche  des  gelehrten 
Nicopompus  mit  Antenorius  giebt  der  Verfasser  in  der 
Person  des  ersteren  eine  den  Mann  von  feiner  Büduug, 
Geist  und  Weltkenntnisz  zeigende  £r5rterang  über  den 
Zweck  und  die  Einrichtung  seines  Buches.   Nicht  lange, 
nachdem  Gelanor  dem  Könige  den  Brief  des  Lycogenes 
und  der  Argenis  Nachricht  von  Poliarchus  gebracht  hatte, 
kam  Timonides,  wie  bereits  erwähnt  wurde,  mit  Arddas 
und  dem  Armbande  zurück,  das  Gift  ward  gefunden,  der 
Verdacht  fiel  auf  Eristenes  und  Oloodemus^  welche  Uber- 
führt wurden  und  den  Giftbecher  trinken  moszten.  Ein 
Anschlag,  den  Lycogenes  anftnheben,  miszlang.  auf  beidcai 
Seiteu  rüstete  man  sich  zum  neuen  Bürgerkriege.  Ein 


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—   35  — 


AfJsyrer,  welcher  die  zweilellialte  Lage  zur  Geltendmachung 
äeiuer  Steradeuterkunst  benutzen  wollte,  wurde  von  Nio- 
pompus  in  Gegenwart  des  Königs  gesclückt  widerlegt, 
aber  doch,  damit  er  nicht  Schaden  durch  Unglflcksprophe- 
zeinngen  anrichte,  vom  Könige  beschenkt.  AVährend  der 
Krieg  begann,  litt  Argenis  an  Sehnsucht,  Archonibrutus 
an  Eifersucht;  Gelanor  wurde  mit  einem  wenig  freund- 
lichen Bescheide  an  Poliarchus  von  dem  immer 
schwankenden  Meieander  entlassen.  Die  Einnahme  von 
Enna  machte  die  Aussichten  des  Lycop'ues  um  vie- 
les besser,  da  sie  die  Zahl  seiner  Anhänger  und  die 
Zuversicht  seiner  Umgebung  sehr  vergrOszerte.  Da 
kam  plötzlich  der  sardinische  König  Radirobanes  mit  sei- 
ner Flotte  dem  ^leleander  zu  Hülle,  während  die  Kr»nige 
sich  auf  das  Feierlichste  begrüszten,  dann  die  sardinischen 
und  balearischen  Truppen  ausgeschüft  wurden,  verdoppelte 
sich  die  Eifersucht  des  Archombrotus.  Als  Meieander 
denen,  die  sich  ihm  ergeben  würden,  vor  dem  Kampfe, 
de,ssen  Ausgang  für  ihn  sicher  war.  Amnestie  anbot,  lief 
der  gröszte  Theil  des  Hebellenheeres  zu  ihm  über.  Die  bei- 
den Könige  unteihielten  sich  grade  über  Cyclopen  und  andere 
Merkwürdigkeiten  des  Landes,  als  ein  Ausbruch  des  Aetna, 
durch  welchen  feindliche  Heerhaufen  beschädigt  worden 
waren,  gemeldet  wuide. 

Lycog^es  (Anfang  des  IIL  Buches)  machte  in  der 
Nacht  einen  verzweifelten  Ueberfall  auf  das  Lager,  wel- 
cher aber  gänzlich  miszlang.  Lycogenes  selbst  ward  von 
Archombrotus  getödtet,  die  Flucht  seiner  Anliänger  ward 
allgemein.  Argenis,  welche  in  groszer  Unruhe  dem  Tref- 
fen zugesehen  hatte,  kam  in  das  Lager,  gl&nzende  Sieges- 
festlichkeiten fanden  statt,  die  Empfindungen  der  Bethei- 

liirten  w  aren  sehr  versclüedeue.  Argenis  kam  auf  deu.G^- 
®  V 


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—    36  — 


danken.  Archombrotus  zu  Poliarchus  zu  schicken,  ihre 
Annäherung  erregte  in  ihm  vergebliche  Hoffhungen,  iä 
Badirobanes  Eifermtcht.  Nachdem  Meleander  mit  Cleo- 
bnliis  ein  langes  Öesprfteh  darftber  gehabt,  irie  den  bür- 
jrerlichen  l'nruhen  in  Zukunft  V()raubeug:en  sei.  braclite 
Kadirobanes  seine  Werbung  um  Argenis  au.  Er  erhielt 
Ton  Meieander  und  Argenis  ausweichende  Antworten  und 
Terfid  darauf,  Seienisse  zu  bestechen.  Diese  erzählte  ihm 
die  Vorgeschichte  der  Prinzessin  und  ihres  Verhältnisses 
zu  Poliarchus.  Einst  war  eine  gallische  Prinzessin,  die 
sich  Theocrine  nannte  und  aus  ihrem  Yaterlaade  geflohen 
war,  zu  Seienisse  gekommen  und  hatte  sie  um  Unterkunft 
gebeten.  Sie  wurde  unter  die  Jungfrauen  der  Argenis, 
welche  damals  in  einem  testen  Schlosse  vor  den  verbi-e- 
cheriscben  Plänen  des  Lycogenes  bewacht  wurde,  aufge- 
nommen. Lycogenes  machte  bald  nachher  einen  besonders 
schlauen  und  kflhnen  Anschlag,  die  Prinzessin  sammt  ihrem 
Vater  in  seine  (lewalt  zu  l)ekommen.  Bei  dem  rebertalle 
that  Theociine  Wunder  der  Stärke  und  Tapfeikeit.  Bis 
hierher  erzählte  Selimsse  diesmal,  Argenis,  welche  das  Ge- 
spräch unterbrach,  merkte  wohl,  dasz  sie  verrathen  werde. 
Zugleich  aber  hatte  sie  die  Nachricht  erhalten,  dasz  Po- 
liarchus  da  sei.  Dieser  nändich  hatte  sich  durch  ein  küh- 
nes Mittel  vom  f'ieber  geheilt,  war  in  Sicilien  angekommen 
und  hatte,  nachdem  er  Gelanor  auf  Kundschaft  geschickt, 
im  Hause  des  Nicopompns  ein  As\  1  geftmden.  Hier  hörte 
er  aus  dem  Versteck  veiscliiedcne  Reden  der  geleluten 
und  weisen  Gäst^  .seines  i?'reundes  mit  an.  Den  nächsten 
Tag  kam  er  heimlich  mit  Argenis  zusammen,  und  die  Lie- 
benden schütteten  vor  einander  ihre  besorgten  Herzen  aus. 
Sie  muszten  sich  al)ei-  bald  wiedei'  trennen,  und  Pnliart  lius 
bBsgab.Mohsi  da  er  Ajgenis  nicht  heimlich  eutlühieu  wollte, 


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-  37  - 


wieder  m  wpa.  von  seiner  Heimatli  aus  als  König 

um  sie  sa  werben.  Sdepisse  er^sAhlte  dem  Badiirobaoes 
weiter,  d«8z  Tbeecrine  sich  jf^ach  Uiren  ^eldenthnten  der 

Argenis  nnd  ihr  als  Mann  entdeckt  habe  und  verschwunden 
sei.  um  bald  darauf  als  Poliarclms  wieder  aufzutreten, 
von  der  Identität  dieser  beiden  Personen  wuszten  nur 
Axgenis  und  Selenisse,  den  wahren  Namen  nnd  Stand  de» 
Poliarehns  aber  kannte  die  Prinzessin  allein.  Die  ver- 
scliwundene  Theoorine  wurde  Vdii  tleiii  Köiii^a^  und  seiner 
Umgebung  für  die  Pallas  gehalten.  Argenis  wurde  von 
dem  Könige  zur  Priesterin  dieser  Göttin  geweiht  Die 
ürheberschalt  des  Lycogenes  an  dem  Ueberfalle  kam  ans 
Licht,  aber  der  König  hatte  es  dennoch  unterlassen,  ihn 
zu  bestrafen  oder  unschädlicli  zu  machen.  Der  als  Ritter 
angetretene  Poliarehns  liatte  die  Gunst  des  Königs  schnell 
erworben  und  sich  mit  der  Prinzessin  heimlich  verlobt. 
Nachdem  Radirobanes  dies  alles  erfahren  hatte,  machte  er 
der  Argenis  einen  m^uen  Antrag,  ward  aber  nun  entschie- 
den abgewiesen,  Meieander  redete  seiner  Tochter  zwar 
zn  der  Heirath  mit  Radirobanes  za,  konnte  aber  nichts 
ansrichten  nnd  beschlosz,  sie  nicht  zn  zwingen.  Radiro- 
banes. (Ut  sicli  keineswegs  mit  der  gegen wäitijien  Lage 
zuU'iedeu  geben  wollte,  machte  zusannnen  mit  der  nun 
völlig  zur  Verräthenn  gewordenen  Seienisse  einen  Plan, 
Argenis  bei  Gelegenheit  eines  Festes  nnd  Feuerwerks  auf 
«einen  Schitfeu  zu  entfuhren.  Der  Kr»ni<i:  liatte  mit  I  bburanes 
lange  IJerathuugen  ül)er  die  \'erbessei  ung  des  Justiz weseiis. 
Währenddessen  wnrde  das  Fest  und  die  Verrätherei  vor- 
bereitet, aber  Archombrotus  entdeckte  dieselbe,  nnd  alles 
ward  glftcklidi  vereitelt, 

Radirobanes  (Anfang  des  ]\'.  Buches),  in  furchtbarer 
Wuth  hierüber,  entdecl^te  aus  Rache  dem  Könige  das  yo;i 


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—   38  — 


Selenisse  erfahrene  Geheimnisz.  Als  diese  Teniahm,  was 
sie  angerichtet  hatte,  entleibte  sie  sich  selbst,  Radirobanes 

seofelte  zoniiji:  ab.  J)vv  Kinii'?  Meieander  berietli  sich  aii- 
jresiclits  der  droheiidt  n  T.a<re  mit  Eurymedes  und  Duualbius 
über  die  Vor-  und  Nachtheile  stehender  Heere  und  ent- 
schied sich  dahin,  ein  mftszi^es  stehendes  Heer  einzurichten. 
Um  den  inunerwäliivndfn  rnrulieu  und  (let'aliren  die  Hanpt- 
ursache  zu  entziehen,  la;szte  er  den  JBeschlusz,  seiner  Toiliter 
den  Ardiombrotns  zum  Gemahle  zu  geben.  Argenis  bat, 
als  ihr  dies  mitgetheilt  wurde,  um  zwei  Monate  Bedenk- 
zeit und  pferieth  in  die  <rri)s!zt€  Verzweiflung».  Sie  schrieb 
einen  Brief  an  Polian  lius,  sie  werde  sieli,  falls  er  sie  nicht 
rette,  am  Ta^re  ihrer  Hodizeit  mit  Archombrotu^»  t<>dten. 
dann  solle  er  den  ihr  von  Badirobanes  angethanen  Schimpf 
rächen.  Diesen  Brief  erhielt  Arsidas  zur  Bestellung  und 
erfuhr  zn«rleich.  dasz  Poliaichus  in  (Jallien  zu  suchen  sei, 
wo  sich  sein  Reich  von  dem  Znsannnentiusse  des  llliodanus 
und  Arar  bis  zur  See  erstrecke.  Auf  der  Reise  dahin 
kam  er  zu  dem  Fortunatempel  in  Antiuro,  wo  er  auf 
Geheisz  der  Prinzessin  opferte.  Mit  den  Priesteni  führte 
er  interessante  (bespräche  über  den  tieferen  Siim  des  For- 
tunadienstes, setzte  seine  Reise  fort,  wurde  aber  unterwegs 
Ton  fremden  Kriegsschiffen  als  verdächtig  aufgehoben,  je- 
doch pnit  behandelt.  Der  Capitftn  des  Schiffes,  Gk)brias, 
saprte  ihm.  er  sei  ans  SUdfrankreich  und  schlosz  hieran 
eine  für  Arsidas.  wie  auch  für  den  Verlauf  des  ganzen 
Romanes  sehr  wichtige  Erzählung.  In  jenem  Lande  näm- 
lich herrschte  ein  kränklicher  und  unfähiger  König.  Die 
Köniprin.  Timan<lra  mit  Namen,  hatte  ihren  Snhn  Astiorist 
aus  Furcht  vor  dem  nach  dem  Throne  strebenden  C'ommin- 
dorix  heimlich  erziehen  lassen  und  an  seine  Stelle  ein 
Mädchen  untergeschoben.    Der  Knabe  wurde  von  den 


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—   39  — 

Allobrogern  geraubt,  aber  glücklicher  Weise  nach  eiüer 
Beihe  ym  Jahren  in  einem  Kriege  znfiülig  wiedergewonnen, 
nnd  es  war  ihm  während  sdner  unfreiwilligen  Entfernung 
aus  dem  Vaterlande  nicht  eben  zu  schlecht  ergangen,  na- 
mentlich hatte  er  von  dem  König  Aneroest,  in  deissen  Be- 
sitz er  lange  Zeit  gewesen,  eine  ausgezeichnete  Erziehung 
erhalten.  Als  Gommindorix  immer  deutlicher  mit  dem 
Plane  hervortrat,  den  König  gradezu  abzusetzen,  wurde 
Astiorist  von  seinen  Eltern  Ofientlich  als  8ohn  anerkannt 
und  tadtete  jenen,  der  ihm  bei  der  feierlichen  Anerken- 
niuij^scerenionie  gewaltthätig  entgegentrat.  Der  Prinz, 
mit  den  glänzendsten  Eigenschaften  des  (Geistes  wie  des 
Körpers  ausgestattet,  begab  sich  einige  Zeit  auf  Belsen, 
als  sein  Vater  aber  gestorben  nnd  das  Land  unruliig  ge- 
worden war,  kam  er  zurück.  .Jetzt  war  er  auf  einem 
Kriegszttge  begritfen.  Das  Gespräch  des  Arsidas  und  Go- 
brias  endigt  mit  der  Feststellung  der  von  Arsidas  ebenso- 
gut, wie  von  dem  geneigten  Leser  schon  geahnten  'i'hat- 
sache.  dasz  Poliarchus  nicht  blos  mit  Theocrine  sondern 
auch  mit  Astiorist  eine  und  dieselbe  Person  war.  Arsidas, 
welcher  wohl  errathen  konnte,  dasz  der  Kriegszug  Sieilien 
zum  Ziele  hatte  —  wie  er  auch  später  positiv  erfuhr  — 
hatte  jetzt  keinen  Grund  mehr,  die  Flotte,  bei  der  er  sich 
b^lhnd,  zu  yerlassen,  sie  wurde  aber,  ehe  sie  sich  mit  dem 
andern  Theile  der  Seemacht  des  Poliarchus,  wobei  sich 
dieser  selbst  befand,  vereinigen  konnte,  an  die  Küste  von 
AMca  in  der  N&he  von  Numidien  verschlagen.  Poliarchus 
gelangte,  ebenso  vom  Ungewitter  verschlagen,  auch  nach 
Africa,  aber  au  die  Küste  von  Mauretanien.  Die  Königin 
Hyanisbe  war  gerade  in  groszer  Besorgnisz,  weil  ihr  Kadi- 
robanes  von  Sardinien  plötzlich  nnd  ungerecht  Krieg  ange- 
sagt hatte  und  ihr  SohuHiempsal  immer  noch  unter  dem 


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—   40  — 


Nanen  ArdKMobrotus  —  was  wir  auch  sohoii  lange  hattm 
atanen  kfinnen  —  alnresend  war«  Sie  erluelt  emao  Brief,  ift 

welchem  er  ihr  seine  bevorstehende  Yerelielichung  nüt  Ar» 
geuiä  anzeigte,  antwortete  ihm  aber  sofort,  da^z  er  die  Verbin- 
dmng  mit  der  Pruusesam  aii£Mbiebeii  und  zum  Sohnlae  aeiiifla 
Vaterlandes  nach  Hanse  kommen  solHe.  Die  Nethwendig«- 
keit,  zum  Zwecke  der  Rüstungen  gegen  Radiruhanes  Steuern 
zu  erheben,  veranlaszten  ein  aosföhrlicbes  Gresprack  des  Poli- 
archos  mit  der  KOnigui  ftber  dae  Geldbewillignigsrecht 
des  Volkes,  welches  in  Mauretanien  bestand.  Während 
ein  1^'est  gefeiert  wurde,  gelaüg  es  dem  Radirobane^»,  iu 
Mauretanien  zu  landen,  den  andern  Tag  fand  eine  unent- 
schiedene Schlacht  statt,  nach  der  Radirobanes  in  der  all- 
gemeinen Verwirrung  unter  die  Feinde,  ja  sogar  in  die 
Stadt  Lixa  gerieth,  aus  der  er  sich  uui'  mit  äuszerster 
MQhe  und  Gefieihr  zu  retten  vermochte.  Den  nftchsten 
Tag  wollte  Hyanisbe  dem  Satnmus  einen  Knaben  nach 
der  Sitte  der  Maure tanier  für  den  Sieg  optern  lasseu, 
aber  Poliarehns  verhinderte  es  und  bekam  den  alten  Sitalces, 
welcher  sich  auf  der  fSsindlichen  Seite  nach  Art  des 
Kodrus  dem  Tode  zu  weihen  beabsichtigte,  durch  Verrath 
eines  Dieners  lebend  in  seine  Gewalt  Er  liesz  dies  dem 
Könige  sagen,  welcher  ihn  durch  einen  Schm&hbrief  voll 
der  boshaftesten  Anspielungen  auf  sein  Verliältnisz  zur 
Argeuis  in  grosze  AVuth  versetzt  Jiatte.  iJeu  Tag  darauf 
wurde  die  Schlacht  erneuert,  man  kftmpfte  auf  beiden 
Seiten  mit  der  fttrehterlichsten  Erbitterung,  Poliarchua 
jedocli  Uidtete  den  Radii  obanes  mit  eigner  Hand,  und  so 
wurden  die  Sardinier  völlig  geschlafen.  Poliarckus  er- 
krankte lebensgefährlich  an  seinen  Wunden,  znm  Glück 
zogen  die  Sardinier  eiligst  ab.  Ai-sidas  und  Gobrias 
trennten  sich  in  Kumidieu, .  ersteier  wollte  deu  ir^oliarcku;» 


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—   41  — 


kl  Aftiea  sueheii,  letstmr  mit  dm  Tbeil  der  Flotte»  den 

er  bei  sich  hatte,  nach  Sicilien  segeln,  um  den  KM^ 
dort  zu  erwartea.  Archombrotus  eröltuete  dem  Könige 
Jdeleeiider,  wer  er  wäre,  und  erhielt  von  ilim  eine  Flotte 
«nd  eil  Heer,  mn  fleiser  Mvtter  sn  Hfilfe  sa  kommen. 

^leleandei-  gab  ihm  den  Tiiuonides  als  Gesandten  mit.  um 
über  alles  genaue  und  geheime  JKachricliten  haben  zu 
können.  Wähvend  nnn  Anshombrotna,  von  Liebe  und  Misz^ 
tiauen  gequält,  nach  Africa  segelte,  kam  Gobrias  nach 
Sicilien  und  zu  Argeiiis,  welchei'  seine  Nachrichten  einige 
HoHämng  boten.  Sie  bewirkte  auch,  daaz  Qobriae,  der 
den  K4nige  ttb^  seine  Absicht  nicht  die  volle  Wahrheit 
SÄ<ren  konnte,  von  diesem  aiilgefordert  w  urde,  zum  Schutze 
bicilien«  dnige  Zeit  mit  seiner  Flotte  an  der  Küste  zu 
bleiben.  Arsidas  landete  inzwischen  an  verschiedenen 
Orten  der  africaiiischen  Küste,  endlich  hörte  er  von  des 
Poliai'chus  Ankuult,  Sieg  und  Krankheit.  Leider  verdarb 
er  sieh  an  Eis,  welches  ikm  ein  gastfreundlicher  Herr 
Torgeaetzt,  den  jVlagen,  and  wahrend  seiner  Krankheit 
stahl  einer  seiner  Leute  die  Tasche,  worin  er  den  Brief 
4er  Argenis  und  verschiedene  Kostbarkeiten  hatte»  floh 
zu  Poliarchns,  erzählte,  Arsidas  sei  anter  die  B&iü)er  ge- 
fallen und  lies«  sich,  den  Brief  als  Erkennung.szeichen  be- 
nutzend, ein  hohes  Lösegeld  auszahlen.  Kaum  hatte  er 
das  Weite  gesackt,  so  kam  Arsidas  an,  und  das  Buben- 
sifick  ward  aufgeklärt  Haid  erschien  nun  auch  Archom- 
brotus-Hieni]jsal,  un«l  der  stumme  Hasz,  mit  dem  er  und 
Poliarchuft  sich  begegneten,  brachte  alle  Betheiligten,  be- 
sonders  aber  Hyanisbe  in  die  gröszte  Unruhe.  Als  diese 
von  Timonides  den  Gmnd  der  Feindschaft  zwisclien  ihron 
fc>ohne  und  ihrem  Üetter  eriahrcn,  og  sie  beide,  Frieden 
m  halten,  bis  sie  den  König  Meieander  würden .  wiederge- 


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—    42  — 


sehen  haben.  Archomlnrottts  benutzte  die  ihm  dorch  des 
PoHarchns  Krankheit  anferlegte  Yensogerung  ihm*  beab- 
sichtigten gemeinschaftlichen  Heise  nacli  Siciiieu  zu  einem 
glücklichen  Eeldzuge  nach  Sardinien*  £r  hatte  interes- 
sante  ünterredongen  mit  den  bedlMiiszlosen  Priestern  des 
Jupitertenipels  daselbst  und  nahm  das  eroberte  Land  für 
seine  Mutler  in  Besitz.  Einer  der  von  ihm  mit  nach 
Africa  gebrachten  Priester  wurde  als  der  König  Aneroest 
erkannt,  welchem  Poliarchns  so  viel  verdankte.  Derselbe 
begründete  in  Janger  Rede,  warum  er  sich  aus  der  A\'elt 
zurückgezogen  habe.  Poliarchus  und  Archombrotus  fuhren 
nun,  nachdem  ersterer  seine  TöUige  G^undheit  wiederer- 
langt hatte,  mit  ihren  Flotten  und  als  Könige  auftretend 
nach  Öicilien,  Archombrotus  hatte  jenes  einst  von  seiner 
Jdutter  so  schmerzlich  vermiezte  und  von  Poliarchns  ge- 
rettete Kftstchen  bei  sich.  Als  er  dies  nebst  einem  Briefe 
von  Hyanisbe  nach  deren  Befehl  dem  Meieander  übergeben 
hatte,  kam  an  den  Tag,  dasz  Archombrotus  des  Meieander 
Sohn  von  der  Schwester  der  Hyanisbe  war.  Hierauf  ward 
Poliarchus  mit  Argenis  verheirathet,  Archombrotus  mit 
der  Schwester  des  Poliarchus  verlobt,  und  aUes  löste  sich 
zu  vollkommener  BeMedigung. 

Da  der  erste  Theil  der  Opitzischen  Argenis-Ueber- 
setzung,  wie  die  vorstehende  Inhaltsangabe  zeigt,  ein  durch- 
aus abgeschlossenes  und  wohlabgerundetes  Ganze,  der 
zweite  ein  besonderes  Werk  bildet,  das  an  Bedeutung  de» 
«rsten  durchaus  nicht  gleich  und  von  einem  anderen  Ver- 
fasser ist,  dürfen  wir  über  letzteren  hinweggehen.  *) 

*)  Zu  dem  Original,  weichet  In  latebüflcher  Sprache  hn  Tode^jabn 
lies  VerfaflMts  1021  enohten«  wurden  xwei  von  einander  veraoUe- 

dene  Fortsetzungen  geliefert,  die  eine  von  Mouchemberg  In  franiQ- 
sisclier  Sprache  (vergl.  die  Dedication  des  III.  Theilea  der  lateinischen 
Aufgabe  Francoftirtl  apnd  fratree  Anlnlos  et  Clementeai  Schleieh 


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Es  bedarf  dai'ül)ri-  keiner  lanj^en  Aoseinander- 
setzQug,  dasz  Barclays  Argenis  nicht  allein  ein  gutes  Buch 
flberhanpt»  sondern  auch  eincf  gute  Erzfthlung,  und,  tras  we- 
nigstens das  Schwierigste,  wenn  nicht  das  Wichtigste 
ist,  ein  auch  in  seinen  belehrenden  Theileu  ansprechender 
und  geschmackToUer  Roman  genannt  zu  werden  verdient. 
Sie  verdiente,  noch  jetzt  ebenso  wie  früherund  wie  Fenelons 
Telemach  der  Jugend  zur  Lectüie  in  die  liand  gegeben  zu 

162H— 27  III.  8.).  Diese  stellt  sich  als  zweiu-r  uivl  dritter  Theil  der 
Arj^enis  ilar.  Diesen  zweiten  und  dritten  Theil  (der  zweite  ist  d»  r 
Ht-nrit  tte  von  Bourhon,  K<>iiiLriii  V(»n  Eui^land,  ir»*widmet)  üherselzte 
.Ti'jianiit'S  Tjidnvicus  (-lotlKtlridiis  zu  ( )rt»'iil>arli  ins  Lateinische  und 
wiilniete  das  Wi  rk  seinen  Verleihern,  den  Aubri  un«l  Sehleieh  zu  Fninli- 
fnrt.  Dif  l  elMTsetzuni,'  des  zweiten  Th«'iles  des  Moueheniheri;  liisj;te 
*)pitz,  dl  r  aucli  d»  n  er^tfu  Tlieil  nach  fiin-r  französischen  l  »  liersetzunij 
verdeursciit»-,  diesem  ersten  Theile  bei,  und  dies  ist  der  zweite  Theil 
der  beiden  Ausi,Mben  der  Opitzisclieii  Ar^-eiiis  1)  Hresbui.  David  Müller 
I  löJO.'H.  II  1631.  8* 2)  Amsterdam  Johann  Janszon  ltil4.  12".  Die 
andere  Fortsetzuui;  Ii  it  der  bekannte  Mauriner  Hui;n<>t  lateinisch  ver- 
faszt,  dersejbr.  wehller  die  .\ iiiiu  rkun^-en  zu  dem  ersten  Theile  in  d»T 
»chlinen  Au^u^ibe  I.uirdiini  f?atav(innn  I  Uj64.  8  11  IHOtK  H*'  ircsclirieben 
hat,  wie  aus  der  Dedicatioii  seines  Werkes  uu  Ludwii^  XIV.  und 
»einer  Vorrede  an  den  Leser  (Bd.  II  d«-r  i,a*nannten  Au.sjj;.)  hervor- 
geht. Ob  dieses  Hui;n(»ts«-hc  Buch,  welches  sich  auch  als  II.  und  III. 
Theil  d»'r  Artreuis  bezeichnet  (Archombrotus  et  Tbenjuniipus  sive  Ar- 
genidis  secunda  et  terthi  pars,  nbl  de  institutiuiie  prlm  ipis),  und  der 
dritte  Theil  Mouchember^s  ins  Deutsidie  übersetzt  ist,  weisz  ich  ni«dit, 
da  ich  die  Au.stjabe  von  Talander  1701.  12  und  die  mit  ErkliiniiiLjen 
Aui^sburi,'-  1770.  8"  nicht  kenne.  Die  Verdeutschunj;  „von  dem  Ver- 
faj<8er  der  irrauen  Maupe**  (.1.  C.  L.  Haken)  Berlin  1794  enthält  nur 
»Uri  ursprüntf liehe  Barclay.'«ehe  Werk.  Es  «j^iebt  von  der  Arypenis  drei 
Uebersetzunj^en  in  das  Frauzrisische  und  einen  l'ranzösiac  hen  Auszu;.,^ 
eine  italienische  Uebersetzung  von  Fr.  Bona,  eine  spanische,  eine  Dra- 
matislrnnp  durch  Calderon  (obg-leich  Hadirobanes  Bhilipp  II.  vorstellen 
ioll),  drei  englische  Uehersetzungen  und  einen  Auszug  zum  I  nterrlcht 
dnes  Prinzen  in  lateinischer  Sprache.  (Vergl.  Niceron;  Nachrichten 
tte.  herausg.  von  S.  J.  Baumgarten,  XIII,  175  ff.  und  v.  Schaek 
Geich,  der  dram.  Lit.  i.  Sp.  III,  204.) 


-  H  - 


werden.  Freilich  musz  dem  Kenner  der  deutschen  Pros&dich- 
trag  des  XVJUu  Jabrhimderts  kierbei  die  Bttnerkiuig  lach-* 
tenbergs  eintaUen :  „Der  einzige  Fekler,  den  die  recht  guten 

Schriften  haben,  ist  der,  dasz  sie  gewohnlicli  die  Ui-sache 
von  sehr  vielen  schlechten  (»der  mittel mäszigen  sind.** 
wenn  aach  nicht  za  vergessen  ist,  dasz  die  heroisch-galanten 
Romane  der  französischen  Classiker  dieser  Gattong,  welche 
wir  im  vorigen  Capitel  betrachteten,  stark  aber  verderb- 
lich —  auch  ehe  sit;  übersetzt  wurden  —  auf  deu  Ge- 
schmack unserer  Landsleute  eingewirkt  hatten,  als  der  he- 
roisch-galante Roman  bei  uns  zur  Blüthe  gelangte.  Wir 
werden  noch  viel  Gelegenheit  finden,  zu  beobachten,  wie 
wenig  vortlieilhai't  sich  eben  die  charakteristischen  Kigen- 
thümlichkeiten.  welche  wir  in  der  Argenis  finden,  in  dem 
späteren  deutschen  Romane  entwickelten.  Zwei  Dinge 
sind  es  aber,  die  hauptsächlich  in  die  Augen  springen,  die 
Behandlung  der  in  Verkleidung  auftretenden  wirklichen 
Personen  und  die  der  lehrhaften  Elemente.  Bei  Harchiy 
sieht  man  deutlich,  wie  er  die  politisch  bedeutenden  Per- 
sonen und  Verhältnisse  seiner  Zeit  scharf  und  geistvoll 
anfgefaszt  und  in  freier  Gestaltung  das.  was  ihm  wichtig 
und  iiiteiessaut  erschien,  in  sein  Werk  aufgenonuueu  hat. 
Die  späteren  französischen  und  deutschen  Rouianschreiber 
hatten  aber  weder  sein  politisches  Urtheil.  welches  Uof- 
klatsch  und  Liebesgeschichten  der  grossen  Herren  von 
pi»litisclieii  Krei<inissen  zu  untersclieideii  w  uszte,  ]H»ch  über- 
haupt die  J^'ähigkeit,  das  Hedeutende  und  bleibend  Inter- 
essante von  dem  nur  Zufölligen  und  höchstens  allenfalls 
die  Gegenwart  Beschäftigenden  zu  trennen.  Aehnlich  ist 
das  Verhältiiisz  in  den  belebi  enden  Abschnitten.  Hau  Liy 
schaltet  eine  ganze  Menge  von  Gesprächen  über  die  ob- 
jectivsten  Dinge  ein,  aber  er  behandelt  nur  solche  Fragen» 


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—   46  — 


l^elcbe  seine  l^eitgenoBsen  mit  eiben  dem  ttecltt  und  ebenso 

lebhaft  interessirten ,  wie  die  Jl^tren  »eines  Romans,  er 
behandelt  sie  in  der  besten  \\  ei.se  i)o|)ulär  und  beschränkt 
sich  darin  grOeztentheils  auf  das  Gebiet  der  Staatsweisbeil. 
Jene  aber  bringen,  soweit  üire  gelehrte  Bildung  dies  ge* 
stattet,  alles  Mögliche  ohne  Auswahl  und  Ueberlegung, 
ob  es  nach  Inhalt,  Ort,  Zeit,  Umständen  passend  sei,  mit 
Vorliebe  gelehrten  Kram  der  langweiligsten  nnd  werth- 
losesten Art.  zu  Markte.  Daher  kommt  es  auch,  dasz  M  ir 
z.  B.  bei  Zesen  und  Loheustein  überall  an  den  kritiklosen, 
den  Stoff  nicht  geistig  durchdringenden  Charakter,  die  Vor- 
nrtheile  nnd  ünvollkommenheit  der  damaligen  Wissenschalt 
erinnert  weiden,  während  Barelays  lelirbaftc  Aust'iilirungen 
entweder  noch  jetzt  allgemeine  Bedeutung  beanspruchen 
können,  oder  doch  als  geschmackvoUer  nnd  klarer  Ansdmck 
der  zu  seiner  Zeit  maszorebenden  Ansichten  und  Zustände 
unsere  Aufmerksamkeit  eiregen. 

Beim  Erscheinen  der  Opitzischen  Argenis  kam  alles 
zusammen,  was  dem  Buche  einen  guten  IBrfblg  sichern 
konnte,  der  Ruhm,  den  das  Original  bereits  hatte,  der 
gute  ^'ame  des  l^ebersetzers,  der  wirkliche  Werth  des 
Buches  nnd  seine  Uebereinstimmnng  mit  dem  Zeitgeschmack, 
der  die  nöthige  Gelehrsamkeit  darin  finden  und  auch 
bei  den  Personen  und  Ereignissen  rathen  und  erratheu 
konnte,  was  gemeint  sei.  Dasz  solche  Erklärungsversuche 
in  pedantischer,  den  Geeist  und  Geschmack  des  Verfassers 
verkeiiuender  Weise  geschahen,  brauclit  kaum  gesagt  zu 
werden,  ein  Blick  in  die  vorhandenen  Sclilüäsel  bestätigt 
das  von  Dnnlop  hierüber  Gesagte  vollkommen.  Anch 
andere  Requisiten  des  heroisch-galanten  Romans  des  XVII. 
Jalii'hunderts  Huden  wir  in  der  Argenis  schon  vertreten,  wie 
die  konstvoUe  Verschlingnng  der  Erzählung,  Neigung  zu 


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—  i6 


Beschreibungen  von  Festlichkeiten  u.  aber  alles  mit 
Masz  und  Geäclück  vorgebracht,  ^\enn  luich  nicht  immer 
80,  dasz  es  unserem  G^lunacke  doreihaas  entspräche.  Dasz 
gerade  Opitz  der  Verdentscher  dieses  Werkes  wnrde,  darf 
wenigstens  insofern  als  kein  bloszer  Zufall  bezt-iclinet 
werden,  als  in  der  That  eine  autfallende  Geistesverwandt» 
Schaft  zwischen  dem  Yerfiasaer  and  dem  Uebersetzer  herrscht 
Barclays  Stftrke  als  Schriftsteller  liegt  wie  die  des  Opitz 
in  dem  durch  gelehrte  und  AVeltbildunjr  verfeinerten  Ge- 
schmacke.  in  der  Fülle  der  Erfahrung  und  klai'em  Blicke 
in  menschliche  yerhälUnsse,  in  der  Correctheit  des  Den- 
kens nnd  des  Aosdmckes,  Schwang  and  poetische  Schöpfer- 
kraft. Tiefsiun  und  gewaltigt*  Ideen  gehen  btMdfU  ab. 
Barclay  steht  allei-dings  an  Klaiheit  und  \\'eite  des  ganzen 
geistigen  Umbiickes  weit  aber  Opitz ,  der  klarste  Beweis 
seiner  Bedentang  als  politischer  Schriftsteller  liegt  in  der 
ThaUsache.  dasz  sich  seine  Ideale  vom  Staatsleben  Zug 
tür  Zug  in  der  Regierung  und  der  Pei'sönlichkeit  Ludwige 
XIV.  glänzend  verwirklicht  haben,  and  die  überaas  grosze 
Bewanderang  der  Zeitgenossen  hat  sich  in  der  allerdings  ko- 
misch übertreibenden  Anekdote  ausgedrückt,  dasz  Hichelien 
ans  der  Argenis  seine  Staate  Weisheit  geschöpft  habe.  Alan 
mag  jetzt  über  den  Al^erth,  die  innere  Berechtigang 
and  die  Daaerhafügkeit  solcher  politischen  Formen  denken 
wie  man  will,  jedenfalls  macht  es  einen  äuszei'st  wohl- 
thuenden  i^Uudruck,  wenn  man  sieht,  wie  gut  der  Mann 
sich  selbst  verstanden,  wie  gnt  er  sich  alles  ftberlegt 
hat,  wie  er  die  absolatistische  Staatsform  vorzieht,  weü 
sie  ihm  die  nützlichste  zu  sein  scheint,  und  nicht  aus 
Gründen,  welche  anszerhalb  der  Sache  liegen  und  die 
Sache  von  jeher  nur  haben  verdächtig  machen  kOnnen. 
Aber  Opitz  war,  so  weit  Barchiy  aach  an  Qesinnan^  Uber 


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-    47  — 


ihm  gestanden  haben  mag.  anter  den  in  deutscher  Sprache 
literarisch  thätigen  Deutschen  jener  Zeit  derjeiuge,  welcher 
eine  geistige  Arbeit,  lyie  die  Bardays  war,  am  besten  zu 
würdigen  wnsEte,  vnd  ebenso  mnsz  man  sagen,  dass  seine 
ArjreDisverdeiitschung  von  allen  unserer  Literatur  aus  der 
Fremde  her  angeeigneten  Uuterhaltungsschhften  diejenige  ist^ 
durch  welche  die  Deutschen  am  wenigsten  auf  fiüsche  Wege 
sind  geleitet  worden,  die  ihr  gezollte  Anerkennung  kam  ihr 
mit  Kecht  zu,  ilu*  Einflusz  auf  die  deutsche  Prosadichtung 
war  ein  ebenso  wohlbegrftndeter  wie  bedeutender  —  wftre 
er  noch  gritozer  und  nach  manchen  Seiten  hin  mehr  aus- 
schlieszend  gewesen,  es  wären  unserer  Literatur  manche 
groszartige  und  monumentale  Dummheiten  erspart  worden. 
Wenn  auch  viel  von  dem  Lobe,  welches  der  Arg^is  ge- 
spendet wurde,  in  einer  Zeit,  wo  man  unschwer  durch 
gute  Freunde  ,.ein  anderer  Homer  und  Maro^  werden 
konnte,  'nicht  sehr  hoch  anzuschlagen  sein  mag,  so  hat 
sie  doch  auch  bei  Männern  von  Bedeutung  und  selbst- 
ständigem l'rtheil  Beifiill  gefunden.  V)  Der  genaue  Zu- 
sammenhang, ihres  Uterarischen  Charakters  mit  dem  des 
beroisch-galanten  Romans  des  XVII.  Jahrhunderts  wird 
in  der  Folge  noch  weit  mehr  zu  Tage  treten,  als  bisher 
angedeutet  wurde.  Ohne  Bedenken  aber  kann  man  die 
deutsche  Argenis  den  Bemühungen  Opitzens  um  die  deutsche 
Tragödie  durch  seine  Antigene  und  Trojanerinnen  an  die 
Seite  stellen,  und  wenn  wir  uns  seiner  Verbesserung  der 
deutschen  Arcadia  erinnern  und   noch  seine  Schäferei 


*)  Flemings  Margeiiis  und  des  Andreas  Gryphins  Euebta  sbid 
swMT  nkkt  m  Stande  gekommen^  weiden  aber  Ton  Qerrfnns  (IIL  503.) 
alt  Reeht  auf  die  Anregung  der  Argenis  sarfickgefllirt^  wenn  auch 
GryphiiM  sieh  lonichst  dnrefa  RIcfateis  Ariana  angeregt  lelgt  Sehet* 
teUoB  lobt  Opitaens  Yerdentsehnng  In  der  Ausf.  A.  S.  ISOS  u.  welterhlm 


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—    48  — 


Ttm  der  Nymphe  Herdnie  ^)  «rwälmeii  —  in  der  fieiM 
das  ei-zahlende  Moment  fost  verseliwindet  * —  so  wird 

War,  dasz  sich  unsere  in  ihrer  Art  classischen  Roman- 
Schreiber  des  XVII.  Jahrhunderts  ebensogut  auf  den  Vor- 
gang des  Meisters  bemlen  konnten  wie  die  Gryfhias  ind 
Lohenstein  mit  ihren  Tragödien.  Ja  sogar  die  Theilung 
des  Kunstronians  in  die  heroisch-pralante  und  die  past(»rale 
Art  ^)  liegt  schon  iä  Opitzens  Thätigkeit  fftr  nnsere  Gat- 

^)  ciiet0t:  (Mnidkt  nun  Btleg  (bei  AngasttaiM  Grimfer),  Ja 
yerlegvng  D«?id  JCOUer  Baohhftndlen  in  Brepslaw  16S0.  4..  Die 
•Jahreszahl  1622  (Goedeke  Gnindr.  443)  konnte  leicht  durch  Tenehea 
ans  der  Unterschrift  der  Vorrede  «61atz  /  an  auszgange  des  1999 
Jalires*  entstehen.  "Wledeiigiidnickt  wnrde  die  H.  In  der  Saauaelr 
ansgabe  Ton  1644»  dann  in  der  FeligibelsGfaen  Ton  1690.  Bodner 
und  Breitinger  legen  den  ältesten  Text  an  Gnmde,  bessern  aber  die 
Orthographie  anch  sdion  anf  dem  Titel,  welcher  in  der  mir  vorliege&- 
den  Ausg.  Ton  1680  lautet:  Kartiu  Opitsen  Sefatlfor^  Von  der 
Ntanli«  Henrinie. 

*)  Eine  SteUe  ans  Bhidiens  Teutschtr  Rede-,  Bhid-  nnd  Didit- 
Eonst,  Nfimberg  1679  (XI.  Cap.  S.  308  ff.)  spricht  die  nahe  Beziehong 
des  heroisch-galanten  zum  schftfierlichen  Romane  mehrüiMh  an».  Da 
sie  Ar  uns  noch  m  anderer  Bedehnng  Ton  Interesse  - ist  und  noch 
einige  Uate  auf  sie  wird  Besag  an  nehmen  sein,  mag  sie  hier  ihm 
Platz  finden.  «In  die  an4ere  Gattung  (yorher  war  Ton  den  Carmina 
saecularia  und  den  Panegyrlei  die  Rede)  Roleber  Gedichte,  die  die 
Rede  mit  Gebinden  mingen,  gehören  die  neuen  Ciesehkfat  Gedichte, 
welche  ingemein  Romaasi  oder  Romains  genennt  werden.  Solefae  sind 
die  Arcadia  des  Ritters  Sidney,  die  Bbxymena  des  Ritters  Biondi,  die 
Argenis  BarclaQ,  die  Arlana,  die  Diana,  welche  aus  dem  Englischen, 
Italischen,  Latefniachon  (liezieht  sich  auf  Argenis  \in<\  ut  nngenaaX 
FranzOsiftclien  nnd  Hinpanischen  q-etewtsrhct  worden.  Die  können  wol 
gleichen,  die  Teutsche  Selbst  Eiiindungen  (eine  sehr  falsche  Bezeich- 
nun<r)  zweyer  Kriegs-Helden  /  als  H.  Obristt  ns  vom  Werder  und  H. 
Obrist  Hagendorns  die  Dianna  und  drr  Aeiqnan  betitelt:  worbei  wol 
zn  betranren,  das  die  übrii^o  Theile  von  dem  letztem  seither  «urii(  ke 
geblieben.  Aber  allen  diesen  tritt  weit  vor,  die  unveru'leirhiiclie 
Aramena,  eine  Wnndergeburt  eines  Dnrchlinolitigsten  T«'nt<«hen 
Helden,  welche  iu  Känge  und  Mftngung  der  Gesciüchten,  und  deren 


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—   49  — 


tnng  begründet  Durch  die  Argenis  war  der  Hinweis  auf 

jene,  durch  die  Arcadia  und  Heriinie  auf  diese  ge- 
geben, und  zugleich  war  dai*ch  beide  Bücher  die  üichtung 
auf  diejenigen  Vorbilder  entschieden  eingeschlagen,  an  die 
man  sieh  später  hei  eigenen  Erzeu<^niissen  gehalten 
hat.  Was  sonst  in  dem  dritten  und  vierten  Jahrzehnt 
des  XVn.  Jahrhunderts  aus  dem  J<>auzüsischen  an  Unter- 
haltangsliteratur  herttbergeholt  wurde,  ist  von  untergeord- 
neter Bedeutung.  Wir  begnügen  uns  daher,  das  Theatrum 
amoris,  *)  welches  vier  aus  dem  FranziKsischeii  übersetzte 
Erzählungen  brachte,  nur  zu  nennen,  und  auch  Wolfgang 
Seidels  Lieb-,  1?ugend-  und  .Ehrenspiegel^)  mit  zwei  Er- 
sfthlnngen,  von  der  groszmüthigen  Clorinde  und  von  der 
liebseeligen  Phoenicia  (nach  Belleforest) ,  sowie  Öchssen- 
bachs  Verdeutschung  von  Andreas  du  Kyers  Gulistan') 
können  weitere  Aufinerksamkeit  nicht  beanspruchen.  Der 
Nachfolger  des  Opitz  in  der  Pflege  des  deutschen  Romans 
wai-d  Zesen,  und  dessen  eigene  Erzeugnisse  stehen  zeit- 
lich wie  der  Sache  nach  in  der  engsten  Verbindung  mit 
seiner  Uebersetzerth&tigkeit  In  die  Zeit  seines  Auftretens 

Wieder-entwikkelunj?,  alle  »lerp^leiclien  Schriften,  auch  die  Sf)f(>uisbe, 
hinter  sich  lasset:  deren  auch  nun  Octavia  {treislich  nachtuli,'-ct.  Dasz 
die  Schäferj^edichte  dieserlei  Schriften  verwandt  seyen,  erhellet,  weil 
sie  mit  denselben  ^ewönlich  vemiäntjet  werden.  Also  tindet  man,  im 
letzten  Theil  der  Aramena,  die  ^lesoputaniische  Schäfere  nnd  Schäfe- 
rinneu, in  der  Arcadia  die  Diana  und  ihre  Hirtcii-( Gesellschaft,  im 
Amadis  die  Silvia  mit  dem  Darinel :  gleichwie  hinireijen  die  Diana  ein 
Schäfer^jredicht  ist,  und  gleichwohl  von  vielen  Helden  (ieschichten 
redet.  ITnter  die  Helden-  und  Hirten  (ledichte  gehören  auch,  meine 
Frled-erfreute  Teutouie,  der  Ostliindische  Lorbeerhain  und  die  Guelfis: 
a»  in  welchen  allen  die  Hirten,  und  zwar  meist  von  Helden,  reden.* 

*)  Fruikf.  1696—31.  IV.  8P.  —  ebenda  1644.  IV.  0». 

^  Cobnig  1637.  12». 

^  Tabtaigen  1686.  Vergl.  die  HoUandsche  Anagabe  d.  B.  dar 
Beisp.  Blbl.  des  Lft  Ver.  in  Stnttgait.  Bd.  LVL  S.  95& 

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—   60  — 


and  bald  nachher  fallen  anch  die  Uebersetzungen  anderer 

aus  fremden  Sprachen,  welche  zur  Entwickelung  des  he- 
roisch-galanten Kunstromans  in  Deutschland  beitrugen. 

Wir  wenden  uns  nun  diesem  und  seinem  Anhängsel,  dem 
Schftferroman,  attssdilieszlich  zu,  indem  wir  alles,  was 
einem  andern  Geschmacke  entisprach,  selbständige  Er- 
scheinungen der  deutschen  Literatur  wie  Uebersetzungen, 
vor  der  Hand  zarAckschieben,  um  sie  mit  der  sdiriftstelle- 
rischen  Thätigkeit  Grimmeishansens,  bei  dem  wir  an  das 
vorliegende  Capitel  wieder  werden  anzuknüpfen  haben,  in 
Verbindung  zu  bringen.  Denn  durch  Opitzens  Wirksam- 
keit ward  die  Trennung  in  eine  nach  der  Zeitansicht  vor- 
nehmere und  in  eine  geringere  Literatur  Thatsache,  in 
weUher  Trenniui.2:  sich  bei  unserer  Gattung  der  Gegensatz 
des  vom  Auslände  Abh&ngigen  und  des  Volksthumlichen 
forterhielt. 


A 

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Zehntes  Capitel. 


Die  Sntwickelimg  des  Kunstromaxui  in  Deatscbland  Tom  Auf- 
treten Zesens  bis  auf  Anton  Ulrich  von  Braunschweig. 

Der  Ruhm,  den  heroiscli-galaiiten  Roman  als  Gattung 
(le^i  deutschen  Nationaliiteratur  bei  uns  eingebürgert  zu 
haben,  gebührt  ohne  Zweifel  zom  gröszten  Theile  Philipp 
von  Zesen,  so  dasz  er  mit  seinen  an  Zahl  nnd  Ausdehnung 
unveräclitlichen  AVerken  hier  jedenfalls  den  ersten  Platz 
verdient  Auszerdem  können  noch  andere  Gründe  dafür 
geltend  gemacht  werden,  die  seine  Stellung  zu  dem  Ent- 
wickelungsgange  unseres  heroiscli-galanten  Romans  sogleich 
nach  ihrer  Besonderheit  in  verschiedener  AVeise  andeuten. 
Einestheils  n&mlich  knüpft  Zesen  von  allen  deutschen  Ko* 
manschreibem  am  unmittelbarsten  an  die  im  achten  Capitel 
besprochenen  französischen  A\'erke  an,  indem  er  seine  Thä- 
tigkeit  mit  drei  Verdeutschungen  französischer  Romane 
beginnt,  anderentheils  erscheint  er  in  seiner  adriatischen 
Rosemund,  welche  zugleich  mit  jenen  verfaszt  wurde,  als 
selbständigster  Vertreter  der  Gattung  und  als  einer,  der 
einen  Anlauf  zu  etwas  anderem  und  unbedingt  besserem 
nimmt,  so  dasz  wir  grade  an  ihm  sehen,  wie  damals  der 
deutsche  Kunstroman  sich  not  h  gleichsam  bedachte,  ob  er 
in  das  heroisch-galante  f'ahrwasser  voll  einlenken  sollte. 
Hierzu  kommt  dann  noch,  dasz  seine  Assenat  und  sein 

4» 


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—    62  — 


Simson  beide  auch  noch  in  einer  verhältniszmäszig  bedeu- 
tenden Unabhängigkeit  von  den  französischen  Romanen  sich 
halten,  wenn  man  mit  ihnen  die  Erzengnisse  der  Bnchholtz, 
Auton  Ulrich  von  Braunschweig,  Lobeusteiu  und  Ziegiei',  ja 
anch  die  heroisch-galanten  Bomane,  die  Grimmelshausen  Tor 
seinen  Simplicianischen  Schriften  yerOffentlichte,  Tergleicht» 
und  (lasz  sie  beide,  obwohl  von  einander  sehr  verschieden, 
oder  vielleicht  auch  grade,  weil  sie  so  verschieden  sind, 
das  Unfertige  sowohl  in  der  Bichtung  der  poetischen  Gat- 
tung als  anch  in  der  des  Dichters  selber  mdir,  als  uns 
angenehm  i:st,  an  sich  aufweisen. 

Denn  so  nothwendig  es  ist»  uns  von  Zesens  schiift- 
gtellerischer  Individualität  Oberhaupt  an  dieser  Stelle  ein 
Bild  zu  machen ,  so  schwierig  ist  die  Saclie  auch.  Sowie  er 
uns  bald  als  Philipp  von  Zesen,  bald  als  Cäaius,  bald  als  der 
blaue  Bitter,  bald  als  BitterhoM  von  Blauen,  bald  als  ans 
Ftkrstenau ,  bald  als  ans  Priorau  gebürtig  entgegentritt,  so  hat 
es  ihm  beliebt,  sich  bald  von  der,  bald  von  dieser,  bald  von 
einer  dritten  Seite  seines  Wesens  in  seinen  Schriften  sehen  zu 
lassen,  und  man  kann  nicht  sagen,  dasz  diese  verschiedenen 
Formen,  die  er  annimmt,  immer  gut  oder  nur  leidlich  zu 
einander  stimmten.  Ei*  zeigt  sich  in  nichts  recht  cousequent, 
als  im  Abspringen  von  dem  eingeschlagenen  Wege,  aus- 
dauernd nur  im  Immerwiederaafiingen,  jetzt  pedantisch, 
dann  genial,  jetzt  als  gelehiler  Dichter,  dann  als  phan- 
tastischer Philologe.  Hört  man  ihn  an  einer  Stelle  ganz 
gesnnde  Ansichten  flbtf  Stil  und  Satzban  aussprechen,  so 
ubena.^cht  er  einen  gleich  darauf  durch  die  sonderbai-steu 
Einfalle,  freut  man  sich,  in  seinen  theoretischen  Scluiften 
Ergebnisse  feiner  und  denkender  Beobachtung  zu  finden, 
so  bringt  er  in  denselben  anch  ebensoviele  Schiefheiten  zu 
Tage,  die  sich  keineswegs  alle  auf  den  noch  kindlichen 


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—   *8  — 

Einstand  4er  Wisaensdialt  seker  Zdt  rarMcAluM  Iftssen, 
sondern,  aaeh  mit  dem  Maszstabe  des  XVII.  Jalnhunderts 
gemeasan»  weiter  uichts  ate  eijia  arge  jpläditigkeU 
oienteraiy  und  den  ilm  tob  seinen  OegBeim  beige- 
legten Spottnamett  Saaaewind  ala  nieht  nngereclitfertigl 
erscheinen  lassen.  Bei  alledem  tritt  doch  uuu  aber  eine  That- 
sache  deutlich  hervor  und  bietet  eine  JEandhabe,  in  das 
geistige  Wesen  des  s<mderbaren  Mannes  und  dadurch  eini- 
gemaszen  ancb  in  seine  Beziehungen  zu  seiner  Zeit  einzn* 
dringen.  Nur  Oberflächlichkeit  oder  Voreinprenommenheit 
kann  es  verkennen,  dasz  wii*  es  in  Zeseu  mit  einem  Manne 
von  ungemein  vielseitiger  geistiger  Begabung  nnd  von  noch 
stannenswertherer  geistiger  Springkraft  und  Beweglichkeit 
zu  thun  haben.  Solche  Naturen  pflegen  in  Zeiten,  wo  be- 
deutende und  gewaltige  Au%aben  an  bedeutende  Menächen 
bestimmt  und  klar  herantreten,  grosze  und  entsdieidende 
Bollen  zn  spielen  ^  fehlen  diese  Aufgaben  aber,  so  bleibt 
ihnen  nichts  übri«?,  als  entweder  ihrer  Zeit  weit  voraus- 
zueilen und,  so  zu  sagen,  die  en»t  unbestimmt  nahenden 
Aufgaben  der  Zukunft  v<Mrausnehmend  zu  ergreifen  und 
sie,  von  den  Zeitgenossen  unverstanden  und  ungerUhmt,  zu 
lösen,  oder  aber  sich  in  Polyhistorie  und  Vielthätijrkeit  zu 
aerspilittem.  Was  von  beiden  geschieht,  das  hängt  davon 
ab,  ob  m  genialer  Mann  neben  her  Grösze  des  Geistes 
die  GrOsze  des  Charakters  oder  vie]lei<^t  auch  die  Buha 
des  Gemüt hes  besitzt,  als  unerkannter  oder  misz verstan- 
dener Weiaer,  als  einsamer  Forscher  und  Denker  sein 
LeJyen  zu  voUendoi«  Dann  muas  ihm  ^ne  Eigensohaft 
fehlen,  die  sonst  die  Menschen  zu  den  gröszten  und  zu 
den  kleinsten  Handlungen  treibt,  der  Elugeiz  oder  die 
Bitolkeit.  ]Siun  ist  als  zweite  sichere  Thateache  in  Zeseas 
Daaein  undFenon  abeo  nicht  zu  vedusunen,  daaz  «r  einsr 


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—    B4  — 


der  ehrgeizigsteii,  Ja  nAnisch  eitdsten  MeDSchen  gewesen 

ist,  welche  unser  Volk  hervorgebracht  hat,  dasz  es  ihm 
geradezu  unmöglich  war,  den  Beifall  und  die  Bewunderung 
eeiiier  Zeitgenossen  za  entbehren.  Dadurch  geschah  es, 
dasz  ihm  seine  bedeutende  nnd  vielseitige  geistige  Bega- 
hnng  zugleich  vortheilhaft  und  gefährlich  wurde,  ja  ^\ir 
können  auch  noch  einen  weiteren  Contrast  aufstellen,  der 
ihn  zugleich  za  einer  in  seinem  Zeitalter  vereinzelt  da- 
stehenden Erscheinung  nnd  wiederum  zu  einem  echtea 
Sohne  seiner  Zeit  machte.  Es  niiiszte  ihm  die  ^-öszte 
Befriedigung  gewähren,  dasz  seine  die  manichfaltigsten 
Gebiete  ber&hrende  schriftstellerische  Thätigkeit  ttberall 
Anerkennung  fand  oder  doch  wenigstens  Aufsehen  erregte, 
während  ihn  dei-  unruhige  Drang,  sich  in  immer  neuen 
Dingen  und  anderen  Eichtimgen  als  nach  dem  Maszstal)e 
seiner  Zeit  tüchtigen  Gelehrten  und  erfindungsreichen 
Dichter  zu  beweisen,  einer  Zersplitterung  zuführte,  welche 
wir  grade  hei  ihm,  der  bei  gröszeier  Concentiation  viel 
Bedeutenderes  hätte  leisten  können,  mehr  bedauern  müssen 
als  bei  irgend  einem  seiner  Zeitgenossen.  Und  femer, 
Philipp  von  Zesen  war  durch  die  Tiefe  seiner  geistigen 
Begal)uiig  von  vornherein  \iel  zu  sehr  zur  Selbständigkeit 
bestimiut,  als  dasz  es  ihm  möglich  gewesen  wäre,  ganz  in 
den  ausgetretenen  Geleisen  der  geistigen  Wege  seiner  Zeit 
zu  bleiben,  sich  einer  aurea  mediocritas  zu  befleiszigen  und 
die  Poesie  zumal  nur  als  anständige  und  vornehme  Ne- 
benbeschäftigung zu  treiben  —  denn  das  war  eben  die 
Poesie  des  XVII.  Jahrhunderts  durchaus.  Zesen  steht 
schon  als  Dichter  und  Schriftsteller  von  Fach  in  seiner 
Zeit  isolirt  da,  eist  hundert  Jahre  später  war  es  einem 
Klopstock  möglich,  eine  solche  Kolle  mit  Glanz  zu  £nde 
zu  spielen,  das  XVII.  Jahrhundert  betrachtete  einen 


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—   6B  — 


M«m,  der  die  Poesie  zn  seinem  Lebensbernfe  machte, 

nicht  viel  anders  als  wie  wir  einen  Briefmarkensammler 
oder  Schlittschahvirtuosen  ansehen  würdeui  der  eben  nichts 
weiter  als  dies  wäre.  Die  Ungerechtigkeit  einer  solchen 
Beurtheilung  muszte  dem  feinsinnigen,  lebhaften  und  em- 
pfindlichen Manne  einleuchten  und  ihn  zugleich  empören, 
und  so  entstand  ein  gewisser  Trotz  in  ihm,  der  dorch 
entschiedene  Anhänger  nnd  Bewunderer  —  denn  Zesen 
hat  zwar  keine  Schule  gebildet,  aber  doch  viele  begeisterte 
Verehrer  geliabt  —  noch  genährt  ward.  Seine  Anhänger 
nnd  Nachtreter  aber  konnten,  da  sie  von  sehr  untergeord- 
neter Art  waren,  und  keiner  der  hervorragenden  und  masz- 
gebendeu  fcJciirütsteller  zu  ihm  hielt,  seine  Eitelkeit  nicht 
beMedigen,  nnd  so  trotzte  er  wohl  seinem  Zeitalter  durch 
allerhand  Eigensinn  nnd  Schmllen,  zeigte  sich  aber  ande* 
rei-seits  wieder  als  den  gehorsamen  Diener  aller  geistigen 
Modethorheiten,  der  Curiosität,  Polyhistorie  und  Sammel- 
wuth,  die  damals  an  allen  Punkten,  wo  sich  in  Deutsch- 
land in  der  bedrängten  und  schrecklichen  Zeit  geistiges 
Leben  zeigte,  ins  Kraut  schosz.  Ich  musz  aus  nahelie- 
genden Gründen  darauf  verzichten,  die  Besonderheiten 
und  Absonderlichkeiten  Zesens  durch  Einzelheiten  aus 
seinen  Schriften  ausführliclier  anscliaulicli  zu  machen,  wer 
aber  auszer  seinen  Bomanen  auch  nur  seinen  hochdeutschen 
Helikon  nnd  etwa  noch  den  Bosenmftnd  mit  einiger  Auf- 
merksanikeit  durchzulesen  sich  die  Mühe  nehmen  will,  wird 
liir  das  Gesagte  eine  Menge  Belege  sammeln  können. 
Ingleichen  ist  aus  anderen  Gründen  darauf  zn  verzichten, 
Zesens  bewegte  und  seinen  geistigen  Bestrebungen  ent- 
sprechende Lebensführung  hier  zu  seinen  ]\1  einungen  und  Lieb- 
lingseinfiülen  in  ursachliche  Beziehung  zu  setzen,  denn  noch 
fehlt  uns  —  und  das  ist  eine  hOchst  empfindliche  Lücke  der 


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—    66  — 


Wissenschaft  —  eine  Monographie  über  den  höchst  ia- 
teressanten  Mamü,  eine  Arbeit,  deren  Schwierigkeit  Ton 

coiupetenten  Forsclierii  richti<2:  geschätzt  worden  ist  und 
zu  deren  Vorbereituiiti:  allein  ein  jahrelanges  Suchen 
nach  Material  und  ein  Sichten  des  Stoffes,  dessen  Werth 
die  Schwierigkeit  seiner  Herbeischaffhng  wohl  oft  sehr 
wenip:  loliueii  würde,  nijthig  wäre.  Daher  müssen  wir 
uns  hier  auf  das  beschränken,  was  uns  aus  seinen  Komanen 
an  charakteristischen  Einzelheiten  entgegentreten  wird, 
und  dessen  ist  eher  zu  viel  als  zu  wenig,  auch  schon  hieraus 
wird  sich  viel  leichter  ein  anschauliches  und  zum  Theil 
grelles  als  ein  übersichtliches  Bild  herstellen  lassen. 

Rasch  nach  einander  trat  Zesen  mit  vier  Bomanen, 
Lysander  und  Kaliste,  Ibrahim,  der  adriatischen  Rosemund 
und  Sofonisbe  aui,  denn  der  erste  erschien  1644,  die  beiden 
folgenden  1645,  und  zwar  ist  der  Ibrahim  als  der  ältere 
zu  beirachten.  da  seine  Dedication  an  die  fruchtbringende 
Gesellschaft  am  1.  December  1644,  die  der  Kosemuud  am 
30.  Juni  1645  unterzeichnet  ist  Die  Sofonisbe  erschien 
1646.  Wir  betrachten  die  drei  aus  der  französischen  Li- 
teratur entlehnten  Komane  zuerst.  Lvsander  und  Kaliste 
hat  D'Audiguiers  zuerst  1606  zu  Paiis  erschienenen  Ko- 
man  zur  Vorlage,  der  zur  Zeit  Heinrichs  IV.  spielt  Nach 
der  ,.Auf-traags-schrift  an  die  uberirdische  Rosemund",  un- 
terzeichnet „der  Blaue  Ritter",  werden  die  Geschicke  wirk- 
licher Personen  erzählt,  und  Zesen  unterläszt  nicht,  dies 
zur  Abwehr  des  Vorwurfs,  als  tra^e  er  nur  Erdichtetes 
vor,  entschieden  geltend  zu  machen.  Das  Hauptmotiv  der 
Erzählung  ist  dasselbe  wie  im  alten  Galmy,  denn  Lysander 
Terliebt  sich  in  Kaliste,  während  sie  glücklich  an  Oleander 
yerheiratliet  ist.  aber  die  Reinheit  des  Verhältnisse.s  ist 
nicht  so.  durch^eliUu't  \yie  dort.   Kaliste  bewilligt  ihiem 


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—    57  — 

f^dbh^ber^  der  ihr  nickte  lyeniger  als  gleicbgiU%  ist,  «in» 
Zusammenkaiifb  in  ihrem  ScUafgemache,  wohei  aller-t 

dings  seine  Ziuliiiij^lichkeit  in  Schranken  zu  halten  weisz, 
die  ihr  aber  höcluit  veihängniszvull  wird,  ihre  ivamuier- 
frau  nämlich  findet  ebenfalls  Geschmack  an  dergleichen 
Stelldicheins,  ftberschreitet  aber  hierbei  die  Schranken  der 
Sitte  um  ein  bedeutendes  mehr  und  benimmt  sicli  im  Be- 
sitze des  Geheimnisses  ihrer  Herrin  äuszei^t  frech.  Schliesz- 
lieh  ersticht  ihr  von  Oleander  ertappter  Liebhaber  diesen 
und  zwar  mit  I^sanders  l)eo:en.  der  in  seinen  Besitz  ge- 
langt ist.  Mau  beschuldigt  Kaliste  des  Einverstäuduis>5>es 
mit  dem  des  Mordes  verdächtigen  Lysaader,  der  sich  anszer 
Landes  befindet  Sie  wird  ins  Gefangnisz  gebracht,  von  Ly- 
sander  Ijefieit,  und  nacli  vielen  Hindernissen,  die  ziemlich 
willkürlich  and  gewaltsam  herbeigezogen  werden,  nimmt 
alles  mit  mehreren  Hochzeiten  ein  glückliches  Ende»  Neben 
der  Hanpterzähhmg  buiteu  noch  Bericlite  von  den  Schick- 
salen der  Nebenpersonen  her.  U'Audiguier  liat  eine  Anzahl 
Unterhaltnngsschriften,  darunter  anch  die  Novellen  des 
Cervanles,  ans  dem  Spanischen  übersetzt,  nnd  man  wird 
leicht  linden,  dasz  ihm  etwas  von  dem  spanischen  Geschmack 
zu  eigen  geworden.  Hierher  gehören  auszer  der  üoUe 
der  Kammerfrau  und  den  vielen  willkürlichen  Verwicke- 
lungen nocli  die  selu'  häutigen  Ehrensachen,  welche  aus^ 
gefochten  werden.. 

Das  Werk  mnsz  sich  einer  nicht  unbedeutenden  Ben 
liebtheii  erfreut  haben,  denn  anszer  den  zahlreichen  fran- 
zösischen Ausgaben  erschien  eine  lioUändische  Uebersetzung, 
und  die  Zesens  wurde  auch  wiederholt  auigelegt.^)  G.  Keu- 

*)  Nach  der  ersten  Ausgabe  von  1644  erschienen  bei  Ludwig 
Elzeyier  in  Amsterdam  eine  1B50  und  eine  1670,  und  in  demselben 
Jahre  wurde  die  deatsche  UeberseUung  mit  dem  frausttsisolieii  Text» 


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—    58  — 


mark  verarbeitete  den  Stoff  als  Drama.')  Von  Interesse 
dttrfte  noch  sein,  daisz  in  diesem  Werke  Zesens  seine  or^ 
tiioj^aphischen  Gmndsfttze  noch  etwas  wenigrer  stark  ent^ 

wickelt  ersclieinen  als  in  den  bald  darauf  folgenden. 

Der  Ibrahim*)  ist  eine  Uebersetzung  des  Erstlings- 
werkes der  ScndMy  der  Hanptschaaplatz  Konstantinopel 
und  die  Zelt  der  Handlung  die  Refneraiiprszeit  des  groszen^ 
Soliman,  der  nebst  seiner  ränkesüchtigen  Gemahlin  Koxelane 
eine  Hauptrolle  spielt,  wie  denn  beide  Persönlichkeiten  die 
Phantasie  der  Dichter  des  XYII.  nnd  XYIU.  Jahrhun- 
derts sehr  vielfach  an^regi  haben.  Die  Vorgänge  an  dem 
türkischen  Hofe  nahmen  schon  damals  so  wie  jetzt  noch 
sehr  häuüg  einen  äuszerst  acuten  Charakter  und  rapiden 
Verlauf  an.  Dieser  Umstand  ist  der  dramatischen  Muse 
jener  Zeit  nicht  entgangen,  denn  so  schOn  wie  türkische 
Palastintriguen  eignen  sich  selten  geschichtliche  Ereignisse 
zur  Herstellung  von  Dramen  mit  der  strengen  Einheit 
des  Ortes  und  der  Zeit,  auszerdem  aber  machte  die  Aben- 
tenerlichkeit  der  Vorfalle  nnd  die  Entlegenheit  der  Sitten 
und  Anschauungen  die  türkischen  Zeitgeschichten  tiir  die 
gesammte  Poesie  des  curiösen  Jahrhunderts  zu  einer  sehr 
beachtenswerthen  Stoffqnelle.  Der  Held  unseres  Romans^  , 
Ibrahim,  ist  Groszvezier  Solimans.  Zu  Anfong  des  Ro- 
mans ünden  wir  ihn  sogleich  als  Hauptperson  eines  hi»chst 
pomphaften  und  sehr  ausführlich  beschriebenen  „Siegsge- 
prftnges",  welches  die  glftnzenden  Erfolge  seines  Feldzugea 

bei  Raveiisteyn  in  AmstenUm  gedrackt,  alle  vier  Male  in  13".  Ans* 

mg:  d.  R.  1785.  3[ars. 

Goed.  Grundr.  452. 
*)  Die  erste  Ausgabe  des  Zesensclien  Ibrahiips  vom  Jahre  1645 
erschien  zu  Amsterdam  bei  L.  Elzevfer,  die  zweite  zn  Zweibrücken, 
beide  IV,  12°.   Dm  Original,  Jbrakim  ou  rühutre  Jiasaa,  erschien  m 
Paris  1635. 


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—   59  — 

gegen  Taebmas,  den  Scliadi  vam  Permn,  yerlieiTliclit. 

Dadurch  sind  wir  mitten  in  den  Gang  der  Geschichte 
hinein  versetzt,  deren  Haupttheile  und  Episoden  hier  und 
dort  nachgeholt  werden*  Zonftchst  er&hren  wir  ans  Ibra- 
hims eigenem  Mnnde  seine  Vorgeschichte,  da  ihn  der 
Sultan  um  den  Grund  seiner  Schwermuth  fragt  und  ihm 
seine  Tochter  Astede  zur  Gemahlin  anbietet,  auch  den 
Schwur  hinznf&gty  dasz,  so  lange  er  lebe»  Ibrahim  keines 
gewaltsamen  Todes  sterben  solle.  Er  hiesz  eigentlich 
Justinian,  seine  Voifaliren  waren  aus  dem  erlauchten  Hause 
der  Paläologen  und  nach  der  Einnahme  Konstantinoi)els 
durch  die  Tttrken  nach  Genna  gekommen.  Seine  Liebe 
zn  Isabella,  der  Tochter  des  Ffirsten  von  Monaak  (Monaco), 
führte  zwar  zur  Verlobung,  aber  damit  zusammenhängende 
Yerwicklungen  zu  seiner  Yerbaouang  aus  der  Vaterstadt. 
Da  er  auch  infolge,  allerdings  nngenaner,  Nachrichten  an  der 
Treue  seiner  Braut  glaubte  zweifeln  zu  mttssen,  suchte  er 
das  A\'eite  und  gelangte  nach  einigen  Abenteuern  zu  So- 
liman  nach  Konstantinopel.  Diesem  groszen  Herrscher 
leistete  er  so  vortreffliche  Dienste,  namentlich  als  Feldherr 
in  dem  schon  erwähnten  Kriege  gegen  Tachmas  von  Per- 
sien,  dasz  er  zu  den  höchsten  Ehren  gelangte  und  docli, 
wenn  auch  heimlich,  Christ  bleiben  durfte.  Durch  seinen 
Freund  Dorla,  welcher  bald  nach  der  glUcldichen  Be- 
endung des  persischen  Krieges  nach  Konstantinopel  kam, 
erhielt  er  Kunde  von  der  unwandelbaren  Treue  Isabellas 
und  von  Soliman  einen  sechsmonatlichen  Urlaub.  Er  eilte 
sogleich  zu  der  Geliebten,  kehrte  jedoch,  da  er  es  fttr  un- 
thunlich  hielt,  sie  als  Gemahlin  mit  in  die  tOrkische  Re- 
sidenz zu  nehmen,  nach  Ablauf  des  Urlaubs  allein  zurück. 
Hier  fand  er  nicht  nur  in  der  Familie  Solimans  groszes 
ünglflck,  welches  die  Rfinke  der  Röxelane  veranlaszt 


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—   60  ^ 


hatten,  vor,  sondern  er  war  auch  selbst  so  niedergebeugt, 
SoUmau,  um  übA  wiode^  aufzurichten,  Isabellen  naak 
K<MistantuMi»el  h#leii  9a  laasea  bescj^low.  kam,  und 
Sdiman  yerlielite  selbst  ib  sie,  Roxelane,  die  heftigste 
Feindin  des  Helden,  schürte  die  FlanuiK^  und  spann  neue 
Bänke.  Kochmals  schlug  Ibrahim,  der  seinem  sonst  edlen 
Bjerracber  mclU  im  mindteetea  mifivtraute,  die  Pecaer,  ala 
er  znrQekkehrte,  entdeckte  er  die  Furchtbarkeit  seiner 
La^re.  entfloh  mit  Isabellen,  ward  ergriÖen,  und  nun  drang 
Eoxelane  auf  seine  schnelle  Hinrichtung.  Nach  langem 
Kampfe  siegte  aber  Solimans  ediere  Natur  und  yerschait 
dem  Romane  dnen  glückliche  Ansgang,  indem  die  zwei 
Liebenden  zu  ilirer  Yennählung  nach  Genua  zurückkehren. 

Dies  sind  die  Schicksale  des  Helden  und  der 
Heidin,  am  welche  sieh  eine  ttberaas  grosse  Masse  von 
anderen  Begebenheiten,  Personen,  Yerwickelungen  nnd 
Schilderungen  bald  mehr,  bald  weniger  locker  grup- 
pii-en. 

In  Bezug  auf  die  dritte  Uebersetanng  Zesens,  die 
afrikanische  Sofonisbe,')  dflrfen  wir  uns  kürzer  fhssen, 

da  sie  mit  dem  ll)rahiin  ganz  auf  «gleicher  Linie  steht 
Es  sei  nur  bemerkt,  dasz  wir  es  hier  nicht  mit  jener  So* 
fimisbe,  welche  verschiedene  Dichter  zu  guten  und  schlechten 


*)  Das  Original  der  Zesenschen  Sofoni.sbe  dürfte  wohl  M.  Gersan, 
Ilisfoire  Africaiue  de  CliomMe  et  de  Sofouisbc  sein,  welche  nach  G.  d. 
Percel  II,  47  zu  Paris  1&27  II,  8*'  erschienen  ist.  Mit  Sicherheit 
kann  ich  es  nicht  sat,n'n,  da  ich  das  französische  Buch  nicht  kenne, 
aber  der  Name  des  (leliebten  weist  auch  darauf  hin.  Die  Scud^ri 
hat  (vgl.  Cholevius  S.  18)  nie  eine  Sufonisbe  geschrieben.  Der  erstön 
Ausgabe  der  Zesenschen  Sofonisbe  von  1646,  welche  wie  die  zwei 
vorangcfj^an^enen  Verdeutschung'en  bei  Ludwio;  Elzovier  in  Amsterdam 
in  PJ**  erschien,  f(dgte  eine  zweite  zu  Frankfurt,  1674,  12^,  welche 
der  Sauberkeit  dea  hollaudischeu  Druckes  «iemlkk  nahe  kommt. 


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61  — 


Werinn  begiistert  btt  «id  d»  ebeMBo  wie  Ibraldm 

amm  LoheKstein  tsinen  willlt!omi!ieDe&  Stoff  zu  einer  höchst 
Mt  verkml'endeTi  Tragödie  lieferte,  zu  thun  haben,  son- 
tatt  «it  deren  Tookter  gl^ebeA  NaiMis  lliid  ilu«m  gt* 
Hebten  Kleemedee.  UrSc^cksai  gleicht  detfi  der  erl»acbteii 
Mandane  im  Jh  and  d/nis'*  der  Sciid^ri,  indem  sie.  um  mit 
Boüe&u  zu  reden,  „une  bemU^*'  ist  „qti,i  pcme  par  Inen  des 
maifu*',  ohne  einen  merklicä^  Schaden  sn  nehmen«  Un» 
ähnlich  der  ihrer  Mutter  endet  ihre  Geechichte  keineswegs 
tragisch,  sondern  Kleomedes,  der  Genosse  ihrer  meisten 
Abenteuer,  wird  König  Yon  Getmlien,  md  der  Eoman  findet 
in  emer  Hochzeit  den  erwünschten  und  fibUchen  Abechlnstf. 

Wir  haben  bereits  weiter  oben  den  allgemeinen  (.'ha- 
rakter  der  Scuderischen  Komane  kennen  gelernt  und  wollen 
darauf  nicht  snrilckkoninien.  Doch  mag  darauf  anfinerkeam 
gemacht  werden,  dasz  Zesen,  der  die  bmühmteste  Bchrift- 
Stellemde  französische  Dame  seiner  Zeit  in  die  deutsche 
Literatur  einführte,  auch  in  Deutschland  sich  beim  schiHMn 
Geschlecht  dadurch  Dank  zu  Terdienen  wttsste,  dase  er 
ihm,  soweit  es  in  seiner  Macht  stand,  den  ^Veg  auf  den 
Parnass  zu  zeigen  und  zu  ebnen  bemüht  war.  Wenn  er 
hierin  mit  den  Kflmberger  Dichtm  übereink(MBmt,  so 
steht  dieser  Punkt  der  tJebereinstimmnng  nicht  vereinzelt 
da.  und  wir  werden  auf  die  Thätigkeit  jener  Gruppe  zu- 
rückkommen. Zunächst  sei  nnr  darauf  hingedeutet,  dasz 
äch  dieser  galante  Zug  in  Zesens  literarischer  Wirksam- 
keit,  der  mit  seiner  Auffassung  der  Poesie  und  Schrift- 
stellerei  eng  zusammenhängt,  in  dem  Entschlüsse,  einen 
Scuderischen  Boman  zu  Terdentschen,  ganz  zweifellos  kund" 
giebt,  denn  schon  dieser  Entschlnsz  kann  nicht  recht  mög- 
lich gedacht  werden,  ohne  dasz  sich  der  Uebersetzer  mit  den 
Anschauungen  seiner  Vorlage  einigermaszen  befreundet 


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—    62  — 

hat,  und  die  Ansduumngeii  der  ScudM  von  dep  Bedeatung 
und  Emwirknng  der  Fraoen  im  Leben  ttbeiiuMq^ty  nameatp 

lieh  von  der  Bedeutung  verliebter  Beziehungeu  in  den 
Geschicken  der  Völker  und  Pürsten,  sind  etwas,  womit  man 
sich  vielleicht  von  allen  ihren  G^eBchmackioeigkeiien  wird 
am  wenigsten  befreunden  können,  etwas,  was  schon  Boilean, 
der  selbst  ein  feiner  und  galanter  Mann  war,  das  An- 
stöszigate  gewesen  za  sein  scheint. 

Das  y erfiihren  Zesens  bei  seinen  Uebersetznngen,  die 
Gewissenhaftigkeit,  mit  der  der  damals  noch  jug:endlich 
strebsame  Dichter  dabei  zu  A\'erke  ging,  und  sein  Sinn 
für  die  deutlichen  Vorzüge  der  damaligen  französischen 
Prosa  vor  der  deutschen  verdient  entschiedenes  Lob  und 
wurde  als  gutes  Beispiel  für  andere,  z.  B.  Stubenberg,  in 
weiterem  Umfange  wirksam,  als  man  zu  glauben  geneigt 
ist,  wenn  man  sich  nicht  vergegenw&rtigt,  wie  weit  die 
Uebersetzungen  Zesens  und  die,  welche  den  seinigen  folgt^^n. 
über  die  Mehizahl  der  wenig  älteren,  besonders  hinsicht- 
lich der  Sprachreinheit  und  Leichtigkeit  des  Ansdruckes, 
hervorragen.')  Nicht  ohne  Interesse  sind  daher  die 
Grundsätze,  welche  Zesen  bei  seinen  Verdeutschun- 
gen walten  liesz.  Sie  geben  einerseits  Selbständigkeit 
und  gesunden  Geschmack,  andererseits  aber  auch  wieder 
seine  ^Neigung  kund,  sich  zu  überstürzen  und  in  Abson- 


Sehr  lehrreich  ist  def  schroffe  AbBtaml  der  Zeseniicheii  nid 
Stabenbergachen  VerdeuUchaogen  von  denen  der  schönen  Juliane  and 
der  Astr^'e,  namentlich  aber  von  der  noch  1(138  zu  Leipzii;  er«iclüe- 
aenen  der  Clytie  de  la  cmtr  des  ^ieur  de  la  Serre  (de  Percel  II,  47.) 
TOB  J.  M.  f.,  einem  Boche,  welches  seinerzeit  scheint  ^at  ao^ 
nommcn  worden  za  sein,  hier  aber  nur  aln  die  schlechteste  Ueber- 
Setzung  des  XVII.  Jahrhunderts  genannt  zu  werden  verdient.  Bis 
Sprach  uiens^erei  erreicht  hier  schon  einen  Grad«  der  nicht  mehr  flber^ 
troffen  worden  ist. 


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—    63  — 

derlichkeiten  zu  verreimeiu  Er  spricht  sich  darüber  nach 
der  Sitte  seiner  Zeit,  da  die  Schriftsteller  immer  bereit 

sind,  auch  ihre  Gedanken  Uber  das,  was  sie  machten,  aus- 
einanderzusetzen, ausführlich  aus. 

Dem  Ibrahim  geht  die  „Schuz-rade  an  die  unober- 
w&ndlichste  Dentschinne**  vorans.  Nachdem  Zesen  hierin 

dem  Scud^rischen  Ibrahim  sehr  nachdrücklich  den  Vorzug 
vor  den  anderen  französischen  Liebesrumaneu  gegeben  — 
hik^hstens  d'Urf6  will  er  noch  gelten  lassen  — ,  sagt  er 
„Was  nnsem  ikbertraag  betr&fEt  /  so  wikrstu  mich  /  aller- 
folkomneste  Heldin  /  bey  denen  /  die  mich  vielleicht  einer 
verwachsel-  und  änderung  der  uhrschrilt  beschuldigen  und 
tadeln  w&rden  /  b&ster  maszen  vertr&ten;  dan  es  ist  ohne 
.sonderliches  Bedanken  nicht  das  geringste  gesch&hen. 
Der  Uhrschreiber  ist  ohne  disz  ehr-erbutig  und  Leutsälig 
genug  ,  und  würd  ihm  nicht  nüsl'allen  laszen  dasz  ich 
mich  straks  das  Baches  Nahmen  zn  Indem  unterstanden; 
dan  naachdehm  ich  seinen  Zw&k  /  dasz  er  ihm  n&mlich 
einen  emsthaftem  und  naachdank  liebem  Nahmen  gäben 
wollen  /  unschweer  errahteu  kan;  so  würd  er  den  meinigen 
noch  viel  leichter  sahen.  In  Wahrheit  /  ich  mus  be- 
kennen dasz  er  sich  diszfalls  den  alten  (die  d&m  Deutschen 
Helden-geblühte  /  daraus  sie  entsprungen  seyn  ;  noch  was 
naher  und  ahnlicher  waren)  mehr  als  seinen  heitigeu  weich- 
weiblichen und  z&hrtlichen  Landsleuten  /  vergleiche.  Die 
langen  Getrikk*  und  GescU&ppe  der  Bäde  /  welche  so 
wohl  die  alten  /  als  näuen  Radnerische  Gesaz-gäber  p:anz 
vei  w  ärfen  /  hat  er  fast  wider  aller  anderen  i'raiizosischen 
^hreiber  Gebrauch  sehr  vermieden  /  dasz  ich  in  allen 
semen  sachchen  dergleichen  nichts  /  als  nuhr  bisweilen 
ein  geringes  /  das  ich  auch  im  übersazzen  /  so  >iel  als 
mftglich  /  geändert  ;  befunden  /  Die  Tuikischen  /  Persi- 


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sclieii  ttnd  iwdefe  ans-lAndische  worter  /  die  er  ^ent- 
Imlbeti  /  Wftti  eis  die  Gelägtenli^it  begäben  /  mit  tinterge- 

mischet  /  hab'  ich  meistenteils  (ausgenommen  etliche  wenig 
eigne  Nahmen  der  Amts-lente  /  die  der  Sachchen  einen 
Naadi-tmk  g&ben  Mhneh)  dentsch  ftbergesibteet:  Als  .... 
Die  nun  folgenden  ^Einzelheiten  sind  hier  ohne  Interesse, 
und  Zesens  Verfahren  bei  der  Aussclieidung  der  deutschen 
Fremdwörter,  WorftbererdernnüberwündlichstenDeutschinne 
gegenüber  ziemlich  Viel  Worte  verliert,  ist  tn  bekannt, 
als  dasz  es  hier  charakterisirt  und  urkundlich  belegt  werden 
sollte.  Dasselbe  gilt  von  der  Bechtschreibong,  auf  die  er 
gleicherweise  isa  sprechen  kommt.  Wie  weitblickend  er 
trotz  seiner  Neigung,  sich  mit  Kleinigkeiten  abzugeben, 
gelegentlich  —  leider  nur  immer  gelegentlich  —  sein 
konnte,  geht  aber  daraus  hervor,  dasz  er  einerseits  zwar  auf 
eine  phonetische  Orthographie  dringt^  anderel^its  aber  doch 
auch  sagt:  „Die  AVort-erfündung  und  Schreib-richtigkeit  / 
oder  vielmehr  der  Anfang  dahrvon  (dan  /  weil  wier  den 
^nd  der  Sprache  /  ivie  eih  Wort  voü  d&m  andehi  hihr- 
stammet  /  noch  nicht  recht  erkundiget  /  und  dahähr  keine 
folkommene  Kichtigkeit  darinnen  haben  mögen  /  kan  sie 
diesen  Nahmen  mit  r&cht  nicht  besizzen)  die  ich  in  diesem 
ganzen  wirke  /  so  viel  müglich  /  und  die  Schrift-säzzer 
gewohnen  können  in  Acht  genommen  /  hat  mich  ver- 
uhrsachchet  diese  kleine  Anweisung  zu  tuhn  .... 

Geg:en  solche  Aenszerüngeh  fällt  nun  freilich  sekr  ab, 
was  wir  in  der  afrikanischen  Sofonisbe  unseren  Mann 
hinter  der  Zuneigungs-schrift  (so !)  an  die  Königin  Christine 
von  Schweden  dem  ,)Gunstgeneigsten  LAser**  sagen  hören: 
„Was  ich  Vor  etlichen  zelten  zur  m>lämung  der  franz4- 
sischen  spräche  aus  derselben  in  unseres  hoch -deutsch 
überbracht  habe  /  dasselbe  lasz  ich  izund  auf  viler  anhalten  / 


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—    65  — 

durch  den  offeutUchen  trok  vor  deine  äugen  gelangen  /  mit 
fremidlicher  bitte  /  da  wollest  dir  dise  /  meiner  müszigen 

stunden  /  neben  erzililete  fiüclite  gunstig  gefallen  laszen 
u.  s.  w.*"  Das  klingt  ganz  nach  der  landläutigeu  Autt'as- 
sang  der  Poesie  im  XYII.  Jahrhundert  und  stimmt  zu 
Zesens  Ehre  nicht  mit  der  Auffassung  seines  Dichter-  und 

Schritt stellerberules,  welche  er  durch  sein  Leben  selber 
bewilhrt  hat 

Noch  sei  bemerkt,  dasz,  wie  Zesen  auch  in  der  Stelle 

Vf>r  dem  Ibrahim  andeutet,  die  holländischen  Schriftsetzer 
und  Drucker  seinen  luteutiouen  in  der  That  auf  bewun- 
derungswürdige Weise  entgegen  kamen.  Seine  in  Deutsch- 
land erschienenen  Bttcher  sind,  mit  der  S.  60  Anm.  erwähnten 
Ausnahme,  bei  weitem  nicht  so  sorgfältig  nach  den  neuen 
Grundsätzen  gedruckt,  wie  sie  auch  durch  ihre  ganze  Aus- 
stattung den  groszen  Abstand  der  deutschen  von  der  nie- 
derländischen Buchdruckerkunst  zur  Zeit  der  Elzeviere, 
Zevens  Verleger,  zeigen.  Auch  die  t/ecimisch  ausgezeich- 
neten Kupferstiche  der  Zesenschen  in  Holland  erschienenen 
Werke  tragen  den  niederländischen  Charakter  in  hohem 
(4rade  an  sich.  Dieser  (.'harakter  stimmt,  namentlich  in 
der  Jiosemund,  allerdings  wenig  zu  dem  dei'  Dichtung,  es 
wirkt  fast  komisch,  wenn  uns  der  zeichnende  Künstler 
die  Heldin  dieses  ^ sterbeblauen  Seelengemäldes ^,  wie  es 
Cholevius  passend  bezeichnet,  als  eine  so  wohlbeleibte  und 
muskulöse  Dame  vergegenwärtigt,  dasz  wir  uns  in  einem 
solchen  Körper  eine  so  zarte  Seele  nur  mit  Widerstreben 
wohnend  zu  denken  vermögen. 

Diese  zarte  Seele  aber,  lütterholds  von  Blauen  Adria- 
tiscbe  Bosemund,*)  hat  weit  mehr  Anspruch  auf  unser 
Interesse  als  Lysander,  Kaliste,  Ibrahim  und  Sofonisbe, 

Die  sehr  seltene  erste  Ausgabe  (in  der  Kogl.  Bibi.  zu  Berlin) 

5 


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—    66  — 


und  zw&r  nicht  allein,  weil  sie  als  der  erste  deutsche  Üri- 
ginal-Bomaii  der  dasse  nnd  der  Epodhe,  die  wir  jetst 
ZQ  betrachten  haben,  anznsehen  ist,  sondern  aaeh  wegen 

ihrer  Bedeutung  an  und  ftlr  sich,  wegen  ihi-er  Eigenthüm- 
lichkeit  nnd  selbständigen  Stellung  unter  den  ihr  gattungs- 
Terwandten  Erzeagniasen  desselben  nnd  anderer  Verfiisstf .  . 

Der  Anfang  der  G^hfchte  ftthrt  uns  in  die  Kfthe 
von  Amsterdam,  und  wir  tretien  die  Hehlin  in  hik-hster 
Betrübnisz  über  die  Abreise  ihies  geliebten  Markhold, 
welcher  zn  Schilfe  nach  Frankreich  abgegangen.  Nach- 
dem er  anf  der  Seereise  einen  Stnrm  ausgestanden,  ge- 
langte er  glücklich  in  den  Hafen  und  setzte  «einen  A\'eg 
nach  Paris  fort  Die  frauzösiseheu  Damen  hatten  bereits 
Ton  seiner  Liebenswürdigkeit  Kunde  erhalten,  nnd  sein 
Eniptang  war  ein  hOchst  angenehmer.  Seiner  Rosemond 
aber  deswegen  im  jreringsten  zu  vei'gessen.  lag  ihm  fpm. 
Von  Bönen  aus  hatte  er  sie  knrz  über  seine  glückliche 
Ankunft  benachrichtigt,  als  er  in  Paris  ankam,  erhielt  er 
einen  Brief,  in  dem  sie  ihn  dringend  um  einen  ausführ- 
licheren Reisebericht  hat.  Sie  liesz  schon  alle  Tage  auf 
der  Post  nach  seinem  Schreiben  fragen,  endlich  erhielt 
sie  ein  den  gewünschten  Beridit  enthaltendes  Lied  und 
einen  Begleitbrief,  worin  er  sie  um  nachsichtige  Kri-  • 
tik  seines  i)()etischen  Erzeugnisses  bat  und  seiner  tiefst^en 
Ergebenheit  versicherte.  Der  Ton,  in  dem  dieser  Brief 
abgefaszt  war,  erregte  in  ihr,  allerdings  ohne  Grand,  eine 
Menge  qnftlender  Gedanken,  namentlich  eine  starke  Eifer- 
sucht auf  die  frauzOsis>cheu  Damen.   £s  wai*  ein  Glück, 

liegt  mir  vor.  Sie  hat  nur  einen  Bildtitel:  Ritteiholds  Ton  Blauen 

Adrlatische  Ko!«emimd  (Devise:  Last  h&gt  Lut)  Ainsteldam.  Bei  Lud- 
wig ElzeTihm  (so!)  1645  fremaski  durch  den  waclichenden.  Hit  aUen 
Zugaben  :)ß8  Stn.  V>\  Weitere  Ausgaben  ersdiienen  Amsterdam 
1664.  1^  und  Amsterdam  1666.  19^. 


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—   «7  — 

diw  ilm  Freiadia  Adelmnnd  dm  kan,  deren  Klaglieit 

sie  bald  Rosemnndens  veränderte  Gemüthsstimmiin^  und 
deren  Ursache  entdecken  liesz.  Als  ihr  letstere  dea  «a 
das  Feaster  gelegt  Bii^  mm  Lewa  geben  wollte,  eat- 
deckte  aie  m  ikrem  grossen  Schrecken,  daos  ihn  der  Wind 

fortgeweht  liatte.  Dieser  Verlust  versetzte  sie  in  die 
tiefste  Betr&bnisz,  sie  klagte  sich  selbst  an  und  brachte 
die  I^adit  vor  Koanaer  schlaflos  aa.  Den  and^n  Morgen 
las  sie  sich  nun  Tröste  die  Mker  ren  Markhold  empfan- 
genen Lieder  und  betmchtete  verscliiedene  Andenken  an 
ihn,  fand  auch  den  gestern  vergeblich  gebuchten  Brief  im 
Garten,  obwohl  von  dem  Wasser  eines  Grabens,  in  den 
er  gefallen  war,  ziemHeh  rerdoiben.  Einige  Tage  konnte 
sie  sich  zu  keiner  Antwoit  entsehlieszen,  es  kam  ihr 
der  Gedanke,  in  ein  Nonnenkloster  einzutreten,  doch  gab 
sie  dem  Einfalle,  einstweilen  als  Schäferin  zn  leben,  den 
Yorzug.  zn  welchem  Zwecke  sie  ein  ^leichtes  Sommerkleid  / 
von  schahl-  oder  starlie-blaiieii  zerhauenem  alias  ,'  mit 
^em  rose-farben  seidenem  lutter  /  wi  die  ächahftehnuen 
m  tragen  pfl&gen  /  an  za  l&gen  gesonnen  wahr.** 

Markhold,  welcher  inzwischen  heitere  Tage  verlebte, 
erhielt  eines  Abends  einen  Blitzt"  von  Roseniund,  er  er- 
bradi  und  las  ihn  im  Beisein  seines  Freandea  Haiz- 
w&hrt,  aber  wie  gresz  war  sein  Schrecken,  als  er  ersah, 
in  welchem  Grade  seine  Geliebte  zwischen  Misztranen 
und  Liebe  hin-  und  herschwankte.  Einigermaszen  ward 
sein  Kammer  dadurch  erleichtert,  dasz  er  seinem  Freunde 
ansfilhrlich  erafthlte,  wie  er  zn  Bosemnndens  Bekanntsdiaft 
und  Tiiebe  gekommen.  Ein  adlicher  Schlesier,  der  sein 
Btudieiilreund  gewesen,  war  der  Bruder  Adelininids,  und 
an  diese,  welche  mit  einer  vornehmen  venetiauLschen  Fa- 
milie, zn  der  Rosemond  als  jüngste  Tochter  gehörte,  sich 

5* 


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—    68  — 


nach  Amsterdam  begeben  hatte,  war  er,  ate  er  auch  nach 
den  Niederlanden  reiste,  empfohlen  worden.   Bei  ihr  sah 

er  Koseiniiiid,  ))ei(ler  Liebe  entstand  schon  beim  ersten 
Zusammensein,  Adelmund,  welche  selbst  bereits  Braut 
war,  machte  die  Vermittlerin,  und  auch  Bosemnndens  Va- 
ter Sünnebald  fand  an  dem  ausgezeichneten  jungen  Cavalier 
viel  Gefallen,  nur  die  verschiedene Ojnfession  beider,  da  Mark- 
hold Protestant,  Bosemnnd  als  Italienerin  Katholikin  war, 
bewirkte,  dasz  bei  der  Besprechung  des  Verlöbnisses  ei- 
nig:e  Schwierigkeiten  znrückblieben.  Docli  verk^bten  die 
beiden  Liebenden  vor  der  Abreise  Markholds  nach  Jb'rauk- 
reich  sehr  glückliche  Tage,  zu  deren  Verschönerung  die 
überaus  prächtijare  und  geschmackvolle  Häuslichkeit  der 
reichen  I:>'amüie  Kosemunds,  von  deren  Einzelheiten  man- 
ches genauer  beschrieben  wird,  nicht  wenig  beigetragen 
zu  haben  scheint. 

Zu  Anfang  des  zweiten  Buches  lindeii  wir  die  zwei 
Freunde  am  Morgen  nach  der  in  Markholds  Wohnung 
gemeinsam  zugebrachten  Nacht  wieder.  Härz-währt  war 
durch  einen  schweren  Traum  greängstet  worden,  der  auch 
sofort  in  Erlüllung  gehen  sollte.  Sein  Kammerdiener 
brachte  ihm  eine  Herausforderung  des  Franzose  Eiferich, 
nnd  beide  machten  sich  znr  Abwickelung  der  Ehrensache 
sogleicli  auf  den  Weg.  Das  Duell  verlief  für  Harz-währt 
ohne  schlimme  Folgen,  aber  sein  J^'reund  Lauter-muht, 
welcher  ihm  zu  Hülfe  gekommen  war,  verlor  dabei,  ganz 
dem  Traume  gemäsz.  das  Leben.  In  einer  Gesellschaft, 
der  die  zwei  Freunde  Abeuds  beiwolmen  nuiszten,  hatten 
sie  Grelegenheit,  sich  von  dem  Wankelmuth  der  Franzö- 
sinnen zu  übei%eugen,  da  des  inzwischen  anch  getödteten 
Eiferich  Geliebte  von  allen  die  wenigste  Trauer  zeigte. 
Markhold  gab  seinem  Freunde,  der  die  I<^othwendigkeit> 


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69  — 


Fans  zu  yerlassen,  eingesehen  liatte,  ein  kurzes  Geleit, 
und  als  er  znrftckkehrte,  fand  er  noch  ein  bei  EröiRrang  des 

gestern  empfangenen  liiietes  von  Kosunuind  übei*sehenes 
kleines  Schreiben,  worin  sie  ilim  ihre  Eutijcklieäzung  hin-, 
sichtlich  des  Schäferlebens  mittheüte.  Schon  war  aber 
Adelmnnds  Bmder  in  Paris  angelangt,  dessen  Diener  ihm 
nirht  nur  einen  versrilmenden.  ja  reuevollen  Brief  von  seiner 
Geliebten  überbrachte,  sondern  ihm  auch  eine  sehr  ausi 
ftibrliche  Schildening  ihres  derzeitigen  Lebens  und  Trei- 
bens entwarf,  ans  welcher  ihre  Treue  und  Liebe  gegen 
ihn  K^'iiii^^J^iii  liervorginja:. 

iMarkh(dd  unterhielt  sich  mit  seinem  Freunde  Huld- 
reich auis  Beste  in  galanter  Gesellschaft  mit  Brettspielen, 
und  machte  auch  an  eine  französische  Dame  gelegentlich 
Verse.  R(»senmnd  führte  ihr  iScliäferlehen,  dessen  Eiu- 
äamkeit  ilire  Freundin  Adelmuud  durch  Besuche  unter- 
brach, weiter.  Auch  sie  machte  Verse  und  bisweilen 
hartnäckige  Angriffe  auf  die  Rinde  dm*  in  der  Nähe  ihrer 
W<dnuing  befindliclien  Bäume.  Die  aus  dem  (4htubens- 
unterschiede  mit  ihrem  Geliebten  erwachsenden  trüben  Aus- 
sichten kosteten  ihr  manche  Thräne,  auch  ihre  Neigung 
zum  Protestantismus  —  sie  las  sogar  die  Bibel  in  hoch- 
deutscher SjiriK  lie  —  liesz  keine  Beseitigung  der  Schwie- 
rigkeiten er  \\  arten. 

Die  Brttckreise  Markholds  kam  nun  —  so  beginnt  das 
dritte  Buch  —  näher.  Ehe  er  sie  antrat,  begab  er  sich 
zur  Demuht,  der  deutschen  Kanmierjungfer  einer  zum 
französischen  Hofe  gehöiigen  Herzogin,  denn  er  besorgte, 
dasz  ihn  die  letztere,  welche  groszes  Wohlgefallen  an 
ihm  hatte,  mit  allen  möglichen  Mitteln  zurückhalten  wttrde. 
Demuht  rieth  ihm,  sicli  bei  ihrer  Herrin  nur  zu  einer 
Eeise  nach  Kouen  zu  beurlauben,  von  doit  ans  sich 


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—    70  — 


schriftlich  zu  empfehlen.  Hierauf  zeigte  sie  ihm  die 
Bäume  des  ScUosaes,  «nd  «r  gab  den  Commentar  zu  <to 
kier  aafbewahrtoii  Gtonftlden.  Nadidem  er  dar  Herzogia  ge- 
genüber den  Rath  seiner  LandsmAimin  in  AisfÜhmng  ge- 
bracht, nahm  er  Abschied,  wobei  die  reichlichen  Thränen 
der  letsteren  beiiiahe  mehr  Yemtbea  hitleu,  als  im  ihrer 
Abaiohtkg.  laHmien  angelangt»  belrsichtete  er  mitmduCTiii 
Landsleaten  die  Maskenzlige,  welche  gerade  snr  Fastnacht 
gehalten  wurden.  Den  Best  deü  dritten  Buches  füllen 
Meist  zwei  Gresehichten,  wekhe  von  einem  Freunde  Msjrk« 
holds  mid  ihm  seiher  erzählt  werden«  Aaeh  in  Bönen 
hatte  er  übrigens  die  zärtliche  Neigung  einer  Barne,  der 
schönen  Luhdwichche,  erweckt,  ^ie  muszte  sich  jedixh  bei 
seiner  Ahreise  mit  einem  Abschiedsliede  begnlkgen,  in 
welchem  er  ihr  seine  Liebe  zn  Bosemnnd  erklärte.  Kack 
einer  zum  Theil  durch  Stürme  verzögerten  Fahrt  langte 
er  wieder  in  den  Niederlanden  an,  blieb  nui*  eine  Nacht 
sa  Botterdam  und  eilte  sodann  zm  Besemund,  die  er  in 
yurer  Schäferei  am  Mhen  Morgen  ttberrasdite.  Sie  legte 
nach  sehr  freudigem  Empfange  anstatt  der  Schäfertraehl 
wieder  ihre  gewöhnliche  Kleidung  au  und  kehlte  in  das 
Haus  ihres  Vaters  zurück. 

Den  grdszten  Theil  des  vierten  Boches  füllen  die  Vor* 
träge  Rosemonds  nnd  Sünnebalds  über  die  ToiK)graphie 
und  das  Staatswesen  von  \'enedig.  Zu  Anfang  des  liinl- 
ten  wird  erzählt,  wie  Markhold,  der  die  Nacht  im  Hnase 
Sftnnebals  znbrachte»  am  frühen  Morgen  au&tand,  zieh  in 
den  Garten  begab  und  an  vier  Bäume  je  ein  GMicht  auf 
Rosemund  heftete.  In  einem  Veisteck  sah  er  zu,  w  ie  die 
äeliehte  sie  £and,  wie  sie,  als  ein  Windstosz  die  Blätter 
wegwehen  wollte^  ihnen  eilig  nnchlief  und  sie  zur  geiiane* 
ren  Betrachtung  dann  mit  auf  ihr  Zimmer  nahm.  Daun 


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—    71  — 

folgten  galante  and  «umreiclie  GesprlUihe,  weldie  an  die 
Bimmen  dee  Gkirteis  und  «ndere  iscböne  XHnge  angeknflp^ 
worden,  hieraof  ein  V(»tr«g  Markliolds  ^ftber  die  alten 

und  izigeu  Deutschen,"  in  dem  der  Cavaiier  mit  stiipen- 
der  Gelehrsamkeit  und  lialsbrechenden  Etymologien  Un- 
flanblidies  leistet^  der  ato*  Ittr  die  Geschichte  der  Sitten 
«nd  Modra  jener  Zeitffli  mehr  Interesse  hat  als  für  die 
unserer  Dichtungsgattung.  Am  Ende  dieser  gelehrten  Un- 
terhaltung giebt  Zesen  seinem  Schmerze  über  die  Leiden 
des  dreissigjAhrigen  Krieges  lebhaften  nnd  höchst  ach- 
timgswerthen  Ausdruck.  Ein  Brief  Ton  Adehnund  langte 
an,  da  er  aber  die  glückliche  Endschaft  ihres  Brautstan- 
des preist,  H  ai'  er  nicht  geeignet,  andere  als  sehi*  schmerz- 
liche Empfindung^  in  Bosemnnd  und  ilum  liehhaber 
zu  erwedken.  Ja,  da  Markholds  Abreise  wieder  heran- 
nahte, ohne  dasz  sich  Aussicht  auf  Beseitigung  der  ihrem 
Bunde  entgeigenstehenden  Hindernisse  finden  liesz,  verfiel 
Bosemund  aus  Kummer  in  eüie  heftige  Krankheit,  welche 
sie  tlberaus  sdiwächte. 

Im  sechsten  Buche  besucht  sie  ihr  Geliebter,  und 
alsbald  kehren  ihie  Lebensgeister  wieder.  £r  erzählte 
ihr  eine  Geschichte  von  einer  adlichen  Jungfrau  und  einem 
Bittmeister,  die  mit  der  ihrigen  viel  Aehnlichkeit  hatte, 
in  der  aber  eine  Gewaltthat  die  Liebenden  an  das  er- 
wünschte Ziel  brachte.  Als  nun  Markhold  wirklich  Rose- 
mnnden  verlassen  muszte,  verbrachte  sie  ihre  Zeit  in  lau- 
ter Betrftbnisz.  Hier  bricht  Zesen  ab,  denn  anders  kann 
mau  dieses  Ende,  welches  kein  Ende  ist,  nicht  bezeich- 
nen, auch  ssgt  er  zum  Schiasse  ausdrücklich,  was  mehr 
von  Ros^nnd  zu  beschreiben  sei  und  wie  es  endlieh  mit 
ihrer  Krankheit  hinausgelaufen,  das  werde  eine  ihrer 
Jb>eundinnen  auisetzeu,  er  wolle  das  unterlassen,  was  eine 


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—    72  — 


geschicktere  Hand  zu  thuu  sich  vorgesetzt.  £s  folgen  in 
der  ersten  Ausgabe  (die  zweite  kenne  ich  nicht)  noch  einige 
Gedichte  und  Musterbriefe,  welche  zwar  zum  TheO  auf 

Ro.seniuiid  Bezug  iielniien,  aber  über  dii^st^  in  Aussicht 
gestellte  VervoUstäudigung  der  Erzählung  nichts  verrathen. 

Ohne  Zweifel  ist  die  Adriatische  Rosemund  ein  höchst 
interessantes  Buch,  das  Interesse,  welches  sie  gewährt,  ist 
aber  in  sehr  geringem  Grade  ein  poetisches,  vorwiegend 
ein  literarhistorisches.  Denn  das  Interessanteste  daran 
ist,  dasz  wir  daraus  lernen,  was  dem  Verfasser,  der  offenr 
bar  und  eingestandener  Maszen  mit  seinem  Werke  die 
französische  Kunsl  in  Deutsclihnid  und  unter  deutscher 
Form  einbüi^gem,  zugleich  auch  mit  ihr  wetteifern  und  sie 
wo  möglich  überbieten  wollte,  das  Wesentliche  schien,  was 
ihm  am  meisten  gefiel,  worin  er  sich  mit  seinen  auslän- 
dischen \'i)rl)ildern  in  eiuen  AVettkampf  einlassen  sollte. 
Und  wir  können  es  mit  Becht  als  einen  Beweis  seines 
guten  Talentes  ansehen,  dasz  er  das,  woran  ihm  am  meisten 
lag,  auch  am  besten  erreicht  hat  Er  lobt  die  Scud^ri 
und  neben  ihr  dT  iie.  Was  den  letzteren  betrittt.  so  hat 
er  in  der  schäferischen  Episode  der  Bosemund  ein  Ca- 
binetsstttck  von  pastoraler  Prosadichtung  geleistet,')  wel- 
ches wir  ebensowenig  wie  seine  Zeitgenossen  der  Astr^e, 
der  Diana  und  der  Arcadia  an  die  Seite  zu  stellen,  An- 
stand nehmen.  Die  vomehme,  galante,  höfische  Haltung 
der  Scud^ri  hat  er  ebenso  trefflich  wiedergegeben,  was 
die  Bedeutung,  die  er  der  Liebe  einräumt,  anbetrifft,  so 
hat  er  sein  \'orbild  an  Einsicht  weit  iibertroffeu,  deim  er 
geht  in  der  Bosemund  nicht  über  die  Darstellung  Ton  rei- 

')  Ziir  Vt'iiUi.sehaiiliL-huiii(  der  Zesenschen  Oitho^rapliic  uml  zur 
B(  riclitii^uui,'  <les  v(»n  (iei  vimis  III,  505  Gesagten  ^be  ich  eine  l*i-ube 
dieser  Schäferpoesie  iu  der  Beilage. 


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—    73  — 

nen  PrivatTerhältnissen  heraus,  und  deshalb  hat  die  Liebe 
und  die  Verliebtheit  hier  einen  Platz,  der  ihr  weit  mehr 

gebülirt  als  dort,  wo  sie  eine  alberne  Rolle  in  der  Politik 
spielt  und  dem  schönen  Geschlecht  vorf^^eredet  wird,  dasz 
es  bei  jedem  Weltereignisz,  bei  jeder  That  jedes  groszen 
Mannes  die  Haaptnrsache  sei.  Was  aber  den  uns  nicht 
empfindbaren  Keiz  der  Scuderischen  Romane,  das  Ver- 
steckenspielen mit  der  zeitgenössischen  W'irkiiclikeit,  anbe- 
langft,  80  gilt  dies  ganz  sicher  auoh  von  Zesens  BoBemond. 
Eine  Anzahl  von  Stellen,  namentlich  die  fettgedruckten 
ge^en  das  Ende  im  letzten  Gespräcli  .Marklndds  mit  seiner 
Geliebten,  sind  oöeubai*  Anspielungen,  und  vieles  trägt 
deutlich  allen  Anschein,  dasz  es  nur  als  solche  von  In- 
teresse seih  konnte.')  Deutsch-national  ist  die  an  einzelnen 

*■)  Der  znkiiiittiirt-  Bio^rapii  Ztsciis  wird  iiher  das  LifltesvtT- 
hiilniisz  des  iiitercs.'antcu  MauiU'S,  welches  dm  tliatsiicliliclu'n  K»  rn 
des?i-n,  was  er  in  verscliiedeiu'n  Schritten  Y<in  Hi)St  ii»und  und  zu  ihr 
sairt,  bildet,  und  welches  hekaiintlich  von  seinen  Zeiti^cnnsst  ii  wieder 
wenii^er  ]»oetisf;h  als  klatschsüeliti«^  ausj^esehinückt  wurden  ist,  y^enauere 
nnd  auf  uinfaii!:i;^reicüt'res  Material,  als  in  den  Handbüchern  anjfegebt'U 
und  von  mir  benutzt  worden  ist,  j^entützte  Untersuchungen  zu  machen 
haben,  tleun  ohne  Zweifel  spielte  dieses  LiebesverhältniflE  in  Zesens 
EntWickelung  als  Xenseh  und  Sduriftsteller  eine  bedeutende  RoUe. 
Ich  muBz  mich  hier  damit  begnügen.  Folgendes  als  wahncheinlich 
hinzustellen.  Dasz  Zesen,  ehi  Mann  von  «ehr  bewegUdiem  Tempera- 
ment, groszer  Eitelkeit  nnd  einer  in  seinen  Schriften  deutUch  hervor- 
tretenden Neigung  zur  Galanterie,  verscUedCBe  LiebesverhSltnisse 
gehabt  haben  wird,  dasz  er  aneh  vorflbei^hende  Liaisons  mit  hüb- 
schen Vertreterinnen  des  weihlichen  Geschlechts  ans  niederen  Schichten 
der  Gesellschaft  nicht  ganz  wird  verschmftht  haben,  gehOrt  nalner 
Keinnng  nach  zu  den  Dingen,  die  auch  ohne  urkundliche  Belege  als 
Thatsaehen  anzosehen  sind.  Ss  steht  so  Hast  wie  irgend  ein  Ergebnisz 
historiseher  nnd  philologischer  Kritik,  dasz,  wer  ans  eigener 
Nator  gegen  aUe  Damen  ans  besseren  Ständen  galant  ist,  auch  httb- 
sehen  Kellnerinnen  nnd  dergleichen  ire^enüber  „gespaszi^^"  zu  sein 
pflegt.  Wenn  also  ang^enommen  werden  darf,  flasz  Zesen  den  vielen 
verschiedenen  Klatschereien,  die  sich  bei  Zeitgenossen  nnd  wenig 


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Stellen  hervorbi'echende  Getuhlsinuigkait  und  die  sterbe* 
blaoe  Sentunentalitätt  aber  in  rem  nnertcftglidier  Wete 

i&t  dies  alles  von  dem  Modekram  der  Zeit,  von  den  ttbeiv 
aus  laugen  Beschreibungen,  überwuchert!  In  epischer  Form 
kommt  die  Darstelliuig  der  LiebesleidenBchaft  Mar  nicfat 
zn  ihrem  Recht,  wir  haben  eine  Dichtung  mit  erotischem 
Motiv  vor  uns,  aber  keine  Erzähhing:  von  der  Liebe  wie 
in  Euriolus  und  Lucretia,  Rousseauä  Julie  uud  Goethes»  Wer* 
ther,  nur  einzelne  lyrische  Motive  gebende  Situationen 
der  Liebenden  wirken  poetisch,  neun  Zehntheile  ihrer  Ge- 
spräche selber  sind  Exercitien  in  der  Complimentirkuust. 
Dasz  die  Erzählung  durchaus  klar  und  durchsichtig  sei^ 
kann  nicht  geleugnet  werden,  aber  dies  ist  nur  die  Folgo 
ihrer  düiftigen  Einfachheit  Da  wissen  die  Verfasser  der 

Späteren  über  diesen  Punkt  finden,  wirklich  Anlasi  gegeben  bat, 
moBS  doch  hiervon  die  Frage,  wer  jene  Bosemimd  gewesen,  {retrennt 
werden.  Es  ist  aber  sehi*  schwer,  aicb  In  dieser  Lieblingafignr,  die 
anch  in  der  Assenat  Terbenlicht  zu  werden  ucheint,  eine  «Jongemagd* 
oder  eine  Wäsclierin  sn  denken.  Zeseu  widmet  ihr  Lysander  nai 
Kaiiate,  er  macht  sie  zur  Han])tfie^ur  der  I(o!<iemund,  er  kommt  an 
verschiedenen  Stellen  auf  sie  zurück,  er  giebt  ihr  eine  Stelle  in  «Um 
Rahmen  des  Kosenmands,  an  eine  flüchtige  Liehschaft  ii^t  somit  nicht 
so  denken,  und  was  sollten  den>fleicliea  schrifitstellerische  Complimente 
einem  3lä(lcJien  ans  nnteren  Ständen  oregenttber?  Was  ilire  jahrelange- 
Wiederholung,  wenn  es  sich  so  verhielt,  wie  die  Clegner  Zesens  an- 
nahmen, oder  die  ganze  Gtesoliichte  eine  Flunkerei  war?  En  ist  kein 
Zweifei  möglicli,  dasz  ein  groszer  Kreis  von  Eingeweihten  vorhanden 
war,  welche  die  zahlreichen,  deutlichen  und  nur  als  solche  einen  Zweck 
hfll>enden  Anspielungen  zu  deuten  wnszten,  und  bei  diesen  hütte  sich 
Zesen  doch  nur  wiederholt  lächerlich  gemacht.  Sollte  vielleicht  der 
Verfasser  des  Pamphlets  »Juris  eonsulti  Nicolai  Beckuianni  ad.  V.  C. 
Severin  Wildschütz  cet,  epistola",  welcher  gut  und  direct  unterriobtet 
seheint  uud  von  der  Wäscherin  uud  .Tungenniagd  nicbt.s  weisz,  mit  »einer 
Rosina,  der  Tochter  eiues  Adrian  Tutzenhof,  die  rechte  Rosemund 
bezeicJmet  haben  und  die  (.Teschichte  von  der  Wäscherin  oder  .Tuugen- 
magd,  der  zu  Ehren  die  adriatische  Eosemund  eutstandiiu,  auf  einer 
Combinatiou  meiirerer  LiebesTerhältnisfle  beruhen? 


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—  7a  — 

«Heil  Rifeterbicto,  da  wdM  WieknA,  da  wimes  di» 

Amadisverfasser  doch  ganz  anders  zu  erzählen,  Aveil 
sie  wirklich  episclie  Stoifmassen  bewältigen.  Wir 
fc^niif^ii  schliefloEck  wagtn,  dasi  ^teshal^  durch  Zo86B0  Bo* 
seniind  kein  Fortaehritt  ia  dar  Kmitl  der  erdiebteteii 
£rzahlimg  bei  uns  vermittelt  worden,  weil  er  sieh  mit 
edaem  vorzagweiwr  aa£  die  Auffaasttiig  und  Daratelluii^ 
daa  AeiflaeriidheB  garicktetea  Talente  and  in  einer  im 
Aeuszerlichen  aufgehenden,  funuenseligcu  Zeit  liier  einea 
Slof  wählte^  der  eine  weder  von  seiner  Individualität  uock 
▼an  dem  Geecbsack  nnd  der  Knnstübang  seinar  Zeit  m 
erwartende  Stärke  in  der  Daratellnn^  dee  inneren  Ge- 
mütliälebeus.  der  ei'zähleudeu  Behandlung  der  Pl^siologie 
der  Leidensehafty  erfordert  Mite. 

Sekr  viel  anders  stdlten  dck  die  stofflichen  Voraus- 
setzungen bei  der  Assenat.*)  Die  epische  Ausgiebigkeit 
des  Stolieä  springt  hier  schon  dadurch  in  die  Augen^  daäz  uns 
in  Dentsehiaad  aUein  von  Zeaen,  G-riaunelshausen  nnd 
Melander  Behandinngen  in  Romanen  Torliefen. 

Griiinnelshausens  Josef  kennt  Zei>en  genau,  er  zieht 
ihn  oft  in  den  Anmerkungen  an,  wo  er  ihm  Ungenauigkei* 
ten  in  gelehrten  Einaelheiten  nnd  willkfirliehe  Abweichung 
gen  von  den  Quellen  vorwirft.  (8.  353,  394.  4u4,  425,, 
434,  442  u.  s.  w.)  Grinuaelskausen  wollte  sich  nicht  un- 
gestraft „dichte  Kappen  geben^  lassen  und  antwortete  aaf 
Zesens  Kritik  im  I.  Theil  des  Vogelnestes  CSap.  Was 
er  zu  seiner  Vertheidigung  gegen  den  Vonn'urf  der  Un- 
genaaigkeit  sagt,  ist  treilich  und  beweist,  dasz  er,  obgleich 
aicher  nicht  so  gelehrt  wie  Zesen,  doch  mehr  gesunden 


^)  Zaent  Amleidaa  1690.  S».  —  Feraer  Nttrab.  1679L  SP. 
Narnb.  167a  ^. 


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—    76  — 


Verstand  besasz  und  ttbw  die  hktorisdie  Glaubwürdigkeit 
der  Quellen  weit  vemflnftiger  und  kritischer  dachte.  Die 

Uebt^rleofenheit  seines  gesunden  Geschmackes  zeigt  sich 
auch  in  dem  Yüiwurle,  dasz  2^äeu  üeiue  Heldin  zu  einer 
halben  Nonn  mache.  Wenn  er  aber  sagt»  daaz  die  Asee- 
nat  Zesens  nicht  yiel  mehr  in  sich  halte  als  sein  Josef 
und  mit  diesem  ausgezogenen  Federn  ausgeziert  oder  viel- 
mehr vermummt  sei,  so  geht  er  ans  verleUster  ächrütsteller- 
eitelkeit  zu  weit^  da  das  Werk  Zesens,  obwohl  er  sei- 
nem «iiüszeren  Vorf^äugei".  wie  er  selbst  anp^ibt,  Einzel- 
heiteu  abgesehen  hat,  dennoch  ein  durchaus  selbständiges 
genannt  zn  werden  verdient  und  schon  durch  Heranziehung 
der  alten  „Historia  Asseneth^«  die  Grimmelshausen  un- 
bekannt war,  nicht  wenig  neuen  Ötotf  gewonnen  hat.') 

Zesens  Assenat,  die  allerdings  ebensogut  und  viel- 
leicht besser  den  Titel  Josef  tragen  könnte,  stellt  den 
Htolt'  in  folgender  (iliedei  iiiig  dar.  Als  Josef  von  den  Is- 
maeliteUi  so  beginnt  das  erste  Buch,  nach  Memüs  gebracht 
wurde  und  dem  Könige  üelirem  wegen  seiner  groszen 
Schönheit  zum  Geschenk  gegeben  werden  sollte«  erregte 
sein  bloszer  Anblick  unter  dem  weiblichen  Geschlechte, 
zumal  unter  dem  königlichen  Frauenzimmer,  eine  so  plötz- 
liche und  heftige  Liebesflamme,  dasz  der  alte  König,  wel- 
cher von  den  sich  ihm  hierdurch  eröliiienden  Aussichten 
nichts  N\  eniger  als  angenehm  berührt  ward,  das  getäluiiche 
Geschenk  zurückwies.  Josef  wurde  daher,  da  die  Kauf- 
leute nach  Nubien  Weiterreisen  muszten,  von  ihrem  An- 
fühier  Musai  im  Hause  eines  Kaufmanns  zuiückgelasseu. 

*)  Die  St«Ue,  wo  (Trimmelaliansen  von  der  Assenat  sai^rt,  dass 
de  dem  Josef  «angedichtet''  worden  T Vögeln.  I.,  ir>  bei  Kurz.  S.  392.), 
Ifüt  niclit  etwa  so  za  verstehen,  als  ob  er  das  Vorkommen  dieses  Ka- 
mena  in  der  Bibel  (Gen.  41,50)  abersehen  hfttte. 


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—    77  — 


Hille  dwt  eiaen  Besuch  macheDde  Jungfrau  vom  Hofe 
unterrichtete  ihn  dowohl  von  der  Ursache,  aus  der  der 

Konitr  ihn  nicht  am  Hofe  zu  haben  wünschte,  als  auch 
Uber  die  Üeschafi'enheit  und  den  Ursprung  des  Nils. 
Auszerdem  erfuhr  er  von  ihr,  dase  dem  Fürsten  Potiüar 
nach  längerer  Zeit  unfruchtbarer  Ehe  eine  Tochter  sei  ge- 
boren worden,  welche  er  zu  Heliopel  dfin  Sminengotte 
geweiht  erziehen  lasse.  Denn  in  Bezug  aul'  sie  sei  ein 
Orakel  gegeben  worden: 

Imfal  man  dieses  Kind  mir  heiligt  straks  itzund: 

so  wird  es     wan  der  Niel  ist  zwantzigmal  ^resticgea  / 
in  eines  J?'rcindeii  anir  aul's  höchst'  erhöhet  liegen. 
Egipt^  /  schikke  dich  zu  ehren  beider  mund. 

Die  Dame  konnte  die  äuszeren  und  inneren  Vorzttge 
der  damals  achtjährigen  Assenat  nicht  genug  loben,  und 
Josef  verdiente  sich  ihi'en  besonderen  Dank  dadurch, 
dasz  er  die  bisher  unklar  gebliebene  zweite  Hälfte  des 
GM^tterspruches  dahin  deutete,  dasz  das  Mädchen  in  ihrem 
zwanzigsten  Jalire  einen  Ausländer  heiiathen  und  dadurch 
zu  hohen  Ehren  gelangen  werde. 

Im  zweiten  Buche  erfährt  die  Piinzessin  Nitokris 
Ton  der  Jungfrau,  was  diese  von  Josef  gehörte  desgleichen 
erzählt  ihr  ein  am  Hofe  angekommener  Palästinenser  die 
Vorgeschichte  Josefs.  Das  auf  Assenat  Bezügliche  aus 
den  Beden  Joseis  wird  dieser  mitgetheilt  Zwei  Träume 
der  Prinzessin  und  der  Jungfrau  finden  durch  Josef  ihre 
Deutung  auf  die  seiner  in  der  Folgezeit  harrenden  Ge- 
&hren,  ohne  dasz  er  jedoch  die  Betheiligung  seiner  Per* 
soti  daran  vorausweisz,  und  werden  noch  durch  einen  ähn-^ 
liehen  Traum  der  Assenat  bestätigt 

Der  Hauptinhalt  des  dritten  Buches  ist  das  Verhält- 
nisz  Joseis  zu  Potifars  junger  zweiter  Prau  Bohra,  die 


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—   78  — 


älm  ka«ft.  Zehn  Jahre  hkibt  Josel  m  Hmne  des  Fttrü» 
md  Gegenstand  der  Leidensehaft,  die  Zesen  «aveii^leidH 

iich  besser  und  feiner  schildert  als  die  anderen  Bearbeiter 
desselben  Stottes.  Auch  der  Charakter  und  das  Verhalten 
Josefe  in  dieser  Lage  ist  lobf»i8werth  dorehgeHUui,  da  ihn 
.Zesen  ebensowenig  scUechtfadn  mempflndUcfa,  wie  die  Bb- 
fira  schlechthin  siniilich-wollttstip:  darstellt. 

Das  vierte  Buch  erzählt  zunächst  den  Tod  der  Se- 
fira,  «ine  Wendung,  über  welche  C^olevios  sdnr  richtig 
bemerM:  ^Diesen  Verianf  bat  kein  Uosser  Ransch  der 
Sinne.  Zesen  schwebte  ein  tieler,  aufzehrender  Seelen- 
kampf vor,  den  er  nur  bei  der  »Sprödigkeit  des  damaligen 
Stiles  nicht  deutlich  darlegen  konnte."  Josef  lernte  im 
Gefftngniss  die  Stemenknnst  nnd  gewann  die  Gmrat  des 
Gefönjrniszmeist^'i's.  Als  der  schon  friiher  zum  Nachfolger 
des  Krzbischofs  von  Heliopel  bestimmte  Fotüar  diese 
Würde  erlangte,  blieb  zwar  Jos^,  obgleich  jen^  Ton  sei- 
ner Unschnld  Abersengt  war,  im  G«föngnisz,  da  kein 
Aufsehen  jremacht  werden  s(»llte.  jedoch  bald  trat  durch 
die  Träume  Xefrems  die  hekannte  gitickliche  Wendung 
seines  Geschickes  ein.  Josefe  Erhebung  gab  Anlasz  zu  den 
glänzendste  Festen,  welche  ansitUniich  beschrieben  wer- 
den und  hei  denen  durch  eine  Wasserkunst  ziemlich  derbe 
-Späsze  mit  den  Damen  zur  Ausführung  kommen. 

Im  fünüen  Buche  bereist  Josef  das  Land,  nm  sich 
über  dessen  Beschafienheit  nftber  zn  nnterrtditen.  Jetat 
erst  tritt  Assenat  ntehr  in  den  Voixlergrund.  Josef  kam 
nämlich  nach  Helioj)el.  und  da  Potifar  bereits  an  eine 
Yerm&hhmg  s^ner  Tochter  mit  iluB  dax^te,  empfing  äe 
ihn.  Er  aber,  dessen  Erfohrnngen  ihn  dem  weiblichen 
Geschlechte  nicht  grade  genei<rt  gemaclit  haben  nniszten, 
wies  den  daj^eboteuen  Kusz  hart  zurück,  indem  ei*  von 


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—   79  — 

einer  GOtsendieneriii  nicht  bertthrt  werden  wolle.  Doch 

legte  er  der  Niedergeschmetterten,  auf  die  seine  Erschei- 
Aang  den  anflzerordentMchsten  Eindmck  gemadit,  segnend 
die  Hand  anf.  Wfthrend  nun  Joeef  sniftehst  weiter  reiste, 

bekelirte  sich  Assenat  zu  dem  wahren  Gotte,  ein  Engel 
erschien  ihr,  und  Wanderzeichen  begleiteten  und  unter* 
stützten  ihre  innere  üntwandlung.  Als  Joeef  auf  der 
Rftckreise  von  dem  Vorgefallenen  erfhhr,  schwieg  er  m- 
Bächst  noch,  in  Memfis  aber  theilte  er  dem  Könige  seine 
Absicht,  Assenat  zar  Gemahlin  zu  nehmen,  mit.  AVie 
schon  zn  denken  ist,  war  man  aUerseits  bald  einig.  Nach- 
dem Josef  nocli  mt^lirere  Keisen  gemacht,  die  zn  genaiu^i 
Beschreibungen  Anlässe  bieten,  fand  zn  Memfis  die  eigent- 
liche Yerlobnngsfeier  statt,  bei  der  zugleich  die  sieben 
Gespielinnen  Assenats  sieben  Unterbeamten  Josefs  ver- 
sprochen wurden. 

Zn  An£uig  des  sechsten  Buches  findet  die  natürlich 
sehr  prunkrolle  Hochzeit  statt,  an  der  sich  anch  Nitokris, 
die  stets  Josefs  grosze  Gönnerin  gewesen  war.  mit  einem 
Libischen  Prinzen  verlobte.  Die  inzwischen  eingetretenen 
sieben  ietten  und  die  darauf  folgenden  sieben  mageren 
Jahre  zeigen  uns  nnn  Josef  in  seinem  Glänze  als  Finanz- 
mann  und  I^olitiker.  P'erner  treffen,  was  ganz  nach  der 
Erzählung  der  Bibel  wiedergegeben  wird,  Josefs  BrMer 
und  in  der  Folge  sein  Vater  Jacob  in  Aegypten  ein.  Mit 
zwei  Briideni  Josefs  in  Verbindung  beschlosz  nm  diese 
Zeit  der  älteste  königliclie  Prinz,  Assenat  zu  entführen, 
bei  der  miszglttckten  Ausführung  der  Schandthat  von 
Benjamin  tödtlich  vemnndet,  starb  er  bald  darauf,  und 
sein  Vater  Xefrem  folgte  ihm  aus  Kummer  nach,  so  dasz 
sich  Josef  genöthigt  sah,  für  den  noch  im  jSäugiiugsaitei* 
befindlichen  Tlux>nfolger  die  Begiemng  zu  Übernehmen. 


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—    80  — 


Docb,  für  Joselis  persönliches  Glück  wenigateiui,  noch 
schlimmere  Folgen  hatte,  wie  das  siebente  Bnch  berichtet^ 

der  Zwischeiitall.  Assenat  war  in  Folge  des  gehabten 
Schreckens  krank  geworden,  und  nun  siechte  sie  langsam 
dahin.  Alles  beklagte  ihren  Tod,  da  sie  namentlich  ii 
ihrer  letzten  Lebenszeit  eine  ausgebreitete  Wohltliätigkeit 
entfaltet  hatte.  Auch  Jacob  starb  jetzt  und  ward  in 
der  Weise,  wie  es  die  Bibel  erzählt,  begraben  and  be- 
weint. Auch  im  hohen  Alter  bewies  Josef  noch  seinen 
Verkleinerern  zum  Verdrusse  seinen  rüstigen  Geist.  Nach- 
dem er  noch  durch  die  Nachricht  von  dem  Unglück  seines. 
Verwandten  Hieb  betrübt  worden  und  den  Seinigen  über 
die  Zukunft  geweissagt  hatte,  auch  dem  König  eine  schrift- 
liche Anweisung  über  Kegierungsangelegeiüieiteu  über- 
geben, starb  er,  von  Aegjptem  und  Israeliten  gleich  tief 
betrauert 

Der  Meinung  von  Cholevins,  welcher  die  Assenat  un- 
ter den  uns  erhaltenen  Zesensclien  Komanen  am  höchsten 
stellt,  ist  unbedingt  beizupflichten.  Sie  war  eine  Frucht 
jahrelanger  Arbeit  und  —  nach  Zesens  Art  —  gründlicher 
Vorstudien,  er  weist  schon  imKosenmänd(165r)  ant  sie  hin.'} 
Wenn  wir  zunächst  einen  Blick  auf  seine  (Quellen,  die 
ihm,  wie  oben  bereits  bemerkt,  epischen  Stoff  in  Fülle 
boten,  werfen,  so  sind  diese  nach  seiner  eigenen  Angabe 
im  Vorworte  auszer  dei*  Bibel  Athanasius  Kirchers  Schrif- 
ten, zumeist  aber  die  Geschichte  der  Assenat  und  der 
letzte  Wille  der  zwölf  Erzväter.  Er  meint  mit  den  zwd 
letzten  die  „Historia  Asae^iethf  filiae  Potipharis,  uxorii^ 
Josephi^  und  die  „Testammta  XII Flatriarcharwn*^,  welche 
Ton  Boherius  Chrossetest,  episcopuß  Lincolmenm,  coad- 


*)  Seite  159. 


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—    81  — 


jwjwnte  magktro  Nicoiao  Oraeeo,  derieo  (Matis  8t, 
htmif  1949  ins  Lateinische  ttbertrag;«!  worden.  Za  dieeen 

Quellen  würde  noch  Ferrante  Pallavicinis  Giuseppe  ge- 
kommen sein^  wenn  er  Zesen  bekannt  geworden  wäre. 
Dies  scheint  aber  nidit  der  fall  gewesen  za  sein,  so  leieht 
es  an  sich  möglich  war,  da  PaDavidni  schon  1644  hinge- 
richtet wurde  und  seine  Schrilten  in  Deutscliland  viel  An- 
klang fanden,  denn  auszer  seinen  üomanen  ISansoue  und 
Taliclea  ersehi^ien  noch  „Aosaerlesene  (satirische)  Werke^ 
nnd  ,,Valcani  Liebesgam**  in  deutscher  Sprache.')  Zesen 
erwähnt  aber  Pallavicinis  Guiseppe  nirf^ends  und  würde 
sich  in  der  Stelle  der  Vorrede,  wo  er  seine  (Quellen  nennt, 
^er  argen  Unredlichkeit  schuldig  machen,  wenn  er  ihn 
benützt  oder  anoh  nur  gekannt  hfttte.  Die  Vergleichung 
mit  der  Assenat  lelirt  auch  nicht  allein,  dasz  Zesen  einen 
solchen  Verdacht  nicht  verdient,  denn  8tüll,  Disposition, 
Stil  und  Ausführung  des  fiinselnen  sind  ganz  rerschieden, 
sondern  auch,  dasz  der  Deutsche  sls  Erz&hler  und  Stilist 
weit  über  deui  Italiener  steht,  den  er  später  aüerdinfrs  ken- 
nen gelernt  und  im  Simson  sehr  zu  seinem  iScliadeu  nach- 
geahmt hat 

Aus  den  Schriften  des  gelehrten  Jesuiten  Kircher 

nahm  er  das  antiquarisclie  Beiwerk,  die  zwei  anderen  lie- 
ferten ihm,  obwold  er  an  iluer  historischen  Glaubwüidig- 
keit  kritiklos  festhielt  —  er  habe  die  nackte  Wahrheit  ge- 
schrieben —  nur  den  rohen  Stoff,  den  zu  gestalten  und 

lebendig  zu  machen,  keine  kleine  Aufgabe  war,  zugleich 

*)  Die  Auszeii.  Ww.  Freyenwalde  bei  (rottiirt  Treuniaun  lf5f)3. 
8.  Vulcaiii  Liebes^i^arn,  übers,  v.  F.  von  \Vützenst«  iii.  Niiriib.  Kiüy. 
Vergl.  Catalo^f.  bitt.  sei.  cet  quam  .  .  .  colleirit  et  adoiii.  B.  J.  J. 
Schwabe.  Lii^s.  I7S5.  In  den  Aiueii.  \\'w.  ist  SauBoue  u.  TaUdea 
nicht  enthalteiL 


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82 


aber  evruig  ihn  die  Masse  des  Steifes,  ein  wiriüich 
selits  Werk  so '  TersnlageB,  md  dies  war  sefai  GlQck, 

denn  nun,  da  er  erzählen  nuiszte,  zeigte  er,  dasz  er  es 
iBonaite,  was  in  der  AoseuLund  ganz  uad  gar  nicht  gesoh^ 
hen  war.   Die  sebr  sablreiclM  AiwspriningfB/)  wddM 

dem  Romane  nachfolpeu,  beweisen,  wie  em^it  er  sich  die 
Vorstudien  zu  demselben  hat  angelegen  sein  lassen.  Von 
der  in  der  Eoseninnd  so  s^  übertriebenen  Sentimentatilit 
ist  in  der  Assenat  wenigstens  nicht  so  viel  cn  merken, 
dasz  sie  unangenelim  wirkte,  nur  seine  Neigung  zu  den 
Ätherischen,  sterbeblanen,  £ur  diese  Welt  zu  guten,  xeitig 
dahinwelkenden  —  die  Heldin  stirbt  im  Alter  ron  drd« 
unddreiszig  Jaliren  —  Frauengestalten  tritt  auch  liier 
hervor,  und  die  Gelühiiiauäbräcke.  dei*  in  Alt'ect  beändli- 
ehen  Personen  fallen,  weil  er  sie  zn  viel  selber  reden 
läszt.  ans  dem  epischen  Stil  in  den  lyrischen  oder  andi 
rhetorischen,  aber  man  musz  aiitikennen.  dasz  auch  die 
sentimentalen  Motive  in  der  Assenat  mehr  zar  wirklichen 
Darstellong  gelangen  als  in  der  Bosenmnd,  wo  man  grade 
an  solchen  Stellen  nur  das  Mehrwollen  hinter  dem  Wenig- 
können heivorblicken  sieht.  Wenn  man  nicht  durch  den 
höchst  verschrobenen  Stil  des  Simsoo  anf  die  kurzen  Sätze 
Zesens  schon  mit  etwas  Misefallen  bücken  gelernt  hat, 
so  fallen  sie  in  der  Assenat  wohl  nicht  grade  übel  auf, 
jedentalls  sind  sie  den  endlosen  verschachtelten  Perioden 
der  Zeit-  und  Fachgenossen  Zesens  mir  zu  ihrem  Yortfaeii 
an  vergleichen.  Doch  darf  man  auch  in  der  Assenat  die 
Theüualmie  Zevens  au  den  Modeerfordeniissen  eines  üo- 


')  Die  mir  vorliegende  Ausf^ahe  von  1672  (aus  der  Kngl.  B.  rn 
Breslau)  hat  die  ^kurtEböndigea  AnmArkiuigea''  vou  Seite  346 — 6SS» 
ygl.  Clioleviua  S.  91. 


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—   8S  — 

maus  jener  Zeit  und  überhaupt  die  A'erwandtscliaft  dieses 
A\'erkes  mit  den  iK  i  oiscU-galanten  Homanen  des  XVII. 
Jahrhmidertg  nicht  yerkenneii.  Dasz  er  sein  Weric  nicht 
mit  80  vielen  Kriegen,  Schlachten,  VersohwOrangen  nnd 
Entführungen  aussclnnückt  wie  die  ancU^rn  Ronianschreiber 
der  Zeit  —  denn  auch  Assenats  Entliihiung  giebt  die 
Quelle  —  mag  Ihm  zim  Verdienste  angerechnet  werden, 
aber  es  lag  dies  doch  in  seinem  Steif,  von  dem  er  nicht 
abweichen  zu  dürfen  ofhuibte,  und  im  Simson  liat  er  das 
Seine  im  Heroischen  j^eleistet.  Was  dagegen  die  „Zier- 
nnd  Höflichkeit^  der  Ckmversation  anlangt,  so  stehen  die 
Ihr  dienenden  Ahschnitte  ganz  anf  dem  Niveau  des  Zeit- 
romans, und  \m  den  beschreiben<b'n  Partien  jrilt  dasselbe, 
man  liat  dabei  das  Gefühl,  dasz  der  Verfasser  no<  li  viel 
dergleichen  auftischen  würde,  wenn  er  nicht  durch  den 
Stoff,  dem  er  immer  mit  einer  gewissen  Ehrftircht  gegen- 
i'ibersteht,  zum  Ki  zählen  gezwung:en  wäre.  Was  Cholevius 
Über  die  Sprödigkeit  des  Stiles  sa^:t,  habe  ich  schon  als 
treffend  anerkannt,  aher  man  soll  sidi  hierbei  ermnem, 
dasz  die  verkehrte  Geschmacksrichtung,  der  sich  Ze- 
sen  aus  Ehrbegierde  nicht  zu  entzielien  vernioclite,  hiei-au 
sdiuld  ^var,  man  kann  fragen :  Hat  (h'nn  Grinunelshausen 
einen  spröden  Stil?  Dieser  ist  eben  das  einzige  wahre  Genie, 
dem  wir  auf  unserem  Gebiete,  im  XVII.  Jahrhundert  be- 
gegnen werden,  und  man  tliut  dem  Groszeren  Unrecht, 
wenn  mau  den,  der  sich  über  die  Mittelm&szigkeit  etwas 
erhebt,  zu  hoch  schätzt 

In  der  Vorrede  zur  Assenat  sagt  Zeeen,  wenn  dieses 
AVerklein  angenehm  sein  werde,  so  solle  sein  Moses  und 
Simson,  auf  eben  dieselbe  AVeise  beschiiebeii,  folgen.  AVie 
es  mit  der  Abfassung  des  Moses  geworden  ist,  wissen  wir 
nicht  mit  völliger  Sicherheit,  weder,  was  wahrscheinlich, 

6* 


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—    84  — 


ob  sie  unterblieben*);  oder  ob  dieser  Koman  nicht  ge- 
drnekt  oder  bisher  verhireB  sei.  So  viel  ist  aber  gewisi, 
dasz,  fjftlls  der  Moses  dem  Sunson*)  fthnlich  gewesea  ist, 

w  ir  nicht  viel  an  ihm  verloren  haben.  Man  kann  von  die- 
sem Werke  Zesens  sagen,  dasz  sich  der  nunmekr  gealterte 
Dichter  nur  in  seinen  Fehlem  und  Absonderlichkeiten  ge- 
reift zeigt«  sein  Talent  und  seine  geistige  Beweglichkdt 
aber  sich  so  wenig  bemerken  la,ssen  wie  die  Voi-züge  sei- 
ner früheren  Werke,  namentlich  der  Assenat  Eine  aus- 
führliche Analyse  des  Simson  nnt^rbleibt  fttglich.  Zesen 
beginnt  mit  dem  Zeitpunkte,  wo  sich  der  Held  in  die 
Timnatterin.  seine  erste  Frau,  verliebt,  die  Vorgeschichte 
Avird  nach  der  bei  ihm  feststehenden  Methode,  die  sich 
nicht  blos  hier  in  ihrer  mechanischen  Aeoszerlichkeit  dar- 


Kobentein  (II,  S.  184.  Anm.  21.)  schlieszt  allerdings  aus 
einer  Stelle  in  Joachim  Meiers  Vorrede  zu  seinen  «Dnrchlaachtigsten 
Helnfteriiuien  Jiska  n.  8.  w/,  dass  Zesens  Moses  wirklich  erschienen 
seL  Sie  lautet  «Philipp  von  Zesen  hat  In  seiner  Assenatfa,  Moses  nnd 
Simson  gleidiüüls  einen  Versneh  thnn  woUen  (Uldisehe  Materien  in 
Bomanen  m  behandeln):  Aber  seine  Erftndnngen  seynd  so  elend  nnd 
PQbelhafft,  ohne  Abwechselnngen,  Anmnth  nnd  Verwimingen,  dass 
man  anch  wohl  eines  Ck>ridons  amonr  geschickter  nnd  anstindiger, 
als  dieser  grossen  nnd  berfilunten  Lente  auffahren  können/  Diese 
Stelle  beweist  aber  naeh  meiner  Meinung  nichts,  als  dass  Aeler  die 
Stelle  der  Vorrele  der  Assenat  gekannt  Ebensowenig  hat  die  An- 
fllhning  dos  Moses  bei  Jöcher  (IV,  3194)  etwas  zu  bedenten,  da  sie 
den  Stempel  grosser  Flüchtigkeit  trägt.  Zedier  führt  den  Moses 
unter  den  Schriften  an,  die  Zesen  geplant,  die  aber  nicht  erschienen 
seien,  was  sehr  entseliieden  durch  das  Fehlen  des  Moses  in  dem  Ton 
31<»ller  (Cinibria  lit.  II.  102*2)  nnd  Jördens  benützteu  Vei-zeichnisse 
Ze?ienscher  Schriften  vou  Gabler  und  die  Aufführuna:  desselben  durch 
3Iu]ler  unter  den  von  Zesen  in  seinen  erschienenen  Werken  ver- 
sprochenen bt  stiitii^'t  wird.    Veri^l.  aucli  l'liolevius,  Vurr.  VII. 

*)  Nur  eiunial  erscliicneu  Xürnb.  IfiTU.  S'*.  Den  593  Seiten  des 
Werkes  folgen  noch  189  Seiten  Anmerkungen,  ebenso  Yoll  antiqua- 
rischer Uelehmuikeit  wie  die  zui'  Assenat. 


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—    85  — 

Stellt,  nachgeholt  Im  Uebrigen  efzftUt  er  die  Schicksale 
Simsons  dann  in  der  Reihenfolge,  wie  sie  die  Bibel  giebt 

Auszer  ihr  waren  Josephus  und  der  Simson  des  Ferrante 
Pallaviciui  seine  Quellen.  Leider  zeigt  sich  hier,  dasz 
Zesoi  in  der  Assenat  zn  seinem  Gllteke  dem  Einflasz  die- 
ses Schriftstellers  entgangen  war,  denn  das,  was  er  im 
Simson  durch  den  geistreich  und  blühend  sein  sollenden 
Stil  sündigt,  kommt,  wie  eine  Vergleichung  der  beiden 
Schriftstell^  gemeinsamen  Abschnitte  l^irt,snm  bei  wei* 
tem  grOssten  Theile  anf  Rechnung  des  wahrhaft  wahn* 
witzigen  Bombastes,  den  der  Italiener  zu  Tage  fördert.*) 
Dem  hieraus  entnommenen  Stoffe  fügte  er  eine  nicht  ge- 
ringe Anzahl  von  Episoden  ans  eigener  Erfindung  hinzu,*) 
auf  welche  er  sich  zwar  viel  zu  Gute  zu  thun  scheint, 
denen  man  aber  die  Absicht,  um  jeden  Preis  das  AVerk 
auszudehnen,  gar  sehr  ansieht  Hierher  gehören  die  Schick- 
sale der  Schwester  von  Simsoas  erster  Frau,  welche  Qe* 
genstand  eines  Bntftthmngsyersuches  wird  und  dann  zu 
einem  Löwen  auf  ähnliche  AV^eise  wie  Androclus  in  freund- 
schaftliche Beziehung  tritt,  und  die  Einführung  der  noch 
schöneren  Naftalerin,  deren  PersonalbeBchreibung  Chole* 
▼ins  mit  Recht  als  ein.  Praehtstlick  nach  der  Meinung 
des  Verfassers  ausgelioben  hat,  mit  der  aber  der  Dichter 
schlieszlich  nicht  recht  weisz,  wohin  er  soll. 

Ueber  Zesens  Stil  ist,  aUch  abgesehen  Y<m  den  An-* 


')  Zar  YenuMehaallchiiiig  des  Verhaltnisseg  theUe  ieh  in  ^ 
BeÜagen  den  Absehiütt  mit,  welcher  dem  Yon  CholeTlne  S.  IIS  aus- 
Zehobenen  entspricht. 

*)  YetgL  die  Vomde:  Und  also  hat  mir,  zu  hiesiger  Verfaa- 
nmg  niemand  melir,  als  der  eifwahnte  OeschlehtHclu^iber  de»  Buchen 
dar  Richten  «nd  dan  FlaTtns  Josef  nüt  seinen  Altheiten  (Ut  .luden 
wie  auch  unter  den  neuen  der  berühmte  Wälsche  Schreiber  Ferrant 
PaUaTiaien,  durch  seinen  Simson  Torlenefaten  kOnnen. 


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—    86  — 


giitteu  uiul  Vertheidigungeii,  die  er  sclKtii  von  Zeitgenossen 
ar£BÜu*6B  hat,  bereits  genug  gesagt  wordeoit*)  ^  dasz  hier 
nur  aa  die  Hanpipuikto  sn  enurnem  ist,  ittd  dies  ge- 
schieht am  hasten  hei  sedoeai  letateii  Renane^  der  alle 
Absondeiliclikeiten  mit  Ausuahme  der  urtliogiaphischen 
Sclirulieu,  die  wohl  nicht  aus  Zesens  eigenem  AnU-iebe  im 
^nson  weggeblieben  sein  mögtti,  am  dentUohsten  sdgL 
Zesens  Pnrissiiis  hal  adne  aehtuagsw^rthe  Seite  aJs  Eeae- 
tion  gegen  die  uuertiägliclie  Sprachmengerei  seiner  Zeit, 
und  ist  auch  von  allerdings  Yorübergehendery  aber  doch 
segensreicher  Wirkung  gewesen.  Aber  seine  Ueberstibv 
srang  hierin  und  die  Abgeschmacktheiten,  in  die  m*Terfiel.  vm^ 
dienen  eher  noch  mehr  Tadel  als  stine  ortliographischen 
Neuerungen,  von  denen  vielleicht  die  Hälfte  als  begriar 
det  und  vemOnftag  anauselien  sind.  Die  Yermidie 
Neaerer,  üih  von  dem  Vorwurfe  puristischer  Ue- 
bertreibungen  ;fu  reinigen,  sind  jetzt  als  völlig  ver- 
unglückte erwiesen.  Diesem  Purisnuie  an  die  Seite 
stellt  si<^  die  Neigung,  mit  der  Sprache  gewaltsatt  m 
verfahren,  wdche  sich  in  einer  ganzen  Beihe  von  misa- 
lungenen  ^ieubildungen  wie  d&s-zu  fiir  desto  und  der  8ul>- 
stantive  wie  Beutschinne,  Lustinne,  Kluginaa  u.  s.  w.t 
ftnszert  Aber  er  hat  sieh  in  versehiedeBen  Gapiteln  der 
Grammatik  versucht,  auch  die  Satzlehre  konnte  er  nicht 
in  Kühe  lassen,  und  namentlich  im  Simson  zeigt  er  einen 
ebenso  unversöhnlichen  und  blinden  Hasz  gegen  die  au- 
sanunengesetztenSätze  wie  Gutzkow  in  seinemletztenBoman. 

')  Am  vollstäuditifsten  und  besten  von  Cholevius.  Die  „Wolübe- 
j^rüudt'tc  Bedenksc.hrift  über  die  Zeriwhe  Honderbabre  Abrt  Hoch- 
deutsch zu  Schreiben  und  zu  Reden.  Durfh  Andreas  Danit  l  Habicht- 
koreten."  Hamb.  1678.  H^.  ist  eine  Vertheidlffung'  der  Zesenscheu  (irund- 
sitze.  Vgl.  auch  d«s  Gedicht  vor  der  lüchterschen  Ariana  und 
Schottel.   Ausf.  Arbeit.  Si  12Ü1. 


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—    Ö«  — 

Zteaa  ahnt  IMirig«M,  was  Cflutonis  mclit  beneriot 
zft  kabeii  scheüit,  nemes  EndrtMs  iE^  der  Zuiiiiimeiistol- 

lung  seiner  Däumlinge  von  Sätzen  entschieden  selir  häufig 
den  hebräischen  Parallelismns  der  Glieder  nach,  indem 
er  zwiflohBB  den  stxmistiMh  anfeiiiaBder  lEÜgeadeB  SfttsBeii 
dadoFdi  yrkiBr  einige  YertaintaigT  hmt^H^  daaz  er  imaier 
mehrere  dasselbe  sagen  läszt,  wobei  man  dentlich  die  Afühe 
fiUüt,  die  es  üuil  machte,  jedefimal  ganz  andere  Worte 
md  eine  andere  AMtüdnang:  der  äalaUieäe  an  finden. 

Am  besten,  weil  ohne  Animeeitftt  md  Seandalsaeht, 
urtheilte  unter  den  Zeitgenossen  iiber  Zesen,  wie  über 
nele  andere,  Schottel  in  der  AusilUirl.  Arbeit  8.  1201. 
,^PJiilil^n&  Oaesias  ha4  in  Tmkk  kommiNi  teasen  vleie  «nd 
mancherlei  Poetistiie  Traetätlein  /  aneh  seist  eia  «nd  än- 
derst aus  Frantzosischen  und  Holländischen  ins  Hocliteuts<  he 
abergesetzi,  woraus  wol  abaoa^unen,  dasz  er  der  Teut- 
aahen  Sjpcaolie  meohtig'/  and  aosdevlidi  ioP^yesi  eine  fer- 
tige nieht  nnfiehliche  Art  habe:  AHes  aber  so  vorhon 
entweder  Tent<?ches  Herkommens  ist  /  oder  Tentsches 
Verstandes  aeyn  kann  /  in  anderweites  Untentaches  TeutscU 
aaaetoen;  oder  «nek  die  TentselM  Worte  /  der  Schreibmig 
md  &ß&DiBm  Anlieben  naeh  /  in  eine  andav«  Gestalt  kleident, 
oder  jhnen  das  Kleid  /  worin  sie  überall  kenntlich  tisA 
hergestammet  /  ohn  gr&ndlieha  Ukrsaoh  a;nszielien  /  i»t  ein 
Werk  eigener  Ikfindang  /  ao  sfok  veratiMidigen  Beyi»^» 
wenig  rersÄcheren  kan  •   Zesens  SHl  md  9pnx^ 
der  That  so  leicht  zu  charakterisiren,  dasz  dieses  d«**** 
aaa  aoAieiende  Urthfiil  geäUlt  werden  konnte  (1663), 
•iM  Assenat  and  Sbnson  wla  dne  groaee  Zahl  seiiie>F  an^ 
deren  Sdunften  erschiene»  wam« 

Von  mehr  Wichtigkeit  noch  müssen  füi^  ««»• 
BeBtrkanga»  aen^  die  aioh  ibber  ZeaaA»  L>airsteiIangaWCiB0 


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—   88  — 


insbesondere  als  Erzähler  und  über  sein  Verhältnisz  zu 
dier  Form  leicht  machen  lassen^  in  der  im  XYIL  Jahrhna- 
dert  nns  die  Ghittnng  des  Boraans  entgegentritt»  wenn  wir 
das  Gkinze  seiner  Thfttigkeit  anf  diesem  Gebiete  ttbefbliclmL 
Es  ist  entschieden  zn  betonen,  dasz  wir  in  Zesens  ßoman- 
dichtnng  im  allgemeinen  dnrchaoa  den  An&ng  des  he- 
roisch-galanten  Ennstronaas  vor  nns  haben,  dasz  er  immer 
mehr  nnd  mehr  in  die  Richtnng  einlenkt,  die  die  spä- 
teren Erzeugnisse  dieser  Art  innehalten.  AVir  können  hier 
schon  die  Hauptmerkmale  der  ganzen  Gruppe  sehr  wohl 
walimefamen.  Die  drei  Orig^nalromane  Zesens,  Bosemnnd, 
Assenat  nnd  Simson,  welche  den  Antog,  den  HOhepmikt 
und  den  Niedergang  seiner  schriftstellerischen  Thätigkeit 
und  geistigen  Kraft  durch  den  starken  Abstand  ihres  poe- 
tischen Werthes  scharf  ansdrlUton,  sind  doch  wiederum 
alle  drei  gleich  sehr  Knnstpoesie  in  des  Wortes  engerer 
und  tadelnder  Bedeutung,  die  stets  dann  verwirklicht  ist, 
wenn  die  Beobachtung  der  Xunstregel,  die  Herstellung 
eines  Kunstwerks  nach  einem  bestimmten  StU  oder  eiier 
Manier  als  Zweck  der  dichterischen  Arbeit  sich  Tor  die 
Erzeugung  eines  bestinunten  poetischen  Eindruckes, 
vor  die  unmittelbare  Einwirkung  auf  den  Leser  oder  Hö- 
rer drtngt  Ob  man  letalerea  Hftuptsweok  so  oder  als  den 
Trieb  zur  adftquaten  DarsteUnng  der  in  dem  Dichter  le- 
benden jxjetischen  Anschauungen  faszt,  ist  lür  die  Sache 
gleichbedeutend.  Ueberau,  wo  wir  e&  einer  Dichtung  an- 
merken^  dass  bei  dem  Didhter  das  Wie  seines  Scliiffeiis 
und  das  "Was  nicht  so  snsammenhängt,  dasz  sich  erste* 
res  nur  aus  dem  letzteren  zu  ergeben  scheint,  wo  wir 
merken,  dasz  der  Dichter  meinte^  so  oder  so  rar&hren  su 
mttssen,  nicht  weil  der  Stoff  und  seine  Anschauung  davon, 
sondern  weil  die  Hegel  es  so  oder  so  verlangt,  ,  da  haben 


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—   89  — 

wir  KoBStpoene  im  starengstoi  und  im  bedenkliehaten  Simie. 
Man  kaim  ans  der  Poesie  GMhes  and  Shakeqieares  keine 

Regel  indnctiv  abstrahiren,  die  sich  nicht  aus  dem  auf  die 
Seele  des  Lesers  beabsichtigten  Eindrucke  deduciren  liesze, 
das  einxige  formelle  Fnncip  dieser  eckten  Dichter  ist» 
die  Seele  des  HOrers  in  ilire  Gkiwalt  zn  bekommen.  Was 
dazu  dient,  ist  schön,  ist  künstlerisch  gerechtfertigt.  Kunst- 
mittei  ist  nur  das,  was  ihnen  die  Poesie,  die  in  ihnen 
lebt,  rein  nnd  yoUst&ndig  in  Worten  darstellen  hilft  In 
dem  gansen  heroisch-galanten  Boman  des  XYII.  Jahr- 
liunderts  ist  es  andei-s,  und  bei  Zesen  tritt  dem  geschärf- 
ten Auge  sogleich  die  fehlerhafte  Unabhängigkeit  der 
Knnstgnmdsätae  von  dem  poetischen  Zweck  entgegen. 
Sapere  in  meduu  res  wird  vom  Epiker  gefordert,  folglich 
ist  es  schön  und  musz  executirt  werden,  oh  es  zum  Ein- 
druck des  Ganzen  nöthig  ist.  thut  nichts.  Conversaticus- 
parti^  gekörten  zu  den  staiken  Seiten,  welche  an  den 
Ihmzitaisdien  Bomanen  bewnndert  wurden,  nnd  daher 
stört  Zesen  durch  die  predrechselten  Reden  den  Eindruck, 
den  der  Leser  von  den  in  AÜect  beündlichen  Personen  zu 
erwarten  berechtigt  ist  Ganz  ebenso  yerfa&lt  es  sich  mit 
den  Beschrakongen.  Es  veii^t  nnser  Geftthl^  dasz  die 
Liebenden  in  der  Roseniund  grade  in  der  Zeit  ihres  letz- 
ten längeren  Zusammenseins,  da  die  ihrer  Vereinigung 
feindlichen  Machte  die  dnrfiendste  Haltung  annehmen, 
sich  mit  höfischen  Redensarten  und  ellenlangen  Vorträgen 
über  antiquarischen  Kram  unterhalten.  Dieselben  Fehler 
aber  treten  uns  in  der  Assenat  und  im  Simson  entgegen,  in 
ktaterem  m  ganz  nnertrftglichem  Qrade.  .  Nicht  dasz  dies 
alles  fttr  nns  arge  AnstOsze  sind,  ist  das  ans  hier  auf 
histurischem  Standpunkt  luteressirtiude,  sondern  dasz  es 
Dinge  sind,  die  grade  ihrerzeit  bewundert  und  hochge- 


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—    90  — 


halten  wurden.  Ai  istukraitisdie  Ziererei  und  geschinack- 
k)8&  Cmiotttät,  giade  die  AnswIkekBe,  durch  welche  Zern 
die  Fr&ehte  semee  Talentes  in  immn  Augei  catwerthet 
hat.  sicherten  ihm  ihuiials  den  Platz  in  der  literarischee 
^guteii  GeHeilt^chalt"  imd  machten  ihn  zum  Tonaugeherin 
dem  Gebiete  der  JÜchtong,  dem  eeia»  henrerragendsteii 
Werlce  angehöran. 

Die  Bedeutsamkeit  der  Tiiätijrkeit  Zesens  aher,  und 
dasz  er  ^rade  durch  die  eben  bezeichneten  Chai'aJktei*zhge 
Bttiiar  ächriftstellerei  diese  Bedeateamkeit  enangi  wiid 
ms  erst  recht  klar,  wem  wir,  seine  späteren  Werke  eine 
Zeit  lang  aus  den  Aup:en  hissend,  in  die  Zeit  seines  Auf- 
tretens und  die  Glitte  des  Jahrhunderts  zurückgehen,  um 
canen  Blick  auf  die  ttppige  Saat  m  werfen,  welche  aof 
dem  Ten  ihm  eben  betretenen  Gebiete  henrersprieszte. 
"Wir  bemerken  von  den  vierziger  .Jalu*eu  an  nicht  alk^in 
eine  ungemein  eitrige  Thätigkeit  in  dei'  ii^rzeugung  von 
Unterhaltongslectire  nach  dem  neuen  feinen  Ciesckmaekt, 
sei  es  durch  Uebertmgungen  ans  fremdem  Spraeken,  sei  es 
durch  allerdings  seltene  eigene  Werke  deutscher  Schrift- 
steller, sondern  es  genügt  auch  nm*  wenig  Aufmerksam- 
keit, um  das  Yoirwiegea  aristokralascher  Eknente  dentUek 
wabrziinahmen.  Vomefam  wie  die  Werice  sind  auch  meist 
die  Verfasser,  und  am  thätigsten  sehen  wir  in  der  l^nter- 
stützung  Zesens  bei  seinen  Bemühungen  um  die  vomehme 
Unterhaltnigsliteiatur  daeiienige  Gruppe  Ton  Diohten  nni 
Scfariftstelliam,  welche  ctte  wnelune  Zieserei  am  weitesten 
trieb  und  in  das  Exti-em  kindischer  Tändelsucht  damit  ge- 
nethy  nfluüich  die  JSümbeiger^*)  an  ihrer  &ipita»den  Chor- 
agnn  Harsdteffev. 

*)  Vergl.  J.  Titfmann.    Kleinere  .Schriften.   Erster  TheÜ.  Die 
Nttnibeüger  Dichtenobnle.  CtötUogen  1047. 


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—  yi  — 


SeiDid  i^eliöngkeit  der  vob  Zesen  gesüfteten 
deatschfeBiiuiiteiL  GenoisenacliAft  nod  aein  mit 
Zeaen   in    der  finchtbriiigenden    Gesellschaft  weisen 

üuszeiiicli  auf  diese  Veruaudtschaft  des  Geschmackes  hin, 
die  persönlichen  BezieUiiagen  beider  Aiänner  mögen  durch 
Zesens  Eitelkeit  und  Phantastereoi  allerdivigs  leicht  haben 
gestört  werden  können.') 

Aber  auch  bei  den  Unterhaltmigsschrütstelleru  jeuer 
Zeit,  die  nicht  voll  und  direct  zu  der  Nürnberger  Schule 
gehören,  lassen  sich  Beziehungen  zu  Zesen  nnd  den  Peg* 
nitÄSchäfera  häufig  bemerken,  und  wir  sehen  hier  nebenbei, 
wie  sich  um  die  Mitte  des  Jahrhunderts  und  wenig  nach- 
her noch  die  Yornehnie  Welt  nuch  Mittel-  und  Süddeutsch- 
lands  an  der  Ausbildung  nnd  Anfhahme  des  heroisch-ga- 
lanten Romans  eifrig  betheiligen  zu  wollen  schien,  wäh- 
rend später  durch  die  Weike  des  JBuchhultz  und  seines 
Dnrchleuchtigan  Fachgenossen  diese  Gattung  bei  weite- 
ren Schritten  zu  ihrer  schftrf^n  Ansprftgung  einen  Charakter 
annahm,  der  sie  als  ein  Gew  ächs  des  Nordens  und  Ostens 
unseres  Vaterlandes  erkemien  läszt. 

Es  zeigt  skh  darin  ein  interessanter  Contrast,  dasz 
«ich  grade  neben  Zesen,  dem  doch  &st  von  i^n  Dichp 
lern  des  XVII.  .Jahiluuulerts  Puesie  und  Schriftstellerei 
am  meisten  Lebensberui  und  wirkliche  Herzenssache  war, 
die  Leute  stellten,^)  bei  dane»  sich  die  henrsehende  Zeit- 
ansiclil,  welche  die  Poesie  als  blosze  ▼omehBL-aiist&ndige 
Nebenbeschäftigung  wollte  gelten  la.ssen,  am  schärfsten 
nnd  widerwärtigsten  kundgiebt*   Wenn  sdionk  Oj^tz  und 

^)  Vergl.  Zeltner.    Theairum  tnrorum  erudUormn  unter  Sesen. 

Ein  aus  Utrecht  20.  Dec  1H44  datirtes  Lobgedicht  Zesens  auf  „den 
Spielenden"  findet  skk  im  V.  Theile  der  Gesprechsiitol«  unter  Kro.  XL 
^)  Vergl.  Tittuum  S.  28.  Viele  Bmivngetk  wxa  Zeeea  «Mit 
im  Fiygiez  Aeness. 


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—    92  — 

seine  nftchste  Umgebung  die  Poesie  auf  yornehmey  gelehrt- 
höfische  Weise  ansznftben  sich  hemOhten,  so  stellten  sie 

sich  doch  noch  nicht  als  voniehme  Leute  der  Poesie 
gradezu  herablassend  gegenüber  und  blieben  fem  von  dem 
ebenso  bmtalen  wie  Mvolen  Dünkel^  der  da  meint,  das 
Edelste  und  Schönste  sei  grade  gut  gemg  zum  vSpielzeng. 
Diese  Wendung  zu  nehmen,  war  den  Nümbergerii  vorbe- 
halten. Der  durchg^endste  Gharakterzng  in  Harsddrtfers 
Schrifkstellerei  ist  der,  dasz  er  die  Gonseqnenzen  Ton  dem 
Verhältnisz  zieht,  in  dem  er  sich  zur  Kunst  erblickt,  d.  L 
er  ist  der  vornehme  nnd  angesehene  mit  ernsten,  wich- 
tigen Pflichten  als  Lebensberuf  beladene  Mann,  die  Poesie 
ist  der  anständipre  Zeitvertreib  seiner  mtiszigen  Stunden, 
und  als  solche  behandelt  er  sie  durchweg.  Unterhaltung 
ist  ihr  Zweck,  die  Geselligkeit  seiner  Zeit  nnd  seiner 
Standesgenossen  ist  ihr  Boden  nnd  Lebensgebiet,  ans  dem 
ihre  Eigenart  und  ihre  Gnindgesetze  eigentlich  hervor- 
gehen. Auf  dieser  Grandlage  fuszt  sein  Poetischer  Trich- 
ter, der  die  Poesie  so  angreift,  wie  bentzntage  sprach- 
meisterliche  Charlatane  eine  fremde  Sprache,  die  sie  in  drei 
Monaten  richtig  sprechen  und  schreiben  lehren,  von  diesem 
Standpunkte  ans  sind  seine  Ars  apophthegmaüca  und  seine 
Gesprächspiele  erklftrßch,  solchen  Zwecken  dienen  seine 
Schauplätze,  kurz  dies  ist  das  A  und  das  0  seiner  Schrift- 
stelierei.  Und  es  ist  nicht  anbemerkt  za  lassen,  dasz  man 
diese  Anffiusnng  der  Poesie  anch  aaf  andere  Gebiete  geistigen 
Lebens  übertrug.  Harsdörffer  schrieb  Matliematische  Er- 
quickstunden, welche  in  vielen  andern  schönen  Dingen, 
die  die  damalige  Zeit  hervorbrachte,  ihre  Analogien  finden, 
nnd  dadurch  eine  iiterarhistoriscbe  Wichtigkeit  bekommen, 
dasz  sie  uns  die  Kreise  in  ihren  Anschauungen  und  ihrem 
ganzen  Treiben  begreifen  helfen,  welche  Xanst,  Wissen- 


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—    93  — 


Schaft  und  Beligion  zum  Sport  machten,  denn  ron  einem 
gesanden  nnd  achtbaren  Streben  nadi  Popularit&t  kann 

hier  nicht  die  Kede  sein.  Dasz  man  diese  Dinge  aus  Vor- 
nehmheit mit  so  wenig  Ernst  betrieb/)  ist  eines  der  tiau- 
rignten  Zeichen  davon,  wie  viel  von  den  edelsten  Eigen- 
schaften unseres  Volksgeistes  damals  damiederlag.  Grade 
das  aler.  was  uns  in  dem  Gebahren  der  Pegnitzschäfer 
so  widerwärtig  ist,  machte  ihre  Erzeugnisse  ihrerzeit  zu 
gangbarer  Mttnze.  Nürnberg  lieferte  der  Kinderweit  ih- 
ren barmlosen  Tand  schon  seit  mehreren  Jahrhunderten, 
ein  Humur  des  Geschickes  machte  es  in  jener  traurigen 
Zeit  zu  dem  Hauptstapelplatze  des  literarischen  Spiehseugs, 
Denn  nicht  allein  die  Nflmberger  Schiiftsteller  griffen 
durch  ihre  tftndelnde  Weise  um  die  Mitte  des  Jahrhunderts 
meiir  uachdriuklicli  als  segensmch  in  die  Entwickelung 
der  erzählenden  Prosadichtung  ein,  sondern  auch  iNüm- 
bergs  Verleger  stehen  in  Bezug  auf  die  Yervieltältigung 
der  zu  unserer  Gattung  gehörigen  Werke  obenan  in 
Deutsclilaud,  und  es  gereicht  ihrer  Thätigkeit  nicht  zum 
Vorwurfe,  dasz  sie  sich  weit  über  die  Erzeugnisse  ihrer 
Schriftstellemden  nächsten  Landslente  hinaus  erstreckte. 

Doch  wenden  wir  uns  einigen  einzelnen  Erscheinunjren 
zu!  Unter  den  zahlreichen  Schrillen,  welche  die  Literatur- 
geschichten bei  Harsdöröers  Namen  yerzdchnen,  verlan- 
gen, von  dem  besonderen  Gesichtspunkte  dieses  Capitels 
aus  gesehen,  nur  zwei  Uebersetzungen,  die  der  Diana  des 
Montemayor  und  die  der  Diauea  des  Loredano,  eine  be- 


*)  HandOdfors  eilfertige  und  sorglose  Art,  Ja  und  mit  seinen 
Producten  zn  verfahren,  ist  mehrfacli  bezeugt,  (vgl.  Amarantes  [Her- 
degen]  historische  Nachricht.  S.  72  ff.)  Wer  in  seinen  Schriften  su- 
chen  wiU,  kann  leicht  viele  zum  TheU  eigÖtsUche  Beweise  davon 
finden. 


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—    94  — 


sondere  Aufmerksamkeit  Denn  die  anderen,  swar  alle 
von  Interesse  für  die  Feststellnngr  des  Charakters  seiner 

Schi  iftstellerei  und  des  Zeitpreistes,  aus  dem  aucli  der 
heroisch-galante  l^»inan  hervorging,  gehören  doch  einer 
anderen  und  sehr  umüangreichen  Gruppe  der  prosaischen 
XJnterhaltun^literatnr  an,  welche  einerseits  sich  mit  der 
erzälilenden  nur  mehr  oder  weniger  l)erüliit,  alier  keinen 
Bestandtlieil  derselben  ausmacht,  andererseits  aber  auch, 
zu  den  mehr  komischen  und  volksihftmliclien  Erzengniflsen 
der  Prosadichtnng  des  XVII.  Jahrhunderts  in  einem  min* 
destens  eben  so  nahen  Verliältiiisse  steht  als  zu  der  Gat- 
tung, mit  der  wir  jetzt  zu  thun  haben.  Daher  lassen  w  ir 
die  ganze  Masse  der  TerscMedenartigen  Erqnickstunden^ 
Schauplätze,  Bhnnenfelder,  ^ieermc,  Lustgärten  u.  s.  w. 
jetzt  noch  links  liegen  und  lialten  uns  im  (ianzen  nur 
an  die  wirklichen,  das  heiszt  als  solclie  mit  dem  Ansprüche 
auf  Anerkennung  als  knnstgemftaze  epische  Prosadichtungen 
heroischen  oder  pastoralen  Inhalts  auftretenden  Romane. 

Die  Hai-sdörtfersclie  Diana  ist  bereits  im  VIIT.  Ca-* 
pitel  eingehender  besprochen  worden,  w  as  aber  die  Diaiiea 
betrifft,  so  m&ssen  Harsdörfiers  Verdienste  um  die  Em- 
führung  dieses  Romans  in  die  deutsche  Literatur  uns  min- 
destens liöchst  zweifelhaft  werden.  Denn  es  ist  mir  nicht 
allein  unmöglich  gewesen,  ein  Exemplar  dieses  Buches 
au&utreiben,^  sondern  es  ist  auch  die  gröszte  Wahr« 
'  scheinlichkeit  vorhanden,  dasz  HarsdOrffer  niemals  die 
Dianea  des  Giov.  Francesco  Loredano.  eines  Mannes,  der 
in  Italien  und  Venedig  eine  ganz  ähnliche  KoUe  spielte^ 
wie  er  in  Deutschland  und  NQmbwg,  übersetzt  hat^ 

*)  Das  hn  Scheiblcsrhen  Catalog  Xro.  82  nnter  Nro.  401  ver- 
seichnete,  jetzt  im  Besitz  der  Kaiserl.  Bibl.  zu  Straszburir,  licirt  mir 
Tor,  ist  aber  die  Dianea  Dietiiclis  von  dem  Werder  vom  Jalire  1644. 


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firsteas  ntalioh  felilt  diese  Arhät  in  dem  Verzeietaisse  seiner 
Scbriften,  weldies  HarBdöitfer  vor  dem  dritten  Theile  sei- 

Ties  Poetischen  Trichters  priebt.  ntid  es  wäre  sehr  aultalleiicl, 
wenn  der  aut  seine  allzeit  tertige  Productivität  selu*  eüi- 
geliUdete  Mann  dieses  Buch  ausgelassen,  dagegen  «He 
mbedentenden  klemen  Gelegienheitsschriften  erwtkiit  hätte. 
Zweitens  fehlt  in  der  Dianea  Dietriclis  von  dem  AVenler 
jeder  Hinweis  auf  eine  frühere  UeberseUcimg,  und  es  w&re 
wiedermn  selir  anffailend,  wenn  der  „  VielgekOmte^  seinem 
„Spielenden**  Gesellseliafter  ntebt  einmal  die  Ehre  der  Er« 
wähnung  angethan  liätte.'  )  Dasz  die  Nichterwähnung  einer 
Hiirsdörtferschen  Dianea  iu  dem  Biieiwecbsel  Hai'sdöilfers, 
Bietiicbs  und  anderer  Zeitgenossen  nnd  Mitstrebeiiden  als 
ein  wichtiger  Hilfsbeweis  für  meine  Yermnthnng  hinzu- 
kommt, wird  jedem  einleucliten,  der  diesen  Briefw  ei  lisel, 
wie  er  uns  in  den  verschiedeneu  Büchern  über  die  Fmchtr 
l^ringende  GeseUschafl  «nd  die  Pegniteer  vorliegt,  kennt 
Auf  das  Fehlen  der  Dianea  in  den  Vereeiehnissen,  die 
andere  vor  Amarantes- Herdegen  von  Harsdürtiers  Schriften 
geliefert  haben,  würde  Herdegens  ausdrücklichem  Zeug« 
usz  gegenüber  nichts  zu  geben  sein,  und  auch  4te  ande- 
ren angeführten  Yerdachtsgründe  würden  durch  dieses 
Zeugnisz  sehr  gescliwäiht  werden,  wenn  die  angeblich 
von  Harsdörifer  gefertigte  und  1684  in  ^Nürnberg  ersehie** 
neue  Uefbersetzung  der  Dianea,  yon  Jtkr  Herdegen*)  sagt: 
„Es  ist  nicht  zu  wundem,  dasz  einige  Gelehrte,  die  sonsten 
der  Schritften  unsers  sei.  Herrn  Harsdörfer  Erwähnung 
gethaa  und  solche  fleissig  zusammen  gesuchet,  gleichwol 
in  ihrem  Verzeichnis  diese  Uebersetzung  nicht  angezeiget, 

')  Vergl.  auch  Bifcken  tai  der  Vor-Aan^ndie  nr  Anunena. 
Seite  5  in  der  I.  Aus^. 

*>  Htotor.  Nachricht  S.  S9  ff. 


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—    96  — 


wcdl  er  seinen  Nahmen  nicht  beygefttget^y  nicht  eben  — 
die  üebersetsung  Dietrichs  von  dem  Werder  wtlre.  Denn 

d&s  der  vermeintlichen  Harsdörltei-schen  Dianea  vorauÄ- 
gehende  Sonett  (Was  übetreicher  Wehrt  mag  Dianea 
gleichen?  n.  s.  w.)f  welches  Herdegen  zum  Glflck  mit- 
theilt, steht  vor  der  A\'erdersclien  Dianea  in  beiden  Aus- 
gaben und  bezieht  sich  auf  die  eine  Purpuminschel  zei- 
gende Vignette  derselben.  Die  Entstehung  des  Irrthoms — 
dies  masz  znr  Ehre  Herdegens  gesagt  werden  —  ist  aller- 
dings sehr  leicht  zu  erklären.  Er  verwechselte  Diana  mit 
Dianea,  femer  verlas  er  die  Zahl  MDCXXXXIV  (nicht 
MDOXLIV)  anf  dem  Titel  der  ersten  Ausgabe  von  Wet- 
ders  Dianea,  und  endlieh  liesz  er  sich  von  dem  Briefe 
Loredauos  an  Harsdörfier,  in  Aveichem  allerdings  die  Dia- 
nea gar  nicht  erwähnt  wird,  täuschen.')  Das  Gesagte 
giebt  uns  jedenfalls  das  Recht,  vor  der  Hand  so  lange 
von  der  Dianea  Dietrichs  von  dem  Werder  als  der  ersten 
und  einzigen  Verdeutschung  des  italienischen  Originahi  zu 
reden,  bis  die  HaisdörffiBrsche  Namensschwester  wirklich 
aul'taucht.  womit  es  wohl  gute  Wege  haben  winl. 

Die  Dianea  des  D.  v.  dem  W^erder  erschien  also,  wie  5>chou 
gesagt,  das  erste  Mal  zu  Nürnberg  1644,  8® und  es  ist 
nicht  zu  leugnen,  dasz  sie  viel  zur  Aufiaahme  und  Ent- 
wickelung  des  heroisch-galanten  Romans  in  Deutschland 
beigetragen  hat  Der  Werth  des  Baches  kann  uns  Mel- 
lich dies  nicht  erklären,  denn  es  ist  eine  sehr  wenig  ge- 
schickte und  unglaublicli  deutliche  Nachahmung  der  Ar- 
gem»^), bietet  die  gewülmlichen  Eequisite  de^  hei'oiöcU-ga- 

')  Auf  die  Beziehung  üfid  Bedcntuni^  dieses  an  aich  interessanten 
ActenstUc-ke»  einzugehen,  ist  hier  nicht  der  Ort 
=)  fenier  elienda  1671.  tfK 
Leider  vermag  ieh  einen  sicheren  Nachweis  Uber  das  Jahr  der 


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—   97  — 


lanten  Romans  als  fintfühiauigen,  staunenswerthe  Helden- 
thaten,  angenomiiiene  Namen^  Verkleidiiiigeii,  Erkemnmgeii, 
imd  enthfilt  viel  Zeitgeschichtliches,  so  behandelt,  wie  es 

freilich  Barclay  niaimermehr  würde  gemacht  haben,  näm- 
licli  als  möglichst  treue  Copie  der  Wirklichkeit  mit  nur 
anagrammatisch  yerftnderten  Namen.  Aber  es  kann  kein 
Zweifel  darüber  sein,  dasz  das  Bnch  grade  dämm  dem 
coriüsen  Zeitgeschmacke  sehi'  gemäsz  war,  und  ganz  be- 
sonders mochte  die  eingeflochtene  Gescliichte  Wallensteiiis, 
welche  übrigens  ihren  Platz  in  der  Dianea  nicht  dem  Uebei^ 
Setzer,*)  sondern  dem  Verfasser  verdankt,  in  Deutschland 
interessiren.  Der  Inlialt  der  Dianea  verdient  niclit.  dasz 
hier  melu'  darüber  gesagt  werde,  von  Interesse  düi*fte 
aber  sein,  was  Dietrich  von  dem  Werder  über  die  Art 
sagt,  wie  sie  gelesen  werden  solle.  ^Schaae  nnd  beschane'' 
heiszt  es  in  der  Widmung-)  au  Curt  von  i:5urgsd<)rrt',  „dieses 
schönste  Fürstenkind  zum  öftern.  Das  erstemal  k an  nur 
anf  den  Lauf  der  Gfeschichte;  das  zweyt-  nnd  drittemal 
anf  der  Rede  Fertigkeit  /  und  der  Sachen  artige  Beschrei- 
bung genaue  Acht  gegeben  werden.  Das  viert-  und  mer- 
mal  aber  müssen  die  Gedanckeu  auf  tiettere  Verstandnüsse 
gerichtet  seyn.  Dann  diese  nnd  dergleichen  froiiche  £r- 


ersten  Ausgabe  des  italieni<;chen  Originals  nicht  zu  geben, 
aber  auch  an?i  chronologischen  Gründen  musz  das  Bnch  nach 
der  Argenis  erschienen  «ein,  denn  lfi21  war  Loredano  IT)  .lahr  alt. 
Gi  ä^J/es  Anpfaben  in  der  L.  G.  3,  2,  54  f.  sind  mehr  als  ungenau.  Die 
Biographie  universelle  gieht  li\'M\  als  das  Jahr,  wo  die  Dianea  erschie- 
nen Hei,  bezeichnet  das  Bach  aber  falsch  als  eine  Sammlung  von  No- 
Yellen. 

•)  VergJ.  Koberstein  II  S.  183.  Gervinus  II,  8.  504.  —  Fle- 
mings deutsche  Ged.  hersgeg.  v.  Lappenberg.  (Stuttgarter  Bihl.  IT,  770.) 

*)  Die  Unterschrift  „Ich  rede  dir  von  Trewe"  i^t  das  Ana- 
grainm  de8  Uebersetzers. 

7 


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98 


findungen  halten  oft  Geistreiche  Weisheit  /  furti  efliche  Kaht- 
aehUige  /  samt  hohen  Gtoheunnussen  wichtiger  Stadsachen  / 
in  sieh  verborgen  /  und  pflegen  mit  /  nichtgemdner  /  lieb- 
lichen Belustigung  /  unter  der  Schale  der  Fabeln  /  viel  war- 
hoftte  Greschichte  l  verdecketer  Weise  /  mit  eingewickelt  zu 
füren.«  • 

Zwei  Bücher,  welche  zwar  fast  gar  keine  Erzählung 
bieteUf  aber  doch  hierher  gehören,  weil  sie  durchaus  fer- 
tige und  ausgearbeitote  Beguisiten  des  heroisdi-galanten 
Bomans,  nftmlich  Musterstficke  heroisch-galanter  Rhetorik 

liefern,  sind  Augspurgers  Arnalte  und  Lucenda  und  die 
von  dem  Uebersetzer  von  Fach  W.  von  Stubenberg  ver- 
deutschten „Geschicht-reden**  oder  „Freywülige  Gem&ths- 
Schertze**  des  schon  genannten  Loredano.  Es  giebt  keine 
zwei  Bücher  in  der  ganzen  deutschen  Literatur  des  XVII. 
Jahrhunderts,  welche  deutlicher  als  diese  zwei  Ueber- 
setzungen  erkennen  lieszen,  wie  hoch  man  eine  völlig 
hohle,  übertriebene  und  geschmacklos  spielende  Rhetorik 
schätzte.  Arnalte  und  liUcenda  verleugnet  durch  das 
steife  und  verstiegene  Pathos  seinen  spanischen  Ursprung 
so  wenig  wie  die  Geschicht-reden  ihren  italienischen  durch 
ihre  tändelnde  Phrasenhaftigkeit,  der  es  als  das  Hücliste 
gilt,  möglichst  viele  verschiedene  rhetorische  Piguren  in 
einen  Satz  zusammenzudrängen.  Der  Spielende  (Hars- 
dörfter)  hat  nicht  unterlassen,  dem  Werke  des  Unglückse- 
ligen (Stubenberg)  in  einem  deutschen  und  einem  lateinischen 
Gedichte  das  Geleit  zu  gehen.')  Paris  von  dem  Werder, 


')  D.  r  \un  seiner  Liebsten  VBELGEHALTENE  A3IANT  Oder 
AUNAJjTK  viul  LUC1"'N1)A  ,  .  .  durch  A.  Au^spurj^eru.  Dreszden 
1642.  8*'  ist  nadi  (Ifiii  Titel  erst  in  griechischer  Spracht',  dann  spanisch, 
dann  frunzüsiscli,  daun  italicaisdi,  duim  hocbdeutäch  gegeben  worden. 
Vergl.  auch  Goed.  Grdr.  469. 


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99  - 


der  Sohn  Dietrichs,  gab  swmnzig  faeroiBche  hochdeutsche 
Frauen-Eeden,  übersetzt  aas  dem  Französischen  dei'  Öcu- 
d6ri,  heraus.*) 

Mehr  nehmen  unser  Interesse  die  folgenden  Btt* 
eher  in  Anspradi,  wdehe  ans  dem  Auslände  oder 
vom  Alterthum  bezogen  wurden,  um  demselben  Geschmacke 
Nahrong  zubieten,  welcher  die  Bosemund,  die  Assenat  und 
den  Simson  erzeugt  hatte. 

Ganz  nabe  neben  Zesen  und  die  Nürnberger,  jenen 
in  „cäj>ianischer  Schieibart'*  noch  ül)erbietend,  stellt  sich 
Dionys  Lesman  (Salemyndonis)  mit  seinem  Frvgier  Ae- 
nans,  der  sich  sowohl  in  Gestalt  einer  „Gesehichtschrift*^ 
wie  eines  Tranerspiels  präsoitirt  und  hei  nach  Virgil  er- 
zählt wird.*) 

Wohl  etwas  früher  als  dieses  halbselbstäudige  Mach* 
werk,  erschien  die  erste  deutsche  Uebersetzung  der  Ariana, 
die  von  den  hierher  gehörigen  Werken  jedenfaUs  das  wich- 
tigste ist.  Dies  zeigt  sich  schon  darin,  dasz  bereits  ein 
Jahr  nach  der  ersten  Verdeutschung  eine  zweite  bessere 
▼on  G.  A.  Bichter  erschien  und  noch  imAnÜGuige  des  XVIIL 
Jahrhunderts  Talander  eine  neue  Ueberarbeitnng  (der 

Die  Verdeutschung  der  Scherzi  genicUi  des  Loredano  von  Stuben- 
ber^r  liegt  mir  in  einer  Ausgabe,  Nürnberg  1652,  12*'.  vor  (Kngl.  Bibl. 
zn  Breslau),  eine  andere  erschien  Nürnberg  IHHl.  K'.  (Kngl.  ö.  B,  zu 
Dresden.)  Die  erste  liede  hielt  der  (Uber  Patroklus  Tf»*!)  „wüttende 
Achilles",  die  zweite  die  , verleumdete  Agrippina",  die  dritte  der  , ver- 
liebte Antoninus  Caraealla**,  die  vierte  der  „wehmüthige  Cicero",  dieser 
folgen  die  ^Eifersichtfgc  Ennone"  (die  Ueliebte  des  Paris  Oenoue)  und 
die  „genohtzüchtigte  LiK  retia**  u.  s.  f. 

*)  Naumburg  lür)4  (Kgl.  ö.  B.  z.  Dresden)  und  1659. 

Stargard.  o.  .T.  12".  —  1()58.  12".  Die  Ausgabe  o.  J.  liegt 
mir  vor,  doch  steht  das  Trauerspiel  (vergl.  üoed.  Gr.  S.  482)  am 
Anlange.  Koch,  welcher  den  Yei-fasser  einen  Z&slaner  nennt,  bemerkt, 
dasz  die  zweite  Auflage  den  Titel  führe  .Nea  eingekleideter  Dentseher 
Tirgiiius  aaoli  Art  der  Artaa»  imd  Araidia.* 

7* 


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—    100  — 


ersten)  unternahm.*)  Die  Bichtersche  Uebersetznng  wird 
▼on  einem  Gedicht  des  Andreas  Giyphios,  worin  er  seine 

Eusebia,  die  eine  Schilderung  der  politischen  und  kirch- 
lichen Wirren  ^seiner  Zeit  enthalten  sollte,  der  Ariana  fol- 
gen za  lassen  verspricht»  empfohlen,  und  diesem  reiht  sich 
ein  zweites  (yon  J.  G.)  an,  welches  mit  einer  ausdrück- 
lichen in  einer  Anmerkung  gegebenen  Hinweisung  auf  die 
erste  deutsche  Ariana  die  gewaltsamen  orthographischen 
Nenerongen  nnd  die  Ueberf  üllong  der  deutschen  Sprache 
mit  Fremdwörtern  beklagt  Hieraus  ergiebt  sich,  dasz 
man  die  Ariana  mit  der  Argenis  und  Dianea  in  eine  (  'lasse 
setzte  wegen  der  darin  enthaltenen  politischen  Weisheit, 
nnd  dasz  der  erste  Uebersetzer  wenigstens  auf  einer  Seite 
durch  Zesen  beeinfluszt  war.  Ihrem  Inhalt  nach  ist  die 
Ariana  weit  mehr  als  die  Argenis  ein  heroisch-galanter 
Roman  vom  reinsten  Wasser  und  verdankt  ilu«  Beliebt- 
heit beim  groszen  Publicum  ohne  Zweifel  vielmehr  der 
stark  gewürzten  Nahrung,  die  sie  der  I^iantasie  bot,  als 
der  von  den  Nachdenklichen  gewünschten  Staatsweisheit 
und  den  von  den  Curiüsen  gesuchten  und  gefundenen  zeit- 
geschichtlichen Anspielungen.  Die  Verwandtschaft  mit  der 
Asiatischen  Banise  fällt  immerhin  mindestens  ebenso  in 
die  Augen  wie  die  mit  der  Argenis.    Der  Schauplatz  ist 

')  Das  fruufiriadie  OiigiMl  ist  von  BesmuBtSi  endiiMi  ment 
la  Paris  1632  und  erlebte  viele  Auflagen.  OxttsM  (L.  Q.)  erwähnt 

eine  niederlämlisuhe  Uebersetznng  1658,  mir  liegt  eine  von  1641 
(aus  der  Breslauer  Stadtbibiiothek)  vor.  Die  deutschen  Ausgaben  sind 
1)  Frankfurt  1643  (uicht  mehr  vorhanden  ?).  —  2)  die  Kichtersdie, 
Leyden  1644.  12".  —  3)  eine  neue  Auflage  derselbeu.  Amsterdam. 
Dan.  Elzev.  1659.  12«.  Vergl.  Schottel  A.  A.  S.  1205.  —  4)  eine 
neue  Auflage  von  Nro.  1.  Fraukf.  bei  H.  v.  Sand  1667".  —  5)  die  nach 
dieser  verbessernd  bearbeitete  v.  Talander.  Frankf.  bei  M.  v.  Sand 
1708.  S*\  Vgl.  hierüber  (la?<  zweite  Gedicht  vor  der  Ausgrabe  1644 
und  die  Vorrede  der  Talanderschen.  Auszog  d.  K.  17bO.  ii^vr. 


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—    101  — 


zunächst  liom,  die  Zeit  die  der  Regierung  Neros.  Zwei  junge 
Syraknsaner,  Melintes  und  Palamedes,  kommen  nach  Born, 
jeder  Iftszt  in  (Syrakus  eine  Geliebte  znrOck,  der  treue 
Melintes  die  Ariana,  die  Schwester  seines  Freundes,  dieser, 
der  sich  zu  Melintes  verhält  wie  Galaor  zu  Amadis,  die 
för  eine  SdaTin  seines  Vaters  gelt^de  Epicharis.  Ein  Lie- 
beshandel des  Palamedes  mit  der  BOmerin  Camilla,  deren 
Schwester  Emilia  den  Melintes  liebt,  zieht  beiden  Helden 
Wunden  zu.  Ariana  und  Epicharis  erscheinen  infolge 
dessen  ebenfalls  in  Rom.  Um  jene  in  die  Gewalt  eines 
GflnstUngs  des  Kaisers  zu  bringen,  wird  der  Brand  der 
Stadt  in  Scene  gesetzt.  Nachdem  die  Liebenden  dennoch 
glücklich  nach  Syrakus  zurückgelangt,  entstehen  neue 
Sehwierigkeiten  durch  den  Vater  der  Ariana,  der  sie,  an- 
dern Sinnes  geworden,  dem  Korinthier  Pisistratus  Termäh- 
len  will.  Auch  die  verschmähte  Emilia  intrikirt  gegen 
Melintes  und  bringt  ihn  in  Epiruä  beinahe  mit  eigener  Hand 
um,  Iftszt  sich  aber  yon  ihm  zur  Eingehung  einer  anderen 
Ehe  bestimmen.  Den  Höhepunkt  der  Spannung  erreicht 
die  Geschiclite  in  Thessalien,  wohin  zuletzt  beide  Helden- 
paare gelangen  und  wo  ein  Einiali  der  Scythen  Gelegen- 
heit zu  Heldenthaten  und  Verwickelungen  giebt  Ananas 
Vater  erOfl^et  sterbend  dem  Melintes,  dasz  Epicharis  seine 
Schwester  sei,  wälirend  aber  auf  diese  Weise  das  Hinder- 
nisz  der  Verbindung  zwischen  Palamedes  und  Epicharis 
hinwegger&umt  wird,  geräth  Melintes  noch  in  eine  letzte, 
höchste  Gefahr.  Um  die  entführte  Ariana  zu  befreien, 
beginnt  er  trotz  dem  strengen  Verbote  einen  Kampf,  in 
dem  er  einen  glänzenden  Sieg  davonträgt,  dafür  soll  er, 
nachdem  ihm  die  Ehren  des  Siegers  erwiesen,  geopfert 
werden,  eine  Situation,  welche  nur  Ziegler  zu  flbertrumpfen 
Terstanden  hat.   Der  zur  Vollziehung  der  heiligen  Hand- 


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lung  bestimmte  Priester  erkennt  in  ihm  zui'  rechten  Zeit 
seinen  Sohn.  Zur  rechten  Zeit  kommt  auch  die  Nachricht 
T0m  Tode  dee  Kaisen  Nero,  der  die  beiden  Helden  on- 
▼ersOhnUeh  verfolgte,  Melintes  wird  YicekOnig  von  Them> 
lien,  und  alles  endet  glücklich. 

Eine  Anzalil  von  Liebes-  und  HeideDgeschichten  nach 
der  allemeneston  Mode  worden  mn  diese  Zeit  ans  der  itar 
lienischen  Literator  entlehnt,  nachdem  Dietridi  von  dem 
"Werder  durch  die  Dianea  den  Weg  zu  diesen  Schätzen 
gewiesen  hatte.  Ihm  folgte  J.  Helwig  mit  einer  Ver- 
deatschung  des  Ormondo  y<m  Francesco  Pona,*)  eines  klei- 
nen heroisch-galanten  Romans,  den  man  anch  als  eine 
Zusammenstellung  von  abenteuerlichen  Novellen  in  einem 
eben  solchen  JEUhmen  bezeichnen  kann.  Der  Spielende  und 
andere  Ordensgenossen  stenerten  Eärengedichte  bei,  ge- 
widmet ward  die  Uebersetsang  dem  nachmals  bertthmteren 
Fachgenossen  Helwigs,  dem  Herzog  Anton  Ulrich  von 
Braonschweig.  Die  Dai^tellung  erinnert  sehr  an  den 
Schwulst  PaUavicinis,  Loredanosnnd  anderer  Italiener  die- 
ser Zeit  Helwig  glanbt  das  Original  dadurch  ftbertroffen 
zu  haben,  dasz  er  an  einzelnen  Steilen  Verse  mat^-ht.  diese 
metrischen  Stückchen  sind  aber  so  kurz  und  unbegründet, 
dasz  sie  sich  recht  lächerlich  ausnehmen. 

Hierher  gdiQren  auch  die  beiden  schon  oben  yoraber> 
gehend  erwähnten  A\'erke  Ferrante  Pallavicinis,  bansone 

«)  Frankl\  1»>48.  12".  —  ebenda  1658.  12".  —  ebenda  1666.  12«.  ~ 
vgl.  Schottel  A.  A.  S.  1183.  öräsze  tr.  s.  v.  Pona  verwechselt  den 
Ormondo,  welcher  ein  richtiger  histori!»oh-galanter  Roman  ist,  mit 
desselben  Schriftstellers  Lmrrna  <h  KureUi  Misoncolo,  einem  satirischen 
Dialoge  zwischen  dem  Autor  und  der  Lampe  desselben,  in  welche 
eine  Seele  gefahren  ist,  die  früher  einen  Bären,  die  Cleopatra,  einen 
Hund  and  andere  Wesen  bewohnte.  Dm  ital.  Original  des  Ormondo 
mslitflii  sa  Padua  16S5  und  Iffter. 


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-  103.- 

und  Talidea.    Das  enie  (kbmetzte  Stabenberg*),  das 

andere  ein  Ungenannter.^) 

Aas  Stubenbergs  emsiger  Feder  flössen  noch  von 
yier  italienisclien  Bonumen  UebersetzongeOi  der  Wett> 
streit    der  Verzweifelten»^    der  Prinz  KaUoandro,^) 

der  König  Demetrius^)  und  die  Eromena,")  die  alle 
von  Zeitgenossen  des  Uebersetzers  verfaszt  wur- 
den. Die  Stratomca  Yon  dem  Verfasser  des  Demeüiiis 
ftnd  in  J.  L.  V.  A.  ihren  TJebersetzer.')  Erst  am  Ende 

seint^r  schriftstellerischen  Laufbahn  wandte  sich  Stuben- 
berg dem  heroisch-galanten  Roman  der  Franzosen  zu,  in- 
dem er  die  Glelia  der  Sendöri  übersetzte.^) 

*)  nach  Goedeke  Gr.  S.  505.  Wo  und  wann  Stubenbergs  Ver- 
deutfichmig  erschienen,  weisz  ich  auch  nicht  anzugeben,  da  die  bibliogr. 
Handbücher  darüber  nichts  enthalten.  Von  Schottelius  Anst  A.  S. 
1173  wird  Stabenbeig  als  Uebenetier  gelobt. 

^  Pnudcftart  bei  J.  G.  Schiele  ISSS.  8^.  Der  Itallenlaohe  Text 
beider  Bomane  liegt  ailr  vor  in  den  Opere  pmneste  di  F.  P.  Vmeäa 
16fi& 

Frankf.  1651.  l^.  —  ebenda  1706.  1^.  —  Das  Original  Ton 
Glov.  Ambros.  Marinl  erschien  Milano  1644.  Auszug  d.  R.  1779.  Mars. 
*)  Nürnberg  ISSl.  12^  —  ebenda  1656.  12*\  —  ebenda  1667.  12<*. 

—  Das  Original  Ton  demselben  3Iarini  erschien  (tiräsze  tr.)  zuerst 
1640.  Auszug  d.  R.  1779  OcL  Eine  deutsche  Bearbeitnng  von  Völ- 
lens BerUn  1796.  II. 

^)  Nürnb.  1653.  12".  —  Das  Original  Ton  Lnca  Assaiino  oder 
Assarini  erschien  Bolog-na  1643. 

•)  Nürnberg  1650  (nach  Koberstein  §  212,  26).  —  1656-59.  12«. 

—  ebenda  lßB7.  12".  —  Das  Orij^inal  von  Bioudi  erschien  zu  Rom  1631. 

Amsterdam  1663.        —  ebenda  1666.  V29.  —  Jena  1675.12«. 

—  Das  Original  erschien  Yenezia  1635.  12".  —  Wahrscheinlich  ist  der 
zu  Frankfurt  1668  erschienene  Roman  Almerinde  (Goedeke  ür.  507.) 
eine  Uebersetzung  von  A.s.«erinis  Almerinda,  Boloi^na  1640. 

•)  Nürnberg  1664.  VIII.  12u.  Nach  einem  v« rausgeschickten 
Gedicht  ist  Stubenberg  vor  der  Herau.sgabe  gestorben.  Witte  Diar. 
biogr.  tum.  II.  S.  150  setzt  seinen  Tod  1.  Mai  1688,  wozu  an  bemer- 
ken ist,  dasz  auch  die  Angaben  Wittes  über  Stnbenbergs  Werke  sehr 
ungenau  sind.  So  macht  W.  ans  dem  Demetrius  and  den  Franen- 


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-^104 


Die  Uebersetzungen  spanischer  und  französisclisr  No- 
yellen,  yon  denen  einige  schon  um  die  Mitte  des  Jahr- 
hunderts entstanden,  stehen  zu  der  Entwiekelnng  des  ko- 
mischen Romans  in  näherer  Verbindung  als  zu  der  „ernst- 
haften" Art,  weshalb  wir  sie  jetzt  noch  zurückschieben. 
Dagegen  müssen  wir  auf  den  nftdisten  Verwandten  des 
heroisch-galanten  Romans,  den  Schäferroman,  welcher  sich 
uns  in  Zesens  Ro.semund  ^venigsten^  als  Episode  präsen- 
tirt  und  durch  dieses  vielgelesene  Buch  an  Ansehen  ge- 
wann, einen  Blick  werfen.  Wie  leicht  sich  der  schäfer- 
liche Geschmack  dem  heroischen  gesellte,  haben  wir  in 
der  Fremde  schon  an  der  Astree,  ja  schon  am  Aniadis  waiir- 
genonunen.  (Vgl.  S.  48.  Anm.  2.)Sehr  ausführliche  Besprechung 
yerdienen  die  von  Deatsdien  ver&szten  schftferiichen  Erafth- 
lungen,  welche  gegen  die  Mitte  des  Jahrhunderts  zugleich 
mit  der  Blüthe  der  Schäferpoesie  überhaupt,  wie  sie  die 
Kumberger  dai^tellen,  auftreten,  nicht.  Denn  sie  sind 
durchweg  ohne  jedes  poetische  Verdienst,  ohne  Gedanken- 
gehalt, (ielej^enheitsschreibereien  der  gewöhnlichsten  Art, 
epliemere  ^iodeartikel  wie  die  Spitzenkragen  und  Schuh- 
schnallen der  damaligen  distingoirten  Kreise,  in  gezierte 
und  doch  rohe  Form  ge&szte  und  schlecht  maskirte  Be- 
gebenheiten aus  dem  gewöhnlichen  Leben. 

Durch  Opitzens  Hercinie  fühlte  sich  ein  Landsmann*) 
desselben,  der  sich  wenig  geschmackvoll  G.  G.  Y.  G.  A. 

simmer>Beliutigiingeii  (UeberseUong  yon  Grenailles,  Lt  filamr  de» 
Domes  Paris  1641)  DemtMi  BecreoHonea  nnUiebres.  Diese  sowie  ei- 
iiige  andere  Uebexaetcimgen  von  St  (vgL  Gtoed.  Or.)  gehören  nicht 

hierher. 

Wenigstens  ist  dies  aus  dem  Anfange,  wo  die  Provinz  Elai- 
aien  in  Magemia  und  der  Floas  Erado  als  Localitäteu  bezeichnet 
werden,  sowie  ans  der  Datirung  in  den  Ausgaben  von  1641  n.  lt>46 
m  Termnthen  (siehe  die  folgende  Anm.).  Dass  Elsisien  in  Birckeni 


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—    106  — 


S.  D.  D.,  sonst  Sehindschersitzky  geheisseii",  unterzeichnet, 
zu  der  Schäfferey  von  Amoena  und  Amandus*)  begeistert. 

Der  Verfasser  war  ein  echter  Opitzianer  und  ein  Cavalier 
comme  ü  laut,  ersteres  zeigt  er  nicht  nur  durch  seine  ganze 
Schreibart,  sondern  auch  dadurch,  dasz  er  den  berOhmten 
Landsmann  als  den  Stifter  der  deutschen  Poeterey  bezeich- 
net, .seine  Aussprüche  oft  citirt  und  sich  dii'ect  auf  die 
Hercinie  bezieht,  letzteres  dadurch,  dasz  er  „den  schmach- 
süchtigen  Zoüus"  zum  Zweikampfe  mit  der  Faust  sowohl 
als  der  Feder  herausfordert.*)   Der  Opitzischen  Hercinie 

Friederfreueter  Tentonie  «der  Landgrafschaft  Elsas"  (Nothwcudiger 
Vorberidit)  bedeutet,  beweist  hiergegeu  nichts.  Soliindschersitzky  für 
den  wahren  Namen  des  VerÜMsers  sn  kalten,  verbietet  eine  Stelle 
in  der  V«>ne(le. 

Mir  liegen  di-'  Aus^^aben  o.  J.  Königsb.  8"  (Musikalische 
Neu-erbauete  S.)  nml  die  \on  1645  Leyden,  Franz  Heyer  1645.  12*'. 
vor.  Die  Vorrede  in  dieser  ist  unterzeichnet  der  scb.  A.  Behau- 
sung zu  R.  im  Jahre  1635",  jene  ,iu  der  A.  Behausung  zu  H.  im  Jahre 
1641',  beide  .>tiiiniieii  in  den  8.  Buchstaben  und  dem  Namen  Sch. 
überein.  Die  Xünit^.sbfTi^er  Ausgabe  ist  , etwas  in  der  {gebundenen 
Rede  corrigirt",  mit  Noten beilagen  versehen  und  durch  eine  Anlei- 
tung: zu  deutschen  Brieten  vermehrt.  Andere  Ausgaben  sind  nach 
Goedeke  Grdr.  505.  Leipzig  1632.  8°  (durch  S.  S.  D.  D.)  —  1635. 
8P.  —  1642.  —  Amsterdam  1659.  12°  Hamb.  1661. 12«.  Hierzuist 
zu  bemerken,  dasz  auf  dem  Biidtitel  der  Heyersihen  Ausgabe  die 
Jahreszahl  1642  steht  und  der  Haupttitel  den  durch  nichts  erklärten 
Zusatz  »übersetzet  durch  A.  S.  D.D."  enthält.  Die  Ausgabe  v.  1661 
ist  eine  stark  veränderte  Umarbeitung  mit  mehr  Personen,  wie  dttr 
Titel  (Bnch  Koch,  Comp.  S.  248)  anzeigt. 

^  In  der  Yomde  an  den  freondL  Leser  (In  der  Avegnbe  tob 
1645),  welche  in  der  KGuigsberger  Anegabe  fehlt,  heifot  es:  Ich  habe 
hlerlmien,  eoTlel  mir  meine  wenige  VnfermllgeBhelt  erlaubet,  Opltf  1- 
nieeher  Art  im  Sehreiben  angehangeo,  Tnd  aoff  Oeheiei  seiner  Pro- 
sodi,  alle  Lateinische  lYomlna  in  jhrem  NondnatlTo  gesetiet,  welebes 
du  mir  nicht  Tor  eine  Ignorants  beymessen  wollest*  VeigL  Gervi- 
nns  in»  60S.  An  Eolenspiegel  erinnern  hOehstena  einige  Tolksthfim- 
liehe  qwichwOrtliche  Badensarten,  das  game  Bneh  iat  Opitiianiseh  wie 
irgend  eins. 


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—  106 


unähnlich  beschiltigi  sich  der  Inhalt,  soweit  er  überiiMpt 
ersahleBd  ist,  mit  einer  im  Sande  verlaafenden  Liebesge- 

schichte.  Amoena  ist  kalt  gegen  alle  Liebeswerbnngen, 
sie  hat  einen  Traom,  welchen  ihre  Hofmeisterin  Dulci- 
mnnda  dahin  ansieht,  daas  anch  sie  lieboi  werde.  Hier- 
fiber ist  sie  sehr  erzürnt,  kaum  aber  begegnet  der  „Nimfe'* 
der  Schäfer  Amandus,  so  geht  der  Traum  in  Erfüllung, 
nnd  zwar  so  vollständig,  dasz  sie  an  Amandus  schreibt 
nnd  ihn  znm  Rendezvous  bestdlt.  Den  nächsten  Tag  traf* 
fen  sie  sich  wieder  auf  der  Weide,  den  darauf  folgenden 
erwartet  er  sie  schmendichst  umsonst,  da  ihr  Vater  von 
einer  Reise  plötzlich  zurückgekehrt  ist  Bulcimnnda  kommt, 
sie  zu  tiiitscliuldigen,  war  er  doch  eine  Nacht  im  Freien 
geblieben  und  von  „Molosseni''  augefallen  worden.  Die 
Liebenden  werden  getrennt  —  die  näheren  Umstände  an- 
zugeben, hat  Amandus  dem  Ver&sser  verboten.  Philippua 
besucht  den  Amandus,  welcher  sich  in  Sehnsucht  zu  ver- 
zehren droht,  hält  eine  Rede  gegen  die  liebe,  Amandus 
widerspricht,  kommt  aber  dodi  dann  von  seiner  liebe  ah 
und  spricht  sich  in  Versen  hierttber  aus,  wie  überhaupt 
den  Gesprächen  viel  Verse,  theüs  eigene  des  Verlassers» 
theils  Gitate,  beigemischt  sind. 

Die  Geschichte  von  Ooelinde  und  Corimbo')  mag  nur  als 
ein  Machwerk  derselben  Classe  genannt  werden,  obgleich  sie 
einMitglied  der  Fruchtbringenden  Gesellschaft,  Friedrich  von 
Drachsdorf  (den  Bestendigen)  zumVerfasser  hat.  Sie  ist  noch 

*)  Mir  liegt  nur  eine  Aufgabe,  Leipzig  1636,  ^  vor  (Wialw 
Tags  Schftfferey  Von  der  sdhOnen  Ck>eUndeii  Vnd  derselben  erg^ebenea 
Sefaftilinr  Corlmbo.  In  der  Bveslaner  StadtbibliothelL)  Nach  dem 
Sehwabeschen  Kataloge  Nu».  18188  mnu  das  Werlt  soweit  Anklang 
geftmden  haben,  den  der  «Beitendige*  es  seiner  in  der  Vorrede  gege* 
benen  Verheiszang  geaiftss  Unrtgesetst  hat,  denn  1847  sind  an  Dres- 
den »die  vier  Tage  n.  s.  w.*  eneliienen. 


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unbedeutender  als  die  vorige,  wenn  auch  aospracbsy oller  im 
Tone  imd  in  der  Auaachmttckiuig. 

Von  gans  fi^mlichem  Schlage  wie  Amoena  und  Aman« 

dtts  ist  „Die  ver>\^tete  vnd  verödete  Schaferey  y  Mit 
Beschreibung  desz  betrogenen  Schäfers  Leoriandera  Von 
seiner  vngetrenen  Sch&ferin  Perelina.^^)  £in  allzu  ver- 
traaensseliger  GavaKer  yerliebt  aidi  in  eine  jonge  Dame^ 
die  ihn  weidlich  zum  Besten  hat  und  in  den  unruhigen 
Zeiten  des  dreis^igjährigen  Krieges,  von  denen  uns  an 
einigen  Stellen  ein  siemlich  lebhaftes  Bild  entgegentritt, 
genügende  Gelegenheit  findet,  ihrer  Neigung  zn  Tertrantem 
Umgange  mit  dem  anderen  Geschlecht  nachzuhängen. 
Endlich,  nachdem  sich  der  junge  Mann  mit  ihr  verlobt 
hat,  werden  ihm  die  Angen  geöi&iet^  nnd  die  Qeschichte 
▼erltnft  sich  mit  seiner  liebe  ziemlich  matt  im  Sande, 
ganz  wie  in  Amoena  und  Amandus,  welches  der  Verfasser 
gekannt  zu  haben  scheint.-)  Die  Sprache  ist  roh  und  mit 
znweilen  sogar  halb  oder  &lsch  verstandenen  Fremdwör- 
tern veranstaltet. 

Wie  Amoena  nnd  Amamlus,  Coelinde  und  Corimbo 
und  Leoriauder  und  Pereliua  beruht  auch  G^org  Neumarcks 

Oedmckt  im  Jahn  1042  (o.  0.).  Der  Titel  lautet  genau  ivle 
oben,  mit  Wfttaenstetna  Cofilander  hat  dieser  Leorlander  nldite  sn 
Uran.  Yergl.  Ckiedeke  artindr.  S.  505.  m  Gräsze  L.  G.  VI,  3i0 
aauit  als  Verfasser  Matthias  Rabe,  ohne  die  Quelle  dieser  JNotta  an 
namen,  der  Held  heiszt  nach  ihm  auch  unrichtig  Coriander. 

^  Der  Anfang  stimmt  aoffiallend  übereint  und  auch  hier  fordert 
dar  Verfasser,  der  wesentlich  ungebildeter  war  als  sein  Vorg&nger, 
den  «Zoilus"  mit  den  Worten  heraus  «Als  ich  nun  resolviit  bin  / 
so  wol  die  erzelte  Historische  actione«  /  als  diese  SchrifFtliche  factio- 
nes  vffen  fall  desz  bedai-ffs  billiger  maßsen  vielmelu*  mit  der  Faust 
als  Feder  zu  defendiren."  Die  anagrammatischen  Ortsbezeichnungen 
wie  den  Flusz  Lasalee,  die  Adelphischeu  Provinzen  and  die  Libanischen 
Gebirge  luum  ich  nicht  errathen. 


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Hirt  Füamon  auf  einer  wirklichen  Begebenheit,  die  der 
Verfasser  im  Anftrage  Toniehmer  Leute  „in  ein  PastonJ 

gebracht  und  die  darin  stehende  Lieder  mit  Melodeyen 
und  Symfouien  ausgeziert''  hat.  Die  Gunst  der  Mode  hat 
auch  diesem  völlig  unbedeutenden  Machwerke  drei  Auf- 
lagen zu  Theil  werden  lassen.') 

Endlich  sei  noch  erwähnt  Matthias  Jonsohns  Dämon 
und  Lisille.  An  diesen  Büchlein  kann  man  besonders 
deutlich  sehen,  wie  die  Beliebtheit^)  derartiger  Erzeug- 
nisse grade  zur  Xichtifikeit  ihres  Inhaltes  in  einem  posi- 
tiven Verhältnisz  steht  Denn  die  Erzählung  ist  hier 
nichts  anderes  als  eine  Angabe  von  Situationen  aus  dem 
Familienleben  für  die  eingestreuten  Gelegenheitsgedichte, 
welche  letzteren  in  ihrer  Alt  nicht  übel  und  ihrer  All- 
gemeinheit wegen  leicht  verwendbar  sind.  Auch  hier  ist 
das  Schftferliche  nur  ein  ganz  ftuszerliches  Geschnörkel  und 
besteht  in  nicht  viel  mehr  als  idyllischen  Namen. ^)  Der 

Nach  Ooedeke  Gmndr.  S.  452  snent  Hamburg  1640  bei  J. 
Nanmaim.  Die  Ausgabe  von  1648,  EOnigsbeig,  Peter  Händel,  8^ 
liegt  mir  tot,  deggL  der  Poetisch-Historisdiie  Liutgarten  Nenmarckf 
(Frankf.  1666.  8^*),  worin  der  «Lieberfrente  Filamon"  ais  Nro.  6.  wie- 
der abgedmckt  ist.  Nro.  I— V  sind  poetisclic  Erzäblimgen  in  Alezan> 
drinern,  nur  mit  prosaisdien  Zugaben.   W  rgl.  Goed.  Gmndr.  S.  458. 

*)  Der  Verf.  hatte  den  I.  Tbl.  des  Weikchens  erst  nur  fWr  grnte 
Freunde  drucken  lassen,  dann  wurde  ein  Naclidruck  dieses  Theiies 
mit  einem  ..abentenerliclien*  Titel  und  unecliteu  Zutliaten  Teranstaltet, 
worauf  der  Verf.  1665  (wie  ans  der  Vorrede  des  II.  Theils  ersichtlich) 
den  zweiten  Thcil  erseheinen  liesz.  Einer  jener  gnten  Freunde  (A. 
M.  D.),  welcher  sich  über  den  guten  Abgang  des  nachgedruckten  I. 
TheÜs  ärgerte,  gab  beide  Tkeile,  allerdings  ohne  Vorwissen  des  Verl« 
heraus.  Diese  Ausgabe  von  1672.  l'J".  o.  O.  (der  II.  Theil  ist  mit 
1671  bejEeidinet)«  welche  der  KöngL  BibL  sn  Berlin  geliOrt,  Uegi 
mir  Tor. 

Einen  ergötzlichen  Beweis,  wie  weit  man  in  der  gans  ftnsser» 
liehen  Anwendung  des  Schäfergescbmaoks  ging,  giebt  Schupp  in  sei* 
nem  •Bachsttchtigen  X<acidor'*  (o.  0.  1656.),  einer  Sdirift  gogen  die  Pro 


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—    109  — 


zweite  Tkeil  giebt  noch  eine  Beihe  Grelegenheitsgedichto 
lAme  jeden  Rahmen.    Von  den  Ungeschieklichkeiten  der 

beiden  säbelrasselnden  Theokrite,  die  wir  obenerwähnten, 
ist  Damou  nnd  Lisille  frei. 

Wir  können  annehmen,  dasz  noch  eine  Anzahl  Ähn- 
licher literarischer  Nichtigkeiten  ans  dieser  Zeit  hie  nnd 
da  verborgen  sein  mögen,  haben  aber  nach  den  angeführ- 
ten ihre  Verborgenheit  oder  ihren  Verlust  kaum  zu  be- 
dauern, nnd  noch  weniger  ist  zu  glauben,  dasz  sich,  wenn 
Alles,  was  Ton  erzahlender  Schftferpoesie  in  Prosa  gedruckt 
worden  ist,  uns  l)ekannt  wäre,  das  Gesammtbild  des  deut- 
schen Originai-iSchäierromans  wesentlich  ändern  würde.*) 
Uebrigens  ist  sporadisch  auch  noch  später  solche  Litera- 
tur aufgetreten,  wie  die  ^wunderbare  Liebesgeschichte  des 
Schülers  Floridor  mit  der  Florentine"  (Frkf.  u.  Lpz.  1753) 
beweist,  dasz  mau  auf  diese  Form  noch  nach  hundert 
Jahren  zurtlckkommen  konnte. 

Aus  den  eben  angeführten  Erscheinungen  wird  genü- 
gend klar  geworden  sein,  eine  wie  üppige  Saat  um  die 
Mitte  des  Jahrhunderts  auf  dem  Gebiete,  das  Zesen  mit 
seinen  ersten  Werken  betreten  hatte,  onporsprieszte,  wie 
entschieden  sich  der  Geschmack  des  vornehmeren  Publi- 
cums  dem  heroisch-galanten  Genre  zuwandte,  aber  erst  in 
der  zweiten  Hälfte  zur  Zeit  von  Zesens  späteren  Schrif- 
ten gewinnen  die  Originalerzeugnisse  in  deutscher  Sprache 

aensocht,  die  er  eine  SebSfer-Bede  nenatjond  In  der  er  den«  an  welchen  er 
•eine  Ermahnnngen  richtet,  nnd  dessen  Gegner  Schft&r  nennt 

ob  «der  Eimen  Nymffen  InunergrOnendes  Lnst-Gebta  Enoch 
Gliser.  WnUfenbUttel  1660.  q.  &  (Mls.  II.  lOfiS.)  nnd  Jaeob  Schwie- 
ger «Yerfllhrte  Schiferinn  Oynthle*  hierher  gehören  (im  Sehwnbe- 
sehen  Katniog  wird  sie  anter  den  Romanen  (II  S.  106.  Nr.  13197 
anfgefilhrt),  weiss  ich  nicht  m  sagen,  da  ich  ilirer  nicht  liabe  iiabiiaft 
werden  können. 


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—    110  — 


^entschieden  die  Oberhand,  und  dazu  trug  ebensoviel  wie  Ze> 
«en  Andreas  Heinrich  Bnchholis  mit  seinen  beiden  toU- 

wichtigen  Romanen  bei,  zu  denen  wir  uns  jetzt  wenden. 

Buchholtz  lie&z  „des  christlichen  deutschen  Grosz- 
fOrsten  Herkules  nnd  der  böhmischen  königlichen  Erftn- 
lein  Valiska  Wnndergeschichte**  im  Jahre  1659  nnd  „der 
ehiistliclien  königlichen  Fürsten  Herkuliskus  und  Herku- 
ladisla  anmuthige  Wandergeschichte*'  nicht  lange  nachher, 
beide  su  Brannschweig  4^  erscheinen,*)  nachdem  er  die 
Arbeit  an  ihnen  schon  vor  zwanzig  Jahren  begonnen.*) 
Jahie  lange  Aibeit  gehörte  auch  dazu,  um  die  zwei  nicht 
blos  stattlichen,  sondern  unförmlichen  Werke  in  4®  zu  fast 
1800  und  1500  Seiten  fertig  zu  stellen,  und  das  für  einen 
Mann,  welcher  nicht  nur  anderweitig  schriftstellerisch 
thätig  war,  sondern  auch  noch  arbeitsvolle  Aemter  beklei- 
dete.*) Die  mehrfach  erschienenen  Auflagen  beider  Bo- 

*)  Das  VorliMideiiselii  einer  Aiugabe  des  Herkuliskus  von  1659 
l8t  mit  (foedeke  entschieden  in  Frage  zu  stellen.  Selbst  die  Biblio- 
thek m  Wolffenbüttel  besitzt  keine,  die  MeszkaUloge  des  Jahres  1660 
kennen  nur  den  Herkules,  ebenso  Schottel  im  Jahre  1668  (A.  A.  S. 
1186,  wo  er  den  Herkules  lobend  aber  eigenthümllcli  znrackhaltend 
beurtheilt),  endlich  ist  die  Dedication  des  Herkuliskus  vom  Jahn 
1665  am  27.  Februar  1665  unterzeichnet.  Worauf  sich  die  darin  vor- 
kommende Stelle,  alsdann  werden  JSnre  fftrstl.  D.  D.  D.  (drei 
Braunsckweigische  Prinzen)  enaeht  .  .  .  dieses  Buch  (weichet  Euren 
Fttrstl.  Durchlauchti^koiten  zum  teil  nicht  allerdinge  unbekannt  Ist) 
In  gnädi^ten  Schutz  aufzunehmen**  bt  zieht,  weisz  ich  nicht  zu  sagen. 
Mich.  1664  und  Ostern  1665  erscheint  der  Herkoliskos  in  den  Aleszka- 
taiogen. 

*)  In  der  schon  erwähnten  Dedication  sagt  B.,  dasz  er  den  Her- 
kuliskus vor  etlich  und  zwanzig  Jahren  entworfen,  M-elche  Zeitbe- 
stimninnq:  er  in  der  Vorrede  an  den  Leser  mit  dem  Zusätze  «bald 
nach  Verfertigung  des  Christlichen  Teutschen  Herkules*  wiederholt. 

B.  war  zuerst  zu  Hameln,  dann  zu  Lemgo  in  Schulämtem, 
dann  Professor  in  Rinteln,  von  1645  bis  zu  seinem  Tod»'  in  Braun- 
schweig Professor  der  Theologie,  von  1663  an  Superintendent»  £ir> 


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—  III  — 

mane  beweisen,  da^iz  Mit-  und  Nachwelt  die  gewaltige 
Arbeit  zu  schätzen  gewnsai  haben.') 

Beide  SnsfiMnngen  hängen  gtoiFlieh  eng  miteinander 

zusammen,  und  verhalten  sich  so  wie  die  ersten  vier  Bücher 
des  Amadis  und  der  Esplandian.  Der  Gang  der  Ge- 
schichte ist  in  der  ersteren  in  Kürze  folgender: 

Die  beiden  jungen  Forsten,  der  deutsche  Herkules 
und  der  böhmische  Ladisla,  befanden  sich  zu  Rom,  als 
Ladisla  von  seiner  Mutter  Hedewig  die  Nachricht  erhielt, 
dasi  sein  Vater  Notesterich  gestorben  seL  Die  EUckkehr 
nach  Böhmen  verzögeite  sich  durch  maaich&che  Abenteuer, 
namentlich  aber  dadurch,  dasz  Ladisla  zu  Padua  des  Statt- 
halters Fabius  Tochter  kennen  und  lieben  lernte  und  die 
Hochzeit  festgesetzt  wurde.  Inzwischen  werben  in  Prag 
des  Markomir,  Groszfllrsten  der  Franken  und  Sikambem,  6e- 
sandt«  um  Ladisias  Schwester  Valiska,  Herkules  Geliebte, 
welche  eine  ausweichende  Antwort  gab  und  die  Reise  nach 
Padna  antrat  In  der  Nähe  dieser  Stadt  aber  ward  die  als 
Jfingling  verideidete  Heldin  von  Räubern  geftmgen.  Der  so- 
gleich nachsetzende  Herkules  bringt  nui*  in  Erfahrung, 
dasz  sie  schon  wieder  durch  Seeräuber  weiter  entführt  sei. 
Diese  brachten  sie  als  Herkuliskus,  welchen  Namen  sie 

chin-  und  Scholeninspector.  Von  seiuen  anderen  Schriften  (vgl.  Goe- 
dcka  Grondr.;  gehOrt  noch  halb  und  halb  hierher  die  UebersetBong 
▼OA  Lueiani  Wahrer  Geaehiobte,  16S0.  8^  viid  1879.  8P.  Solioii  Gabriel 
BoUenhagea  hatte  eine  Verdentsohnng  denelben  seinen  Indlanlscfaen 
Beiaen  ehiverldbt  (Kagdebnig  1606.  4^) 

*)  a)  Heiknles.  Brannaehweig  16B0.  4®  —  ebenda  1666.  4* 
(Uegt  mir  Tor)  —  ebend*  1676.  4^  —  ebenda  1698.  4^  —  ebenda 
1728.  4^  verlegt  dnreb  Leopold  Schräder  4*  Oiegt  mur  vor).  b)Her]ni- 
Uakos.  Brannsehweig  1665.  4®  —  ebenda  1676.  4«^  —  Frankf.  1718. 
4^  — .  Vom  HerknleB  erechienen  noch  iwei  Bmenemngen,  eine  an 
Brannaehweig  1744.  8^  II,  (gdifliat  vad  modeniiidrt)  nnd  eine  andere 
unter  dem  Titel  «Die  teatachen  Fürsten  aus  dem  dritten  Jahrhundert. 
Sin  Original-Ritter^Roman.  Leipzig  1781—88.  IV. 


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—    112  — 

sich  beigelegt,  nach  Greta  und  von  da  nach  Tyi  us,  von 
wo  sie,  dem  Pai  therkönige  zum  Geschenk  bestimmt,  nach 
Oharas  gefohrt  werden  sollte.  Herkules  reiste  inzwischen 
nnter  vielen  Abentenem  ttber  Korinth  nnd  Elis,  Ladisla  zo^^ 
ihm  von  Padua  aus  nach  und  traf  ihn  in  Paträ,  um  ihn 
aus  Lebensgefahr  zu  erlösen.  Beinahe  wäre  auch  Mai*- 
komir  noch  auf  die  Sache  nach  Valiska  gegangen,  wenn 
er  nicht  inzwischen  wahnsinnig  geworden.  Znm  Glttck 
kam  nun  Herkules  nach  Greta,  wo  er  in  einem  Nuszbaume 
eine  von  Valiska  eingeschnittene  Sclirift  fand,  die  über 
deren  weitere  Beise  Auskunft  gab.  W&hrend  er  ihr  nnn 
über  Jemsalem  nnd  Tyms  nachreiste,  wurde  sie  bis  nach 
Oharas  geführt  und  dem  Könige  Artabanns  geschenkte 
Dieser  wollte  den  schönen  Jüngling  zum  Verschnittenen 
machen  lassen,  Valiska  richtete  unter  den  damit  Beauf- 
tragten ein  Blutbad  an  und  entdeckte  ihr  Greschlecht  Da 
sie  nun  Artabanus  heirathen  wülke,  schützte  sie  ein  Ge- 
lübde vor  und  erhielt  ein  Jahr  Aufschub.  In  Ekbatana 
trafen  Herkules  und  Ladisla  erst  wieder  zusammen,  La- 
disla nahm  den  christlichen  Glanben  an  und  beide  zogen 
nacli  Gharas  weiter.  Nachdem  Heikules  mit  seiner  Ge- 
liebten erst  mehrere  Male  heimlich  zusammengekommen 
war,  wurde  seinerseits  vergeblich  versucht,  sie  von  Arta- 
banns gutwillig  zu  erhalten,  worauf  eine  lange  Beihe  von 
Kriegen,  Gefahren  und  Abenteuern  folgt,  die  natürlich 
mit  der  glücklichen  Vereinigung  der  zwei  Hauptpersonen 
endet.  Hierauf  kehrten  alle  ttber  Tyms  nach  Padua  zu- 
rttck,  nachdem  in  Jemsalem  Valiska  den  jungen  Herku- 
liskus  geboren.  In  Padua  harrten  ihrer  herrliche  Feste, 
die  Abenteuer  fanden  sich  fortwährend  noch  in  übeireicher 
Auswahl  ein,  Heirathen  wurden  gestiftet,  Bekehrungen  zu 
Wege  gebracht  u.  s.  w.  Endlich  brach  man  nach  Nor- 
den auf,  aber  auf  dem  Wege  nach  Prag  wai*  noch  ein 


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—   113  — 

heimtfickischer  Ueberiall  der  Pamumier  eh  bestehen.  Als 
die  Helden  und  Heldinnen  glücklich  nach  Böhmen  gelangt 

waren,  fanden  sie  die  Nachriclit  von  der  Enlt'iilirung  der 
Eltern  und  der  Schwester  des  Herkules  vor,  woraus  sich 
wieder  ein  langer  Krieg  und  viele  Abenteuer  ergaben,  de- 
ren Heldin  namentlich  des  Herkules  Schwester  ist.  Aber 
auch  nach  glücklicher  Beendigung  dieser  Wirrsale  trat 
keineswegs  Jäuhe  ein,  denn  noch  war  ein  äuszerst  gefähr- 
lieher  Krieg  gegen  die  Pannonier  zu  ffthren.  Zuletzt 
taucht  der  längst  todtgeglaubte  alte  König  Xotesterich, 
Ladisias  Vater,  aus  jahrelanger  Gefangenschaft  auf. 

Es  sei  noch  bemerkt,  dasz  dies  nur  die  Schicksale 
der  Hauptpersonen  in  kürzester  Uebersicht  sind  und  die 
Menge  der  mehr  oder  weniger  in  den  Vordergrund  tre- 
tenden Nebenpersonen  ebensogrosz  wie  die  Masse  der  ein- 
zelnen Abenteu^  und  Verwickelungen  ist. 

Der  Held  des  zweiten  Romans  ist  der  in  Jerusalem 
geborene  Sohn  des  Herkules  und  der  Valiska.  Ihm  steht 
zur  Seite  Herkuladisla,  des  Ladisla  Sohn,  und  nicht  blos 
die  Gruppirung  der  Hauptpersonen,  sondern  auch  der  Gang 
der  Geschichte,  ja  zum  groszen  Theil  die  Schauplätze  der 
Handlung  smd  hier  ganz  analog  dem  H^kules.  Denn  auch 
hier  gehen  die  zwei  Titelhelden  nach  dem  Morgenlande  auf  die 
Suche  und  zwar  nach  des  Herkules  Schwester  Klara  und  ihrer 
Tochter  Damaspia,  aber  auch  nach  glücklicher  Befreiung  der- 
selben haben  sie  noch  mit  bösen  Nachbam  harte  Kftmpib  zu 
bestehen.  Ich  begnüge  mich  mit  diesen  Andeutungen,  da 
durch  Cholevius  längere  und  sehr  übersichtlische  Analysen 
gegeben  werden  und  dem,  der  mit  diesen  noch  nicht 
zufrieden  wäre,  die  Originale  wegen  ihrer  bedeutenden 
Verbreitung  nicht  allznschwer  erreichbar  sind. 

Der  Charakter  der  Schriilstellerei  unseres  Mannes 

8 


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dürfte  uns  snBftckst  den  Eindruck  einer  Art  Eeaction  ge- 
gen den  in  einem  groazen  Theite  der  omnilielbar  vor  ihm  be> 
sprochenen  ünteiiinltnngBlitmtnr  herrschenden  GeisI  mtt 

cheU)  denn  Buclilioltz  tritt  durchaus,  obgleich  auch  er  dem 
Ziele  zusteuert,  welches  wir  im  Armiuius  und  der  Bauise  al« 
erreicht  betrachten  mftssen,  mit  dem  Bewnsstaein  an^  da» 
das  von  ihm  anzubauende  literatnrgebiet  bedenhtiche  Sei- 
ten habe,  er  will  Besserung;;  und  Umkehr  bewirken.  Zu- 
nächst richtet  aich  seine  Polemik  gegen  die  Schlechtigkeit 
nnd  Sittengefthrlichkelt  eben  der  Art  von  Dichtungen, 
durch  die  er  p:rade  sowohl  die  sittlichen  und  religiösen 
Zustände  bessern  als  auch  Ruhm  erwerben  wollte,  gegeu 
die  Romane,  die  seinerzeit  die  beliebteste  Lectüre  der  Ge- 
bildeten waren,  nnd  als  Repräsentanten  dieser  verwerf- 
liehen Schriften  betrachUit  er,  wie  schon  erwähnt  ^\  urde, 
den  Amadis.  Da  seine  AuslUhrungen  nicht  blos  den  Ama- 
dis,  von  dem  bereits  genug  gesagt  worden  ist,  sondern  die 
Uebel,  (leiRii  Buchholtz  zu  steuern  gedachte,  im  Allgemeinen 
betreten,  und  einen  Beitrag  zur  Erkenntuisz  des  Maszstabes 
liefern,  den  man  seinerzeit  an  Bomane  anlegte»  will  ich 
das  Wesentiüchste  mit  seinen  eigenen  Worten  anülliren. 

Nachdem  er  den  christlichen  Leser  ausdrück- 
lich gebeten,  die  Geschichte  nicht  vorzunehmen,  ehe 
er  die  folgende  kurze  Yermahnung  durchgelesen  nnd  ver- 
nommen habe,  sagt  er,  dasz  „seine  Andacht  in  diesem 
ganzen  Wercke  eigentlich  dahin  gerichtet  sey,  dasz  des 
Gemttths  Erfrischung,  so  man  im  durchlesen  anmuhtiger 
Geschichte  suchet,  allemahl  mit  gotf&rchtigen  Gedanken 
vennischet  seyu  inuge,  und  die  Erkaiitnis  der  hinilisclien 
AVarheit  auch  daselbst  be£odert  werde,  da  mau  sichs 
nicht  vermuhten  wahr;  massen  dadurch  andächtige  Seelen 
offt  veranlasset  werden,  ihi'e  Seufizer  mitten  in  solcher 


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—    116  — 

Leming  gen  Hittnel  »t  schicken,  damit  die  irdische  G^e- 

sonnenheit  am  Zeitlichen  sich  nicht  zu  heütig  vergaö'eu, 
noch  den  Lttsten  zu  iriel  Baum  geben  möge. 

Dis  scfaaodsftehtigie  Amadis  Buch  hat  mamiicheii 

Liebhaher,  auch  unter  dem  Franenzinimei ,  deren  nocli  keine 
dadurch  gebessert,  aber  wol  unterschiedliche  zui'  unziem- 
lichen Frechheit  angespornet  sind,  wan  sie  solche  Be- 
gebnissen vor  Augen  gemahlet  sehen,  welche  wol  die  IJn- 
vers<  liänitesten  vor  der  Sonne  zu  verrichten  scheu  traj^en. 
Dasz  ich  alhier  nicht  allein  der  handgreiflichen  Contra- 
dictionen  und  Widersprechnng^,  wondt  der  Tichter  sieh 
selbst  zum  oftem  in  die  Backen  hauet;  samt  den  ungläub- 
i3cheinlichenFällenund  mehr  als  kindischen  Zeitverwirrongen, 
deren  das  ganze  Bach  durchgehend  toI  ist;  sondern  auch 
der  teils   n&rrischen,  teils  gotlosen  Bezänhemngen  ge- 
schweige,  deren  ^o  vielfältige  jMchliing  gescliiehet,  und 
doch  HO  wenig  Geschmak  als  Glaubwürdigkeit  haben,  nicht 
desto  weniger  aher  diese  teoilische  Knnst  nicht  allein  vor 
gut  und  zugelassen,  sondern  wol  gar  Tor  Christ-  und  got- 
lich  wii  gehalten  werden,  als  deren  sich  Christliche  Käy- 
aer,  Könige  und  Bitter  ohne  Gewissens-Anstosz  gebrauchet^ 
und  dadurch  manmchem  Unglök,  aus  sonderbabrer  Schickung 
Gottes  entiissen,  auch  viel  Gutes  zu  volfuliren  gestärket 
sejn  sollen.    Wil  nicht  sagen,  wie  leicht  unbesonnene 
lAsteme  Weibeshilder  hiedurch  der  Zauberey  sich  zu  er- 
geben, m6chten  veranlasset  werden.    Woraus  dann  zur 
gnüge  erscheinet,  dasz  der  leicht  bewaglichen  Jugend  mit 
obgedachtem  Buche  nicht  besser  gedienet  w&hre,  als  wann 
es  nur  den  Schaben  und  Motten  durdizublättem,  und  der 
ewigen  Vergessenlu'it  übergeben  Avurde. 

Ob  dann  einiger  Amadis-Öchiitzer  eiuwerflen  wolte, 
die  lustbringende  Erfindungen  macheten  diesem  Buche  sein 

8* 


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—    116  — 


Anbellen,  und  eDtrisseu  es  der  Verwesung;  so  ma^  ehr* 
liebenden  Herzen  dieses  noch  lange  nicht  gnng  seyn. 
Dann  die  Leichtfertigkeiten  hecheln  gar  m  grob,  nnd  di^ 

nnziemliclie  Hetreibiinpren  zwischen  jungen  verliebeten  ho- 
hen Standes-Leuten  brechen  so  unverschämt  losz,  dasz  von 
keuschen  Herzen  es  ohne  argernis  nicht  wol  kan  gelesen 
werd^;  

Mii  zweiffeit  niclit,  der  tretiiilie  Barklaius  mit  seiner 
beruniten  Argenis;  Herr  Sidnei  mit  seiner  Arkadia;  Herr 
Marets  mit  seiner  Ariana,  und  andere  dergleichen  zuch* 
tige  ehrliebende  Geschieht  Schreiber,  haben,  der  Jugend 
den  Amadis  ans  den  Händen  zu  reissen.  nicht  die  geringste 
Ursach  geuommen,  jhre  Schrilten  hervorzugehen;  Und 
musz  ein  jeder  gestehen,  dasz  jetzt  gedachte  B&cher  ohn 
Anstos  und  Ärgernis  wol  kennen  gelesen  werden;  aberdio 
wahre  (Gottesfurcht  ist  in  denselben  niclit  eingefuhret,  viel 
weniger  des  Christlichen  Glaubens  einige  Kleidung  ge- 
schehen; daher  mein  Sinn  und  vielleicht  anderer  mehr, 
durch  solche  nicht  vergnüget  ist  .  .  . 

Nun  führt  Bucldioltz  im  Folgenden  sehr  breit  aus» 
wie  er  in  seinem  Wei'ke  diesem  Mangel  abgeholfen  habe, 
hebt  dann  auch  hervor,  wie  er  durch  Darstellung  böser 
und  lasterhafter  Charaktere  die  Tugenden  in  ihrem  Wi- 
derspiel beleuchtet  und  auch  kurzweilige  Scenen  der  An-* 
nehmlichkeit  wegen  eingemischt  habe.  ^Jedoch  sol  der 
Leser  hiemit  Christlich  vermahnet  seyn,  dieses  Buch  nicht 
dergestalt  zu  lesen,  dasz  er  nur  die  weltlichen  Begeb- 
nissen zur  sinlichen  Ergezlichkeit  herausnehmen,  und 
die  eingemischeten  geistlichen  Sachen  vorbey  gehen  wolte; 
sondern  vor  allen  Dingen  die  Christlichen  Unterrichtnn« 

gen  wolbeobachte  insonderheit  den  zum  Ende 

gesezt^in  Begrief  des  algemeineu  Christlichen  Glaubens 


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—    117  — 


nach  allen  seinen  Stücken  recht  tkbse  .  .  .  Nachdem 
er  Gott  zum  Zeugen  seiner  guten  und  ernsten  Absicht 
gegen  diejenigen^  welche  die  Theologie  in  dem  Boman 
allzQreichiich  vertreten  erlauben  könnten,  angerufen,  bemerkt 
er  noch,  dasz  er  keine  Streitigkeiten  der  Lehre  (als  welche 
la  jenen  Zeiten  noch  echlieffen)  habe  einmengen  wollen. 

Das  hätte  nun  auch  grade  noch  gefehlt!  Bnchholtz 
meint  den  lutherischen  Superintendenten  nucli  mit  sehr 
groszer  Mäszigung  in  seinen  Romanen  zur  Geltung  ge- 
bracht zu  hsrben,  wir  müssen  aber  sagen,  dasz  diese  Her- 
vorkehruug  seines  Standpunktes  iiidit  j>()Wohl  als  seines 
Standes  die  ästhetisch  schwächste,  zugleich  aber  auch 
historisch  bedeutendste  Seite  seiner  Schriftstellerei  bildet 
Wie  wir  bei  Harsdörffer  die  Poesie  die  Miszhandlungen 
des  vornehmen  Philisters  nmszten  erdulden  sehen,  so  se- 
hen wir  hier  die  erzählende  Dichtung  dadurch  ruinirt,  dasz 
sie  von  einem  eifrigen  Seelsorger  und  herrscblustigen  Su- 
perintendenten zum  Mittel  für  seine  pastoraien  und  sonstigen 
amtlichen  Zwecke  gemacht  wird,  im  Grunde  das  immer  wie- 
derkehrende Elend  des  XYII.  Jahrhunderts,  Dichtung 
ohne  Dichter  von  lieruf  und  Begabung.  Alan  würde  aber 
Üuchlioltz  ein  groszes  Unrecht  thun,  wenn  man  alles  Wi- 
derwärtige seines  Gebahrens  ihm  persönlich  zur  Last  legte, 
der  Charakter  seiner  Erzählungen  ist  der  seines  Standes, 
wie  er  diesem  von  den  Verhältnissen  der  Zeit  aufgezwun- 
gen wurde.  Die  unermüdliche  Zanksucht  und  Bissigkeit, 
die  breite  und  trockene,  polternde,  gespreizte,  anmaszende 
Art  des  Vortrags,  die  an  jeder  Stelle  und  zu  jeder  Zeit 
das  Wort  verlangt,  um  seelsorgerische  Vermahnungen  vor- 
zubringen, die  Anmasznng,  mit  der  gefordert  wird,  man 
solle  theologisches  (ierede  immer  und  überall  schön  finden, 
weil  es  von  üeligion  handelt,  die  herrschsüchtige  Un- 


i 


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—    U8  — 


(luldsamkeit,  welche  jeden,  der  auch  nur  ästhetische  Be- 
denken haben  köimey  mit  Annifongeii  Gk^ttes  mn  Schwei» 
gen  nnd  snr  TJnterwerfting  rarweiset,  macht  dnen  am  so 
häszlicheren  Eindruck,  weil  sie  mit  dem  crassesten  Aber- 
glauben in  Bezug  auf  Hexerei  und  dergleichen  verbunden 
ist.  £he  er  noch  zn  erz&hlen  angefimgen,  erbost  sich 
BnchholtB  schon  gegen  die  mAgliche  Kritik  und  setet  Aber 
die  Inhaltsangabe  noch  einen  Vers  „An  den  Nase-Klug- 
liug,  worin  er  noch  einmal  sagt: 

Was  wol  gemeynt,  und  sor  Erbaonng  di^et» 
Das  fidite  nicht  mit  Lasler-Beden  an**  n.  s.  w. 
und  um  gleich  zu  Anfang  zu  zeigen,  dasz  er  ein  Theologe 
von  Berut  sei,  dem  die  B^gion  ein  gewöhnlidies  Ding 
tttglicher  Handwerksttbong  ist,  Iftszt  er  seinen  Heiden 
beim  Erwachen  ein  nicht  kiuxes  G^bet  eigener  Erfindung 
beten  ,,Hierauff  sprach  er  das  heilige  Vater  Unser,  den 
Chrislichen  allgemeinen  Glauben^  und  etliche  Busz  Gebebt 
Davids"  woranf  sogleich  ein  Gesfirftch  ttber  Beligions- 
sachai  mit  seinem  inzwischen  anch  erwachten  Freunde 
Ladisla  folgt.*) 

So  geht  es  nun  in  seinen  Bomanen  fortwährend  wei- 
ter, man  glaubt,  er  mflsse  hin  nnd  wieder  seine  Predigt- 
concepte  bogenweise  ausgeschrieben  haben»  nnd  nicht  am 
wenigsten  verletzt  uns  die  fortwälirende  Hervorkehrung 
der  bloszen  Lehre,  des  trocken  Begrifflichen  in  dei'  B«li- 
gion,  eine  Einseitigkeit,  welche  bekanntlich  die  verh&ng- 
niszvoUste  Schwäche  des  Lntherthums  jener  Zeiten  war. 
Aber  so  war  Buchholtz,  weil  er  lutherischer  iSupehiileiident 
war,  und  so  waren  seine  f'ach-  und  Standesgenossen  da^ 

*)  Die  Hauptleistung  des  Btarbt'iter8  von  1744  besteht  darin, 
dMZ  die  ascetischen  und  theologisdieB  Ausführniigeu  Buchholtxens  aus 
dem  Romau  eatferut  sind. 


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—    119  — 

ttftls  alle,  weil  de  w  eeln  nmszteiL  Wir  eehen  jetst  nur 

noch  die  Schattenseiten  ihres  Wesens,  dürfen  aber  nicht 
vergessen,  dasz  ihre  unermüdliche,  hartnäckige  und  wort- 
reielie  Polemik  nOthig  war,  mn  das  dem  ProtestaatiamiiB 
gehörige  Gebiet  ztt  Tertheidigen,  und  dasi  die  meisten  von 
ihnen  Charakter  genug  besaszen,  für  die  Meinungen,  für 
die  sie  sich  ihr  ganzes  Leben  liindurch  lierumzankten  und 
MsseU)  anck  Hans  nnd  Hof,  Weib  und  Kind,  Leib  und 
Leben  anf  das  Spiel  zn  setzen.  Wnrde  doch  Bnchholtzens 
Landesherr  und  Fachgenosse  im  Romanschreiben,  Anton 
Ulrich  von  Braunschweig,  nachdem  er  schon  lange  Hin- 
ndgnng  snr  katholischen  Beligion  gezeigt,  endlich  1710 
Oifentiich  katholisch,  nnd  wenn  ihn  unseres  Mannes  1671 
herausgep:ebene  Schrift  gegen  den  Uebertritt  zum  Katho- 
licismus  vielleicht  auch  nichts  angelit,  so  geht  aus  dei-  Ab- 
fikssung  derselben  doch  zur  Genüge  hervor,  dasz  Buchholtz 
in  ihm  n&her  stehenden  Kreisen  Grand  zn  solchen  Befürch- 
tungen musz  geftmden  haben.*) 

Für  die  unangenehmen  Empfindungen  des  Literar- 
historikers bleibt  es  schlieszlich  gleich,  ob  er  die  deatsche 
Dichtung  jener  traurigen  Zeit  bei  dem  oberflächlichen 
vornehmen  Herni  oder  bei  dem  grobkönügen  theologischen 
Eifer»'!'  das  Bett^lbrot  essen  sieht,  denn  in  beiden  Fällen 
ist  die  betrübende  Thatsache  vorhanden,  dasz  ein  Gebiet 
der  Cnltnr,  und  zwar  eines,  zu  dessen  Bebauung  in  unse- 
rem Volke  die  herrlichste  Begabung  vor  banden  ist,  wegen 

*)  ,€hrnnd-  und  Hauptnnach,  wanun  ein  Teratändlger  evange- 
Uscher  ChrlBt  lüeht  rSmisch-katholisch  weiden,  soBdem  eTangeUsch- 
kathollteb  eeyn  mid  Uelben  wUl  und  nw.*  Die  stemUeh  aui- 
flluUefae  Schrift  »ith&lt  gw  keine  besonderen  nnd  penOnUehen  Beittge» 
▼ielleicht  aber  weist  dies  grade  daranf  hin,  dasz  sie  für  den  damals 
SS^fthrigen  Prinsen,  mit  dem  B.  wShrend  seines  Aufenthalts  in  Bronn- 
sdiweig  (164S— 71)  9fter  snsammenkam,  ^stimmt  inat. 


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120  — 


Mangels  an  selbstftndiger  und  sacligemäszer  Pflege  als 

karggehalteues  Nebenfach  eines  ihm  heterogenen  Grebietes 
yerkttinmeru  musz.  Wenn  wir  dies  bedenken,  werden  wir 
auch  die  relativen  Yorzflge,  die  Bnchholtzens  Bomaae  tot 
anderen  jener  Zeit  voraushaben,  überhaupt  die  Eigenthiim- 
lichkeiten  die^  Werke,  welche  sie,  rein  als  Jäomane  be* 
trachtet,  besitzen,  nicht  unterschätzen. 

Wenn  Cholevins  unzweifelhaft  mit  Recht  sagt,  dasz, 
wenn  mau  diese  Eomane  nicht  durchlese,  sondern  nur  in 
ihnen  lese,  man  sich  fdr  berechtigt  halten  kOnne,  ihremTer^ 
fasser  jede  dichterische  Begahung  abzusprechen,  so  will 
ich  gleich  von  vornherein  annelnueii,  dajsz  fast  alle  meine 
Leser  in  diesen  Fäll  kommen  werden,  wenn  sie  es  nicht 
etwa  vorziehen,  nicht  einmal  in  dem  Herkules  und  Herku- 
liscus  zu  lesen.  Wenn  aber  Cliolevius  weiter  zu  Gunsten 
des  Dichters  sagt,  dasz  es  doch  nur  die  Kraft  der  Phan- 
tasie gewesen  sei,  welche  so  viel  wechselvolle  Begeben- 
heiten ersonnen  und  solche  umfassende  und  zusammege- 
setzte  Pläne  entworfen  habe,  so  möchte  ich  dodi,  und 
dieSf  um  hier  schon  eine  Grundlage  für  die  Beurtheilung 
der  andern  Koryphäen  des  XVIL  Jahrhunderts,  Anton 
rhicli,  Zie<rler  und  Luhenstein  zu  gewinnen,  behaupten, 
dasz  man  nicht  jede  iu  Ertindungen  und  Plänen  leistungs- 
föhige  Geisteskraft  Phantasie,  geschweige  d^in  dichterische 
Phantasie  nennen  könne.  Wenn  sich  ein  betrügerischer 
Gründer  oder  Börsenspeculant  einen  höchst  umfangreichen 
und  verwickelten  Plan  zur  straflosen  Leerung  der  Geld- 
beutel seiner  Nebenmenschen  aussinnt,  oder  wenn  sich  em 
Mensch,  der  eine  mit  den  Gesetzen  in  AMderspruch  ste- 
hende Handlung  vor  Gericht  zu  verantworten  hat,  eine  lange 
Geschichte  mit  groszem  Scharfsinn  zusammensetzt,  um  den 
Geschworeneu  die  Beurtheilung  seiner  Schuld  zu  erschweren, 


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—   181  — 

90  ist  das  keine  dichterische  Phantasie,  sondern  nnr  eine 

verständige  VerbiiKliiii^  von  aus  dem  Gedächtnisz  ge- 
schöpften Begebenheiten  und  andern  Erfahrungen  zu  ei- 
nem logisch  geordneten  Ganzen,  wobei  dann  dies  und  je- 
nes nach  veretändigen  Erwägungen  wieder  mit  aus  der 
Erfahrung  gesammeltem  Material  verändert  oder  ergänzt 
wird.  Auf  Anschauliclikeit,  auf  Geschmack  und  künstle- 
rische Wirkung  kommt  es  dabei  nicht  an,  sondern  auf 
praktische  Duichf  iilu  barkeit  oder  einleuchtende  U  aluschein- 
lichkeit. 

Eine  wesentlich  andere  geistige  Thfttigkeit  kann  ich 

bei  BiU'hhoItz  nicht  erblicken,  ul)ge>ehen  davon,  dasz  er 
moralische  gute  Zwecke  verfolgt.  Er  hat  viel  gelesen 
und  erfahren,  er  hat  Menschen  kennen  gelernt  und  ge- 
lernt^ über  Menschen  verständig  zu  reden.  Dies  war  ge- 
nug, um  mit  l  leisz  und  einiger  Anlage  zur  Consequeuz 
und  viel  Gedächtnisz  solche  BUcher  zn  schreiben,  kurz 
seine  Phantasie,  wenn  man  dieses  Wort  stehen  lassen  will, 
ist  Gedankenphantasie,  seine  Boniane  sind  erdacht,  aber 
nicht  erdichtet 

Dasz  er  dagegen  wegen  seiner  moralischen  Grund- 
sätze Lob  verdient,  darf  nicht  geleugnet  werden.  Alora- 
lisch  gereinigt  hat  er  den  üomau  ebenso,  w  ie  dies  von 
Zesen  gesagt  werden  mnsz.  Was  uns  vielleicht  noch  an- 
st^zig  scheinen  könnte,  smd  nnr  Derbheiten,  die  auf  die 
gemeinsame  Bechnung  der  Zeit  konunen.  Anschaulich 
und  voll  warmer  Empfindung  sind  seine  Darstellungen  von 
reiner  Liebe  und  Trene,  von  Freundschaft  und  AnhAng- 
lichkeit  allerdings  nicht,  aber  man  niusz  es  ihm  lassen, 
dasz  er  gesunde  Ansichten  über  und  klai*e  Einsichten  in 
den  sittlichen  Werth  menschlicher  Handlungen  nnd  Zu- 
stände hat,  dasz  er  verständig,  klar  und  namentlich  recht 


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ansfUhrlich  zu  8ag<eii  ireiss,  worin  die  Tugenden  und 

Laster  bestehen. 

Was  insbesondeie  Buchholtzens  Stellung  in  der  Ent- 
wickelong^gesohichte  nnserer  Oattnng  anbelangt»  so  ge* 
Winnen  seine  Romane  ein  historisches  Liteiesse,  aneh  wem 

wir  ganz  von  ihrem  theologisch-past oralen  Stempel  ab-  und 
•  nur  auf  ihr  Verhältnisz  zu  dem,  was  voraotging,  and  den, 
was  folgte,  sehen.  Ja  man  mnss  sagen,  dasz  sie  sich  in 
den  Gang  der  Entwickelung,  welchen  der  Kunstroman 
des  Xyn.  Jahrhunderts  genommen  hat»  noch  entschiede- 
ner organisch  einfftgen  als  die  Schrift«!  Zesens.  Chole- 
vius  hat  schon  auf  die  mittlere  Stellung,  welche  der  Her* 
kules  zwischen  den  Amadisromanen  einerseits  und  der 
Banise  und  dem  Arminias  andererseits  einnimmt,  anf> 
merksam  gemacht,  nnd  man  kann  seinen  Bemerknngen 
nur  beistiiiiiiien.  Einestheils  nämlich  scheinen  wir  gänz- 
lich in  die  alte  AVeit  der  irrenden  Ritter  znrttckversetst 
za  sein.  „Es  werden  gefangene  Jnngfranen  beft«it,  man 
sÄubert  die  8traszeii  und  die  Wälder  von  Häubem,  stobse 
und  unhöfliche  Trotzer  müssen  Bescheidenheit  lernen,  und 
die  Helden  durchziehen  mter  fremden  Namen  fieme  Meere 
nnd  Länder,  um  allenthalben  in  Gefahren  und  Abenteuer 
verstrickt  zu  werden.  Ja,  eine  Heroine  n  ie  Valiska  reihet 
sich  an  die  gl&nzendsten  Gestalten  der  Ritterpoesie.  An* 
demtheils,  wenn  man  sich  die  Begebenheiten  und  Perso- 
nen genauer  besielit,  findet  man,  dasz  die  phantastisclien 
Auswüchse  der  Ritterpoesie,  besonders  aber  die  noch  in 
den  Amadisbüchem,  obwohl  in  modemisirter  Gestalt,  dnrch- 
brechenden  Elemente  ans  der  AVeit  der  Sage  beseitigt  sind. 
Herkules  und  Ladisla  sind  keine  eigentlichen  iirenden 
Ritter,  denn  sie  abentenem  nicht  planlos,  blos  am  Abeor 
teuer  za  finden  nnd  dem  Herkommen  zn  genttgen.  I^ok 


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—    123  — 


lud  2aab«rei  and  nir  iamweit  zugelassen,  ab  der  Yer» 
fisu^^ser  selbst  daran  glaubte,  und  wenn  auch  sein  Aber- 
glaube uns  stark  genug  yorkomnt,  so  war  er  doch  gegen 
die  Phaataaiey  welche  eine  Urgaada  nnd  einen  ArealaiiB 

schuf,  sehr  gemäszigt  und  gereinigt.  Riesen,  Drachen, 
Ungeheuer  und  Kobolde  sind  weggeräumt,  kurz  wir  be* 
finden  nns  aaf  dem  Boden  der  Wirklichkeit,  nnd  das 
historische  Element  macht  sich  in  der  bestimmten  welt- 
geschichtlichen Zeit  und  den  geographisch  denkbaren 
Oertlichkeiten  überall  geltend,  auch  die  Beden  nnd  Mei- 
nungen, die  sehr  gelehrten  Dispntationen,  welche  sich 
selbstverständlich  auf  dem  Gebiete  der  Theologie  und 
maiu'Jim&l  dei'  Philosophie  bewegen,  kennen  allenfalls  und 
im  Ganaen  wohl  in  der  Zeit  der  Handlung  Torgekommen 
sein. 

Durch  alles  dies  wird  aber,  wer  Lohenstein  und 
Ziegler  kennt,  an  die  Art^  wie  sie,  namentlich  der  erstere, 
ftre  Aufgaben  anfassen  und  behandeln,  erinnert.  Das 
Historische  spielt  bei  Buchholtz  und  Lohenstein  dieselbe 
Bolle,  die  Ueberlast  von  historisch-antiquarischer  Gelehrt 
samkeit  hd  Lohenstein  ist  in  den  Augen  der  Zeitgenossen 
eben  nui*  eine  Vervollkommnung  der  Kunst  gewesen,  ge- 
gen den  Amadis  und  die  Bitterbücher  gehalten,  bewegt 
sich  Lohenstein  auch  auf  dem  wirklichen  Gebiete  der 
Prosa,   auch  hier  sind  die  erotischen  Motive  moralisch 
reiner  behandelt,  wenn  von  Helden  und  guten  Ijeuten  die 
Bede  ist»  das  Verhalten  lasterhafter  Personen  ist  bei 
Buchholtz  und  Lohenstein  gleich  grell  und  derb  geschildert, 
und  in  Spuk  und  Zauberei  schränkt  sieh  auch  Lohensteitt 
aaf  das  ein,  was  seiner  Ansicht  nach  der  Wirklichkeit 
entspricht  Zu  diesen  AehnlichkeLten  kommen  aber  noch 
Widere  Punkte,  welche  die  Verwandtschaft  deutlich  er- 


—    124  — 

kennen  lassen  imd  nach  denen  Bnehkoltz  als  der  nSchslp 

stehende  \'oi^äuger  der  zwei  berühmtesten  Kuinauischieiber 
dieses  Jahrhunderts  erscheint,  und  wiederum  springt  auch 
die  Parallele  zwischen  Bndiholtzens  Romanen  und  dem 
heioisch-gahiiiten  der  Fiaiizuseii  in  ihrem  YerhältnLsz  zu 
dem  Amadis  in  die  Augeu.  Unter  diesen  Gesichtspunkt 
gehöity  dasz  die  französischen  wie  die  deutschen  Schrift- 
steller^ wenn  sie  auch  die  phantastische  Qualität  ihrer 
Kilindungen  nicht  auf  der  gleichen  Höhe  wie  ihre  Vor- 
gänger glauben  halten  zu  dürfen,  doch  in  der  Quaintität, 
der  Menge  und  Verwickelung  der  dargestellten  Ereignisse, 
der  Ausüihrlielikeit  und  Küustlichkeit  oder  in  Deutsch- 
land der  Gelehrsamkeit  der  Unterhaltungen  das  Ihiie  thun. 
An  Stelle  der  Wunder  und  Unmöglichkeiten  schieben  sich 
Geschichte,  Alterthumskunde  und  Politik,  nicht  zui  Er- 
höhung des  poetischen  Werthes,  aber  zui*  Vermehrung  des 
Beiialls  der  verständiger  und  „curiöser^  gewordenen  Zeit 
Alle  diese  Dinge  finden  sich  dann  bei  Lohenstein  in  hö- 
herer Eutwickelungy  und  der  Braunschweigische  Herzog 
giebt,  wie  wir  sehen  werden,  dem  Braunschweigischen 
Superintendenten  darin  wenig  nach.  Aber  in  noch  bedenk- 
licheren Dingen  ist  Buchholtz  Lohensteins  Vorgänger  und 
für  dessen  Geschmack  vielleicht  Vorbild  und  Bestärkung 
gewesen.  Die  Neigung,  in  abgeschmackter  Weise  Ge&li- 
ren,  Heldenthaten  und  Abenteuer  zu  übertreiben  und,  so 
zu  sagen,  mit  völlig  kaltem  Blute  und  berechnendem  Ver- 
Stande dem  Staunenswerthen  immer  noch  etwas  Staunen»- 
wertheres  hinzuzufügen,  die  —  auch  augenscheinlich  6m 
iVanzosen  abgesehen  —  Ueberraschungen  durch  Wieder- 
erscheinen längst  verloren  und  verstorben  geglaubter  Per> 
sonen,  mit  der  Lohenstein  uns  sehr  zu  impcmiren  meinte 
besitzt  auch  Buchholtz  und  scheint  sich  ebensoviel,  darauf 


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—    125  — 

«0  Gate  zu  thun.  Bas  Schlimmste  an  dieser  Keigung  kommt 
dum  zu  Tage,  wo  aaf  «Uts  ätr&abeii  der  Haare  des  Le« 
gers  gewirkt  werden  boU,  bei  Sehildenmgeii  tob  grftsxli* 

chen  Schlechtigkeiten  und  deren  Strafen,  z.  H.  wo  im 
Herkules  die  beiden  böhniisckeu  Edelleute,  welche  den 
alten  König  Notesterich  hatten  yerschwinden  lassen,  ab« 
genrtheilt  nnd  hingerichtet  werden,  und,  nm  die  Erzeug- 
nisse der  Folterkamnierphantasie  in  gehörigem  Rahmen 
erscheinen  zu  lassen,  noch  obendrein  Valiska  dem  Gerichts- 
hofe präsidirt  Lohenstein  hat  in  diesen  Effecten  den 
Bnchholtz  eigentlich  nnr  noch  dnrch  die  Hinzufügung  der 
Scliamlosigkeit  in  Behandlung  geschlechtlicher  Dinge  über- 
boten. 

Was  die  sprachliche  Darsteliong  Buchholtzens  an  nnd 
für  sich  anbelangt,  so  kann  man  ihr  die  Anerkennung 

"Wohl  nicht  vei-sagen.  dasz  sie  frei  von  Auswüchsen  und 
rein  von  Fremdwörtern,  khir  und  correct  sei.  Man  merkt 
an  seinem  Stil,  dasz  er  als  Prediger  nnd  Universitätsleh-^ 
rer  in  der  Lage  war,  was  er  schrieb  oder  entwarf,  auf 
einen  verständlichen  mündlichen  Vortrag  zu  berechnen, 
und  dies  ist  in  der  Zeit  der  Buchdichtung,  die  nur  für 
das  Auge,  nicht  fSar  das  Ohr  ezistirte,.  ein  Vorzug,  wenn 
er  auch  grade  am  Romane,  bei  dem  man  jederzeit  das 
lautlose  Lesen  voraussetzt,  am  weiiigstrn  vci  niiszi  werden 
würde.  Wenn  Bnchholtz  dem  Leser  bisweilen  es  nicht 
leicht  macht,  den  Zusammenhang  zu  ttbersehen,  so  liegt 
das  nicht  an  seinem  Stil,  sondern  an  der  wenig  ttbersicht- 
liclien  Anhäufung  der  Sachen,  und  auch  hierin  erreicht 
er  trotz  dem  ansehnlichen  Umfange  seiner  Romane  Lohen^ 
Steins  schwerfällige  Ueberladungen  und  Einschachtelungen 
bei  weitem  nicht. 

An  Zesen  und  Bnchholtz  schlieszt  sich  als  dritter 


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—    126  — 

im  Buade  der  Benog  Anton  Ulrich  Ton  Branih 
sehweig.     Denn  sowobl  der  Zell  nach  stellen  akh 

seine  Erzeugnisse  neben  die  jeuer  beiden,  obwohl 
die  Yollendimg  der  spftt  reifenden  Erftchte  erst  nui 
der  Blüthe  Ziegtos  und  Lohensteins  aMammenftllt,  imd 

aucli  iu  der  Beschaffenheit  seiner  Schriften,  namentlich 
Mras  die  scharte  Ausprägung  des  erst  durch  jene  beiden 
vollendeten  Gattnngscharakttts  anbelangt»  steht  der  Her- 
zog Zesen  und  Buchholtz  näher  und  noch  um  ein  Ziem- 
liches hinter  den  beiden  berühmtesten  Vertretern  des  he- 
roisch-galanten  Bomans  zurück.  durchleuchte;^  Dichr 
ters  dnrchknchtige  Syrerin  Aramena  erschien  zuerst  in 
Dürnberg  1669 — 73  in  tiiuf  stattlichen  Octavbänden,  die 
'  Octavia  ebenda,  wahrscheinlich  1677/)  in  sechs  BiUiden. 


^)  In  Bezug  auf  den  Bestend  und  die  Aufeinanderfolge  der  Auf- 
gaben beider  Romane  ist  einiges  zu  berichtigen.  Was  zunSebstdle  An* 
mena  anbetrifft,  so  steht  die  Existenz  Ton  swei  Ausgaben^  der  im  Text 
erwähnten  ersten  und  der  zweiten  Nttmberg  1678  fest.  Der  IL  Tkttt 
^dteser  zweiten  Ausgabe  erschien  1679,  der  fünfte  1680,  letitaier  imtar 
4em  besonderen  Titel:  Hesopotamisdie  Schäferei  Oder  die  dnreUeseli- 
tige  Syrerin  Aramena  der  Fünfte  und  letste  TheO.  Ehie  Bearbei- 
tung «für  unsei-e  Zeit**  liefern  Sophia  Albredbt  1789—86.  III.  Tos 
der  OctoTla  aber  sind  sicher  im  Chuuen  drei  Ausgaben  anwinehmei^ 
1)  die  TOB  GoedelLO  mit  Nürnberg  1677  (Joerdens  1678)  beselelmete^ 
von  welcher  allerdings  selbst  die  Bibliothek  zu  Wolifenbüttel,  wie  ich 
durch  die  Gttte  des  Herrn  Geh.  B.  Heinemann  erfahre, 
keinen  ersten  TheÜ  besitst.  Der  IL  Band  mit  der  8cmde^ 
baren  Datimng  Anno  Christi  LXXGC  befindet  sieh  auf  der 
Köulgl.  Bibliothek  zu  Breslau.  Eine  kurze  Vorerinnerung  weist  aus- 
drOcklich  auf  den  ersten  TheÜ  hin.  2)  Nürnberg  1685  ff.  VI.  8^.  Der 
Bweite  Band  dieser  Ausgabe  enclüen  erst  Kflmberg  1702,  «der  Be- 
schloss*  1704.  «Der  DonMenchtigsten  Herzogin  gewidmet^  die  dieie 
Römerin  von  ihrem  mehr  als  zwanzigjälirigem  Schlaff  aufiierwecket* 
Im  Vorbericht  an  den  Leser  helszt  es:  ^Ob  man  zwar  wolfermeinet 
dir  mit  dem  Besddnsse  «nch  das  Ende  des  Werckes  mitsnthellen;  so 


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—    127  — 


Eine  wirkliche  Analyse  der  beiden  unendlich  weit- 
schweifigen und  durch  zahllose  Episoden  attlige»chwellteii 
Bomane  wttrde,  am  den  guBaamnentang  des  Stoffes  an* 


haben  doch  einige  wiihti^^e  Vurfalleuheiten  und  noch  ein  ander  wi- 
driger Zufall  solches  vor  dasiiiahl  bebindert:  derohalben  du  deine 
Curioi^ität  vorei^st  liiemit  zu  conteutiien  ersuchet  und  daneben  zugleich 
versichert  wirst,  dasz  mit  nächsten  besagtes  Ende  unter  dem  Titel: 
Zugabe  des  Beschlusses  der  Römischen  Octavia,  so  Gott  will,  ohnfehi- 
bar  eifolgen  soll."  Nach  Joerdens  scheint  die  Zugabe  1707  erschienen 
zu  .sein.  Es  geht  hieraus  hervor,  dasz  die  erste  Ausgabe  nicht  zu 
Ende  geführt,  die  zweite  auch  erst  allmälüich  vollendet  worden  ist 
8;  die  Aufgabe  von  1712,  Braunschwei^  bei  J.  (i.  ZiUinger  in  VI 
Bänden  8^.  «Auf  Veranlassung  einer  hohen  KOnigl.  Printzessin  Narh 
dem  ehmahligen  Entwnrff  geändert  und  dnrcbgehenda  Temehxet  Nun- 
mehr von  neuem  ao^eleget.*  Die  Angabe  Uber  die  Verändenmg 
ud  Vennehnrng  ist,  wie  eine  Yergleichung  leicht  beweist,  niehts 
weniger  als  nichtssagend,  In  der  Ansgabe  von  1712  liegt  In  der  That 
ein  ganz  TerKndertes  nnd  veimehrtes  Werk  vor,  nnd  die  Yerftnde- 
rangen  erstrecken  sich  auch  auf  die  einzelnen  Worte.  Der  kurze  Vor- 
berieht  an  den  Leser  sagt:  ,Es  ist  ans  der  vorigen  Auiage  der 
»Isdien  Octavia  bekannt,  welcheigestalt,  nachdem  die  diey  Ersten 
TheÜe  derselben  für  mehr  dann  swantrig  Jahren  im  Druck  heransge- 
geben  worden,  nnd  es  sich  mit  den  folgenden  von  Jahren  zu  Jahren 
verzögert,  eine  hohe  Königliche  Persohn,  es  veranlasset  hat,  dasz  die 
ttbflgen  Theile  nachher  a«cb  an  das  Tages  Licht  gekommen.  Wie 
man  aber  bald  darauf  angemercket,  dasz,  wegen  gar  zu  groszer  Eil- 
fertigkeit, nicht  in  allem  dem  ersten  Entwui-ff  ist  gefolget  worden, 
und  obermeldt«  hohe  Persohn  es  verlanget,  dasz  der  Bes(  lilusz  dieses 
Wercks  machte  der  ersten  Erfindung  nach  ausgeführt  werden.  Als 
bat  mau  aus  schuldigster  Verehrung  für  dieselbe  die  Mühe  übeniom- 
men,  und  nicht  allein  die  letztern  Theile  verändert,  sondern  auch 
denen  erstem  neue  (yeschichte  hinzugefüget,  und  also  das  gantze  Werck 
diirchgehends  vermehret  .  .  Von  dieser  Ausgabe  existirt  eine 
blosze  Titelautiage  Braunschweit;,  Hey  Ludolph  Schröders  \\  ittwe.  .T. 
(Könis:!.  öfFentl.  Pihli(»thek  zu  Die.silen.)  In  ihr  fehlt  das  von  dem 
Verleger  für  die  dritte  Ausgal)e  besonders  erworbene  Kuiserl.  Privi- 
legium d.  d.  4.  Oct.  1712  und  das  „Dauck-Opffer  An  den  hohen  Ver- 
fasser dieses  Werckes,  über  den  glücklich  geendeten  Schlusz**  von 


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—    128  — 


schaolich  zn  machen,  sehr  ausftthrlicli  sein  müssen,  dem 
Bilde  aber,  welches  wir  uns  von  dem  Entwidcelnngsgange 

der  Gattung  zu  machen  haben,  keinen  neuen  Zug  hinzu- 
fügen, der  sich  nicht  ohne  ausführliche  Inhaltsangabe  eben- 
sogut geben  liesze. 

Wir  werden  dem  Herzoge  niclit  zu  nahe  treten,  wenn 
wir  seine  T^eistung  für  die  Ausbildung  und  Aufnahme  des 
heroisch*galanten  Bomans  in  Deutschland  haaptsächlicb 
darin  finden,  dasz  er  seinen  Romanen  einen  ^durchleuchti- 
gen"*  Verfasser  gab,  wenigstens  weisen  zahlreiche  Aeusze- 
mngen  yon  Zeitgenossen  darauf  hin,  wie  viel  Ansehen 
dieser  Umstand  der  immer  noch  yiel&ch  angefochtenen 
Gattung  verlieh.*) 

Wie  bei  Buchholtz  und  bei  Zesen  in  der  Assenat  und  im 
Simson  und  spftter  bei  Lohenstein  sind  es  Personen  und 
Begrebenlieiteii  aus  der  alten,  bezüglich  biblischen  Geschichte, 
welche  den  (Grundstock  des  Ganzen  ausmachen,  und  zwar 
ist  dieser  historische  Bestandtheü  in  der  Octavia  um  vie- 
les umfangreicher  als  in  der  Aramena.  Denn  diese  spielt 
in  der  Zeit  der  Patriarclien.  wo  die  historischen  Quellen 
auch  für  die  kritikloseste  Auflassung  sparsam  flieszen,  jene 
aber  in  der  des  Nero,  die  ja  grade  für  den  Geschmack 
und  die  Phantasie  des  XVII.  Jahrhunderts  Geschichte  ge- 
nug liefert,  welche  sich  zum  Roman  eignet  Was  die 
Titelheldin  der  ersten  Erzählung  anbetrifft,  so  ist  es  cha- 
rakteristisch für  den  verwickelungsvollen  Gang  der  Ge- 
schichte, dasz  es  drei  Aramenen  giebt,  Nro.  1  ist  die  ei- 


H.  K  8.  Nach  Joeitet  enehteii  1769  la  Wten  ein  Bnichstlldi  ciMt 
VII  TheUea  der  Oetaria. 

^)  Man  Tergleirhe  s.  B.  die  Y<»reden  zum  AmünhiB,  sa  Heteit 
HebrieilinieBt  die  8.  48  angeAhrte  Statte  Birekent  aiid  dendbeii 
Tor-Anapraclie  aar  Ataiaeiia  selber. 


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—   129  — 

gentliclie,  nimiich  die  Erbpiinzessm  von  Syrien,  zuerst  als 

Delbois  von  Xinive  auftretend,  Nro.  2  ist  ilire  jüngere 
Schwester,  Nro.  3  heiszt  eigenüidi  Jülcaride  und  glaubte 
eine  Zettlang  selber  die  syrische  Prinasessin  zn  sein,  wel- 
cher Irrthum  ihr  übrigens  eine  glückliche  Ehe  mit  dem 
Prinzen  Hemor  yon  Ganaan  zu  Wege  brachte.  Aber  da- 
mit ist  es  nodi  nicht  genug,  denn  auszer  den  Aramenen, 
welche  entweder  wirklieh  oder  in  gutem  Glanben  solche 
sind,  giebt  es  noch  eine  mala-Me-Aramena,  die  niclit  ein- 
mal eine  Dame  ist,  s<mdem  der  Prinz  Dison  von  8eir. 
Neben  den  orientalischen  Persönlichkeiten  treten  auch 
abeudländisclie,  wie  der  deutsche  Marsius  und  Tuscus  8i- 
canus,  der  König  der  tuscischen  Aboriginer,  der  allerdings 
Ton  Basanischen  Riesen  herstammt,  auf,  der  erstere 
nimmt  sogar  einen  sehr  liervorragenden  Platz  ein,  denn 
er  ist  es,  der  schlieszlich  die  Hauptheldin  heiratliet,  die 
Tranung  verrichtete  kein  Gkrii^perer  als  Melchisedek,  und 
das  glückliche  Paar  residirte  in  Trier,  Aber  Gelten  und 
Deutsche  herrschend.  Bei  diesem  Schauplätze  und  dieser 
Zeit  sollte  man  nun  freilich  patriarchalisch-heroische  Ge- 
stalten erwarten,  aber  ihr  Charakter,  ihre  Reden  und  ihre 
Sitten  sind  genau  nach  der  Art  und  Weise  Ix'liandelt,  wie  sie 
der  heioisch-galante  Jioman  der  i?Yauzosen  einmal  eiugelühi  t 
hatte,  d.  h.  nur  die  Namen  sind  orientalisch  oder  antik 
(wo  nicht  etwa  die  eigene  Schöpferkraft  der  Autoren  mit 
zum  Theil  unmöglichen  oder  ihr  Käthselwitz  mit  anagram- 
matischen Neubildungen  aushilft),  alles  andere  gehört  der 
Zeit  des  Dichters  an. 

Die  Octavia  ist  die  edle  und  unglückliche  Gemahlin 
Neros,  der  Roman  beginnt  aber  erst  gegen  das  Ende  der 
Regierungszeit  desselben,  und  die  Heldin  wird  nicht  wirk- 
lich getüdtet,  sondern  verschwindet  in  die  Katakomben 

9 


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—    130  — 

ZU  den  Christen,  welche  Katakomben  überhaupt  als  eine 
Art  epischer  Versenkung  voa  dem  Herzoge  au&  fleiszigste 
benfttit  weidei*  Nach  wuuchftchm  Schkksakn  wiid 
Oetavia  die  Gatte  des  Iftngst  geliebten  Kdnigs  Tyridatoe 
von  Armenien.  Auch  in  diesem  Roman  finden  wir  die 
Maskeraden  und  Doppelgänger  über  alle  Grebdhr  vertreten. 
£in  Beispiel  nOge  dies  anschanlieb  machen,  und  sogleich 
aeigen,  wie  inteasiT  schensslich  der  YethMa»  die  uner- 
freulichen Familienverhältnisse  in  der  römischen  Kaiser- 
fEUttiiie  darstellt  Grermanicus  und  seine  ihm  ähnliche  edle 
Gtemahlin,  die  Altere  Agrippina,  hatten  xwei  Kinder,  Noo 
und  Agrippina  die  jüngere.  Diese  waren  ihren  Elteni 
sehr  ungleich,  denn  sie  trieben  Blutschande  mit  einander 
und  erzeugten  zwei  BÖkob  Namens  Nero,  yon  denen  der 
ältere  der  Kaiser  Nero,  der  jOngere  der  politische  Nero 
war,  so  genannt)  weil  er  in  Pontus  geboren  wurde.  Je- 
ner ältere  Xeru  fügte  aber  der  Blutschande  noch  den  Ehe- 
hmch  hinzu,  indem  er  mit  der  Plautia,  des  Kaisers  Clanr 
dins  Qemahlin,  ihr  unhewnsst,  eine  Tochter  erzeigte, 
welche  Claudia  genannt  ward  und  f&r  des  Kaisen  redit- 
mäszige  Tochter  jralt.  Dieses  Geschwisterkleeblatt  hatte 
nun  die  tiar  den  Herzog  Anton  Ulrich  sehr  schätzbare 
Eigenschaft,  dtsz  aäh  alle  drei  snm  Verwechseln  ftlailich 
sahen.  Was  hieraus  nun  alles  entstand,  kann  man  sich 
leicht  vorstellen,  aber  es  setzt  uns  oft  in  die  höchste  Ver- 
wnndenmg,  dasz  die  waghalsigen  Inthken,  welche  von 
Claudia  sowohl  als  von  dem  pontischen  Nero  im  Yertnaen 
auf  ihre  Aehnlichkeit  mit  ihrem  ältesten  Bruder  gespielt 
werden,  nicht  zu  Tage  kommen. 

Mit  Kecht  hat  Gholevius  hervorgehoben,  dasz  das 
eigentlich  Heldenhafte  in  beiden  Romanen  des  Herzogs 
verhftltniszmäszig  zurücktritt,  dasz  vielmehr  beide  mehr 


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—    131  — 

moralischer  Art  sind.  Was  der  Verfasser  veriierrlieheii 
will,  siiid  nicht  flaldan*  und  Bageateatiifeiitoi,  MnAm 
attsgexeielmete  nmere  EigenscbAften  priyater  Art,  nament- 
lieh  aber  begeistert  üm  Edelaiim  im  Unglück  und  die 
Stärke  der  EedgnatiOB  ia  groszartigeB  DvldemtnmL 

Bm  belehrende  Bleaient  imd  der  gelehrte  Kran  tritt 
bei  Anton  riricli  weniger  hervor  als  bei  Zesen,  Buchholtz, 
Iiohensteiiiy  er  steht  in  dieser  Beziehung  zwiacfaea  diesen 
«nd  Zi^er.  Um  so  mehr  haben  wir  an  der  I'rage  Ver- 
anlassung, woher  der  Herzog  den  Stoff  zu  diesen  überaus 
stoffireichen  Erzählungen  genommen  habe.  Wie  bereits 
bemerkt,  war  das  ihm  zur  Compositioii  der  Aramena  Ge- 
gebene ftnszenrt  gering,  aber  auch  in  Beamg  auf  die  Octa* 
via,  ilir  die  er  die  Geächichtächreiber  der  römischen  Kai- 
serzeit  von  Glaadius  bis  zn  den  Wirren  nach  Neros  Tod 
benfltzen  konnte  und  ideliiich  benAlzt  hat,  hat  er  anszer- 
ordentlich  viel  selbst  gethan.  Die  Masse  dessen,  was  er 
ans  jenen  Quellen  gar  nicht  hat  nehmen  können,  ist  höchst 
imposant,  and  wie  er  ndt  den  Ton  ihtfendaiigestellten 
Verhältnissen  und  Personen  umsprang,  beweisen  die  oben 
gegebenen  kurzen  Andeutungen,  wenn  man  nicht  das  Werk 
selbst  oder  wenigstens  die  von  Oholevias  gelielidrten  Ana- 
lysen nachschlagen  will. 

Es  war  kein  Wunder,  dasz  man  sich  unter  solchen  Um- 
ständen schon  seit  langer  Zeit  nicht  mit  der  Annahme  hat  be- 
^nUgen  wollen,  dasz  des  Heraogs  ttbemiche  Phantasie  der 
Boi  n  des  TJeberflusses  sei,  dem  die  auf  andere  Quellen  nicht 
zuruckzulUhrenden  Stofimassen  entsprudelt  seien.  Die  Ana- 
logie mit  dem  der  Zeit  gelftnfigen  von  denFranzoson  gelernten 
Verfahren,  vielleicht  auch  die  Verprleichung  mit  dem 
bezi eh imgs weise  klar  vor  uns  liegenden  Verhilltnisz  Zieglers 

ondLohensteins  zu  den  verschiedenen  ArtenihrerStoffqnellen 

9* 


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—    182  — 


Hessen  die  Leser  in  einer  groszen  Menge  von  nicht  histo« 
rischen  Partien  sowohl  der  Haupthandlnng  als  auch  na- 
mentlich der  Episoden  inaskirte  Zeitgeiscbichte  erblicken. 

In  der  That  fand  diese  Annalime  für  einzelnes  eine 
objective  Best&tigong^X  gehofifte  AnfQndnng 

des  allgemeinen  Schlttssels  nicht  erfolgte.  Eine  Bemerkung 
von  Gervinus  regte  die  Frage  dadurch  von  neuem  an, 
dasz  die  eben  nach  den  Gründen  ihrer  Entstehung  be- 
leuchtete Ansicht  von  ihm  auf  die  Spitze  getrieben  wurde 
und  begrftndetem  Einspruch  yon  CSiolevius  begegnete,  ja 
letzterer  konnte  jenem  mit  Recht  den  harten  Vorwurf  maelieii, 
dasz  er  sich  mit  der  Aramena  selbst  nicht  näher  bekannt 
gNuacht  haben  mdge.  Die  Worte,  Welche  Geryinus 
gelHraucht,  „auch  dieses  Werk  musz  ganz  allegorisch 
gelesen  werden",  kann  allerdings  nur  jemand  gebrauchen^ 
der  die  Aramena  nicht  gelesen  hat,  und  nur  einem  solchen 
kann  es  auch  begegnen,  dasz  er  sich  durch  die  in  der 
Vorrede  des  Romans  hingeworfene  Bemerkung,  „Unter 
•den  geliebten  Prinzessinnen  werden  in  dergleichen  Schrif- 
ten zuweilen  Ivönigreiche  und  Länder,  welche  ihre  Werber  zu 
haben  pflegen,  oder  sonst  Tugenden,  Künste,  Aemter,  Gü- 
ter und  andere  Sachen,  die  man  yerianget,  verstanden  . . . 
irre  machen  läszt.  Schon  das  „zuweilen"  in  diesem 
Passus  \\  eist  darauf  hin,  dasz  sich  mit  einer  solchen  Art 
allegorischer  Auffassung  gegenüber  dem  Ganzen  der  Er- 
zählungen, anch  geg^fiber  den  einzelnen  wirklich  epischen 
Episoden  nichts  anlangen  läszt,  wenn  auch  hie  und  da 
Stücke  vorkommen,  denen  solche  Spielereien  zu  Grunde 
liegen.  Eine  ganz  andere  Art  von  Allegorie,  die  ich  lie- 
ber gar  nicht  mehr  Allegorie  nennen  mödite,  hat  da  statt. 


V  Tgl.  CholeviiiB  &  293  ff.  Gerriniis  III,  50»  L 


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133  — 


WO  eine  wahre  Geschichte  „unter  dem  Vorhang  erdichteter 
Namen^  verborgen  ist  Wenn  wir  da  nicht  von  AUego- 

rie  reden,  wo  ein  Lyriker  seine  Geliebte,  die  Fiäiileiu 
Schulze  hei&zt,  nntei*  dem  Namen  Corinna  besingt,  oder 
wo  ein  Novellist  einen  Herrn  Hinz,  der  ihm  einmal  etwas 
üebles  erzeigt  hat,  unter  dem  Namen  Kunz  lächeriich 
macht,  öo  sollten  wir  uns  auch  für  der^leiclien  literarische 
Vorkommnisse  aus  dem  XVII.  Jahrhundert  auf  einen  an- 
deren Namen  besinnen.  Hierzu  giebt  uns  meines  Erach- 
tens der  französische  Ausdnick  pcrsonnnfies  deguit>rs  ei- 
nen JPingerzeig,  aber  da  es  schlieszlich  nicht  aui'  die 
Worte,  sondern  auf  die  Sachen  ankommt»  genttgt  es  her- 
vorzuheben, dasz  wir  in  den  Schriften  des  Herzogs  ein- 
zelne unschwer  erkennbare  wirklich  allegorische  Partien 
finden,  dasz  ich  mich  aber  hinsichtlich  der  verhüllten  Ge- 
sehichteoder  genauer  nur  Wirklichkeit — denn  es  handelt  sich 
meist  um  Personen  und  Begebenheiten  von  geringer  historischer 
Bedeutung  —  mit  Oholevius,  insofern  er  auch  davon  nichts 
wissen  will,  nicht  vollkommen  einverstsnden  erklftren  kann^ 
so  sehr  er  nach  meiner  Ansicht  gegen  Gervinus  im  Recht  ist. 

Ich  habe  natürlich  aus  naheliegenden  Gründen  darauf 
verzichtet,  ftber  die  G^hichtlichkeit  der  vielen  Partien 
der  Aramena  und  Octavia,  in  denen  man  verhüllte  Wirk- 
lichkeit vermuthen  könnte,  Forschungen  anzustellen,  glaube 
es  aber  doch  als  in  hohem  Grade  wahrscheinlich  ansehen 
zu  dürfen,  dasz  derartige  Forschungen  ein  llhnliches  Re- 
sultat wie  die  Bartholds  übei'  Casanovas  Memoiren  ge- 
währen würden.  Denn  erstens  fehlt  der  directe  Hinweis 
in  der  Vorrede  anf  die  unter  dem  fiUsdien  Namen  ver- 
borgenen  wahren  Geschichten  nicht,  zweitens  aber  spricht 
die  ganze  Art  und  Weise  des  Herzogs  dafür,  dasz  die 
aas  Lieht  getretenen  partiellen  Schlüssel  nun  grossen 


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Tfaeä  Bv.htis««  an^Mehioasea  iiatoi  «nd  noeh  viele«, 
wom  keine  Sehttttel  eibtinm«  ebenso  aaf  iMStnimte  Per- 

sonen  und  Begebenheiten  Bezug  hat.  Ich  will  ganz  da- 
von absehen,  dasz  Antom  Ulrich  die  oben  gekennzeichne- 
ten Mittel,  Verwickelimgen  IwrbeiniähraHi»  in  eo  abg»* 
schmackter  Weiee  wie  kein  anderer  fll>ertreilit  nnd  wieder» 
holt,  und  dasii  ich  dann  nicht  allein  eine  Verirrung  des 
GefichmaekeB,  sendern  auch  eine  Sdiwftcbe  der  Phantasie 
sehe,  weklMBr  ein  wirklich  fteies  SchaiTen  episcken  Stolfes 
Bchwer  zuzutrauen  ist.  Ich  will  auch  davon  abseben,  da^ 
ea  wanderbar  wäre,  wenn  der  Herzog  seine  Erzählungen 
des  Beizes  zettgeseUektlicher  Anspfelnngett,  der  eianial 
Modeerfordenüsz  war  und  den  er  in  seinen  französischen 
Vorbildern,  vorab  der  Scnderi,  gewisz  schätzen  gelernt 
hatte,  hätte  wollen  emangeln  lassen,  nunal  da  ihm  als 
Pürsten  die  weitreichendstai  und  intimsten  Verbindungen 
mit  den  Höfen  Deutschlands  und  des  Auslandes  leicht 
waren,  laicht  ans  den  Angen  an  lassen  ist  aber  daa  in 
den  nachweidick  ans  Oesduehtsehieibem  entlehnten  Be* 
standtheilen  seiner  W(^rke.  besonders  der  Octavia,  leicht 
zu  beobachtende  ungemein  willkürliche  Veilahren  Anton 
ülrieha  mit  seinem  Stoffe.  Wenn  —  und  dies  ist  doch 
wohl  anzunehmen  —  der  Herzog  mit  der  Zeitgeschic  lite 
ebenso  verfuhr  wie  init  den  aus  Tacitus  und  andeiii  Ge- 
schicktschreibem  entlehnten  Motiven,  so  kfinnen  die  par- 
tiellen Sohlttssel,  obwohl  ihn^  im  einzdnen  vieles  sich 
nicht  einfügen  will,  doch  nui-  meine  Yermuthuug  stützen, 
denn  von  jenen  sicher  historiscken  Partien  ist  zn  sagen, 
dasz  sie,  wenn  die  bekannten  historischen  Namen  geändert 
würden,  hie  und  da  freilich  zu  erkennen,  aber  an  vielen  Stel- 
len entschieden  gar  nickt  zu  erkennen  sein  wirden,  so 
wiUkftriick  nnd  so  selir  nack  der  Weise  der  franadsisdisn 


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—   136  — 


RonMHMdH^bery  ide  ich  sie  8.  436  iL  487  des  L  Bandes 

wahrlich  nicht  Ubertrieben  geschildert  habe,  hat  Anton  Ul- 
rick  mit  seinem  Stoffe  geschaltet  Wer  sich  ttberzengt 
bat,  dasz  es  zutreffend  ist,  was  ich  an  jener  Stelle  ttber 
die  Algebra  des  Romans  sage,  wird  gegen  die  voriiepren- 
den  Schlüssel  nicht  die  Einwendungen  machen,  welche 
Caiolevins  Torbringt  Hieraus  gebt  bervory  iass  ich  CSio- 
lefHis  a«cb  nicht  snstirainen  kann,  wenn  er  sagt,  die  Mehr- 
zahl der  Episoden  seien  nicht  historischen  Ursprunges, 
weil  sie  einen  ganz  anderen  Weltzustand  voraussetzten 
als  den  bentigen,  auch  abgesehen  davon,  dasz  der  heutige 
Zustand  und  der  zur  Zeit  Anton  Ulrichs  nicht  ohne  Wei- 
teres als  gleich  oder  ähnlich  angenommen  werden  dürfte. 
Der  Herzog  bat  eben,  wie  auch  Bncbbohz,  Lobenstein, 
Kegler  einen  gar  nicht  möglichen  Weltzustand,  der  ein 
verzerrtes  Bild  seiner  Gegeuwait  ist,  daxgestellt.  Sehr 
treffend  und  richtig  ist  dagegen  die  Bemerkung,  dasz  Lo- 
benstein anders  verfiihre  als  der  Herzog,  indem  er  meist 
nichts  verstecken,  sondern  nur  mittlere  und  neuere  Ge- 
schichte in  die  alte  Zeit  versetzen  wollte,  und  eb^iso  theile 
icb  voDkonunen  Gholevins  Ansiebt,  dasz  unsere  Geschichts- 
kenntnisz  durch  eine  Bekannt inacliung  des  allgemeinen 
Schlüssels  zur  Octavia  nicht  bei  eichert  werden  würde,  was 
Joerdens  gehofft  bat  Nor  scheint  mir  der  Grund  ebenso 
in  dem  Umfange  der  von  Anton  Ulrich  vorgenommenen 
Entstellungen  als  in  dem  Stofte  selber,  der  in  den  meisten 
£*&llen  ans  unbedeutenden  Hofbegebenheiten  bestehen  mag, 
KU  liegen.  Freilic]i,  eine  abscblieszende  Klarstellung  der 
Sache  wäre  um*  von  einer  eingehenden  Monographie  zu 
hoffen,  für  die  man  dem  Verfasser  danken,  zu  der  man 
ihn  aber  nicht  begltlckwünschen  könnte. 

Ehe  wii'  zu  Ziegler  und  Lohensteiu  weitergehen,  sind 


—    136  — 

noch  einige  weniger  bedentende  Ersdiemnngen  za.erwUi- 

nen,  welche  sich  an  die  späteren  Zesenschen  Romane  nnd 
an  die  des  Buchholtz  und  Antou  Uliich  der  Zeit  ihrer 
Entstehung  wie  ihrer  Beschaianheit  nach  ansehlieszeoii. 
Von  deutschen  Originalwerken  isiEurandors  (d.  i.  Baltha- 
sar Kindennanus)  Unglückselige  Nisette*)  zu  nennen,  ein 
höchst  unbedeutendes  nnd  dürftiges  Erzeugnisz.  Die 
Geschichte  enthält  die  gewöhnlichen  Eomanreqnial- 
ten  in  trotz  des  geringen  Umfangs  schwerfälliger  Grup- 
pirung. 

Etwas  mehr  Beachtung  verdient  der  kleine  Eoman 

Don  Francesco  und  Angelica*),  der,  wie  der  Verfasser  in 
der  Widmung  angiebt,  die  Scliicksale  von  Personen  er- 
zählt, welche  ihm  und  anderen  Zeitgenossen  bekannt  wa- 
ren. Bon  Francesco  begiebt  sich  in  äuszerster  Betrftbnisz 
in  einen  Wald,  wo  er  sein  Unglück  in  der  Lit^he  zu  Au- 
gelica  beklagt,  sich  tödten  will  und  endiidi  einen  Traum 
hat,  der  ihm  aber  nur  sehr  unbestimmten  Trost  giebt. 
Dann  verläszt  er  die  Einsamkeit  und  kehrt  nadi  der  Stadt 
Madrit  zurück,  eiliält  einen  Briet'  von  Angeiica,  woiin 
sie  ihm  die  grosze  Bedrängnisz  ihrer  Lage  erzählt  und 
ein  Stelldichein  zusagt.  Dieses  findet  in  einem  schönen 
Garten  statt,  Angeiica  schlägt  dem  Geliebten,  entschlossener 
als  er,  vor,  sie  zu  entführen,  er  hält  es  Ittr  unthunlieh. 
Das  Zusammensein  der  Liebenden  wird  durch  Alexander, 
den  Bruder  der  Angeiica,  gestört,  welcher  bewaönet  mit  an- 
deren Begleitern  und  dem  Grafen  Felsenstein,  dem  er  sie  wi- 


')  vm.  xirl  Schottel  Ausf.  A.  S.  1182. 

liambuiT^:  1667.  12**.  , Beschrieben  durch  den  Wohl greholi nie u 
H.  H.  .T.  F.  K.  V.  E.  &  c.  &  c.  &  c.  der  durch  die  Tui^eudliebemie 
Gesellschaft  zugeimndte  Fortunatus."  In  der  Vorrede  nimmt  der 
Verf.  Bezug  auf  ein  früher  vehaHztes  kleines  Werk. 


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—    137  — 


der  Uiren  Willeii  Y6niifth]6&  wollte,  FraBoeseo  sacht. 

Dieser  hört  aus  dem  Versteck  die  Schmälireden  sei- 
ner Feinde,  entkommt  aber  giucklicii.  £r  flieht  iu  ein 
Dorl^  wird  Temthen,  den  ganzen  Tag  von  Bewaff- 
neten gesucht,  entkommt  mit  groszer  Gefahr  und  Mühe 
nnd  macht  »ich  aul'  den  AV'eg  nacli  Sicilien,  auf  welchem 
er  auch  seinen  Pagen  findet,  an  Angelica  achreibt  nnd  die 
Bekanntschaft  eines  jungen  Ritters  Juliane  macht,  der 
ihm  erzählt,  wie  es  in  der  Haupt^itadt  gehe.  Er  entdeckt 
sich  diesem,  erhält  Briefe  von  Angelica  und  beschlieszt, 
in  den  Krieg  zn  gehen.  Der  nach  Madrit  reisende  Jn- 
liano  vermittelt  den  Brielwi'ch.sel  zwischen  den  liiebenden. 
Don  Francesco  volll'uhrt  tapfere  Kriegsthateu,  wobei  er 
gefährlich  verwundet  wird,  dem  Wiedergenesenen  bereitet 
•  Alexander  dnrch  böse  Bnben  Nachstellungen,  was  heraus- 
kommt und  von  dem  Feldherrn  Locani  nach  der  Kesidenz 
berichtet  wird.  Dies  yermehrt  aber  nur  den  Zorn  Alexan- 
ders, vor  dem  Angelica  schüeszlich  ans  Madrit  flieht 
Sie  schreibt  an  Don  Francesco,  dieser  begiebt  sich,  um 
den  Nachstellungen  seiner  Feinde  zu  entgehen,  nach  Frank- 
reich. Auf  dem  Wege  dahin  wird  er  von  Alexander  an- 
gefallen, tiKltet  denselben  nach  hartem  Kampfe  und  kommt 
sehr  ti'aurig  über  den  Verlust  seines  treuen  deutschen 
Elanunerdieners  Floiiman,  der  gleich&lla  in  dem  Kampfe 
geblieben,  nach  Paris.  Angelica  und  Juliane  schicken  ihm 
doithin  Briefe.  Als  der  König  den  Verbannten,  welche 
an  einem  neuen  Kriege  gegen  die  Barbaren  theilnehmen 
würden,  Amnestie  yerhiesz,  begab  sich  Francesco  wieder 
nach  Sicilien  zu  seinem  früheren  Feldherra  Locani.  Er 
wurde  zwar  in  ehrenvollem  Kampfe  schwer  verwundet, 
%ber  der  König  wollte  ihm  nicht  verzeihen.  Angelica 
sah  er,  als  er  genesen,  heimlich  wieder,  auf  ihre  Bit- 


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-   138  — 

tcB  verhiesz  er  ihr,  sie  m  entfUireii,  sp&ter  aber  käme» 
ihm  doch  wieder  Bedenken  gegen  diesen  Flau,  und  er  be- 
idilosz,  da  der  Krieg  endetey  zierst  nachParis  za  fehen, 
dann  aber  begab  er  sich  sach  DentscUaad  an  den  Hof  des 

Fürsten  Helmovil.  Hier  erhielt  er  von  Angelica  und  .lu- 
liano  die  Nachricht,  dasz  seine  nach  der  Zusammenkunft 
geschriebenen  Briefe  niciit  angekommen  seien  nnd  Ange- 
lica  aus  Gram  hierüber  sehr  krank  geworden.  Ihr  Geist 
erscheint  ihm,  er  schlieszt  daraus  auf  ihren  Tod,  den  ein 
bald  darauf  eintreffender  Brief  Juüanos  meldet  Don 
Fernando  begiebt  sich  wieder  in  den  E[rieg  nnd  stirbt  in 
Folge  eines  Sturzes  mit  dem  Plerde.  Die  letzten  Worte 
seines  Helden  kleidet  der  Verteser  in  ein  langes  franzö- 
sisches Gedicht  Wenn  es  diesem  auch  weder  an  Phan- 
tasie noch  an  Kenntnisz  des  menschlichen  Herzens  fehlt 
und  manches  mehr  den  Eindruck  des  Selbsterlebteu  und 
Selbstempftmdenen  macht,  als  man  es  in  dieser  Zeit  zu 
finden  gewOhnt  ist,  so  ist  doch  der  gröszte  Theil  des  A\>r- 
kes  von  dem  seine  französische  Bildung  gern  zur  Geltung 
bringenden  Verfsusser  anslftndischen  Mustern  abgesehen, 
die  Art,  wie  die  Reden  eingefUhrt  werden  nnd  stil^rt  sind, 
erinnert  an  Arnaite  und  Luceuda.  Anklänge  an  Zesen  fehlen 
nicht,  obwohl  sie,  abgesehen  yon  der  deutlich  cftsiani- 
sehen  sterbeblanen  Sentinentalität,  spärlich  zn  finden  sind. 

Wir  würden  uns  bei  Don  Francesco  und  Anorelica  so 
wenig  wie  bei  der  unglückseligen  Nisette  aufzuhalten  ge- 
habt hab^,  wenn  diese  Erzählung  nidit  ein  Beispiel  lie- 
feite.  dasz  man  aut  den  an  sicli  richtigen  Gedanken  kam, 
eine  in  der  Gegenwart  spielende  Privat-Liebesgeschichte, 
lieber  in  einer  in  wesentlichen  Elementen  der  Anlage  nnd 
des  Stiles  dem  heroisKih-galanten  Romane  yerwandten  Form 
als  in  schäferlichem  Gewände  darzustellen.    Die  ange- 


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—    139  — 

UfiBseHSte  f  oiM  lür  erneu  solohen  Stoff  wäre  die  der  4qN^ 
bibcIhii  NeTdkn  gewemi.    Dass  TeibMer  dieser  Art, 

seihst  in  Uebersetzimgen,  schon  vorlagen,  hat  sich  bereits 
gneigt,  «Ad  es  wird  noch  weitarhiu  rom  eüngen  anderen 
die  Rede  sem  BillBsen.  Aber  dae  dominirende  Anaehftii 

der  heroisch-galanten  Art  scheint  verhindert  zu  haben, 
daas  man  sie  sich  zu  natae  machte,  einige  Anübife  abge- 
reehnet,  auf  welche  gpftter  anrflckzikommem  ist 

Hier  würde  nun  auch  die  Stelle  sein,  an  welcher  die 
heroiach-galanten  Komane  Grimmelshausens,  Joseph  nebst 
dem  Mvaai,  Diefcwa&d  und  Ameiinde,  Prozinias  ond  Lim* 
pida,  kl  Betracht  za  ziehen  wftren.  Aber  wir  mttszten 
es  Torziehen,  das  Gesammtbild  der  schi'iftstellerischen  Ent-^ 
wickelang  des  unvergleichlichen  Mannes  nicht  zu  zer« 
ratzen,  anch  wenn  wir  durch  ihre  Beqmchung  mehr  für 
das  Bild  der  Entwickelun^;^  des  heroisch-ßralanten  llomans 
gewinnen  könnten,  als  in  dei*  That  der  Fall  ist  in  der 
That  aber  spielen  diese  Erzählungen  keine  solche  Bolla 
und  greifen  weder  durch  da.«?,  was  sie  mit  den  Romanen 
eines  Zesen,  JBachholtz,  Anton  Ulrich,  Ziegler,  Lohenstein 
gemein-  haben,  noch  durch  das,  worin  sie  sich  von  ihnen 
unterscheiden,  in  den  Fortgan^^  der  Geschmaeksrichtung 
ein,  welche  gegen  Ende  des  Jahrliunderts  die  asiatische 
Banise  und  den  Anninius  zur  Beife  brachte,  so  dasz  es  hier 
genfigt,  auf  die  interessante  Thatsache  aafinerksam  zu 
machen,  dasz  auch  Grimmelshausen,  der  zu  etwas  ganz 
anderem  berui'en  war,  dem  Modegeschmacke  seine  Huldi- 
gung darbrachte,  ehe  er  sich  zu  der  groazartigen  Sdbstän- 
digkeit  in  Inhalt  und  Form  seiner  Prosadichtungen  auf- 
schwang, welche  ihn  grade  durch  den  schrofi'eu  Gegensatz 
ZU  dem  Bomanstil  seiner  Zeit  unsterblich  gemacht  hat. 

Was  die  Uebersetzungen  anbetrifit,  die  wir  bis  in  die 


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—    140  — 


secliziger  Jahre  verfolj^  haben,  so  ist  schon  darauf  anf- 
merksam  gemacht  worden,  dasz  sich  der  fleLszige  Uugiack* 
selige  erst  am  Ende  seiner  Th&tigkeit  an  einen  Sendö- 
rischen  Roman  machte.  Von  da  an  aber  kam  die  so  ge- 
schickt von  Z<\sen  bei  uns  eingeführte  Iranzösische  Waare 
in  schwunghafteren  Umsatz  als  je.  Dies  wird  sich  weiter 
nnten  noch  dentlidimr  ei^^eben,  denn  wir  beschränken  nns 
hier  fiiprlich  auf  die  hervorragendsten  Werke  unter  denen, 
die  den  heroi:^ch-galauteu  Stil  genau  festhalten,  alles  an- 
dere, was  von  den  sechziger  Jahren  an  erschien,  mag,  so- 
weit es  Erw&hnnng  verdient,  mit  der  gegen  Ende  des 
Jahrhunderts  sich  etablireuden  Massen-Bellettristik  zu- 
sammengestellt werden,  welche  den  strengeren  Stil  auf- 
£allend  schnell  verüesz  nnd  den  besseren  Theüen  des  Fn- 
blicnms  der  grossen  heroisch-galanten  Romane  wenig  zu- 
sagen mochte. 

Von  den  Werken  der  iranzösischen  Koryphäen  unse- 
rer Gattnng  worde  Oalprenödes  Cassandra  in  Deutschland 
zweimal  yerdentscht.  Die  Leistungen  waren  freilich  von 
der  Art,  dasz  sie  keinen  besonderen  Kuhm  verdienten. 
Denn  der  erste  Uebersetzer,  der  dänische  Oberst  zu  Eosz 
ChiisUan  W.  Hagdom,  eignete  sich  den  Stoif  dieser  Ge- 
schichte unehrlicher  Weise  fftr  seinen  ,.Aeyquan  oder  der 
grosze  Mogol"  zu,  indem  er  die  Begebenheiten  etwas  wei- 
ter nach  Osten  und  in  eine  andere  Zeit  verlegte,  um  eine 
„Chinesische  und  Indische  Stahls-,  Kriegs-  und  Liebesge- 
schichte' daraus  zu  verfeilipren').  der  zweite,  Christoflf 
Kormart,  übei^setzte  ^aus  dem  Französischeu  und  Hollän- 
disdien^  so  schlecht  wie  nur  möglich  und  liesz  das  Werk 
zunächst  unvollendet*) 

»)  Amsterrlam  bey  J.  Mörs  1670.  8^.  (Kogl.  Bibl.  zu  Breslau.) 
Vgl.  Cap.  iX.  S.  48.  Anm.  2. 

Leipzig.  Gleditäch  lööö.  8^  Zum  Entgelt  für  die  Uuvullst&B- 


V 


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—    141  — 


In  demseUb^  Jahre  mit  dem  Aeyqoaii  erachien  alioh^ 
Ton  einem  unbekannten  aber  ziemlidi  ^wehidcten  üeber» 

setzer  verdeutscht,  der  sehr  breit  angfelegte  Roman  Clo- 
rinde.^)  £r  steht  von  allen  franzöaischeu  üomaiien  seiner 
Gra^  den  greszen  deutschen  dee  XVIL  Jahriiunderts 
am  nächsten,  indem  er  sich  genan  an  die  Geschichte  an- 
schlieszt  und  daduixh  ein  gelelirteres  und  lehrhafteres  Ge- 
präge erhält  als  die  GanberviUe,  Calprenöde  und  Senden, 
und  demgemftsz  verbreitet  sieh  auch  der  Verfasser  in  der 
VoiTede  über  die  Vortheile  einer  geschickten  Vermischung 
des  Geschieht licheu  mit.  dem  rein  Erfundenen. 

Als  ein  Mittelding  zwischen  Uebersetaung  und  Ori- 
ginalwerk mnsz  die  bedeutendste  der  Bearbeitungen  fran- 
zösischer Romane  des  XVII.  Jahrhunderts  gelten,  näm- 
lich Ferdinand  Adam  Peruaners,  Herrn  von  Peniey.  Frei- 
herm,  Almahide,  ans  dem  Fransöeisehen  der  Scudöri  schon 
Yon  seinem  Vater  zu  übertragen  angefangen,  dann  Ton 
ihm  zum  Absclilusz  jj^ebracht  und,  da  die  Vorlage  in  zwei 
Th eilen  unvollendet  geblieben,  mit  einem  dritten  Theile^ 
worin  viele  maskirte  Personen  Termehst  herausgegeben. 
Die  Fertigstellung  des  Werkes  nahm  yierzeto  Jahre  in 
Anspruch, -j  uud  mau  musz  dem  Veiiasser  das  Lob  einer 


din^keit  sagt  K.  in  der  Vorrede,  wie  die  Gescliidite  weitergeht  und 
endet.  (Heich  zu  Anfang  läszt  er  die  zwei  Reiter  nicht  von  den 
Pferden,  sende  rn  aus  Land  steigen,  ürst  1H89 — 1707  erswiliien  in  tunf 
Bänden  eine  YoUständige  Ausgabe.  (Vgl.  den  Schwabescheu  Kata- 
log S.  277.) 

')  Franckfurt.  ,1.  G.  Schiele  1670.  8».  WahrscheinUch  ist  das 
Original  die  von  G.  d.  Percel  II,  51  angeführte  Clorinde,  Roman 
bt  S^.PariiieM. 

^  Almahide  oder  Ldbeigne  Kdnigliu  Nitniters:  1682—96. 
vnd  Nttmberg  1701.  SP.  Der  Ver&aer  gehSrte  unter  dem  Namen 
BafiiiB  der  Pegnesischen  Blunea-GenoeeeBediaft  an. 


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—    142  — 

• 

tfifihtigeft  Gewaadiktit  lad  eines  zieBÜch  ^ten  Ge* 
«ctamaclm  wie-  fmien  FleisaeB  sugeetetai. 

Wie  sehr  er  sich  bewuszt  war,  etwas  über  das  Gre- 
wöhnliche  Hervorragendes  zn  leiBten,  und  dasB  er  sick 
«eine  beiemteBde  Beleeettfaeü  ia  oiaerar  Ckitliiiig  wd  die 
KenntnisK  gnter  Muster  angeeignet,  zeigt  die  Vetredte  aa 
den  Leser^  in  der  er,  nachdem  er  sich  die  Yergleichnng 
mit  dem  Amadis  als  einer  erdiciitetan  Liebeigeachiciiie 
ao  wie  mit  anderen  erdiclitelen  Bonana  yerbeten,  sagt: 
„dasz  diese  Liebes-Gtschicht  nicht  so  wol  erdichtet,  ah 
mit  £rdichtBBgen  anageaeret  aey,  und  des  Barclaji  Ar* 
ipous  vergMimif  Ja  wol Totgmgen werde kfane.  Bannfaat 
dieselbe  ihren  Grund,  so  hat  ihn  Almahide  noch  besser, 
«Is  welche  in  keinem  Stack  den  Ci'oniken  zuwider  lauffti 
sondem  darinnen  gegribdetiat:  dameben  ist  sie  mit  SittNk 
Miren  dermassen  vennischt,  dasa  sie  die  Grosaachtang 
vieler  vornehmer  Herrn  und  Dames  erworben.** 

Sin  anderer  Pemaner,  Jeliann  Philipp,  eiferte  aei^ 
oem  Verwandten  nach  nnd  ttbertrag  Pbaremond  Ton 
Calprenede  und  Vaumori^re,  auch  eine  höchst  umfangreiche 
Arbeit,  denn  das  Werk  umlaszt  nickt  weniger  als  zwölf 
Theile,  ¥on  denen  die  beiden  letaten  1$99  erschienen  siiid.^ 

Sclion  diese  eben  angeführten  höchst  bändereichen  Ver- 
deutschungen liefern  den  Beweis,  dasz  die  Fruchtbarkeit 
der  deutschen  Originalschrtitsteller  nnseres  Faches  dem 
BedtkrftiisB  nach  heroisch-galanter  tlnterhaltimg  nnd  Be- 
lelirung  bei  weitem  nicht  genilgen  konnten,  und  weisen 
somit  auch  aaf  die  Thatsaiche  hin,  welche  wir  sogleich 
nfther  betrachten  werden,  dasz  nämlich  in  dem  totsten 
Viertheil  dbs  Jahrhunderts  die  Geltung  der  Art  von  Prosa- 

0  Nümberg  bei  Zieger.  SP.  leh  kenne  nnr  diese  Thefle  und  das 
«benda  1697  encbieaeneft  neiuiteii. 


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—   143  ~ 


dichtangen,  deren  Entwidcefamg  wir  blslier  hanpMcliHdi 

gefolgt  sind,  auf  den  hüclisten  Punkt  gestiegen  war.  Den 
beidoB  äcliriftstellem  aber,  wekhi»  kienu  am  maiston  bei- 
getragen Üb»  und  weksbe  in  ihrer  IMtigkeit  die 

höchste  Blüthe  des  heroisch-galanten  ßomans  darstellen, 
gebölirt  ein  neues  OaiiiteL 


Beilagen  zu  Capitel  X. 
L 

Ais  Zeaena  Resemiuid.  AmsUrd.  1641^.  Seite  112. 

Unlarn  von  der  Amstel  lihgt  ein  über-aus  lustiger 
Ort  i  dehr  von  wagen  viler  linden  und  erlen  denen  um-* 
kahr-wofanenden  seUdiffem  nnd  schUifferainen  /  in  den 
iit'issen  sommer-tagen  zu  einer  angenahmen  kidilung  dinet. 
Di  schattichten  bäume  j  di  lihblichen  wisen  /  di  wasser- 
reieke  gr&ben  /  welche  so  wohl  disen  Inst-plaa  ringst  im- 
hAlir  bewissem  /  als  andi  niittai  dnreh-hin  gäben  /  gä- 
ben ihm  ein  über-aus  schönes  aus-sahen.  In  der  mitten 
lihgt  ein  b&rgichter  plahn  /  welcher  wigen  seiner  hohe 
den  schahffen  eine  sehr  bekwime  weide  h&rflihr-bringet. 
Das  grahs  ist  nicht  so  über-aus  fet  und  saftig  /  wi  an 
den  andern  unüigeaden  sumitfigten  örtem  j  dehr-gestalt  / 
daaz  man  alhikr  /  wiwohl  man  selbiges  sonst  in  der  gan- 
zen gegend  nicht  tnhn  kan  /  zinüich  vilü  schahife  zu  hal- 
ten pflaget. 

Am  hange  dises  b&rgleins  hat  di  aber-irdisehe  Bose- 
mnnd  ihre  behansung  in  einem  kleinen  schähflfer-hütlein 
genommen  /  welches  an  einem  wasser-graben  erbauet  /  und 
mit  etlichen  linden  beschlossen  ist  /  dahr-aof  ihr  di  Togel 
manches  morgen-  nnd  ab&nd-stAndlein  verehren  /  nnd  / 
gleichsam  als  wan  si  mein  Her  dahr-zu  hin-geschikkt  hätte  / 


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mit  ihren  nacht-  und  tag:e-weisen  manche  stunde  j  di  ihr 
sonst  vihl  zvL  lang  fallen  würde  /  verkürzeni. 

An  einem  solehen  orte  nnd  in  soleher  efnwuntelt  Uir 
bei  nuhn  seine  mehr  als  mänschliclie  Rosemund  /  und  hat 
aldahr  in  solcher  stille  und  in  solchem  iride  ihre  ver- 
w&rrete  gedanken  wideHim  entwehren  /  ihren  yenuinihig«- 
ten  sun  wider  befridiget  /  und  mit  den  winden  anstand 
gemacht:  den  der  aussei ste  kummer  ist  also  geahrtet  / 
dasz  er  alwäge  zur  einsamkeit  seine  ehrste  zuflacht  nah- 
men will  /  weil  di  Sehle  bei  geselschaften  das  gift  ihrer 
krankheit  so  frei  und  ungehintert  nicht  ausstohssen  darf  / 
auch  nicht  eher  /  sie  sei  daa  dassen  entladen  /  der  gegen- 
ndttel  nnd  des  trofastes  ffihig  ist. 

Wihr  waren  gleich  zwe  Tage  for  dieser  ihrer  abwaeh- 
selung  in  Holland  ankommen  /  da  wii*  dan  straks  von  ihi-en 
leuten  erfahren  /  dasz  es  im  wirke  wire.  Si  lihs  sich  von 
keinemmänschen  s&hen  /  lihs  auch  nihmand  f^mdes  fHUirsich/ 
und  kahm  nicht  ein-nmlil  aus  ilirem  Zimmer  /  dehr-gestalt  / 
dasz  mein  Her  /  wi  sehr  verlangen  er  auch  dahr*nahch 
hatte  /  di  ehre  nkht  haben  konte  /  si  nuhr  eiiimahl  zu 
sahen.  Er  ging  oft-mahls  fohr  ihrem  Zimmer  hin  und  wi- 
der /  and  verneinte  dises  wunder-bild  /  wan  die  tühr 
anfg&hen  würde  /  ins  gesichte  zu  bekommen:  alein  si 
hatte  sich  den  talig  über  allezeit  in  ihr  inneres  bei-zimmer 
so  faste  vei*schlossen  /  dasz  es  nuhr  umsonst  wahr  /  sich 
dashalben  £&mer  zu  bemikhen. 

Als  si  nuhn  ihre  reise  des  morgens  sehr  Mh  ^  da- 
mit es  nihmand  gewahr  wui'de  /  nahch  disem  plazze  zu- 
genommen hatte  I  so  taht  Jungfer  Adelmund  ihrem  Hann 
bruder  den  fohrschlahg  dasz  er  sieh  in  schahffers-kleider 
yerstalleu  -  und  si  auf  den  aband  /  als  ein  abgefärtigter 
schahfler  von  meinem  Hern  /  dem  Markhold  y  in  ihrer 


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—   145  — 

i&nfltt  wotaung  besnoheB  gölte;  wdehes  dan  auch  mte^bald 

g<eschahe.  Dan  wilir  verkleideten  uns  alle  beide  /  bekränz- 
*  tan  das  habr  mit  emgemachten  und  wideMuigeatridicheneii 
loaeD  (dan  friack«  konten  wihr  nicht  bakommen)  nahmeii  / 

ein  ilider  /  einen  schähflfer-stahb  in  di  ]iand  /  und  kalimen 
also  kurz  fohr  der  Aband-dönunerung  tohr  di  woknung 
der  EoeennuKL 

Dise  schone  Schähfferin  hatte  sich  gleich  in  di  tiihi'e  / 
gegen  den  Untergang  der  Sonnen  /  nider-gelahssen  /  und 
sähe  -die  rohaüaht^  atraUen  /  welcka  aicli  gieick  damahte 
80  i&hUuEft  nnd  eo  likrliek  an  den  wölken  aaagebreitet 
hatten  /  und  durch  ihren  zurükprallenden  schein  /  das 
wafiser  gkiiehaain  y^rg&ldet»  /  mit  yerwundenmg  an.  Si 
hatte  den  linken  arm  auf  eine  krampe  gelahgt  /  and  lihs 
das  ha,v^)t  dahr-auf  ruhen.  Jah  si  sähe  den  himmel  so  un- 
verwandt und  so  steif  an  /  und  sahs  in  solchen  tuhö'en 
gedanken  /  dasz  si  unserer  anfangs  nicht  gewahr  ward  / 
dehr-gestalt  /  dasz  wihr  zeit  genug  hatten  /  uns  anf  ein 
aband-spihl  gelasst  zu  machchen. 

Als  sich  nohn  mein  Her  von  ftm  unter  einen  banm 
gesäzt  hatte  /  und  ein  sch&hfier-lihd  anf  seiner  pfeifen 
zu  spihlen  begunte  /  so  fuhr  si  aus  ihrer  sühssen  veizük- 
kung  gleichsam  fuhr  schrokken  in  di  h6he  /  und  wolte 
sieh  in  ihre  schUiffer-wohnnng  verhirgen.  Aber  /  nach- 
dahm  sie  sali<'  .  dasz  wihr  so  gahr  nahe  bei  ihr  waren  / 
(dan  wilir  hatten  uns  von  iain  unter  einen  bäum  nider-ge- 
lahssen) und  anch  /  allem  ansihen  nahch  /  nicht  wikllens 
wiren  /  uns  zu  nahem  /  so  s&zte  si  sich  widemm  auf 
die  tuhr-schwalle  j  und  horete  meinem  Hern  mit  sonderlicher 
anfinarkong  zu.  Inzwäschen  &ber-las'  ich  mein  schahffer- 
lihdlein  /  welches  mein  Her  in  ihres  Lihbsten  namen 

äben  dehnselbigeu  mit-tahg  gemacht  hatte  j  und  widerhohlt' 

10 


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—    146  — 

es  etliche  mahl  in  geheim  bei  mihr  selbst  /  damit  ichsol- 

ches  ;  wan  es  erfortert  würde  /  ftrtiji^  liahr-süiigen  konte. 

Ais  er  si  nuhn  eine  gulite  weile  mit  seiner  pfeifen  ' 
alein  erg&zaet  hatte  /  so  wolt'  er  ihr  auch  g&m  einenge- 
sang  hihren  lahssra  /  und  frahgte  mieh  /  ob  ich  mdm  das 
schakffer-lihd  /  welches  er  mikr  gegäben  hätte  /  wohl  süngen 
könte.  Ich  gahb  ihm  zur  antwort  /  dasz  ich  mich  alle- 
zeit /  wan  es  ihm  beUben  würde  /  dahrzu  gefiisst  hflilte  / 
und  er  dürfte  nichts  mehr  tulin  ;  als  mihr  nuhr  M'iuken  / 
so  wolt  ick  mit  meiner  stimme  sti*aks  in  seine  weise  ein- 
fUlen.  Hihranf  macht'  er  wideriim  ein  kleines  fiümsiNhl  / 
nnd  nahch-dähm  er  mihr  mit  den  äugen  einen  wink  bega- 
ben hatte  I  so  fing  ich  an  solcher  gestalt  zu  süngen: 

Schähffer-lihd.  ^ 
I. 

SCHüner  Aus  /  bei  dessen  strande 

seine  Übe  LIhbst«  wohnt  / 
di  ihn  lähgt.  in  schwäre  bände  / 

und  mit  harten  werten  lohnt; 
Stäb*  und  hftmme  deine  flnht 
ihm  zu  gnht. 

il. 

Hölire  /  wi  er  sich  beklagtet 

fohr  der  Aller-lihbsten  tfihr; 
schaue  .  wi  er  zitternd  zaget  / 

and  darf  selbsten  nicht  cn  ihr: 
seiner  wangen  färb*  entweicht 
und  Terbleieht 

iU. 

Er  wUrd  izt  In  ohnmadit  fallen  / 

noch  iflht  seine  SdiSldferia  / 
dl  er  Uhbt  fohr  andern  aUen  / 

und  di  ihn  Yon  anbegUn 
selbst  so  hürzlich  hat  gelibbt 
nuhn  betrfihbt. 


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—    147  — 
tf. 

Ihnr  fchSnen  angen  stirae  / 

das  beflamte  blizsel-xwel  / 
bUkt  üEimd  nicht  mehr  so  gftrne  / 

sein  enOmt  /  und  wirden  achin: 
Ihre  fohr-bellbbte  lihr 

weicht  von  liihr. 

« 

V. 

Si  erkänt  und  sihr  ihn  kluiren  / 

aber  hören  wül      nh-hr  / 
noch  mit  ihm  ein  leiden  tratcen; 

3rarkhuhi     MarkhuUl     wi  si  ^^prücht  / 
ist  mein  feind  /  drüni  liei.ss'  icii  ihn 
Tüu  uiihr  zühu. 

vi- 

Kicht  80  scharf  /  o  Schfthfferlnne  / 
Matitbold  hat  luin  ibindUchs  hin; 

halt  /  0  harte  /  iialt  »nhr  inne; 

doch  /  es  ist  vilil-leicht  dein  schArz  / 

und  anf  stnrm  folgt  ins  gemein 
sonnen-aehein. 

Als  ich  dise  l&tsten  zwei  gesazze  sang  /  so  hatte 
si  sieb  mit  dam  häubte  fast  gabr  auf  deu  scbobä  geneuget  / 
und  sähe  sich  mit  solchem  ärnste  nahch  ans  &m  /  damit  si 
erkennen  michte  /  wehr  wihr  w&ren;  aber  es  wahr  schohn 
alzu  duükel  /  und  si  wolte  sich  auch  nicht  erkülmen 
aus  ihrem  scbabffer-bütleiu  bar  aus  zu  traten  /  debr- 
gastalt  /  dafiz  si  disen  aband  nichts  yon  ims  zn  wissen 
hekahra. 

Des  andern  Inges  sehr  früh  schikte  si  zur  Adelmund  / 
und  lilis  si  /  nabeust  auerbütuug  ihrer  scliuldigkeit  /  ira- 
gen  /  ob  sie  kdne  zeitong  Yon  dem  Markhold  bekommen 
hätte:  daa  si  hatt'  ihr  eingebildet  /  dasz  er  fohrigen 

10* 


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—    148  — 

abaud  mit  dahr-bei  gew&sen  wäre  /  als  ilir  dises  lihdlein 
an  zu  hören  gesnngen  ward.  NaiMsh-dihm  ihr  niüin  di 
Adelmnnd  widemm  hatte  za-entb&ten  lahssen  /  da»  si  fliB 

zwalir  noch  nicht  gesahen  /  aber  gleich-wohl  von  einem 
seiner  bekanteu  vemonmien  hatte  /  dasz  er  zu  Amstelgaa 
gewiaen  w&re;  so  yerkleidete  ai  sich  andi  seibaten  /  zohg 
ein  ganz  schlohs-weisses  atlassen  kleid  an  /  mit  isabd- 

^rbigen  spizzen  verbrahmet  /  und  gahb  ums  beiden  eine 
gefaliitim 

Also  machten  wihr  uns  widemm  selb  dreien  nahch  der 
Bosemond  behansong  zu  /  welche  sieb  dise  nacht  (wi  si 

mihr  hahr-nahch  absonderlich  sahgte  /  da  ich  sein  schreiben 
von  ihi'  bekahm)  nicht  schlahffen  gelahgt  hatte  /  sondern 
allezeit  in  den  gedanken  gestanden  wahr  /  dasz  er  ihr  in 
pestalt  eines  Himmels-bohten  erschinen  wäre  /  nnd  si  ihres 
ai'gwahueä  halben  hatte  bestrahffen  wollen;  dehr-gestalt  j 
dasz  si  nuhn-mehr  ihren  eifer-s&chtigen  moht  ganzlich  ge- 
brochchen  /  nnd  den  beleidigten  &n  yerzenhnng  aniUhen 
wolte. 

Mein  Her  führt*'  seine  Jungfer  Schwaster  ehrstes 
mahla  unter  diaalbige  linde  /  da  wihr  £»hngiea  absad  un- 
sere kun-weüe  gehabt  hatten  /  nnd  era&hlt*  ihr  /  wi  sich 
die  BoseoHBid  so  schüchtern  nahch  ihnen  umge^iaheu 
hatte. 

Weilihnen.nuhndiser  bäum  sehr  lustig  zu  sein  sehiae/ 
so  lihssen  si  sich  auf  dne  zeit  dahr-unter  zur  ruhe  nider  / 

und  führeten  allerhand  gespräche  mit  einander.  Adelnmud 
erzahlt'  ihm  /  wi  ihn  seine  himlische  Kosemund  straks  im 
«nftage  /  da  si  ihn  nuhr  einmahl  loben  h&ren  /  und  noch 
nih-mahls  ges&h^  /  sohohn  so  h&ftig  lihb-gewonnen  hfctte  / 

dasz  si  ihre  libe  auch  nicht  eiumalü  /  wi  selu*  si  sich  auch  dah- 


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ite  benfthet  /  TerUrgen  ktaifin;  und  wi  d  mdk  in  teer 

ehivtra  za-sammen^nnft  über  alle  mahssen  entsttkt  beftB- 
den;  dehr-gestalt  /  dasz  es  ihr  nicht  befremdet  fuhrkime  / 
dasz  ü  sieh  bei  seioem  ibwisen  se  htöig  gegiiowt  /  md 
ans  alzn  eiferiger  Libe  in  etee  solche  Bchw&hrmfttig- 

keit  gerahten  wäre  /  di  ihr  Dicht  h&tte  gestatten  wol- 
len /  sich  mit  ihr  oder  ihrer  Jungfer  Sckwiater  zu  er- 
lustigen. 

Ihdllin  si  soldies  sahgte  /  d»  erblikte  sie  obn-geAbr 

etliche  Tichtlinge  di  in  des  baumes  i-ünde  geschnidten  wa- 
ren. Sihe  hihr  /  mein  bruder  (sahgte  si)  was  soi  dises  be- 
deaten?  dis  ist  nooh  ein  ftisoher  Schaidt;  ms  gttt  es  / 
di  Boaemmd  wfird  sof  dein  gestriges  lihd  geantwortet  ha- 
ben! Als  si  sich  nuhn  beide  /  selbiges  zu  läsen  /  erhoben 
hatten  /  so  belanden  si  /  dasz  ihre  maht^mahssung  nicht 
iUsch  gew&sen  wahr. 

Mem  Her  nahm  also-bald  seine  schreibe-tafel  /  nnd 
schrihb  das  ganze  lihdlein  ab  /  welches  er  seiner  ahi-tig- 
keit  halben  /  noch  aile^seit  eis  ein  heiligtahm  Terwahret  / 
und  wftrd  es  meinem  Hern  /  so  er  es  begUmt  /  woM 
s&hen  lahssen. 

Von  disem  bäume  gingen  wihr  widerum  zu  einem  an- 
dern  /  da  wihr  auch  ein  dberawHMhOaes  anspihl  auf  des 
Maridiolds  namen  fanden  /  wonms  ifara*  übe  hiltiglBett 
so  sonnen-klahr  blikt^.  Ja  si  hatte  seinen  namen  mit 
dem  ihrigen  fast  in  alle  bäume  geschnidten  /  damit  ja 
das  gedÄchtnus  ihrer  übe  mit  ihnen  angleich  iracfassen 
nnd  bekleiben  mSchte. 

Als  wihr  nuhn  eine  guhte  weile  unter  disen  bäumen 
hiorum  gewandelt  waren  /  so  begaben  wihr  uns  auch  aaf 
dm  bdig  hinanf  /  da  si  gleich  unter  einem  I^MMiiH&e 


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—    160  — 

sahs  /  und  mit  ihren  sehUiflein  /  di  sich  üeMg  bewd- 

deten  /  umgaben  walir.  Adelmund  schikte  mich  also-bald 
zu  ihr  /  and  lihs  si  um  eine  fraundliche  zusanunen-sprache 
begrAhaaen  /  welehe  ü  ihr  anch  ako-bald  zustund  /  so 
fam  si  alein  zu  ihr  kommen  würde. 

Weil  sioh  nohn  die  Adelmand  mit  einem  falschen  ge- 
siebte yeimnniinet  hatte  /  so  konte  man  si  gantz  nicht  er* 
kftnnen  /  zufohr-ans  in  diser  sch&hffers-tracht  /  in  wel* 
eher  si  Kosemund  noch  nihmals  gesahen :  Drum  dorfte  man 
sich  nicht  yerwiuulem  /  dasz  si  fast  eine  halbe  stunde  mit 
einander  riideten  /  ehe  dise  schöne  SehUifferin  ihrer  Fr&im- 
din  /  der  Adel-mund  unter  disem  mum-gesichte  gewahr 
waixl:  welche  über  alle  ihre  künstlerische  verstallungen 
auch  di  stäche  selbst  so  meisterlich  yeriuidem  konte  / 
dasz  si  Rosemund  nicht  gek&nnet  hätte  /  wo  si  nicht 
ihr  sonnen-schiim  y  welchen  si  in  der  hand  hatte  /  ver- 
rahten. 

Wehr  wahr  froher  als  Bosemund;  wehr  wahr  lustiger 

als  dise  adle  Schahtterin  /  indahm  si  ihre  getraue  Frauu- 
din  in  einer  solchen  tracht  ümi'ahen  solte?  Si  ver- 
sichcherte  sich  schohn  heimlich  bei  ihr  selbst  /  dasz  ihr 
Maikhold  gewüslidi  müste  lohrhanden  sein  /  und  sähe 
meinen  Hern  von  iamen  an  /  in  Wullens  /  ihn  an  zu  räd^; 
weil  si  aber  noch  nicht  tränen  doxfle  /  so  frahgte  si  zn- 
ehrst  di  Adehnnnd  /  ob  jenes  nicht  Markhold  wire?  Nein 
(gahb  Adelmund  zur  antwort)  es  ist  mein  bruder  ^  wel- 
cher ehrst  fohr  drei  oder  vihr  tagen  ans  Dentsch-land 
kommen  ist. 

Auf  dise  worte  Ahl  ihr  der  muht  dehr-iuassen  /  dasz 
si  kaum  mehi*  radeu  konte  /  gleichwohl  sahgte  si  zu  ihr: 
eil  wahr&m  lahsst-si  dan  ihren  Hern  bmder  so  yon  Ar^ 


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—    151  — 

nen  hinten-aus  stähen!  wihr  wollen  ihm  /  so  es  ihr  .  be- 
libet  /  entgegen  gaben  /  damit  ich  mich  meiner  nnhohf- 
ligkeit  w&gen  gegen  ihn  entscfanMigen  mige. 

Als  si  dises  gesagt  hatte  /  so  nahm  si  di  Adelmund 
bei  der  band  /  kahm  ans  entgegen  /  und  sahgte  zu  mei- 
nem Hern:  Mein  Her  wird  der  anh6hfligkeit  einer b&nerischen 
Schahlferin  etwas  zn  gnte  halten  /  di  ihm  nicht  anders 
zu  begegnen  weus  /  als  \\i  si  es  in  einem  solchen  laben  / 
da  man  auf  kohfliche  geprang'  und  ebr-erbühtigkeit  wenig 
sihet  /  schohn  gewohnet  ist.  Hihrmit  bohtsi  ihm  di  hand 
Selbsten  /  ^e  si  nooh  r&cht  bei  uns  wahr  /  nnd  ehe  er 
sich  dassen  versähe. 

Nihuiahls  bab'  ich  so  eine  schone  schahlferin  gesahen  / 
als  si;  ich  habe  nihmals  kein  anmahttgers  j  kein  lihb- 
lichers  Franen-simmer  erblikket  /  als  dises  wnnder-m4nsch. 
wi  fartig  waren  nuhr  ihre  glider  /  wi  zahrt  und  behände 
di  iinger  ;  wi  hurtig  di  fuhsse  /  w^i  belahbt  und  Mund- 
lich di  gebährden.  Das  bahr  wahr  oben  mit  einem  g&ld- 
nen  ketldn  eingefasset  /  nnd  die  lokken  flatterten  nnein- 
getlochten  um  den  hals  härüm.  Der  wind  spilete  mit 
ihren  forder-lokken  /  nnd  hatte  gleichsam  seine  lusl  dah- 
ran  /  wan  er  si  in  ihr  angesicht  /  &ber  di  engen  /  dasz 
er  si  zu  sahen  /  und  über  den  mund  j  dasz  er  si  zu  la- 
den verhinterte  /  harum  wehete.  Jene  waien  so  wunder- 
ühblich  /  und  diser  so  roht  /  wi  eine  rose  /  di  sich 
ehrstlich  des  moigois  anf-getahn  /  nnd  noch  mit  tan  be- 
feuchtet ist 

Wan  ich  noch  dahr-an  gedanke  /  wi  si  ihren  schahffer- 
stahb  /  dehn  si  oben  am  haken  mit  einem-  kränze  von 
roht-  nnd  weissen  rosen  /  welches  ihre  leib-farbe  wahr  / 

geziliret  hatt^  so  ahrtig  schwängken  konte  so  bin  ich 
fast  noch  halb  verzukket   Di  suunen  eutgaheu  mihr  / 


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—    152  — 


wall  ich  gedanke  j  wi  si  solch'  eine  lihbliche  /  solch* 
•eine  reine  /  and  solch'  eine  klalm  ana-q^iu^  hatia 
Mein  Her  mnske  eetbeten  lieWnnmi  /  den  er  ikm 
gleichen  nihmahls  gesahen  hätte.  Jah  als  si  von  uns  ein 
wenig  abgeti'ikten  wahr  /  4&  sahgt'  er  in  geheim  zu  sei- 
ner Schwaator;  waa  fiekne  alle  dise  »kriigkeiten  /  di  er 
hihr  sähen  konte  /  gehabt  hatte  /  so  verwundert'  er  aidi 
gahr  nicht  /  dasz  si  Paris  entführet  /  dasz  so  ein  mach- 
tig Folk  das  laben  eingehuhsset  /  und  solch'  -ein  Iberai»- 
schon'  und  gewaltige  Stat  /  als  Troja  gewAsen  /  um  Ikrer 
Schöhnheit  wüUen  /  eingeäschert  y  und  vei-stuhret  worden 
wäre:  sondern  er  musste  sich  nohr  verwundern  /  wi  es 
noch  mnhglioh  sein  konte  /  dasz  irdische  Augen  Aber  dise 
über-irdischen  (dalir-in  Lihbreiz  seinen  Reichs-stnhl  h&tte  / 
und  unter  ihren  bükken  mit  solchen  scharfen  pfeilen  häxüm 
flpruhete)  noch  vertragen  kinten  /  und  wi  dises  hiraliBohe 
geschöpfe  ans  einem  starblichen  leibe  hatte  können  ge> 
bohren  Warden  I 

Ich  kau  meinem  Hern  nicht  sagen  /  was  dises  sch&ie 
Wund^  fUir  tr&fliche  nahch-dänkliche  rUen  fUuete  /  od 
wi  si  sich  zum  ofteni  ^  ihrer  unhofligkeit  wägen  /  selbst 
heimlich  durch-aohg  /  und  solches  mit  so  ahrtigen  Worten 
bemintein  konte  /  dasz  sich  ihdermaa  h&hchlich  venpnm«> 
dem  muste  /  und  Hiilfreich  ändlich  gezwungen  ward  / 
solche  trä fliehe  hohfligkeit  bei  ihrer  gegenwart  selbst  zu 
erhoben:  Wekher  sohihffer  /  (sahgf  er)  o  wtondepechtee  / 
und  welcher  mansch  hat  ibmals  solch'  eine  &ber-aias*hih^ 
liehe  schähfCerin  gesahen  i  wi  glüksalig  ist  dise  hehrde  / 
di  sokh'  eine  sohine  und  soikh'  eine  verständige  Huhteiin 
hat;  diser  ort  /  wi  mich  d&nket  /  ist  gahr  eiols  /  in-dttim 
er  Si  zur  beschuzzerin  bekommen  /  und  pochchet  auf 
seine  kluge  beherschedn.  Di  bäume  stahen  gleichsam  mit 


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—   163  — 

fbren  stolzen  isten  entbohr  I  und  wan  Si  sich  ihnen  nnhr 
eiu  wenig  nähert  /  so  (deuditet  mich)  neogen  sich  di 
zakken  ans  demnht  fuhr  ihrem  herlichea  ansiheiL 

Ach  mein  Ber  (fihl  si  ihm  in  di  r&de)  'wan  ieh  ihn 
diser  seiner  worte  halben  bestrahlfen  wolle  ;  so  wurd'  ich 
XBich  an  ihm  m^  verbrachchen  /  als  seinen  fahler  (so 
man  eine  tagend  also  benennen  mahg)  verb&ssem;  dan  ioh 
weus  wohl  ,  da&z  ihm  seine  angebohrne  hohliigkeit  nichts 
andei-s  zu  raden  gestattet  /  als  nuhr  ein  solches  lob  de- 
Ben-jenigem  sn  gaben  /  di  doch  d&s  wenigste  nicht  w&iv 
dig  sein.  Drum  w&l  ich  meine  unwürdigkeit  nnhr  mit 
stil-schweigen  bekannen  /  und  seine  höhflicbe  tagend  mit 
mwondenuig  erhoben. 

Als  si  niüm  noch  eine  lange  z^t  geh6hllet  hatten  /  ind 
dise  prunk-raden  kein  ande  nahmen  wollen  /  in-dahm 
ein  ihdier  das  Jßeld  zu  behalten  gedachte  I  so  brachte  si 
Adeimnnd  noch  ändlidi  von  einander  /  und  sahgte  mit 
lächlen  zur  Kusemund;  Ich  venneinte  /  daisz  ich  eine 
ßchahUerin  besuchen  wolte  /  aber  ich  beinnde  >  dasz  un- 
ter ^ner  schahiittrin  traeht  die  alle^fiAnliohflte  nad  gnaneste 
h&hfligkeit  /  di  man  anch  am  erz-koniglichen  hofe  /  unter 
dam  Kaiserliche  nPrauen-zimmer  /  zu  Wihu  kaum  antralfen 
wird  /  Ywboigen  lihgt.  Meinem  Bruder  hab'  ioh  solches 
wohl  zoi^etraaet  /  weil  er  gkkh  izt  vom  hofe  k6mt  / 
und  solcher  hohf-sitten  und  w^ort-geprange  gewohnet  ist;  aber 
einer  schahfferin  /  hatt'  ich  nicht  gedacht  /  dasz  es  ansuc- 
hen solle  /  oder  dasz  si  in  dehr-gldehen  nnhr  etwas 
erfahren  wäi-e.  Dan  liat  si  nicht  gesähen  /  wi  ich  tolir 
schahm  errOhtet  /  und  über  mich  selbst  nnwuJüg  gewasen 
bni  /  dasB  kä  mkh  /  als  di  ick  eise  soUiiliwsTtnidtt 
angenommen  habe  /  auf  solche  hohf-raden  galir  niAt  ge- 
fasst  gemacht  /  nnd  das-lialben  nohtwandig  nichteen  m.m- 


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—    154  — 

Ben?  Jah  wäre  mein  bruder  nicht  basser  mit  raden  ver- 
sahen gewton  als  ich  /  80  würden  wihr  so  zinüich  be- 
standen sein. 

Aeben  damit  si  ihre  annuht  bekanuet  (fihl  ihr  di 
Eosemuud  in  di  rade)  gihbt  si  ihren  reichtuhm  aber- 
flÄhssig  an  den  tahg;  und  wi  k&nnen  doeh  die  leute  so 
gahr  höhnisch  sdn?  Aber  was  wollen  wihr  di  zeit  (fhhr  sie 
fort)  mit  vergähblichen  räden  in  der  hizze  verschlülissen! 
wihr  tuhn  basser  /  dasz  wihr  die  schahffe  weiden  lahssen  / 
nnd  /  so  es  ihnen  helihhet  /  zn  meiner  behansong  ein- 
kähren  ;  da  wilu-  im  kühlen  bässere  lost  und  ergazUchkeit 
schöpfen  können. 

Also  gahb  sich  dises  lustige  und  in  schihffer-tracht 
verkleidete  folk  in  ihre  wohnnng  /  welche  si  inwandig 
mit  starbe-blanen  prunk-tuchern  über-al  auso-eziret  Latte; 
der  boden  wahr  mit  stArbe-blauen  steinen  gei)flasiert ;  die 
däkke  mit  äben  selbiger  färbe  gemahlet  /  und  di  tische 
blaulicht  angestrichchenndt  stftrbe-blauen  t&chem  beh&nget  / 
also  dasz  nichts  als  lauter  blaues  zu  sahen  wahr.  Oben 
über  der  haus-tühre  liing  ein  gemalde  /  dahr-innen  aut  ei- 
nem fahlen  boden  /  mit  rosen  bestr&uet  /  ein  Bitter  /  in 
einem  stärbe-blauen  hämisch  /  mit  einem  blau-  angelauffsnen 
dagen  an  der  selten  und  einem  geiiialilten  spelu*e  mit 
aben  selbiger  färbe  in  der  faust  /  nahch  dem  ringel  zu- 
r&nnte  /  mit  disen  ttber-geschribenen  werten:  Esg&lt  ihre 
Schdhnheit. 

Hinter  disem  blauen  Kitter  stund  eine  Jungfrau 
zwischen  den  pmnkt&chem  /  von  welcher  man  nichts  mehr 
als  daa  angesiisbt  /  und  etwas  von  der  bmst  /  eibUkken 

konte;  auf  dam  einen  pruuk-tuche  /  gleich  an  der  ekken 
da  si  har-führ  sähe  /  stunden  dise  worte:  Ich  sah*  und 
h6re  mein  Blaues  wunder. 


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—   156  — 

Als  Markhold  dises  erzählen  h6rete  /  so  ward  er  sehr 
Terwnndert  /  und  fräuete  sich  liohchlich  /  dasz  Bosemoud 
durch  disen  ahr-raht  ihrer  Sch&hffiBr-wohimiig  noch  so  tüiI 
andeuten  wolte  /  dan  si  seiner  tr&ne  nicht  vergissen  hitte; 
jali  er  hatte  solche  lust  an  diser  erzalilung  /  dasz  er  si 
noch  ^-m&hl  hören  wolte.  Nahch-dahm  ihn  nohn  der  Diner 
]iihr>üinen  auch  rergnoget  hatte  /  so  fahr  er  in  seiner 
erzalilung  dehr-gestalt  fort: 

Als  wihr  nuhn  etwan  eine  stunde  bei  diser  Schonen 
m-gebracht  hatten  /  so  nahmen  wihr  wider&m  unsem  ab- 
sehihd  /  und  Adelmnnd  ermahnte  si  noch  zu  lätst  /  dasz 
si  zwahr  bei  diser  starbe-blauen  färbe  solle  beständig  blei- 
ben /  aber  ihre  bestandigkeit  /  di  si  dem  Eitter  über  ih- 
rer tfthren  zn  leisten  schuldig  w&re  /  samt  ihrer  gnhten 
hofnung  iiiclit  starben  lahssen. 


U. 

failaficini.   Sansone  L  I.  (S.  24  der  Ausg.  Yen.  1655.  12".) 

Quiui  da  chi  raccompagnana  si  dinise  Sansone,  perche 
forse  la  ])ro])rieta  seguendo  di  quelle  cose,  cU'al  suo  ceutro 
monttuiosi,  nelia  vicinanza  k  qnesto  si  rendono  piü  veloci, 
dalla  Yehemenza  de*  desideri  spronato,  gPaltri  precor^e, 
per  piü  tostü  almeno,  spinger  gli  sguardi  in  grembo  ä  co- 
lei,  ch'  adoraaa:  ouero  perche  arrossiuasi  d'esser  yedato 
caminar  co*  ptssi  altnii:  mentre  1'  esser  amante  l'obligaaa 
ad  esser  piü  (i'ogn'  altro  velo(*e.  Se  dir  noii  volessimo, 
che  iörse  attrauersando  altri  in  piü  vsato  sentiero  le  vigue, 
segnace  egli  esser  non  volle  dell'  onne  loro;  perche,  oue 
eon  pi6  sicnro  ealeana  il  corpo  quelle  strade,  non  senza 
pericolo  passeggiaua  rauima,  poco  sicura  di  tiascorrere 


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—   166  — 

ne'  precipiüj  della  eolt»a.  Gl'mao  ooa  firtkidar  dinieto 

insieme  col  vino  prohibite  Tviie. 

Eia  in  consegiieiiza  vn*  esporsi  ä  manifesto  ruschio 
della  traflgnariane  di  qaesto  precetto^  il  camiiMur  ooU^  ooe 
in  tanta  firequensa  da'  euoi  ttald  penctoiano;  quasi  snppli 
cheuoli  chiedendo  al  passaggiero  d'esser  d'indi  leaate,  anide 
di  Hon  piü  aggranar  la  Madie.  £ra  lagotio  troppo  difi- 
cile  per  Tappetito,  riftetar  iiniiti  di  qiidle,  ehe  tante  poppe 
mostrando  feconde  d'humore,  incitauano,  e  quasi  sforzauano 
4  gustar  V  abondanza  delle  ane  dolcezae.  Pur  troppo  ü 
tero  deUCanimo  noatro  s^titMbB  dalla  calamita  dal  vitia, 
senza,  che  questa  con  Toccasione  temerariamente  se  gl'  an- 
nicini.  LabiÜ  pur  troppo  siamo  per  traboccar  ne'  pec- 
caü,  sensa  che  eon  la  conunoditi  raidiaiiio  piü  lubiico 
il  sentiere.  Con  l'ale  di  mille  affetti  portati  dall'  indln»- 
tioui,  andiamo  sempre  volando  alla  regione  dell'  iuiquit^ 
e  pure  sü  Tareo  dell'  occasione  con  piü  rapido  corso,  quasi 
saette,  conriamo  trk  le  nnbi  delle  sceleraggini,  oue  copiose 
ci  s'apprestano  le  tempeste,  &  i  fulmini  alle  nostre  mine. 
£  coaa  infalUbile,  eh'  11  volontariamenteiiporsi  inpericolo 
di  peccare,  6  vn'  assiciirar  al  demonio  quelle  vittoie,  che 
dalla  nostra  caduta  ei  pretende.  Chiisto  medesimo  ricusö 
di  mostrar  la  aua  potenza  a  Satanasso,  col  conuertir  le 
pietre  in  paae,  peroM  la  commoditü  dell'  haner  presetHte 
0  cibO)  essergli  poteua  eccasiene  per  romper  il  gik  quam 
terminato  digiuno.  Ardisco  dire,  che  greccessi  della  saa 
santiU;  aaai  Timpeceabiliti  sua  propiia,  wm  raccertamm 
di  trioBfo  eentro  ü  comanme»  nemico,  quando  peraen» 
grhanesse  il  combatter  seco,  con  l  arma  dell'  occasione  in 
»aiio. 

Posso  ben  .dire,  ehe  npM  Sansone  piüüMsle  le  sd»^ 
lursi  dalla  ierocia  d'vn  Leone,  che  To  scaasai^  la  colpa  sup- 


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—    1B7  — 

posta  la  Yicinanza  del  pericolo.  AU'hor  perö,  ehe  contra 
di  se  con  Tinsegne  proprio  furore  spiegato,  venir  lo  vidde, 
Boa  sfdggi  rincontrOi  gl'araldi  ricusö,  co'  qnali  era 
nmitata  la  sua  fortezza  k  dmento.  Ostentana  la  fiera 
orgoglio  nel  fronte,  ferocia  nel  moto,  generositA  nel  corso, 
e  ToracitA  nelle  faucL  Persuadeua  aspetto  si  äero,  lo  sra- 
dicarOy  quin!  d'mtomo  vna  di  qnelle  men*  assodate  piante, 
per  troiiare  (gik,  che  priuo  era  d'anni)  instromento  d'op- 
portima  difesa.  Ma,  nö,  disse  il  cuore  da  spirito  Diumo 
animato.  Yn  vigor  Celeste,  non  hk  necessitä  di  soccorso 
terreno.  PraLigtoso  dini  non  potrebbe  il  mio  valore; 
qnando  coiitro  vii  solo  Leone  i'ender  non  potesse  vincitore, 
dkaimato  ü  braccio.  Accostati  .pnr  fiera,  oh*  io  fermoi 
faltende  per  trion&r  del  tao  fürore.  Aggira  pur  la  eoda, 
ballena  grocchi,  apri  le  fand,  mostra  pur  aiiabbiato  il 
deute,  crudele  lo  sdegno,  e  generoso  il  petto.  Sono  vane 
pumpe,  inntili  per  aftterrir  vn  cooie,  ebe  non  ö  hnnano^ 
Le  forze  di  q^este  mani  ti  fsuran  vedere,  che  male  ti 
consigliö  Tardire,  ad  abbeuerar  la  tua  fierez^  nelle  mie 
carai,  meatre  esaltar  si  deae  la  mia  fortezaa  nella  tna 
MMte.  Co^  discorreaa  Tanimo,  quando  &  sforzato  ad 
esercitai-si  il  braccio.  AIP  hör,  che  dalla  vicinanza  fü  la 
iiera  auoertita  di  für  rvltimo  oolpo,  con  vn  saho  impetaoeoi 
mao  SttB8<«e  ecagUoBsL  Oorraggioao  qnesto  aspetkana 
l'assalto,  air  hör  appunto,  elf  auuentandosi  qnella,  col  ri- 
tirar  il  pas^o,  rese  vano  lo  sfoi^o,  meiitre  egli  coutrO' 
d'easa  sfinguidoei,  raffeirO  ndle  fonei,  gi4  per  trangnggi«^ 
arlo,  come  noara  preda.  Rinl(»*zandod,  poscia  con  non 
pik  d*yna  scossa  atterrola,  facendone  lo  scempio  con  cui  la^^ 
oevavebbe  altri,  debole  ci^retto.  Trk  ce^olgi  finalmente^ 
liK>ri  di  strada  strascinaadone,  oomesuei  iroM^  le  membra^ 
conXinuo  ielicemeute  il  suo  viaggio. 


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Elftes  CapiteL 


Der  beroiscli-galante  Roman  auf  dem  Ebhepimkie  seiner  Snt- 
wlckelong:  Ziegler  nnd  Lohenstein. 

Wenn  wir  mit  der  BezaichnnBg  Blütlie  nicht  die  Vor- 
stellnng  eines  nach  G-rnndsätsen  der  Benrtheünng,  die 

heute  und  für  uns  gelten,  Yollendeteü?  bietenden  Entwicke- 
lungsBtadinms  verbinden,  sondern  uns  dabei  den  tbat- 
sächlichen  Höhepunkt  einer  eine  Zeitlang  vorhanden  nnd 
fBr  die  Eiit Wickelung  unserer  Gattuuj^  maszgebend  ge- 
wesenen Greschmacksiiclitimg,  sie  h  darstellend  in  den  ihrer« 
zeit  am  mdsten  geschäteten  und  bewunderten  der  ihr  an* 
gehörenden  Werke,  denken,  so  können  wir  mit  Recht  das 
letzte  Viertel  des  XVII.  Jahihuuderts  als  die  Blüthezeit 
des  heroisdi-galanten  Kunstromans  in  Deutschland,  als 
die  beiden  Hanptvertreter  dieser  Glanzepoche  Ziegler  nnd 
Luhensteiu  und  als  die  jene  Blüthe  darstellenden  Werke 
die  asiatische  Banise  und  den  Arminius  bezeichnen.  Die 
verhftltniszmSszig  grosse  Originalität  dieser  beiden  Werice, 
ihre  Verschiedenheit  untereinander,  ihre  ungemeine  Be- 
liebtkeit bei  den  Zeitgenossen,  vor  allen  Dingen  die  scharfe 
Ausprägung  des  Typus  des  heroisch-galanten  Romans, 
welche  Form  und  Inhalt  beider  bis  in  das  Kleinste  hin- 
ein zeigen,  und  nicht  am  wenigsten  auch  die  immer  noch 
ziemlich  verbreiteten  schiefen  und  halbrichtigen  Urtheile 
Aber  sie,  nöthigen  uns,  auf  ihren  epischen  Gehalt,  ihre 


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169  — 


khriiaHen  Momente,  ihre  architektMiiedie  ZnRMniaeiwetamg 
genan  einzugehen. 

Heinrich  Aiishelm  von  Ziegler  und  Kliphausen  hat 
den  beliebtesten  und  am  spätesten  noch  gelesenen  und  auf- 
gelegten deutschen  Roman  des  XYIL  Jahrhunderts  ge- 
schrieben. Denn  seine  ^AsiatäMhe  Banise  oder  blutiges 
•doch  muthiges  Pegu"  erschien,  so  viel  wir  wissen,  im 
Ganzen  neunmal')  Die  übrigen  Schriften*)  des  Verfassers 

«)  Leips.  1688.  8^.  —  1690.  8^.  -  1707.  8^>.  -  1721.  IL  8^.  — 
1738.  8^.  —  178a  8P.  —  1768.  8^.  —  KdnigHb.  iL  Lps.  1768.  8P-  — 
1764—66.  8^.  — 

*)  Qoedeke  glebt  «i  1)  TSglieber  Sebanplati  der  Zeit  Lelpi. 
1700.  fol.  S)  HiBtor.  Labyrinth  der  ZtitLps.  1701.  fol.  Continnirter 
histor.  Schanpl.  nnd  Lab.  der  ML  Lpcg.  17ia  fol  —  8)  Heldenliebe 
der  Schrift  A.  u.  N.  T.  in  16  anrnnthigenLIebes-Beg^ebenheiteu.  Lpz. 
1734.  ^.  —  4)  Heldenliebe  der  Schrift  A.  u.  N.  T.  Zweyter  Theil  (von 
G.  Chr.  Lehms).  Leipa.  1737.  S«.  —  Eibische  Hehlenbriefe  in  12«.  sonderb. 
Liebesbegebenheiten  des  A.  T.  als  dritter  Theil  v.  C.  H.  S.  Leipz.  1732.  B'^. 
Mir  liegt  noch  eine  Ausgabe  des  Täi^licheu  Schauplatzes  d.  Z.  v.  1695 
Tor,  nnd  die  mir  bekannte  Ausgabe  dieses  Werks  v.  1700  ist  als  zweite 
Auflage  bezeichnet.  Der  T.  S.  d.  Z.  ist  ein  sogenanntes  Hemerolo- 
giuni  In  groszeni  Stil,  das  bist.  Labyrinth  ein  sehr  buntes  (iemenge 
von  historischeu  und  genealogischen  Nachrichten.  Balthasar  Christoph 
Sinold,  genannt  Schütz,  hat  dt'u  T.  S.  d.  Z.  und  Prof.  Stief  in  Bres- 
lau das  L.  d.  Z.  fortgesetzt.  Von  den  beiden  Theilen  der  Heldenliebe 
lieiren  mir  zwei  von  Goedeke  nicht  aufgeführte  Ausgaben  vor,  a) 
I  Leipz.  1706.  II  Leipz.  1711.  b)  I  Leipz.  171.5.  II  Leipz.  1721. 
Hieraus  erklärt  sich  die  Jalireszahl  173'j  der  Qeldenbriefe,  von  denen 
icli  keine  Aiis^'ahe  gesehen  habe.  Uebrii,n'ns  dürfie  die  Aiisirabf  von 
1700  auch  nicht  die  erste  sein,  denn  sie  entliält  eine  , Bodelwitz  den 
3.  April  1691"  datirte  Vorrede,  die  gleichzeitig  mit  der  Drucklegung 
des  Werkes  abgefaszt  scheint.  Die  Einrichtung  nnd  Beschaffenheit 
der  ..Heldenlifbe'*  erhellt  schon  aus  den  Worten  dieser  Vorrede  „Die 
Helden-Briel'f  des  unvergleicljlirhcn  Hernis  von  H<)tTinann>\val(lau  ha- 
ben mich  veranlasset,  als  ein  Blin<ler  dem  Lichte  zu  folgen,  und  zu 
sehen,  wie  weit  sich  die  UnvoUkomraenheit  eines  begierigen  Geistes 
extendireu  lasse.  Nach  diesem  Nord-Sterne  richtete  ich  meine  Jcüline 
Fahrt  ein  etc."  Die  prosaischen  erzälüenden  Stücke  dienen  nur  sor  All' 
g«be  der  SItaAtion  fllr  die  in  elegischen  Alenndrinem  ahgefiMsten 


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—    160  — 

dam  l—wtaiiioheii  Edrimwin»  (geb.  1668  la  Badneriti^ 

gestorben  1697  zu  Liebertwolkwitz  bei  Leipzig),  stehen 
seinem  berUlunten  Erstlingswerke  an  Bedeutung  weit  nach 
und  wurden  erst  TerbffentUchti  als  die  Banise  schon  be» 
rtthmt  war; 

Der  Inhalt  derselben,  eines  nur  einen  mäszigen  Octav- 
band  starken,  also  im  Vergleich  mit  den  Erzeugnissen* 
der  BneUudta,  Anton  UfaiA  nnd  Lohenstein  sdir  km- 
gefaszten  Romans  ist  folgender. 

„Blitz^  domier  und  liagel,  als  die  rächenden  werck- 
zeuge  des  gerechten  hinunels»  zerschmettere  den  pracht 
deiner  gold-bedeokten  thAime,  nnd  die  räche  der  Gotter 
verzehie  alle  besitzer  der  Stadt:  welche  den  Untergang 
des  Königlichen  Hauses  befördert^  oder  nicht  solchen  nach 
eusserstem  vermigen,  auch  mit  darsetzung  ihres  blutes, 
gebührend  verhindert  haben." 

So  begiuut  eine  längere  Rede,  die  der  Yerüasser  den 
Balacin  halten  läszt,  um  der  Verpfliehtung  des  in  medm 
res  rapere  gebührend  nachzukommen,  wobei  der  tapfere 
Prinz  von  Ava,  nachdem  er  die  ganze  Nacht  allein  ge- 
ritten, die  grosze  Stadt  Pegu  von  einem  fittgel  herab  be> 
trachtet.  Kaum  hatte  er  aber  ausgeredet,  so  ward  er  you 
drei  verwegenen  Bramanern  wüthend  angefallen,  welche 
dui  ch  die  über  ein&n  grausamen  Tyrannen  in  seiner  Bede 
ausgesprochenen  Flüche  in  Zorn  yeraetzt  worden.  Sr  er- 
legte zwei  von  ihnen,  der  dritte  ergriff  die  Flocht.  Der 
schwerverwuudete  Held  schleppte  sich,  nachdem  er  eine 
Zeit  lang  ohnmächtig  gelegen  hatte,  da  er  in  der  Nfihe 
Stimmen  hörte,  in  eine  HOhle  an  dem  Ufer  eines  groszen 
Flusses.   Seine  Yeilolger  nabelten  sich  und  wailen  die 

Briefe,  WBlflfae  nicht  ipftter  aU  sit  te  Comspoiideiis  Adami  und 
BvM  beginnea.  Diesem  EiofeUe  entsprieht  der  Stil  bes  Garnen. 


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—    161  — 

Leichen  der  von  ihm  Getiklteten  aot  das  sandige  Ufer 
vor  der  Höhle,  in  welche  das  Wasser  noch  eine  Anzahl 

Leichen^  vermuthlich  von  einem  Blutbade,  welches  der 
grausame  Chauiuigrem  angerichtet  liatte,  herrührend,  ge- 
q>filt  hatte.  Als  die  Nacht  den  Prinzen  in  diesem  scheoaz- 
liehen  Asyl  tlherraschte,  fimd  sich  noch  ein  groszer  Tiger 
ein.  welchen  Balacin  erleprte.  Jetzt  führte  ilim  aber  daii 
Schicksal  zwei  ihm  üeundiich  gesinnte  Männer  zu,  näm- 
lich den  alten  Talemon  nnd  seinen  Sohn  Ponnedro,  welche 
ihn  nach  Talemons  Schlosse  brachten.  Wfthrend  er  hier 
an  seiner  Wunde  danüeder  lag,  brachte  Ponnedro,  der 
Oberhoüneister  über  das  kaiserliche  Frauenzimmer  bei 
dem  IJsnipator  Chanmigrem  war,  die  Nachricht,  dasz  die 
Prinzessin  Banise,  Balacins  Geliebte,  wahrscheinlich  noch 
lebe.  Die  Gemahlin  Talemons  und  seine  Tochter  Lo- 
rangy,  welche  sich  sogleich  beim  ersten  Anblick  in  den 
Prinzen  auf  das  heftigste  verliebte,  quälten  ihn  mit  Zu- 
dringlichkeiten sehr  plnmper  Art  Bald  langte  auch  Ba- 
lacins Diener  Scandor.  der  in  der  Geschichte  eine  hu- 
moristische an  Sancho  Pausa  und  Scherasmiu  erinnernde 
Rolle  spielt,  an  und  brachte  zwei  Briefe,  ans  denen  her- 
vorging, dasz  Dacosem,  Balacins  Vater,  mit  dem  er  in 
schlechtem  Einvernelimen  gestanden,  gestorben  und  er  ihm 
in  der  Herrschaft  Uber  das  Keich  Ava  nachgefolgt,  sowie 
dasz  er  zum  Herrscher  ttber  Aracan  erwählt  seL  Auch 
Abaxar,  wit  Ponnedro  in  Diensten  bei  Chaumigrem.  aber 
nur  auf  eine  Gelegenheit  zur  Stürzung  des  Ungeheuers 
wartend,  findet  sich  ein.  Ihm,  dem  der  Prinz  wie  den 
Frauen  zunächst  nur  als  ein  Diener  Bsladns  vorge* 
stellt  wird,  dem  Talemon  und  Ponnedro  erzählt  Scandor 
die  Lebensgeschichte  des   Prinzen  Balaciu   und  seiuer 

Schwester,  der  Prinzessin  Higvanama,  welche  er  mit 

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—    162  — 

dam  ibm  eigenen  HnMordorehwebt  and  don^dkwkentm 
den  eigentUchen  StroBi  der  mohselyolleii  WnndeTgescliiclUe 

geleitet  werden.  Dacosem,  König  von  Ava,  Balacins  Va- 
ter, unternahm  aus  Ehi^uclit  einen  Erbfolgekrieg  mit  sei- 
nem NeilNi  und  Lelinsherrai,  dem  Kaiser  Xemindo  Ton 
Pegn.  Er  ernannte  den  Chaumigre»,  der  Ton  Xemindo 
abgefallen  war,  zum  Eeldherm,  aber  durch  dessen  Unföliig- 
keit  fiel  der  Krieg,  in  dem  sein  ältester  Sohn  das  Leben 
verlor,  so  unglücklich  ans,  dass  alles  verloren  gewesen 
wäre,  wenn  niclit  gleichzeitig  sich  Xemibrun,  Chauniigrems 
Bruder  und  Vicek^ug  von  Brama,  empört  iiätte,  w«s  den 
Kaiser  Xemindo  nöthigte,  mit  seinem  siegreiehoi  Heer 
eiligst  in  sein  Reich  zurückzukehren.  Inzwischen  wuszte 
sich  der  an  Leib  und  Seele  gleich  scheuszliche  Chaumi- 
grem  in  nnerklärlichem  Grade  bei  dem  alten  Dacosem  in 
Gnnst  zn  setzen,  so  dasz  er,  nnverschämt,  wie  er  war, 
es  sogai*  wagen  durfte,  nach  der  Hand  der  Prinzessin 
Higvanama,  die  bereits  mit  dem  Fnnz^  Nherandi  von 
Siam  verlobt  war,  an  streben.  Da  ihn  des  Königs  Ancto* 
rität  in  diesen  Werbungen  unterstützte,  leistete  er  so 
Groszes  in  Lächerlichkeit  und  Unverschämtheit,  dasz  er 
mit  dem  Prinxen  Baladn  in  Ckmflict  gerieth.  Wieder  die 
Gunst  des  Königs  machte  es  möglich,  dasz  er,  der  fremde 
Graf,  den  Prinzen  zum  Zweikample  herausfordeni  durfte. 
Aber  statt  des  Ohamnigrem  erschien  auf  dem  Kami^ 
platze  nmr  ein  Brief  mit  der  Nachricht,  dasz  er,  durch 
den  Tod  seines  Bniders  Xemibrun  plötzlich  König  von 
Brama  geworden,  sofort  abgereist  sei,  doch  wolle  er  die  von 
dem  Prinzen  von  Ava  empfangene  Beleidigung  „dermassen 
rächen,  dasz  auch  das  kind  in  niutterleibe  den  tag  be- 
weinen soll,  an  welchem  mich  die  eigensinnige  Higvanama 
verachtet  hat."   Diese  Wendung  bestimmte  den  alten  Da- 


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—    163  — 

eosem,  znr  Krtaug  des  GebAvdes  aemer  Narrheit  aeiiien 

Sohn  Balaein  ans  seinem  Reiche  zu  verbannen,  dem  nun 
nichts  ttbrig  bliebe  als  von  seiner  innig  geliebten  Schwester 
EOgranama  henbiBdieiiäen  Abschied  zu  nehmen. 

Hier  bricht  die  erste  Erzfthlimg  Scaadors  ab  und  die 
Zuhörer  gehen  auseinander.  Tags  darauf  belauschte  Ta- 
lemon  zaföllig  ein  Grespräch  zwischen  Hassana  und  Lorangy, 
welche  letztere  so  staiii  in  den  Prinzen,  verliebt  war,  dass 
die  Alte  nach  Hofo  zu  laufen  und  ihren  G^ahl  wegen 
der  Verbergung  des  verdächtigen  Fremdlings  anzuzeigen 
beschlosz,  woiein  sich  Balaein  nicht  geneigter  zeigen 
wollte.  Talemon  warnte  den  Prinzen  mit  betrftbtem  Her- 
zen, und  letzterer  richtete  nun  bei  der  bald  eriolgenden 
Unterredung  mit  den  beiden  würdigen  Damen,  in  der  ihm 
Lorangy  eine  höchst  zadringliche  Liebeserklärong  machte, 
sein  y4M*halteii  danach  ein,  um  wenigstens  das  Aenszerste 
abzuwenden.  Leider  konnte  er  nicht  anders,  als  eine  nächt- 
liche Zusammenkunft  mit  der  mannstollen  Dirne  verab- 
reden. Hierauf  kamen  die,  welche  Scandors  Erzählung 
gestern  angehört  hatten,  wieder  zusammen,  und  er  trug  ih- 
nen die  Geschichte  des  Prinzen  Balaein  und  der  Prinzessin 
Banise  als  Fortsetzung  vor. 

Da  Balaein  völlig  nngewisz  war,  wohin  er  sieh  wen- 
den solle,  gab  ihm  Scandor  den  zeitgemäszen  Rath,  ein 
Omkel  zu  befragen,  was  sofort  in  dem  wegen  seines  Tem- 
pels berühmten  Grenzflecken  Pandior  ius  Werk  ge.setzt 
wurde.  Die  ziemlich  ausgedehnten  und  haarsträubenden 
Ceremonien,  welche  nöthig  waren,  um  eine  Antwort  des 
Gottes  zu  erlangen,  brachten  es  mit  sich,  dasz  der  Prinz 
ÄUi"  einige  Zeit  in  tiefen  Schlaf  verliel,  in  welchem  ihm 
das  Traumbild  einer  überirdhichen  Schönheit  erschien.  Der 

Priester  Uberreichte  ihm  einen  Zettel  und  zwei  Schachtehi, 

11* 


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—    164  — 


als  er  zur  bestimmten  Stimde  jenen  öffiiiete,  la^  er  die 
Worte: 

„Zeuch  bin,  betr&bter  Printe,  dir  wincket  Pe^  za, 

Errette  deiueri  feind  aus  seines  feindes  haiideii: 

£8  wird  ein  fremdes  büd  so  aug  als  liebe  blenden: 

Doch  endlich  findet  man  die  eingebildte  mh. 

Schau!  dein  vergnügen  liegt  in  schrecken,  furcht  und  ketten : 

Drey  croiien  mÜ6J>eii  erst  die  vierte  crone  retten. 

Das  opffer  cronet  dich  als  einen  Taüpn.'' 

Der  Prinz  fiberschiitt  also  die  pegnanische  Grenze. 
ITebri^ens  hatte  er  nicht  lange  Zeit,  sich  bewiiszt  zu  wer- 
den, dasz  er  sich  in  älmlichei^  Lage  belaud,  wie  die  Hel- 
den im  Amadis,  wenn  sie  Urganda  mit  einer  aasfährlichen 
aber  erst  post  eVentom  mit  grosser  Mühe  zu  erklftrenden 
Weissagung  beglückt  hatte,  denn  sehr  bald  fand  er  Gele- 
genheit, zwei  Herren  von  Mördern  zu  befreien.  Nachdem 
diese  Heldenthat  gelungen,  stellte  sich  ihm  der  eine  als 
den  Kaiser  Xemindo  Ton  Pegu  vor,  und  er  gab  sich  —  da 
er  des  Kaisei-s  Feind  war  —  für  den  l^rinzeu  l^antoja  von 
Tannassery  aus.  Einer  der  Augreifer  {gestand  ster])endy 
dasz  sie  von  niemand  anders  als  Chanmigrem  yon  Brama 
zur  Ermordung  des  Kaisers  abgesandt  waren. 

Die  Folge  der  Heldenthat  Bahu  ins  war  eine  ähnliche 
Confusion  von  Liebespaaren,  wie  wir  sie  bereits  in  der 
Diana  kennen  gelernt  haben.  Denn  Xemindo  verlobte  ihn 
znm  Danke  mit  (der  von  Balacin  zonllchst  Ar  des  Kaisers 
Tochter  gehaltenen)  Prinzessin  von  Saavady,  diese  ihrer- 
seits wurde  von  dem  ELronprinzen  Xemin  heftig  aber  nn- 
glttcklich  geliebt,  nnd  zwar  blieb  Xemins  Znneigmig  des- 
halb unerwidert,  weil  die  Prinzessin  den  sich  am  Hofe 
aufhaltenden  Prinzen  Zai^ang  von  Tangu  anbetete,  dieser 
aber  entbrannte  nicht  för  sie,  sondern  für  die  nnveigleidb 


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—  165 


liclie  Banise,  des  Kaisers  Tochter.  Da  nun  die  Erschei- 
niuig  der  Prinzessin  von  Saavady  mit  dem  von  Balacin 
im  Tempel  zu  Pandior  erblickten  Traumgesichte  nicht 
übereinstimmte  und  auszerdem  sich  die  verliebten  Personen 
ihren  dem  Balacin  unbekannten  leidenschafilicheu  Bezie- 
hirngen  gemftsz  benahmen,  so  war  «eine  sonst  treffliche 
Intelligenz  Tor  diesem  Heere  von  Bäthseln  in  groszer  Ver- 
legenheit. Indessen  sollte  sich  der  vSchleier  nach  und 
nach  lüften.  Zoerst  entdeckte  der  in  der  Genealogie 
besser  als  Baladn  bewanderte  Schatzmeister  Talemon,  dasz 
der  vorgebliche  Pantoja  nicht  Prinz  von  Tanassery  sein 
könnte.  Balacin  zog  ilm  ins  Vertrauen,  Taiemou  kiäite 
ihn  zunächst  dai^ber  auf,  wer  die  ihm  verlobte  Dame  sei, 
ferner  in  welcher  Weise  die  Liebesbanden  an  dem  Hofe 
Verschlungen  seien,  und  schlieszlich  gab  er  ein  Signale- 
ment von  der  Prinzessin  Banise,  wodurch  ihre  Identität 
mit  dem  erwähnten  Tranmbilde  wahrscheinlich  wurde. 
Hiervon  sich  Gewiszheit  zu  verschatten  und  zugleich  die 
ilim  Yerheiszene  aus  den  Tatzen  eines  Panthers  zu  be- 
freien, hatte  der  Prinz  in  den  nächsten  Tagen  Gelegen- 
heit, als  er  die  kaiserlichen  Lustgärten  besuchte.  Da  er 
aber  das  Bildnisz  der  Prinzessin  von  Saavady  pflicht- 
schuldigst bei  sich  trug,  verwickelte  er  sich  unmittelbar 
naeh  dem  glücklidien  Augenblicke,  wo  er  Banise  das  erste 
Mal  gesehen,  in  einen  Zweikampf  mit  Xemin,  jedoch  der 
Kampf  endigte  mit  dem  Abschlüsse  eines  Freundschafts- 
bündnisses, da  auszer  der  Eiitenntnisz  der  beiderseitigen 
Tapferkeit  noch  die  Dazwischenkunft  der  Prinzessin,  um 
die  es  sich  handelte,  klar  legte,  dasz  sie  ihrei^eits  we- 
nigstens von  Bakcin-Pantoja  nichts  wissen  wollte. 

Seandor  hatte  inzwischen  mit  einer  sehr  wenig  schö- 
nen Hofdame,  nur  um  die  Zwecke  seines  Herrn  zu  für- 

» 


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—    166  — 


dern,  einen  lächerlichen  Liebeahaadel,  und  als  ein  grosses 
Fest  in  der  Seestadt  Maeeon  stattfuid,  edangte  Balaian 

den  von  Banise  ansgetheilten  ersten  Preis,  nnd  Scandor 
machte  während  der  Festlichkeiten  die  Bemerkung,  dasz 
die  öfter  «uf  BaUein  verweüeadea  Blicke  der  ftberirdiaclian 
Piimessin  eine  awfkeiinwide  Liebe  in  TStktlnden  seidenen. 
Bei  dem  nun  folgenden  Bankett  ging;  es  hoch  her,  Prina 
Zarang  betrank  sich  nnd  begosz  die  Phnzess^in  mit  Wein, 
aber  auf  schreeküche  Weise  sollte  die  Lust  gestört  wer- 
den. Es  langte  nimlich  ein  Gönner  ane  der  Residens 
Martabane  an,  woselbst  Xemindos  Schwiej^ersohu  hei  isi  hte. 
und  berichtete,  dasz  Chanmigrem  das  Keich  und  die  Stadt 
Terrätherischer  Weise  ttber&Uen,  durch  Yenmtk  einge* 
nommen,  ein  entsetslicbes  Blutbad  angeriehtet>  den  König 
schlieszlicli  ins  Meer  werten  nnd  die  Königin  nebst  140 
fürstlichen  Frauen  und  ihren  Kindern  habe  verkehrt  aui- 
hängen  lassen.  Der  Bote  verfiUurt  bei  der  Besckreibnng 
mit  einer  schandererregeaden  AnschanUcfakeit  nnd  Ans« 
führlichkeit.  Nachdem  sich  Prinz  Zarang  noch  durch 
Lobeserhebungen  des  (Jhaumigreu  raffinirt  taktlos  gezeigt, 
▼on  Baladn  bmnsgeferdert  worden  war,  sieh  aber  niebt 
gestellt  hatte,  tni  der  eiligst  mit  dem  ganzen  Hol^  nach 
Pegu  zurückgekehrte  Kaiser  Vorbereitungen  zum  Kriege, 
der  ihm  T<m  Chanmigrem  drohte.  £r  verlobte  seine  Toch- 
ter mit  Baladn,  nnd  da  er  den  wahren  Namen  nnd  Stand 
desselben  schon  seit  einiger  Zeit  entdeckt  hatte,  so  sen« 
dete  er  ihn  eiligst  nach  Ava,  um  Balacins  Vater  zu  Hülfe 
n  mfen.  Der  Piiaz  nata  von  Banise  mit  von  schweren 
Ahnungen  erfülltem  Herzen  Abschied,  nnd  diese  Ahnun- 
gen waren  nur  zu  riclitig  gewesen.  Denn  sein  Herr  Va- 
ter, der  das,  was  man  einen  alten  Esel  nennt,  in  der  aus- 
geiurftgtesten  Weise  war»  ging  nicht  nnr  anf  den  Inhalt 


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—    167  — 

semer  Qenadtachaft  nicht  im  miiidMlen  ein,  sondern  lieas 
den  Primen  einsperren.  Die  Naekricht,  dnss  Caummigreni 

es  mit  Pegu  ebenso  gemacht,  wie  kuize  Zeit  vorher  mit 
Martabane,  brachte  ihu  dem  ^\'ahnsinü  nahe  und  warf 
ikn  Ifingere  Zeit  naf  das  Krankenbett 

Hier  endet  Scandors  Vortrag  wieder  und  zngleich 
das  ei  ste  Buch.  Nachdem  die  Zuhörerscliaft  auseinandei'- 
gegangen  war,  hielt  der  Prinz,  der  sich  nicht  ahne  Schrecken 
an  das,  was  er  mit  Loniagy  verabiedet  hatte,  erinnerte, 
mit  Scandor  einen  Dialog  Iber  das  Heirathen,  der  eine 
sehr  ausführliche  Variation  eines  seit  dem  Mittelalter  in 
der  Facetien«  und  populär  moralischen  Literatur,  in  Deutsch* 
iand  beasadem  seit  der  Yerdentsdumg  der  Schrift  Pe- 
trarcas vom  glücklichen  und  unglftcklichen  Leben,  belieb- 
ten Gedankens  ist.  Sie  gehen  nämlich,  indem  der  Prinz 
smn  Heirathen  anredet,  alle  möglichen  Kategorien  von 
Heirathscandidatimien  darch,  als  die  Schönen,  die  Häsa- 
lichen,  die  Wittwen,  die  Stillen,  die  Munteren,  die  Reichen, 
die  Armen,  und  Scandor  bringt  bei  jeder  die  Gründe  vor,  ' 
warum  er  grade  eine  solche  nicht  wolle,  und  kommt  end- 
lich an  dem  Schlüsse:  In  Snmma,  ein  Weib  ist  ein  noth* 
wendiges  Uebel,  eine  natürliche  Anfechtung,  eine  ein- 
heimische Gefahr  und  ein  lustiger  Schade.  Da  Iragt  ihn 
sein  Herr,  ob  er  sich  wohl,  nm  ihm  geüSLllig  zu  sein,  ver» 
ehelichen  wolle,  woraaf  Scandor  sogleich  versichert,  es  sei 
zwai'  sein  Vorsatz  gewesen,  den  Kranz  seiner  Jugend  mit 
ins  Grab  zu  nehmen,  wenn  abei*  einige  Treue  gegen  sei- 
nen Herren  kOnne  dorch  eine  geringe  Heirath  bewiesen 
werden,  so  wollte  er  sich  wohl  unterfangen,  das  älteste, 
häsziichste,  boshafteste  und  äimste  Weib  in  ganz  Abien 
zu  heirathen. 

Somit  ist  er  anch  damit  ganz  einverstanden,  bei  dem 


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—    168  — 


Stelldichein  seines  Henen  Rolle  zu  spielen,  sich  mit  Lo- 
raiigy  ertappen  und,  wie  Hftflaana  geplant,  durch  einen 
bereitstehenden  Talagrepen  (Priester)  anf  ewig  mit  ihr 

verbinden  zu  lassen. 

Den  folgenden  Morgen  erschien  nun  Abaxar  wieder, 
und  Talemon  ergriff  an  Stelle  des  Scandor  das  Wort,  nm 
die  Geschichte  yon  dem  Tode  nnd  Untergange  des  un- 
glückseligen Kaisers  Xemindo  samt  dessen  Prinzen  und 
ganzem  Reiche  zu  erzählen.  Während  Xemiudo  gegen 
Dacosem  von  Ava  Krieg  fährte,  fiel,  wie  sch<a  erwähnt 
wurde,  Chaumigrems  Bruder  Xemibmn,  der  durch  Hetzerei 
diesen  Kriepr  ttberli;iui»t  angelacht  hatte,  in  Pegu  ein. 
De]  tapfei*e  Prinz  Xemin  konnte  sich  in  ollenem  Felde 
nicht  behaupten,  eine  getährliche  Belagerung  begann,  aber 
die  endlich  aus  Ava  anlangende  Hauptarmee  brachte  Ent- 
satz, Xemibrun  wurde  *;änzlich  gesi  Ii  lauen  und  fiel.  Doch 
der  an  seine  Stelle  tretende  Chaumigreui  vergönnte  den 
Siegern  nur  kurze  Buhe,  es  kam  erst  der  schon  erwfthnte 
Martabanische  Krieg,  dann  zog  er  selbst  gegen  Pegu 
heran.  Seinen  900000  Mann  waren  die  600000  Xemindos 
nicht  gewachsen.  Bald  nachdem  sie  ihnen  entgegen  ge- 
zogen waren,  langte  in  der  Hauptstadt  die  Nachricht  an, 
die  Schlacht  sei  verloren,  der  Kronprinz  gefallen,  der  Kai- 
ser wurde  vermiszt.  Dem  herbeieilenden  Sieger  ölfneten  sich 
namentlich  durch  die  zweideutige  Haltung  des  Unter&ld- 
herm  Quendu  und  der  Priesterschaft  die  Thore,  das  kaiser- 
liche Frauenzimmer,  unter  ihnen  Banise  und  die  Prin- 
zessin von  Saavadj  geriethen  in  Gefangenschaft,  Talemon 
rettete  sein  Leben  nur  durch  Ansliefeniiig  eines  Theiles  der 
Schätze,  und  als  der  Kauser  Xendndo  schlieszlich  ergriffen 
ward,  liesz  ihn  Chaumigrem  vor  sich  bringen,  redete  ihn  höh- 
nisch an,  und  den  nächsten  Tag  wurde  er  vor  den  Augen  des 


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—    169  — 


ganzen  Volkes  hingerichtet.  Auch  Banisen  hatte  der  Ty- 
rann zu  tödten  bel'olüen,  und  Abaxar  sollte  diesen  Beiehl 
ansföhren.  Bald  Dackdem  Cbaumigrem  *  seinen  Bltttdorst 
in  Pegu  iiestillt,  brach  er  mit  Heeresmacht  gegen  das  K5* 
lügieich  Prom  auf,  wo  eine  Königin,  die  Schwester  Bala- 
cinSy  als  Vonnttnderin  ihres  mindeijfthrigen  Sohnes  herrschte. 
Da  sich  die  Bewohner  verzweifelt  wehrten^  fiberstieg  die 
Grausamkeit  ('haumij,n'ems,  als  er  endlich  Land  und  Kesi- 
denz  —  natürlich  dui'ch  Verrath  —  eingenommen  hatte» 
alle  Grenzen.  Er  liesz  die  Königin  sammt  ihrem  Sohn» 
giausam  hinrichten,  die  Stadtbewohner  trrösztentheils  nie- 
derhauen uud  in  kleine  Stücke  geliackt  den  Klepüanten 
zmn  Frasze  vorwerfen  n.  s.  w.  Nachdem  Talemon  bis 
hierher  erzählt,  wollte  nun  Abaxar  berichten,  was  er  an 
jenem  Tage,  da  iluu  die  Tödtung  Banisens  befohlen  wor- 
den, mit  ihr  vorgenommen,  aber  plütadich  entstand  ein  Tu- 
mnlt,  Talemons  Schlosz  wurde  von  Soldaten  umstellt  und 
Abaxar  von  diesen  auf  Befehl  ( 'liaumigrems  gefangen  ab- 
geführt. Da  Prinz  Balacin  bei  diesem  Voiialle  in  die 
gröezte  Aufregung  gerieth,  wurde  er  nunmehr  auch  von 
Abaxar  erkannt,  dieser  versicherte  ihn  seiner  Ergebenheit, 
und  Balacin  würzte  nun  wenigstens  aus  der  begonne- 
nen Erz&hlung,  dasz  Banise  noch  lebe.  • 

Hierauf  folgt  nun  wieder  eine  komische  i^isode,  worin 
erzählt  wiid.  wie  Hassanas  und  zugleich  des  Prinzen  An- 
schlag hinsichtlich  Lorangys  vollkommen  gelingt,  so  dasz 
der  getreue  Diener  seines  Herrn  zu  einer  Frau  kommt 
und  sich  schlieszlich  in  sein  Schicksal  so  gut  fligt  wie  die 
andei*en  Betheiligten.  Erst  jetzt  erfahi*en  wir,  wie  es 
am  die  überirdische  Banise  eigentlich  stand.  Abaxar 
nämlich  hatte  statt  ihrer  eine  ihr  mOgliehst  ähnliche  Scla- 
vin  in  ihren  Kleidern  köpfen  uud  den  kopüoseu  Körper 


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—    170  — 


auf  den  ofienen  Markt  werten  lassen,  die  Sdiwester  der 
Qetödteten  aber  nicht  reman  Mvnd  gdialten,  mä  so  war 
die  Angelegenhdf  endlich  zu  dem  BoUm  oder  Oberpriester 
gelangt,  welcher  in  einer  Staatsrathssitzung  dem  Tyrannen 
davon  Anzeige  machte.  Dies  war  die  Ursache  der  plöts- 
lichen  Yeihaftoiig  Abazars.  Ghaamigren,  wdcher  saerst 
die  sofortige  Hinrichtung  Barnsens  befohlen  hatte,  liesz 
sie,  durch  die  Erinnerung  an  ihre  Schönheit  verleitet,  vor 
sich  bringen  and  volehlte  nat&rlich  nicht»  sich  sterblich 
in  sie  20  yerliebea. 

Da  er  jetzt  besser  als  der  Prinzessin  Higvanama  ge- 
genüber in  der  Lage  war,  seinen  Werbungen  Nachdruck 
an  Terachaffen,  gab  er  ihr  sechs  Tage  Bedenkzeit  nnd  Ter- 
trante  dem  Ponnedro  die  Obhnt  Uber  ihre  Person.  Bala- 
cin  und  seine  Getreuen,  deren  Sache  es  war.  die  gege- 
bene Frist  zu  benützen,  hielten  einen  Krieicfsrjith.  und  auf 
Scandors  Bath  ward  beschlossen,  daaz  sich  Balacin  oad 
Scandor  als  portugiesische  Eanflente  verkleidet  bei  Banisen 
Zutritt  verschaffen  und  es  auf  eine  Entführung  absehen 
sollten,  wozu  ihnen  die  zwei  in  Pandior  empfangenen 
Schachteln,  welche  Mittel  zur  gftnzlichen  Yerstdlnng  and 
Wiederherstetlnng  der  Gestalt  enthielten,  treffliche  Dienste 
leisteten.  Die  Ausführung  dieses  Vorschlages  brachte  Ba- 
lacin die  Gelegenheit,  hinter  einer  'Tapete  versteckt  Zeuge 
der  Verliebtheit  Ohanmigrems  nnd  der  List  seiner  Gelieb- 
ten zn  sein,  nnd  setzte  Scandor  in  die  Lage,  als  extempo- 
riiler  Juwelen-  nnd  Schönheitswasserhändlei*  unter  den 
Hofdamen  seinen  Witz  spielen  za  lassen.  Aoch  gelang 
es,  die  Entfllhnmg  Barnsens  alsbald  zo  verabreden.  Zoerst 
ging  auch  alles  ziemlich  nach  Wunsche,  Cliaumip:reni  er-^ 
hielt  von  der  Prinzessin  einen  Schlaftrunk,  und  sie  entkam 
in  sdnem  Biocke  dnrch  die  geheime  Tigerpforte,  in  der 


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—   171  — 

Folge  aber  verirrten  sich  die  Flüchtigen,  Balaein  kara^ 
als  die  Verfolger  schon  naheten,  Ton  den  andern  ab,  Ba- 
idie  ttd  Seaador  worden  geCuigen  nnd  vor  Cfaanmigrem 
getaicht  wahrend  der  vwaweifetode  Bakein  nach  der 
erforderlichen  hochpathetischen  Rede  in  sein  Vater- 
land eilte,  thai  Ranlüm  Schönheit  ihre  Wirkung.  Denn 
kanm  hatte  sie  der  Tyrann,  anf  des  Bolinw  weise  Rede  ge- 
gen die  liiebe  zu  ihrer  Tödtung  fest  entschlossen,  wieder 
erhiickt,  als  er  auch  sogleich  alle  JEUchegedanken  mit  nur 
yerstftricter  Verliebtheit  Tertanschte,  ja  selbst  der  alte 
B.olim  war  in  der  T^age,  seine  eben  auseinandergesetzten 
^  Qmnds&tze  gänzlich  aufzugeben,  und  empfand  solche  Zu< 
neignng  zu  unserer  Heldin,  dasz  er  nunmehr  ebenso  eifrig 
xnnftchst  fttr  die  Erhaltung  ihres  Lebens  sorgte,  wie  er 
vorher  sn  ihrem  Tode  gerathen.  Auf  seinen  Rath  ward 
dem  Kaiser  Torgeschlagen,  Banise  erst  in  dem  des  Bolims 
Leitung  unterstehenden  Ten^id  der  tausend  Cutter  ein 
halbes  Jahr  lang  ihrer  Traner  obliegen  zu  lassen,  wofür 
sie  ihn  dann  heirathen  wolle.  Hierauf  ging  der  blind  Ver- 
lebte auch  ein.  Auch  Scandor  eridelt  troti  seines  nasewei- 
sen  Auftretens  die  Freiheit  und  folgte  seinem  Herrn  nach 
Ava. 

Dieses  Königreich  trat  Balaein  seiner  Schwester  Hig> 
▼anama  feierlich  ab  und  verftkgte  sieh  darauf  nach  Arar 

can,  wo  er  gekrönt  ward  und  nach  einigen  zeitgeniäszen 
Aenderungen  der  Gtesetse  (wonach  der  König  sich  nur 
alle  fttnf  Jahre  seinen  ünterthaaen  zeigen  nnd  seine 
Schwester  hatte  heirathen  müssen)  seine  Reichsstäude  zum 
Kriege  gegen  Pegu  aufrief.  £i*st  wurde  aber  eine  Ge- 
SBiidtschaft  an  Chaumigrem  abgeordnet,  die  Prinxessin  zu- 
fftdkznIbrdeiTL 

Auch  dieser  sann  schon  wieder  auf  neues  Blutver- 


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172  — 


gieszen,  und  zwar  galt  es  diesmal  dem  Beiche  Siam,  wel* 
ches  mit  Krieg  zn  Qberziefaen  sich  auch  bald  ein  Ver- 
wand findeu  liesz.  Es  beanspruchten  damals  nämlich  die 
Kdnige  Ton  Bengala,  Aya,  Aracan,  Siam  und  Pega  zu- 
gleich den  Titel  eines  Herren  des  weissen  Elephanten, 
Besitzer  aber  dieses  Thieres  und  somit  alleinig  berechtigt 
ZOT  ij'ülu^ung  des  Titels  war  der  König  von  8iam.  \'on 
diesem  nun  verlangte  Chanmigrem  Uebergabe  sowohl  des 
Elephanten  als  des  Titels  und  auszerdem  Anerkennung 
der  Lehnsabhängigkeit  Siams  von  Pegu,  und  als  diese 
Forderung  zwar  höflich  aber  bestimmt  abgelehnt  ward, 
rttstete  Chanmigrem  nicht  weniger  als  eine  Million  und 
zweilmnderttauseud  Mann,  mit  denen  er  sogleich  das  liand 
überfiel  und  nach  einer  Niederlage  seiner  Vorhut  mit  der 
dem  Feinde  an  Zahl  weit  überlegenen  Haufitannee  yor 
die  Hauptstadt  Odia,  India  uder  Siam.  am  Flusse  ALenan 
zehn  Meilen  vom  Meere  gelegen,  rückte. 

Wfthr^d  hier  ein  äuszerst  heftiger  Kampf  entbrannte, 
versuchte  der  alte  Rolim  sich  Barnsen  geg^entiber  mit  Lie- 
beswerbungen, welche  einmal  duich  den  Eintritt  des  Prin- 
zen Zarang,  der  durch  Bestechung  und  Verkleidung  bis 
in  das  Zimmer  der  Prinzessin  gedrungen  war,  unterbrochen 
und  SU  energisch  furtgesetzt  wui*den.  dasz  der  Rolim  wie- 
der dazwischen  kam  und  der  Frinz  von  Taugu  eiligst  die 
Flucht  ergreifen  muszte. 

Die  Aracanischen  Gesandten  langten  bei  Chauniigrem 
vor  Odia  an,  sie  wurden  aber  von  ihm,  der  die  Stadt  vor 
ihren  Augen  einzunehmen  wünschte,  hingehalten,  und, 
als  wiederholte  Stürme  abgeschlagen  waren,  mit  einer  ab- 
schlägigen und  beleidigenden  Antwort  entlassen.  Nach 
ihrem  Abgange  aber  wandte  sich  das  Kriegsglück  noch 
einmal  zu  Gkmsten  des  blutbefleckten  Wütherichs.  Die 


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—    173  — 


jttngste  Tochter  des  Königs  von  Siun  war  gestorben,  man 

▼ermuthete  Gift,  ihre  Mutter  lenkte  das  ^lisztiaiien 
des  Küuigs,  nachdem  viele  Unschuldige  waren  ge- 
martert and  getödtet  wordm,  auf  ihre  Stieftochter 
IPylane,  der  verblendete  König  wollte  sie  verbrennen 
lassen,  als  der  in  Siamesische  Gefangenschatt  jrerathene 
Abaxar  als  ihr  Kämpe  aultrat  und  sie  erlöste.  Jetzt 
konnte,  da  die  Götter  wegen  der  Ungerechtigkeit  und 
Gransamkeit  des  Königs  erzürnt  zn  sein  schienen,  die 
Stadt  trotz  der  Tapferkeit  ihrer  Bewohner  und  nament- 
lich des  Prinzen  Nherandi  sich  nicht  mehr  halten,  der 
Sturm  hatte  Erfolg,  der  König  und  die  Königin  vergif- 
teten sich,  eine  Fenersbrnnst  zerstörte  einen  groszen  Theü 
der  (jel)äude,  Prinz  Xherandi  und  Prinzessin  Fylane  ge- 
riethen  in  Gefangenschaft  und  wurden  der  Obhut  Abaxars 
anvertraut,  welcher  sie  ausgezeichnet  behandelte,  da  er 
sich,  wie  natürlich,  in  Fylanen  verliebt  hatte.  Die  Nach- 
richt aber,  dasz  König  Halacin  von  Aracan  mit  einem 
Heere  gegen  Pegu  herannahe,  veranlasste  Ohaumigrem, 
eOigst  den  Bückzug  anzutreten. 

Hiermit  schlieszt  das  zweite  Buch,  das  dritte  führt 
uns  sogleich  in  den  Rachekrieg  Jialacins  ein.  Nach  einiger 
Zeit  erfolgte  eine  überaus  blutige  Hauptschlacht,  in  der 
Balacin  einen  herrlichen  Sieg  erstritt,  zumeist  durch  eine 
geschickt  ang:ebrachte  3Iine,  welclu^  mit  von  Scandor  durch 
einen  tollkülmen  Handstreich  erbeutetem  Puher  gefüllt, 
die  filephanten  des  Feindes  in  der  Luft  herumfliegen 
machte,  so  dasz  diese,  über  die  grobe  Behandlung  ergrimmt, 
sich,  nachdem  sie  wieder  auf  der  Erde  angekommen  waren, 
gegen  die  Hingen  wandten.  Koch  einmal  geschlagen  zo- 
gen sich  die  Feguaner  jetzt  in  die  Hauptstadt  zurück, 
md  Balacin  traf  Anstalt  zu  einer  Belagerung.  Inzwischen 


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war  aber  Prinz  Zarang  noch  einmal  mit  einem  Heere 
herbeigeeilt  and  hatte  schnell  einen  Theil  der  Stadt  ein- 
genommen.  Er  liess  Balaein  za  einem  Zwdkampfe  wm 
Banisens  Besitz  lierausfordem,  was  dieser  aber  ablehnte, 
so  dasz  nun  beide  auf  eigene  Kechnnng  die  Stadt  bela- 
gerten. Nherandi  entkam  der  Ge&ngenschaft,  eilte  luA 
€iam,  die  Bewohner  warfen  das  Joch  der  Braman«*  ab 
und  zogen  unter  seiner  Anführung  ge«:en  Pegu.  Chaunii- 
grems  Liebe  za  Barnsen  war  erkaltet,  und  er  sann  nnn 
auf  ihren  Tod,  den  dagegen  der  Rolim  hinzuhalten  wnszte. 
Dieser  verliebte  Alte  erneuerte  seine  Werbungen  mit  sol- 
cher Zudiingliclikeit,  dasz  ihm  Banise,  ihre  Keuschheit 
zn  bewahren,  ein  Messer  in  das  Herz  stiesa.  Nachdem 
der  todte  Rolim  mit  den  prächtigsten  Ceremonien  begraben 
Morden  war,  eröflhete  der  Nachfolger  desselben  seine 
A.mt8th&tigkeit  damit,  dasz  er  vonchlng,  die  Prinzessin 
als  eine  reine  Jungfrau  dem  Kriegsgotte  zum  angenehmen 
Opfer  zu  bringen.  Dieser  Vorsihlag  erhielt  allgemeinen 
Beifall,  und  Banise  bekam  zwanzig  Tage  Zeit,  um  sich 
auf  die  ihr  bevorstehende  Ehre  vorzubereiten. 

Als  sich  Higvananici  nun  mit  dem  Avanischen  Heei*e 
näherte,  gerieth  sie  in  Ge£angenschiiit,  au&  der  sie  aber 
von  dem  ebenfalls  heranziehenden  Kherandi,  ihrem  Bräu- 
tigam, befreit  ward. 

Eben  so  glücklich  fftr  Baiacin  und  seine  \'erbündeten 
verlief  ein  Plan  der  Prinzessin  von  Saavady.  Dieee  schrieb 
dem  Prinzen  Zarang  in  Barnsens  Namen  und  mit  deren 
Unterschrift  einen  Brief,  worin  sie  ihn,  sie  zu  entführen, 
aufibrderte.  Als  die  Entführung  gelungeu,  rührte  ihre 
standhafte  Liebe  den  Zarang  in  dem  Grade,  dasz  er  sie 
zur  Gemahlin  annahm  und  schleunigst  den  Kriegsschau- 
platz verliesz.   Abei'  schon  hatte  Baiacin  durch  den  ge- 


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-    175  — 

laugeueu  und  ausgewechhelteii  Scandor  ert'aliren,  was  »ei- 
ner geliebten  Banise  beTontehe,  auch  war  er  dureh  emen 
Brief  von  Abaxar  anfgeüordert  worden,  sich  selbst  in  Ter- 

stell t^i-  Gestalt  nach  Pegu  zu  begeben  und  an  Banisens 
Betreiung  wie  au  Ghaomigrems  Sturze  mitzuwirken.  Die 
Schachteln  thaten  ihre  Dienste,  BaJadn  gelangte  mit  Scan- 
dor  in  die  Stadt  und  wurde  durch  Abaxars  Yenntttelnng 
von  dem  Rolim  als  Priester  angestellt.  Da  er  somit  der 
jüngste  dieses  Ordens  war,  fiel  ihm  die  Vollziehung  des 
Opfers  zu.  Nun  konunt  das  Schlusatableau,  welches  an 
Spannung  und  Ueberraschung  die  reichlichen  und  über- 
aus kräftigen  Kuallefi'ecte  des  ganzen  üomani>  zu  über- 
bieten bestimmt  ist 

Der  zum  Opfer  ausmehene  Tag  brach  an,  und  die 
weitläufigen  Ceremonien  nahmen  mit  ungeheurem  Pomp  ihren 
Fortgang.  Endlich  steht  Banise  vor  dem  Bilde  des  Kriegs- 
gottes GercoTita  auf  dem  Optersteine,  eine  Musik  ertönt, 
und  eine  yon  ihr  selbst  gedichtete  und  coraponirte  Arie 
wird  gesungen,  worauf  sie  noch  eine  langa  und  wohlge- 
setzte Kede  vom  Tode  hält.  Nachdem  sie  diese  geschlos- 
sen, erwarten  alle  Umstehenden,  dasz  der  in  ihrer  l<]ähe 
stehende  Baladn  sie  mit  dem  Stricke,  den  er  in  der  Hand 
hielt,  erdrosseln  werde,  den  Zögernden  treibt  Chaumigrem 
zur  Eile  an.  „Du  wirst  des  Mordens  besser  gewohnt 
sein,**  antwortete  der  ergrimmte  Prinz,  „gransamer  Blut- 
hund: derowegen  so  komme  nur  selbst  her  und  yerrichte 
dieses  henkermäszige  Oi)fer."  Hierauf  stellte  Balacin  seine 
wahre  Gestalt  wieder  her,  die  Pfatten  schrien  Yerrath, 
Balacin  warf  dem  Tyrannen  den  Strick  um  den  Hals  und 
versetzte  ihm  einen  tödtlichen  Stosz  mit  dem  Opfersteine. 
Sofort  gl  itt  nun  auch  Balacins  Partei,  an  der  Spitze  der 
treue  Abaxar,  die  Bramaner  an,  und  während  sie  in  der 


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1 


—    176  — 

Stadt  noch  kämpften,  wurden  von  den  Verbündeten,  die 
jetzt  glücklich  alle  versammelt  waren,  die  Maaem  er- 
stürmt. Nachdem  Sieg  und  Friede  gesichert  waiw,  ent- 
puppte sich  Abaxar  noch  als  der  bisher  verlorene  Prinz 
Palekin  von  Prom  und  hielt  um  die  Hand  FylaiiidDs 
an.  Sie  ward  ihm  gewfihrt,  und  anszerdem  vermählten 
sich  Balacin  mit  Banise,  Nherandi  mit  Hig^^anama.  Balacin 
ward  zum  Kaiser  von  Pegu  gekrönt,  und  Palekin-Ahaxar 
erhielt  von  Higvanama  zu  seinem  Beiche  Prom  noch  das 
Beich  Ava.  Der  alte  Talemon  übeigab  dem  Heldenpaare 
ein  unterirdisches  Gewölbe  mit  märchenhaften  Schätzen. 
Am  Tage  nach  der  Hochzeit  führten,  da  Herr  von  Zieg- 
ler grade  eine  Uehersetznng  des  italienischen  Dramas 
„die  listige  Rache  oder  der  tapfere  Heraclius'*  bereit  hatte, 
zur  groszen  Belustigung  der  Herrschaften  die  im  Lande 
weilenden  Portagiesen  jenes  enropäische  Schaaspiel,  der- 
gleichen in  Asien  natürlich  völlig  unbekannt  war  nnd 
welches  daher  dem  Romane  vollständig  beigegeben  wird, 
anf,  wonach  die  glücklichen  Herrscherpaare  sich  in  ihre 
Beiche  verülgten. 

Woher  Ziegler  den  Stoff  zu  seiner  Banise  genommeu, 
giebt  er  selbst  in  der  Vorrede  an.  „Den  innhalt  der  we- 
nigen hUtter  belangende,  so  sind  es  mehrentheils  warhalT- 
.  tige  begebenheiten,  welche  sich  zu  Ende  des  fnnfzehen- 
hunderten  Seculi*)  bei  der  grausamen  Veränderung  des 
Königreichs  Pego,  nnd  dessen  angrentzenden  Beichen  zu- 
getragen }\aben:  Wobey  zugleich  ein  wohlgesinnter  Leser 
die  wundersamen  gewohnheiten  und  gebrauche  der  Bar- 
barischen Asiater,  bey  heirathen,  begrabnissen  und  kro- 
nnngen,  welche  ich,  nebst  der  historischen  Wahrheit,  mit 


*)  Gemetait  ist  das  XVI.  Jahrhmidert.  vgl  Cholevins  S.  152. 


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ileisz  ans  denen  getehrten  schrifflien  des  nie  geniing  geprie- 
senen Francisici,  Saarens,  Sclmltzens  uiul  Balby  Rei.se-Be- 
schreibungen,  Eogeri  J^ey(leutlllml,  Kossens  lleligionen, 
und  andern  enriensen .  schritten  coUigiret,  verhoffentlich 
nicht  ßonder  aamuth  bemercken  wird."  Der  „nie  genuiig 
gepriesene''  Erasmus  Eraucisci  ist  in  der  Tiiat  seine  Haupt- 
quelle,  nnd  unter  den  vielen  unglaublich  breiten  und  sich 
oft  in  ganzen  langen  Abschnitten  wiederholenden  Schriften 
cliese^i  \'ielscliieibers  und  Curiusitätenkrämers  ersten  Kan- 
geö  vsi  es  wieder  sein  „Ost-  und  West-Indischer  anqh 
Sinesischer  Lnst-  und  Staats-Garten"  (Nfimberg  1688  foL), 
aus  dem  Ziegelei-  das  .Meiste  geholt  hat.  An  zweiter 
Stellf  müszte  t-igentlich  „Balby'  genannt  sein  (Viaggio 
deir  Indie  orientali  di  Gasparo  Balbi  öioielliero  Vene- 
tiano.  Venetia  MDXC),  welcher  in  Bezug  auf  die  er- 
zählten Begebenheiten  mehiiach  wiedej-  Franeiscis  Quelle 
gewesen  ist.  Die  anderen  (Johann  Jacob  Saars  Ost-Jn- 
dianische  Fnnfzehen-Jahrige  Eriegs-Dienst  u.  s.  w.  Nürn- 
berg 1662.  q.  4".  —  Ost-Indische  Keyse:  iv.  s.  w.  Alles 
beschrieben  durch  M*^'"  Waltei*  Schultzen,  von  Hai-lem. 
Nebenst  noch  dem  gefährlichen  Schiffbruch  des  Jagt^schifis, 
ter  Schelling  genant;  Von  Frantz  Jans/,  von  der  litiyde, 
aulgezeichnet  etc.  Aus  dem  Xifderlandischen  ins  Hoch- 
teutsche  ubergesetzet  durch  J.  D.  Amsterdam  1676.  fol. 
—  Der  gantzen  Welt  Religionen  etc.  In  Englischer 
Sprache  beschrieben  von  dem  Hochgelehrten  Herrn  Alexan- 
dro  Eossaeo.  Und  in  die  Hochdeutsche  Sprache  überge- 
setzt von  Alberto  Reimaro,  Lubec.  Der  zweyte  Druck. 
Amsterdam  1668.  8"  u.  (»t'ter.  —  Abraham  Hogers  Offne 
Thür  zu  dem  verborgenen  Heydenthum:  u.  s.  w.  Aus 
dem  Niederlandischen  übersetzt.  Samt  Christoph  Arnolds 
Auserlesenen  Zugaben  etc.    Nürnberg  1663.  8"  -)  dienten 

12 


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178  — 


hauptsächlich  hei  der  Schilderung  der  Sitten  und  Gebräuche, 
der  „Gelegenheit  des  Landes"  und  dergleichen  der  Zeit 
sehr  wiUkonuneneii  Avsschm&ckiuigeiL  Was  den  histori- 
schen Stoff  selber  anlangt,  so  trugen  sich  die  politischen 

Umwälzungen  in  den  hinterindischen  Ländern,  welclie  zu 
Grunde  gelegt  sind,  im  letzten  Drittheil  des  XYI.  Jahr- 
hunderts zn.  Die  Qualit&t  des  Francisci  als  historischer 
Quelle  ist  (dar  uns  ohne  jeden  Belang,  von  Interesse  aber, 
wie  sich  Ziegler  zu  seinem  Stoffe  stellt.  Um  das  Be- 
zeiciinendste  hervoi-zuheben,  so  weisz  Ziegler  seinen  Stoff 
zonAchst  nicht  ohne  Geschick  nnd  anf  eine  ein&che  Weise 
abznnmden.  Francisci  nftmlich  und  Balbi  erzfthlen,  dasz 
die  Erhebung  des  Reiclies  Brama  über  seine  Nachbarstaa- 
ten vor  sich  ging,  indem  erst  der  König  von  Brama  und 
dann  nach  dessen  Ennordnng  sein  Milchbmder  Chaumigrem 
glückliche  Eroberungskriege,  namentlich  gegen  Pegu,  führ- 
ten und  hierbei  entsetzliche  Grausamkeiten  verübten. 
Ziegler  aber  verschmilzt  diese  zwei  scheuszlichen  Tyrannen 
in  einen,  indem  er  alles  von  Chaumigrem  thun  und  die- 
sen am  Ende  des  Romans  von  der  Nemesis  ereilt  werden 
läszt,  welche  seinen  Vorgänger,  vor  dem  der  Usurpator 
auch  als  solcher  vieles  für  die  Bolle  des  Elzbösewichts 
voraus  hatte,  in  der  Mitte  traf  und  nur  auf  kurze  Zeit 
der  gerechten  Sache  der  riitenlrüekten  Hoffnung  verlieli. 
Dieses  Verfahren  war  um  so  mehr  zu  billigen,  als  daduixli 
der  Schlnsz  auch  zu  einem  Feste  der  poetischen  Grerech- 
tigkeit  wurde,  diese  aber  in  der  Geschichte  leer  ausging, 
Wo  die  srhleclite  Sache  wenigstens  in  Chaumigrems  Per- 
son triumphii'te.  Was  Ziegier  thut,  um  seinen  Stott'  er- 
giebig zu  machen,  ist  allerdings  ganz  in  dem  Greschmacke 
der  französischen  und  deutschen  Romanschreiber  seiner 
Zeit.   In  der  Erzählung  bei  i^'rauciäci  läszt  Chaumigrem 


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—   179  — 

die  Tochter  des  besiegten  Xemindo  auf  dem  Rücken  ihres 
in  Ohnmacht  gesunkenen  Vaters  erwürgen,  Ziegler  aber 
irdsz  die  Frinaeessin  und  mit  ihr  seine  Eraählong  der  Ge- 
£dir  m  entdehen.  Wir  sehen»  seine  Phantasie  bewegt 
sich  selbständig  und  nicht  ohne  (ilestaltuiigskiaft,  und  dies 
zeigt  sie  auch  im  Ausschmücken  der  Begebenheiten  und 
im  Hinzudichten  von  Personen  und  Ereignissen  wie  in 
der,  allerdings  erassen,  Individualisimng  der  Charaktere. 
Die  beiden  Haupthelden,  Banise  und  Balacin,  sind  eigent- 
lich ganz  seine  Geschöpfe,  denn  die  Prinzessin  tritt  in 
Eranciscis  Gesehichte  eben  nor  auf,  um  ihren  Vater  mit 
einem  Tranke  Wasser  zu  erfrischen  und  ermordet  zu  wer- 
den, Balacin  fehlt  ganz,  auch  die  andern  Liebespaare  sind 
binzugedichtet  Wir  können  es  also  Ziegler  verzeihen, 
dasz  er  gelegentlich  in  Beden  und  Beschreibungen,  z.  B. 
bei  der  gransamen  Hinrichtung  der  einhundertundvierzig 
Frauen,  seinem  Gewähi*smanne  ziemlich  genau  folgt.  Denn 
dergleichen  abzuändern  lag  kein  Grund  vor,  da  auch  JbYan- 
dsci  solche  Grenelscenen  nach  dem  Zeitgeschmacke  muster- 
haft darstellt.  Im  Ganzen  musz  Ziegler  also,  die  Stimmung 

« 

und  den  Geschmack  seiner  Zeit  vorausgesetzt,  das  Zeug- 
nisz  erhalten,  dasz  er  sich  seinem  Stoffe  gegenüber  durch- 
aus lobenswerth  gezeigt  habe. 

Doch  Menden  wir  uns  nun  zu  dem  vornehmsten  und 

groszartigsten  aller  Werke  uuserei*  Gattung*)  aus  dem 

*)  Die  erste  Ausgabe  des  Arminiiis  erschien  ThL  I  (Buch  1—9) 
1689,  m  II  1690  xa  Leipzig  bei  Johann  Friedrich  Gleditscb  4^ 
Überaus  splendid  ausgestattet  und  mit  Kupfern  von  Sandrart  gesiert 
<das  Portrait  Lohensteins  ist  iron  J.  Tseheming).  Lohenstein  hat  das 
Werk  nicht  beendigt.  Sein  Bruder,  welcher  29.  Mai  1692  starb,  «ring 
zwar  daran,  es  su  Ende  zu  itthren  und  lieferte  auch  ein  Ehreugedicht, 
worin  er  sagt  : 

„Belli  II  nid  er  gönne  nur,  den  Rahm  dabei  zu  liaben: 
Dasz  £r  ein  Ende  bat  dem  deinen  nachgesetzt" 

12* 


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—  180 


XVn.  Jahrhundert,,  zn  dessen  Verfiuuer  auch  JZieg^r  be- 
scheiden als  dem  Grusziieii,  der  nach  ihm  kommen  soUte, 
aufgeblickt,  indem  ei*  ui  der  Vorrede  der  Baoifie  isagt: 

was  er  auch  sapen  konnte,  da  er  mit  seiner  Arbeit  bereits  ein  StftA 
vorwärts  gtjkommen  war.  (Vgl.  M.  Christoph  Pfeiffer.  J.  C.  von  Lo- 
hensteins Edler  Tersonen  Eiöäni  te  Urüffte.  Breszlau  1718.  8*^.  S.  100 
ff.)  Kränklichkeit  und  Kummer  hiud«'rtt;n  iliu  jedoch,  bei  der  Arbeit 
zu  bleiben  (was  Pfeiffer  aus  autheuti.'^chen  Quellen  beleoft,  obwohl  er 
den  Passus  in  Benjamin  Neukircbs  (rediclit  vor  dem  zweiten  Theile, 
der  Daniel  Caspars  Krankheit  meint,  falsch  auf  Haus  Caspar  bezieht), 
und  infolge  dessen  wurde  die  Vollendung  dem  Dr.  theol.  Christian 
"Waijfuer  in  Leipzi^:  üh<^rtrap^en.  Die  ersten  siebzehn  Bücher,  als«»  bis 
Buch  8  des  zweiten  Theils,  sind  (vgl.  Allgenieine  Anmerkungen  hinter 
dem  zweiten  Bande  I.  Aufl.  S.  22)  durchaus  von  D.  C.  v.  T..,  die  da- 
rauf folgende  Angabe,  dasz  das  letzte  Buch  von  einer  anderen  Hand 
hinzugethan  sei,  ist  ohne  Zweifel  ungenau,  mag  aber  daraus  entstan- 
den sein,  dasz  Wagner  die  Arbeit  des  jüngeren  L.  noch  einmal  über- 
arlieiiete.  Der  Sohn  Daniel  Caspars  gleichen  Namens,  Branden- 
hmgischer  Amtshauptmann  der  Commenda  Dago  in  der  3Iark,  widmet«? 
das  Werk  s»'ines  Vaters  dem  KuriÜrsten  Friedrich  III.  und  scheint 
in  der  humbastischeu  Zuschrift  sagen  zu  wollen,  dasz  sein  Vater 
den  Anninius  dem  groszen  Kurfürsten  habe  widmen  wollen,  wa<  zo 
bezweifeln  stellt,  obgleich  auch  auf  die  Versicherung  der  V»»rrede 
„Es  ist  zwar  unser  Urheber  bey  seinen  Lebzeiten  niemals  gesonnen  ge- 
w<'seu,  diese  Geschichte  durch  deiiDi  uck  ans  Tagelicht  zu  stellen,  und  .-i'  h 
damit  den  ungleichen  Crtheilen  der  Welt  zu  unterwerffen"  ni<  manJ 
etwas  geben  wird,  der  die  allgemeine  Sitte  der  S(  lirifu-steller  kennt,  sich 
in  den  Vorreden  nur  durch  inständiges  J^itten  einiger  guten  Freunde 
zur  VerötTentlichung  von  L^nterhaltungsschriften,  die  sie  ja  doch  nur 
in  Nebenstimden  zur  Erholung  u.  s.  w.  angefertigt,  bewegf-n  /.n  lassi  u. 

Die  zweite  Ausgabe  erschien  in  demsidben  Verlage  wie  die  erste 
Leipzig  1731  in  vier  Bänden  4°  (auch  die  erst«  findet  sich  häufig  in 
vier  Bände  gebunden).  vSie  entstand  infolge  eines  in  der  Schwei« 
von  einigen  Vertdirern  Lohensteins  erlas.>enen  Aufrufes  zur  Subs^rip- 
ti(m  auf  zwei  neue  Ausgaben,  welche  V(»u  Kmanuel  Hortins  Druckerei 
in  Bern  sollten  veranstaltet  werden,  eine  in  4°  die  andere  in  8**.  Mit 
diesen  traf  die  (.Tleditschscbe  Verlagshandlung  in  Leipzig  ein  Ab- 
kommen, die  Subscription  kam  nicht  zur  Ausführung,  und  D.  (it  orge 
Christian  Gebauer,  des  Chur  und  Fürstlich-Sächsischen  <)her-Hof-(Te- 
richts  Beysitzer,  und  der  Lehu-Kechte  Professor  an  der  Univeräität 


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181  — 


Sollte  aber  dm.  geduten  Leser  die  Tdlkomnenheit  IXmt- 
scher  spräche  zit  sehen  belieben,  so  wird  ellestelU^  der  un- 
vergleichliche Ai'iiHTiius  nebst  seiner  durchlauchtigsten 
Tkusuelda,  des  weitberöhmten  and  TortrefUfiken  Daniel 
Caspar  von  Lohensteins,  sein  Terlangm  BatMm  stielen. 

Der  Arminins  ist  mit  Recht  eine  Art'  allgem^er 
Eealencyclopädie  gciiaiiiit  uurdeii,  denn  sein  Inhalt  dürfte 
in  der  That  nicht  um  vieles  weniger  baut  sein  als  der 
eines  Conyersations-Lexioons.  Der  folgende  üeberbHck 
kann  nur  den  Zweck  haben,  die  Architektonik  des  nnge* 
heuren  Werkes  deutlich  zu  inachen  und  einigermaszeu  an- 
zudenten,  wie  Verschiedenea  hier  in  die  Form  dnes  Bo- 
mans  zusammengedrängt  worden  ist.  Was  Lohenstein  thnt, 
um  de  rehis  omnibtis  et  nonmdlis  aliis  zu  reden,  ist  sehr 
einfach  und  besteht  darin,  dasz  er  nicht  blos  die  Hand- 
lungen und  Beden  der  yoi^^ommenden  Personen,  weldie 
zur  Entwickeinng  des  epiSM^hen  Inhalte  der  Darstellung  in 

Lfcipzitjr,  übernahm,  wie  er  sag-t,  aus  landsmaiinr^cliaftliclier  Pietät  ge- 
gen den  groHzen  Sdilesier,  die  Besorguni^  der  neuen  Ausgabe.  Er 
unterzog  sich  lUeser  Arbeit  mit  Eifer,  Fleisz  uud  vSorglalt,  hat  «eine 
unzehlige  Ätenge  Druck-  oder  Sc.hreibefehler  lierauageworfen,  alle 
verdächtige  Stellen,  sonderlich  aber  die  eigenen  Nahmen  der  Personen 
und  Orte  in  ihrem  Ursprünge  aufgeHUchet,  viele  verderbte  Worte  ala 
augenscheinliche  IiTthümer  zu  rechte  gebracht,  nele  auch,  die  ich 
vor  Varianten  angesehen,  mit  Willen  nicht  verändert,  um  dem  Henn 
von  Lohenstein  seine  Lcsz-Art  zu  lassen,  viele  Verstümmelungen  er- 
gäntzet,  viele  verrückte  Stücken  an  ihren  rechten  Ort  gebracht,  viele 
augenacheinlich  verderbte  Stellen  iiacJi  den  Regeln  der  Wahrschein- 
lichkeit gebessert,  überhaupt  aber,  nach  der  einem  jeden  gelehrten 
Scribenten  schcüdlgen  Hochachtang  und  nach  der  Vorschrift  einer  ge- 
■iinden  Critic  in  den  letzten  Fällen  lieber  zn  viel  als  zu  wenig  ge- 
Iteil  IL  n,  w.^  Die  «abeondeHiehen  Anmerkungen'  der  alten  Aufgabe 
hu  Oefcfcit  Yen  den  Bade  des  Werket  unter  den  Text  geeetst  ud 
eine  neue  sehr  untagveiehe  Yoftede,  wekhe  warn  Leben  Lobensteine 
und  der  Auihahme  leines  AmünlufTlel  Erwttnflclitei  beibringt,  binsuge- 
ittgt  Alle  Beigaben  der  uhen  Aoigulie  tind  nutttrikh  'wiederholt 


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182  — 


organischem  Znsamm^hange  stehen,  erzählt,  sondern  anch 
ilure  geLegentlichen,  zur  Yertrabang  der  Zeit  gehaltenen 
Gesprftdie  Torbringt  Von  diesem  Mitlei  hat»  wie  wir 
sehr  bald  sehen  werden,  Lohenstein  den  umfassendsten 
Gebrauch  gemacht,  so  nämlich,  dasz  er  ganze  Bücher  lang 
die  Handlung  gar  nicht  weiter  f&hrt|  sondern  blosse  Dia- 
loge bietet 

Das  erste  Buch  des  ersten  Theiles  beginnt  mit  einer 
kurzge£aszten  Darlegung  des  Zustandes  des  Komischen 
Beiches  unter  Augustus.  Dann  führt  uns  der  Yerfiasser 
in  eine  Yersammlung  der  deutschen  Fürsten  im  Deutsdi- 
burger  Haine.  Das  Leichenbegängnisz  der  Sicanibrerfürstin 
WalpurgiSy  welche  sich,  um  der  Lüsternheit  des  Yams 
zu  entgehen»  in  die  Sieg  gestfirzt  hatte,  giebt  dem  Gfae^ 
rusker  Hermann  die  Gelegenheit,  die  andern  Fflrsten  zur 
Bef^iung  des  Yaterlandes  aufzufordern.  Obgleich  Se- 
gesthes  gegen  die  £rgreifang  der  Waffen  spricht,  wird 
Hermann  zu  dem  beschlossenen  Kriege  zum  Feldherm 
gewfthli  Ein  unbekannter  deutscher  Ritter  hftlt,  um  den 
Ausgang  des  Feldzuges  zu  erforschen,  einen  Zweikampf 
mit  einem  von  den  Gatten  gefangenen  Börner.  Letzterer 
wird  besiegt,  man  erkennt  ihn  als  die  arm^iische  Kö- 
nigin  Erato.  Nun  folgt  die  sehr  ausführliche  Beschrei- 
bung der  Deutschburger  Schlacht.  Eine  interessante  Epi- 
sode bildet  der  Kampf  eben  jenes  schon  erwähnten  un- 
bekannten Bitters  mit  dem  zu  den  ROmem  abge&Uenen 
Segesthes.  welcher  sich  nicht  schämte,  verkleidet  gegen 
seine  Landsleule  zu  fechten.  Er  wird  besiegt,  gefangen 
und  erkannt)  ebenso  aber  der  Bitter  als  seine  eigene  Toch- 
tesr  Tfausznelda,  die  ihrer  Standesgenossin,  der  BuohAiolta- 
schen  Valiska,  in  handgrreiflichstera  Heroismus  durchaus 
nichts  nachgiebL   Sie  bittet  jetzt  Segesthen  um  deu  Tod, 


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—   183  — 


aber  Hermaim  Ital  iliii  abftllir»i)  worauf  Thnssnelda  in 

Ohnmacht  fällt.  Wie  die  iTlucht  der  Eömer  allgemein 
wirdy  tödtet  Sick  der  yon  HenDann  yerwundete  YaniB  selbst 
Am  zweiten  Tage  ward  die  Niederlage  der  Römer  voll- 

endety  in  deren  Lager  Malovend,  der  Marsenherzog,  und 
Arbogast  in  Gefangenschaft  geraihen.  Nach  dem  trinm- 
phirenden  Einzöge  Hennanns  in  Dentsdibnrg,  der  Be- 
st&ttung  der  Gefallenen  und  der  Opferung  der  Gefangenen 
wird  fiber  den  verrätherischen  Segesthes  Gericht  gehalten. 
Er  erkennt  seine  Schuld  und  will  sterben,  aber  Thusznelda 
erMetet  sich,  nach  den  Landesgebrinchen  für  ihn  den  Tod 
zu  leiden.  Da  Hennann  dies  zu  verhindern  bemüht  ist, 
kommt  das  laebesrerh&ltnisz  der  beiden  Haupthelden  zur 
Sprache,  und  es  wird  f&r  Recht  erkannt,  dasz  Segesthes 
in  ihre  Verehelichung  zu  willigen  habe. 

Yon  dem  zweiten  Buche  sagt  Cholevius  mit  Recht: 
„Man  hört  nicht  die  Bewohner  der  Urwälder,  nicht  ein- 
mal Helden  reden,  sondern  man  glaubt  in  einer  Gesell- 
schaft pedantischer  Magister  zu  sein,  wobei  die  Einschal- 
tung der  Abhandlungen  auf  die  leichtfertigste  Weise  mo- 
tivirt  isf  Denn  Abhandinngen  sind  es  in  der  That,  was 
uns  hier  geboten  wird.  Marcomir  nämlich  kommt  mit 
dem  in  anständiger  Geiangenschalt  gehaltenen  Malovend 
zusammen,  ihnen  gesellen  sich  noch  andre  bei,  und  da  sie 
zum  Schachspiele  greifen,  beginnt  sogleich  ein  gelehrter 
Dialog  über  das  Thema,  ob  das.  Spiel  für  Fürsten  sich  ge- 
zieme, ausstaffirt  mit  einer  Menge  historischer  Notizen 
und  Anekdoten,  die  allerdings  völlig  kritiklos  hingenom- 
men werden.  Den  nächsten  Tag  findet  eine  Jagd  statt, 
auf  welcher  .ein  von  Julius  Cäsar  einstmals  vor  69  Jah- 
ren  mit  einem  Halsbande  versehener  Hirsch  erlegt  wird. 
Hiei'an  knüpfen  sich  Gespräche  über  das  Alter  und  sonstige 


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—   184  — 

wirkliche  imd  fabelhafte  Bfgenthttmlichkeiteii  der  Hirsche, 

über  gefalsclite  Altert hümer,  mediciniscii-zoologische  Ex- 
curse  über  Gemüthseigeuthüinlichkeiteii  der  Thiere.  Eben 
solche  gelehrte  Fol^n  hat  eine  Schweins-  nnd  Bärei^agd, 
namentlich  wird  anf  die  Hunde  einpre^anj^en,  bei  ähnlichen 
Anlässen  wird  über  Ringe,  Gewässer.  Einlachheit  nnd 
Luxus  der  Lebensweise  verschiedener  Völker  bunt  durch- 
einander geredet,  das  zusammenhftngendste  Ktinststflck 
fein  anpjebracliter  Gelehrsamkeit  kommt  zum  Vorschein, 
als  die  fürstliche  Gesellschaft  in  einem  Jagdhause 
zwölf  diti  Vorfahren  Hermanns'  darstellende  Gemälde 
findet. 

Ihre  von  Malovend  erzälilte  Geschichte,  die  noch 
mit  Episoden  ansgeschmflckt  ist,  ist  die  verkleidete 
Geschichte  der  Habshnrgischen  Kaiser.  Hermion  be- 
deutet Rudolph  I.,  ^lais  Albrecht  L,  Vandal  Albrecht 
II.,  Ulsing  Friedrich  in.,  Alemann  Maximilian  I.  und  so 
weiter.  Dfgressionen  auf  andere  Gebiete  fehlen  nicht,  und 
diese!'  wohlfeil  herbeigeschaffte  Stoff  musz  dem  Verfasser 
gar  zu  reichlich  geschienen  haben,  weshalb  er  den  Erzäh- 
ler abbrechen  läszt,  um  dann  im  siebenten  Buche  den 
Schlusz,  nämlich  die  Geschichte  Aembrichs  und  Sefrimers 
d.  h.  Ferdinands  des  11.  und  III.  in  derselben  Weise  nach- 
zuholen. Zu  bemerken  ist  noch,  dasz  Hermann  selber 
Niemand  anders  als  Leopold  I.  vorstellen  soll.  Schliesz- 
lich  wird  auf  Grund  neuer  Siegesnachiichten  ein  Eest  be- 
gangen. 

Der  Leser  würde  sich  sehr  t&uschen,  werin  er  nun  von 

dem  dritten  Buche  eine  erhebliche  Forttiihrung  der  eigent- 
lichen Erzählung  erwartete.  Aber  hier  erhält  er  wenigstens 
€dnen  Boman  im  Romane  und  nicht  blos  gelehrte  Abhand- 
lungen, und  auch  in  den  gelegentlichen  Excursen  ist  Masz 


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—    186  — 


gehaltetf.  Kachdem  nftmlich  einigfe  Madznahmen  der  dent^ 
sehen  Fürsten  in  Bemg  auf  die  #c!teite  Fortflihnmg  des 

Krieges  berichtet  worden,  kommt  die  Lebeiisgesrhiclite 
der  iu  Gelaiigeuscliaft  befindlichen  und  mit  Thusznelda 
und  Ismene,  Hermamis  Schwester,  freiinddchaftlich  Terk^V 
rendeti  Königin  Erato  an  die  fteibe,  welche  diese  von  ihrer 
Üeföhrtin  Salonine  zum  Besten  geben  läszt.  Die  voraus- 
geschickte historische  Einleitung  aber  umüaszt  die  Ge- 
schichte Armeniens  von  den  Zeiten  des  Argonautenzuges  an 
und  hält  sich  ziemlich  lanj^ebei  den  mithridatischen  Krieiren 
und  dem  Feldzuge  des  Crassus  auf.  Die  Geschichte  derEiuto, 
soweit  sie  in  dem  dritten  Buche  geführt  wird,  ist  aber*  nur 
ein  Theil  der  sich  durch  den  ganzen  Homan  hinziehenden 
Liebesjjescilichte  des  Zeno  und  der  Erato.  lieide  Per- 
sönlichkeiten sind  von  Lohenstein  mit  Vorliebe  behandelt 
und  deshalb  mit  einer  Menge  von  staunenswerthen  Aben- 
tenem  bedacht  worden.  Was  von  dieser  Geschichte  in 
dem  dritten  RucIk»  vorkommt,  ist  in  Kitrze  Folgendes: 

Erato  und  ihi*  Bruder  Artaxias  waren  die  Zwilliugs- 
kinder  des  Königs  Artaiias  Ton  Armenien  und  seiner 
Gemahlin  Olympia.  Da  der  Bruder  bei  einem  Schiffbruche 
abhanden  kam.  liesz  der  Vater  die  Schwester  für  ihn  aus- 
geben und  ahi  Knaben  erziehen.  Er  wurde  von  seinem 
Bruder  Artabazes  ermordet,  und  nachdem  auch  dieser  ge- 
tödtet  worden,  nahm  Ti^ranes,  der  dritte  Bruder,  Arme- 
nien ein.  Erato  hielt  «ich  bei  dem  König  Polemon  von 
Pontus  zu  Sinope  auf  und  galt  so  lange  der  Absicht  ihres 
Taters  gemäsz  für  den  jftngeren  Artaxias,  bis  die  Römer 
sie  durch  die  an  Polemon  er<j:anpfene  Forderung,  den  ar- 
menischen Königssohn  auszuliefern^  zur  Entdeckung  ihres 
Geschlechtes  zwangen.  Diese  hatte  eine  zweite  ähnliche 
Entdeckung  aber  in  umgekdnter  Bichtung  tftr  Folge. 


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—    186  — 


An»inoe  nämlich,  die  Tochter  des  pontischen  Königspaares, 
die  sich  heftig  in  den  vermeintliGliea  ArtaxiM  Terliebt 
hatte,  entpuppt  sieh  jetit  als  Jüngling,  Namens  Zeno. 
Da  also  der  Fortsetzung  des  Verhältnisses  durch  diese 
Entwickelung  nichts  im  Wege  stand,  wurden  Zeno  und 
Erato  miteinander  verlobt,  doch  mnszte  der  Prinz  weiter 
die  Prinzessin  spielen,  da  er  znfolge  eines  Orakels  gegen 
seinen  Vater  wie  Oedipus  zu  handeln  bestimmt  war  und 
deshalb  von  der  Mutter  zuerst  verborgen,  dann  an  die 
Stelle  seiner  verstorbene  Schwester  Arsinoe  war  unter- 
geschoben worden.  Jetzt  warb  aber  Ariobarzanes,  der  K9- 
nig  von  Medien  und  Armenien,  um  die  Hand  der  vermeint- 
lichen Arsinoe.  Die  von  den  Liebenden  beschlossene  Flucht 
gelang  nur  der  Erato,  führte  aber  hinsichtlich  des  Zern 
dazu,  dasz  sein  Vater  sein  Geschlecht  entdeckte  und  ihn 
verbannte.  Ariobarzanes  tiberzieht  Polemon  mit  Krieg, 
Erato  giebt  sich  in  Armenien  für  den  Artaxias,  auf  dessen 
Bolle  sie  ja  gut  eingettbt  wsr,  ans,  und  hilft  ihrem  zu^ 
künftigen  Schwiegervater.  Dieser  wird  von  Ariobarzanes, 
der  zwar  gefangen  ward,  tödtlich  verwundet.  Nun  kommt 
aber  zu  Tage,  dasz  nicht  Jener  Zeno,  sondern  Ariobarzanes 
Polemons  Sohn,  das  Orakel  also  erfüllt  ist,  Zeno  dagegen 
auszer  dem  traurigen  Lose  der  Verbannunf;  noch  die  Un- 
wissenheit über  seine  Abkunft  zu  tragen  hat.  Ariobarzaues 
nimmt  Pontus,  Erate  als  Königin  Armenien  in  Besitz. 
Doch  musz  sie  bald  wieder  ihrem  Beiche  den  Bttcken 
wenden,  denn  sie  zieht  sich  (huch  Versuche,  den  unsittli- 
chen Gottesdienst  der  Venus  Anaiitis  abzustellen,  den 
Hasz  der  Priester  zu  und  soll  zu  einer  ihr  verhaszten 
Ehe  gezwungen  werden.  Sie  ging  nach  Born,  folgte  dem 
Drusus  nach  Deutschland  und  wurde  hier  gefangen.  Kaum 
hat  Salonine  ihre  Erzählung  beschlossen,  so  erscheint 


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—    187  — 


Zeno  und  feiert  mit  seiaer  Geliebten  dM  Irendigete  Wie- 
denehen. 

Das  vierte  Bach  zerfällt  in  drei  Theile,  erstens  die 
Qeechichte  der  Fddztige  des  Brösas  nebst  Schilderung  des 
sülenlosen  nnd  rSokeToUen  rOmisehen  Hoflebens,  nament- 
lich der  Julia,  zweitens  die  Geschichte  der  abenteaerli- 
chen  Entführung  und  Befreiung  der  beiden  Fürstinnen 
Brato  und  Tbnsineida,  drittens  die  Geschichte  des  Fla- 
TioSy  des  Bmders  des  Haapthdden. 

Der  erste  dieser  drei  Abschnitte  knüpft  daran  an, 
dass  in  dem  Heiligthnm  der  Tanfiina,  welches  von  den 
fürstlichen  Personen  besndit  idrd,  sich  eine  BOdsftnle  des 
Dmsus  befindet,  denn  die  Deutschen  ehren  auch  tapfere  Feinde. 
Adgaiidester,  Bhemetalces  nnd  Malovend  besprechen  sich 
non,  wAhrend  die  andnnFOrsten  sich  sn  einer  Berathong 
zurückziehen  über  die  Thaten  jenes,  und  führen  die  Er- 
zählung seines  Lebens  bis  zu  seinem  Tode  in  Mainz,  je- 
doch mit  manich£achen  Aosschmttcknngen  und  Abschwei- 
fiingen.  Von  den  ersteren  ist  ein  Stück  der  Geschichte 
der  Niederlande  bis  zu  dem  Tode  der  Brüder  de  Witt 
(1672)  in  maskirter  Gestalt»  wobei  Britannien  Spanien, 
Brösas  Lndwig  XIV.  bedentet,  femer  dieEntltthning  der 
Asblaste,  der  Mutter  Hermanns,  und  die  Intriken  der 
Julia  hervorzuheben,  welche  der  in  Mui^aena  verliebten 
Antonia  die  Veranstaltung  einer  Zusammenkunft  ndt  die- 
sem verspricht,  es  aber  so  einzurichten  weisz,  dasz  Anto- 
nia mit  Drusus,  sie  mit  Muraena  ein  Stelldichein  hat. 
Bann  legt  sich  Livia  ins  Mittel,  und  bringt  die  Ehezwi» 
sehen  Drusus  und  Antonia  und  Tiberius  und  Julia  zu 
Stande.  Julia  weisz  aber  nicht  um^  ein  Liebesverhältnisz 
mit  Muraena  zu  Wege  zu  bringen,  sondern  beglückte 


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—    188  — 


«ttch,  zum  Thei!  Ans  Bosheit  iegeä  Antohiaj  den  Brnsns 
mit  ihrer  Znneifniiig. 

Während  Thusznelda  nnd  Erato,  sich  schon  auf  die 
ihnen  versprochene  Erzählung  der  Schicksale  Zenos 
freuend,  in  einem  Lustgarten  spadreA,  werden  sie  ptötzlidi 
ttberfkllen  und,  nachdem  Zeno  Terwnndet  worden,  auf  und 

davon  «reflihrt.  Die  Füi*sten.  Heiiiuiiiii  an  der  Spitze, 
setzen  nach,  und  da  Segestlies  und  Marobod,  welche  die 
Oewaltthat  begangen,  mit  Mannschaft  genügend  versehen 
sind,  kommt  es  m  einem  hitzigen  Kampfe.  Hermann  nnd 
Tlinsznelda  beft-eien  sich  wechselweise  mit  ?roszem  Hel- 
demuuthe,  Jubil  (der  sich  bei  Hermann  aulhaltende,  von 
Marobod  vertriebene  Bojerflirst)  rettet  Erato  nach  einem 
überaus  abenteuerlichen  Kampfe  mit  dem  Barmaten  Boris 
und  dessen  zwei  Eisbären.  Die  Freude  über  die  glücklich 
vereitelte  Schandthat  wird  durch  die  Ankunft  des  Elavius 
auf  Deutschburg  noch  eiliöht,  welcher  seine  von  Aben- 
teuern. Greueln  und  Abgeschmacktheiten  strotzende  Ge- 
schichte, abermals  einen  Roman  im  Eomane,  sogleich  ei-zählt. 

Dem  Geschmacke  Lohensteins  entsprachen  die  Stoffe 
aus  der  rOmiseh^  Kaiserzeit  ganz  besonders,  und  ein 
gi'oszer  Theil  dessen,  was  Flavius  erzählt,  sind  Schilde 
rungen  crassester  Art,  aber  auch  liier  ist  wieder  eine, 
diesmal  tragisch  und  greulich  verlaufende,  Liebesgeschichte 
zwischen  Flavfus  und  der  schwarzen  Dido,  der  Tochter 
des  Numiderkönigs  Juba,  der  epische  Faden,  an  den  sich 
andere  Bestandttheile  anreihen.  Flavius  lernt  Dido  in 
Born  kennen,  der  WOsUing  Lucius  wird  sein  Nebenbuhler, 
mavins  geht  aus  Bom  verdrängt  nach  Afrika  und  kommt 
bei  Didos  Vater  in  grosze  Gunst,  als  er  aber  Dido  wieder- 
sieht, hat  sie,  um  des  Lucius  Nachstellungen  zu  entfliehen, 
der  Diana  ewige  Keuschheit  gelobt,  und  Ludus  istumge- 


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—    189  — 


kommeiL  Ein  absdieulicliei*  PiiesUr  bei-edet  sie,  diuch 
Opfenmg  ihrer  Keusclilieit  das  Gklütnle  zu  lösen,  sie  hat 
davon  nnr  Verzweiflung,  Flayins  zwingt  den  Schlndlichen, 
sich  .selbst  zu  entmannen.  Als  er  durch  die  Nachricht 
von  Varus  Niederlage  in  Verbannung  und  Gefahr  jrerätli, 
verhüft  ihm  Dido  z^r  Eincht  nach  Dentschland.  Za  An- 
fang dieser  Geschichte  wird  nnn  in  groszer  Ausführlichkeit 
dargestellt,  wie  der  Philosq)h  Aristippus  durch  atheistische 
Lehren  und  scheusiüiclic  Orgien  —  beides  ist  auf  das 
Pliunpfite  geschildert  —  die  jungen  vornehmen  Leute  in 
Born  verdirbt,  einen  nicht  unbedeut^den  Baum  nehmen 
auch  die  Beschreibungen  seenischer  Feste  ein,  wie  schon 
zu  Anfang  des  Buches  die  Feierlichkeiten  zum  Geburts- 
tage des  Augnstus  inLugdunum  und  dann  noch  oftmals  Aehn- 
liches  mit  ermüdender  Ausführlichkeit  geschildei't  wird. 

Da  Zeno  in  JFolge  seiner  im  Anfang  des  vierten  Bu- 
ches erhaltenen  Verwundung  das  Bett  hüten  musz,  hat  er 
jetzt  Zeity  seine  Geschichte  zu  erzfthlen..  Abgesehen  von 
einigen  Abeiitt'iieni  und  Liebesverwickeluiigen,  welche 
bunt  und  phauta^tiäcli  genug  auäfaiieu,  haben  wir  im  fünf- 
ten Buche  anen  geographischrtopographischen  Boman  vor 
uns.  Dran  das  Schicksal  scheint  es  übernommen  zu  haben, 
den  Zeno  zum  Ersätze  für  die  verlorene  Sicherheit  seiner 
hohen  Gebuit  zu  einer  Profesäui*  für  Geographie  vorzu- 
bereiten,  wir  werden  aber  sehen,  dasz  er  auch  auf  einem 
Lehrstuhle  fftr  alte  Geschichte,  oder  für  orientalische 
Sprachen,  oder  für  speculative  Philosophie  würde  haben 
gebraucht  werden  können,  wenn  es  mit  der  Laufbahn  als 
Prinz  ein  für  allemal  nichts  gewesen  wäre  —  doch  da- 
rüber werden  wir  noch  lange  nicht  aufgeklärt,  und  Lo- 
hensteins \'erwickelungen  haben  vor  denen  der  modernen 
Bomane  wenigstens   das  voraus,  dasz  man  wirklich 


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—    190  — 


am  Anfange  nicht  errathen  kann,  als  was  sichdieauftretenden 
Perscmeii  zuletzt  enthOllen  Verden. 

Erst  geräth  nftmüch  der  Prinz  unter  die  Amazonen 

und  Lohenstein  in  die  Geschichte  derselben,  welche 
duich  Erfindungen  verziert,  verlängert  und  mit  der  Ur- 
gescliidite  der  Dentschen  in  Verbindong  gebracht  wird, 
z.  B.  die  Mntter  aller  Amazonen  nnd  erste  Känipferin  zn 
Pferde  war  des  deutschen  Königs  Alemann  Tochter  Van- 
dala.  Da  aber  eine  zum  Augenausstechen  führende  Lie- 
besverwickelung  eintritt,  entflieht  Zeno  mit  anderen  Frem- 
den, nnd  nnn  beginnt  eine  Wandemng  dnreh  die  entle- 
gensten üegenden  der  Erde,  z.  B.  den  Kaukasus,  wo  der 
Tempel  des  Prometheus  besucht  wird,  das  kaspische 
Meer,  zu  den  Tataren,  den  Chinesen  und  Indem.  Zeno 
hat  nicht  nur  überall  Abenteuer  zu  bestehen  und  Helden- 
thateu  zu  verrichten,  sondern  lernt  auch  überall  genau 
die  Merkwürdigkeiten  der  L&nder  kennen,  und  zu  seiner 
Erzfthlung  geben  die  Zuhörer  noch  allerlei  ethnographische, 
kunsthistorische  und  technologische  Beilaj^en.  Mit  einer 
Gesandtschaft  reist  Zeno  wieder  nach  Westen  und  pflegt 
Umgang  mit  dem  brahmanischen  Weisen  Zarmar.  Jetzt 
wird  das  rothe  Meer  befiihren,  Babylon,  Ae^^ypten,  zu- 
letzt Athen  beriihrt,  über  welches  der  Prinz  eine  Vorle- 
sung voll  ex([uisiter  Gelehrsamkeit  hält,  auch  die  dassischen 
Dichter  der  Römer  lernt  er  hier  kennen.  Zarmar  Ter- 
brennt  sich  wie  Peregrinus  Proteus  selbst,  und  nachdem 
Zeno  eine  Zeit  lang  noch  philosophischen  Neigungen  nach- 
gehangen und  iu  den  römischen  Ej*iegen  gewesen,  gelangt 
er  dahin,  wo  wir  ihn  am  Ende  des  dritten  Buches  zuerst 
kennen  lernen. 

Das  sei  hste  Buch  ist  das  albernste  des  ganzen  AVer- 
kes«   £s  besteht  nämlich  aus  lauter  alter  Geschichte,  die 


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—    191  — 


gesprächsweise  abgehandelt  wird  und  so  eingerichtet  ist, 
dasz  die  Deutschen  in  einer  Menge  von  Ereignissen  der 
römischen  und  griechischen  G^hichte  eine  henrorragende 
Rolle  spielen,  z.  B.  haben  sie  zn  den  Siegen  Hannibals 
die  Hauptsache  beigetragen,  und  die  AVendung  seines 
Glückes  rfthrte  wiederum  davon  her,  dasz  sie  ihn  während 
des  AnfenthaHs  in  Oapna  verlieszen.  Die  Gewaltsamkei- 
ten und  Erdichtungen,  durch  welche  das  Eingi-eifen  der 
Deutschen  fortwährend  wahrscheinlich  gemacht  wird,  über- 
bieten einander  an  Schalheit  Es  dringt  sich  uns  hier 
die  Bemerkung  auf,  dasz  die  Schriftstellerei  Lohensteins 
hier  die  grade  uns  Deutschen  widerwärtigste  und  verächt- 
lichste schwache  Seite  des  Nationalcharakters  der  Fran- 
-zosen,  unter  deren  Einflnsz  seine  Zeit  so  selir  stand,  ent- 
lehnt hat,  nämlich  die  kindische  und  verlogene  National- 
-eitelkeity  und  es  macht  einen  um  so  peinlicheren  Eindruck, 
wenn  wir  in  den  einleitenden  Unterredungen  viele  schOne 
Redensarten  von  der  Pflicht  des  Geschichtsschreibers,  die 
Wahrheit  auf  das  gewissenhafteste  zu  beobachten,  hören 
müssen. 

Im  siebenten  Buche  hat  sich  nach  Cholevius  treffen- 
dem Ausdiucke  die  Phantasie  des  Dichters  ein  rechtes 
Fest  bereitet  Einestheils  nämlich  wird  die  Geschichte 
der  Deutschen  von  dem  Punkte  an,  wo  sie  im  sechsten 
stehen  geblieben  ist,  weitergefühlt,  ziemlich  in  dem  Stile, 
wie  sie  dort  behandelt  ist.  Als  Hauptgestalten  ragen 
Oftsar,  Ariovist,  die  Eltern  Hermanns,  Segimer  und  As- 
blaste,  und  endlicli  Marbod  hervor.  Aber  abgesehen  da- 
von, dasz  diesen  Personen  eine  Menge  frei  erfundener 
Abenteuer  angedichtet  werden,  findet  hier  wieder  eine' 
Aveiiigstens  ebenso  ausgedehnte  historische  ^Faskerade  statt, 
wie  im  zweiten  Buche,  da  der  Darstellung  der  deutschen 


—  192 


Geschichte  zur  Zeit  Casars,  uad  kurz  uachher  die  der  Zeit 
Ton.  der  Itefonnalion  bis  EDm  dreiaugjfthrigen  Kriege  ein- 
verleibt wird.  Hierbei  bedeuten  die  wirklicliliistorischen  Per- 
sonen wie  auch  die  erdichteten  bald  sich  selber,  baldaudere 
historische,  ja  auch  wohl  eine  Figfuor  au  yerschiedenen  Stel- 
len zwei  verschiedene.  Die  Druiden  sind  die  katholische 
Geistlichkeit,  die  Barden  die  TiUtliei  auer.  die  Euliagt-n  die 
Calviuisten.  Luther  heiszt  Udvitiacus,  Philipp  II.  Hippon, 
Wallenstein  Terbal,  Gustav  Adolf  Gothart,  Karl  I.  von 
England  Britun,  ^lai'bod  ist  bald  er  selbst,  bald  L'ruuiweil, 
bald  Carl  Gustav  von  Schweden. 

Einen  verhältniszmftszig  bedeutenden  Kaum  nimmt 
die  Liebesgeschichte  das  Seginier,  der  manchmal  Fer- 
dinand III.  vorstelleu  musz,  und  vseiner  GemalUiu  Asblaste. 
der  Tochter  des  vornehmen  Parthers  Surena,  ein.  Die 
Abenteuer  Marbods  im  Riesengebirge,  wo  er  mit  dem 
Einsiedler  gewordenen  Ariovist  zusainineiiuiti't  und  im- 
glaubliche  Wunder  der  ^atui*  und  Geisterwelt  schaut 
sind  von  fthnlichem  Schlage  wie  die  des  Prinzen  Zeno  auf 
seinen  A\'au(l»nungen. 

Alle  diese  Dinge  werden  wie gewülmlich  in  Gesprächen 
unter  den  iiirstlichen  Personen  abgehandelt  Während 
dessen  ist  die  Hochzeit  Hermanns  und  Tliuszneldens  vor- 
bereitet Winden.  Hierdurch  giebt  es  nun  zu  Antang  des 
achten  Buches  Gelegenheit  zu  umfangreichen  Schildenmgen 
des  Tempels,  der  Hochzeitgebrftnche,  des  Gefolges  n.  s.  w., 
am  meisten  alier  wird  mit  allegorischen  Darstellungen,  Sinn- 
bildern und  Sprüchen  Verschwendung  getrieben.  Die  von  den 
BardenanlftszlichdesFestes  geleistete  bemahe  ausschliesslich 
epigramiiia tische  Poesie  nmtaszt  135  Verse,  meist  Alexandri- 
ner. Besonders  freudige  Ueberraschung  bereitet  das  unver- 
muthete  Wiedererscheinen  von  Hermanns  Mutter  Asblaste» 


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—   193  — 

welche  nicht,  wie  allgemeiii  gegUabt  worden  war,  gestorben, 
sondern  mit  derBestehungvonhöchst  merkwürdigen  Abenten- 

ern,  welche  ihreim  vorhergehenden  Buche  bis  zu  Hermanns  Ge- 
bart geflUirteii  Erlebnisse  fortsetzen,  beschäftigt  gewesen  war. 

Da  nach  der  Sitte  der  damaligen  Deutschen  die 
Nenvennfiblten  sich  einen  ganzen  Tag  von  der  GeseUschaft 
ihrer  Gäste  fem  zu  halten  liatten,  erhielten  letztere  die 
erwünschte  Gelegenheit,  sich  Hermanns  und  Thuszneldens 
bisherige  G^hichte  erzählen  zn  lassen,  mit  der  sich  ein  Theü 
derSdiicksale  Asblastensyerflicht.  Diese,  yon  Dmsns  nebst 
ihren  Söhnchen  aus  Deutschburg  entführt,  war  nach  Rom 
und  dort  in  eine  Beihe  von  Gefahren  und  Abenteuern  ge- 
rathen  und  endlich  verschollen,  Hermann  und  Flavins 
hatten  sich,  umringt  von  Versuchungen  und  Nachstellun- 
gen, aber  erhöht  von  des  Kaisers  Gunst  auf  jede  Weise 
ausgezeichnet.  Auch  Thusznelda  war  als  Geisel  nach 
Bom  gekommen,  hitf  leinte  sie  Hermann  zuerst  kennen 
und  wurde  von  Segesthes  mit  ilir  verlobt,  der  jedoch  bald 
wieder  anderen  Sinnes  wurde.  Dadurch  dasz  sich  Tiberius 
und  dann  Marbod  um  sie  bewarben,  und  der  Alte,  der 
Treubruch  gewissermaszen  als  Oewerbe  trieb,  auch  ein- 
willigte, ward  das  Schicksal  der  Heldin  ein  überaus  be- 
wegtes. Besonders  tritt  in  diesem  Abschnitte  Lohensteins 
Geschmack  darin  zu  Tage,  dasz  er  Marbod  einmal  zur 
ünterstatzung  seiner  Bewerbungen  der  Thusznelda  den 
Bing  des  Polycrates  schenken  läszt,  den  Augustus  aus 
dem  Schatze  der  Cleopatra  mit  nach  Eom  gebracht  und 
q^ter  dem  Mflürbod  geschenkt  hatte.  Ein  andermal  wird 
die  gefangen  gehaltene  Thusznelda  durch  einen  ihr  Ge- 
fangnisz  zertrümmernden  Blitz  befreit,  geräth  aber  gleich 
darauf  in  die  Gefahr,  zu  ertrinken.    Sogleich  erscheint 

dem  Hennann  ein  langer  weiszer  Geist  und  sagt:  Es  ist 

is 


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—   194  — 


Zeit,  Hennaim,  dasz  da  deiner  ertrinkenden  ThnmeMe 
zn  HQlfe  kommst,  worauf  er  denn  nnr  seiner  Ahnnng  fol- 
gend an  den  weit  entlernten  Ort  der  Gefahr  eilt.  Si)äter 
wurde  Thasznelda  sogar  auf  den  Befehl  ihres  WüUierichs 
von  Vater  von  einem  Thurm  herabgestttrzt,  Hermann  fdeht  es, 
findet  sie  aber  zu  seiner  groszen  Verwunderung  noch  lebend. 
Des  vSegesthes  abscheuliches  und  wankelmüthiges  Benehmen 
ist  allerdings  zum  Theil  dadurch  motivirt,  dasz  er  in  zwei- 
ter Ehe  mit  der  höchst  intrica&ten  und  sittenlosen  Röme- 
rin Sentia  vemählt  ist. 

Mit  dem  Abschlüsse  des  achten  Buches  erreicht  die 
nachholende  Erzfthlung  den  Zeitpunkt,  wo  das  erste  Buch 
anfängt.  Lohenstein  aber  scheint  der  Ansicht  gewesen 
zu  sein,  dasz  er  von  den  Hochzeitsfeierlichkeiten  als  denen 
des  Hauptheldenpaares  noch  zu  wenig  gesagt.  Er  Iftszt 
daher  im  neunten  Buche  zunächst  die  alte  Asblast«  ihre 
(leschichte  erzählen,  in  die  ein  Stück  der  maskirten  Ge- 
schichte Christinens  von  Schweden  (Tirchanis)  angenommen 
ist.  Nachdem  Asblastens  Gemahl  Segimer  dnrch  Tiberius 
vergiftet  worden,  studirte  sie  im  Alironischen Heüigthume  ge- 
heime Weisheit,  deren  höchste  Grade  sie  aber  verschweigen 
musz.  Doch  erfiahren  wir  immer  noch  eine  ganze  Menge 
philosophische  Lehren,  und  auch  das  neuvermählte  Paar  ver- 
nimmt Weissagungen,  die  nicht  alle  glUckverheiszend  sind 
und  eine  Art  Uehergang  zum  zweiten  Theile  vermittebL 
Dann  aber  folgt  noch  eine  lange  Beschreibung  der  Kampf- 
spiele, Aufzüge  und  sonstigen  Festlichkeiten.  Die  Frauen 
betheiligen  sich  an  den  Kämpfen  mit  demselben  Eifer 
wie  die  Männer,  alle  wissenschaftlichen  Disciplinen  an  der 
sinnreichen  Aussclmiückung  der  Räumliclikeiten  und  Sachen 
durch  emblematische  und  allegorische  Erfindungen. 

Hiermit  endet  nun      nicht  der  Roman,  obwohl  die- 


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—    196  — 

«er  sowohl  als  poetischefi  Ganses  hier  sehr  g^t  einen  Ah- 

schlusz  hätte,  wie  er  auch,  wenigstens  nach  unserem  Be- 
<dlmkeu,  jetzt  schon  melu*  als  lang  genug  sein  würde,  denn 
fichon  sind  1430  grosie  Qnartseiten  gefüllt  Aber  wir 
sind  einmal  jetist  erst  genau  ndt  der  HlOfle  fertig,  nnd 
wissen  ja,  dasz  noch  manches  unaufgelöst  ist.  Wer 
ist  Zeno?  Sollten  die  beiden  schlinmien  Gesellen  Segesthes 
und  Marbod  nicht  von  der  poetischen  Gerechtigkeit  er- 
reicht werden?  Soll  Erato  nichts  von  ihrer  Treue  nnd  ihrem 
Edelmuth  haben?  Wenn  wir  uns  für  diese  Fragen  ge- 
bilhrend  interessiren,  werden  wir,  wenn  auch  grade  nicht 
dem  „unrergleichlichen"  Löbelstein  Dank  wissen,  doch 
Tielleicht  uns  entschlieszen,  noch  weiter  von  dem  Inhalte 
seine,s  Hauptwerkes  Kenntnisz  zu  nehmen. 

Im  nennten  Buche  des  ersten  Theils  haben  die  Fürsten 
ihre  Kdiperkrftfte  gezeigt,  im  ersten  des  zweiten  Theües 
können  sie  sich  daher  wieder  einmal  in  den  gewohnten 
wortreichen  Gesprächen  ergehen.  Zunächst  erhält  der 
Thracier  Bhemetalces  zn  einem  Vortrage  über  die  Ge- 
schichte seines  Vaterlandes  das  Wort  Die  Wildheit  der 
Thracier  ist  bei  den  alten  Dichtem  sprichwörtlich,  daher 
geht  es  in  ilirem  Füistenhause  wild  genug  her.  Die  He- 
roine Haipalice  wird  von  den  Amazonen  wegen  ihrer  Hel- 
denthaten  gegen  die  Geten  zur  Königin  gewählt,  Arsinoe, 
<les  T.ysimachus  Gemahlin,  verliebt  sich  in  ihren  Stiefsohn 
und  tödtet  ihn,  da  er  ihre  Leidenschaft  nicht  erwidert, 
die  Prinzessin  Nnmelisinthis  Iftszt,  weil  sie  im  Kriege 
gegen  die  Eömer  unter  Porcins  Oato  ihren  Bräutigam  ein- 
gebüszt,  aus  Kai* he  „etliche  Thäter  mitten  von  einander 
sfigen,  etlichen  ihre  eigene  Kinder  gebraten  zur  Speise 
Arsetzen**. 

Die  haaraträttbendsten  Gemälde  tobender  Leidenschaft 

13* 


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aber  erhalten  wir  in  der  Darstellung  der  Charaktere  des 
eiüBisttditigen  Sftdal  und  der  hemchsflchtigea  Adai  der 
Stiefmutter  des  Rhemetalces.  Ersterer  wird  auf  seinai 
Bruder,  seinen  Vater,  ja  seinen  eigenen  Schatten  eifer- 
süchtig, und  als  seine  wahnainnige  Leidenschaft  seine  Ge» 
maUin  das«  treibt,  sich  von  einem  Thonae  sa  stQnen, 
leckt  er  das  Bkit  der  Entseelten  w»f.  Ada,  snerst  die 
Gemahlin  des  Priesters  Rhascuporis.  rast  wie  eine  Tigerin 
von  einer  ra£ämrten  Schand-  und  Unthat  zur  andern  und 
wühlt  mit  eigener  Hsnd  im  Blute  ihrer  Opfer»  ihr  Stief- 
sohn rettete  sich  mit  genauer  Noth  vor  ihren  Verf&hrungs- 
und  Vergiltuügüversiicheii.  Schon  ehe  lihemetalces  seine 
Eo&hlnng  beginnt,  merken  wir,  dasz  sich  neue  Yerwicke- 
Inngen  erster  Qnalität  vorbereiten.  Nicht  allein,  dasz  sich 
der  Friede  mit  den  Römein  als  sehr  wenig  haltbar  zeigt, 
auch  in  den  Liebesverhältnissen  der  wichtigsten  Neben- 
personen treten  die  Anzeichen  einer  nenen  Combina- 
tion  anü  Erato  empfiUigt  ein  geheutnniszvoUes  Orakel, 
welches  ilir  den  Flavias  zu  lieben  gebietet,  dem  Zeno  aber 
soll  sie  entsagen,  w  ie  denn  auch  schon  in  Havius  eine 
Neignng  sn  ihr,  in  Ismene  eine  za  Zeno  entstanden  war. 
Der  Aufenthalt  der  Franen  am  Paderbmnnen  giebt  za 
sehr  gelehrten  und  mystischen  Gesprächen  Veranlassung. 

Zu  Anfang  des  zweiten  Buches  ist  der  Krieg  mit 
den  BSUmm  wieder  ausgebrochen.  Auf  Seiten  der  Bdmer 
sind  Tiberins  und  G^ermanicos,  anf  der  der  Dentscheai 
Hermann  und  der  sicambrische  Heraog  Melo  mit  seinem 
Sohne  Franck  Oberanführer.  Belagerungen,  Erstürmun- 
gen, Scharmützel,  UebeifftUe,  grosse  Schlachten  giebt  es 
in  solcher  Anzahl,  dasz  sich  die  römische  wie  die  dentscbe 
Kriegskunst  im  schönsten  Glänze  zeigen  kann.  An  die 
Erstürmung  von  Bacharach  durch  die  Deutschen  schlieszt 


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—    197  — 

Mi  eine  zum  Theü  allegorische  sehr  ausgedehnte  ErSr- 
tening  über  die  Vorzüglichkeit  des  Rheinweines.  Bei  den 
dann  folgenden  Friedensnnterhandlungen^  bei  denen  ganz 
nach  der  Art  des  XYIL  Jahrhunderts  um  arge  Kleinig- 
keiten gestritten  und  gezankt  wird,  fischt  der  von  Her- 
mann schon  immer  mit  Misztrauen  angesehene  ]\Iarbod 
im  Trüben.  Während  des  Krieges  gehiert  Thusnelde  zu 
Bacharach  ihren  Sohn  Thumeiich.  Zu  bemerken  ist  m 
der  Geschichte  des  Krieges  besonders,  wie  Lohetistein  den 
zu  seiner  Zeit  blühenden  adeligen  und  fürstlichen  Ge- 
schlechtem dadurch  schmeichelt^  dasz  er  ihre  Namen  an- 
ter den  deutschen  Helden  in  grosier  Zahl  anbringt  So 
finden  sich  z.  B.  Tertreten  die  Namen  der  Solms,  Isen- 
burg, Ravensberg.  Waldeck,  Nassau,  Bentheim,  Diephold, 
Zulenstein,  Delmenhorst  u.  a.  m.  Auch  wird  ein  omfang- 
reiches  Stflok  Geschichte  der  Theologie  nnd  Philosophie 
ein^-efloehten^  in  welcher  anszer  den  schon  bekannten  Drui- 
den, Barden  und  Eubagen  die  grieclüschen  Skeptiker  als 
Vertreter  der  Cartesianer  zum  Vorseht  kommen. 

Das  dritte  Bach  hat  Tomehmlich  den  Zweck,  die 
Verwickelungen  zwischen  den  beiden  Paaren  Erato  und 
Zeno,  Ismene  und  f  iavins  weiter  zu  schürzen.  Mit  der 
TVeiterffthrong  dieser  Angelegenheiten  ist  aber  die  Be* 
schreibang  der  Friedensfderlichkeiten  nnd  des  Vericehrs 
zwischen  den  römischen  und  deutschen  Groszen  verfloch- 
ten. Zugleich  treten  eine  Anzahl  neuer  Nebenpersonen 
auf,  oder  doch  m^  in  den  Vordergnmd.  Es  kommt 
iwischen  Zeno  nnd  Flavins  zum  offisnen  Streite,  ESrato 
rettet  Zenos  Leben  nur  durch  Aufgeben  ihrer  Ansprüche, 
nnd  als  Hermann  eingreifen  will,  um  seine  Geschwister 
▼on  der  V^bindnng  ndt  den  Fremden  abzubringen  nnd 
zur  Teriidrathung  mit  Adehnnnd,  de»  chanziseheA  Bei^ 


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—    198  — 


zogs  Granaach  Tochter,  bezüglich  mit  dem  Cattenherzoge 
Catomfir  zu  yeranlasseii,  entstehen,  da  eben  dieee  beiden 
einander  lieben,  neue  Verwickelungen,  wozu  noch  kommt, 
dasz  Ismene  sich  von  den  durch  die  Druiden  gegen  sie 
erhobenen  Anklagen  nur  dorch  ein  Gtotlesnrtheü  reinigen 
kann.  Dies  gelingt  zwar,  aber  es  kommt  dabei  herans, 
dasz  Adgandester,  Hermanns  bisheriger  Vertrauter,  die 
Hand  im  Spiele  gehabt  hat,  um  sich  wegen  eines  erhal* 
tenen  Korbes  zu  rftchen. 

Nunmehr  beginnen  des  Segesthes  Gemahlin  Sentia 
und  der  verbannte  Adgandester  ein  neues  höchst  raffinir* 
tes  BAnkespiel,  das  den  Hauptinhalt  des  vierten  Boches 
bildet  Zu  Anikng  wird  kurz  berichtet,  wie  Erato  auf 
geheiomiszvoile  Weise  trotz  der  Wachsamkeit  des  Fla- 
vias als  Diana  verkleidet  entflieht,  dann  bewirken  Sentia 
und  Adgandester,  die  sich  zu  Marbod  gewendet  haben, 
dasz  sich  Flavius  mit  Hennann  entzweit  und  erzürnt  zu 
den  Eömem  übergeht  Weniger  Erfolg  hatten  die  von 
beiden  gegen  die  Yerehelichung  Gatnmers  mit  Adelmnnd 
gesponnenen  Ränke  doch  war  die  daraus  erfolgte  Ab- 
wendung des  Ganasch  und  Melo  von  der  deutschen  Sache 
immer  noch  schlimm  genug.  In  der  Liebesgeschichte  des 
Catumer  und  der  Adelmund  spielt  die  griechische  Zau- 
berin Astree  und  der  Zaubertrank,  wodurch  sie  die  Prin- 
zessin unfruchtbar  machen  sollte,  eine  hervorragende  Bolle. 
Sie  thut  es  aber  nicht,  da  sie  durch  Träume  davon  abge- 
schreckt wird,  und  bleibt  trotz  grausamer  Folterung,  die 
genau  beschrieben  und  sogar  durch  einen  Kupferstich  ver- 
anschaulichti  wird,  bei  ihrer  wahren  Aussage.  Catomen 
Kühnheit  setzt  ihn  schlieszlich  in  den  Besitz  der  Geliebten. 

Das  fünfte  Buch  führt  die  eigentliche  Erzählung  nur 
insofern  weiter,  als  es,  aber  erst  am  Ende,  den  während 


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—  199 


neuer  drolieiider  Kriegaaiissichtea  emtretenden  Tod  des 
Augustns  berichtet.    Dagegen  werden  sehr  umfassende 

Stücke  aus  der  Geschichte  früher  aufjgetretener  Nebeuper- 
sonen  episodisch  nachgeholt  Die  deutschen  Fürstinnen 
nSiniich  verieben  eine  Zeit  zu  Schwalbach  am  Sauerbrunnen, 
ihnen  gesellt  sich  Agrippiua  bei,  und  auch  die  deutschen 
Fürsten  kommen  dahin.  In  Öchwalbach  befindet  sich  eine 
Schuld  der  Barden,  was  zu  sehr  gelehrten  und  sinnreichen 
Gesprächen  über  Pflanzen  und  über  die  Staatskunst  Ver- 
anlassung giebt.  Auch  Ariovist,  des  älteren  Ariovist  En- 
kel, tritt  auf^  und  bei  der  Grelegenheit  der  Au&ahme  sei- 
nes Edelknaben  Ehrenfried  in  die  bardische  Anstalt  kommt 
zu  Tage,  dasz  dieser  der  Bruder  der  Zirolane,  einer  marsin- 
gischen  Prinzessin,  ist,  beide  sind  die  Kinder  des  gotho- 
niscfaen  Fflrsten  Gottwald,  dessen  frtther  begonnene  und 
abgebrochene  Lebensgeschichte  jet./t  zu  Ende  gefuhrt  wird. 
Er  ist  nämlich  dei'selbe  Barde,  welcher  Ehreufiied  iu  die 
Schule  aufoehmen  und  einweihen  sollte  und  stirbt  vor 
freudigem  Schreck.  In  Gottwalds  sehr  abenteueriiehen 
Schicksalen  spielen  seine  intricante  Schwester  Marmeliue 
und  Marbod  die  Bolle  der  Unglücksstifter  und  Usnipatoren. 
Der  Schauplatz  der  Begebenheiten  ist  meist  Schlesien  und 
Preuszen.  An  die  so  vielseitige  Aufklärung  und  AVieder- 
erkennung  zu  Anfang  des  Buches  schlieszt  sich  noch  eine 
neue  Verwickelung,  indem  Rhemetalces  ohne  Grund  auf 
seine  Verlobte  Zirolane  eitersüclitig  wii  d  und  sich  zürnend 
entfernt.  Auch  Siegesmund,  Thuszneldeüs  Bruder,  ging, 
da  er  sich  von  Zirolane  abgewiesen  sah,  zu  seinem  Vater 
Segesthes. 

Das  sechste  Buch  berichtet  über  die  Leichenleier lich- 
keiten  des  Augustus  und  die  bedenklichen  Zustände  im 
rdmischen  Beiche,  worauf  zu  dem  neu  entbrennenden 


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% 


—    200  — 

Kriege  und  den  neuen  Eänken  Seutia-s  und  Adgaiulesters 
tibergegangen  wird.  Die  Geschicke  der  Haapthelden  neh- 
men  eine  vorlftafig  ziemlich  nnglflckliche  Wendung.  Melo, 
Ganasch  und  Maloveiid  verbünden  sich  mit  den  Römern, 
▼eranlaszt  durch  gefälsdite  Drolibriefe  Hennanns.  Aus- 
führlich wird  Senüas  Verfahren  mit  dem  Angriyarierf&rsten 
Bojocal  erzfthlt,  es  ist  eine  Episode  in  echt  Lofaenstei- 
nischem  Stile.*)  Sie  suelite  ihn  durch  die  wollüstigen 'Reize 
von  vier  schönen  Mädclien,  einer  Amazone,  einer  Britan- 
nierin,  einer  Gothin  und  einer  Mohrin  zu  ködern,  da  dies 
aber  sich  nicht  wirksam  genng  erwies,  gab  sie  sich  ihm 
selber  hin.  nachdem  sie  sich  schrittlich  die  Vei*sicherung 
hatte  geben  lassen,  dasz  er  zu  den  Römern  Ubergehen  werde. 

Siegesmnnd  brachte  znm  Entsetzen  Hermanns  Thnsx- 
neide  nebst  den  anderen  Fttrstinnen,  die  bei  ihr  waren, 
verräthei'ischer  AVcisc  in  die  Hände  der  Römer.  Im 
Deutschburger  Walde  geschah  eine  neue  furchtbare  Schiacht 
zwischen  Germaniens  nnd  Hermann,  Greistererscheinnngen 
veranlassten  den  römischen  Feldherm,  den  Rtckzng  an- 
zutreten, nachdem  die  Gebeine  der  in  der  ersten  Öchlacht 
Gefallenen  beerdigt  worden  waren. 

Das  siebente  Bnch  ist  zn  seinem  Vortheil  durch  den 
Mangel  fast  aller  Episoden  und  einen  wirklichen  Fort- 
schi  itt  der  Handlung  von  den  andern  unterschieden.  Zuerst 
wird  fiber  die  denRömem  in  die  Hände  gespielten  Ftirstinnen 
berichtet  Zumeist  durch  den  Einfluaz  der  abschenliciieB 
Sentia  zogen  sich  mehrere  Unwetter  über  ihnen  zusammen. 
Germauicus  sollte  nach  Asien,  wo  die  Angelegenheiten 
der  Römer  in  Folge  7on  Ränken  der  Livia  schlimm  stan- 
den, gehen,  Thusznelde  nnd  die  andern  deutsdien  Frauen 
sollten  nach  Rom  gebracht  und  dort  im  Triumphe  aufge- 

')  S.  die  Beilage. 


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—    301  — 

fShrtf  endlich  Tbomelicli  zur  SAhniuig  des  von  den  Deut- 
schen zerstSrten  Drosus^Denkmales  geopfert  werden.  Nach- 
dem ein  durch  Siegesmund  veranstalteter  Fluchtversuch 
miszlungen  war,  fand  das  Opfer  statt,  aber  die  helden- 
mltthige  H^nengaid  schob  ihren  eigenen  Sohn  an  die 
Stelle  des  jungren  Fürsten  unter. 

Auch  Malovend,  welrlier  Catta,  des  Herzog:  Arpus 
Tochter,  liebte,  fiel  in  die  Stricke  der  Öentia.  Der  letzte- 
ren ztt  seiner  Verftthrnng  und  ihm  zur  Entführung  der 
Prinzessin  war  die  Zauberin  Wart]  urgis  behülflich,  und 
die  Beschieil)ung  ilirer  Kunstiibung  ist  eines  von  den  bei 
Lohenstein  beliebten  Nachtstücken.  Mit  einer  ungünstig 
yerlanfenden  Schlacht  bei  der  Weser  (Indistayisus),  wo 
Hermann  und  Gennaniens  persönlich  an  einander  geriethen, 
erreichten  jedoch  die  Miszgeschicke  der  Deutschen  ihren 
Höbepunkt.  Denn  nachdem  sie  bald  darauf  in  einem  an- 
deren Gefechte  glttcklicher  gewesen  waren,  traf  die  Bö- 
rner noch  auf  dem  Rückwege  zur  See  ein  schwerer  Sturm, 
der  den  gröszten  Theil  ihrer  Flotte  zerstörte.  Zwar  liel 
nocä  Inguioiner,  Fürst  der  Bructerer,  aus  Zorn  darüber,  dass 
man  deutscherseits  den  eine  Annfthemng  suchenden  Ab- 
trünnigen wie  Flavius,  Melo,  Bojocal  u.  s.  w.  entgegen- 
kam, zu  Marbod  ab,  aber  daföi*  erwählten  die  Semnonen 
und  Longobarden,  wekhe  Ton  Marbod  unterworfen  und 
yon  ihm  und  Adgandester  gequält,  dieses  Joch  abge» 
schüttelt  hatten,  Heruiami  zum  Fürsten  und  schlössen  sich 
den  Cheruskern  an. 

Das  achte  Buch  beginnt  nun  mit  der  Schüdernng  der 
BfüBTTOcht,  die  Tiberius  gegen  G^ermanicus  hegte  und  die 
den  Abschlusz  des  Friedens  beförderte.  Da  aber  die 
Bildnisse  der  gefangenen  deutschen  Fürstinnen  nach  Eom 
gdangt  waren  und  auf  den  Kaiser  ehien  allsugroszen 


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—   202  — 


Eindruck  gemacht  hatten,  bestand  er  daranf,  da«  dieFQntm- 
nen  selbst  nach  Rom  kämen.  Des  Germanicus  Abreise  und  die 
ihm  bei  dieser  G^egenheit  dajrgebrachten  Ehrenbesengnngai 
werden  genau  geschildert»  dann  ahw  wird  wieder  auf  einen 
Nebentheil  der  Erzählung  eingegangen,  der  die  mit  Lüge 
nnd  Zauberei  ins  Werk  gesetzten  Bänke  des  Adgandester, 
nm  die  Hand  der  Adelgunde  zn  erlangen,  enthält  Hier 
hat  Lohenstein  die  griechischen  Sagen  von  Oenomaus 
und  Hippodamia,  die  auch  zu  scenischer  Darstellung  ge- 
langen, beniltst  Adgandester  fällt  schimpflich  ab  und 
Ingviomer  wird  mit  Adelgunde  vermählt. 

Endlich  ftthrt  das  neunte  Buch  das  ungeheure  Werk 
zum  Abschlösse.  Zunächst  werden  wir  nadi  Rom  ver- 
setzt Zwar  war  den  deutschen  Frauen  verheiszen  wor- 
den, dasz  sie  bald  zurückkehren  sollten,  doch  sehr  bald 
zeigte  sich  des  Tibehus  scheuszliche  Wollust  und  Treu- 
losigkeit Eine  nichtswürdige  Gewaltthat,  gegen  die  durch 
Malovend  in  die  Hände  der  R(»mer  gerathene  Oatta  beab- 
sichtigt, zwingt  die  Bedrängten,  ihie  Zuflucht  zur  List 
zu  nehmen,  und  plötzlich  verschwinden  sie  spurlos*  Sen- 
tia,  die  aus  Aerger  darflber  ihren  eigenen  Yater  ins  Ver- 
derben stürzte,  soll  nun  endlich  den  Lohn  ihrer  Schand- 
thaten  finden*  Sie  wird  von  Segesthes  mit  ihrem  Buhl^ 
Bojocal  ertappt  und  schmachvoll  umgebracht,  ein  Zwd- 
kami)f  des  letzteren  mit  dem  beleidigten  Gatten  befördert 
auch  diesen  principiellen  Bösewicht  und  Yerräther  vom 
Schauplatze  hinweg.  Dasselbe  geschieht  nun  auch  zur 
Befiriedigung  des  Lesers  mit  anderen  unliebsamen  Persön- 
lichkeiten, Marbod,  Adgandester  und  dem  jungen  Gott- 
wald, der  vorher  unter  dem  Namen  Ehrenfried  aufgetreten 
ist  Adgandester  ertrinkt  in  der  Moldau,  Marbod  and 
Gottwald  enden  in  der  Verbannung  bei  den  Körnern.  Noch 


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—   808  — 

eimnal  Mngt  Ingrioiners  Ehrsucht  fttr  den  Hanpt^ 

beiden  eine  fnrchtbare  Gefahr,  doch  es  geht  ihm  ebenso  wie 
säuern  Sohne  Thnmelich,  indem  ein  anderer  zum  Scheine 
Ar  ihn  enthauptet  wird.  Aehnlich  war  es  auch  seiner 
Gemahlin  und  ihren  Leidensgenossinnen  in  Rom  ergangen, 
indem  gemeine  Weiber  an  ihier  Statt  im  Triumphe  auf- 
geführt  wnrden.  Schlieszlich  aber  kommen  nicht  nur  die 
ans  Rom  entflohenen  Fürstinnen,  die  über  Armenien  nach 
Deutschland  zu  reisen  vorgezogen  hatten,  zum  Vorschein^ 
gondem  anch  die  nngetrenen  Fürsten  kehren  zn  ihrer 
Pflicht  snrftck.  Wer  Zeno  sei,  erflüiren  whr  natürlich 
auch  noch,  nämlich  der  Eiato  verlorener  Bruder.  Was 
jetzt  folgte  versteht  sich  von  selbst:  Flavias  heirathet 
Erato^  Zeno  Ismene,  Bhemetalces  Zirolane,  die  er  in  Bom 
wiedergefunden.  Schlieszlich  wird  Hermann  König  der 
JÜarkm&nner,  die  Henscliaft  über  die  Cherusker  aber 
tritt  er  seinem  Bmder  Flavius  ab.  Es  sei  noch  ausdrück- 
lich bemerkt,  dasz  nicht  weniger  als  die  Schicksale  nnd 
gegenseitigen  Beziehungen  der  Hauptpersonen,  so  aucii  die 
der  Nebenfigoren  sftmmtlich  einen  vollkommenen  nnd  nach 
Maszgabe  der  poetischen  Gerechtigkeit  befriedigenden  Ab- 
achlusz  finden. 

Wir  sind,  da  eine  besondei*e  Charakteristik  2Uegler3 
und  Lohensteins  theils  durch  die  gegebenen  ansftthr- 
lichen  Analysen  überflüssig  ist,  theils  eben  durch  die  nachste- 
henden Bemerkungen  gegeben  wird,  nunmehr  mit  der  Dar- 
stellung des  heroisch-galanten  Bomans  des  XVII.  Jahr^ 
hnnderts  auf  den  Punkt  gelangt,  wo  es  gilt,  diese  Litera- 
turgruppe als  Ganzes  zu  begreifen  und  das,  was  voraus 
nnd  bei  den  einzelnen  Erscheinung^  gesagt  werden  musate, 
znsammenzniassen  und  zu  ergftnzen.  Diejenigen  Romane, 
welche  die  Entwickeluug  unserer  Gattung  im  XVII.  Jalir- 


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hnnd^  darsiellen,  liegm  ubb  ihrem  Hauptinhalte  and  deft 
wichtigsten  Zttgen  ihres  formellai  Oharakters  nach  m 

vollständig:  vor,  wie  es  der  uns  zugemessene  Kaum  ge- 
stattet und  der  Zweck  dieses  Buches  fordeit. 

Es  ist  mit  Becht  Tim  CholeTins  henrorgehohen  wor- 
den nnd  geht  ans  dem  bisher  Gesagten  mehr  als  snr 
nüge  hervor,  dasz  es  eine  schwierige  und  weitschichtige 
Angabe  sein  mosz,  einen  Standpunkt  zu  finden,  von  dem 
aas  Uber  eine  Reihe  unter  emander  so  Terschiedener  Dich- 
ter und  Werke  ein  allgemeines  Urtheil  geßlllt  werden 
kann,  un<l  die  Sache  wird  dadurch  liier  kaum  erleichtert, 
dasz  ich  glaube,  das  Qemeinsame  der  Gattung  und  ihres 
Entwickelungsganges  zwar  nicht  besser  bemerkt,  aber  doch 
meinem  Plane  gemäsz  mehr  hervorgehoben  zu  haben  als 
der  eben  genannte  Gelehrte.  Eine  Thatsache  aber  scheint 
mir  ebensowohl  durch  ihre  Wichtigk^t  wie  auch  durch 
ihre  Zweifellosigkeit  allem  anderen,  was  noch  zu  sagen 
ist,  vorangestellt  werden  zu  müssen,  die  nämlich,  dasz 
wir  in  der  zweiten  H&lfte  des  XVn.  Jahrhunderts  die 
beiden  Dichtungsgattungen  zum  ersten  Male  die  ersten 
Stellen  in  der  deutschen  Nationalliteratur  einnehmen  se- 
hen, welche  sie  seitdem  behielten  und  jetzt  nur  noch  viel 
zweitelloser  iune  haben.  Ks  sind  die  Tragödie  und  der 
Roman,  und  die  persönliche  Verkörperung  dieser  That- 
sache ist  Lohensteins  Schrifrstellerthum.  Die  deutsche 
Kuusttragödie  und  der  deutsche  Kunstroman,  deren  Pflege 
durch  die  sichere  und  von  kkirer,  nüchterner  Einsicht  in 
die  YerhUltaisse  g^tete  Hand  Opitzens  begründet  wor- 
den, erreichten  aber  aüch  beide  in  Lohensteins  Trauer- 
spielen und  in  seinem  Arminius  einen  Punkt  in  ihrer  Ent- 
wickelung,  von  dem  ein  Weitergehen  in  grader  Linie 
nicht  mehr  stattgeflmdeu  hat  und  unseres  lärachteiis  nidit 


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—   206  — 

mehr  stattflnden  kannte.  Da«tf  w  von  unwem  Staad* 
punkte  des  Geschmackes  und  der  Einsicht  in  die  geistige 
Eigenthümlichkeit  unseres  Volkes  die  uns  liier  vorliegende 
JSntwickelang  9I&  eine  glückliche  and  natorgem&sze  nicht 
beaeichnen  kOnnen,  igt  schon  oft  genug  gesagt  worden. 
Dasz  aber  von  dem  Standpunkte  unserer  Zeit  bei  der 
historischen  Betrachtung  derselben  nicht  abgegangen  wer- 
den kann,  und  zwar  grade  im  Interesse  der  Aufgabe,  die 
wir  ans  gestellt  haben,  nicht  abzagehen  ist,  kSnnte  noch 
auf  einige  Zweitel  stoszen.  Wir  können  uns  aber  un- 
8c:hwer  überzeugen,  dasz  grade  der  Grund,  mit  welchem 
solche  Zwdfel  hauptsächlich  gest&tst  werden  dürften,  n&m- 
lieh  die  grosse  Verschiedenheit  jener  Zeit  von  der  uns- 
rigen,  uns  in  dem  Festhalten  des  angedeuteten  A'erfah- 
rens  nur  bestärken  kann.  Denn  diese  grosze  Verschieden- 
heit ist  es  eben,  die  uns  unsere  Haiq^tau^abe  Torsohreibt 
und  erl&utert.  Die  Wandelungen  in  dem  geistigen  Zu- 
stande unserer  Nation,  welche  sich  seit  dem  XVll.  Jahr- 
hundert Yollaogen  haben,  sollen  wir,  soweit  sie  in  der  f'ort- 
büdnng  unserer  Dichtungsgattung  sichtbar  sind,  uns  sum 
Bewusztsein  bringen  und  wiederum,  wenigstens  zum  grösa- 
ten  Theile,  aus  uns  in  der  Gattung  des  JEU>mans  vor- 
liegenden Erscheinungen  erklaren. 

Man  kann  diese  Angabe  kaum  ins  Auge  fhssen,  ohne 
sich  daran  zu  erinnern,  dasz  im  XVII.  Jahrhundert  auch 
in  Frankreich  das  Drama  und  der  Roman  blühten,  und 
im  Hinblick  aui'  die  durchgängige  Abhängigkeit  des  deut- 
sehen Bomans  von  dem  französischen  wird  man  eine  Yer- 
gleichung  dessen,  was  in  jeder  von  beiden  Gattungen  hö- 
ben und  drüben  damahi  geleistet  worden  ist.  zur  Lösung 
unserer  Att%abe  als  angezeigt  erachten.  Und  in  der 
That  tritt  auch  bei  ganz  allgemeiner  Betrachtung  der 


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—    206  — 


Sachlage  hervor,  wie  nngttnstig  fttr  die  deutsche  Lümtnr 
des  XVIL  JahrhlDnderts  schon  das  ehronologiscfae  Yer- 

hftltnisz  ihrer  beiden  Hauptgattnngen  zu  den  entsprechen- 
den der  Irauzösischen  war.  Die  Entstehung  des  heroisch- 
•galanten  Bomans  in  Frankreich  geht  dem  Höhe|NUikte  des 
g^uten  Geschmackes  nnd  der  Entwickelnng  der  gesammten 
Poesie  vuraiis.  ja  derjenige  Geschmack  und  diejenigen 
Einsichten  in  das  Wesen  dei*  Poesie»  worauf  sich  die 
Olassik  stutzte,  erhohen  energischen  Protest  gegen  die 
Romane  der  Gomberville,  CalprenMe,  ScndM.  Das  wa- 
ren aber  die  Vorbilder  unseier  deutschen  Schriftsteller, 
letztere  kamen  grade  zurecht,  um  an  den  Verinrungen  der 
Franzosen  theiheunehmen,  und  um  die  Zeit»  als  Boileau 
seine  Hh  os  de  Roinan  schrieb,  nahm  man  bei  uns  den 
besten  Anlauf  zui'  vollsten  EntWickelung  der  Gattung. 
Die  Tragödie  dagegen,  welche  von  Opitz  bei  uns  ins  Da- 
-sein,  allerdings  ein  Scheindasein,  gerufen  und  yon  Gry- 
phins  und  ]^ohenst»*in  zu  einer  Art  von  Vollendung  ge- 
führt ward,  sie  war  der  classist  hen  französischen  Tragö- 
die mindestens  gleichzeitig,  jedenfalls  kam  sie  zu  Mh, 
um  von  jener  etwas  zu  lernen,  wobei  man  nicht  allein  die 
Jahreszahlen,  sondern  auch  die  Langsamkeit  des  damali- 
gen literarischen  Verkehrs  und  die  Schwierigkeit  der 
Ueberwirkung  in  einer  so  hochstehenden  und  die  gftnstig- 
sten  Bedingungen  erheischenden  Gattung  in  Rechnung  zu 
ziehen  hat.  Das  Felileii  >(»Kliei-  Ikdiiigungeu  hat  übri- 
gens auch  bewiikt,  dasz  die  deutliche  Tragödie  des  XVIL 
Jahrhunderts,  auch  ganz  abgesehen  von  ihrem  ungünsti- 
gen Altersverhältnis«  zur  fi-anzösischen,  eine  noch  weit 
unh^l »endigere  und  zukunftslosere  Kunstgattung  wurde  als 
4er  Homan,  der  dem  Publicum  gegenüber  sich  auch  ohne 
4ie  Httlfe  anderer  Künste  und  so  complidrter  und  von 


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—   207  — 


ftuszeren  Yeriiftltnisseii  so  abhängiger  Einrichtmigfeii,  wie 

das  Bühneuwesen  ist,  zur  Geltung  zu  bringen  im  Stande 
ist.  Und  daher  kommt  es,  daai  wir  dem  deutschen  Bo- 
mane  des  XVII.  Jahrhunderts,  auch  wenn  wir  nur  die 

heroisch-galante  Art  ins  Auge  fassen,  was  Weite  und 
'  Tiefe  der  Einwirkung  auf  das  Publicum  und  Bedeutung 
für  Bildung  und  Denkart  des  Zdtalters  anbetrifft,  einen 
bedeutenden  Vorrang  vor  der  Tragödie  zuschreiben  müs- 
sen. Dieses  Yerhältnisz  war  in  Frankreich,  darüber  kann 
kein  Zweifel  sein,  gerade  das  umgekehrte,  und  wir  wer- 
den noch  mehrfach  Gelegenheit  haben,  Frankreich  und 
Deutschland,  ßoman  und  Drama  einander  gegenüber  zu 
stellen,  weil  in  der  That  die  trotz  der  nahen  Berührung 
anfiallende  Verschiedenheit  in  den  literarischen  Erfolgen 
beider  Nationen  nieist  schon  unmittelbar  auf  die  Gründe 
der  einzelnen  £i*scheinungen  hinweist. 

Unter  den  verschiedenen  einzelnen  Seiten,  welche  an 
dem  deutschen  Kunstromane  des  XVII .  Jahrhunderts  noch  zu- 
saninu  niasseud  zu  beleuchten  sind,  düilte  aus  mehreren  Grün- 
den der  Stil,  worunter  hier  nur  das  rein  sprachliche  Element 
der  Darstellung  verstanden  werden  soll,  zuerst  an  die 
Reihe  kommen.  Nur  ist  hier  sogleich  vor  einigen  Fehler- 
quellen zu  warnen,  welche  schon  zu  Irrthümem  Veranlassung 
gegeben  haben,  wohl  auch  noch  geben  werden,  deren  Darle- 
gung  übrigens  nicht  allein  zurAVarnung  anderer,  sondern  auch 
zur  Stütze  der  hier  und  schon  früher  vorgebrachten  Auf- 
&ssnngen  dienen  soll.  Die  hauptsächlichste  Ursache 
von  falschen  ürtheilen  t\ber  den  Stil  in  Schrift^  einer 
vergangenen  Zeit  liegt  in  schwei'  zu  vermeidenden  schie- 
fen Anschauungen  von  demjenigen  stilistischen  Momenten, 
welche  die  Verschiedenheiten  jenes  alten  Stiles  von  dem 
unserer  Zeit  ausmachen,  und  nicht  viel  w  euiger  Verwirrung 


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—    208  — 


stiftet  der  ganz  versdiiedeiie  Maszstab,  den  mau  sehi^  leicht 
fbr  die  yerftndenmgen  des  StUes  in  «ifeiiiuiderfalgeiideii 
Perioden  der  eigenen  Literatur  einerseits  und  andererseits 
in  den  fremden  anwendet.  Die  Irrtkümer,  welche  au:i  dem 
zuerst  angefahrten  Grande  entstehen,  beziehen  sich  aaf 
die  Unterordnung  der  StüTerschiedeaheiten  anseiBaiiderlie- 
gender  Epochen  unter  falsche  und  unberechtigt  subjective 
Gesichtspunkte,  indem,  was  Eigenthümlichkeit  einer  gan- 
zen Periode  ist,  dem  einasdnen  Schriftsteller  zugeschrieben 
wild,  iiidem  man,  aiistatt  nach  dem  sn  einer  bestimmten  Zeit 
G^ebräuchlichen  und  Ungebräuchlichen  zu  suchen,  nur  das 
jetzt  Aufiallige  bemerkt  und  in  Rechnung  stellt,  und  in- 
dem man  den  Grand  des  AoffiUligen  oder  Bezeichnenden 
in  dem  Eindmoke  sacht,  den  man  selbst  davon  hat.  Der 
Stil  eines  Dichters  oder  Erzählers  des  XVI.  oder  XVII. 
Jahrhunderts  wird  ungelenk  oder  roh  genannt,  während 
er  den  Zeitgenossen  zierlich  und  fein  erschienen  ist,  man 
findet  seine  Ansdraeksweise  sehr  volksthümlich  ond  derb, 
seinem  Zeitalter  aber  waren  diese  Wendungen  und  Worte 
durchaus  salonfähig,  man  sieht  alterthünüiche  Formen  und 
Bedensarten  fOr  tteoherzig,  naiv,  kindlich  oder  gespreizt 
nnd  geziert  an,  weil  man  dergleichen,  wenn  es  heat  ge- 
schrieben würde,  so  nennen  dürfte.  Es  liegt  auf  der 
Hand,  dasz  gegen  solche  Miszgrifie  nor  grosze  Belesen- 
heit  nnd  die  stete  XJeberlegong  schützen  kann,  ob  das, 
was  uns  jetzt  diesen  oder  jenen  Eindruck  macht,  auch  im 
Vergleich  zu  dem,  was  die  maßgebenden  Zeitgenossen 
des  Schrülstellers,  bei  dem  es  Tork<»unt^  bieten,  eben  so 
erscheine.  Ich  bin  natftrlidi  weit  von  der  Einbildung  ent* 
femt,  jedes  von  mir  erwähnte  Bucli  und  jede  stilistische 
Erscheinung  in  irgend  einem  der  erwähnten  Bücher  nach 
den  hier  ansgesiirodieneii  Ornndsätzen  erschöpfend  be- 


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—   209  — 


lenchten  zn  kennen,  glaube  aber  VerstOsze  gegen  diesel-  . 
ben  mit  möglichster  Sorgfalt  vermieden  zu  haben.  Dasz 
die  Zeit»  wo  mau  sick  dorch  Formen  wie  „umb^ 
fllr  „lim''  und  M^tzef  ittr  „tanzt**  bestimmen  liesa,  den 
Stil  eines  Schriftstellers  als  „volkstbfimlich**  und  „treu- 
herzig** zu  charakterisiren,  noch  nicht  ganz  überwunden 
ist,  beweist  nnter  anderem  die  immer  noeh  vorkommende 
Bezeichnung  der  nichts  weniger  als  yolksthttmlichen  Ver- 
deutschungen  französischer  Romane  und  italienischer  No- 
vellen aus  dem  XV.  und  XVI.  Jahrhundert  mit  dem 
Worte  „Yolksbücher**,  eine  Bezeichnung,  welche  ToUkom- 
men  ungehörig  und  nicht  besser  ist,  als  wenn  einer  in 
späterer  Zeit  die  jetzt  gebräuchlichen  üebersetzuiigen  Du- 
masscher Romane  deutsche  Volksbücher  nennen  wollte.*) 

Was  die  zweite  der  oben  bezeichneten  Fehlerquellen 
betrift,  so  ist  es  freilich  sehr  leicht  erklärlich,  dasz  uns 
Deutschen  die  Veränderungen  und  Fortschritte,  welche 
fremde  Sprachen  und  ihr  Stil  machen,  nicht  gröszer  als 
die  Breite  eines  Haars  erscheinen  and  die  ihnen  ganz  ent- 
sprechenden im  Deutschen  handbreit,  aber  nichtsdestowe- 
niger ist  deutlich,  dasz  solche  Fehler  sehr  grob  und  an- 
dererseits yenneidlich  sind,  wenn  man  nnr  fleiszig  anf  die 
XJrtheüe  yerstftndiger  Zeitgenossen  der  betreffenden  Schrift- 
steller  achtet  und,  wenn  es  nicht  anders  möglich  ist,  lie- 
ber auf  eine  abgerundete'*  Charakteristik  verzichtet,  als 
darauf  los  charakterisirt,  so  lange  man  noch  über  Schlag- 
wörter und  seltsame  EinföUe  verfllgt. 

Wenn  wir  nun  die  Zeit  ins  Auge  fassen,  da  Opitz 

Dasz  man  unter  Volksbüchern  allerdings  etwas  bestimmtes  zu 
verstehen  hat,  ist  hier  nicht  der  Ort^  zu  zeigen,  da  die  so  zu  be- 
zeichnende Eiächeinong  in  späterer  Zeit  ihre  charakteristische  Ausbil- 
dung findet. 

14 


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210  — 


.  in  Deutschland  zugleich  mit  seinen  Bestrebungen  Ar  an- 
dere Gattungen  der  Poesie  auch  den  Anstosz  zu  einem 
Aufschwünge  des  Homans  gab,  so  werden  wir  im  Allge- 
meinen sagen  mOssen,  dasz  günstige  Bedingungen  lAr  ei- 
nen guten  Stil  in  den  Prosadichtungen  keineswegs  fehlten. 
Zwar  laf^en  die  Verhältnisse  hier  nicht  so  vortheilhaft 
wie  in  Frankreich,  welches  in  mancher  Hinsicht,  vornehm- 
lich aber  wohl  dadurch,  dasz  eine  wohl  ausgebildete  ge- 
sprochene Sprache  von  der  der  Classicität  zustrebenden  Li- 
teratur bereits  Yorgefunden  wurde,  sehr  viel  Yoraus  hatte. 
Aber  die  ungefähr  hundert  Jahre  von  dem  Erscheinen  der 
Luthersclien  Bibelübersetzung  l)is  zu  der  Aufnahme  der 
Opitz ischen  Grundsätze  dürlteu  mehr  eifrige  Bestrebungen 
zur  Feststellung  eüies  guten  deutschen  Stüs  und  soviel 
wirkliche  Fortschritte  in  der  deutschen  Sprache  aufweisen, 
als  irgend  eine  andere  gleich  lange  Zeit  in  dem  Litera- 
turleben unseres  Volkes,  und  grade  in  der  Th&tigkeit  der 
Sprachgesellschaften  und  der  Opitzischen  Schule  erreich- 
ten diese  Bestrebungen  ihren  Höhepunkt,  wenigstens  was 
das  Bewusztsein  des  Zieles  und  die  Energie  und  Emsig- 
keit in  der  Anwendung  der  f&r  zweckdienlich  eraehtetoi 
]\üttel  anbelangt.  Freilich  waren  diese  Bemühungen  theils 
mit  der  eine  Schwäche  des  Jahrhunderts  ausmachenden 
Aeuszerlichkeit,  theils  mit  einem  Hange  zur  Ueberstflrzung 
behaftet,  aber  grade  der  sprachlichen  Seite  als  solcher 
schadete  die  erster e  weniger  als  den  anderen  Elementen 
der  dichterischen  und  schriftstellerischen  Production,  und 
der  Hang  zur  Ueberstttrzung,  der  sich  nur  bei  einzelnen, 
am  meisten  hei  Zesen,  geltend  machte,  hob  seine  Übeln 
Folgen  durch  seine  abstoszenden  Auswüchse  zum  groszen 
Theil  selbst  auf. 

Man  würde  ohne  jeden  Zweifel  den  Vertretern  des 


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—    211  — 


keroisdi-galMiten  Bomans  schweres  Unrecht  thnn,  wollte 
man  nicht  anerkennen,  daax  sidi  die  der  Entwickelnng 

des  stOistischen  Elements  in  der  deutschen  Literatur 
günstigen  Umstände  in  ihren  Erzeugnissen  wohl  erkennen 
lassen.  Nicht  allein,  weil  es  noch  genug  an  ihnen  zn  ta- 
deln giebt,  mnsx  die  lobenswerthe  Sprache  derselben  zu- 
erst hervorgehoben  werden,  sondern  auch,  weil  sie  das 
allen  am  meisten  gemeinsame  Merkmal  ist.  »^^ur  dieses 
soch^,  sagt  CholevioSiO  n^ar  allen  Dichtem  gemein,  dasz 
sie  mit  vaterländischem  Sinne  die  deiitsche  Poesie  auf 
eine  gleiche  Stufe  mit  den  p^epriesensten  Dichtungen  des 
Auslandes  zu  erheben  und  namentlich  der  unbeholfenen 
und  mit  fremden  Wörtern  entstellten  Muttersprache  ihre 
Beinheit,  Kraft  und  Schönheit  wiederzugeben  strebten.** 
Ich  möchte  allerdings  mit  Bezug  auf  weiter  oben 
Hervorgehobenes  (Cap.  IX,  S.  13)  lieber  nur  sagen, 
dasz  jene  Schriftsteller  durch  ihre  stilistische  Ge- 
wissenhaftigkeit die  Spraehmengerei  Ton  unserer  Gat- 
tung bis  an  das  Ende  des  Jahrhunderts  fem  ge- 
halten haben,  dies  vermindert  jedoch  ihr  Verdienst  nicht 
und  stellt  sie  Uber  Oh.  Weise,  der  von  einem  Theile  der 
Schuld  an  diesem  Unfug  nicht  wird  freizusprechen  sein. 
Wir  bemerken  von  Opitzens  Argems  bis  zu  i^ohensteius 
Aiminius,  wie  sehr  man  darauf  aus  war,  die  Sprache  nicht 
blos  in  grammatischer  Beziehung  consequent  nnd  regel- 
recht, sondern  auch  in  Hinsicht  auf  die  gleichmäszige  und 
vollständige,  dabei  aber  nach  dem  Grundsatze  der  be- 
stimmten Unterscheidung  der  Schriftsprache  von  den  Mund- 
arten*) geregelte  Verwendung  des  vorhandenen  Wort- 

s.  le. 

*)  ISb  i*t  mir  natttrlieh  so  wenig  al8  udAm  entgMigea«  daas  die 
Bpimohe  vnienr  SehrifttteUer  von  ProvliiGulisinen  nicht  to  rein  iit, 

14* 


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ichatses  auf  das  Genaueste  zn  behajMteln,  dem  Stil  dirok 
Satsban  und  Figuren  eise  ndiige  Wftrde  2»  wleÜMii  waA 

dem  Gedanken  einen  präcisen  und  klaren  Ausdruck  zu 
geben.  Wenn  ich  hoffen  darf,  dasz  mich  die  bunte  Viel«» 
heit  des  Materials  nicht  Terwini  hat,  mSchte  idi  das  ür- 
theil  aussprechen,  dasz  man  in  dem  letzteren  Punkte  am 
weitesten  gekommen  sei.  Logische  Mangelhaftigkeit  der 
einasehien  Begriffe  und  Vorstellungen,  Unklarheit  der  lo- 
gischen Beziehungen  zwisch^  diesen,  Worte,  weldie  nur 
den  Versuch,  einen  nicht  vollziehbaren  Gedanken  zu  den- 
ken und  die  Unfähigkeit,  zu  merken,  dasz  es  nicht  geht, 
ausdrücken,  finden  -wir  bd  den  hervorragenden  Roman- 
schreibern des  XVII.  Jahrhunderts  so  auffallend  wenig, 
dasz  wir  keinen  Anstand  nehmen  dürften,  sie  in  dieser 
Beziehung  vielen  unserer  neueren  und  neuesten  Novdüsten 
als  Muster  zu  empfehlen,  wie  sie  Moses  Mendelssohn  den 
Historikern  seiner  Zeit  empfohlen  hat. 

Freilich  musz  das  Lob,  welches  dem  Stil  unserer  Bo- 
mane  nicht  vorenttialten  werden  darf,  einigermaszen  einge- 
schränkt werden,  und  namentlicli  ist  der  ihnen  schon  öfter 
gemachte  Vorwurf  des  Schwulstes  aufrocht  zu  erhaltmiy 

das«  man  aneh  nicht  ein  eissigei  diese  Beiekhnmig  Terdiencodei 
Wort  in  ihnm  «ofitsbeiii  kSsnte,  das  JCaii  aber^  woiauf  ttch  diese 
BrseheiniiiigeB  besehiftiiken,  ist  ein  so  geringes,  dass  sie  eben  gegen- 
Üiber  dem  im  Text  ausgesprochenen  Urtheüe  nad  im  ffinbUek  auf 
meine  Angabe  ▼erscfawi&den.  Dass  schon  vor  langer  Zeit  die  Be- 
mfthnngen,  Provinoialismen  nadumwelsen,  bisweilen  das  xechte  Haas 
ttberscbritten«  beweist  Gebauer  in  der  Vorrede  snm  Arminias,  wo  er 
(S.  41)  «Kntce*  nnd  «Besitsthnm*  unter  die  SOesiasmen  reehnet.  Fttr 
die  Dialektlbiaehiing  haben  Ja  ohne  Zweifel  solche  venlnMlte  BIngib 
wenn  sie  andna  richtig  beobachtet  werden,  ihren  Werth.  Kieht  nn- 
terlassen  will  ich,  anf  die  an  derselben  Stelle  sich  findende  Bemer- 
keng Oebaneie  aafiaerkaam  sn  machen,  dass  «die  Fmacfcen  und  Scfale* 
sier  viel  gemein  haben,  das  der  Ober^Sacfaee  nicht  gebiaaehet  u.  s.  w.* 


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S13  — 


obgleidi  einerseits  geiiaa  a  bestimmeii,  aadererseite  nicbt 

auf  alle  hierher  gehörigen  Schriftsteller  ^leichmäszig  zu 
beziehen.  Beides  ist  nothwendig,  udi  ihnen  nicht  gegen- 
ftber  ihren  Eachgenoasen  in  der  neuesten  Zeit  Unrecht  zn 
ÜaoL  Dennes  wirdach,  weminnsaidi  hier  noch  nicht  ob- 
liegt, es  nachzuweisen,  zeigen,  dasz  der  Begriti'desSchwulstes, 
welchen  man  mit  Kecht  auf  jene  alten  Eizähler  anwendet, 
anch  auf  sehr  vieles  in  dem  Bomen*  und  NoTellenstile 
unserer  Zeit  paszt,  und  dass  manche  yon  ihnen  weit  we- 
niger schwülstig  schreiben  als  Leute,  die  jetzt  einen  nicht 
unbedeutenden  Namen  haben.  Schwulst,  dünkt  mich,  ist 
jedes  den  (piten  Qeschmack  yerletaende  Znyiel  des  sprach- 
lichen Anadnickes  im  Yerhftltniss  an  dem,  was  ansgfedrttckt 
wenlen  soll.  Auch  wiid  man  bei  einiger  Aufmerksamkeit 
auf  den  Stil  unserer  Eomane  sehr  leicht  eine  zweifache 
Art  dieses  Miaayerhiltnisses  nnterscheiden  können.  Es 
wird  nimlich  bald  zn  vielerlei  gesagt,  bald  zn  viel,  das 
heiszt,  es  werden  theils  zu  viele  Ausdrücke  gehäuft,  um 
dem  Leser  ttnen  Gedanken  oder  eine  Vorstellong  mitzn- 
theüen,  theils  Ansdrttcke  gewSklt,  welche  den  der  bsMidi- 
neten  Vorstellung  entsprechenden  Grad  der  Intensität 
fkbersteigen.  Beispiele  für  diesen  qualitativen  und  jenen 
quantitativen  Schwuhit  finden  sich  fsst  auf  jeder  Seite  bei 
Ziegler  imd  Lcdienstein  so  hänfig,  dasz  iA  mich  begnüge 
an  die  Worte,  womit  jener  seine  Banise  beginnt,  „Blitz, 
Donner  und  Hagel"*  zu  erinnern  und  darauf  hinzuweisen, 
dasz  die  Grenzen  der  qnantitativen  Art  bei  Mianem  von 
der  Gelehrzamkeit,  wie  die  hervorragendsten  unter  den 
Vertretern  des  heroisch-galanten  Romans  waren,  auszer- 
ordentlich  weit  sein  muszten  und  diese  Art  ebensogut  wie 
die  andere  leicht  zu  an  sieh  selbst  geschmacklosen  oder 
wenigstens  fsniliegenden  mi  seltsamai  AnsdrüctaBn  führte. 


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—    214  — 


Wir  werden  weiter  unten  die  Beweise  dafür  antreffen, 
dass  diese  Stilfehler  den  Zeitgenessen  nnd  den  wenig 

später  Lebenden  keineswegs  ganz  entgangen  sind,  wenn 
wir  aber  auch  bei  sonst  gewisz  verständigen  Männern, 
wie  Thomasias  nnd  anderen,  eine  uns  auffallende  Blindheit 
gegen  dieselben  finden,  so  liegt  der  Gkvnd  wohl  thefls 
in  der  allzngroszen  Bewunderung  ffir  ,,curiöse  Gelehi-sam- 
keit'',  theils  in  dem  schon  berührten  Mangel  einer  wirk- 
lich gnten  Umgangssprache  —  gradeso  wie  jetit  unsere 
geschmacklose,  nnreine,  imlogische  nnd  mit  barbarischen 
Uebertreibnngen  überladene  Salonsprache  oft  den  Stil  der  Un- 
terhaltungsschriftsteller verdirbt.  Doch  haben  wir  auf  die 
Urtheile  der  Zeitgenossen  noch  snrttckzakommen  nnd  wol- 
len nns  nicht  weiter  bei  ihnen  aufhalten,  aber  nicht  Über- 
gangen darf  werden,  dasz  die  Fehler,  von  denen  wir  eben 
reden,  grade  den  Stil  der  Männer,  welche  den  Höhepunkt 
in  der  £ntwickelung  des  heroisch-gaUnten  Bomans  dar- 
stellen, nnrergleichlich  mehr  ^twerthen  als  den  ihrer  Yorgftn- 
gcr  bis  Anton  Ulrich,  obgleich  keiner  der  deutschen  Original- 
romane,  welche  wir  besprochen  haben,  davon  ganz  frei  ist 
Denn  ganz  frei  von  Schwulst  ist»  die  Uebersetzungen  mit 
eingerechnet,  nur  Opitzens  Argenis,  und  nach  dieser  kom- 
men, um  der  Wahrheit  die  Ehre  zu  geben,  die  Ueber- 
setzungen Zesens  aus  dem  Französischen.  Bekanntlich 
schreibt  man  die  Verderbnis  des  Geschmackes  und  Stils 
bei  der  Gruppe  von  Dichtem,  welche  man  als  die  zweite 
Schlesische  Schule  bezeichnet  und  zu  der  Lohenstein  und 
Ziegler  gehören,  der  Einwirkung  der  Italiener  zu.  Die 
Thatsache  der  Einwirkung  steht  auszer  Zweifel,  und  uns 
liegt  auch  in  den  Schriften  Loredanos,  Pallavicinis  und 
der  anderen  im  vorigen  Gapitel  genannten  genug  Material 
vor»  sie  im  Einzelnen  zu  beobachten»  aber  den  Italieneni 


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215 


und  überhaupt  den  Ausländern  die  Schuld  zuzuschreiben, 
ist  unbillig  und  nnhistorischf  die  deatschen  Schrift- 
BteUer  des  XVII.  Jahrhnnderts  sind  fttr  ihren  Sehwnlst 

ebensowohl  selbst  und  allein  verantwortlich  zu  machen,  wie 
f&r  alle  anderen  Unarten  und  Mängel  ihrer  Darstellung. 
Doch  w^den  wir  uns  nun  von  der  sprachlichen  Dar* 

st^llunp:  zu  der  künstlerischen  oder  dichterischen  Behand- 

• 

long  der  verschiedenen  anderen  Formelemente  unserer  Ro- 
maney zn  welchen  die  ilber  das  Schwülstige  des  Stils  ge* 
machten  Bemerkungen  nns  insofern  überleiten,  als  eine 
Anzahl  der  untei*  dem  Namen  des  Schwulstes  zu  begrei- 
fenden Erscheinungen  das  Gebiet  des  rein  Sprachlichen 
sdion  theilweise  flberschritten,  besonders  aber,  weil  sich 
in  dem  Schwulste  des  Stils  melirere  Hauptfehler  der  ei- 
gentlichen künstlerischen  Composition  auf  das  deutlichste 
wiederspiegeln. 

Hierher  gehört  nun  vor  allen  andern  das,  was  auch 
in  der  Keihe  der  die  künstlerische  Composition  bedingenden 
Momente  als  das  allgemeinste  an  die  erste  Stelle  gehört^ 
nftmlich  der  Plan  oder  die  Disposition  des  Ganzen.  Hier- 
bei handelt  es  sich  hauptsächlich  um  drei  Dinge,  die 
Anfeinanderlblge  der  einzelnen  Theile  der  £rz&hlung,  die 
Art  der  Elemente,  welche  nicht  eigentlich  erzählende  sind, 
und  die  Griiszenverhältnisse  der  einzelnen  Theile  der  gan- 
zen Bomane  zu  einander. 

Es  wird  sich  bei  einiger  Aufinerksamkeit  dem  Leser 
unserer  heroisch-galanten  Romane  sehr  bald  zeigen,  dasz 
das  Verfahren  ihier  Verfasser  in  allen  drei  genannten 
Punkten  in  yerschiedener  Weise  mit  dem  gröszeren  oder 
geringeren  Umfange  ihrer  Erzeugnisse  zusammenhing.  Wir 
haben  vorzugsweise  sehr  umfangreiche  Werke  zu  erwähnen 
gehabt,  aber  auch  solche,  welche  das  gewöhnliche  Masz 


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—   216  — 


nicht  überschreiten  und  keineswegs  in  ihi-er  Ausdehnung 
einen  Grund  zur  mangelhaften  Uebemchtlichkeit  an  sich 
trugen,  liegen  uns  vor.  Hienn  gehören  alle  Zesenachen 
Bomane  nnd  Zieglers  Banise.  Es  liegt  auf  der  Hand, 
dasz  Zesen,  noch  mehr  aber  Ziegler,  nach  der  auch  von 
Huet  ausdrücklich  aufgestellten  Eegel  verfuhien,  wonach 
der  Boman  denselbeii  Gesetaea  wie  das  Heldengedicht  an 
gehorchen  hat,  nnd  dadnrch  haben  ihre  Werke  nicht  allein 
einen  mäszigen  Umfang,  sondern  auch  festere  innere  Glie- 
derung und  grössere  einheitliche  Greschlossenheit  erhalten. 
Die  einzelnen  Theile  der  Enählong  sind  gemXss  den  Be- 
geln,  welche  man  aus  Virgil  nnd  Homer  zog,  und  schon 
lange  gezogen  hatte,  angeordnet.  Der  Anfang  musz  uns 
mitten  in  die  Bewegung  hinein  führen,  einzeltte  OTheile 
werden,  weil  sie  nachznhden  sind  nnd  Schauplata  nnd 
Zeit  niclit  allzuoft  gewechselt  werden  sollen,  den  auftre- 
tenden Personen  in  den  Mund  gelegt,  und  es  wird  durch 
die  Anordnung  der  verschied^en  Begebenhdten  auch  da* 
Ar  gesorgt,  dasz  Hauptpersonen  nicht  zn  iqAt  auf  and 
nicht  zu  zeitig  abtreten.  Ebenso  deutlich  ist  aber,  dasz 
Bttchhoitz,  Anton  Ulrich  und  Lohenstein,  die  ihren  Ko- 
manen  einen  den  der  yorhin  genaimten  mehrfadi  Uber- 
treffenden  Umfang  gaben,  anders  verfahren  sind,  und  die 
Bemerkung  von  Cholevius,  dasz  sich  die  Yeifasser  der 
Geschichtsromane  an  die  Historiker  anlehnten,  ist  nnzwei- 
Mhaft  richtig.  Audi  der  Einfloss  des  Tacitas,  dem  Cho* 
levius  die  episodische  Anordnung  des  Planes  zuschreibt, 
ist  nicht  zu  bestreiten,  da  es  gewisz  ist,  dasz  die  An- 
nalen  des  Taeitos,  mit  denen  Lohenstein  «nd  Antm 
Ulrich  sich  viel  zi  thnn  machten,  als  Muster  fllr  dw 
Plan  von  Romanen  nicht  günstig  ^nrken  konnten.  Aber 
auch  darin  hat  Cholevius  Becht,  dasa  er  der  Behauptung 


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—    217  — 

lunsichtlicli  des  Uiats&ctüiGlien  EinfloBieB  des  Tacitus  eis 
„Vielleicbt*'  IdnsnaetKt,  denn  es  wird  nicht  an  beweisen 

sein,  dasz  man  mit  Bewusztsein  dem  Beispiele  dieses 
Schriftstellers  gefolgt  sei.  Die  Katar  des  Stoffes,  der  Um- 
stand, dasz  jedes  Werk  Loh^teins  nnd  Anton  Ulrichs  ganz 
gut  in  mehrere  Romane  zerlegt  werden  könnte,  brachte  ein 
solches  Yerfiihren  von  selbst  mit  sich,  und  die  Verfasser  der 
Amadise,  dünkt  mich,  machten  es  genau  ebenso.  Wie 
soliten  sie  es  auch  anders  machen?  Wo  eben  zwei,  drei, 
vier  nnd  mehr  weitsehweiüge  Geschichten  neben  nnd  mit- 
einander erzählt  werden  sollen,  kann  man  nicht  anders 
als  die  Hanpthandlung  oder  richtiger  die  mehreren  Haupt- 
handlmigen  zerat&ckelt  und  oft  unterbrochen  vortragen. 
Nun  kann  der  Historiker  zu  seiner  Rechtfertigung  anfUiren, 
dasz  sich  die  Begebenheiten  einmal  so  zugetragen  haben, 
zumal  wenn  er  ausdrücklich  sagt^  dasz  er  Jahibücher 
sehreiben  will,  der  Romanschreiber  aber  zerstflckelt  den 
Faden  der  Erzählung  ohne  Noth,  weil  ihn  kein  innerer 
Grund  zwingt,  mehrere  Erzählungen  in  eine  zusammen- 
zustellen, und  seine  Methode  unterscheidet  sich  von  der 
des  Chronisten  nur  dadurch,  dasz  seine  G^hichten  ein 
mehr  gleichzeitiges  und  gleichartiges  durch  mehr  ästhe- 
tische und  moralische  Gründe  bestimmtes  Ende  erreichen. 
Anton  Ulrich  dttrfte  es  in  dieser  Beziehung  wohl  am 
ärgsten  gemacht  haben,  wenigstens  scheint  mir  die  Leo- 
türe seiner  Romane  deshalb  ermüdender  zu  sein  als  die 
der  anderen,  weil  er  einen  von  Anfang  an  die  Weitschich- 
tigkeit  seines  Planes  fühlen  lAszi  Man  bnweht  gar  nicht 
viel  von  der  Odavia  in  lesen,  um  den  Efatdruck  zu  be- 
kommen, dasz  man  es  mit  einem  wahren  Monstrum  von 
Geschichte  zu  thun  hat  Von  einer  epischen  Architek- 
tonik kitnn  also  bei  diesen  grosMu  Bomaaen  keine  Bede 


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—    218  — 


mehr  sein,  schon  wenn  man  danmter  allein  die  Anfeinan- 
derfolge  der  emseliimi  Theile  der  wirklichen  Erzählnng 
versteht. 

Um  aber  nicht  ungerecht  zu  sein,  mi\ssen  wir  an  die- 
ser Stelle  einen  vergleichenden  Blick  auf  die  in  Capitel 
IX  vorgefthrten  Uebersetznngen  und  Bearbeitangen  der 
piearesken  Romane  der  Spani^  werfen.  Wir  machen  dann 
sogleich  die  Bemerkung,  dasz  von  Opitzens  Argenis  ab  die 
in  Jenen  das  einzige  architektonische  Princip  ansmachend» 
blosze  Aneinanderrethnng  von  Abentenem  ohne  weitere 
Verbindung  als  durch  die  Person  des  Helden  aus  dem  Ge- 
biete des  deutschen  Kunstromans  verbannt  ist.  Dadurch 
scheidet  sich  dieses  Gebiet  deutlich  von  d^  epischem 
Methode  nicht  allehi  jener  angeeigneten  Litenitiir,  sondern 
auch  von  der  Kunstlosigkeit  der  volksthümlichsten  deut- 
schen Original  Prosadichtungen  des  XYI.  Jahrhunderts  wie 
Enlenspiegel,  Faust,  Schildbürger  und  kn&pft  an  die  ein*^ 
heitlichere  Darstellnngsweise  der  damals  aus  dem  Fran- 
zösischen eingeführten  Ritterbücher.  Wicki-ams  und  der 
Amadisgeschichten  an.  Weiterzultihren  werden  wir 
diese  Erörterung  erst  dann  haben,  wenn  uns  Grim- 
melshausens Schriftstellerei  mit  den  verwandten  Ihv 
sclieimmgen  vorliegen  wird,  wobei  natürlich  auf  die  spa- 
nischen Abenteurerromane  nochmals  zurückzukommen  ist 

Noch  mehr,  als  eben  gezeigt  ward,  tritt  das  ünepische 
der  heroisch-galanten  Romane,  namentlich  der  umfang- 
reichen, liervor,  wenn  man  die  Art  und  die  Verwendung 
der  Bestandtheile  in  Betracht  zieht,  welche  nicht  eigent- 
lich Erzählung  von  Begebenheiten  und  Handlungen,  son- 
dern Beschreibung,  Darlegung  von  ^yreinungen  oder  Mit^ 
theilung  von  gelehrten  oder  sonstigen  Kenntnissen  sind. 
Hier  hört  jedes  Masz,  jede  beschränk^de  Eucksicht  auf, 


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—   219  — 

■ 

und  wenn  es  Lohenstein  in  der  Anbrinffong  Ten  ganz 

ond  gar  mit  der  Greschichte  nicht  zusammenhängenden 
Beigaben  am  weitesten  zu  treiben  scheint,  so  rührt  da« 
doch  wohl  nnr  daher,  dass  er  ein  grtaerer  Polyhistor 
als  Bnchholtz  nnd  Anton  Ulrich  war.  Ein  grosser  ün- 
tersrhied  zwischen  den  lancren  Geschichtsromanen,  welche 
den  Begriff  des  heroisch-galanten  Romans  am  vollkom- 
mensten yerwirklichen,nnd  den  Werken  Zesens  ist  hier  aber 
nicht  wahrzunehmen,  denn  im  TeriiSltniss  zum  ümfiuig  des 
Ganzen  hat  dieser,  seiner  Rosemund  wenigstens,  weit  mehr 
Fremdartiges  und  dies  ebenso  wenig  geschmackvoll  ein- 
yerleibt  wie  Lohenstein,  in  der  Assenat  und  im  Simeon 
hat  er  etwas  mehr  Masz  gehalten,  und  was  Ziegler  be- 
trifft, so  kann  man  nur  sagen,  dasz  ihn  eine  weit  leich- 
tere Bürde  an  Gelehrsamkeit^)  wohl  ebenso  kOnne  Tor 
üeberladnng  mit  gelehrtem  Kram  bewahrt  haben  wie  rich- 
tiger Tact,  obwohl,  ganz  objectiv  genommen,  der  Banise 
dieser  Mangel  als  ein  nicht  unbedeutender  Vortheil  anzu- 
rechnen ist.  Wir  werden  aber  bald  sehen,  dasz  jene  Zeit 
Über  die  nicht  erzählenden,  ja  überhaupt  gar  nicht  mit  den 
erzählenden  Theilen  zusammenhängenden  Abschnitte  der 
Romane  ganz  andere  dachte  als  wir,  dasz  sie  vielmehr  ge- 
neigt war,  grade  das,  was  nns  bei  Lohenstein  sehr  ge- 
schmacklos scheint^  als  einen  besondmn  Vorzug  zu  preisen. 

Was  nun  das  Gröszenverhältnisz  der  einzelnen  Haupt- 
theile,  in  die  jeder  Roman,  wie  eine  Geschichtsdarstellong 
in  Perioden  oder  Bpochen,  «zerfimt,  anbelangt,  so  mnsz 
man  billiger  Weise  anerkennen,  dasz  die  Verfasser  der 
uns  jetzt  beschäftigenden  AVerke  im  Allgemeinen  den  Vor- 
wurf nicht  verdienen,  die  verschiedenen  Abschnitte  ihrer 

*)  Zu  hcacbtt'U  düi-ftp  sein,  dasz  Zicgler  in  seinen  späteren  Wer- 
ken die  Curiosität  seiner  Zeitgenosäen  reichlicbät  entnchädigt  hat. 


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—   220  — 

JSn&hlangeii  MiwhältniwmftHasig  imd  mit  Wilikfir  » 
gleich  bemessoi  und  behandelt  sa  haben.  Yielmdir  klSii^ 

nen  wir  den  hervorragenden  unter  ihnen  das  Lob  erthei- 
len,  dasz  sie  von  Anfang  bis  zu  Ende  dasselbe  Tempo 
•  halten  und  weit  mehr  als  viele  ErzAhler  der  neuesten 
Zeit  An&ng,  Mitte  und  Ende  ihrer  Weike  gleichniAssig 
ausgeführt  haben.  Zesen  Ireilich  musz  man  hier  ausneh- 
men. Man  sieht  deutlich,  dass  er  es  von  seinem  gans 
snbjectiven  Belieben  ahhftngen  lisst,  ob  er  schnell  nnft 
trocken  sldnenhaft  Uber  eine  ErsAhlang  oder  Schildenmg 
weggeht  oder  dabei  länger  verweilt,  ja  sie  mit  einer  un- 
nöthigen  Ausfohrlichkeit  darstellt.  Doch  tritt  dieser  Eelh 
1er  in  seinem  Erstlingswerice»  der  Bosenrand,  mehr  hervor 
als  in  den  späteren.  Zieht  man  jedoch  die  Behandlung 
nicht  der  gröszeren  Abschnitte,  sondern  die  der  kleineren, 
der  einielnen  äitnfttionen,  der  einiehien  Momente  der  er- 
sählten  Handlangen,  der  einsetaien  Oertüchkeiten  nnd  Ne- 
bennmstände  in  Betracht,  so  ist  nicht  zu  verkennen,  dasi 
denRomanschreibem  desXVU.  Jahrhunderts  im  Allgemeinen 
nicht  allein  die  Eihi^^rait  mangelt,  die  bedentsamstenSitaa- 
tionen,  die  folgenschwersten  nndinteressantestenAngenblidce 
der  Handlungen,  dieeinfluszreichenundden  Gang  der  Begeben- 
heiten bestimmenden  Üertlichkeiten  und  Umstände  klar  zu 
erkennen  nnd  von  don  weniger  Wichtigen  zn  nnterschei- 
den,  sondern  dasi  ihnen  anch  die  Konst  abgeht,  solche  Ele- 
mente durch  besonders  lebhafte,  anschauliche,  wirkungs- 
nad  spannungsvolle  Darstellung  hervorzuheben.  Michd&nkt 
wenigstens»  dass  ihre  Knnst  hierin  weit  hinter  einer  grosM 
Menge  der  besseren  Partien  im  Amadis  znrtckst^t 
Merkw&i'diger  Weise  bildet  hier  wieder  Zesen,  der  bei 
weitem  am  meisten  poetisch  begabte  von  allen,  eine  Ans- 
nahme,  er  erzählt  nnd  schildert  manfJimal  wirklich  plaatis^ 


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■id  nit  Sinn  ^  die  Bedeutung  auch  von  Kleinigkeiten, 
womit  nidit  gesagt  sein  soll,  dasz  ihn  dieser  Sinn  nicht 
auch  manchmal  pranz  und  ^ar  verläszt. 

Was  —  wenn  man  so  sap^en  darf  —  die  Substanz 
der  einielnra  Ereignisse  und  Begebenheiten,  welche  in 
nseren  Bomanen  wohl  oder  ttbel  za  Ganzen  Tereinigt 
werden,  betrifft,  so  ist  im  Allf^emeinen  darüber  dasvselbe 
zu  sagen,  was  schon  im  letzten  Capitel  des  vorhergeheudeu 
Bandes  von  ihren  französischen  Mustern  ausgesprochen 
worden  ist,  und  henronsoheben,  dasz  sie  im  Yergleiche  zu 
den  erzählenden  l'uterhaltungsschriften,  welche  ihnen  das 
Feld  räumen  muszten,  dem  Phantastischen  und  Wunder«» 
baren  weniger  Baum  gewähren.  Dies  hing,  abgesehen  von 
der  Einwirkung  des  französischen  heroisch-p:alanten  Ro- 
mans, auch  mit  der  von  Opitz  und  seineu  Anhängern  gel- 
tend gemachten  Geistes-  und  Geschmacksrichtung  und  der 
Entstehung  der  Werke  in  norddeutschen  und  protestan« 
tischen  Kreisen  zusammen.  Auch  in  einer  anderen  Be- 
ziehung zeigt  sich  bei  der  Mehizalil  der  französische  Ein- 
iisz,  wohl  aber  noch  verstärkt  durch  dgene  Un^higkeit, 
Mass  zu  halten  und  Stoff  und  Form  in  rechtes  Ebenmasz 
zu  bringen,  nämlich  in  der  Verschwendung:,  die  mit  Ereig- 
aissen  getrieben  wird.  Dieser  Vorwurf  fällt  mit  der  wei« 
tor  oben  gemachten  Ausstellung,  dasz  der  allzugrosze  Um- 
üuig  und  der  zu  massenhafte  Stoff  eine  den  Gatzen  der 
fischen  Dichtung  entsprechende  Aichitektonik  unmöglich 
£;emacht  habe,  nicht  zusammen,  denn,  auch  wenn  man  die 
«inzehien  Qeschichten,  welche  bdi  Buchholtz,  Anton  ül- 
jich  und  Lohenstein  in  einander  verflochten  sind,  fttr  sich 
betrachtet,  wird  mau  sehr  leicht  bemerken,  dasz  diese 
&hnftsteller  mehr  geschehe  lassen,  als  für  die  Ueber« 
«GhtKchkeit  der  Erzählung  Tortheilhaft  ist,  dasz  viele 


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Begebenheiten  eben  so  lose  mit  dem  Gange  der  Geschichte 
zusammenhängen,  wie  die  Gespräche  und  Beschreibiuigen, 
und  dasz  sie  uns  dnrch  den  Bericht  Aber  ein  Eragmsi 

oft  den  Charaktt^r  der  Personen  von  ganz  derselben  Seite 
zeigen,  wie  wir  Ilm  schon  mehrere  Male  gesehen  hab^ 
ja  dasz  nnser  Interesse  dnrch  die  Begebenheiten  von  den 
Personen  abgelenkt  wird.  Vielleicht  ist  es  gestattet,  hier 
das  Beispiel  Walter  Scotts  heranzuziehen,  denn,  wenn  auch 
das,  was  er  gewollt  und  geleistet  hat,  mit  unseren  heroisch- 
galantenBomanensonstnicht  verglichen  werden  kann,80  haben 
wir  grade  in  ihm  einen  Bomanschreiber,  der  bei  der  gröszten 
Fülle  von  thatsächlichem  Stoff  stets  das  inleret;se  für  die 
Begebenheiten,  Verhältnisse,  Zustände,  ja  für  die  Gebäude, 
Waffen  und  Kleidungen,  die  er  schildert,  von  unsiererTheOr 
nähme  an  den  Menschen,  die  er  uns  voi-führt,  abzuleiten 
weisz. 

Hierdurch  werden  wir  unmittelbar  auf  den  Punkt 
geflUirt,  der  gewöhnlich,  in  unserer  Zeit  wenigstens,  von 

der  Theorie  und  Kritik  als  der  wichtigste  angesehen  wird, 
auf  die  Eutwickelung  der  Charaktere.  Der  Kaum  ge- 
stattet mir  nicht,  eine  Auseinandersetzung  mit  den  gegen- 
wärtig geltenden  oder  wenigstens  vielbesprochenen  An- 
sichten über  die  Wichtigkeit  der  Charakterdarstellung  im 
Homan  zu  versuchen,  und  darum  will  ich  nur  andeuten, 
dasz  man  nach  meiner  Meinung  hierin  jetzt  oft  zu  weit 
geht  und  solchen  Personen  hochentwickelte  Charaktere 
verleiht,  die  nach  von  keiner  Kunst  und  Poesie  zu  über- 
sehenden natttrlichen  und  unwandelbaren  Gesetzen  keinen 
Charakter  haben  können.  Hiemach  wird  man  meinem 
Urtheil  keinen  falschen  Maszstab  unterlegen,  wenn  ich 
die  Charakterdarstellung  in  den  uns  beschäftigenden  Ho- 
manen  des  XVIi.  Jahrhunderts  als  äuszerst  schwach  und 


s 


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—   223  — 


jnisilmigen  bezeichne.  Auch  dieser  Mangel  ninunty  je 
nfther  die  Gattnng^  ihrem  Höhepunkte  in  dieser  Epoche 

kommt,  nicht  ab,  sondern  zu.  Bei  Zesen  finden  sich  mehr 
oder  minder  gute  Ansätze,  in  der  Assenat  sogar  mehr  als 
Ansitze  zn  einer  Kunst  der  GharakterdarsteUung,  bei  den 
anderen  kaum  das  Bewusztsein  von  ihrer  Nothwendigkeit, 
wenn  man  auch  zugestehen  musz,  dasz  Anton  Ulrich  und 
Ziegler  in  dieser  Hinsicht  etwas  mehr  leisten  als  Buch- 
holtz  nnd  Lohenstein.  Allerdings  kann  man  unter  der 
Kunst  der  Charakterzeichnung  im  Roman  verschiedenes 
vei-steheu,  wenigsleus  hat  man  darunter  z.  B.  die  rein 
logische  Consequenz  verstanden.  Um  diese  zu  wahren, 
darf  eine  Bomanfigur  sich  nicht  so  aufffthren»  dasz  ihr 
Betragen  der  schulrichtig  gebildeten  Definition  einer  ihi* 
einmal  beigelegten  moralischen  Eigenschaft  widersi)richt. 
Dies  leisten  Buchholtz,  Ziegler  und  Lohenstein  allerdings, 
die  Bösewichter  wie  auch  die  Tugendhelden  handeln  mit 
erstaunlicher  Genauigkeit  nach  ihrer  Instruction.  Aber 
meines  Erachtens  kann  man  grade  aus  den  Romanen  je- 
ner Männer  sehr  leicht  lernen,  dasz  in  dieser  abstracten 
Folgerichtigkeit  die  Kunst  der  Gharakterzeiehnung  ganz 
und  gar  nicht  besteht.  Denn  abgesehen  davon,  dasz  in 
4er  Wirklichkeit  die  Menschen  weder  so  bdse  und  so  gut 
aindy  wie  sie  von  ihnen  dargestellt  werden,  noch  Über- 
haupt in  gute  und  böse  Menschen  zerfallen,  so  fehlt  den 
Verfassern  der  heroisch-galanten  Romane  die  Jb'äliigkeit, 
ihre  Charaktere  als  lebenswahre  und  wirkliche  darzustellen^ 
weil  ihnen  die  Einsicht  fehlt,  dasz  dies  nöthig  sei,  und 
weil  sie  glauben,  man  könne  das  Leben  schildern,  ohne 
es  aus  eigener  Erfahrung  zu  kennen,  oder  man  könne  w  e- 
nigstens ein  solches  Leben  schildern,  welches  man  nicht 
kennt  Es  war  wohl  zum  grOszten  Theile  die  Blindheit 


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—   224  — 


des  Gelehrtendünkels,  welche  einen  Lohenstein  und  Bach- 
holts  annehmen  liesz,  man  brauche  za  einem  Bomane  nu* 
einen  Stoff  aus  der  Geschichte  und  antiquarische  Kennt- 
nisse zur  Beschreibung  von  Zuständen  der  Epoche,  in  der 
die  £rzählnng;  spielt,  so  wie  sonstige  Gelehrsamkeit  snr 
gelegentlichen  Belehrung  der  Leser,  was  aber  anszerden 
an  i^ersonen  und  an  Zügen  der  gegebenen  Personen  noch 
nötliig  zei,  das  könne  man  einfach  nach  den  in  der  Schule 
gelernten  Kegeln  der  Bhetorik  und  Logik  erdichten.  Bei 
Lohenstem  zeigt  sich  dieser  Fehler  am  grellsten.  Mftssen 
nicht  die  Füi-sten  und  Prinzessinnen  im  Arniiniiis  die 
Collectaneen  ihres  Schöpfers  gradezu  auswendig  gelernt 
haben,  um  sie  in  ihren  Unterhaltungen  nuyerdant  wieder 
von  sich  zu  geben?  Zu  dem  Verffthrungsplane,  den  Sen- 
tia  gegen  Bojacal  schmiedet,  musz  sie  eine  Disposition  am 
Schreibtisch  gemacht  haben,  und  bei  jeder  Gelegenheit 
kann  man  ünmer  wieder  sehen,  dass  Logik  und  Bhetorik 
die  Personen  nicht  allein  bei  ihren  Worten,  sondern  auch 
bei  ihren  Handlungen  leiten,  so  deutlich  trägt  alles  den 
Stempel  des  ohne  Bttcksicht  auf  die  Wirklichkeit  £r« 
dachten  an  sich.  Wie  unglaublich  albmi  ist  die  Schil« 
derung  der  Lebensart  und  Lehrmethode  Aristipps!  Man 
mag  von  Wielands  Ariätipp  sagen,  was  man  will,  man 
wird  gestehen  mflssen,  dasz  sich  an  der  Auifossung  die- 
ses Mannes  bei  Lohenstdn  und  bei  Wieland  der  ganse 
Fortschritt  eines  Jahrhunderts  trefilich  exemplificiren  läszt 
Wie  lächerlich  wird  es,  wenn  Lohenstein  die  Personen, 
die  er  durdi  haarsträubende  Schicksale  in  den  höchsten 
Affect  zu  bringen  weisz,  so  reden  läszt,  wie  nur  ein  ge- 
lehrter Pedant  —  niclit  etwa  ex  tempore  reden,  nein 
höchstais  in  seinem  Studierzimmer  schreiben  kann! 

Wenn  man  femer  auch  die  Fähigkeit,  die  eigene 


I 


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—   825  — 


sitüiche  Weltanschaanngr  in  den  Charakteren,  die  handelnd 

anftreten,  zur  Geltung  zu  bringen,  zu  der  Kunst  der 
Cliarakterzeichnung  rechnen  musz,  der  Inhalt  der  eigenen 
sittlichen  Weltanachannng  des  Yer&ssers  dagegen  an  sich 
noch  nicht  diese  Fähigkeit  begründet,  obwohl  bedingt,  so 
wird  man  auch  von  diesem  Gesichtspunkte  aus  sehr  bald 
sehen,  wo  es  den  Koryphäen  des  heroisch-galanten  Ro- 
mans fehlt  Weniger  meines  Erachtens  an  einer  ausge- 
prägten sittlichen  Weltanschauung  selber,  denn  davon  geben 
sie  genug  Beweise,  sie  zeigen  groszen  Abscheu  gegen 
das  Schlechte  nnd  Anerkennung  für  das  Gute,  sie  loben 
die  gnten  nnd  fh»mmen  Menschen  nnd  verdammen  die 
bösen  und  gottlosen.  Vaterlandsliebe,  Treue,  (Trusznuith, 
Standhaftigkeit,  Keuschlieit  werden  gepriesen,  die  entge- 
genstehenden Fehler  und  Laster  mit  den  schwärzesten 
Farben  gemalt,  aber  sie  wissen  weder  wirkliche  Menschen 
mit  solchen  sittlichen  Qualitäten  zu  schildern,  noch  zu 
zeigen,  welcherlei  Ursachen  sie  ei'zeugen  und  welche  Fol- 
gen sie  im  wirklichen  Leben  nach  sich  ziehen.  Einen 
klaren  Begriff  von  den  sittlichen  Regeln,  welche  ihnen 
durch  Erziehung  und  Unterricht  beigebracht  waren, 
mochten  Lohenstein  nnd  seine  Fachgenossen  haben,  Ein- 
sicht in  die  Znsammenhänge  der  sittlichen  Erscheinungen 
des  menschlichen  Lebens  hatten  sie  nicht.  Sie  haben, 
kann  man  zusammenfassend  sagen,  an  ihren  Romanfiguren 
alles  das  gut  gemacht»  was  sich  durch  Gelehrsamkeit  und 
Nachdenken  eines  Gelehrten  machen  läszt»  und  damit  läszt 
sich  erreichen,  dasz  die  einzelnen  Charaktere  nicht  sich 
selbst  widersprechen  und  dasz  die  verschiedenen  Charak- 
tere auch  verschiedene  abstracte  Gnindeigenschaften  zei- 
gen. Was  ein  guter  Geschmack  und  feiner  Schönheits- 
sinn dazu  thun  musz,  ist  schon  in  sehr  beschränktem  Masze 

15 


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226  — 


zu  finden,  die  Tugend  tritt  pedantisch  oder  übermensch- 
lich, das  Laster  yiehisch  an!  Was  endlich  zur  Chank- 
terdarstelliing  die  Kenntnisz  der  mensdilichen  Natur  und 

des  menschlichen  Lebens,  durch  eigene,  unmittelbare  Er- 
fahi'uug  erworben,  zu  liefern  hat,  darin  sind  die  Leistun- 
gen der  Blftthezeit  unserer  Gattung  im  XVII.  Jahrhnn* 
dert  gradezu  kläglich,  und  hiernach  zieht  sich  die  Summe 
des  poetischen  Unwerthes  ihrer  Menschenschildeiiing  von 
selbst. 

Wenn  ich  schliesslich  den  Erörterungen  tber  diesen 
Punkt  hinzufüge,  dasz  ich  den  Maszstab  der  BeutheOung 

aus  den  Werken  der  Komanschriftsieller  nehme,  welche  all- 
gemein als  die  bedeutendsten  Meister  ihrer  Art  anerkannt 
werden,  ans  einem  Genrantes,  Fielding,  GOthe,  anf  die  ich 
jeden  Gebildeten  verweisen  kann,  so  darf  mir,  dünkt  mich, 
nicht  eingewendet  werden,  dasz  ich  einen  modernen  und 
als  solchen  unzulässigen  Maszstab  anl^e,  denn  es  ist  ge- 
nau derselbe,  nach  welchem  gemessen  Grimmelshausen,  der 
Zeitgenosse  aller  der  eben  in  Kede  stehenden  Männer, 
als  ein  vortreflflicher  und  einsichtsvoller  Künstler  erscheint. 
Doch  ist  hier  auf  das  sehr  lehrreiche  Yerh&ltnisz  Grim- 
melshausens  zu  den  heroisch-galanten  Bomanschreibem 
nicht  weiter  einzugehen,  wir  weisen  bei  der  Betrachtung 
dieses  einzigen  Dichters  unserer  Gattung,  dessen  Werke 
den  literarischen  Modegeschmack  überdanert  hab^  noch 
anf  seinen  groszen  Unterschied  von  den  jetzt  uns  beschftf- 
tigenden  Fachgenossen  zurückkommen.  Um  diesen  in 
keiner  Beziehung  zu  nahe  zu  treten,  sei  in  Bezug  auf 
ihre  schon  gewürdigten  sittlichen  Grundsätze  noch  be- 
merkt, dasz,  wie  Cholevius  mit  Recht  hervorgehoben  hat, 
in  dieser  Hinsicht  ein  gioszer  Fortschritt  von  den  Ama- 
disen  zn  unsem  heroisch-galanten  Bomanen  vorhanden  ist 


1 


Man  kann  anerkennen,  dasz  die  Verfasser  derselben  ahn- 
Uak,  dass  ein  tiefes  Interesse  an  den  Personen  nnd  Be* 
gebenheiten  eines  Romans  nnr  ein  sittliches  sein  kann, 

dasz  sie  es  versucht  haben,  das  sittliche  Intei-esse  im  Ro- 
man znr  Gkltnng  am  bringen  und  dasz  sie  in  dieser  Hin- 
Bickt  zwisdien  den  Bitterbttchem  nnd  Amadisoi  einerseits 
und  den  wirklich  sittliches  Leben  und  Charaktere  schil- 
dernden Romanen,  die  im  XVIII.  Jahrhundert,  besonders  in 
England,  eine  gl&nzende  Blftthe  eireicben,  eine  mittlere 
Stellung  einnehmen.  Weiter  aber  kann  die  Anerkennung 
nicht  gehen,  denn  eine  künstlerische  Verarbeitung  ihrer 
sittlichen  Weltansicht  und  eine  Enegung  des  sittlichen 
Interesses  mit  poetischen  Mitteln  haben  sie  weder  erreicht 
noch  anch  nnr  yersnebt 

Ehe  wir  unser  eigenes  Urtheil  über  den  schriftstelle- 
rischen und  poetischen  Werth  der  heroisch-galanten  Ro- 
mane gnsammenfassen,  bleibt  nns  nun  noch  ein  Haupt- 
punkt zu  erörtern,  der  zugleich  fftr  die  Eikenntnisz  der 
charakteriöii-ten  Gattungsmerkmale  von  Wichtigkeit  ist 
Die  heroisch-galanten  und  Schäfer-Romane  lehnen  es 
formell  und  ausdrücklich  ab,  sich  auf  den  Boden  der  Ge- 
genwart und  der  Wirkliehkeit  der  Zeit  ihrer  Verfasser  zu 
stellen,  aber  es  darf  nicht  übersehen  werden,  dasz  diese 
Ablehnung  üch  erst  im  Verlaufe  der  Entwickelung  zu 
fmm.  wesentlichen  Merkmale  herausbildet  Zesens  Kose- 
mund  ist,  wie  überhaupt  der  deutlichste  Beweis,  dasz  der 
Kunstroman  sich  in  Deutschland  erst  zu  entwickeln  hatte, 
in  dieser  Beziehung  eine  Ausnahme,  anch  an  Lysan- 
der  und  Oalliste  ist  zu  erinnern,  erst  aUmfthlich  Idst  sieh 
die  heroisch-galante  Gattung  von  den  galanten  und  In- 
trikengescliichten  ab,  welche  letzteren,  sich  später  mit  ko- 
mischen Elementen  verbindend,  ein  fianptbestandtheil  der 

16* 


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228 


ordinären  Bellettristik  werden.  Hiernach  müszte  es  nahe- 
liegen,  den  heroisch-galanten  Komaneu  als  weseutlicbies 
Merkmal  einen  historischen  Charakter  zuzuschreiben,  ond 
Cholevius  hat  sie  auch  historisch-galante  oder  Geschichts- 
romane genannt.  Mir  schien  diese  Bezeichnung  gkitli- 
wohl  bedenklich.  Einerseits  nämlich  ist  bei  nns  einmal 
ein  bestimmter  Begriff  von  historischen  Bomanen  einge^ 
bürgert,  und  mit  diesem  haben  die  in  Rede  stehenden  Ro- 
mane des  XVII.  Jahrhunderts  sehr  wenig  gemein,  da  Mrir 
uns  unter  historischen  Romanen  nicht  in  erster  linie  die 
Darstellung  historischer  Persönlichkeiten,  noch  weniger  die 
Daretellung  historisch  bedeutender  Ereignisse,  sondern  die 
Darstellung  allgemein  menschlichen  Lebens  und  mensch- 
licher Charaktere  auf  dem  Hintergrunde  von  Zuständen 
vergangener  Zeiten  denken,  wenn  wir  anders  unsem  Be- 
gritt'  von  historischen  Romanen  von  den  anerkannten 
Meistern  dieser  Gattung  abstralüren.  Bei  den  heroisch^ 
galanten  Romanen  des  XVII.  Jahrhunderts  treten  aber  am 
meisten  die  Ereignisse  und  die  historisch  bedeutenden  Per- 
sönlichkeiten hervor,  es  werden  aber  nicht  Ereignisse  und 
Personen  einer  bestimmten  Zeit,  sondern  allei-  Zeiten,  nur 
unter  Namen  einer  bestimmten  Zeit  geschildert,  und  die 
Darstellung  von  Zuständen  vergangener  Zeiten  bei  be- 
stimmten Völkern,  deren  Treue  und  Anschaulichkeit  ein 
Haupterfordemisz  des  historischen  Romans  ist»  fehlt  ganz 
und  gar.  Das  Bild  des  gesellschaftlichen  und  bürgerlichen 
Lebens,  welches  uns  entgegentritt,  ist  das  der  Gegenwart 
der  Verfasser,  aber  ohne  Anschaulichkeit  und  Interesse 
an  der  Sache  behandelt  und  durch  ganz  willkürliche  Yer- 
quickung  mit  phantastischem  und  gelehrte  Kram  zu  ei«^ 
nem  Zerrbilde  ent.^tellt,  ein  mit  unendlich  gröszerem  Auf- 
wände von  geistiger  Arbeil  hergestelltes,  aber  poetisch 


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—    229  — 


nicht  viel  werthvolleres  Gregenbild  der  Schäferwelt  in  den 
Pastoralen  Romanen.  Genan  genommen  mnsz  man  eine 
solche  Bebandinng  historischen  Stoffes,  welche  Personen, 
EJreignisse  und  Ziistiiiide  der  verschiedensten  Zeiten  unter 
den  äuszeren  Namen  einer  bestimmten  entlegenen  Zeit  auf 
eine  so  völlig  methodelose  Weise  poetisch  anschanlich  zn 
machen  sacht,  eine  eminent  nnhistorische  nennen.  Man 
kann  der  Wahl  der  Zeiten  und  Schauplätze  bei  allen  un- 
seren Leuten  nur  negative  oder  rein  äuszerliche  Beweg- 
grttnde  zn  Grande  legen.  Zesen  wollte  seine  exquisite 
äg}i)ti8che  nnd  orientalische  Gelehrsamkeit  anspacken  und 
hatte  nebenbei  die  löbliche  Absicht,  durch  die  biblischen 
Stoffe  die  Gattung  zu  veredeln,  Buchholtz  glaubte  die 
alte  Zeit,  wo  das  Ohristenthom  mit  dem  Heidenthnm 
kftmpfte  und  es  sonst  wacker  drunter  und  drfiber  ging, 
zur  Darstellung  einer  heroischen  und  zugleich  christlichen 
Erzählung,  die  dem  Amadis  an  Heldenhaftigkeit  der  Person 
das  Gleichgewicht  halten  soUte,  am  geeignetsten,  Lohen- 
stein hatte  ganz  notorisch  und  Anton  Ulrich  höchst  wahr- 
scheinlich für  ihre  verkappten  Personen  alterthiimliche 
Namen  und  Schaupl&tze  nöthig,  hei  Lohenstein  und  Buch- 
holtz  mag  der  Patriotismus  eine  anerkennenswerthe  Rolle 
gespielt  haben,  aber  alle  haben  jedenfalls  das  gemein,  dasz 
sie  sich  mit  ihrer  Phantasie  aus  der  ihnen  naheliegenden 
Wirklichkeit  flüchteten,  weil  sie  sich,  allerdings  mit  we- 
nig klarem  Bewusztsein  von  diesem  Grunde,  nicht  fähig 
fühlten,  die  Wirklichkeit  überhaupt  darzustellen,  und  weil 
sie  sich  von  ihrer  Wirklichkeit,  den  Zuständen  ihrer  Zeit 
und  ihres  Volkes,  wenig  befiiedigt  lühlten.  Was  sie  an 
die  Stelle  derselben  setzten,  wurde  schon  angedeutet  So 
wenig  wir  ihnen  den  Widerwillen  gegen  das,  was  sie 
seihst  von  politischem,  gesellschaftlichem,  sittlichem  Leben 


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erfiduren  hatten,  Terdeaken  kllmieii,  so  nAtfirlich  es  uns 

erscheint^  dasz  einige  in  eine  bessere  Vorzeit  unseres 
Volks  zuruckzagreifen  versuchten,  so  entschieden  müssen 
wir  diesen  Yersnch  als  misglnngen  beseiehnen,  da  wir  gö- 
ssen haben,  dasK  sie  sich  die  darin  liegende  Aufgabe 
gar  nicht  klar  gemacht  hatten.  Ganz  abgesehen  von  den 
Ansprüchen,  die  wir  an  historische  Eomane  machen  — 
denn  historische  Bomane  in  nnaerem  Sinne  wollten  sie 
nieht  schreiben  —  so  lehren  nns  verschiedene  Beiqnele, 
von  denen  das  Wielands  herangezogen  werden  mag,  dasz 
eine  ähnliche  Angabe  klar  aulgefaszt  and  gelebt  wer- 
den 

Doch  fassen  wir  jetzt  nnser  ürtheO  msammen.  Es 

wird  nur  dahin  ausfallen  können,  dasz  der  heroisch-galante 
Roman  sammt  seinem  Anhängsel,  dem  Schäferromanei  eine 
literarische  Gmppe  ausmacht,  weldie  nicht  lebenaffthig  war 
und  deren  Geltung  ein  baldiges  Ende  erreichen  mnszte. 
Zwar  bedienten  sich  seine  Vertreter  einer  au  sich  conecten 
nnd  im  allgemeinen  würdigen  Sprache,  aber  weder 
in  Bezog  anf  den  künstlerischen  Ban  ihrer  Werke  noch 
auf  die  Darstellung  der  Charaktere  und  des  menschlichen 
Lebens  entsprachen  sie  den  Anforderungen,  die  an  erzah- 
lende Dichtnng^  gestellt  werden  müssen  nnd  immer  ge- 
atzt worden  sind,  die  moralischen  Ideen  sind  nnverarbeitet, 
die  Ausschmückung  mit  beschreibenden  und  belehrenden 
Pai'tien  ist  duichaus  unkünstlei^isch  und  wirkt  dem  poeti- 
schen Eindrucke  des  Ganzen  entgegen.  Die  Bemühnngen, 
der  dentschen  Nationalliteratnr  in  dem  heroisch-galanten 
Roman  eine  Gattung  von  bleibendem  Werthe,  eine  ent- 
wickelongsfahige  und  anf  künstlerischem  Standpunkte  ste- 
hende Prosadichtong  zu  geben,  erweisen  sich  anf  dem  Höhe- 
punkte ihrer  ftnszeren  Eifolge  als  gänzlich  miszlnngen.  Es 


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—   231  — 

ist  nicht  unsere  Angabe,  za  bestinimen,  welche  Mittel 
hätten  gewählt  werden  sotten,  das  schon  yon  Opitz  an 

durchaus  mit  Recht  gefühlte  Bedürfiiisz  nach  einer  solchen 
poetischen  Gattung  zu  befriedigen,  wir  werden  aber  im 
weiteren  Yerfblg  unserer Darstelliing  zazeigen  haben,  wie  die 
hier  verfehlte  Aufgabe  in  anderer  Fassung  und  mit  ande- 
ren Mitteln  gelöst  worden  ist.  Werfen  wir  noch  einen 
BUk  auf  die  literarischen  Zustände  Frankreichs,  so  er- 
scheint die  Sachlage  hier  im  Ganzen  ebenso,  nur  wird 
die  Lebensuntähigkeit  der  Gattung  eher  erkannt.  Genauer 
besehen  ist  man  aber  in  Frankreich  niciit  nur  zeitlich  eher 
zn  dieser  Einsicht  gelangt  als  in  Deutschland,  sondern 
dort  hat  sich  auch  der  heroisch-galante  Roman  nicht  ganz 
80  monströs  und  unglücklich  entwickelt,  weil  schon  in  der 
zweiten  Hälfte  des  XVII.  Jalirhunderts  ein  glänzender 
Aufschwung  des  G^hmackes  durch  die  Blüthe  des  Dra- 
mas bewiikt  wurde,  wogegen  Deutschland  noch  lange  auf 
das  Erwachen  gesunderen  Schönheitssinnes  zu  warten  hatte. 
Kur  Vorortheil  kann  verkennen,  dasz  die  Franzosen  einen 
Lohenstein  nicht  gehabt  haben,  und  auch  das  darf  nicht 
verschwiegen  werden,  dasz  die  sich  in  allen  unseren  he- 
roisch-galanten liomanen  kund  gebende,  selbst  bei  Zesen 
und  Anton  Ulrich,  die  verhältniszmäszig  davon  am  freiesten 
sind,  nicht  ganz  fehlende  Neigung  zum  Gräszlichen  und 
Bestialischen  sich  bei  den  Franzosen  nicht  geltend  macht. 
Es  ist  bereits  zu  Gunsten  des  heroisch-galanten  Romans 
der  letzteren  bemerkt  worden,  dasz  sich  an  ihn  die  Komane 
der  Lafayette  und  ähnliche  organisch  anschlieszen.  Zu 
Gunsten  unserer  deutschen  Gattung  läszt  sich  etwas  der- 
gleichen nicht  sagen.  Als  sich  in  unserer  Nation  die  Vor- 
boten eines  groszen  dichterischen  Aufschwunges  zeigten, 
war  eine  ganz  andere  Zeit,  neue  Ideen  waren  in  das 


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—    232  — 

Centrum  des  geistigen  Lebens  der  gebildeten  Völker  ge- 
treten, die  Stellung  der  verschiedenen  Schichten  der  Ge- 
sellschaft zur  literarischen  Prodnction  war  eine  andere 
geworden,  man  wollte  gar  nicht  an  Früheres  anknüpfen, 
wüi'de  es  nicht  gethan  haben,  auch  wenn  das  Yorliandene 
besser  gewesen  wäre,  nnd  hat  es  in  Gebieten  nicht  gethan, 
wo  Besseres  vorlag.  Von  dem  vielen  aber,  was  das  Xvm. 
Jahi  hundert  im  isouveränen  Be\vu.<sztsein  seiner  (Genialität 
unbesehen  bei  Seite  schob,  wai'  der  Kunsüomau  des  XVIL 
Jahrhunderts  dieser  Behandlung  am  würdigsten. 

Wenn  wir  mit  den  vorstehenden  Erörterungen  den 
\  erjiut  h  gemacht  haben,  das  zusammenzutai>sen,  was  wir 
von  unserem  Standpunkte  über  die  heroisch-galanten  Ro- 
mane zu  sagen  haben,  so  bleibt  nun  noch  übrig,  unsere 
Aufinerksamkeit  dem  zuzuwenden,  was  die  Zeitgenossen 
der  Verlasber  daiüber  uitheilten,  wie  weit  ihre  Meinungen 
auseinandergingen,  wie  sich  die  allgemeine  Werthschätzung 
dieser  Prosadichtnngen  aUmfthlich  änderte,  in  ihr  G«gen* 
theil  umschlug,  und  von  was  für  allgemeinen  Zuständen 
des  literarischen  Lebens  und  Veränderungen  des  Geschmackes 
beides  bedingt  wurde.  Während  bei  der  Baaise  die  Zahl 
der  Ausgaben  selber  darauf  hinweist,  dasz  das  Buch  ziem- 
lich lange  Zeit  ein  sehr  begelirtes  gewesen,  so  müssen 
bei  Lohensteins  Arminlus  und  den  Schriften  Anton  Ul- 
richs und  Buchholtzens  der  grosze  Umfang  und  der  infolge 
dessen  sehr  hohe  Preis  berücksichtigt  werden,  auch  schei- 
nen die  Auflagen  sehr  stark  gewesen  zu  sein,  denn  noch 
heutzutage  ist  wenigstens  der  Anninius  keineswegs  selten 
in  Bibliotheken  zu  treiTen  und  fllr  einen  mäszigen  Preis 
bei  Antiquaren  zu  kaufen.  Einen  weiteren  Beleg  fikr  die 
Beliebtheit  unserer  Bücher  und  zugleich  einen  Fingerzeig 
fttr  die  Art,  in  welcher  sie  ben&tzt  wurden  und  was  man 


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in  ihnen  suchte,  bieten  solche  Werke  wie  Männlings  Ar- 
minius  enucleatus  (Stargard  und  Leipz.  1708)  and  Lo- 
hensteiniiis  sententiosos  (Brealau  1710),  welche  sich  za  dem 
Arndniiis  ebenso  wie  die  ^Sehatzkammer''  znm  Amadis 
verhalten.*)  Von  der  Banise  findet  sich  eine  Fortsetzung 
von  Hamann  und  Nachahmungen,  die,  erst  in  späterer  Zeit 
auftretend,  g^ade  beweisen,  wie  lange  die  nnyergleichliche 
Prinzessin  wenigstens  bei  einem  Theile  des  Publicums 
ihre  Anziehungskraft  zu  äuszern  vermochte.'-)  Die  „deut- 
sche Banise"  erschien  Leipzig  1752.  8^  ihr  folgten  eine 
„engelftndische  Banise,  Princessin  von  Sossex''  (von  0. 
E.  F.  Frklt.  u.  Liiz.  1754.  8")  und  eine  „ägyptische  Ba- 
nise" (von  H.  V.  Justi.  Frkft.  u.  Leipz.  1759.  8"),  aber 
weder  die  Fortsetzung  noch  die  Abbilder  verdienen,  dasz 
wir  uns  bei  ihnen  aufhalten. 

Von  der  Menge  von  Romanen  untergeordneterer  Qua- 
lität, welche  doch  ohne  Zweifel  zum  groszen  Theii  von 
diesen  berühmtesten  Vorbildern  angeregt  wurden,  wird 
weiter  unten  die  Rede  sein,  hier  mag  nocli  ein  directes 
Zeugnisz,  und  zwar  das  eines  fanalischeu  Gegners  der 
ganzen  Bomanliteratur  für  die  Ausbreitung  der  Roman- 
lectflre  und  die  Fruchtbarkeit  der  Schriftsteller  in  der 
zweiten  Hälfte  des  XVIT.  Jahrliunderts  einen  Platz  fin- 
den. Der  schweizerische  Prediger  Gotthai't  Heidegger 
sagt  in  semer  in  haarsträubendem  Deutach  geschriebenen 


*)  Das  Yon  JOrdens  III,  450  enfShate  Bach  «Arminll  glorwttr- 
dige  Heldenthaten.  Lps.  1706.  S^.*  kenne  Ich  nicht 

*)  yergL  ChdeTlns  S.  158:  «Joadilm  Beccan  benfltote  den  Ro- 
man WBL  einer  Oper  (1710L)  Fridr.  'Wilh.  Grimm  dichtete  Ihn  hi  ein 
Tnnenpiel  nm  (1788).  Koch  bei  (Goethe  getiSrt  der  ^^yrann  Chan- 
mlgrem  zu  den  Figoren,  welche  Wilhelm  Meieter  als  Khid  auf  eeüier 
icleinen  Bühne  auftreten  liest.* 


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Mythoscopia  Roman tica*),  auf  die  wir  noch  zarflckzukommeii 
haben,  Seite  12  ff.  „Weil  nicht  zu  hoffen  steht,  dasz  die 
Jenige,  so  in  den  Bomanen  bewanderti  und  ihre  beste  Zeit 
unter  diesen  Blftttern  Terschamt  haben,  die  SdiidUchkeit 
derselben  merken  oder  erklären  werden:  Wie  auch  die 
jenige,  so  in  einem  übelriechenden  Gemach  lang  gestecket^ 
dessen  Stank  letztlich  weder  zu  fUhlen  noch  zu  gestehen 
pflegen;  als  wird  sich  endlich  ein  yemttnftiges  Urtheil  durch 
die  jenige  finden  kOnnen  und  sollen,  welche  suweil  einen 
Blick  darein  gethan,  und  wenigst  nicht  unwissend  seyn, 
nach  was  Tor  einer  Ellen  sie  alle  ausgemacht  seyn.  Wer  er- 
fhhren  will,  was  das  Meer-Wasser  vor  einen  Geschmack 
hege,  musz  nidit  eben  das  ganze  austrinken,  sondern  kann 
es  aus  etlich  wenig  Tropfen  inne  werden.  So  ist  es  mit 
den  Eomanten.  Diese  sind  wirklich  ein  ohnendlich  Meer 
worden,  und  könnte  man  von  ihnen  sagen,  was  das  Siuich- 
wort  von  den  Penglen  meldet,  wer  sie  aullesen  wolle, 
finde  bald  einen  Arm  voll:  Wenn  einQuartal  verstreicht^ 
da  nicht  einer  oder  mehr  Kornaus  aus,  und  in  die  Catalo- 
gos  kommet,  ist  es  so  seltsam,  als  eine  grosse  Gesell- 
schaft, da  einer  nicht  Hans  hiesse.  Manchem  ennanglet 
nicht  an  einem  Wandgesttll  voller  Romans,  aber  wol  an 
Bibel  und  Betbuch.  Mann-  und  Frauen- Volk  sitzt  darü- 
ber, als  über  £yem,  Tsg  und  Nacht  hinein.  Einige  thun 
gar  nichts  anders:  Man  stOsst  sie  der  Jugend  gar  frQh- 
zeitig  in  die  Hände.   Die  Kunst-Quelle  aller  Witz,  Ar^ 


*)  Uythofloopia  BomAntte»  oder  Dtoooim  Von  den  so  beiMiiten 
Romana,  Du  lit.  Erdichteten  Uebes-  Helden*  und  BQrten-Qeeehlehten; 
Von  dero  Uhnprong,  Einrisse  etc.  Yerfuset  Ton  GotthArd  Heidegger, 
y.  D.  M.  ZQriob,  bey  David  Gessner.  1B98.  8°.  Ich  habe  hier  die 
Orthographie  und  einige  Kleinigkeiten  des  Stils  geftndert,  nm  die 
Stellen  lesbarer  in  machen. 


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—  S36  — 

tigkeit  imd , Galanterie  soll  in  den  Bomanziaohen  Alber- 
täten stecken.  Es  seyn  deren,  die  von  dem  Hercule  und 
Anuinio  sa^n,  wie  Theodorus  Gaza  von  dem  Plutarcho: 
Er  ward  befraget,  wann  er  alle  seine  Bftcher  den  grttnen 
Heringen  nadia^den  mHaste,  weldiea  er  mletast  hinein- 
werfen wollte?  den  Plutarchum,  sagte  er." 

Weit  interessanter  sind  für  uns  zwei  Artikel  der  be- 
rtthmten  nnd  hochgeachteten  Acta  emditomm  über  Lo- 
hfiDsteins  Arminina.*)  Damala  gab  es  noch  keine  beson- 
deren Journale  für  ästhetische  Kritik  der  Bellettristik,  und 
ein  deutscher  Boman  war  für  gewöhnlich  aus  solchen  Zeit- 
echiift^  wie  die  Acta  eraditomm  waren,  gftnzlich  ao^ge- 
acfalOBsen,  schon  die  Beq^redinng,  welche  der  Aiminins 
hier  überhaupt  fand,  hob  ihn  hoch  aus  der  Reihe  von  Sei- 
nesgleichen heraus.  Dasz  er  von  Gelehrten  und  Gelehrten 
gegenüber  —  denn  nur  an  solche  wendeten  sich  die  Acta  — 
ftberhanpt  erwfthnt  wnrde,  war  eine  in  ihrer  Art  einsige 
Auszeichnung.  In  mustergültigem  Latein  nnd  in  schönen, 
hochtrabenden  und  stilübungsmäszigen  Plirasen  besprechen 
die  Acta  vom  Mai  1689  und  Juni  1690  den  Arminius. 
9  Aere  perenniiis  monunentnm  admirando  ntaqne  hoc  opere 
patriae  snae  ezcitarit,**  heiszt  es  pag.  287  des  Jahrgangs 
1689  von  Lohenstein,  und  in  dem  Tone  ist  die  ganze 
Beui'theiluag  gehalten  —  wenn  wir  anders  hier  voneinei* 
Benrtheilnng  sprechen  kOnnen,  denn  die  Gesichtspunkte, 
die  wir'' bei  einem  Ästhetischen  Kritiker  imserer  Zeit 
für  eine  Romankritik  voraussetzen,  hatte  der  Recensent 
ganz  und  gar  nicht.   Dieser  Umstand  wird  aber  gerade 

QefaAuer  bemerkt  in  Mi&er  Vorrede  znr  II.  Ausj^abe  S.  XIX. 
.Diejenig^en,  welche  in  dem  gemeinen  Wesen  der  Gelelirsamkeit  da- 
mahls  das  Richter-Amt  geführet,  haben  ein  so  herrliches  als  nnpar- 
theyLsches  Urtheil  davon  geftllet.* 


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336 


dadurch  interessant,  dasz  er  uns  Fingmeige  giebt.  was 
man  (lainal.s  von  einem  Roman  verlangte.  Zuerst  wird 
Lohenstein  gelobt,  dasz  er  den  deutschen  Helden  Arminins 
Terherrlicht  habe,  also  streng  genommen  schon  ein  Lob, 
welches  mit  dem  poetischen  Gehalt  der  Dichtung  in  kei- 
nem Verhältnisse  steht,  da  das  Werk  an  sich  dabei  so 
erbärmlich  sein  konnte,  wie  nur  immer  möglich.  £s 
scheint  in  der  That,  als  wenn  den  mhmwttrdigen  Chems- 
kerfürsten,  dessen  deutschen  Namen  wir  gar  nicht  einmal 
wissen,  das  Schicksal  verfolgte,  dasz  die  zu  seiner  Ver- 
herrlichung gemachten  poetischen  Anstrengungen  bezüg- 
lich ihres  £rfolges  in  argem  Contrast  gegen  seine  kriege- 
rischen Leistungen  stehen.  Doch  das  wnszte  Lohmusteina 
Kritiker  so  wenig  wie  der  Dichter.  Ueber  das  Tomehmste 
Lob  aber,  welches  dieser  von  jenem  erhält,  dürfen  wir 
nicht  nur  eben  dies  sagen,  dasz  es  mit  dem  poetischen 
Werthe  des  Werkes  nicht  zusammenhänge,  sondeni  dieses 
Lob  wflrde  nns  gradeznein  Tadel  sein  und  zwar  wesentlich 
mit  dem  Tadel,  den  wir  hauptsächlich  ge^^en  Lohenstein 
erhoben  haben,  übereinstimmen,  obwohl  es  der  Kritiker 
mit  der  AllongenperAcke  im  feierlichsten  Emst  ausspricht 
Es  besteht  nämlich  nach  ihm  die  Haupttugend  des  Armi- 
nins kurz  gefaszt  darin,  dasz  in  ihm  res  omnes  et  noyinnUae 
aiiae  zu  ünden  seien.  £s  wird  —  einen  schlagenderen 
G^ensalas  zn  unseren  Anschanongen  kann  es  wohl  nicht 
geben  —  nicht  etwa  anf  einige  gut  dnrchgefllfirte  Cha- 
raktere oder  auf  lebhatte  und  plastische  Schilderungen 
oder  auf  die  Anlage  und  Oekonomie  des  Ganzen  hinge- 
wiesen, sondeni  yon  besonders  henrorragenden  Einzelheiteii 
wird  nnr  henrorgehoben,  dasz  man  im  zweiten  Bache 
anszer  über  alles  Mögliche  aus  der  Geschichte  und  Geo- 
graphie lesen  könne  über  den  Unterschied  zwischen  Ur- 


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—    237  — 


Sachen  und  Vorwändeu  zum  Kiiege,  über  den  Adel,  über 
Steaem,  über  das  Unglück  wackerer  Männer,  über  das 
ScMcksal,  ttber  das  GlAdc  und  die  Willensfreiheity  im 
dritten  Bncbe  Über  die  Naturgesetze  und  die  Grundsätze 
der  Vernunft  und  über  die  Schutzgeister  (de  ^reniis),  wei- 
terhin über  die  Amazonen,  die  Sirenen,  die  Träume^  die 
UnTerletzlicbkeit  der  Gesandten,  über  die  Kirchentrennung. 
des  XYI.  Jahrhunderts,  die  Pariser  Bluthochzeit,  Uber  den 
Ursprung  der  Quellen,  über  die  Selbsterkenntnisz,  über 
die  Aloe.  Da  die  Wichtigkeit  dieser  Stelle  in  dem  Grade 
beruht,  in  welchem  sie  uns  den  „curiofien**  Geschmack  des 
Xyn.  Jahrhunderts  yergegenwärtigt,  so  sei  hier  daran 
erinnert,  dasz  der  Keferent  noch  tausend  andere  Dinge, 
die  iu  dem  endlosen,  mit  dem  Plaue  und  der  Handlung 
des  Bomans  schlechthin  auszer  Zusammenhang  bleibenden 
Gesprächen  vorkommen,  hätte  anführen  können,  und  ich 
will  auch  bemerken,  dasz  ich  die  aufgezählten  Materien, 
ohne  etwas  auszulassen  und  genau  in  ihrer  Keihenlblge 
anfgefuhit  habe,  um  zu  zeigen,  dasz  der  Kritiker  an  die- 
ser bunten,  zusammenhanglosen  Masse  nicht  den  geringsten 
Anstosz  nahm. 

Nicht  uninteressant,  wenn  auch,  wie  bereits  bemerkt 
wurde,  mit  einigen  Einschi'änkungen  besser  begründet,  ist 
auch  das  Lob,  welches  in  dem  zweiten  Artikel  dem  Stile 
Lohensteins  zu  Theil  wirl  „Nam  quod  aliqui  in  adji- 
ciendo  suo  calculo  tardiores  visi  fuerint,  quia  ad  consue- 
tas  fabulai'um  romanensiom  i*egulas  opus  istud  fabrefactum 
esse  non  ubique  appareat,  scire  illos  oportet,  quod  quemad- 
modum  Arminius,  dum  in  vivis  degeret,  in  supremo  He- 
roum  fastigio  constitit,  ita  nihil  sit  mirum,  nobilissimum 
Lohensteinium,  et  ipsum  iuter  eruditos  heroem,  de  ejus 
Tita  rebttsque  gestis  commentatumm,  heroicum  prorsua 


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scribendi  geniu»,  &  vulgari  ratione  ablndens,  et  nollis  legi- 
bus adstrictnm,  aectatnm  Msse:  cmn  inter  alia  et  hoc 
habeaat  heroea,  at  ad  commimem  mensunun  adgi  ae  et 

aestimari  non  patiantur,  et  nemo  conqueri  juie  de  hospite 
habeat,  qui  ipsom  delicatioribus  paulo  et  rarioribus  cu- 
pediia  in  conyiTio  exceperit,  quod  vnlgariiun  dboram  appa* 
rata  inatrui  aüaa  saltran  mens  ent,^  Mit  einer  gewis- 
sen Classe  lobender  Auslassungen  von  Zeitgenossen  haben 
wir  uns  nicht  weiter  abzugeben,  nämlich  mit  den  sehr 
zahkeichen  aber  meist  vollkonunen  nichtigen  und  nichts- 
sagenden Lobgedicbten,  weldie  den  Yerfiuseni  schon  am 
Eingange  ihrer  Werke  von  guten  Freunden  nnd  GH^nnem 
oder  Begönnerten,  Vereinsgenossen,  Collegen  u.  s.  w.  ge- 
widmet wurden.  Ihnen  schlieszen  sich  noch  eine  Menge 
Ton,  wenn  nicht  poetischen,  so  doch  prosaischen  Stilftbnn- 
gen  über  den  Nutzen  der  Romane  Ar  die  Jugend,  von 
der  groszen  Gelelirsamkeit,  der  praktischen  Weltweisheit 
und  Staatäklugheit  dieser  „G^chichts  gedichte  und  Gre- 
dicht  geschichten**  an.  Es  war  einmal  Sitte  der  guten 
alten  Zeit,  dasz  man  damals,  warn  man  ein  Buch,  na- 
mentlich eins,  mit  dem  in  der  Hand  man  den  Weg  auf 
den  Pamass  glaubte  antreten  zu  dürfen,  verfaszt  hatte, 
bei  seinen  Freunden  encomia  sammelte  und  diese  yor- 
drucken  liesz,  jemehr  desto  besser,  die  Titel  der  Freunde 
kamen  aubtuluiicli  darunter,  eine  liochgestellte  Persönlich- 
keit ward  als  Göimer  gewählt,  um  ihr  das  Werk  zu  de- 
diciren,  und  so  hatte  dann  die  Sache  ein  Ansehn.*) 

')  I>em  «rat«ii  Theil  des  Amünins  geht  Oranna  1)  ein  Gedidbt 
unter  dem  Bildniss  de«  VeiilMBen.  2)  das  Widnumgsblttt  an  Fitodrloli 
IIL  T.  Bnndenbnig.  S)  die  Dedicationaepistel  an  denselben  t.  dem 
Sohne  des  Yeiftssets.  4)  Vorhericht  an  den  Leser.  5)  Ehren  Ge- 
tichte  In  80  aeehssefligen  Strophen  Ton  Hansa  Aasmann  von  Ahscfaata. 
6)  ein  anderes  Efaren*Getichte  von  Haanaa  Gasper  von  Lolienstein, 


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239  — 


Von  anderen  anerkennenden  Besprechnngen  der  lie- 
foiseh-galanten  Bomane,  welche  an  sich  mehr  Beachtung 

verdienen,  weil  sie,  nach  dem  Masze  ihrer  Zeit  gemessen 
wenigstens,  mehi'  auf  die  Sache  selbei*  eingehen,  findet  man 
in  Gebauers  Vorrede  zur  zweiten  Ausgabe  des  Anninius 
die  besten  Nachweisungen  und  Excerpte.  Da  sie  wenig 
Neues  über  die  Aufnalime  der  Werke  von  Seiten  der 
Zeitgenossen  beitragen,  haben  wir  auf  Einzelnes  füglich 
nicht  einzugehen.  Ueberau  dieselben  moralischen  und 
praktischen  Gesichtspunkte,  die  gftnstige  Au&ahme  der 
belehrenden  Abschnitte,  die  Auffassung  der  Bomanschrifb- 
stellerei  wie  der  Poesie  überhaui)t  als  einer  anständigen 
Ausfüllung  der  Muszestunden  u.  s.  w.  Der  bedeutendste 
Kenner  und  gewichtigste  Yertheidiger  dieser  Literatur 
war  der  wackere  und  yerstftndige  Christian  Themas,  wel* 
eher  den  Romanen  des  In-  und  Auslandes  in  seinen  Mo- 
natsgesprächen''^)  (1688)  und  FreymüthigenGedancken(1690) 

dem  Bruder  des  Verl  7)  VbnteUwig  des  Kapito-Tltab  in  eineni  Uui- 
Gedieht  TonChxiBtin  Qrypliliie.  8)  Ein  «weites  Gedieht  «Ueberdss 
BUdnOs  Hemi  D.GL  t.L.  Knnmdora  (Balthasar  gindermanns)  Uar 
gldekselige  Nisette  (1660)»  hat  folgenden  YortnO».  1)  Widnrangsblatt 
an  Kaiser  Leopold.  2)  Wldmongsgedicht  des  Yei&ssen  as  denselben. 

Zuschrift  des  Verf.  an  die  Edlen  und  Hochberühmten  Herren  Cte* 
aellschafter  des  Hochlüblichen  £lbiani8cheu  Schwanen-Ordens.  4)  Ehreft- 
gedicht von  David  Cichorius  J.  U.  B.  (Bürgermeister  in  Brandenburg 
u.  8.  w.)  5)  Erklärang  des  ersten  Kupffer-  oder  Titul-Blättleins,  tob 
Kindeniianns  Aratsbruder  M.  Chr.  Fr.  Khroa,  der  Saldrischen  Schu- 
len in  Br.  Bector.  6)  Ein  Gedicht  von  M.  Zacharias  Cichorius  (Wit- 
tenberg.) 7)  ein  dto  von  Johan  George  Möller,  Kays,  gekrönt. 
Poet.  Geaellschafter  des  Schwanenordens  (Thromylas).  8)  Gedicht  „Ueber 
die  sinnreiche  all-verfertigte  Unglückselige  Nisette"  von  J.  Praetorius 
von  Zittau,  Käys.  Gekr.  Poet.,  und  Gesellsch.  des  hochl.  Elbianl- 
aclieu  Schwanen-Ordens,  (Prophulidor.)  Solche  nichtige  Aeuszerlich- 
kelten  kennzeichnen  den  Geist  einer  Zeit,  die  an  ihnen  hing. 

Auch  in  Tenzels  Monatlichen  Unterredungen  1689  ff.  wird 
▼ielfkdk  in  dem  beseidmeten  Sinne  Ton  Romanen  geredet. 


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-    240  — 


längere  Besprechungen  widmet  Der  literarhistorisdie 
Werth  derselben  wird  aber  dadurch  ein  geringerer,  dass 
auch  Thomas,  wie  seine  Zeitgenossen,  nicht  im  Stande 
oder  nicht  Willens  war,  seine  Aufoi*derangen  vom  Ge- 
sichtspunkte des  Geschmackes  und  poetischen  Werthes  ans 
zu  stellen.  So  gelangte  er  zu  einer  unbilligen  Unter- 
Schätzung  der  älteren  Prosadichtung  und  konnte  auch  Ze- 
sen  nicht  Yoruitheilsfrei  betrachten.  Seine  Auseinander- 
setzungen sind  geleitet  von  zwei  Hauptgedanken,  dem  be- 
kannten miscere  utile  dulci,  und  dem  Nutzen  der  deutschen 
Sprachbildung,  der  ilm  treÖ'end  bemerken  läi>2t,  „da^  man 
nichts  nützlicheres  und  zugleich  anmuthigeres  schreiben 
könne,  als  wenn  man  in  teutscher  Spradie  ehrliche  lie- 
bes-Geschichten  nach  dem  Cluster  etlicher  diszfals  berühm- 
ter Komane'")  beschriebe.  Es  ist  selbstvei-ständlich,  daüz 
bei  diesem  Standpunkte  der  Arminius  sehr  gut  wegkommen 
muflzte. 

Wenn  nunmehr  die  Frage  nach  der  Zeitdauer  der 
Geltung  und  Beliebtheit  der  Komane  von  solchem  Ge- 
schmack, wie  ihn  die  bisher  besprochenen  Hauptvertreter 
in  deutlich  ausgeprägter  Weise  aufzeigen,  eine  Frage,  die 
sich  von  der  nach  den  Gründen  ihres  allmählichen  oder 
plötzlichen  Sinkens  in  der  Gunst  des  Publicums  nicht  wohl 
trennen  läszt,  an  uns  herantritt,  so  ist  zuvörderst  darauf 
hinzuweisen,  dasz  wir  einerseits  es  hier  mit  ausdiück- 
lichen  UrtUeilen,  andererseits  mit  literaimhen  Thatsachen, 
welche  uns  zur  Bestimmung  der  in  dem  Zeitgeschmacke 
eingetretenen  Verftnderungen  helfen,  zu  thun  haben. 

Eine  nicht  zeitliche,  sondern  sachliche  Schranke  der 
allgemeinen  Beliebtheit  des  heroisch-galanten  Kunstromauä 
des  XVII.  Jahrhunderts  stellt  Heideggers  Gegnerschaft 

>)  Houats-Gespr.  1668.  I.  42  ff. 


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—   241  — 

dar.  Seine  Urtheile  können  allerdings  genau  genommen 
TO  nichts  weiter  dienen,  als  danralegen,  wie  damals  bei 

einem  Theile  des  deutschen  Publicums  die  Romaiiliteratiir 
Ablehnung  und  Miszfallen  fand.  Wii*  werden  nicht  irre 
gehen,  wenn  wir  als  die  Majorität  dieses  Theils  ans  die 
strenggesinnten  protestantischen  Kreise  denken,  und  an*> 
ter  diesen  standen  wieder  die  pietistischen  voran.  Was 
von  dieser  Seite  gegen  die  Romane  vorgebracht  wuide, 
tritt  ganz  auf  eine  Linie  mit  den  grade  gegen  Ende  des 
Xyn.  und  gegen  An&ng  des  XVIII.  Jahrhunderts  am 
heftigsten  auftretenden  Verlolgungen  des  Theaters  durch 
die  eifrige  Geistlichkeit  in  Deutschland  und  mit  der  nur 
dem  Grade  nach  stärkeren  Bekämpfung  des  Theaters 
durch  die  engUschen  Puritaner^  und  wir  hahen  zu  beach- 
ten, dasz  es  sich  hier  nicht  um  eine  Kritik  ästhetischer 
Fehler,  sondern  um  eine  Verwerfung  der  ganzen  Roman- 
literatur aus  moralischen  und  dogmatischen  Gründen  han- 
delt, nur  nebenbei  werden  auch  Geschmacksfehler  und 
Absonderlichkeiten  des  Stils  gerügt  Eine  Kritik,  die 
von  dem  Wunsche  ausgelit,  eine  charakteristische,  sich 
besondei^  geltend  machende  Erscheinung  ihrer  Zeit 
ganz  au%ehoben,  nicht  etwa  veredelt  zu  sehen,  wird  zwar 
dnerseits  diese  Erschemung,  wenn  sie  wirklich  in  dem 
geistigen  Leben  der  Zeit  wurzelt,  in  ihrer  Entwickelung 
nicht  auihalten,  aber  ebensowenig  auf  diese  irgend- 
wie positiv  einwirken  kOnnen«  Nebenbei  sei  übri- 
gens bemerkt,  dasz  man  in  maachea  sindfisch  katholischen 
Kreisen,  wenn  auch  Possevinus  auf  den  Araadis  sehr  los- 
gezogen war,  dennoch  im  Ganzen  gegen  das  Komaniesen 
weniger  gehabt  lu  haben  schänL  Denn  man  las  die  Bo- 
mane,  sogar  recht  eüHg,  in  den  Klöstern,  was  wahrzu- 
nehmen mich  mehrfach  der  Umstand  veranlaszt  hat,  dasz 

16 


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—   242  — 

der  gröszte  Tlieil  der  in  der  Königl.  Bibliothek  zu  Bi-es- 
lan  zahlreich  vorhandenen  Bücher  dieser  Art  ans  schle- 
sischen  Klosterbibliotheken  stammt,  in  denen  man  aadi 
mit  dem  Ankauf  von  Werken  protestantischer  Verfiisser 
höchst  unbefangen  sich  verhielt.  So  liegen  mir  vor  ein 
Simson  ans  dem  St-Yincenzstifte,  ein  Herkules  aus  dm 
St  Dorotheenkloster,  ein  HerkaUskas,  der  einem  Prae- 
monstratenser-Chorherm  gehört  hat,  eine  Octavia  ans  der 
Bibliothek  des  Älinoritenklosters  zu  Ober-Glogau  u.  s.  w. 

Doch  am  auf  Heidegger,  dessen  223  Octavseiten  um- 
fiissende  Anklageschrift  immerhin  einige  Anfinerksamkeit 
▼erdient,  noch  einmal  znrttckznkommen,  so  haben  wir  schon 
oben  gesehen,  dasz  er  sich  ziemlich  sophistisch  selber  über- 
redet, Din^e  verdammen  zu  dürfen,  von  denen  er  nur 
oberflächlich  Kenntnisz  genommen.  Sein  Standpunkt,  den 
er  mit  einer  grossen  Menge  von  Gleichgesinnten  theilen 
mochte,  giebt  sich  noch  deutlicher  in  den  fanatischen  Wor- 
ten seiner  Vorrede  kund:  „Die  Bomans  mögen  zuschanden 
gehen,  durch  was  Wege  sie  wollen,  wenn  sie  nur  zu- 
schanden  gehen;  Ich  werde  es  zu  ertragen  wissen,  wenn 
dieser  mein  Tractat  darum  von  kurzem  Leben  sevn  wiid, 
weil  die  heillose  Materie,  so  ihn  veranlaszt,  selbst  in 
billige  Vergessenheit  gekommen:  Ich  werde  erfreut  lebeOi 
wenn  mein  Papier  zu  Pfeffer^H&nseln,  und  Tabacc-fidibus 
wird,  so  nur  die  heillose  Romans  diesen,  ihnen  allein  an- 
stehenden, Dienst  zuerst  vertreten."  Diesem  entspricht 
der  Ton,  in  welchem  das  Uebrige  gehalten  ist,  und  die 
Gründe,,  welche  gegen  die  Teufelsbikcher  vorgebracht  wer- 
den. Die  Blindheit  des  Eifers,  in  dm  sich  Heidegger 
hineinredet,  wirkt  besonders  komisch,  wo  er  im  \'orbe- 
richt  sich  über  das,  was  Anton  Ulrich  vom  Melchisedek 
erdichtet  hat^  heftig  erzürnt  und  sagt,  die  h.  Schrift  wisse 


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—    243  — 

Ton  Melchisedeks  Vater,  Mutter  und  GeschleditBregistem 
xa  Ehren  des  Hohenpriesters  Jesu  Christi  nichts,  aber, 

wie  ihn  eine  gelelirte  Hand  versichert  habe,  wisse  die 
Aramena  das  alles  und  noch  mehr,  abgesehen  davon,  dasz 
sie  insgemein  eine  nnerträgüche  Beschimpfung  und  „Be- 
schmeisBimg''  der  Mosaischen  Historien  in  sich  begreife, 
was  man  auch  von  Zesens  meisten  Romanen  und  vielen 
andern  mit  Fug  sagen  könne. 

Biese  Auslassang  ist  darum  so  lächerlich,  weil  keine 
biblische  Person  von  uralter  Zeit  hei*  mehr  Gelegenheit 
zu  theologischen  und  mystischen  Erdichtungen  gegeben 
hat,  als  grade  der  alte  Melchisedek,  welcher  den  Erz- 
vater Abraham  zu  rechter  Zeit  mit  Lebensmitteln  unter- 
attitzt  und  ihn  priesterlich  segnend  begrOszt  hat 

Von  etwas  besserer  Qualität  sind  einige  gelegent- 
liche Bemerkungen  über  den  Stil,  in  denen  sich  —  abge- 
sehen von  dem  Umstände,  dasz  der  Stil  eines  Zieglei*  und 
Lohenstein  gegen  Heideggers  Sprachmengerei  und  äuszerste 
Ungewandtheit  immer  noch  classisch  ist  —  ziemlich  ge- 
sunde Bemerkungen  linden.  „Wenn  aber  die  vielfaltige 
Gottlosigkeit,  so  sich  dabey  beÜudet,  unsre  heutige  esprits 
forte,')  nicht  hindert,  so  nimmt  mich  nur  Wunder,  wie  sie 
es  machen,  dasz  sie  die  schillerische,  weibische  Alamo- 
deny  der  AVorte  und  des  Styli,  so  durchgehend«  in  den  Ro- 
manen zischet  und  rauschet,  vertragen  und  verdauen 
JLOnnen?  Ob  sie  so  thöricht  seyon  können,  dasz  sie  ver^ 
meinen,  die  Bede  habe  andre  Zierrathen,  als  yerständliche 
Plfissigkeit?  Was  könnte  abscheulicher  lauten,  als  theils 

*)  Das  zeitige  Vorkommen  dieses  Ausdruckes  dürfte  bef^onders 
zu  bemerken  sein.  —  Eine  liübsche  Parodie  auf  die  abgeschmackte 
Darstellung  Heideggers  (vou  Gundling)  ist  in  Gtebaners  Vorrede  cor 
n.  Aufl.  des  Arminiiu  8.  XXVI  t  abgedmckt 

le* 


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—   244  — 

Teatsehe  Eoman,  da  (zum  Exempel)  einer  unter  den 
dichten  Eid&ten  die  Sifli-lAoiiaende  GMer  anszdftbnet 
Item,  da  man  die  Kleider  arm,  und  die  Bette  reich  madiet, 

(wenn  man  schlafen  geht:)  Item,  da  die  klare  Darthuung 
zu  Tag  stehet,  (wenn  eine  Sach  offenbar  ist)  Item,  da 
gar  auviel  yor-lnstige  Beseigvng  auf  eine  Fehl-lnst  hin- 
ansz  lanffb  und  dergleichen  halbzanherisch  lautende  Re- 
densarten mehr:  u.  s.  w." 

Als  Beleg  der  allgemein  verbreiteten  Auflassung  der 
Bomane  als  verlarvter  Wirklichkeit  sei  noch  eine  Stelle 
aof  Seite  65  erwfihnt,  zumal  da  sie  grade  die  dieses  Punk- 
tes vejren  öfter  in  Frage  gekommenen  Schriften  Anton 
Ulrichs  berülirt.  „Bei  mir  waltet  kein  Zweifel,"  beiszt 
es  hier,  „es  haben  sehr  viel  der  Boman-Schreiber  unter 
fremden  Larven  ihre  eigne  Liebes-Sprftng  aufgesetzt,  um 
mit  Wiederholung  derselben  sich  um  etwa^?  zu  belustigen. 
Der  Autor  der  Aiamena  mit  seinen  hin  und  wider  ver- 
steckten Weiber-Namen,  Catharina,  Kegina,  Elisabetha*) 
atc  mag  wissen  ob  dieses  wahr  ist?*^  Und  eine  Bemerkung 
auf  Seite  59  beweist,  dasz  wenigstens  manche  Zeitgenossen 
Vitn  der  über  die  Schönheitslinie  weit  hinausgehenden 
flbercomplicirten  Architektonik  unserer  Eomane  übel  erbaut 
wurden:  Bomans,  sie  s^yen  jetzt  Hirten-,  Helden-  oda> 
Staats-Geechicfaten,  haadehi  hauptsächlich  und  meistentfaeüs 
von  der  Liebe  und  Buhlerey.  Nehmen  ihnen  ein  Haupt- 
Paar  vor,  dasz  nach  vielen  Abenteuern  und  anderweitigen 
JNachsteUuBgen  endlich  wisammen  gerftth.  Da  giebet  es 
Tiel  Episodia,  oder  ZwiseheBspielei  die  ineinander  stecken 

Wenn  Heidegger  Bich  nicht  Uos  iN>n  gelehrten  Federn  ftber 
AntoB  Uliiflh  bitte  berichten  Immb,  würde  er  geMben  liaben,  dm 
dies  die  KftBien  ym  FUnttamea  ilid,  denen  der  Herzog  seine  Werbe 
widmete. 


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» 


—    245  — 

wie  die  Timicae  eiuer  Zwiebel,  oder  die  Ptolemaeisdien 
Sphaoae,  oder  die  Ffefferhänsel  eines  MarktrSclireyerii, 
oder  die  Rfider  in  einem  Uhrwerk,  bis  Midlich  dms  die 
Zeiger-.stangeu,  oder  das  Schla^^werk  erwischt.  Hie* 
bey  haben  sie  einige  souderbare  Ee^elii,  da^z  der  Leser 
bey  dem  Au£ang  mitten  in  die  Geechicht  kinein  geführt 
werde,  dass  die  verwomie  Brzflhlnngen  sich  selbst  nach 
und  nach  ohne  Machinen  anflOsen  sollen,  nec  Dens  inter- 
Sit,  nisi  dignifs  vindice  nodus  inciderit  etc.  .  .  .  Dieses  ist 
der  Zettel;  der  Eintrag  ist  bey  den  meisten  von  geringer 
Yersehiedenheit,  denn  insgemein  werden  beschrieben 
Schdnhdten,  Ittsteme  Bnmsten,  Sehnnngen,  Eifersnehten, 
Rivalitäten  oder  (teutsch  mit  ihnen  zureden,)  Samtliutf- 
nungen  Liebes-Liste,  ^acht-  und  Hinder-Thür  oder  f'enster- 
Visiten,  Kfisse,  Umarmungen,  Liebes-Ohnmachten,  Buts- 
werk,  Hahnreyen,  Bnhler-Trftmne,  Gärten,  Palläst,  Lnst- 
A\'iilder,  Schildereyen,  Götzen-Tempel,  Musiken,  Tänze, 
Schau-  und  Ritter-Spiele,  ihitfuluungen,  Irr-reisen,  Vei*- 
zweiflnngen,  begonnene  oder  vollbrachte  Selbstmorde,  Zwey- 
kfimpfe,  See-StQnne,  G^angenschalten,  Kriege,  Blutbäder, 
Verkleidungen,  Helden,  Heldinnen,  A\'ahisagereyen,  Bey- 
lager,  ivxönuugen,  Feste,  Triumphe  etc.,  dieses  alles  be- 
lichten die,  so  diese  Bücher  fleissig  gelesen.** 

Man  nrasz  gestehen,  dasz  diese  Darlegung  der  au  ei- 
nem Romane  gehörigen  Requisiten  und  ihrer  gewöhnlichen 
oder  modischen  Anordnung  ziemlich  treffend  gerathen  ist. 
Eine  weitere  Stelle  wendet  sich,  während  der  Veifasser 
sidi,  vielleicht  der  bibüschen  Titel  wegen  aus  theologischem 
Interesse,  selbst  am  meisten  mit  Zesen  beschäftigt  au  haben 
scheint,  gegen  Lohenstein,  und  man  sieht,  dasz  Heideggem 
—  wozu  allerdings  nicht  viel  gehört,  dessen  besondere 
Sägenthämlichkeiten  nieht  entgangen  sind.       sei,  heisot 


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—    246  — 

es  Seite  86  ff.,  durch  das  Bomanlesen  noch  niemand  zum 
Aristoteles,  ausser  mit  emem  Vorbachstaben,  geworden, 
man  gewöhne  sich  dadurch  einen  schwtUstigen  nnd  kindisehmi 

Stil  an,  zwei  oder  drei  Gleichniszreden,  ein  buhlerisches 
Brielconcept,  närrische,  ungereimte  Hyperbeln,  ausländische 
Worte*),  ein  Dutzend  erdichtete  Namen,  man  lenie  einen 
jeden  ohne  Unterschied  mit  fürstlichen  „Gomplement^*^ 
tractii*en,  sich  verkleiden  und  andere  Eitelkeiten  treiben. 
Es  sei  «war  eingewendet  worden,  dasz  sich  die  jetzigen 
Bomanschreiber  beflissen,  ihre  Erzfthlnngen  mit  hochtra- 
benden theologischen,  moralischen  und  philosophischen 
Discui^en  auszustatten,  eine  „über  die  Maszeu  nette  Schreib- 
art zn  führen**  und  allerhand  Onriositäten  Torzutragen,  be- 
sonders sei  dies  an  Lohenstein  gelobt  worden.  Dessen 
Arminius  sei  aber  eben  seiner  Länge  wegen  zu  verwerfen, 
wenn  überhaupt,  könnten  nur  kurze  üomane  geduldet  wer- 
den. Es  könne  einer  die  Bibel  mehrere  Male  durchlesen, 
ehe  er  mit  dem  Arminius  fertig  werde.  Er  schütte  dem 
Leser  den  Kopf  so  voll,  dasz  andere  Studien  dadurch  be- 
nachtheiligt  werden  müszten.  Lohemütein  habe  aus  Misz- 
verstand  der  Bomangesetze  seine  Erzfthlnngen  so  abscheu- 
lich geviertheilt  und  an  weit  entlegene  Orte  verstreut, 
dasz  sie  ohne  Ermüdung  des  Gredächtnisses  nicht  übersehen 
werden  könnten.  Diese  Bemerkungen  sind  gewisz  nicht 
ohne  Berechtigung,  aber  wie  wenig  Heidegger  doch  zum 
Kritiker  taugte,  beweist  er  bald  darauf,  indem  er  dem 
Stil  Lohensteins  vorwirft,  er  rieche  zu  sehr  nach  der 
schlesischen  Moudart  nnd  sei  „ohnförmlich  frech  und  ala- 
modisch,"  und  von  Stnbenberg,  Zesen  nnd  anderen  meint, 
sie  hätten  die  durch  ihre  Vorfahien  „glücklich  polirte*^ 

*)  Dies  itt  aUvrdings  in  Besag  auf  die  von  uns  betrachteten 
Hanptvertreter  der  Gattung  eine  gewlnealose  Verieandiing. 


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—    247  — 


Sprache  ihres  majestätischen  Ansehens  beraubt  und  sie 
auf  ähnliche  Weise  yerdorben  wie  Heliodor  und  Tatius 
die  gTiechiscfae»  Petroniiis,  Apnicdiis  nnd  Capella  die  la- 
teinische. Es  sei  licherlich,  dasz  man  Lohenstein  wegen 
der  durchaus  gleichenden  Redensart*)  lobe,  das  sei  eben 
sein  Fehler,  dasz  er  alle  Personen  in  gleichem  Stile  reden 
lasse,  seine  DiBcnrse  seien  zwar  sehr  gelehrt,  aber  znm 
Theil  sehr  nnntttz,  nnd  man  habe  dergleichen  ans  anderen 
Büchern  zu  lernen,  das  Romanlesen  führe  in  dieser  Hin- 
sicht nur  zum  ixagmentarischen  Wissen,  auch  püegteu  wohl 
die  richtigen  Bomanleser  solche  belehrende  Stäche  zu 
ftfierschlagen  nnd  nnr  die  Liebesgeschichte  zn  verfolgen.  In 
dieser  Weise  Richtiges  mit  Halbrichtigem  und  Falschem 
vennengend,  redet  Heidegger  noch  eine  Menge  von  Lo- 
henstein, anch  in  einzelnen  AussteUnngen  an  gelehrten 
Notizen  thnt  er  ihm  gelegentlich  Unrecht,  z.  B.  höhnt  er 
darüber,  dasz  Zeno  auf  dem  Kaukasus  einen  Regenbogen 
unter  sich  soll  gesehen  haben,  während  otfeubare  Unrich- 
tigkeiten nnd  Versehen  des  Polyhistors  ihm  entgangen 
-  sind. 

Ich  glaube,  dasz  das  aus  Heideggers  Mythoscopia 
Mitgetheilte  und  über  diese  Sclirift  Gesagte  dazu  beitra- 
gen wird,  zu  erklären,  warum  seine  Stimme  ziemlich  un- 
gehört  yerhallte.  Ein  derartiger  Angriff  war  in  der  That 
nicht  geeignet,  in  der  Entwicklung  des  damaligen  deut- 
schen Romans  eine  Rolle  zu  spielen  und  irgend  welche 
Aenderungen  im  Geschmack  hervorzubringen,  wenn  auch, 
wie  gezeigt  worden  ist,  der  Verfasser  einige  Hauptfehler 
richtig  zu  bemerken  im  Stande  war.  Uebrigens  mnsz 
man  sagen,  dasz  Heideggers  Kritik  auch  von  vornherein 

*)  YefgL  die  Allgemeinen  Anmerkungen  Thl.  IV  der  ersten 
Auflage  cap.  IL 


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248  — 


viel  besser  augelegt  und  viel  besser  ausgefiihrt  hätte  sein 
küuneu,  ohne  docli  iigend  eine  beaoudei'e  Wirkung  her- 
vorznbringeiL  Denn  abgesehen  Yon  der  eimaal  dem  aiito* 
ritätsseligen  Zeitalter  feststehenden  Autorit&t  eines  solchen 
Mannes  wie  I.ohenstein,  musz  beachtet  werden,  dasz  Hei- 
deggers Einspruch  von  jenseitsi  dei*  südwestlichsten  Grenze 
Deatschlands  sich  hOren  liesz,  der  Ansgangsponkt  der  Ii* 
terarischen  Gesainmtströmnng  aber,  die  auch  den  heroisch- 
galanten  Kunstroman  zu  dem  machte,  was  er  war,  die 
nordöstlichen  Gegenden  waren.  Ein  rein  änsaerücher  Um- 
stand, den  man  ab^  in  jenen  Zeiten  nicht  f&r  nnbeden- 
tend  halten  musz,*)  während  er  freilich  heutzuta^^r  <:ar 
nicht  in  Hechnung  zu  stellen  wäre.  Jedeul'alls  müssen  wir 
uns  aber  hüten^  in  Heideggers  Auslassungen  einen  Beweis 
daf&r  zu  finden,  dasz  die  Geschmacksrichtung,  weldie  Ton 
Luhenstein  und  Genossen  darf!:estellt  wird,  bereits 
damals  wirklich  angelaugeu  habe  iu  Abgang  zu  kommen. 

Noch  weniger  bedeutete  die  dem  verstiegenen  Süle  und 
der  unwahrscheinlichen  Phantastik  der  Romane  von  dem 
ordinären  Vielsclireiber  Johann  Huber,  mit  dem  Schrift- 
.  stelleinamen  Jan  llebhu,  auf  den  wir  später  zurückzu- 
kommen haben,  gemachte  Opposition.  Huber  wollte»  na- 
mentlich in  seinem  Adimantus  und  Ormizella^  eine  Sa- 
tire auf  die  Romane  liefern,  aber  seine  Parodien  der 
schwülstigen  Sprache  sind  schlechte  Witze  der  ordinärsten 
Sorte,  seine  karrikirte  Phantastik  trifft,  obw<^  sie  einig« 
an  sich  nicht  üble  satirische  Züge  enthält,  nicht  die  he- 
roisch-galanten üomane,  sondern  den  Amadis  und  die  äl- 

*)  Beweise  davon,  wie  stark  die  provinciale  Eifenncht  auf  Ute* 
rarische  Beziehnngen  wirkte,  findet  man  in  den  Beytrftgen  inr  Crtt 
Hist  sehr  zahlreich. 

0.  0.  1678  und  1679. 


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teren  Ritterbücher.  Auch  trieb  Huber  sein  Handwerk 
vor  dem  Ersciieiaeu  der  Banise  und  des  Amimus. 

Da  uns  aber,  um  zu  bestimmen,  wie  lange  und  in 
welchem  Umfange  diese  G^chmacksrichtung  geherrscht 
habe,  nicht  allein  directe  Zeugnisse,  sondern  auch  lite- 
rarische Thatsachen  andrer  Art  dienen  müssen,  dürfen 
wir  uns  hier  wohl  zunächst  einige  vorgi-eifende  Andeu- 
tungen erlauben,  und  wenigstens  kurz  darauf  hinweisen 
—  was  später  auslührlicliei  wird  daigek-gt  w  erden  — 
dasz  die  Existenz  und  Beliebtheit  der  Simplicianischeu 
Schrüten  Grimmelshausens  schon  ein  ziemlich  ins  Gewicht 
fallendes  Zeugnisz  f&r  das  Vorhandensein  eines  andei*en 
Geschmackes  und  von  Leserkreisen  mit  durchaus  ver- 
schiedenen Anforderungen  liefert.  Ferner  ist  bekannt, 
dasz  Christian  Weise  in  seinen  Schriften,  unter  denen 
sich  ja  auch  weiter  unten  zu  betrachtende  Bomane  be- 
finden, dem  tiberspannten  und  grellen  Geschmacke  der 
zweiten  Schlesischen  Schule  praktisch  entgegentrat,  indem  er 
einfach  das  entgegengesetzte  Extrem,  die  äuszerste  Nüch- 
ternheit, zu  seinem  Grundsatz  machte.  Auch  musz  schon 
hier  bemerkt  werden,  dasz  —  abgesehen  von  der  um  die 
Scheide  der  zwei  Jahrhunderte  auftauchenden  der  Quan- 
tität nach  ebenso  bedeutenden  wie  der  Qualität  nach  nich- 
tigen ordinfiren  Unterhaltungsbellettristik,  welche  sich  theils 
an  die  heroisch-galanten  Bomane,  theils  an  die  ihnen  ent- 
gegengesetzten Erscheinungen  anlehnt  —  die  im  Anfang  des 
XVlll.  Jalirhunderts  auf  einen  äuszeren  Anstosz  aber 
zugleich  auf  Grund  tiefer  liegender  b^  uns  einheimischer 
allgem^ner  Stimmungen  und  Geistesregungen  herein- 
brechende Fluth  der  Robinsonaden  grade  dem  Bedürf- 
nisse nach  Nahrung  für  die  Phantasie,  dem  Weise  gar 


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—    250  — 


nicht,  also  im  Grunde  eben  nicht  besi>er  als  Lohensteiu 
und  Genossen  entg^en  gekommen  war,  nun  auf  andere, 
positirere  und  bessere  Art  entgegenkam. 

Das  Früheste,  was  an  directer  Kritik  nnd  zwar  von 
Kreisen,  welche  einen  entscliiedenen  Foi-tschritt  in  Sachen 
der  Poesie  nnd  des  G^esdunackes  anbahnten,  gegen  die 
heroisch-galanten  Romane  als  solche  sich  yemehm^  liesi, 
war  eine  satirische  Abhandlung  Bodmers  in  den  Dis- 
coursen der  Mahlern",*)  welche  der  von  uns  schon  im  VIII. 
Capitei  kennen  gelernten  Stelle  aus  Boüeaos  H^ros  des 
Romans  so  nnselbstfindig  nachgeahmt  ist,  dasz  wir  ihre 
Mittheilung  hier  füglich  unterlassen  dürfen.  Buchholtzens^ 
Herkules  und  Lohensteins  Arminius  werden  pranz 
ebenso  wie  dort  Cyroa  yon  Pluto  nnd  Diogenes  behandelt. 

Wir  würden  ohne  Zweifel  Bodmers  satirischen  Yer* 
such  überschätzen,  wollten  wir  von  ihm  an  den  wirklichen 
Umschlag  der  öfientlichen  Meinung  in  den  literarisch  le- 
bendigen Kreisen  datiren.  Hiergegen  spricht  schon  zu 
deutlich  die  zweite  Ausgabe  des  Arminius  und  die  erst 
infolge  derselben  aufgegebene  Absicht  einer  Anzahl  von 
Schweizern,  zwei  neue  Auflagen  zu  veranstalten.^)  Aber 
das  Schwanken  der  ITrtheile  begann  um  diese  Zeit  allge- 
meiner zu  werden,  und  grade  (iebauers  Vorrede')  liefert 
hierzu  genug  Belege.  £r  muszte  sich  nachdrücklich  ge- 
gen solche  vertheidigen,  welche  eine  neue  Ausgabe  dea 
Arminius  fftr  unnfitz  hielten,  er  fand  n9thig,  zu  erklftren^ 
dasz  sich  die  von  ihm  unternommene  Arbeit  mit  seiner 
Stellung  wohl  vertrage,  er  sagt,  dasz  die  Anzahl  derer 
nicht  gering  sei,  weh^he'  den  Arminius  von  seiner  Hfto 

TheU  III.  S.  100  ff. 
»)  Vgl.  a  179  ff.  Aiim. 

*>  s.  rv.  XX.  XXV.  xxxui.  xliv. 


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—    251  — 

hemntef  reiszen  wollten,  und  druckt  gegen  sie  eine  lange 
Stelle  aus  der  von  den  Schweizern  ausgegangenen  Anffor^ 
demng  zur  Snbscription  ab,  fttlurt  anch  Thomas,  Grondling 

u.  a.  wider  die  Gegner  ins  Feld,  verbreitet  sich  über  die 
Absicht  und  das  Ziel  Lohensteins^  aber  man  sieht,  dasz 
er  yiel&ch  gegen  richtige  Einwftnde  zu  kämpfen  hat  und 
schlieszlich  einige  Fehler  des  Anninins  zugeben  mnsz. 

1731  war  die  von  Gebaner  besorgte  Ausgabe  des 
Amiinius  erscliienen,  1733  eröffnete  Gottsched,  wel- 
cher hierzu  geeignet  und  berechtigt  war,  einen  nach- 
drftcklichen  und  wirksame  AngrifGBkrieg  gegen  die  he-^ 
roisch-gelanten  Bomane,  so  dasz  ihm  das  Hauptyerdienst 
an  der  Beseitigung:  des  von  ihnen  vertretenen  Geschmackes 
zuzuschreiben  ist.  AVenn  Gottscheds  schulmeisterliche 
Pedanterie  und  Nllchtemheit  in  anderer  Beziehung  hin- 
dernd in  die  Entwidcelung  unserer  Literatur  eingegriiFen 
haben  mag,  so  wart  ii  doch  grade  diese  Eigensclialten  dazu 
ei  f Ol  derlick,  um  gegen  die  Maszlosigkeit  und  Vei-stiegen- 
heit  der  zweiten  schlesischen  Schule,  deren  Charakter  mit 
der  Entwickelung  des  heroisch-galanten  Romans  auf  das 
innigste  zusammenliängt,  und  gegen  die  vielen  Geschmack- 
losigkeiten in  dem  Stil  und  dem  Aufbau  jeuer  Dichtungen 
anhaltend  und  mit  allgemein  verständlichen  Gründen  ein- 
zuschreiten. Sein  damals  ungebrochenes  Ansehen  gab  dem, 
was  er  sagte,  bei  den  Zeitgenossen,  welche  „galten  Ge- 
schmack" zeigen  wollten,  Anspruch  auf  Beachtung,  die 
methodische  Gründlichkeit  seines  Verfahrens  weckte  das 
Bewusztsein  von  der  Nothw^digkeit  eines  verständigen 
theoretischen  Nachdenkens  und  einer  von  überlegten 
Grundsätzen  geleiteten  Kunstübung  in  der  schönen  Li- 
teratur, ein  Bewusztsein,  welches  grade  den  hervonugenden 


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poetischen  Producenteu  des  XVil.  Jahihundertä  in  holiem 
Grade  gemangelt  hatte. 

In  den  »Bejtrigen  Zur  Gntiscban  Historie  der  Dent- 
«chen  Sprache,  Poesie  und  Beredsamkeit»  heraii«gegeben  von 
Einigen  Mitgliedern  der  Deutschen  Gesellschaft  in  Leipzig" 
im  sechsten  Stück,  Leipzig  1733  pag.  274  flf.  findet  sich  eine 
Besprechung  der  Asiatischen  Banise,  in  der,  was  für  un* 
sere  Betrachtung'  interessant  ist,  beiläoflg  gesagt  wird, 
dasz  „seit  der  Zeit,  dass  er  (Ziegler)  sein  Buch  geschrie- 
ben, in  ganzen  45  Jahren,  kein  einziger  Mensch  sich  da- 
ran gemachet  und  ihm  seine  Fehler  gewiesen**  —  ein  Be- 
weis, dasz  Gottsched  hier  gegen  ein  schon  lange  2«eit  existi- 
rendes  und  anerkanntennassen  allgemeines  Yorurthefl 
auftrat. 

Nachdem  der  Keferent  den,  wie  wir  gesehen,  äuszerat 
▼erwickelten  Ghuig  der  Ereignisse  in  einem  übersichtlichen 
Auszüge  angegeben,  wül  er  „erstlich  die  Charactere  de* 
rer  Personen,  sodann  die  Fehler  get^en  die  Wahrschein- 
lichkeit, lüeruächst  die  übel  angebrachte  Person  des  Scau- 
dors  und  endlich  die  schwülstige  Schreihart  hemerkeD.** 
Ehe  wir  aber  den  Anfong  dazn  machen**,  fihrt  er  fort, 
„wird  es  nicht  ujidienlich  sein,  auch  den  Titel  und  die 
Vorrede  des  ganzen  Werkes  ein  wenig  zu  beleuchten. 
Diejenigen,  so  aus  diesen  änsserlichen  Stüdcen  den  Ge- 
schmack zu  heoriheilfln  pflegen,  darinn  ehi  ganzes  Buch 
geschrieben  ist,  werden  sich  bey  nnsei-er  Banise  nicht  be- 
trügen. Herr  von  Ziegler  hat  seinem  Buche  schon  au  der 
6time  die  Merckmale  seines  Geeistes  und  seiner  Zeiten  ein- 
geprftget  Seine  Banise  heiszt  die  Asiatische,  und  zwar 
Ton  rechtowegen,  denn  sie  ist  eine  Asiaterfn.  Es  scheint 
aber  nicht  andei*s,  als  ob  HeiT  von  Ziegler  selbst  auch 
ganz  asiatisch  darüber  geworden  wäre.  Seine  Gedanken 


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—    263  ~ 


Bnd  Ausdräckangeu  zum  wenigsten  sind  so  hochtrabend 
und  gekftnstelt;  dasz  man  ihn  eher  Ar  einen  Pegnaner^ 
als  fftr  einen  Meiszner  erkennen  sollte.  Wie  schOn  klingt 

nicht  das  blutige  docli  mntliipe  Pegu?  Dieser  Scliellen- 
klang  ist  eine  sehr  altvaterische  Schönheit  der  ehrwür- 
digen barbarischen  Jahrhunderte,  daTon  vrir  die  Beste  noch 
hier  nnd  da  wahrnehmen  etc^  Hierauf  tadelt  Gk>tt8ched 
sehr  riditig-  die  Fassnng  des  Titels  ..Herrn  ,1.  A.  v.  Z. 
u.  K.  Asiat  B.  oder  blutiges  doch  muthiges  Pegu,  in 
historischer  nnd  mit  dem  Mantel  einer  Helden-  nnd  Lie- 
besgeschichte bedeckten  Wahiheit  bemhende  etc..  femer 
den  Eingang  der  Vorrede,  da  es  heiszt  „Endlich  erkühnet 
sich  meine  asiatische  Banise,  als  eine  unzeitige  Frucht 
seichter  Lippen,  anter  der  Presse  hervonsuwagen,  nnd  auf 
dem  Schauplätze  der  schrift-eokeln  Welt  vorznstellen^,  ein 
Passus,  der  zu  bezeichnend  für  den  schwülstigen  und  dabei 
gedankenhühlen  Stil  der  Schule  ist,  als  dasz  ich  ihn  hätte 
übergehen  mögen,  wie  ich  die  anderen  Ausstellungen,  die 
Gottsched  in  Betreff  des  Stiles  macht,  glaube  übergehen 
zu  dürfen.  Was  gegen  die  Zeichnung  der  Charaktere 
bemeikt  wird,  ist  auch  richtig,  nämlich  Ziegler  habe  ge- 
gen die  Regel  gefehlt,  dasz  ein  Komanschreiber  die  Perso- 
nen nach  ihnen  Umst&nden  recht  yorstellen  nnd  ihnen  nicht 
solche  Characteres  beilegen  soll,  welche  von  der  wahren  Be- 
schaffenheit derZeit,  in  welcher  sie  sich  befinden,  abweichen. 
Wir  würden  dies  etwa  so  ausdrüken:  Ziegler  habe  nicht 
daftbr  gesorgt,  dasz  sich  seine  Personen  den  anf  sie  ein* 
wirkenden  ürostftnden  nnd  Ereignissen  gemftsi  benehmen. 
Dies  ist,  wie  gesagt,  ein  sehr  richtiger  Vorwarf,  und  es 
ist  meines  Erachtens  Gottsched  zum  Lobe  anzoi^echnen, 
dass  er  seinen  Tadel  nicht  auch  auf  die  Consequenz  deir 
Charaktere  an  sich  selber  ausdehnt')    Was  Gk»ttsched 

»)  Vergl.  &  22-2  flf. 


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—    254  — 

Fehler  gegen  die  Wahrscheinlichkeit  nennt,  scheint  mir 
zun  groszen  Theil  mit  dem,  was  er  g^n  die  Charakter- 
schilderung vorbringt,  zusammenzufallen,  ist  aber  jeden- 
falls auch  richtig  bemerkt,  denn  es  giebt  vieles  iu  der 
Banise,  was  einen  so  staiken  Glauben  oder  eine  so  Ik^ 
Anspannung  der  Phantasie  yerlangt,  dasz  der  Leser  sich 
durch  die  Zumuthung  verletzt  fühlen  musz.  Die  Person 
des  Scandor  ist  dem  Eecensenten  wegen  des  zu  derben 
Hanswurstcharakters  anst(}szig,  doch  möchte  gegen  Gott- 
scheds darauf  bezüglichen  Tadel  immerhin  geltend  gemacht 
werden  dürfen,  dasz,  wo  alles  sehr  grell  gemalt  wird, 
die  Derbheit  des  Humors  nicht  eben  allzusehr  absticht 

* 

Doch  die  einzelnen  Ausstellungen  Gottscheds  sind  hier  Ne- 
bensache. Aus  dem  Angeführten  geht  hervor,  mit  wie 
groszer  Einschränkung  seine  AV'urte:  „Zieglere  Banise  ist 
bei  uns  Deutschen  noch  der  allerbeste  Boman,  das  macht, 
dasz  er  in  wt^nigen  Stflcken  von  den  obigen  Regeln  (de- 
nen des  Heldengedichtes)  abweicht;  kann  auch  daher  vuü 
verständigen  und  tugendliebenden  Ciemüthern  mit  Lust 
und  Nutzen  gelesen  werden"*  au£Bufassen  sind,  und  es  ist 
gewiss  bezeichnend,  dasz,  wie  Eoberstein  bemerkt  hatJ) 
in  der  Ausgabe  von  1737  „mit  Lust  und  Nutzen"  in  ^mit 
einiger  Lust  und  Nutzen"  abgeändert  ist.  Von  den  ver- 
schiedenen Stellen  der  „Gritischen  Betrüge*',  welche  be- 
weisen, dasz  Gk)ttsched  und  seine  Freunde,  zu  denen  im 
Jahre  1737  trotz  einigen  schon  früher  vorgekommenen 
Beibungen  auch  Bodmer  noch  gehörte,  von  Lohenstein  nicht 
besser  dachten  als  von  Ziegler,  smd  besonders  Bd.  L  S. 
496  ff.,  Bd.  V,  S.  637  u.  644  und  Bd.  Vin,  S.  182  her- 

V.  8.  68,5.  Man  bemoke»  dan  der  Aufitttt  in  deu  ,Bej- 
trftg:«!!*  swisclieii  die  ente  (1780)  und  sireite  Ausgabe  der  «Cr.  Dieht- 
knnst"  ftUt. 


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255  — 


Torznbeben.*)  In  der  ersten  wird  Lohensteins  Lobrede 
beim  Leichenbegängnisse  Hoffinannswaldans  scharf  kritisirt 
Seite  498  lieiszt  es:  Es  ist  itzo  unsere  Absiclit  nicht,  mit 
den  sclaviächeu  Anbetern  seines  Arniiuiuä,  einem  Männliug 
und  Schröter»  oder  mit  seinen  Lobrednem  als  Thomasen, 
•Gnndüngen  nnd  andern  dieser  Art  anzubinden**.  Gott- 
^clied  war  sich  wohl  bewuszt,  dasz  er  es  hier  mit 
Vorurtheilen,  die  von  gewichtigen  Autoritäten  gestützt 
waren,  zu  thun  hatte,  und  darum  wählte  er  klug  das  ab- 
^esdimackteste  und  schw&chste  Product  Lohemsteins. 

Bd.  y,  8.  637  n.  644  finden  sich  Urtheile  Bodmers 
über  Lohenstein  in  einem  Gedicht  über  den  „Charakter 
4er  deutschen  Gedichte/^-)   Bodmer  sagt  unter  anderem: 
Als  seine  dunkle  Sprach  in  Kieslingharten  T5nen 
Auf  dem  Pamasz  erklang,  erschracken  die  Camönen: 
So  sehr,  als  vor  der  Zeit,  lUi  Meister  Klingsohr  kam, 
Und  einen  Ueberfall  des  Berges  unteniahm. 
Sie  flohen  Schreckenvoll  auf  dessen  beyde  Spitzen, 
Und  liessen  Lohenstdn  in  seinen  Sümpfen  sitzen, 
and  S,  644  wird  Neukirch  wegen  seines  Abfalls  von  Lo- 
henstein gelobt.    Dit^  dritte  8telle  ist  aus  einem  ähnlichen 
Gedicht  von  Gottfried  £phraim  Müller  „Versuch  einer 
Oritik  ftber  die  deutschen  Dichter**.  Wenn  auch  in  beiden 
kritischen  Gedichten')  besonders  Lohensteins  Tragödien 

*)  Auszerdem  köunen  noch  verglkhen  werdeu  Bd.  III,  S.  271, 
277,  282.    Bd.  IV,  S.  120. 

^)  Das  Gedicht  war  schon  1734  eiumal  erschienen. 

Beide  (redichte  haben  noch  das  Interesse,  dasz  sie  sich  deut- 
lich an  Popes  Kssay  on  (•riticism  auiehiieu,  welchen  Müller,  der  nicht 
Übel  Lust  hatte,  ein  «Icutsclier  Pope  zu  werden,  auch  übersetzt  hat, 
»her  Überaus  .«schlecht.  Müllers  „Versuch"  war  schon  einmal  1737  er- 
schienen, wurde  dann  in  den  „Bey trägen"  1742  noch  einmal  und  zum 
dritten  Mal  zuMmmen  mit  seiner  Uebersetznug  ans  Pope  1745  ge- 


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—    256  — 


ins  Auge  gefaszt  werden,  so  läszt  sich  doch  selir  leicht 
daraus  abnehmen,  dasz  man  dieselben  Hauptfehler  anch 
im  Arminias  erblickte. 

Von  dieser  Zeit  an  melirtMi  sicli  die  verweilenden  Ur- 
theile  über  unsere  Komane.  1 740  sprach  sich  Brei  tinger  in  der 
„Cht  Abbandlang  von  derNatnr  0.8.  w.  der  Gleichnisse"  ttber 
den  Arminias  and  1741  Bodmer  in  seinen  ^Critischen  Be- 
trachtunf^en  über  die  poetischen  Geniälilde  der  Diclitt^r" 
über  die  Aiamena  aus.  Auf  Einzelne«  weiter  einzugehen, 
liegt  kein  Grand  vor'),  was  wir  aas  allen  derartigen 
Aeoszerangen  zu  lernen  haben,  ist,  dasz  die  Geltang  der 
lieroisch-galanten  Romane  kaum  das  Ende  des  ersten  Drit- 
theils des  XVIII.  Jahrhunderts  erreichte,  und  dasz  >ie 
gegen  die  Glitte  desselben  von  dem  allgemein  geltenden 
Geschmacke  ent^hieden  abgelehnt  Warden. 

Es  durften  jetast  nor  noch  einige  Bemerkungen  nöthig 
sein,  um  das.  w  as  wir  von  den  Zeitgenossen  der  Verlasser 
der  heroisch-galanten  Komane  und  denen,  welche  ihnen 
znerst  das  Verdammangsortheil  sprachen,  gehM  haben, 
za  ergänzen  and  zn  erlftatem.  Namentlich  wird  noch  ei- 
niges über  das  Publicum  und  die  allgemeinen  literari>chen 
Verhältnisse  des  XVII.  Jahrhunderts  zu  sagen  sein,  am 
die  hohe  aber  schnell  vorüber  gehende  Geltang  dieser 
Dichtungen  and  die  Verschiedenheit  der  Stellang  des  da* 
maligen  Romanpublicums  zu  seiner  Leetüre  von  der  des 
jetzigen  in  einigen  Punkten  genauer  zu  erklaren,  als  es 
bisher  geschehen  konnte. 


druckt.  Vei^I.  lutin*  !)  Anfsats  in  Kölbings  Engl  Studien.  Za  Pope« 
Essay  o.  c.  Bd.  III  Heft  1. 

')  Vergl.  die  ZuMmmeBftsUimgen  der  UrtheUe  ttber  Loheoftehi, 
Ziegler,  Anton  Ultieh  n.  t.  w.  bei  JMein  an  den  betrefliBndMi  Slei- 
leo,  welche  frellidi  nam  Thell  einer  späteren  Zeit  angehören. 


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—    257  — 


Vornelim  und  aristokiatisch  ist,  wie  schon  hervorge- 
hoben ward,  die  Entetehong  des  Kimstnmiaiis  des  XYIL 
Jahrhonderts  sowohl  durch  seinen  historisehen  Zusammen* 
hang  mit  der  Poesie  der  Schlesier  als  auch  durch  die  Ge- 
burt und  den  Stand  seiner  schriftstellerischen  Vertreter, 
nnd  beides  erhöht  das  Selbstbewusztsein  derselben.  „Man 
wird,**  sagt  der  Vorredner  des  Arminins,  ,,Ihm  (dem  Ver- 
fasser) umb  so  viel  weniger  diese  Schreibens-Art  ikbel  deu- 
ten können,  weil  nicht  allein  bey  andern  Volckern,  son- 
dern iiucli  in  unserm  Deutsclilande  die  Edelsten  untei*  den 
Sterblichen  sich  dergleichen  bedienet;  ja  sogar  vor  wenig 
Jahren  Dnrehlaiichtige  Hftnde  einen  höchst  rtthmÜchen 
Anfang  darinnen  gemaclit  und  genugsam  gezeiget:  dasz 
wir  nunmehr  andern  Völc  kern  in  der  Kunst-Liebe,  wo  iiicht 
es  zuvor  thnn,  doch  die  Wage  halten  können;  also, 
dasz  wir  der  ausländischen  Übersetzungen  vor  itzo  so 
wenig,  als  ihrer  desz wegen  über  uns  gefülirten  Hohnerey 
bedortfen  werden.  Yomehmlich  hat  aber  eine  hochge- 
dachte Erlauchte  Feder,  und  zwar  eben  in  den  Gherus- 
kischen  Landen,  welche  weyland  unsw  Arminius  beherr- 
schet hat,  zu  grosser  Vergnügung  aller  edlen  Gemüther, 
mit  den  wichtigsten  Beweisz-Gründen  herrlich  ausgeführet: 
dasz  dergleichen  Arbeit  ein  Zeitvertreib  des  Adels  seyn 
solle,  und  demselben  insonderheit  wol  anstehe.**  Aehn- 
liebes  liesze  sich  mit  leichter  Mühe  noch  viel  zu- 
sammentragen. Aristokratisch  und  voinehm  haben  wir  uns 
auch  das  Publicum  dieser  vornehmen,  ja  zum  Theil  er- 
lauchten Schriftsteller  zu  denken.  Hiervon  geben  schon 
die  fast  nie  fehlenden  Widmungen  ein  schlagendes  und 
bisweilen  ergötzliches  Zeugnisz,  ja  diese  Widmungen  machen 
eine  Art  von  Gattungsmerkmal,  welches  sich  von  dem 
ersten  Aufkommen  des  heroisch-galanten  nnd  Sch&fer-Bo- 

17 


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—    268  — 


maus  an  bemerken  läszt.  Die  Kuflfsteinsche  Diana  ist 
dam  kochadlidieii  Fraaenzimmer  in  Oesterreich  ob  und 
unter  der  Ennsz,  Opitzens  Argenis  den  Herzogen  m 
Liegnitz-Brieg  Georg,  Ludwig,  Rudolf  und  Christian  zuge- 
schrieben. Stubenberg  widmete  seine  Clelia  der  Kaiserin 
Eleonore,  Kindermann  seine  auch  als  literarisches  Pro- 
dnct  unglückselige  Nisette  dem  Kaiser  Leopold,  Neomark, 
die  Qualität  durch  die  Quantität  ersetzend,  seinen  Fila- 
mon  sieben  Edelleuten  zugleich,  Zesen  i>eine  Soloniübe  der 
Königin  Christine,  Lohensteins  Sohn  wandte  sich  mit  dem 
Arminias  an  den  Ohnrfllrsten  Friedrich  m.  von  Branden- 
burg, Ziegler  mit  der  Banise  an  den  Churprinzen  Johann 
Georg  von  Sachsen,  Peruaner  endlich  suchte  in  Qualität 
und  Quantität  alle  zn  überbieten,  indem  er  seine  Alma- 
hide  den  Fürstinnen  nnd  Prinzessinnen  des  ganzen  heil 
Rom.  Reiches  überreichte.  Wie  er  es  mit  denDedications- 
ezemplaren  gehalten  haben  mag,  wissen  wir  freüich  nicht 

Doch  das  sind  Aenszerlichkeiten,  und  der  beste,  zu- 
gleich auch  das  innere  Wesen  der  Sache  am  meisten  blos- 
legeude  Beweis  dafür,  da^^z  ^^ir  uns  zur  Zeit  des  Anni- 
nins  und  der  Banise  wirklich  auf  dem  Höhepunkte  des 
heroisch-galanten  Bomans  nnd  zwar  auch  anf  dem  Höhe- 
punkte der  (leltung  dieser  Gattung  bei  allen,  welche  mit 
dei'  deutschen  Literatur  überhaupt  zu  thun  hatten,  befin- 
den, ist  noch  anzuführen.  £r  besteht,  allgemein  gesagt, 
in  dem  engen  Zusammenhange  des  Bomans  mit  den  ge- 
sanmiten  andern  Gattungen  der  Kunstdichtung  jener  Zeit, 
infolge  dessen  er  überall  da,  wo  irgend  welches  literarische 
Leben  herrschte,  sich  ld,cht  anschlieszen,  fest  Wurzel 
fassen,  bequem  formen  konnte. 

Wii*  sehen  hierbei  noch  ab  von  dem  fast  überall 
auszer  etwa  bei  Weise  und  denen,  die  ihn  genau  nach* 


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-r   259  -T 

ahmten,  sich  zeigenden  Einflüsse  des  so  zu  sagen  classi- 
sehen  heroisch-galanten  Bomans  ani  die  Production  der 
yielschreibenden  Bellettristen  wie  eines  Happel,  Talander, 

Menantes,  deren  liomane  zum  Theil  ganz  und  gar  heroisch- 
galante sind  und  namentlich  Ziegler  zum  Vorbilde 
nehmen.  Denn  aof  ihr  Fahrikgesch&ft,  welches  im  Zu* 
sawmenhange  mit  der  Ton  Grimmelshausen  genial  nnd  von 
Weise  altklug-sclmlmeisterlich  gestalteten  komischen  Pro- 
sadiehtung  beti'achtet  werden  musz,  werden  wir  noch  zu- 
rftckkommen  nnd  es,  soweit  es  überhaupt  literarhistorische 
Beachtung  verdient,  würdigen.  Hier  genttgt,  nur  anf  den 
Antheü  himsnweisen,  den  die  Thfttigkelt  nnserer  Kory- 
phäen an  der  En*egung  der  Xa(-htrage  nach  jenen  breiten 
-Bettelsuppen  hatte.  Interessanter,  wenn  auch  nicht  in 
eben  solchem  Grade  zu  Tage  liegend,  ist  der  Umstand, 
dasz  der  Knnstroman  des  XYII.  Jahrhunderts  an  eine 
ganze  Anzahl  von  poetischen  und  halbpoetisclien  liteiaii- 
schen  Gattungstypeu  seiner  Zeit  so  nahe  grenzt,  dasz  die 
Uebergänge  fiist  verschwimmen,  die  Unterschiede  nnr  anf 
einzelnen  Seiten  nnd  bei  schftrferer  Betrachtung  von 
festen  Gesichtspunkten  aus  hervortreten. 

Nahe  durcli  den  im  Sinne  der  opitzischen  Definition 
tragischen  Stoff  stand  der  Boman  der  Tragödie,  die 
mit  Recht  in  dem  theoretischen  und  gelehrten  Bewusztsein 
der  Dichter  den  ersten  Platz  unter  den  Dichtuiig^^i^Mttungen 
einnahm.  Die  römische  Kaiserzeit,  das  Leben  an  den 
Höfen  der  Sultane  oder  anderer  Despoten  war  der  Boden 
des  Heroismus  nach  Lohensteinschem  Geschniacke,  die 
Liebesintriken  des  Hofadels  spiegelten  sich  in  prosaischem 
Gewände  in  den  Romanen,  in  poetischen  in  den  behebten 
Heroiden  oder  Heldenbriefen  wieder,  die  enge  Verbindung, 
welche  der  Natur  der  Sache  nach  zwischen  der  Politik 

17* 


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—    260  — 

9 


despotischer  Zeiten  und  den  Liebesaffairen  der  Fürsten 
und  Groszen  bestdut,  bewirkte  die  genaue  Beziehung  des 
heroischen  nnd  galanten  Elements  und  liesz  sie  der  Mit- 
Wfclt  in  den  Romanen  ebenso  natürlich  erscheinen,  wie  sie 
es  damals  im  Leben  wai*,  und  aus  eben  dem  Grunde  stall- 
ten sich  blosse  Zusammentragungen  y<«L  Berichten  Ober 
politische  jBreignisse  nnd  Ho^eschichten,  Memoiren,  in 
denen  nur  andere  Xamen  an  die  Stelle  der  wahren  kamen, 
dicht  neben  die  verhältniszmä.szig  freien  Schöpfungen  der 
Phantasie,  welche  mit  solchem  Stoff  ans  der  Wirklichkeit 
nur  verquickt  waren,  freilich  mehr  als  gut,  die  aber  doch 
eine  Geschichte  aus  dem  römischen,  deutschen,  biblischen 
Alterthume  oder  aus  dem  fernen  Hinterindien  als  Haupt- 
&bel  zu  Grunde  legten  und  nach  den  Begeln  der  qnischen 
Darstellung  zu  gestalten  suchten.  Und  wie  die  Unter- 
haltung mit  Zeitgeschichten,  so  fand  auch  die  Belehrung 
über  Ereignisse  der  Neuzeit  in  den  heroisch-galanten  Bo- 
manen  eine  beliebte  und  geachtete  Form,  der  sie  sich 
leicht  anzupassen  vermochte,  wenn  das  Bedürfnisz  vorlag,, 
in  deutscher  Sprache  und  gemeinverständlich  die  Gre- 
schichtswissenschaft  zu  behandeln.  Welches  Gebiet  po- 
pulärer Belehrung  hätte  überhaupt  in  dem  Arminins  des 
groszen  Lohenstein  nicht  ihr  erwüiiseliles  Cluster  gefunden? 
Welche  Speculation  mit  nervenauiregender  Leetüre  hätte 
nicht  gern  von  der  „Art  des  Herrn  von  Ziegler**  Qebranck 
gemacht?  Warum  sollte  der  bedenkliche  Beiz,  den  für  die 
anbetend  zu  den  Hunderten  von  kleinen  und  gröszeren 
Fürsten  au&ehenden  Junker  und  Damen  das  Eindringen 
in  die  oft  recht  pikanten  Familien-,  Ehe-  uid  Liebessachen 
der  Duichleuchtigkeiten  besasz,  sich  nicht  als  poetisches 
Interesse  und  feine  Bildung  geriien,  da  durchleuchtige 
Hände  selbst  in  diesem  Gebiete  mit  Gra^e  in  infinitiim 


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—    261  — 


th&tig  gewesen  waren?  Es  kann  kein  Zweifel  daiHber  ob- 
walten, dasz  die  Legitbninmg  dieser  Stoffe  durch  eine  dock 
inuneridn  TerhlQtniszmftsng  anständige  and  comcte  Kunst- 
form ein  Unheil  füi'  da^  sittliche  und  geistige  Leben  der 
höheren  Stände  unseres  Volkes  war,  der  Voi'schub  aber, 
welcher  durch  die  im  heroisch-gahmten  Boman  gebotenen 
Darstellungsniittel  der  Popularisimng  der  Wissenschaften 
geleistet  wurde,  ist  ein  entschiedener  Segen  gewesen. 
Freilich  nmsz  man  die  cunfuse  und  bis  zum  Stumpfsinn 
kritiklose  Collectaneengelehrsamkeit  Lohensteins  nicht  mit 
unseren  jetzigen  Maszstäben  messen,  sondern  erwftgen,  dasz 
auch  eine  nach  unseren  Ansichten  so  un<?eschickte  und 
unsichere  Belehrung  anregend  wirkte,  den  Begabteren  in 
den  vornehmen  KreSaen  einen  Geschmack  an  irgendwelcher 
Bereichermig  ihres  Wissens  und  an  einer  Gonversation 
ftber  gelehrte  Dinge  beibrachte  und  das  Vorurtheil  zer- 
streuen half,  dasz  man  Gegenstände  der  Wissenschaft  nur 
lateinisch  and  in  akademischer  Form  behandeln  könne. 
Dies  ist  die  den  Bestrebungen  des  wad^eren  GL  Thomas 
zugekehrte  Seite  der  herofsch-galaiiten  Bomane,  und  nur 
sie  macht  seine  gute  Meinung  von  ihnen  erklärlich. 

£&  genüge  hier,  der  Beispiele  halber  einiges  aus  der 
grossen  Menge  der  eben  charakterisirten  Erscheinungen 
aaznfllhren.  Harsddrffers  Schaupifttse,  Oesprftchspiele,  Er« 
quickstunden  sind  schon  genannt  worden.  Nicht  alle  der- 
artigen Schriften  bewegten  sich  in  einer  so  nichtsnutzigen 
TAndelei,  w^  uns  auch  HarsdOrffers  Landsmann,  der 
auch  berdts  erwlkate  Erasmus  Francisd,  der  so  schreib- 
süchtig war,  dasz  er  sich  selbst  abschrieb,  keinen  grade 
achtunggebietenden  Eindruck  macht.  Durch  einen  poetisch 
kliagendMi  Titel  erimem  Bttcher  wie  Birckena  Frieder» 
ibsute  TIeutonie  daran,  dasK  sie  sich  neben  die  Bbmane 


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stdlen  wollten'),  was  sie  auch  durch  Einftihnmg  von  alle- 
gorischeu  Prinzessinnen  und  symbolischen  Liebhabern  zu 
thim  yersachten,  und  die  Bomanform  war  schliesslich  noch 
mindestens  ebenso  angemessen  fttr  ihren  Stoff  wie  die  we- 
gen der  AuÜÜhruiigeii  zu  Festen  und  feierlichen  Gelegen- 
heiten häufig  gewählte  des  Dramas. 

Man  ging  aber  noch  weiter  in  der  Anwendung  der 
Bomanform,  indem  man  rein  moralische,  politische,  sociale 
oder  gar  theologische  Materien  allegorisirte  und  in  he- 
roisch-galanter Hülle  ei-zählte.  Dergleichen  Erscheinun- 
gen, die  grade  deshalb,  weil  sie  heot  andenkbar  sind,  ein 
helles  Licht  auf  die  Beliebtheit  und  Nutzbarkeit  der  Bo- 
manform werfen,  sind  znm  Beispiel  die  Stockflethsehe  Ma- 
carie, von  der  das,  was  Gervinus  Uber  die  Aramena  mit 
Unrecht  sagt,  mit  Eecht  gesagt  werden  kann,  nämlich 
dasz  man  sie  durchaus  allegorisch  lesen  mflsse,  fumer  An- 
dreas Bihlmanns  politisch-theologischer  und  desselben  po- 
litischer Tractat  von  Staats-  und  Liebessachen.  zwei  der 
abgeschmacktesten  und  vei-schrobensteu  Leistungen  der 
ganzendeut8chenLiteratnr,und  dieallerdingsznerstlateinisch 
geschriebene,  aber  ins  Dentsdie  fibertragene  Psyche  cretica 
von  Pra«ch,  eine  äuszerst  gespreizte  Parabel  mit  irenischer 
Tendenz  in  Bezug  auf  die  streitenden  cluistlichen  Ck>n- 
fessionen,  welche  aber  viel  Interesse  und  Bewunderung 
And.')  Eine  wie  dehnbare  Vorstellung  man  mit  der  Dar- 
stellungsform  des  Romans  verband,  kann  man  aus  der 
Stelle  in  der  Vorrede  des  schon  erwähnten  Rachsüchtigen 
Luddor  entnehmen,  wo  Schupp  sagt»  gelehrte  Leute  hiel- 
ten dafftr,  „dasz  die  teusend  und  fSnff  Lieder,  welche  Sa- 
lome gemacht,  nicht  eben  Gesänge  gewesen  seyen,  sondern 

*)BekanDtlichbpansprurht dies Bircken ausdrücklich. vgl. S. 48  Anm. 
■)  Hierher  cehürt  wohl  auch  Kongehls  Sorbosia  (Nürnb.  1676. 
12^.)»  welche  wir  leider  nicht  erreichbar  war. 


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es  Seyen  allerhand  Disciu*s  gewesen,  welche  Salomo  auf 
eine  poetische  Art,  oder  wie  wir  heutigen  Tages  reden, 
Samain,  beschrieben  hab.**  Dasz  in  diesem  Bache  die 
besprochenen  Personen  Schftfer  genannt  werden,  erinnert 
daran,  wie  auch  der  Schäferroman  für  jeden  Inhalt  g^ut 
war,  und  alles,  was  wir  bisher  vom  Schät'erroman,  dem 
analfadischen  wie  deutschen,  zu  sagen  hatten,  zeigte,  wie 
wenig  man  einen  seinem  Wesen  nach  idyllischen  Inhalt 
für  not h wendig  hielt.  Vom  Schäferdrama  gilt  dasselbe, 
aber  grade  dadurch  empfahl  sich  diese  nichtige  Form,  ebenso 
wie  die  anspruGfasYcUere  heroi8ch-galante,zuyer8chieden8tem 
Gkbrauche.  Nicht  zu  vergessen  ist  auch  die  Ffthigkeit  des 
Romans,  sicli  ganze  Dichtungen  anderer  Gattung  einzuver- 
leiben, wovon  wir  eineMengeBeispielekennengelemthaben, 
an  einerunendlichgröszeienMasseaberyorübergegangensind. 

Dasz  man  trotzdem  sich  auf  die  Kunstform  des  he- 
roisch-galanten und  Pastoralen  Komans  viel  zu  Gute  that 
und  sich  des  Gegensatzes  gegen  komische  und  volksthüm- 
liche  erzählende  Poesie  bewuszt  war,  werden  wir  zu  be- 
achten noch  GMegenheit  finden.  Alles  in  aUem  genom- 
men aber  werden  wir  nicht  irren,  wenn  wir  behaupten, 
dasz  man  an  der  kunstmäszigen  Prosadichtung  des  X\'LI. 
Jahrhunderts,  deren  Werden  wii*  jetzt  bis  zu  ihrem  Höhe- 
punkte verfolgt  haben,  ihrerzeit  nicht  nur  das  hatte,  was 
wir  an  der  in  Prosa  erzählenden  XJnterhaltnngsliteratur 
unserer  Zeit  besitzen,  sondern  dasz  jene  aucli  noch  den 
gröszten  Tlieil  dessen  zu  leisten  hatte,  wozu  jetzt  popu- 
läre Zeitschnfton  und  die  Tagespresse  dienen  müssen. 
Freilich  ist  hierbei  der  damals  weit  geringere  numerische 
Umfang  des  Lesei)ublicums  in  Ansclilag  zu  bringen,  wenn 
man  die  Analogie  der  literarischen  Zustände  vor  zweihun- 
dert Jahren  und  heut  richtig  auffassen  und  abschätzen  will. 


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Beilage  su  Capitol  XI.  Annimos.  B.  VL  S.  1017. 

Unteidaasen  befluid  sich  SentSaxn  Techella  aa  dem  Hofe  Bmtlaog 
Bojocals.  Dieses  war  ein  junger  wolgewaduener  Fürst  von  «wey  und 
zwantsfg  Jahren,  und  hatte  nach  Gewohnheit  der  was  ftembdes  la 
sehen  begieriger  Devtsdien  etliefae  Jahr  in  Ghilllen  tind  in  Born  sn- 
bracht,  wo  die  meisten  Sachen  lürlftngst  ihre  rechte  Nahmen  verlohren 
hatten,  und  die  ärgsten  Laster  im  Goldstücke  der  Tugend  hergiengen. 
Sintemahl  man  die  Yerwegenheit  alles  Böge  zn  stlfften  Tapfferkeit, 
die  Hoffart  eine  (4ro8zmüthigkelt  hiesz,  die  Verschwendung  znr  Frey- 
gebigkeit,  den  Geitz  zur  Sparsamkeit,  die  Grausamkeit  zur  Gerech- 
tigkeit, den  Aberglauben  zur  (n»ite.sfun  ht  mochtf,  und  die,  welche  in 
W"»llü<ten  andern  es  zuvor  tliäten,  für  antl^ewecktt-  Leute,  uukeusche 
Biiltre  für  den  Ausbund  des  Frauenziiimiers  hielt;  also  in  der  Welt 
mehr  kein  so  genanntes  Laster  zu  tinden  war,  und  die  Körner  ihnen 
einbildeten :  dasz  sie  mit  Überwindung  so  vieler  Vidcker  auch  die 
Botnmszij^keit  überki>minen  hiilteu,  zu  Sätzen,  was  künffti^  Sünde  oder 
übelthat  seyn  solte.  üa  sie  vielmehr  sicli  hätten  bescheiden  sollen: 
dasz  Laster  bey  groäscn  Leuten  kein  besser  Ansehen  bekämen,  nnd 
ein  hesslKsher  Fleek  mehr  Pnrper  und  Seide,  als  ein  hftren  Kleid  Ter- 
steUte.  Ton  diesen  bösen  Sitten  hatten  ihm  einige  insonderheit  den 
Hang  ZOT  Wollnst  angeklebt;  welche  seine  gnte  Gebnitsart  nnd  die 
ünschnld  der  Deutschen  Sitten  men&lieh  verterht,  und  ihn  gleichsam 
in  einer  Ifissgebnrt,  welche  halb  Tugend,  halb  Laster  war,  gemacht 
hatten.  Kach  dem  er  auch  nikch  seines  Vaters  Tode  gleich  wieder  in 
Deutschland  kommen  war,  honten  die  guten  Beyspiele  das  BOse, 
welches  ihn  gleichsam  wie  ein  scharifer  Geruch  ganta  dnrchcogen 
hatte,  ihn  so  bald  nieJit  wieder  in  ersten  Stand  versfttMU.  Denn  die 
Begierd«;  findet  sich  wie  ein  Fremdling  ein;  welcher  nur  auf  wenige 
Augenblicke  Herberge  suchet;  sie  machet  sich  aber  bald  zum  Gaste, 
und  wird  endlich  gar  ein  Herr  vom  gantzen  Menschen.  Also  war 
Bojocal  nicht  mehr  seiner  selbst  niiitliti«:;  sonderlich  weil  er  in  die 
Hände  der  Zauberin  Sentia  durch  die  mit  Segesthen  habende  nahe 
Auverwandnüsz  gerathen  war  ;  welche  auf  Betrug  und  Üppigkeiten  alle 
ihre  Scharffsinnij^keit  angewehrte,  und  es  dem  Bojocal  niemahls  an 
Oel  der  Wollust  ermangeln  liesz,  die  Ampel  seiner  Begierden  damit 
zu  unterhalten.  Mit  die^ien  Künsten  führte  sie  ihn  gleichsam  an  einer 
Schnure.  Ob  sie  ihn  nun  zwar  eben  so  zu  ilirem  Willen  hatte,  üo 
wur  sie  doch  niemals  milch tig  gewest,  ihn  zu  bewegen:  dasz  er  ofi 
80  schnöden  Liebe,  die  des  Yatoiaiides  ausgezogen,  nnd  sidi  mit  doi 
BOmem  wider  selbtes  Terboiden  bitte.  Weil  aber  Sentia  sidi  rar 
ftembder  Geilheit  nun  Werokaeuge,  ihre  AwschUge  der  RBwitriwi 


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Herrschaft  zum  besten  ausznführen  gebrauclite,  hatte  sie  duch  niemahls 
ihre  eij?ene  Ehre  versehret,  unbeachtet  Hie  so  schiSn  war,  als  eine 
itömerin  aeyu  konte;  und  sie  war  mit  so  viel  Üeiste  ausgerüstet,  als 
zehn  greuliche  f'raaeu  zu  ihrem  Liebreitze  vuu  uütheu  hatten.  Bojucal 
]wtte  bey  seiner  mit  Sentfen  fahrenden  Verträuligkeit  wohl  hundert- 
aiAhl  sie  Yersacht,  und  an  sie  gesKtzt^aberraohso  TfelaaU  in  setnem 
Begelven  SehÜfbrach  gelitten,  nnd  Ton  ihr  mehr  als  eimnaU  die  AjH- 
ivort  erhalten:  dass  eine  Fhtn,  welcher  die  Seele  der  Kenaehheit,  und 
der  hierans  üflaeende  Geruch  eines  guten  Kahmens  abgieiige,  ein 
stinokendes  Aasi  wäre ;  also  dass  man  wegen  ihrer  mit  so  viel  andern 
Lastern  Termingter  Keuschheit  und  Klugheit  sie  ftglich  mit  dem 
Egyptlschen  Acker  vergleichen  konte,  in  welchem  die  edelsten  und 
^'ifftigsten  Kräuter  wachsen«  Alleine,  wie  ist  es  möglich,  dasz  die 
Tugend  in  die  Länge  unter  so  viel  Lastern  unversehrt  Ueiben  solle? 
Scharffer  Knobloch  und  Zwibeln  verterben  zwar  nicht  die  neben  ihnen 
stehenden  Gewächse,  sondern  die  Kosen  bekommen  vielmehr  davon  ei- 
nen stärckem  Geruch,  der  Spargel  einen  bessern  Geschmack.  Denn 
die  Laster  sind  viel  schädlich- uüd  anfälliger,  als  beschwerliche  Eigen- 
schafFten  natürlicher  Gewächse,  derer  keines  zu  finden,  was  nicht  sei- 
nen guten  Nutz,  wie  unangenehm  oder  auch  gifftig  es  zu  seyn  scheinet; 
Laster  aber  sind  vun  ihrer  Wurtzel  und  in  allen  Würckuugeu  böse. 
Dahero  sie  uiclit  nur  die  Tugend  entkräfften,  Süuderu  wie  die  Wicken 
iien  Weitzen  zu  Bodem  reisseii  und  erstecken.  AVohlrüchende  Rosen 
und  Sandal-Holtz  zeucht  durch  Beherbergung  stinckender  Dinge  den 
Gestauck  an  sicli,  aUo  wird  das  edelste  Gemüthe,  wenn  es  sich  zu 
einem  Gefösse  nur  eines  Lasters  gebrauchen  Iftszt,  augesteckt.  Ja 
die  Tugend  hiUft  den  Zjastetn«  wenn  sie  seihte  vergesellschafftet»  noch 
mehr  anff  die  Beine,  wie  der  kBstliche  Balsam  den  Bockintaenden  Qt- 
stanek  und  die  Amher-  und  Zlmmet-Kocfaen  dtm  ÜMilen  Athem  noch 
nnertriglicher  machen.  Bey  solcher  Bewandnisi  konte  Sentiens  Kenschr 
holt  nicht  lange  den  Stich  hinten,  sondern  sie  kam  uiKhTecheUa  mit 
-dem  Vorsatie  den  Bojocal  au  gewinnen,  solte  es  gleich  mit  Verluit 
ihrer  Ehre  geschehen.  Nach  dem  sie  aher  gleichwohl  liaher  ein« 
Knpleiln,  als  Ehbrecherin  seyn  wolte;  vielleicht  weil  alle  andere 
Laster  unsem  Leib  nicht  bertthren,  die  Unzucht  aber  ihn  und  uns  in- 
wendig besudelt,  nahm  sie  mit  sich  vier  schöne  Migdlein  von  fiinff- 
ashn  Jahren.  Die  erste  war  eine  Ainazonlu  aus  dem  Caspischen 
Sarmatien,  welches  Ostwerts  das  Caspische  Meer,  gegen  Mittag  Al- 
hanien,  gegen  Abend  den  Caucasus,  gegen  Nord  den  Flusz  Kha  zur 
■Griintze  hat.  Dieses  Land  ist  bey  nahe  das  schönste  in  der  Welt. 
Auf  den  Feldern  wachsen  von  sich  selbst  Tnlipanen,  Narcisseu,  und 
Aacynthen,  die  wUden  BIbuue  tragen  die  voUkommen^ten  Früciikte, 


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die  Sch&afe  bessere  "Wolle  als  die  Spanist'heii.  Ihre  Pferde  holen  die 
Hirschen  im  Lauffe  ein,  welche  nie  mit  HaufFe  jagen,  und  davon  das 
Marek  als  die  kräfftigute  Stärcke  des  Leibet«  essen.  Fürnehmlich  aber 
hat  es  das  Bchöuste  Frauenzimmer  in  Asien,  und  dieses  die  .schönsten 
Augen  in  der  Welt,  ^j^egen  welche  aller  andern  fwhönen  Weiber  Au- 
gen, wie  Sterne  gegen  der  Sonne  erbleiehen.  Ans  dieaem  8ch0ne& 
Voleke  war  nnn  die,  welehe  Sentta  ihr  Uber  Alopecia,  vaA  das  Enzi- 
niedie  Meer  liatte  bringen  laaaen«  eine  nldit  der  gemeinsten.  Sie  war 
lanf  gewarhsen,  geaehlanek,  hatte  braune  Haare,  weisse  nnd  carte 
Hant,  RosenfSubiehta  Wangen,  einen  engen  Unnd  mit  GoraUen-ftr* 
biehten  L^pen,  schwartae  nnd  grosse  Angen,  welche  gleichsam  mit 
Blitse  spielten,  weit  lieraas  stehende  nnd  doch  kleine  und  randte  Brftste. 
Die  andere  war  aus  Britannien,  Ton  gleicher  Lftoge.  Ihre  Haare  wa- 
ren goldgelbe,  die  Augen  braun  und  lebhaft,  die  Wansren  nnr  ein 
weni£r,  der  Mund  aber  mit  reicher  Bttthe  beschüttet,  ziemlich  grosse, 
doch  nmdte  Brüste.  Die  dritte  war  au^  Gottland,  und  gleiclisam  ein. 
Ebenbild  der  schneeiehten  Nord-Welt.  Denn  sie  war  zwar  nicht  so- 
lantj  als  die  ersten;  aber  ihre  Haut  war  so  weis«,  als  ilcr  Schnee 
immer  >^eyn  konte;  also,  dasz  Auaxagoras,  welcher  behaupten  wolre: 
das/,  <ler  iSchnee  schwartz  wäre,  .schwerlich  diesem  Frauenzimmer  ihre 
Weisze  würde  stritTltf  jjcmacht  haben.  Ihre  Himmel-blaue  Auireii  hat- 
ten zwar  nicht  s»  viel  Feuer,  aber  doch  eine  liebreitzende  Anmuth. 
Ihre  Wanyfen  ^leichten  flüssender,  ihre  Brüste  geronnener  Milch,  die- 
ser Höhe  schienen  fifleichsam  mit  zwey  rotheii  Krd-Beeren  besteckt,  und 
jener  Lippen  von  Ziuober  bereitet  zu  seyn.  Die  vierdte  war  eine 
scbwartze  Hohriu,  von  einer  rechten  Gestalt  nnd  holdseligen  Gebehr- 
dnng.  Sie  hatte  wie  die  Mohren  ins  gemein  im  gantsen  Leibe  weder 
Flecke  noch  Wartnn.  Hingegen  war  sie  ISnger,  als  itat  die  Kohren 
ins  gemein  an  seyn  piegen,  also  nach  der  Beschaffenheit,  wie  sie  n 
Cambysens  Zelt  sollen  gewesen  seyn.  Ihr  Hanpt  war  nach  Kohrischer 
Art  foUkommen  ntnd,  die  Wangen  flelsehkht,  die  Haare  liemlicb 
lang;  wiewol  die  Kohren  nicht  wie  andere  YOlcker  an  BedeoknnglhrBr 
einge&llenen  Schlftffe  und  Wangen,  nnd  der  Gruben  Im  Haupte,  der- 
selben benöthigt  sind.  Welches  für  weissen  Lenten  sonder  ZweüM 
eine  Sch?)nheit  seyn  musz;  weil  die  TJebes-Götter  mit  so  nmdten,  die 
Unholden  aber  mit  höckrichten£<'i  f?^*  n  und  Schlangen-Haaren  gemah- 
let werden.  Sie  hatte  einen  gestreckten  Halsz,  und  eine  längere, 
und  nicht  überbo^-ene  Nase,  wie  die  Mohren  sonst  ins  eremein  haben; 
dasz  man  ilnien  in  die  Hölen  der  Na.sen-Löcher  schauen  kan;  wiewohl 
difsc  LntltschöpfFnng  zum  Athem  holen,  zu  Bewegung  der  Mausz  in 
(Tlicdeni,  und  dalier  zur  Geilheit  dienlich  ist.  Sie  hatte  zwar  nicht 
gar  grosse,  aber  keinen  Augenblick  stillstehende  Augen,  welche  ihr 


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wie  eine  Unruh  im  KopIFe  hemm  liefFen.  Ihre  Zähne  waren  weisser 
als  Helffenbein,  und  keinem  Dinge  ähnlicher  als  Perlen.  Ihr  Mund 
war  auch  nicht  wie  sonst  aufgeworffeu,  ihre  Brüste  aber  stratzten 
für  Hftrte,  und  aUe  ihre  Bewegungen  hatten  einen  gewUsen  Liebreits, 
md  dat  Xerekaiaal  hefffeiger  Begierden  an  flkh;  Also»  daas  dieae  am 
eraten  nad  tIeibteB  Bojocaln  Terwmidete;  swelfblafrey  well  die  Seltaam- 
keit  Teninacht»  daa  weleae  Hinner  naeh  aohwartaeD,  und  Möhren 
naeh  weliaen  Franen  am  melaten  Ittatem  aind.  Sentia  war  mit  die- 
aer  hddaeligea  Qesellicikaflt  Ihm  eine  angenehme  Gttstln;  weil  Gleich- 
heit eben  wie  daa  Feuer  eich  an  nenem  Zunder  ergStaet^  und  nadi 
aeihtem  begierig  iat.  Dahero  gehet  ea  der  Schönheit  wie  den  Klei- 
dern, wenn  dieae  achon  von  iüiatUehem  Sammet  nnd  Mdatttcln  auch  ge- 
schickt  gemacht  sind,  wirfft  man  sie  doch  weg,  wenn  sie  der  neuen 
Art  nicht  gem&sz  sind;  und  für  gehranchten  Helenen  krieget  Paria 
endlich  einen  EckeL  Eben  so  gieng  es  Bojocaln;  dieae  ?ier,  an  wel- 
chen er  sich  anfangs  nicht  ersättigen  konte,  machten  ihm,  weil  er 
mit  ihnen  keine  Maasz  hielt,  ein  Grauen;  Sintemahl  kein  Dini,'  in  der 
Welt  ift,  welches,  weuu  es  uns  aul'  eiumahl  allzuhäuffig  übersihüttet, 
nicht  Erkel  verursache.  Denn  es  gehet  damit  wie  mit  den  Spt  isen, 
wenn  wir  damit  den  Magen  überschütten,  müssen  wir  sie  wieder  weg- 
brecheu.  Weil  nun  Sentia  durch  diese  Frauenzimmer  Bojocaln  nicht 
an  Bort  kommen,  und  ihn  zu  Erkiesung  der  Römischen  Seite  l>ewegen 
konte;  fieng  sie  an,  ihm  nunmehr  mit  den  Beeren  ihrer  eigenen 
Keuschheit  durch  Entblössuug  ihrer  Brüste,  und  hnuderterley  Liebko- 
sungen zu  stellen.  So  ▼erschwendertsch  ist  die  Ehr-  und  HeiTscbens- 
•acht!  Jedodi  iet  aieh  über  Sentiens  ao  schftndlicher  FeilUetnng  ibrea 
Leibes  nicht  so  sehr  an  ▼erwnndem;  weil  auch  Kayser  Jullna  nnd  Au- 
gust mit  dem  Netae  der  Unancht  nach  der  Herrsdiaift  geflachet;  Ja 
in  Indien  kein  Weib  so  afiöhtig  ist«  welche  ihre  Keuschheit  nicht  um 
einen  Elephanten  verluuireti  und  in  Asien  sich  ihrer  viel,  um  bey  ih- 
rem Könige,  oder  nur  seinem  obersten  Verschnittenen  ans  Bret  an 
kommen,  sidt  haben  entmannen  lassen.  Weil  die  Ltistemheit  nun 
angleich  scharlEsicfatig  und  leichtgläubig  ist,  nnd  Bojocal  Iftngat  nach 
Sentiens  Geuüsze  geseuibet  hatte,  sfttzte  er  üuffii  neue  an  sie.  Aber 
die  schlaue  Sentia  war  nicht  willens  ihre  Waare  so  wolfeil  anzuge- 
wehren,  ob  sie  sie  ihm  gleich  feil  tjelwl^n  hatte.  Sie  verhüllete  ihre 
Brüste,  und  auch  numehr  ihr  Antlitz,  nnd  bezeugte  sich  kaltsinniger, 
als  sie  nie  vorher  gewest  war;  Wolwissende:  dasz  wie  unser  Cleist 
mehr  Vergnügung  in  Retzeln  und  tiefTslnnigen  Dingen  findet,  als 
derer  seichter  Verstand  auch  Einfältigen  am  Tage  liegt;  also  in  Wol- 
lüsten die  Schwerigkeit  des  Uberkommens  das  schärffste  Saltz  und 
,die  beste  Würtze;  die  KalUünnigkeit  des  FraueiLzimmers  auch  der 


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«tÄrckste  Blasfbal^  sey,  damit  es  in  den  Hertzen  der  Männer  das 
FeutT  der  Begierden  lebend,  seine  Schünbeit  aber  zweyniaiil  so  schön 
iiiii.  h»  n  könne.  Worüljer  sich  aber  nicht  sehr  zu  verwundeni  ist. 
Sluteniahl  uiich  ein  männlich  Hertze  denselben  Sieie:  weni^-  achtel, 
welcher  nicht  Scliweisz  kostet,  und  mit  Blute  erfochten  ist.  Eben  so 
hat  die  Wollust  au  Bich  wenig  ergötzliches,  iralehe  nicht  mit  einem 
Saade  dtr  ntndenita»  angwlnet  mtäm»  Sie  eMate  ieiaeii  Ab- 
muthtuigea  ihre  Ehre,  die  dem  Segesthen  adraldige  Piiefat,  mid  aa- 
dan  BISadwerek  der  Tugend«  aidlioh  auieh  dies  entgegen :  daaa  da 
darch  VeililiigBag  dar  ireatgitan  Vergnttgung  sie  aar  flir  Aanehea 
bey  ihm  TerapieleB,  aad  sieh  YeiMtUeh  nmeiien  wttrda»  nadi  dem  da 
wahrnehme:  dasa  er  der  vier  SehOHheitea,  welche  sie  Ihm  aas  aliea 
Bcken  der  Weh  zusammen  gelesen,  so  bald  ftberdrissig  gewordea 
wire.  Denn  wir  Fraaenslmaiar  gleichen  den  BoseBstrftuchen;  weaa 
wir  Teil  Rosen  stehen,  erweiset  man  uns  alle  ersinnliche  BlnarbletaB^ 
wenn  man  sie  ans  aber  einmshl  ahgebrochen  hat^,  siebet  man  uns  nicht 
über  den  Zaun  an.  Unser  anfanppK  angel>eteter  Leib  wiffll  aaoh  den 
Qenüsse  den  Schatten  der  Verachtuni:;:  hinter  sich;  und  unsere  vorher 
Vor  hiiiimlisrh  gepriesene  Schönheiten  werden  in  einer  Stunde  in 
den  Auiren  unser  Liebhaber,  wie  die  Farben  der  Re^nbo{,'en  zu 
Wasser.  Bojocal  antwortete  Sentien:  Sie  solte  diese  Sehuld  ihr  nur 
selbst,  nicht  ihm  zuschreiben,  und  sich  bescheiden:  dasz  die  ihm  mit- 
gebrachten vier  Sterne  In  ihrer,  als  seiner  Sonnen  Anwesenheit,  in 
winen  Auyen  den  (llantz  verlieren  müssen.  Sentia  gab  nur  ein 
Lachen  darein,  und  satfte:  Er  solte  ihr  nicht  weisz  machen:  dasr  er 
von  so  trischeu  Morgen-Kosen,  als  ihre  ihm  aufgeopfferten  vier  Jung- 
franschaffteu  wären,  nicht  mehr  Vergnügung  schüpffen  solte,  als  von 
ihr,  welche  Tor  so  viel  Jahren  sehoa  dia  Kaaspen  ilirer  Jagend  aaf> 
geopffert,  and  sehon  drejszig  Jahre  anf  dem  HalflOt  von  flirar  SehAi* 
iMit  aber  nicht  wenig  Blikter  eingebttsaet  h&tte.  Bejocal  aedbefts» 
and  fieng  an:  Aeh  anbatmbertaige  Sentia!  weist  da  nicht:  daaa  dIa 
hesalieheB  sehen  alt  sind,  wann  sie  geboliren  werdenf  Die  Sdillnen 
aber  behalten  ihre  Jagcmd  and  Annmtb  aaaafhOriich.  Dieser  ihr 
Herbst  lachet  aas  mehr  an,  als  jener  Ihr  FrtthUag.  Wie  augota  aber 
Sentia  detna  Jahre  mm  Heibste,  swischea  diesen  unreifliBa  Unvolh 
kommenheiten  und  dir,  eine  Yerglelchuag,  deine  navergleieiiliche 
Schönheit  aber  mir  zn  einer  Höllenpein  macheal  Ich  traue  dir  selbst 
diesen  einfilltigen  Glauben  nicht  an:  dasa  die  nmr  noch  Blüthe  tra- 
genden Bäume  denselben,  welche  mit  denen  süssesten  Früchten  be- 
lastet sind,  vorzuziehen  seyn.  Als<»  schone  meiner,  und  miszbranche 
mich  nicht  zum  Vorwand  deines  anderwärtiiren  I'nvertrnü^ens.  Ach! 
Sentia,  sagte  Bojocal,  da  bist  allaasohOo,  and  hast  ailau  viel  Ueist, 


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269  — 


dasz  du  mir  zu  einem  blossen  Vorwande  dienen  soltest.  Du  kennest 
dich  selber  allzuwohl,  und  weist  es:  dasz  du  nicht  um  mir,  sondern 
der  gautzen  Welt,  mehr  als  eine  gemeine  Liebe  einzuüosseu,  mäc-htig^ 
seyst.  Wie  thörieht  habe  ich  gethan '  dasz  ich  mich  zeither  <lurt  h  deine 
Hand  mit  schlechtem  Körnern  habe  speisen  lassen,  und  dasz  ich  meine 
Liebe  in  Ketten  gelegt,  worrait  sie  nicht  mit  g^rös^erm  Ungestüme 
die  Härtigkeit  deines  Hertzens  zu  erweichen  getrachtet  hat!  Alleine 
mein  Fehler  ist  ans  die.st-m  Irrthnnie  geflossen:  dasz  heimlich  und  be- 
Bcheitlen  lieben  das  sicherst»'  Kittel  wäre,  uns  Cxt-gen-Liehe  zu  er- 
werben, oder  in  erlangter  Gnade  zu  erhalten.  Wie  schädlich  habe 
ich  gcfehlet!  dasz  ich  mich  mehr  auf  die  Schickung  der  Zeit,  als  auf 
deine  Hiilfie  verlassen;  also  meiner  Liebe  nach  meiuer  Einbildung, 
nicht  nach  deiner  durchdringenden  Schüulicit  ein  Ziel  gesteckt,  un- 
wissende, dasz  die  der  beste  Lehmeister  sey,  wie  sehr  man  liehen 
solle.  Freylich  wohl!  fiel  Sentia  ein,  ist  die  Schönheit  der  Mäszstab, 
nach  welchem  die  Männer  ihre  Liebe  abtheilen  sollen.  AVeil  ich  mich 
luin  selbst  bescheiden:  dass  ich  so  schön  nicht  sey,  als  die  vier  dich 
m  vergnügen  unvermögende  Schoos-Kinder  der  Liebe,  würde  ich  son- 

ZwMü  mebr  Sorge  halmi  mttssen,  bey  deinen  FlanmieD  niebt  sn 
efftieren«  als  sa  serscbmeltien.  Gmuame  Sentia!  fing  Bojocal  an. 
Wl»  Tlel  milder  wfirdeat  dn  von  deiner  und  anderer  Qeitalt  nrtheUen, 
wenn  dn  dnrch  meine  Augen  sähest  Ist  dir  so  frembde,  dasz  wie  ein 
Dingt  lUMsh  dem  es  gewendet  wird,  vielerley  Farben,  also  einerlei 
SdiOnbeit  in  nntemehjedeaen  Augen  vielerley  Gestalten  haben  könne. 
Wir  Männer  werden  über  dem,  welch  Frauenzimmer  das  schönste  sey, 
ISagsamer  als  die  Kensehen  über  dem  QeschmaelM  der  Speisen  eines 
werden.  Wie  die  Oreader  nnd  andere  NoidlAnder  an  dem  FIschthiana 

Wallfiscfaen,  die  enssentea  Afticaner  annnflätigen  Rind-Dftrmem, 
die  Sejthen  an  Pferde-Fleiaohe,  die  Gethen  an  Haneen-Bogen,  was 
gar  sefamaoicbafltes  m  essen  Tormeinen,  andere  Völcker  aber  daär  ein 
Gimnen  haben;  Also  weit  ftllet  auch  das  Urthal  in  der  Lieba  von 
einander.  Die  EinwohMr  der  Bhfttisehen  nni  Nerkher  €tebflrge  hal* 
tea  die  Xifipilb  Ar  eine  Ziemth;  In  Hesperiaebsn  S^landen  nerkerben 
sie  die  Haut,  förben  sie  mit  Xjriiten,  nnd  prangen  mit  solchen 
Büecken.  In  Indien  durchbohren  sie  die  Nasen,  und  halten  die  darein 
gehanokten  Bincken  für  was  schOners,  als  Ohrgehencke.  Der  Mohren 
stnunpAdite  Nasen  rühren  zwar  itzt  von  der  Geburt  her;  anfangs  aber 
hat  man  sie  aus  £inbilduug  der  Schönheit  mit  Gewalt  so  aufgeschürtst» 
wie  die  Serer  die  Füsse  einzwängen,  dasz  sie  klein  bleiben  müssen. 
In  Italien  hält  man  lange  Nägel,  bey  den  Samojeden  gelurümte  Lei- 
ber für  schön,  da  andere  Völcker  ihre  Kinder  in  Wiegen  so  feste 
dawkskeln:  dasz  sie  gerade  nnd  geschlaack  werden  sollen.  Hingegen 


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270  — 


2Wftng«n  ainlcre  ihre  Köpfe,  dasz  sie  längUcht,  wie  das  gethürmte 
Haupt  der  Cybele  wachsen.  Die  Mohren,  und  die  zwischen  dem  Flusse 
Tyras  und  Borysthenes  wohnenden  VÖlcker  schätzen  die  weit  vom 
Haupte  abstehende  Ohren,  weiche  auch  wohl  wegen  Rundtang  ihrer 
BOieii  um  QeliOie  m  dienlidnten  nnd«  für  MhOn,  glekhirdil  ilier 
aaeiBeB  wir  dadnreh  Teistellet  sa  seyu,  iiiid  mllhen  sieh  unsere  Mlltr 
ter  sie  an  die  lUcbe  des  Hiaii|ites  anmgewQhnen.  Die  Hokren  hOr 
den  die  hSlUselien  Geister  weisi;  wir  wetosen  sie  sehwarts  ab.  Alse» 
dasB  alle  Schönheit  mehr  In  eines  leden  laebhabers  WnMMnng» 
In  einem  gewissen  Wesen  bestehet  Wiewol  ich  Ton  dir  beredet  bin; 
dasE  der  gantaen  Welt  BeyfUl  Uber  der  nrnrergleidiUchen  Sentla 
YoUkommenheit  meiner  Wahl  beypflichte,  die  aber,  welche  in  deinen 
Augen  schöner,  als  In  meinen  sind,  dir  den  Vorzog  strittig  sn  machen, 
selbst  für  eine  nnverschämte  Vermesseuheit  halten  würden.  Sentia 
brach  ein:  Ich  mnsz  g^estohen:  dasz  ich  mich  in  meinen  Gedancken 
sehr  betroo^en  befinde.  Denn  ich  hätte  mir  eingebildet:  dasz  ich  mit 
meiiu-u  vier  Llebes-Kindem  nicht  nur  Bojocaln,  sondcni  alle  ffcfrome 
>i'ord-Völckcr  anzünden  solte.  So  ab^T  tindt-  ich  Bojocaln  bey  ihnen 
unempfindlicher, als  der  enisthaffte  Cato  würde  gewesen seyn.  Diesfmnach 
möchte  ich  wul  treme  hiervon  die  Ursache  ersiründen.  Bojocal  antwortete: 
Ich  muäz  tresteheu:  dasz  ich  zwischen  ihnen  wie  zwischen  Schnee  und  Kolden 
ffelegen,mit  der  einen  Hand  eine  uubeseelte  Marmel-Säule,  milder  andern 
einen  .stachlichten  Rosenstrauch  umarmelhabe.  Oder  mich  deutscher  zu  er- 
klären, so  mangelt  der  einen  die  Anmuth,  der  ändernder  Geist,  der  dritten 
das  Fühlen,  der  vierdten  die  Schönheit  Daher  wenn  man  sie  alle  snsanunen 
sdlimeltite,w1lrdeman  mit  Notb  dne  einzige  Senttadaiaasraaeben.  Sentia 
laehtttbMlberandfiragte:  weldierer  denneinoderandemGebiecfaen  nasa- 
eignen  bitte?  Br  sehe  ihr  doeh  diese  Bitiel  ansleren.  Bojoeal  sagte,  der 
Seythin.  Denn  ob  zwar  diese  mitihrem  Leibe  ein  TollkommenLosthaasz  der 
Schönheit  Tontellet^nnd  es  ihr  an  Heerd  nnd  Feuer  nieht  fehlet;  so  ist  sie 
dechein  unbewohnter  Pallast,  nemlleh  ein  Weib  ohne  Sitten;  ich  wü 
nicht  sagen:  dass  durch  ihre  wilde  Gebehrden  sie  mehr  ein  wildes  TUer 
als  eine  holdseelige  Liebhaberin  flirbilde.  Sie  ist  geschickter  sn*ei- 
ner  KImpferin  ins  Feld,  als  ins  Bette,  und  mit  einem  Worte,  eine 
Amazonin.  Die  Britannische  hingegen  hat  keinen  Mangel  an  Hold- 
»eeligkeit,  und  sie  bat  auch  den  nöthigen  Vorrath  an  Feuer  in  sich. 
Aber  sie  scheinet:  dasz  sie  aus  den  weissen  Felsen  der  Kreide-Bergen 
ihres  Albions  gehauen  sey,  weil  sie  nichts  geistiges  an  sich  liat;  und 
ihr  inwendiges  Feuer  mit  so  grosser  Gewalt,  als  die  Funcken  aus  den 
Feuer-Steiuen  geschlagen  werden  müssen.  Dahero  würde  sie  wol  eine 
anst;in(lii,''e  Buhlschafft  des  in  sein  eigenes  helffenbeinerues  Venus- 
Bild  sich  veriiebeudeu  Pygmalions,  aber  nicht  des  lebhafften  Bojocals 


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—   271  — 

»eyu;  welcher  von  Sentien  selbst  geleriiet  :  dasz  die  Liebe  meiir  (iruiid 
und  Bestand  habe,  wenn  sie  sich  nicht  nur  an  die  euserliche  Schön- 
heit, sondern  an  die  innere  Vollkommenheit  eines  an^eweckten  Gkistes 
hinge.  Denn  welche  nur  Mi  denen  dordi  Altir  «iid  Kruukheit  Ter> 
gäuglichen  Strichen  eines  wohlgcftellten  AntUties  und  Leibes  hingt» 
hnt  sich  tiglich  fibr  ZnfiUlen  sn  fOrchten,  welche  durch  alle  seine  Sr> 
gStsUgkeiten  einen  Strich  machen.  Wer  aber  seine  Vergnflgnng  an 
einer  himmlischen  Seele  nnd  ihren  Tagenden  anchet^  kan  sein  Leb- 
tage ohne  Unmh  nnd  Foicht  des  Verlostes,  nnd  biss  in  Tod  lieben. 
Die  Gothische  aber  hat  so  Tie!  Schnee  im  Hertien,  als  anf  ihrer  Hanl. 
Sie  hat  weder  Empfindligkeit  für  steh;  weniger  kan  sie  sie  andern 
geben.  liirer  Adern  Blut  ist  eben  so  starck  gefroren,  als  die  Flüsse 
ihres  Vaterlandes;  Und  ob  ich  zwar  allemahl  für  glaubhafter  gehalten: 
dasz  die  Liebe  vom  Fener  entsprosseu,  so  glaube  ich  doch  nunmehr: 
•dasz  die  in  Norden  ans  seinem  Eisz-Meere  den  Ursprung  habe.  Sie 
hat  keine  Fühle  wenn  man  sie  küsset,  sie  ist  taub  zu  allen  Liebko- 
sun<|fen,  todt  bei  den  aii.seiinlichsten  Liebes-SeufFzern,  und  in  der  Wol- 
lust selbst  eine  sich  nidit  rührende  Leiche.  DW  Mohrin  hingegen  ist 
eitel  Ft'Uer;  also  dasz  icli  glanbe:  dasz  dei  thürichte  Satyrus,  der  sich 
iu  die  Flamme  verliebet,  nnd  solche  umarmende  sicli  darinnen  ein- 
geäschert haben  soll,  in  einer  verliebten  Mohrin  Hände  verfallen  sey. 
Ich  musz  ihr  den  Preisz  für  allen  lassen,  und  ihr  naclisaj^eu:  dasz  sie 
Eisz  erwärmen.  Steine  erweichen,  und  Todte  beseelen  könne.  Aber 
ihre  Liebet  dienet  nur  fUr  die  Nacht,  oder  tiir  Blinde.  Denn  wenn 
ich  auch  bei  der  grOsten  Lost  sie  anschaue,  fället  mir  ihre  Todten- 
Farbe  in  die  Augen,  welche  die  lebhafftesten'  Begierden  ersterben 
lisit  Ihre  Kohlen-Gkstalt  machet:  dasa  das  Fener  meiner  brennen- 
•den  Liebe  zu  aosgeloechenen  Kohlen  wird.  Ihre  tianrlge  nnd  der  ge- 
memen  Heinnng  nach  Ton  einer  Titerliehen  Verflndinng  herrlUurande 
dchwirtie  machet:  dass  mir  im  Angenblicke  das  Hertse»  nnd  in  dem 
grOsten  Eyver  alle  Kannbarkeit  entftUt,  well  sie  gleichsam  meiner 
Lie])e  einen  kläglichen  Ausgang  wahrsagt;  dahingegen  deine  weissen 
Flammen  der  Schönheit,  0  holdseelige  Sentia!  mich  zur  Frende  auf- 
muntern, meine  Kräffteu  ergäntzen.  Sentia  begegnete  ihm  mit  fol- 
gender Antwort:  O  kaltsinniger!  O  einfftltiger  Bojocal!  können  dich 
diese  vier  Liebea-Gr)ttinnen  nicht  erwärmen,  so  wirst  du  gewisz  bey 
allen  andern  und  noch  mehr  bey  einer  einzelen  erfrieren.  Wer  hat 
dieh  überredet:  dasz  die  Schfinheit  in  der  Farbe,  nicht  aber  vielmehr 
in  gescliickter  Bild-Eintheilung  der  Glieder,  nnd  in  richtiger  Zusani- 
menstimmung  des  gantzen  Leibes  bestehe?  Wer  hat  dir  einen  solchen 
IiTthura  aufgehalset:  dasz  nlles,  was  schwartz,  lieszliih  sei?  Sind  nicht 
die  tunckeln  Früh-  und  Abeud-Stuuden  des  Tages  die  behägliciwteu? 


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—  272 


Sachen  wir  nielit  b«y  ihrer  Uebkosenden  Kflhle  frtoche  Lidft«  wenn 
wir  ans  für  dem  Uditen  HIttege  versteekt  haben?  Verstecken  wir 
im«  nteht  in  den  Schatten  der  Wilder  und  Holen«  ja  bauen  wir  nicht 
adbet  m  nnaer  KigOtsongr  ktnstliche  Fineterntteee?  HfUien  wir  nne 
nicht  hingegen  für  der  Sonnen,  als  dem  Bronnen  des  Lichtes,  nicht 
nur  die  ThUren,  sondern  anch  die  Fenster  sn  Tersperren?  Sind  die 
tonckelen  Hiaoynthen,  die  blanen  Veilgen,  die  schwartxen  Tnlipanen 
nicht  die  schönsten?  Efichen  die  schwartzen  Neichen  nicht  am  st&rcksten? 
Oläntzen  die  schwartcesten  Haai-e  nicht  am  meisten?  Spielen  die 
»chwartzen  Au?en  nicht  am  stärcksten  mit  dem  Blitze  der  Liebes- 
Strahlen?  Verzeihe  mir,  kluge  Sentia,  versÄtzte  Bojocal,  dasz  ich 
deinem  Urthel,  welches  ich  sonst  so  hoch  achte,  hierinnen  nicht  bey- 
falle.  Andere  schwartze  Sarlien  können  wol,  aber  schwartze  Men- 
8cl\eii  nicht  schön  seyn;  oh  uloicli  ein  und  an<ler  Stücke  in  der  Schön- 
lieit  schwärt«  s^yn  niusz.  Di^'  Natnr  hat  einen»  jeden  (xliedc  seine 
anständijj^e  Farh<»  atisers«  heii,  dt  rer  Yersätzmiir  alles  verstellet.  Die 
den  ^lund  zieren« le  Küthe  is«t  in  Anir<'n,  das  die  Augen  su  annehm- 
lieh-niaeliende  Himmel-ldaii  ist  auf  dem  Munde  und  der  Nase  ein 
Schundfleck.  Eben  so  niadiet  die  denen  Angenstenieu  und  Auerenbi-aneu 
dienende  Scliwärtxe  die  üaut  sonder  allen  Zweifel  so  lieszlich,  als 
sich  eraignen  würde,  wenn  jemand  grüne  Haare,  gelbe  Augen,  lein- 
fhibene  Wangen  h&tte,  ungeachtet  die  grOnen  Haare  der  Biniue, 
nemlich  die  BIfttter,  allen  Fflantsen,  die  gelbe  dem  Golde  als  dem 
Angapifd  der  Welt,  die  leinfarbe  aber  den  Anemonen  so  wol  anste» 
hen.  Denn  ob  swar  ich  wol  weiss:  dast  ein  grosses  Theil  der  Welt 
mit  eitel  von  der  Natnr  so  schwarta  gemahlten  Xensehen  angeflUlet  sey; 
so  ist  doch  disi  nicht  die  nrspringUche  Gestalt  der  ersten-sondera 
die  Aifter-Faibe  nachfolgender  Kensdien.  Wir  haben  nnsere  Anlranüt 
▼om  Himmel,  weteher  in  sidi  so  viel  tausend  Lichter  beherbergt,  dast 
er  ja  alles  schwartze  ausschlüsse.  Uns  ist  die  Nacht  nnr  zum  Schlaffe, 
der  Tag  aber  xam  Leheu  bestimmet.  Daher  solten  die  mit  der  Farbe 
der  Nacht  verstellten  Mohren  nnr  des  Nachtes,  wie  wir  am  Tage, 
leben,  die  wir  mit  der  Farbe  des  Tages  geschmücket  sind.  Die  Moh- 
ren selber  müssen  disz  nachgeben;  denn  sie  verfluchen  die  sie  so  aus- 
paui^end  und  verbrennende  Sonne;  Sie  wünschten  z weiffei slrey  selbst 
in  einem  andern  Ecke  der  Welt  gebohren  zu  seyn,  als  in  ihrem,  wel- 
che«, ungeachtet  ihrer-  so  vielen  Sonne,  mehr  als  das  der  Cimbern, 
ein  Land  des  Schattens  ihrer  finsteren  Menschen  halber  geneuuet  zu 
werden  verdienet  


Oraek  tmi  W.  2r«b«  to  a«t«aktl». 


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Geschichte  des  Romans 


und  der 

ihm  verwandten  Dichtungsgattungen 

in  Deutschland 

Felix  Bot>ei*tasr. 


Erste  Abtheünng. 
Bis  smn  Anfange  des  ZVIIL  Jahrhunderts. 


Zweiter  Band.  —  Zweite  Hälfte. 

 >m<  

BERLIN. 

Verlag  von  Leonhard  Simion. 
1884. 


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Mit  dem  Torliegenden  Halbbande  wird  die  erste  Abtheilung 
meiner  Arbeit  vollständig.  Ich  glaubte,  erst  hier  ein  Begister 
geben  za  sollen,  ohne  mich  darüber  zu  täuschen,  dasz  das  Buch 

iu  der  Zwischenzeit  —  sie  ist  nur  durch  sehr  uiigiinstige  äuszere 
Umstände  weit  lünger  geworden,  als  es  beabsiclitigt  war  — 
schwerer  benutzbar  sein  würde.  Wenn  es  mir  beschieden  ist, 
das  Werk  weiter  fort  und  zu  Ende  zu  führen,  soll  hinfort  jedem 
Bande  ein  Begister  beigefttgt  werden. 

Zu  meinem  Bedauern  ist  der  zweite  Halbband  des  zweiten 
Bandes  wieder  von  1  an  paginirt  worden,  ein  Versehen,  welches 
in  dem  Umstände  seinen  Omnd  hat,  dasz  ich  die  Gorreetnr  der 
ersten  Bogen  nicht  selbst  besorgen  konnte,  und  welches  ich  meine 
Leser  zu  entscluildigen  bitte. 

Von  aller  Polfmik  nehme  ich  hier  nach  reiflicher  Ueber- 
legung  Abstand.  Das,  was  ich  dor  Wissenschaft  geleistet  und 
was  ich  Yersehen  habe,  wird  weder  besser  noch  schlechter,  wenn 
ich  auf  Jeden  Vorwurf  der  mir  ungerecht  scheint,  antworte,  und 
es  scheint,  als  ob  die  Länge  der  Zeit  das,  was  ich  zu  schaffen 
versucht,  durch  die  Stimmen  unparteiischer  Beurtheüer  wollte 
zur  Geltung  kommen  lassen. 

Ueber  die  von  mir  behandelten  littorariscben  FJrzeugnisse 
sind,  seit  mein  Werk  zu  erscheinen  anget'aiigon  hat.  verschiedene 
Arbeiten  veröffentlicht  worden,  welche  Beachtung  verdienen,  und 
es  sind  neue  Einzelheiten  zu  Tage  gekommen,  welche  mir  Ge- 
legenheit geboten  haben,  einzelne  Punkte  auf  dem  weiten  und 
bisher  äuszerst  wenig  kultivirten  Felde  genauer  zu  untersuchen. 
Dazu  kommen  von  mehreren  Seiten  laut  gewordene  Wünsche, 


dies  und  jenes  stotfireicher  bebandelt  zn  seben.  So  würden  blosse 
kurze  Nacbtrftge  zu  dieser  ersten  Abtbeilnng  den  Torbandenen 
Stoff  nicbt  baben  anfiiebmen  können  und  weit  Aber  die  in  dem 
Plane  des  Werkes  liegenden  Grenzen  hinausgegangen  sein.  Wenn 
ich  auf  diese  Weise  zu  dem  Entschlüsse  gekommen  bin,  der 
ersten  Abtheiliing  in  einiger  Zeit  ein  selbständiges  Supplement- 
heft folgen  zu  lassen,  so  hege  ich  die  feste  Ueberzeugung,  das 
sachlich  Richtigste  und  Angemessenste  zu  thun.  Ich  darf  also 
au  meine  Leser  die  Bitte  richten,  mir  es  nicht  zum  Vorwurfe 
machen  zu  wollen,  dasz  ich  einzelnes,  wie  z.  B.  die  neuerdings 
über  Grimmelsbansens  Familie  zn  Tage  gekommenen  ArchiTalien 
hier  noch  nicbt  besprochen  habe.  Das  Register  habe  ich  so  ein- 
zurichten gesucht,  dasz  es  sich  mOgUchst  einem  Repertorinm 
fftr  jeden,  der  sich  mit  dieser  Art  Litteratnr  beschfiftigt,  nähert 

Allen,  welche  mir  mit  Rath  und  That  zur  Fiitigstcllung 
meiner  Arbeit  behülflich  gewesen  sind,  spreche  ich  meinen  besten 
Dank  aus. 

Breslau,  Juli  1883. 


Felix  Bobertag. 


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Zwölftes  Capitel 


Grlmmelsliausen. 

Wir  haben  in  dem  nennten  Gapitel  dieses  Büches 

die  EntwickeluDg  der  deutschen  Prosadichtung  im 
XYIL  Jahrhundert  bis  su  dem  Punkte  yerfolgt,  wo 
OpitE  durch  seine  Argenis  dem  heroisoh«galanten  Boman, 
durch  seiuc  Hcricynic  wenigstens  gewisscrmaszen  dem 
schaferlichen  Romane  den  Weg  vf  '\es.  Wenn  wir  in  der 
Zeit  Yon  1600  bis  1630  nach  ToiksthOmlichen  Gegen- 
stücken en  dieser  entschiedenen  Kunst-  und  Gelehrten - 
dichtung  fragen,  so  können  wir  etwas  Derartiges  nur  in 
den  ans  Spanien  importirten  pikaresken  Bomanen  finden, 
yon  denen  nachgewiesen  wurde,  wie  sehr  sie,  obgI«ch 
dem  Auslande  entstammend,  doch  von  ihren  Yerdeutschern 
—  mehr  oder  weniger  geschickt  freilich  —  den  deutschen 
Terhftltnissen  angepasst  und  den  Originalen  gegenüber 
selbständig  gehalten  sind. 

Immerhin  aber  kann  in  diesen  Schriften  wegen  ihrer 
do<^  nur  geringen  ürsprOnglichkeit  und  weil  das  neu  Hin- 
zugekommene und  das  Deutsche  in  ihnen  keineswegs  das 
Beste  ist^  nur  in  sehr  beschranktem  Öinne  ein  Gegongewicht 
gegen  den  heroisch  -  galanten  Boman  gesehen  werden. 
Dasn  kommt>  das»  sie  sich  Uber  das  dritte  Jahrsehnt,  das 
der  Opitzischen  Reformen,  überhaupt  nicht  fortsetsen. 

IL  8.  1 


Ihnen  gfesellen  sich  Sohwankbfloher  und  andere  unter- 

haltontlü  oder  belehrende  Sammelwerke  bei,  doch  auch 
diese  stehen,  wie  wir  weiter  unten  bemerken  werden,  in 
keiner  Hinsieht  anf  einer  sehr  hohen  Stufe.  Wir  sehen 
also,  dasB  von  dem  Zeitpunkt  an,  da  Zesen  auftrat,  bis 
zum  Erscheinen  der  Simplicianischen ')  Schriften  Grim- 
melshausens kaum  Ton  einem  Tolksthümliehen  Gegensalie 
gegen  die  herrsehende  Richtung  in  der  ensAhlenden  Unter* 
haltuugsliteratur  die  liede  sein  kann. 

Die  Entstehung  und  Bedeutung  der  Simplioianiaohen 
Sohrilten  begreifen  heisst  die  gesammte  yolksthamliehe 
Schriftstellerei  des  XVII.  Jahrhunderts,  soweit  sie  nicht 
der  lyrischen  Gattung  angehört,  richtig  und  vollständig 
auffiMsen.  Was  yon  ihr  sonst  noch  irgend  Beaohtong 
Tordient,  steht  in  theils  näherer,  theils  entfernterer  Be- 
ziehung zu  Grimmelshausen,  ja  auch  auf  die  Eigenart 
und  Entwiokelung  des  heroiseh- galanten  Romans  fiUlt 
Yon  ihm  aus  neues  Lieht» 

Hans  Jakob  Ohristoficl  von  Grimmelshausen  starb 
den  17.  August  1676  als  Sohuitheisz  zu  Renohen  in  Baden 
damals  zum  Gebiet  des  Bischofb  von  Strassburg  gehörig 
Aus  seinem  Leben  wissen  wir  nicht  allzuviel,  werden  auch 
schwerlich  noch  etwas  Wesentliches  erfahren.  Zwei  Um* 
stftnde  aber  sind  hinreiohend  bekannt  undfestgestellt»  welohe 
eine  Bedeutung  für  seinen  Charakter  als  Mensch  und  als 
Schriftsteller  in  Anspruch  nehmen.  Er  war  im  drciszig- 
jährigen  Kriege  Uber  ein  Jahrzehnt  lang  Soldat  und  trat 
ge^en  das  Ende  seines  Lebens  Yom  Protestantismiis  zum 
Eatholicismus  über.  Die  grosze  Wichtigkeit  seiner  un- 
mittelbaren persOnliohen  Theilnahme  an  dem  groaiea 

')  Ich  verstehe  hierunter  alle  Schriften,  als  deren  Verfasser  nach 
GrimmelähauAens  FicUon  äimplicisiiimufl  angesehen  sein  will. 


i^iyiu^cd  by  Güü 


—  3  — 

Kriege  wird  weiter  uoten  g^ebtthrend  gewürdigt  werden, 

sein  Uebertritt  zum  Katholicismus  ist  von  einem  seiner 
letzten  Herausgeber  mit  Unreoht  wieder  in  Zweifel  ge- 
zogen und,  wenn  er  ja  Btattgeftinden,  als  bedentnngslos 
beseiehnet  worden,  weshalb  ich  hier  in  Kürae  daranf 
eingehen  will. 

Den  einzigen  absolut  sicheren  Anhalt  bildet  für  die 
Entseheidnng  dieser  Frage  die  in  Grimmelshanaena  lots- 
ten Lebensjahren  yerfaszte  kleine  Schrift  „Simplicissimi 
Angeregte  Ubreachen,  Warumb  er  nicht  Catholisch  worden 
könne?  Von  Bonamico  In  einem  Gesprftoh  widerlegt" 
Merkwürdiger  Weise  ist  ron  denen,  die  sieh  dafOr  ent- 
schieden, dasz  Grimmelshausen  als  Protestant  gestorben 
sei,  der  Schlusz  dieses  Dialogs,  welcher  auf  das  Ganze 
erst  das  leohte  Lieht  wirfit,  nicht  genügend  beachtet 
worden.  Bonamions  ist  ein  EathoUk,  der  den  Simpli 
cissimus  zu  seinem  Glauben  bekehren  will;  die  einzelnen 
Punkte,  welche  Gegenstände  der  protestantischen  Polemik 
bilden,  werden  yon  Simplidssimns  yorgebraeht  und  Yon 
jenem  widerlegt.  Znletat  sagt  Bimplieissimus:  «Höret 
auf,  Herr  Bonamicus,  höret  auf,  es  ist  genug.  Ich  wül 
mich  geben.  Ich  sehe  wol,  dass  ich  bisz  daher  bin  hinters 
Lieht  geführt  und  übel  beredet  worden.  loh  begehre 
seelig  zu  werden,  und  weil  ichs  sehe  und  greiffe,  dasz  es 
ausser  der  Catholischen  Kirche  nicht  geschehen  kan,  so 
will  ich  aneh  nicht  länger  ausser  derselben  bleiben,  son- 
dern in  Ihr  loben  und  sterben.* 

Wer  diese  Stelle  ohne  Yoreingenommeuhcit  liest, 
wird  nicht  umhin  können,  zuzugeben,  dasz  eine  Schrift, 
die  so  sohliesst,  nur  von  einem  bereits  aom  Katholioismiis 
TJebergetretenen  yerOffentlioht  werden  konnte.  Es  musz 
auch  betont  werden,  dasz  der  ganze  Inhalt  und  der 

1* 


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Sohloes  dieses  Gespridis  kemeswegs  isolirt  den  An* 
Bobflnimgen  gegenttber  steht,  welehe  Grimmelabsmseii  im 

Punkte  der  Religion  in  allen  seinen  Schriften  kund  ge- 
geben hat.  Denn  wie  dies  Ge^rfleb  einen  popnUr  ireni- 
sdhen  Traotat,  nicht  sowohl  lur  Yerdanunnag  des  Pre- 
testantismus  als  vielmehr  zu  seiner  Yereinigmag  mit  dem 
EatholicisniuB,  wie  ihn  Grimmelshausen  auffas%t,  darstellt, 
so  seigt  der  Yerfiuser  fibevail,  wo  er  anf  Beligion  sn 
sprechen  kommt,  irenisobe  Gesinnungen.  Wenn  er  dabei 
nach  meiner  subjectiven  Meinung  iillerdings  die  Gcgeu- 
sätce  der  Bekenntnisse  und  der  Kirchou Verfassungen  ') 
untexiebfltst,  so  bat  das  objeetiv  niebts  anf  sieb.  Man 
kann  ans  seinen  Sebrülen  genan  sehen,  wie  er  sieb  die 
Bache  zurecht  gelegt  hatte,  und  man  musz  zugeben,  dasz 
seine  Auffassungen  die  einer  amma  Candida  sind,  seinem 
ganasn  Charakter  sehr  gut  entspreelien  nnd  sieh  ihm 
wflbrend  seines  Lebens  als  Angenseugen  des  namen* 
losen  Elends,  welches  der  Roligionskrieg  über  Deutsch- 
land gebracht^  tansendmal  angedrängt  haben  mtssen. 
Fasit  man  non  das  Gespffteh  mit  Bonamieo  nnd  seinen 
Ucbertritt  als  den  Schluszpunkt  einer  langjährigen  Ent- 
wickelung  auf,  so  wird  man  sagen,  dasz  fQr  Grimmeis- 
bansen  aUerdings  in  seiner  amtUohen  Stellung  im 
Dienste  eines  katholisehen  Bischofs  ein  starker  Ansserer 
Grund  lag,  sich  der  katholischen  Kirche  ottcn  auzu- 
schlieszon,  dasz  aber  dies  bei  seinen  selbstgebildetcn 
und  wohldurchdachten  Anschauungen  nicht  den  minde- 
sten Schatten  anf  seinen  Charakter  wirft.  Yen  hier 
ans  sind  nun  die  übrigen  Gründe,  welche  far  und 
wider  in  dieser  Sache  y<Mrgebracbt  worden  sind»  su  beur- 

»)  Schon  Fa^sow  hat  in  den  Bl.  für  lit.  Unterh.  IsiA,  S.  KUC 
diesen  Umätaud  bemerkt,  aber,  wie  mir  scheint,  nicht  richtig  beurtheilu 


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—  ö 


thefleo.  Dass  ricli  BimpHeiBsiiiraB  als  Protestant  be- 
trachtet'), spricht  ebensowcDig  gegen  seinen  IJebertritt 
wie  die  Stelle  im  Ewigw&lireuden  Eulender,  wo  er  sich 
einen  Proteetanten  nennt  und  wie  der  Umatand,  daaa  die 
Gegend  yon  GMnhansen  protestantisch  war,  sowie  die 
öfter  TOrkommcndcu  Citatc  nach  der  Luthorschen  ücbor- 
setzung  der  Bibel,  die  thatsaohlioh  andere  nicht  aus- 
Bohliesien'),  oder  der  Yerlagsort  Ntbrnberg,  wo  eine  Anaahl 
Bileher  katholischer  Yer&seer  erschienen  sind.  Anch  die 
hie  und  da  vorkommenden  tadelnden  Bemerkungen  über 
katholisohe  GeiaUiche  und  Zustande  in  der  katholischen 
Kirehe  sind  yon  diesem  G^esichtspunkte  aus  au  betrach- 
ten. Schlieszlich  ist  an  einige  Dinge  zu  erinnern,  die, 
wenn  sie  auch  fiu*  sich  allein  nicht  ausreichen,  den 
Uebertriti  Grimmelahansens  striet  au  beweisen,  dennoch 
ansammen  und  im  HinbHek  auf  das  Gespraoh  mit 
Bonamico  etwas  zu  bedeuten  haben.  Hierher  gehört  die 
bekannte  Stelle  im  Reuchener  Kirchenbuche  die  Auf- 
nahme sehr  umfuigreioher  Stellen  aua  einem  so  speoifisoh 
kaiholisehen  Schriftsteller  wie  Gueyara  am  Bnde  des 
V.  Buches  und  das  entüchiedeno  Auftreten  für  die  Jungfrau 
Maria').   Was  den  Ewigwahrenden  Kalender  anbetrüü» 

*)  VornehniHch  iu  dem  (Gespräch  mit  dem  reformirteu  (ieistUcben 
in  Lipp^tadt.   Bcli.  IH, 
»)  Seite  89. 

^)  Vergl.  die  Stelle  am  Eude  des  12.  cap.  des  II.  Bnehes. 

«)  Anno  1670  17.  Angnsto  obiit  üi  Dommo  Honestu  et  msgno 
faigenio  et  eniditknie  Joaimes  Ohnstoplionis  Ton  GMmmelshaiHeB  prae- 
tor h^jus  lod  et  qnaaiTis  ob  tnimdtiu  belli  nomeii  militiae  dsderit  et 
pueri  hhie  hide  dispersl  ftierint,  tameu  hic  casa  omnes  conTenenuit,  et 
fisieiis  saacto  (sacramento)  Eachariatiae  pie  munitiu  obiit  et  sepal* 
tos  est,  cujus  an(iiiia)  reqaiescat  in  pace. 

*)  Durch  die  einem  Lästerer  der  Jungfrau  Maria  verabreichte 
unsichtbare  Ohrfeige.  Vogelnest  T.  L  cap.  4.  -vergL  Bch,  III.  cap.  20. 
und  das  Gespräch  mit  Bonamico. 


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der  mit  der  schon  erwfthnten  Stelle  und  dem  Todestage 

Luthers ')  für  Grimmelshausens  Protestantismus  heran- 
gezogen worden  ist,  und  in  dem  man  auch  einige  aul 
ungehörige  Zustande  in  der  katholischen  Kirche  besOg- 
liohe  Anekdoten  finden  kann,  so  wage  ich  sogar  die  Be> 
hauptunir,  dusz  er  dem  Unbciangenon  im  ganzen  nur  als 
ein  katholisches  Buch  erscheinen!  moss.  Ein  Mann,  der 
in  jener  Zeit  entschieden  und  voll  auf  der  Seite  der  Pro- 
testanten stand,  konnte  unter  keinen  Umständen  weder 
die  Heiligentage  an  so  hervorragender  Stelle  auÜB&hlen, 
noch  soviel  Legendenstoff  vorhringen,  was  als  nach  dem 
Papismus  schmeckend  selbst  bei  wenig  eifrigen  Protostanten 
im  höchsten  Grade  verpönt  war. 

Ich  komme  also  au  dem  Schlüsse,  dass  Grimmels- 
hausen  seit  Anfang  seiner  sohriftstellerisehen  Thfttigkeit 
—  denn  von  der  früheren  Zeit  kann  man  natürlich  nichts 
sagend  —  schon  einen  Standpunkt  awischen  Katholicis* 
mus  und  Protestantismus  eingenommen  und  sich  sehliees- 
lieh  nichts  weniger  als  unvermittelt  der  katholischen 
Kirche  gans  angeschlossen  hat  Erklärungen  über  meine 
persönliche  politische  und  kirchliche  Stellung,  welche 
mich  hier  als  mehr  als  unparteiisch  ausweisen  würden, 
gehören  nioht  hierher,  nur  zur  Warnung  für  allzu  scharf- 
sichtige Leser  sei  soviel  angedeutet 

Es  scheint  nicht  fern  ssn  liegen,  der  Sohriftstellerei 
Grimmelshausens  eine  zwiefache  Richtung  zu/.uschreibeD, 
insofern  sich  mehrere  seiner  Werke  neben  die  heroisch- 
galanten  Romane  stellen,  und  man  kann  auch  leicht  aul 

')  S.  154.   Vgl.  Kögels  Einleitung.   S.  XVI. 

D.isz  sich  Simplicissimus  einmal  (V,  2)  «öfteutlich  zn  der 
kath.  Kirche  bekirnnf,  halte  ich  fUr  nicht  maßgebend  in  Bezug  aut 
Grimmelshauaen  selber. 


i^iyui^cd  by  G 


—  7  — 


den  Gedanken  kommen,  hiermit  seine  Peeudonymitftt  auf 
der  einen  und  die  Nennnngf  seines  wahren  Namens  anf 

der  andcreu  Seite  in  Verbindung  zu  bringen,  allein  wir 
werden  uns  im  Laufe  der  folgenden  Betrachtung  sehr 
bald  Obenseugen,  daei  eine  solche  Unterscheidung  und 

Verknüpfung  weit  weniger  auf  sich  bat,  als  es  zunächst 
scheint  ,und  wohl  auch  hie  und  da  angenommen  wor- 
den ist 

Bs  ist  möglich»  und  daher  hier  angemessen,  die  ge- 
{jammto  literarische  Wirkbanikcit  dieses  ersten  deutschen 
Komanschreibers,  dem  die  Bezeichnung  eines  genialen 
Mannes  sukommt,  im  Zusammenhange  und  in  chrono- 
logischer Folge  SU  betrachten,  obwohl  hinsichtlieh  der 
Entstehungszeit  und  dos  ersten  Erscheinens  einzelner 
Werke  noch  Zweifel  obwalten  können. 

Soweit  uns  bis  jetzt  der  Zeitpunkt  bekannt  ist,  da 
Grimmelshausen  als  Schriftsteller  auftrat,  fUllt  er  an  das 
Ende  der  fünfziger  Jahre  seines  Jahrhunderts,  also  etwa 
in  sein  yiersigstes  Lebenigahr.  Denn  1659')  erschien 
der  foat  die  frnheste  seiner  Schriften  angesehene  fliegende 
Wandersmaiin  nach  dem  Moud,  und  in  der  Traumgeschicht 
von  Dir  und  Mir,  der  als  Anhang  die  Reise  in  die  Neue 
Oberwelt  des  Mondes  beigegeben  ist,  findet  sich  ein 
Hinweis^)  auf  das  Jahr  1658  als  späteste  Abfiissungszeit, 
obwohl  die  älteste  bekannte  Ausgabe  1660  erschien.  An 
allen  drei  kleinen  Werken,  welche  anonym  sind,  ist  auf 
interessante  Weise  zu  sehen,  dass  Mosoherosoh  das  nftehste 


*)  Wolflfenbttttiel  1^,  Femer  1667  a.  0. 12«  und  in  den  OesAmmt- 
siugaben. 

')  ...  80  wollte  ihm  nicht  von  nöthen  sein,  dasz  er  den  IkjcIi- 
mttthigen  Cromwell  allererst  um  einen  Paaz  ersuchen  solte  (nämhch 
einem,  der  £uglisch  versteht).   Cromwell  starb  S.  Sept.  1658. 


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deutBohe  Vorbild  dee  Yertesen  war.  An  ihn  aebliesit 
sifAi  Orimmelshaiieeii  in  der  Sinkleidung,  dem  Stoff»  nnd 

der  Behandlung  an,  am  genauesten  in  den  beiden  letzteren. 

Die  erste  ist  kein  Onginalwexk»  sondern  eine  Ueber- 
setenng  des  franEOsiseben  Bnobes  L*h<mme  dem»  la  Lüne 

von  F.  Baudoiu'j,  welche  ihrerseits  wieder  T7ie  Man  in 
the  Moon  or  a  Discourat  of  a  Voyage  thither  by  Domingo 
GomaU»  von  Fr.  Godwin*)  aar  Vorlage  hat 

Der  Inhalt  des  Buches,  welches  auch  iu  seiner  frau- 
sösisohen  und  englischen  Gestalt  nicht  unbeliebt  gewesen 
au  sein  scheint'),  ist  in  Kürae  folgender: 

Dominico  Uonsalcö,  ein  Edelmann  aus  Sevilla,  trat 
zuerst  in  die  Dienste  eines  französischen  Groszen,  dann 
in  die  des  Herzogs  Alba.  Er  yerdiente  sich  Geld,  musste 
aber  wegen  emes  Duells  flochten,  ging  nach  Indien  nnd 
bliebi  während  der  ROckreisc  crkninkt,  auf  St.  Helena, 
das  genau  und  wahrheitsgetreu  beschrieben  wird^),  znrQck. 
Nach  seiner  Genesnng  beschäftigte  er  sich  mit  der  Er- 
findung von  optischen  Telegraphen,  besonders  aber  mit 
der  Abrichtung  einer  Art  Vögel,  die  er  wilde  Schw&ne 
nennt  nnd  dasu  brachte,  ihn  durch  die  Luft  an  tragen, 
indem  er  eine  grosse  Anaahl  yon  ihnen  an  ein  holaemes 


*)  Paris  1648  nach  Kon  I,  XXV. 

*)  London  leaa  1:9*  Q.  1667.  I3fi  nach  Knn  a.  a.  0.  und  Giian 
L.  O.  Mir  sind  die  beiden  Bttcber  nicht  bekannt.  G.  de  Pereel  führt 
S.  886  das  fransOaisdie  Bach  an  als  tradoit  de  TEspagnol  par  Jean 
Bandonin  in  12.  Paris  1624.  1651.  1654  nnd  fügt  hhisa:  il  y  en  a 
enoore  eu  plnsienrs  autres  Editions  beauconp  plus  modernes. 
Vergl.  die  vorhergehende  Annierkunp;'. 

So  enger  Anschhisz  an  die  Wirklichkeit  bei  einzelnen  Dingen, 
sowie  Hehr  beHtinnnte  Zeitangaben  sind  ein  den  phantastischen  Reise- 
geschichten der  neneren  Zeit  charakteristischer  Zug,  aber  nicht,  wie 
gesagt  worden  ist,  eine  Ertindung  Swifts. 


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Ö-6Btell  befestig^    Mit  dieser  Flugmasdiine  kehrte  er 

im  Jahre  1509  nach  Spanien  zurück. 

Die  spanisohen  Sehifie,  mit  denen  er  die  Bilekreise 
angetreten,  werden  nnn  in  der  Nfthe  von  Teneriff»  ron 

Engländern  angegriiien,  und  da  die  Saclio  sich  schlimm 
anlftest,  so  rettet  sich  Dominico  auf  das  Land.  Dort  von 
wilden  Leuten  bennrohigt»  Iftest  er  sich  Yon  seinen  Tögeln 
auf  den  Gipfel  des  Berges  Pico  tragen.  Bald  aber  er- 
heben sich  jene  pfeilschnell  immer  hoher,  und  nachdem 
er  eine  Ton  Yegeln  ond  Dftmonen  bewohnte  Luftregion 
passirt  hat,  nftbern  sie  sich  dem  Monde,  wobei  der  Ter- 
fasser  Gelegenheit  nimmt,  allerlei  geographische  und 
astronomische  Bemerkungen  xu  maohen. 

Dienstag  den  11.  September  1599  langt  er,  nachdem 
or  namentlich  Beweise  für  die  Wiihrheit  des  Kopernika- 
nischen  Systems  gesammelt,  auf  einem  Berge  des  Mondes 
an.  Zunächst  nimmt  er  wahr,  dasz  daselbst  alles  weit 
gröszcr  ist  als  auf  der  Erde,  und  sättigt  sich  nach  dem 
Beispiele  seiner  Vögel  von  den  Blättern  einer  Pflanze. 
Von  den  riesenhaften  Mondleuten  wird  er  freundlich  auf- 
genommeq,  ein  Yomehmer  führt  ihn  in  seinen  tiber  alle 
Beschreibung  herrlichen  Palast,  dann  auch  zu  dem  Landes- 
ftlrsten,  genannt  Pylones,  der  jedoch  einem  Oberkönige 
unterthan  war.  Einer  Sage  nach  erschien  nftmlich  der 
erste  der  Fürsten  des  ganzen  Landes,  genannt  Irdonozur, 
welchen  Namen  auch  alle  seine  Nachfolger  führen,  von 
der  Erde  her,  heirathete  die  Erbin  des  Mondes  und  kehrte 
wieder  auf  die  Erde  zurück.  Die  Mondbewohner  sind 
sehr  wahrhafte  Leute  und  erfreuen  sich  einer  wohl  bis 
an  1000  Jahre  reichenden  Lebensdauer.  Je  grosser  sie 
von  Leibe  sind,  desto  geistToUer  und  langlebiger  sind 
sie  auch. 


—   10  — 


Um  in  den  Palast  des  Pylonas  zu  gelaDgeo,  bedienen 
sie  sich  einer  Art  yon  !Federwedeln,  gleich  den  Fflohem 
der  Spanierinnen,  mit  denen  de  fliegen.  Dieses  Flieden 
wird  erleichtert  durch  die  der  Attraotion  des  Mundes 
entgegenwirkende  der  Erde,  infolge  deren  einer  ÖO  bis 
60  FasjB  in  die  Höhe  springen  kann,  ohne  wieder  schnell 
herabzufallen.  Der  Pylonas  nimmt  Dominico  freundlich 
auf.  Ein  langer  Schlaf  überfällt  ihn,  eine  Erscheinung, 
die  bei  allen  Leuten  seiner  Grosse  —  denn  auch  solche 
giebt  es  —  sich  seigt,  wenn  die  Sonne  in  der  Nahe  ist 

E8  giebt  auf  dem  Monde  dreierlei  Menschen,  die 
eigentlichen  Mondleute  sind  10,  20  bis  27  Fuss  hoch. 
Der  Fflrst  der  grOszten  Sorte,  die  auf  einer  besonderen 
Insel  lebt,  heisst  Hilnchi.  Ihre  Sprache  ist  sehr  schwer  su 
lernen,  besonders  darum,  weil  sie  die  Worte  nicht  blos  durch 
Laute,  sondern  auch  durch  musikalisohe  Töne  kenn- 
zeichnen, wovon  Proben  in  Noten  beigefogi  sind.  Domi- 
nico lernt  jedoch  diese  Sprache  in  zwei  Monaten  ziemlich 
geläufig  sprechen  und  unterredet  sich  jetzt  öfter  mit  den 
Mondmenschen.  Auch  der  Irdonosur  Iftsst  den  Yerfiiaser 
vor  sich  kommen  und  beschenkt  ihn  mit  B^elsteinen, 
die  wunderbare  Kräfte  haben.  Die  Mondmenschen  sind 
inftszig,  keusch  und  fliehen  von  Natur  alle  Laster.  Wenn 
sie  an  einem  Kinde  die  Neigung  an  Lastern  bemeiken> 
so  vertauschen  sie  es  mit  einem  Erdenkinde.  So  mögen 
wohl  die  Völker  von  Amerika  (wenn  ich  die  etwas  con- 
fttse  Stelle  recht  verstehe)  von  ihnen  herstammen.  Poliiei 
und  Gericht  existirt  da  nicht,  wo  es  keine  Laster  und 
Verbrechen  giebt,  die  Regierung  steht  im  höchsten  An- 
sehen. Auch  Krankheiten  und  Aerzte  sind  völlig  unbe- 
kannte Dinge.  Wenn  der  Tod  eines  Menschen  herannaht, 
so  macht  er  ein  lustiges  Fest  mit  seinen  Frennden.  Ihre 


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-  11  — 


Leiber  werden  nach  dem  Tode  aufbewahrt»  da  sie  nicht 
TOrweaen.    Immer  herrscht  gutes  Wetter  und  FrOhlingf. 

Als  Dominico  bat,  ihn  zu  entlassen,  willigten  der  Pylonas 
uud  derlrdonozur  nur  ungern  in  bcIuc  Abreise.  Erstcrcr 
lieea  (hier  verräth  sich  wohl  der  englische  Urheber)  die 
Königin  Elisaheth  grttssen. 

Donnerstag  den  21).  ^lärz  1601  reist  der  Verfasser 
Yom  Monde  ab  und  gelangt  wohlbehalten  auf  einen  Berg 
in  der  Nfthe  von  Pekin  in  China.  Er  wird  gefiuigen 
genommen,  erlangt  aber  bald  die  Gunst  eines  yömehmen 
Mandarinen,  triüt  Jesuiten  und  bereitet  sich  zur  Heim- 
reise nach  Spanien. 

Die  Traumgesohieht  und  die  Mondreise  sind  eigent- 
liche Träume  mit  satirischer  Tendenz,  wenig  Erzählung 
und  mehr  Kaisonnement,  Schilderungen  und  Gespräche. 
Die  erste  ist  kunstloser  angelegt  Der  Yerfsuiser  erzählt 
einfiioh,  er  sei  eiugesohlafen  und  im  Traume  einem  Haufen 
Leute  begegnet,  die  er  geschickt  und  launig  charukteriüirt. 
Dabei  zeigt  sich  Grimmelshausen  schon  mit  allen  seinen 
Eigenthfimliohkeiten,  so  dass  er  aus  der  kürzesten  Stelle 
unaweifelhaft  wieder  zu  erkennen  ist  Z.  B.  „Ein  feiner 
junger  Mann  gieng  eine  weile  zu  Fusz,  und  liesz  sein 
Pferd  indessen  fortführen.  Ich  habe  ihn  vor  einen  jungen 
Dootor  angesehen,  wiewol  er  etwas  undoetoriseh  in  weiten 
itst  gewohnlichen  Stieffein  daher  haspelte  oder  ruderte, 
und  die  Fossc  neben  auswarÖe,  als  wenn  sie  nicht  sein 
wftren,  und  die  Beine  von  einander  gerattelte,  als  wenn 
er  erst  mit  Garoli  des  achten  Königs  in  Franokreioh 
Lands -Kindern  von  Neapolis  käme').  Das  beste  war, 
weil  er  ein  schOu  Gesteck  Messer  verlohren,  dasz  sie 


*)  als  ob  et  «die  Fiaatzosen"  b&tte« 


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—   12  — 


ihm  in  den  Kappen  der  eohweüenden  Sliefieln,  da  sie 
aus  dem  Saek  gefidlen,  liegen  blieben:  Massen  er  denn 

dasselbigc  in  meinem  Beyseyn,  und  noch  eine  schöne 
Serviet,  neben  etlichen  Beinen  von  einem  Kalbsbraten, 
die  ihm  bei  dem  Mittag  Essen  unter  dem  Tiseh  gofiüleii, 
darinnen  gefunden.  Jedweders  Knie  in  den  weiten  Hosen, 
da  auf  bevden  Seiten  ein  ziemlicher  Schornstein fesrors 
Junge  gemttcblioh  hinein  sohliefien  kOnte,  war  mit  etlioh 
hundert  Elen  Taffidt  gebändelt,  sonderlieh  auoh  fomen  an 
dem  Ort,  da  yor  alten  Zeiten  der  Bcbone  Adonis  den 
tödtlichen  Hieb  von  einem  wilden  Schwein  empfangen, 
und  Venus  sich  bald  darüber  zu  todt  gegreint  Aoh  wer 
weite  da  nioht  greinen?  Es  wäre  einem  ja  besser  ein 
Ohr  als  etwas  anders  ab.  Ich  sage  au  dem  Ort,  da  die 
Schaben ')  die  Netze  ^)  tragen.** 

Der  YerfiMser  beginnt  mit  den  ihm  Begegnenden 

Gespräche,  in  denen  no'm  satirischer  Humor  weiter  sein 
Spiel  treibt  und  sich  eine  ausdrOckliche  Besiehung  auf  den 
JBicpertu$  Rwpertu»  des  Mosoherosoh  findet 

Zu  Anfang  der  Mondreise  sagt  er,  dasz  er  in  den 
Mond  gekommen  sei,  er  wisse  nicht  wie.  Dann  folgen 
Unterredungen  mit  den  Mondleuten,  wobei  er  die  Ge- 
legenheit benutst,  sie  mit  satirisehen  Berichten  aus 
seinem  Vatcrlaude  zu  unterhalten.  Aui  Schlüsse  springt 
er,  von  einem  eifersüchtigen  Liebhaber  verfolgt,  zum 
Fenster  hinaus  und  findet  sich  in  seinem  Bett  liegend. 
Auch  dieses  Schriftohen  strotzt  von  Humor  und  drolligen 
Einfüllen  und  trägt  in  jeder  Zoilo  den  Stempel  Grim- 
melshausenschen  Geistes. 


')  Sehwabeu. 

')  Lfttse.  Ich  citire  nackdw  GettmmtanBg.  y.  1695/99.  Kurz  No.  4. 


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—  13  — 


Die  eine  der  Torreden  des  Satyiisohen  Pilgrams, 

und  zwar  jedenfalls  die  älteste,  ist  vom  15.  Februar  1666 
datirt.  Wenn  nun  auoh  eine  Ausgabe  dieses  Werkes  von 

1666  noch  nioht  bekannt  isti  so  ist  dooh  Yon  B.  Kogel, 
der  eine  Tom  Jshre  1667  naebgewiesen  bat,  ausser  allen 
Zweifel  gestellt,  dasz  das  Buch  vor  dem  Simplicissimus 
ersehienen  ist')  £&  ficüirte  den  Nebentitel  Kalt  nnd 
Wann,  Weiss  und  Sebwarts,  wurde  in  der  Zeit  abgefiMSt, 
als  Grimmelshausen  schon  am  Simplicissimus  arbeitete, 
denn  beide  Werke  beziehen  sich  gegenseitig  aufeinander^), 
i»d  ist  das  erste,  welches  den  Namen  Samuel  Greifnson 
Yon  Hirscbfeld  trttgt  Auch  bietet  es  das  Interesse,  dase 
die  erste  Ausgabe  eine  äuszcrst  grobe  Kritik  hervorrief, 
auf  die  Grimmelshausen  in  der  vcrmuthlich  zweiten  vou 

1667  ebenso  antwortete.  Die  stolsen  Worte,  die  ikm 
dabei  eatfabren:  „Was  meynestn  Bestie  wobl,  weil  iob 
als  ohngelehrter  was  unterstehe,  was  ich  erst  getliun 
beben  würde,  wenn  ich  dazu  auffgesogen  und  von  Jugend 
aalF  angeführt  worden  wixe?"  seigra,  dass  der  Yer&seer 
sieb  selbst,  nicht  blos  dem  Simplicissimus,  den  Mangel 
einer  gelehrten  Jugendbild uug  zuschreibt.  Den  Grund- 
gedanken und  Flau  dieses  populAr-satiriscben  Traotats 


')  R.  Kögel  hat  auch  durch  den  Seite  VI  und  X  getiihrten 
Nachweis,  dasz  die  Austfaben  des  Sat.  P.  erst  von  1070  au  auf  dem 
Titel  sich  als  „des  abenteuerl.  SlmplicisHimi ■  bezeichnen,  volle  Klar- 
heit in  die  Sache  gebracht;  vgl.  Kurz,  Einleitung.  Es  sind  also  jetzt 
folgende  Ausgaben  stunmehaieii:  a)  1606  (naoh  der  Datimg  der  Yer- 
rede  sa  yermatheo);  b)  1667.  Leipzig,  Frommann  1667.  12*;  c)  1670 
12*;  d)  1671  12*;  e)  in  des  G^ammtansgaben  8*.  Die  Ausgabe  von 
1697  gehört  in  die  Gesammtaiugabe  Toa  1686.  YgL  die  von  Km 
sageftthrte  Stelle  bei  Jördem. 

')  Vgl.  die  Einleitung  von  Kurz  und  namentlicli  die  von  Kögel. 
Ich  füge  hinzu,  dasz  sich  die  Courasche  im  Kathstübel  Plutonis 
cap.  XVI  auf  den  Sat.  P.  als  ein  Werk  des  Simpi.  bezieht 


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—  u 


giebt  GhTimmelshansen  selbst  in  der  Yorrede  an.   In  der 

Welt  sei  nichts  auszer  Gott  allein  vollkommen,  aber  auch 
nichts  ausser  dem  Teufel  so  soblimm,  dasz  nicht  etwas 
daran  su  loben  wAre.  Darum  habe  er  jedes  Thema  in 
drei  Sätzen  behandelt.  „Im  Ersten  Satz  wird  erzcblet 
eines  Wesens  Lob,  Güthe,  Nutz,  Ehre,  Nothwondigkeit* 
Tugend  und  was  des  guten  Dings  mehr  ist;  Im  andern 
Stock  oder  Gegensats  ersehle  ieh  eben  desselbigen  Wesens 
Schädlichkeit,  Laster,  Miszbraucli  und  alles  schlimm  übel, 
so  ihme  anhängt  und  mir  su  Gredttohtniss  kommen;  Im 
dritten  Stflok  oder  Nachklang  sage  ich  meine  unmftsilielie 
Meiiuiiii!:  auch  darzu."*  Demgemäsz  werden  nun  zwanzig 
Themata  abgehandelt,  im  ersten  Theile  Gott,  die  Zeitalter 
der  Welt,  der  Mensch,  die  Bauern,  das  Geld,  das  Tanaen, 
der  Wein,  die  Schönheit,  die  Priester,  die  Weiber,  im 
zweiten  die  Poeterej,  das  Goschüts  und  Pulver,  die  Liebe, 
der  Tabak,  die  grossen  Herren,  die  Philosophie,  die 
Mummerey  (Maskeraden),  die  Medicin,  das  Betteln,  der 
Krieg.  Man  sieht,  dasz  Grimmelshausen  der  Mode  der 
Zeit,  gelegentlich  d4  rebus  cnrnUma '  et  rummdU»  alm  su 
reden,  seinen  Tribut  dargebracht  hat  Aber  in  der  an  sich 
pedantischen  Form,  die  uns  wie  eine  Satire  auf  die  dia- 
lektische Methode  der  speculatiyen  Philosophie  anmuthet 
seigt  sieh  doch  die  Gewandtheit  und  Leichtigkeit  seiner 
Schreibweise  in  sehr  vortheilhaftem  Lichte,  wenn  wir 
ihn  mit  seinem  Vorbilde  Moscherosoh,  und  noch  mehr, 
wenn  wir  ihn  mit  den  Yerflusem  der  heroiseh-galantnu 
Romane  vergleichen.  Auch  seine  nicht  zu  yerkennende 
Art,  einzelne  Dinge  aus  seiner  reichen  Erfahrung  heraus 
zu  betrachten  und  mit  seiner  humoristischen  Phantasie 
SU  illustriren,  kommt  sur  Geltung.    Während  er,  wie 


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—   15  — 


aneh  sein  Simplicissimus,')  yom  Tanzen  nichts  wissen 
will,  tritt  er  als  jovialer  Manu  und  echter  Deutscher  für 
den  Wein  ein,  und  yon  der  Anwendung  des  Sohiesspulvers 
redet  er  so,  dass  man  den  denkenden  Militftr  daraus  er- 
kennen kann.  Sein  ireniöcher  Standpunkt  in  Bezug  auf 
die  eonfessionellen  Fragen  kommt  in  höchst  origineller 
Weise  in  einer  Stelle  sn  Tage,  wo  er  vom  Weine  sagt: 
„Du  hast  don  Proisz  vuii  ullca  Liquoren,  und  bist  allein 
würdig  erkannt,  dasz  aus  dir  in  der  Catholischen  Kiroho 
das  teure  Blut  des  Erlösers  (dayon  ein  einsiger  Tropff 
genug  gewesen  wäre,  die  ganze  Welt  in  allen  Lastern 
äcelig  zu  machen)  consecrirt:  bey  den  Evangelischen  unter 
dir  yerborgen:  und  bei  den  Beformirten  durch  dich  re- 
prftsentirt  und  also  durch  dich  sowohl  die  Beel,  als  der 
lieib  gespeiset  werde."  Der  ^woblvcrsuchte  Soldat",  wel- 
cher die  grellen  Licht-  und  Schattenseiten  des  Waffen- 
handwerks aus  eigener  langer  Erfohmng  kennt,  spricht 
in  den  Worten:  „Obne  Iluhm  zu  melden,  ich  bin  clie- 
malen  auch  darbey  gewesen,  da  man  einander  das  weisse 
in  den  Augen  beschaute,  kann  derowegen  wohl  Zeugnusa 
geben,  dasz  es  einem  jeden,  der  sonst  keine  Memme  ist, 
eine  Hcrtzenslust  isti  so  lange  einer  ohnbeschädigt  ver- 
bleibt: Wenn  einer  aber  yon  fernen  das  erbftnnliche 
Speotaoul  einer  Sohlaoht  mit  gesunder  Yemunfb  ansiehet, 
so  wird  er  bekennen  müssen,  dasz  nicbts  unsinuigcrs  auf 
der  Welt  sey,  ab  eben  dies  klftgüche  SchanspieL'' 

In  das  Jahr  1667  wird  mit  viel  Wahrscheinlichkeit 
die  erste  Ausgabe  des  Josef  gesetzt.^)  Dieses  Werk,  das 

*)  Snnpl.  Bnch  m  cap.  IS, 

^  a.  O.  o.  J.  im  Vorwort  wird  der  Hnsai  Terheiazen,  der  sich 
in  den  spätoran  Ausgaben  findet.  —  Nürnberg  1670.  12®.  —  Nürnberg 
1671.  la».  -  Nürnberg  167&  12».  Der  Simpl.  bezieht  sich  Buch  HI 
cap.  19  auf  dea  Josef  als  ein  Tom  ihm  veifasstes  Werk. 


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—   16  — 


ebenso  wie  der  Satymohe  Pilgmn  4eit  Sohrütotetter- 

namon  Samuel  Greifoson  yon  Hirschfeld  trägt,  erhielt 
bekanntlich  eine  Concurrentin  an  Zesens  Assenat  und 
Qrimmekhaiuen  dadureh  Gelegenheit,  sieh  mit  ZeM 
anseinanderansetsen,  woTon  bereits  die  Rede  gewesea 
ist. ')  Dasz  der  Josci\  der  sich  doch  sonst  ganz  neben 
Dietmold  und  Frozimiis  stellt,  nicht  den  wahren  Namen 
des  Yerfiissers  trftgt,  dürfte  vielleicht  in  diesem  litera- 
rischen Kencontre  wenigstens  zum  Thoil  seinen  Grund 
haben. 

Josef,  ein  Wunder  an  Schönheit  und  Weisheit,  ist 

seines  Vaters  Liebling,  in  gleichem  Grade  aber  der 
Gogenötaud  des  erbitterten  Neides  seiner  Brtider.  ^ine 
aus  der  Bibel  bekannten  Tr&ume  bringen  in  jenen  den 
EntschlnSB  sur  Beife,  ihn  su  Terderben,  Jakob  aber  — 
und  hierin  weicht  Grimmelshausen  doch  wesentlich  von 
der  Bibel  ab^)  —  deutet  die  Träume  und  sagt  daau: 
^Mich  Ewar  wirds  hOchlich  erfreuen,  wenn  ich  die  Ehre 
liabc,  dich  in  bolchcni  glücklichen  Stande  zu  sehen,  und 
wollte  Gott,  dasz  diese  seine  göttliche  Vorsehung  nur 
bald  ins  Werk  gesetst  würde,  dieweil  ich  gewisa  weisi, 
dasz  solches  eigentlich  geschehen  wird.**  An  einer  anderen 
Stelle  bittet  er  ihn  sogar  im  voraus  um  seine  Protect ioo. 

Josef  wird  nun  von  seinen  BrOdem  yerkauft,  dar 
Bibel  gotnflsE  auf  den  Rath  Judas  und  gegen  den  Willen 
Rubens I  der  ihn  auf  die  bekannte  Weise  retten  wilL 
Jakob  wird  der  Glaube  beigebracht,  ein  wildes  Thier 


')  II,  S.  75  f. 

Obwolil  er  im'. Vorwort  sagt,  er  bringe  ans  seinen  anderen 
(Quellen  nur  ilas  V(»r.  was  dor  ]?ibel  nicht  zuwiderlaufe.  Auch  wegen 
dieser  QuclUn  ist  auf  den  Abschnitt  iibfr  Zesens  Asseuat  zu  Ter- 
weiseu.   Andere  ab  dort  augeführt  siud,  hatte  Gr.  uicht. 


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-   17  — 


habe  Josef  serrissen.  Die  Karawane,  welcher  der  Käufer 

Josefs  aDgchOrt,  wird  Ton  Räubern  angegriffen,  aber  der 
dabei  befindliche  scliluuo  Elamit  oder  Perser  Musai  rettet 
alle  durch  dea  £io£ill,  Josef  köstlich  su  kleiden  und  ihn 
fflr  den  Gott  Apollo  auszngeben,  worauf  die  Rftuber  ein- 
zugehen die  Güte  haben.  Ein  sieh  Aber  den  Besitz 
Josetd  erhebender  Zwiespalt  wird  von  Musai  mit  Mühe 
beigelegt. 

Die  Ismaeliten  schenken  ihn  dem  Pharao,  dieser  aber, 

auf  seine  Schönheit,  die  ihn  selber  den  Frauen  unwerth 
machen  könnte misztrauiscb,  schenkt  ihn  denselben 
sogleich  surtick,  und  Josef  wird  fQr  grosses  Geld  an 
Potiphar,  den  Kflohenmetster  des  Königs,  verkauft.  Er 
schlägt  tretiiich  ein,  sein  Verdienst  ist  es,  dasz  sich  die 
Habe  seines  Herrn  mehrt,  dies  aber  ist  wieder  sum 
Theil  Veranlassung  dasu,  dass  Potiphar  um  die  junge 
Solicha  wirbt  Hierzu  bedient  er  sich  des  Josef,  und 
Selieha  verliebt  sich  natürlich  in  den  Vermittler.  Bald 
nach  der  Hochseit  wirft  sie  ihr  buhlerisches  Auge  auf 
ihn.  Zunttchst  stellt  sie  sich  gegen  ihren  Gatten,  um 
dessen  Vertrauen  zu  gewinnen,  sehr  verliebt.  Ihren 
Angrifi'  richtet  sie  auf  Josef  im  Garton,  indem  sie  thut, 
„als  weite  sie  heimlich  y errichten,  worzu  wir  Menschen 
beyderley  Geschlechts  tou  Natur  keine  Zuseher  su  be- 
gehren pflogen;  Das  ist,  sich  etwas  leichter  zu  machen: 
Aber  in  Warheit,  so  hätte  sie  lieber  eine  BUrd  auf  sich 
genommen,  welche  just  so  schwer  als  Joseph  gewost 
wäre  (worzu  man  zwar  auch  keine  Zeugen  erbittet;)  Ihre 
Meinung  aber  war  vor  diszmal,  dorn  Josef  oÜ'outlich  an- 
snaeigen,  was  er  yon  ibr  yerdeckter  weiss  nicht  yerstehen 


')  Vgl.  denselbea  Zog  bei  Zesen. 

II.  8L  2 


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—  18 


wolt  etc.*  Dieses  so  uiiTergloichlieh  fein  von  der  Sehönen 

ungelegte  tdte  a  töte  giebt  übrigens  nur  Grimraelsbausen 
Gelegenheit,  den  in  ihm  Bteckendcn  uayerbesaerlicben 
Schalk,  nicht  aber  der  Selioha,  ihre  Liebe  su  offenbaren. 
Denn  die  Daswischenkonfib  des  GUrtners  Tcreitelt  ihren 
Zweck,  ja  läszt  sie  nicht  einmal  Uber  den  auf  Josef  ge* 
machten  Eindruck  Klarheit  gewinnen.  Nach  einigen 
Tagen,  als  Potiphar  abwesend  war,  erhftlt  sie  anf  eine 
deutlichere  und  vollständige  Liebeserklärung  eine  tugend« 
hafte  Antwort,  bei  welcher  Josef  davon  ausgeht,  dass  er 
sie  nur  fttr  einen  Hohn  halten  könne.  Asenath,  ihre 
Tanto,  hatte  »len  Discurs  gehört,  macht  ihr  Vorwürfe 
und  theiit  die  läachc  einigen  Damen  mit,  welche  Selioha 
besuchten,  aber  von  ihr  auf  eine  eigenthomliche  Weise 
Yon  der  G-efllhrlichkeit  Josefs  überzeugt  wurden.  „Sic 
hatte  einer  jeglichen  Frauen  so  wol  als  auch  der  ausz- 
bündigen  Jungfrauen  Asenath,  ein  schärfer  Messer  als 
ein  Bcharsach  oder  Schermesser  neben  den  Toller  gelegot; 
und  als  die  Mahlzeit  vorüber  war,  jeglicher  eine  Citrono 
reichen  lassen,  mit  Versprechen,  welche  die  ihrige  snm 
ersten  gesohftlet  haben  wttrde,  die  solte  einen  schonen 
Ring,  den  sie  vom  Finger  nahm,  und  auf  die  Tafel  legte, 
gewonnen  haben.  Als  sie  nun  im  besten  iScbalon  waren, 
trat  Joseph  aus  Befehl  seiner  Frauen,  unversehens  ins 
Gemaeh,  in  einem  seidenen  Sommerkleid,  darinnen  man 
ihm  das  meiste  seiner  Schuecwoisscn  Arme,  einen  guten 
Theil  der  Brust,  und  die  Knye  yon  dem  Mittel-Thoil  der 
Schenckel  an,  bi^z  anf  die  Waden  nackend  sehen  konte  *); 
In  der  einen  Hand  hatte  er  ein  vcrgüldes  Haiulbecken, 
und  in  der  andern  die  Gieazkanne,  denen  Damen  das 

*)  Vgl.  Simpl.  IV,  3,  wo  der  Behl  iu  gleichem  Aufzuge  bei  dea 
franzüsischen  Damen  sein  Glück  macht. 


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—   19  - 


Handwawer  sa  bringen,  die  alle  ihre  Augen  anf  ihn 
warffen,  und  über  seiner  unglanbliohen  Sehönbeit  der- 

inassen  crstarreten,  tlasz  keine  mehr  wüste,  was  sie  thät, 
ja,  sie  wurden  so  gar  cutzuckt,  dasz  (indem  sie  diesen 
holdseligen  Anblick  beeohaneten,  und  gleichwol  den  Bing 
XU  gewinnen  eilend  forteohftleten)  sieh  jede  (auBgenommen 
die  Sclicha  selbst  nicht)  in  die  Finger  schnitte,  dasz  das 
Blut  hernacli  tioöz 

Nachdem  die  Damen  weggegangen,  erfolgt  ein  neuer 
Angriff  auf  Josef  und  endet  wegen  dessen  Weigerung 
mit  einer  Ohuinucht  Selichas.  Endlich  versucht  sie  es 
noch  einmal,  indem  sie  ihre  eigenen  Reise  nooh  voU- 
stftndiger  ins  Treffen  fahrt,  aber  die  Tugend  Josefs  Über- 
windet alles.  Sie  behält  den  Mantel,  verklagt  Josef,  und 
er  wird  in  das  GelüJignisz  gesetzt,  wo  er  zunächst  grobe 
Schmiedearbeit  Yerrichten  muss. 

Jetst  mischt  sich  Asenath  in  die  Sache,  wfllhrt 
Eunttcbst  von  zwei  niitwisscudcu  Kaiumermildchen  der 
iSelicha,  dasz  JoBcf  unschuldig  ist,  und  weisz  in  der  Folge 
verbessernd  auf  seine  Lage  im  GefUngnisse  einsuwirken. 
Potiphar  hatte  kein  gutes  Gewissen,  da  Josef  um  einige 
Veruntreuungen  in  seinem  Amte  wuszte.  Letzterer  be- 
schäftigt sich  im  Gefängnisse  mit  Astrologie  und  erforscht 
hierdurch,  dasa  Pharao  und  Sclicha  bald  sterben  werden, 
was  auch  geschieht  Auch  legt  er  den  anderen  Gefange* 
nen,  vornehmlich  aber  dem  Mundschenk  und  dem  Bäcker, 
ihre  Träume  aus. 

Üm  diese  Zeit  kauft  der  Kerkermeister  den  Musai. 
Dieser  prophezeit  dem  Josef,  dasz  er  bald  ein  groszer 
Herr  werden  und  in  einer  Woche  eine  vortreffliche  Ge- 
mahlin heirathen  werde.  Der  neue  König  hatte  vor 
seiner  Krönung  die  Träume  von  den  Rindern  und  den 


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—   20  — 


Aehren,  Josef  wird  geholt,  besteht  trefflich  und  wird, 
naohdem  er  sieh  wegen  der  Selieha  gftnslioh  gereehl- 

fertigt,  erhöht  und  mit  Asenath  verheirathet.  Brsteres 
war  um  so  leichter,  als  sich  auszer  den  Aussagen  der 
beiden  Kammermftdehen  noeh  zwei  Briefe,  einer  von 
Selieha  an  Josef  im  Gefllngniss  nnd  der  andere  seine 
Antwort,  fauden.  Deu  Musai  nimmt  Josef  in  seine 
Dienste  nnd  giebt  ihm  die  zwei  Kammermftdchen  m 
Frauen. 

Es  folgen  die  reichen  und  die  kargen  Jahre,  Josefs 
Brüder  langen  an,  und  die  Sachen  verlaufen  gana,  wie  sie 
in  der  Bibel  ersählt  werden,  nur  dasc  Musai,  weleher  die 
Brüder  sofort  erkannt  hatte,  ihnen  sogleich  das  erste  Mal 
vorwirft,  dasz  sie  einstmals  einen  Jüngling  verkauft 
hätten.  Jedoeh  ffthrt  dieses  noeh  nieht  anr  Erkennung. 

Bei  Gelegenheit  des  Ghistmahls,  welobes  Josef  seinen 
Brüdern  giebt,  halt  es  Grimmelshausen,  der  des  trocknen 
Tons  satt  su  sein  scheint,  wieder  für  angezeigt,  ganz  er 
selbst  zu  sein.  Er  gesteht  seine  «ünTermOgliohkeit*  ein, 
«eine  Geschieht  recht  ordentlich  zu  beschreiben**,  und  hiibe. 
sagt  er,  manches  ausgelassen,  davon  die  Persinaer  und 
andere  orientalisohe  Volker  Naohriobt  haben,  er  habe 
ohne  das  mehr  davon  herein  flicken  müssen,  als  die  Bibel 
in  sich  hielte.  „IndcHsen  bilde  ihm  der  günstige  Lioser 
selbst  ein,  wie  es  bey  Josephs  Mahlzeit  hergangen  sejn 
möchte?  Denn  da  mangelt  niehts,  dasz  man  den  grOszten 
Monarchen  von  der  Welt  zu  tractiren  sich  schämen 
dörifte.  Man  kau  ja  wohl  gedenoken,  dasz  sie  bey  dieser 
sehonen  Gelegenheit  so  wol  Pharaonis  als  Jaeobs  Gesund- 
heit vielleicht  getmnckcn  Laben  werden.  Item,  nachdem 
die  Brüder  die  Herrlichkeit  Josephs,  und  sein  treuhertsiges 
GemOth  gesehen,  und  duroh  den  Schall  der  Trompeten 


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-  21  — 


und  andere  Mnsioalische  Seiten- Spiel  und  Instrumenten 

(geschweige  des  guten  Triiucks,  deu  sie  hatten,  und 
der  Extraordinari- Freud,  die  sie  aus  ihrer  und  Josephs 
wunderbarlichen  Begebenheit  sohOpfften,)  se^d  belustiget 
worden,  dasss  sie  ohne  Zweiffei  auch  ein  ehrbares  Tftntzel 
gethan,  darauf  die  Juden  ohne  das  viel  halten.  Doch 
kan  es  seyn,  dass  auch  etliohe  das  trunoken  Elend  be- 
weineten.  Dies  und  anderes  mehr,  wie  es  möchte  her- 
gangen seyn,  bilde  sich  ein  jeder  nun  selbst  ein,  so  gut 
er  kau,  und  nach  seinem  Belieben,  denn  ich  ünde  nichts 
daryon  geschrieben,  so  bin  ich  ja  auch  nicht  selbst  dabey 
gewesen,  dass  ich  alles  so  specifice  h&tte  anmercken  und 
beschreiben  können;  Und  wenn  ich  schon  dabey  gewcst, 
und  oben  an  gesessen  wäre,  so  hAtto  ich  mich  doch  ohn 
Zweifel  so  bald,  als  sonst  einer,  so  blind- stern- voll  ge- 
soflPen,  dass  ich  mich  gleich  des  andern  Tags  alles  dessen, 
was  geschehen  wäre,  nicht  mehr,  geschweige  jetzt,  da 
schon  über  3390  Jahre  seither  verflossen,  zu  erinnern 
gewuszt  hätte.  Denn  ich  kenne  meine  dOrre  Leber  gar 
SU  wohl  ** 

Seineu  zurOckkchrendeu  Söhnen  glaubt  Jakob  dio 
Nachricht  yon  Josefs  Wiederauffindung  um  so  leichter, 
als  er  kuns  rorher  sein  und  seiner  Kinder  Natiyitäten- 
buch  aufgeschlagen  und  sich  der  Trilunie  Josefö  erinnert 
hatte.  Er  zieht  mit  ihnen  nach  Aegypten,  und  alles  wird 
kurs  nach  der  Bibel  angegeben  bis  zu  dem  Begräbniss 
Jakobs,  wobei  Josef  seinen  Brfldem  'noch  einmal  Treue 
zuschwört.  Dann  wird  nur  noch  erwälint,  was  nach 
Joseis  Tode  aus  seinen  Gebeinen  geworden  sei 

Der  angehängte  Mnsai  besteht  zum  grOszten  Theile 
aus  archftologisch  -  historischem  Kram,  und  Grimmels- 
hausen scheint  hier  das  nachholen  zu  wollen,  was  er 


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-  22  — 


gosreD  den  Gebrauch  des  Jahrhunderts,  aber  g^mflss 
seiuoiii  guten  natürlichen  Geschmacke  weggelassen  hatte. 
Muaai,  von  Josef  reich  gemacht,  bleibt  sein  treuer  und 
anhänglicher  Diener.  Er  wird  einmal  von  Asenath  sn 
einem  Isisfeste  geladen,  dem  aber  beide,  du  sie  den 
wahren  Gott  kennen,  mit  geringer  Andacht  beiwohnen. 
Hierbei  giebt  Asenath  dem  ICusai  einen  Abriss  der  ägyp- 
tischen Mythologie,  und  Musui  unterhält  sciuc  Herrin 
mit  der  Geschichte  seiner  Vorfahren,  namentlich  mit  der 
seines  Vaters  Zoroaster  und  mit  seiner  eigenen.  Dann 
unterredet  sieh  Josef  mit  Musai  Aber  die  Mittel,  das  dem 
Lande  durch  Josefs  Finauzverwaltung  entzogene  Geld 
wieder  unter  die  Leute  au  bringen  —  wie  viel  gesunder 
praktischer  Sinn  spricht  aus  diesem  Zuge!  —  und  m 
diesem  Zwecke  wird  —  ebenfalls  sehr  zweckdienlich  — 
Musai  bei  Pharao  als  Baumeister  angestellt  und  beginnt 
den  Bau  der  Pyramiden. 

Im  Jahre  1668  ist  nun,  wie  Griiiunclshauscn  selber 
im  ii)wigwährenden  Kalender')  ausdrücklich  sagt,  sein 
berühmtestes  Work,  der  unsterbliche  Bimplioius  Simpli- 
cissimus,  das  erster  Mal  gedruckt  worden.  Das  nicht 
ganz  einfache  Verhältnisz  rlcr  verschiedenen  Ausgaben 
SU  einander  ist,  weil  seine  DainteiluDg  sugleich  die  Gre- 
sehichte  der  ibrtgesetsten  Arbeit  de^  Verfiissers  an  seinem 
Hauptwerke  darstellt,  zunächst  zu  Crortcrn.  Nach  dem 
derzeitigen  Stande  unseres  WiBsens  verhielt  sich  die 
Sache  so: 

Jene  erste  Ausgabe,  die  im  Jahre  IGcjg  erschien  und 


»)  S.  1)2  ....  „der  80  genandte  Abentewrliche  ►'^'.nplicissimiw, 
dessen  Lebensbeschreibung:  vorm  Jahr  dasz  erste  mahl  getruc««^  y^^j. 
den"  und  S.  94:  „Als  ich  im  verwicheueu  Julio  dieses  166U.  Jai«, 
die  Saurbnumeu  Ckur  brauchte". 


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—  23  — 


Dar  die  ersten  fQiif  Bi&oher  enthielt,  ist  bis  jotst  uieht 
wieder  aafgofonden  worden.    Unmittelbar  nach  ihrem 

Erscheinen  musz  sich  Grimmelshausen  schon  zu  einer 
neuen  Bearbeitujig  und  ll^ortsotzung  outecblossen.  habeu 
Er  brachte  darin  namentlich  lexicalisoho  und  grammatische 
Yerbesserungen,  d.  h.  Annäherungen  an  die  Bohriftspraohe 
der  Zeit,  an  und  fügte  das  sechste  Buch  hinzu.  Diese 
Ausgabe»  welche  durch  L.  Holland,  der  zuerst  die  Text- 
veriiältnisse  des  Bimplieissimus  su  erörtern  unternommen 
hat,  mit  A.  besoichnet  worden,  erschien  1660*).  Der 
^Beschlusz",  in  welchem  Grimmelshausen  zugleich  Sorge 
trügt,  dasa  das  Buch  als  ein  Work  des  Verfassers  des 
Salyrisohen  Pilgrams  und  des  Josef  erkannt  werde  ist 
datirt  vom  22.  April  IGOi).  Jetzt  erlebte  Grimmelshausen 
den  Verdrusz,  welcher  damals  kaum  einem  Schriftsteller, 
dessen  £raougni8se  einigermassen  beim  Publicum  Qlüok 
machten,  erspart  blieb,  man  druckte  den  Bimplieissimus 
nach.  Dabei  verfuhr  man,  sehr  zu  Dank  der  Literatur- 
geschichte, 80,  dasz  man  einerseits  gewisse  Gruudztlge 
der  verlorenen  Ausgabe,  weldie  in  A  verwischt  sind, 
conservirte,  andererseits  den  Kaehdruck  vorrieth.  Es 
ward  nämlich  den  ersten  fünf  Büchern  die  erste  Ausgabe, 
der  Fortsetzung,  d.  h  in  diesem  Palie  dem  sechston 
Buche,  das  in  A  befindliche  Plus  au  Grunde  gelegt  Um 
über  den  wahren  Sachverhalt  zu  täuschen,  namentlich  die 
Nachdrucke  älter  als  A  erscheinen  zu  lassen,  machte  man 
sehr  plump  unter  dem  ^Besehluss*  aus  dem  22.  April  16G9 
den  22.  April  166&    Auf  diese  Weise  entstanden  die 


')  Momi)elgart,  (Jednickt  bcy  Jfthaiiii  Filliun. 

')  Dem  Titel  nach  ist  es  „Au  Tag  geben  Von  (Jormau  Schleii 
lieim  von  Sulsfort".   Im  Beschlusz  versichert  Gr.,  dasz  es  ein  Weik 
des  Samuel  Greifuäon  vou  HirscUfeld  sei. 


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—  24  — 

Ausgaben  B  und  0,  Ton  denen  die  iweite  ein  blosser 
Abdraek  der  ersten  ist    Grimmelsbansen  Ärgerte  sieh 

hierober  krank  '),  der  Verleger»  Felsseeker  in  NOmberg, 
hatte  nicht  unerheblichen  »Suhadea.  Zum  Glück  musz  die 
Naohirage  so  bedeutend  gewesen  sein,  dass  eine  nooh- 
malige  neue  Ausgabe  sofort  geplant  und  yenmstaltet 
werden  konnte.  Der  Verfasser  maohte  hierzu  an  vielen 
Stellen  grossere  und  kleinere  Zusätze,  nahm  in  einer 
neuen  Vorrede  die  ^Naehspioker*'  tOehtig  heran  und 
drohte  ihnen  mit  einer  yon  seinem  Sohne,  dem  jungen 
Simplicissimus,  abzufassenden  Streitschrift,  der  Verleger 
verlieh  dieser  neuen  Ausgabe  einen  neuen  Heiz  durch 
sahlreiohe  (22,  mit  den  Titelkupfern  24)  Kupferstiohe, 
und  so  ersohien,  wie  ans  der  neuen  Datirung  des  „Be> 
Schlusses'*  zu  vermutheu  ist,  schon  im  Jahre  107 1-)  die 
Ausgabe  D,  welohe  demnach  als  die  letster  Hand  an  be- 
trachten ist  Denn  ein  neuer  Abdruok  derselben  mit 
denselben  Bildern  und  Wort  für  Wort  übereinstimmend 
(1)  bietet  keine  neue  Gestalt  des  Textes.  Hier,  in  D 
und  I,  ersoheinen  nun  aueh  die  drei  Continuationen  nebst 
der  »Zugab**. 

Zu  der  Aufdeckung  dieses  Sachverhalts  hüben  nament- 
lich die  Kupferstiche  beigetragen.  Im  11.  Capitel  des 
ersten  Theiles  des  Vogelnests  n&mlioh  lAsst  G-nmmels- 
hausen  den  Helden  der  Gesohiohte  folgende  Betraohtuog 
anstellen.  ^Gibt  mich  dannoch  nicht  Wunder,  dasz  der 
alte  Simplicissimus  in  alle  KupfferstQck,  so  sieh  in  seiner 
Lebens- Besehreibnng  befinden,  gesetzt  hat:  Der  Wahn 
betrogt!  yomemlioh,  wann  ieh  mich  erinnere,  dass  ich 

')  Vgl.  die  Vorrede  zu  D. 

*)  Kompeigart,  Oedmekt  bei  Joluam  Fillion,  Künborg  sa  fiadea 
bei  W.  E.  FeUseokern.  Ebenso  L 


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—  25  — 


auf  dieser  Reise  einmals  seinen  Sohn  beym  Leben  er- 
halten (wesswegen  er  dann  diesen  Sprach  yielleicht  so 

oft  andet  und  vor  sein  Symbolum  erwchlet  hat)  '  u.  s.  w. 
Hieraus  ergiebt  sich  ohne  jedes  Bedenken,  dasz  die  Aus- 
gabe D  (beaw.  I)  eine  rechtmftseige  ist  Ans  der  Art  der 
Znsfttze,  welche  hier  zu  dem  bisherigen  Texte  gemacht 
öind,  geht  ebenso  sicher  hervor,  dasz  der  Verfasser  selbst 
sich  der  Ueberarbeitang  untenogen  hat  Da  nun  ausser- 
dem dureh  Yergleiehung  der  Texte  ausser  Zweifel  gestellt 
ist,  dusz  Grimniclshaihsen,  als  er  im  Jahre  1070/71  an 
diese  letzte  Ueberarbeitung  ging,  den  Text  A  zu  Grunde 
gelegt  hat,  so  wird  dadurch  A  als  rechtmftssige  Ausgabe 
bestätigt,  B  und  0  aber,  welche  in  den  ersten  fünf  Bochern 
auf  eine  andere  Quelle  (x,  d.  h.  die  erste  Ausgabe)  zurttck- 
gehen  und  die  Fortsetzung  (E  und  F)  aus  A  abdrucken, 
als  Nachdraoke  entlarvt*) 

Zur  Ergänzung  dieser  Bntstehnngsgeschichte  des  uns 
vorliegenden  Siraplici.s.«5imu8  sei  noch  bemerkt,  dasz  die 
Beseiobnnngen  A  B  G  D  nicht  absolut  einheitliche,  d.  h. 
aas  einem  einsigen,  nicht  einmal  wahrend  des  Absiehens 
veränderten  Satze  hervorgegangene  Drucke  bedeuten, 
sondern  dasz  innerhalb  der  mit  diesen  Buchstaben  be- 
zeichneten Oruppen  von  Exemplaren  noch  kleine  Yer- 
schiedenheiten  vorkommen,  eine  Erscheinung,  welche 
nicht  ohne  Beispiel  ist  und  in  der  damaligen  Praxis  der 
Druckereien  ihren  Grund  hat^).  Ferner  mag  noch  gesagt 

*)  Diefl68  Verhältniss  von  A  D  I  zu  B  C  E  F  ist  von  Keller 

verkannt  worden,  w^  lelier  B  als  erste  echt«  Ausgabe  seinem  Text  zu 
Grunde  legte.  Alle  vorhandenen  Ausgaben  auszer  B  beziehen  sich 
iiVirigens  schon  durch  die  Fassung  des  Titels  auf  eine  oder  mehrere 
frühere. 

*)  Ich  verweise  in  Bezug  liieraut  inxl  aut  die  eben  erörterten 
Einselbeiten  auf  die  Einleitung  von  Kinz  und  namentlich  auf  die 


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—  20  — 


\?ordoii,  daai  das  seohste  Buch  und  die  ContiniuitioiieD 

auch  oinzoln  zu  haben  gewesen  sind,  was  sich  aus  der 
Rüoksiclit  auf  die  BesiUer  der  Ausgabe  x  ci-klärcD  läszt, 
dass  aber  von  einer  Ausgabe  A  ohne  das  sechste  Bueh 
nicht  EU  roden  ist,  da  die  Pagiuiruiig  durcbgobt 

Der  Siinplicissiuius  ist  deijouigo  lloman  des  XVII. 
Jahrhunderts^  der  es  bei  ireitom  am  meisten  yerdieot, 
jetat  noch  gelesen  su  Trerden,  und  der  oiDsige,  der  jetst 
f hatbächlich  noch  gelesen  wird.  Ich  glaube  daher  iu  Be- 
zug uut  dou  lubalt  anders  vorfubrou  zu  dürfen  als  sonst 
und  begnflge  mich  mit  Folgendem. 

Der  UQ8  vorliegondo  Siiuplicissimus  zerfällt,  wie  ebeu 
gesagt,  iu  seobs  Ii Ucbcr,  worauf  drei  kleinere  Aubäogo 
folgen.  Aber  schon  das  fOnfto  Bueh  geht  in  der  Weise 
aus,  dass  man  hier  einen  vorläufig  beabsichtigten  Sehlnss 
des  gauzeu  Werken  orblickeu  kaun.  Jedes  Buch  ist  io 
eine  Ansah!  Capitel  cingethoilt,  aber  die  Qrensea  der 
orsten  drei  Bücher  sowie  der  Oapitd  fiUlen  nicht  mit 
den  Haui)iabj3ehuittou  der  Erzählung  zusammen,  und  c» 
öoheint  demnach  diese  Eintheilung  nur  eine  ttussorliehe 
Gliederung  des  Werkes  in  siemlioh  gleiche  Abschnitte 
SU  bezwecken. 

Wenn  wir  aber  die  Krzäbiuug  in  ibre  organiscbeo 
Theiie  serlegeo,  so  besteht  der  erste  aus  den  orsten  drei 
Oapiteln,  in  welchen  der  in  der  Person  des  Helden 
rodende  ^  crfasser  erzählt,  wie  er  als  der  venueiutlicbc 
öohn  eines  Bauern  im  Spessart  in  völliger  Unwissenheit 
und  Rohheit  seine  Eindeijahre  sobringt  Das  4.  bis 
18.  Capitel  bildcu  den  zweiten  Abscbuitt.     l)ie  Auü- 

vortrettlich  iibirefaszte  von  Jvögt-l.  l'ebtT  s<»lchc  ZwilliiiiTsdni«  ke. 
wie  beim  Siiiipi.  voiiieijen,  mich  iifthor  auszulassen,  ist  hier  nicht  der 
Ort,  vgl.  jedoch  Bd.  11,  8.  IT  Anui.  dieses  Werkes. 


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—   27  — 


plündeiuog  aeiner  Eitern  durok  Kürassiere  reisst  den 
Knaben  aus  der  bisherigen  Umgebung  und  bringt  ihn  au 
einem  Einsiedler.  Ton  diesem  lernt  er  lesen  und  sehrei- 

hen  und  iiamoutlich  dio  Grimdlcbreu  der  christiichou 
Beligion.  Bei  dem  Einsiedler  bleibt  er  bis  su  dessen 
Tode,  yersndit»  daa  aaaehoretisehe  Leben  nooh  einige  Zeit 
fortEUsetzoD,  wiederum  aber  führen  ihn  die  Kricgötumultc 
in  eine  neue  Welt.    Dem  neuen  Abschnitte  (cup.  19  bis 

11,  14)  gebt  eine  Vision  Tom  Öoldatenstande  und  Kriegs- 
leiden voraus.  Er  gelangt  in  den  Besits  des  Oomman- 
danten  von  Ilanau,  dos  Obersten  Kanisay,  als  Page  ist 
er  nicht  zu.  brauchen,  man  will  ilm  zum  Narren  maohon, 
da  er  aber  des  Obersten  verstorbener  Sehwester  sehr 
Ahnlieh  sieht,  wird  er  gut  behandelt.  Eine  ReTision  der 
Truppen  veranlaszt,  dasz  er,  um  den  Commisbarius  zu 
tAusehen,  unter  dio  Soldaten  einregistrirt  wird,  und  bei 
dieser  Gelegenheit  erhAlt  er  den  Namen  Simplioius  Sim- 
plioissimus.  Das  Leben  in  der  Umgebung  des  Oomman- 
danten,  in  allem  der  gerade  Gegensalz  zu  dem  bei  dem 
Einsiedler,  der  jenes  Sehwager  war,  giebt  dem  geweckten 
aber  durchaus  weltfremden  Knaben  viel  an  denken  und 
wird  von  diesem  durchaus  eigenartigen  Gcsicht^punlcte, 
von  dem  der  Yer&ssor  niemals  abweicht,  ausi'ührlich  ge- 
sohildert  und  besprochen.  Auch  Discurse  ganz  nach  Art 
der  im  Gnsman  von  Alfiiraohe  vorkommenden  sind  in 
diesem  dritten  Abschnitte  zu  linden,  freilich  übertreffen 
sie  ihre  Vorlagen  in  mehr  als  einer  Beziehung.  So  ont- 
h&lt  das  8.  Oapitel  dos  IL  Buches  einen  Discurs  ober  das 
Oedftehtniss,  das  9.  ein  humoristisches  Lob  weiblicher 
Schönheit,  ^as  10.  handelt  von  Helden  und  Künstlern, 
das  11.  von  dem  mOhseligen  Leben  der  Kogenten,  das 

12.  von  dem  Verstände  der  Thiere.    Schon  will  der 


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~   28  — 


Conimaudant  etwas  Besseres  aus  ihm  uiacheii,  als  öim- 
plioisaimus  durch  die  bis  ror  die  Wälle  der  Festung 
streifenden  Kroaten  geflingen  wird. 

Der  nuu  vom  15.  bis  20.  Cupitei  des  II.  Buches 
reichende  vierte  Abschnitt  erzählt  kurz  von  dem  wenig 
erfreulichen  Leben  bei  den  Kroaten,  dem  sich  der  Held 
dnroh  die  Flucht  m  entziehen  weisz,  worauf  er  eine  Zeit 
lang  in  einem  Walde  lebt  und  seine  ertitcn  Versuche 
im  Stehlen  macht,  bis  er  durch  Zufall  auf  eine  mit 
Hexensalbe  bestrichene  Bank  su  sitzen  kommt,  so 
auf  den  Blocksberg  führt  und  dem  Tanze  der  Unholde 
zusieht.  Als  er  den  Namen  Jesu  ausruft,  zerstiebt  das 
unheimliche  Heer,  Simplicissimus  wird  bewus&Üos  und 
findet  sich  am  Morgen  in  der  Nähe  des  damals  (1685) 
belagerten  Magdeburg.  Auch  hier  gelangt  er  in  die  Um- 
gebung eines  Obersten,  lernt  das  Lagerleben  kennen  und 
findet  an  dem  alten  Hertsbruder  einen  yäterlichen  Be- 
ralher,  an  dessen  Bohne,  der  von  dem  bOsen  Olivier  mit 
Ränken  verfolgt  wird,  einen  treuen  Freund.  Da  ihm  sein 
Narrenkleid  und  Narrenstand  unerträglich  wird,  verkleidet 
er  sieh  als  ICädchen  und  hat  als  solches  yerschiedene 
Abenteuer,  bis  ihn  die  8chlacht  bei  Wittstock  aus  höch- 
ster Gefahr  befreit.  Nach  wenigen  Zwischenfällen  wird 
er  Bursche  bei  einem  -Dragoner  im  kaiserlichen  Heere, 
als  dieser  stirbt,  nimmt  er  seine  Stelle  ein. 

Die  Capitel  vom  30.  des  II.  Buches  bis  zum  13.  des 
UL  erzählen  das  eigentliche  heroische  Zeitalter  des 
Helden.  Der  frische  und  frahreife  Jongling  zeichnet  sich 

als  Soldfit  durch  Tapferkeit,  Erfindungsgeist,  ritterlichen 
Sinn  und  durch  eine  Anzahl  toller  Streiche  aus  und 
macht  sich  unter  dem  Namen  des  Jägers,  den  ihm  sein 


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—  29  — 


g^rünes  Kleid  eintragt,  in  der  Gbgend  von  Soeet  in  West- 
falen mit  seinen  Thaten  einen  groszon  Namen. 

Dieser  Glanzperiode  macht  seine  GefaDgonnahme 
durch  die  Schweden  (III,  14)  ein  Ende.  Während  des 
mQszigcn  Lebens,  das  ihm  diese  Wendung  seines  Schick- 
sals auferlegt,  kommt  er  in  Lippstadt  zu  cioer  Gattin, 
Ton  der  er  sich  nach  wenigen  Wochen  trennt,  um  in 
Köln  Geldgeschäfte  absnwiokeln.  Obgleich  er  beabsich- 
tigt, in  der  schwedischen  Armee  eine  Ofiiciersstelle  au- 
sunehmen«  lAsst  er  sich  doch  Ton  Köln  nach  i^rankreich 
^practiciren*,  wo  er  bei  wollOstigen  Frauen  eine  unwür- 
dige Rolle  spielt.  Er  macht  sich  aus  Paris  davon,  er- 
krankt an  den  Blattern  und  sieht  sich  genöthigt,  eine 
Zeit  lang  als  Quacksalber  sein  Leben  xn  fristen,  bis  er 
als  Musketier  in  ein  kaiserliches  Regiment  zu  Philipps- 
burg eingestellt  wird.  Aus  dieser  ihm  unerträglichen 
Loge  befreit  ihn  sein  Freund  Hertabruder,  der  sufiülig 
mit  ihm  snsammentrifFt  Nach  einiger  Zeit,  während  der 
er  sich  nicht  recht  aufralieu  kann,  wird  er  von  den 
Weimarschen  gefangen,  musz  Kriegsdienste  nehmen  und 
ist  im  Begriff,  sich  su  seinen  angeheiratheten  Terwandten 
nach  Lippstadt  zu  bL'gcl)en,  als  er  mit  dem  Erzbösewicht 
Olivior  zusammentritit,  mit  dem  er  eiue  Zeit  lang  das 
Bäuberhandwerk  gemeinsam  betreibt  Olivier,  dessen 
Bchenssliche  Lebensgeschichte  nachgeholt  wird,  kommt 
um,  Simplicissimus  erbt  sein  crraubtes  Geld  und  findet 
Hertobruder  in  grossem  Klend.  So  bildet  das  vierte 
Buch  einen  snsammenhängenden  und  organischen  Ab- 
schnitt des  Ganzen. 

Dasselbe  kann  man  yon  dem  fonften  und  sechsten 
Buche  sagen.  Das  erste  von  diesen  ist  das  bunteste  yon 
der  ganzeu  Geschichte,  indem  sicli  die  Erzählung  hier 


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—  30  — 

im  Vergleich  zu  den  Torhergohenden  Abschnitten  ziem- 
lich hastig  fortbewegt  .Die  swei  Freunde  machen  eine 
Pil^crfhhrt  nach  Einsiedlen,  wo  SimpKdssimns  Yon  einer 
vorübergühcndcn  lleiic  ergriffen  öffentlich  an  den  Sacra- 
menten  der  katholischen  Kirche  theilnimmt,  w&hrend  er 
vorher  oonfeeeionalos  gewesen  war.  In  Wien  erhilt  er 
eine  Hnnptmannsstclle  im  kaiserlichen  Heere,  in  einem 
Treffen  (bei  Jankau,  1G4Ö)  löst  sich  seine  (Jompagnic  auf. 
Er  begiebt  sich  yerwundet  mit  Hertabruder  in  den  Saner- 
brnnnen,  erfilhrtp  dass  seine  Frau  gestorben,  Hertsbmder 
stirbt,  Simplicissimus  verlioirathet  sich  wieder,  jedoch 
unglücklich,  findet  seine  i'iiegeeltern  aus  dem  Spessart 
und  eri&hrt  von  ihnen,  dass  er  des  Einsiedlers  leiblicher 
Sohn  sei  und  Melobior  Stemfels  von  Fuehsheim  heisie. 
Nachdem  seine  zweite  Frau  gestorben,  fährt  er  in  den 
Mummelsce,  wo  er  mit  den  Elementargeistcru  verkehrtw 
Auf  die  Oberwelt  aurüokgekehrt,  verlSsst  er  Fflegeeltem 
und  Besitithum,  gelangt  nach  Russland,  wo  er  Pulver 
fabricirt  und  nach  einigen  glücklichen  Kämpfen  von  den 
Tataren  gefangen  wird.  So  kommt  er  nach  China,  Corea, 
Japan,  Ostindien,  Cönstantinopel  und  Ober  Italien  wieder 
nach  Hanse.  Die  Betrachtung  der  Eitelkeit  der  Welt 
ffthrt  ihn  sum  Einsiedlerleben.  Als  Waldbrudcr  nimmt 
er  anm  ersten  Male  mit  einem  langen  Abschnitte  ans 
Guevara  in  der  Uebersetzung  des  Albertinus  vom  Leaer 
Abschied. 

Ungeeignet  zu  solchem  Leben  und  nicht  ganz  würdig 
eines  so  heiligen  Standes  sehen  wir  ihn  am  Anüsnge  des 
VI.  Buches  im  Begriff,  die  Welt  wieder  auftusueken. 
Nacli  einer  kurzen  Einleitung  folgen  zwei  Visionen, 
welche  beide  Geiz  und  Verschwendung  zum  Thema 
haben,  die  erste  besteht  aus  einem  Streit  awisohen  beidea 


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—   31  — 


▼or  Lueifer,  die  »weite  ist  die  G^ohiohte  von  Jnlns  und 
Avarns.  welche  durch  dio  beiden  Laster  ins  Verderben 
gerathoQ.  Ein  ähnliches  Stock,  dio  Allegorie  vom  Bald- 
anders  nach  Hans  Sachs,  soblieszt  sieh  an. 

Der  snm  Pilger  gewordene  Einsiedler  kommt  an 
einem  aillij^en  Herrn,  in  dessen  Hause  er  herbcrgi  und 
den  Discurs  eines  Stückes  Papier,  dessen  unanständige 
Yerwendnng  den  Euphemismus  Behermesser  nOthig  macht» 
anhört  Wo  er  auf  seinen  Wanderungen  Gelegenheit 
tindet,  schneidet  er  tüchtig  auf,  in  einem  Schlosse  in  der 
Sohweia  bannt  er  ein  Gespenst.  Seine  Reise  geht  nach 
Loretto,  Rom  und  Alexandrion,  in  Aegypten  wird  er  von 
Räubern  gefangen  genommen,  eine  Zeit  lang  als  wilder 
Mann  umhergeführt,  leidet  Schiffbruch  und  wohnt  zu- 
nächst mit  einem  jungen  Zimmermanne,  nnoh  dessen  Tode 
allein  auf  einer  Insel  als  eino  Art  Robinson.  Nachdem 
er  im  23.  Cap.  dvn  l'hitsclilusz  miti^ctheilt,  bis  an  seinen 
Tod  dio  Insel  nieht  zu  verlassen,  nimmt  im  24.  der 
Schiflfocapitain  Jean  Gornelissen  Ton  Harlem  das  Wort, 
um  den  Besuch,  den  er  mit  seinen  Leuten  dem  Einsiedler 
machte,  zu  beschreiben.  Auf  diesen  vier  Capitel  um- 
fassenden Bericht  folgt  der  schon  erwähnte  Boschlusz. 

Die  erste  Oontinuation  berichtet,  wie  sieh  Simplioia- 
mmus  nach  seiner  Rttckkehr  naeh  Europa  als  Zeitungs- 
und Kalendermachcr  durcbgeholfon,  die  zweite,  wie  er 
von  seiner  einsamen  Insel  weggekommen,  dio  dritte  er* 
säblt  noch  einige  Geschichten  ans  der  Zeit  nach  seiner 
Zurückkunfr.  Die  Zugab  ist  ein  kurzer  launiger  Artikel 
allegorisch- med icini sehen  Inhalts. 

Mit  dem  Simplioissimus  als  Hauptwerk  stehen  nun 
drei  kleinere  Romane  Grimmelshausens  in  genauer  innerer 
und  üuszerer  Verbindung.    Die  Art,  wie  der  Verfasser 


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—   32  — 


diese  Yerbinduug  herstellt  und  durchführt,  setzt  seine 
Erfindung  und  Geschiokliehkeit  in  das  beste  Lieht 

Zunttohst  schlicszt  sich  die  Courasche'),  auf  deren 
Titel  sich  der  Verfasser  Philarchus  Gros^us  von  Trommeu- 
heim  auf  Griffsberg  nennt,  an.  Der  Verfasser  läsit  eine 
Dame,  su  weloher  Simplioissimns  im  Sauerbrunnen  in 
ein  intimes  Ycrhilltiiisz  getreten  war,  uud  die  ihm  ein 
von  ihrer  Magd  geborenes  Kind  als  das  yon  ihm  mit  ihr 
crseugte  surQokgelassen  hatte,  aus  Yerdrusa  über  die 
wenig  ehrenvolle  Art,  wie  SiniplicissiDius  ihrer  gedacht, 
zu  dem  Entsohiusse  kommen,  ihm  zum  Trotz  —  daher 
der  Titel  nTruts- Simplex**  —  ihre  Lebensbesohreibung 
TAI  veröffentlichen.  Den  Zweck,  Simplicissimus  durch  die 
ErOüiiuDg,  mit  was  für  einer  verworfeneu  Person  er  zu 
thun  gehabt y  au  besohämen,  erreieht  sie  allerdings  voll- 
kommen. Denn  es  wird  uns  in  der  Ersftblung  ein  beinahe 
ekelerregendes  Bild  der  Schicksale  und  des  Charaktcn» 
eines  abseheuliehen  Weibes  entrollt,  welehes,  als  unreifes 
Mftdehen  in  den  Strudel  des  dreissigj&hrigen  Krieges 
liiiieingcrissen,  darin  forttreibt,  Ins  sie  als  Zigcunerkönigiu 
endet.  Dadurch  dasz  sie,  wie  sich  im  Verlaufe  ihrer 
Abenteuer  herausstellt,  die  uneheliche  Tochter  des  Grafen 
Matthias  von  Thurn  ist,  wird  ihr  Leben  ein  Gegenbild 
zu  dem  dos  Simplicissimus  und  gewinnt  zugleich  einen 
tieferen  historischen  Hintergrund. 

Naoh  einer  Einleitung,  welche,  era  ICeisterstflok  in* 
lernalischer  lihetorik,  die  zugleich  entsetzlich  gemeine 
und  wiederum  in  ihrer  Art  heroische  Gesinnung  der 
Heldin  erkennen  lasst,  erzfthlt  sie  xunftehst,  wie  sie  bei 

*)  Die  wenig  von  einander  abweichenden  Ewei  Emselaa^gabea  (o. 
J.ütopia,  Felix  Stratiot)  dürften  ale  Zwillrngsausgaben  in  betrachten 
seh).  Vgl.  Km  HL  Ehd. 


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—  88  — 


der  Einnahme  von  Bragoditz  durch  Bouqiioi  als  Knabe 
verkleidet  Diener  eines  Rittmeisters  ward.  Als  sie  ihr 
G^eschleoht  nioht  Iftnger  yerbergen  konnte,  wurde  sie  die 
Maitresse  ihres  Herrn,  der  bei  Nensoll  (Nenbänsel)  in 
Ungarn  tödtlich  verwundet  wurde  (1622)  und  sich  auf  dem 
Sterbebette  mit  ibr  tränen  liess.  Nacb  seinem  Tode  lebte 
sie  eine  Zeit  Itmg  in  Wien,  erst  anetftndig,  dann  aber  ergab 
sie  sich,  von  ihren  zwei  Haupteigenschaften,  Wollust  und 
Geis,  angeregt  und  verführt  durch  Lektüre  des  Amadis, 
einem  Grafen,  darauf  dem  Ambassador  eines  grossen  Poten- 
taten und  so  weiter,  bis  sie  in  sehr  kurzer  Zeit  ein  Ver- 
mögen erworben  hatte,  der  Ooniiict  mit  der  Polizei  sie 
aber  nöthigte,  den  Sohauplats  ihrer  Thaten  nach  Prag  sn 
verlegen. 

Auf  dem  Wege  nach  ihrer  Gcburtsstadt  ward  sie  von 
einem  Oragonerhanptmann  aus  den  EJtnden  von  Mannsfeld- 
sehen  Reitern  errettet,  heirathete  jenen  und  nahm  von  nun 
an  aus  Bcutolust  an  allen  Kämpfen  theil,  bis  ihr  Mann  bei 
Wiszloch  üel  (1622).  Unter  den  Freiern,  die  sie  sogleioh 
umgaben,  wfthlte  sie  einen  Lieutenant,  der  sie  an  der 
Schwelle  der  Bhe  durch  Prügel  zur  ünterwürfigkeit  zwin- 
gen wollte  und,  als  ihm  dies  miszlungen  war,  aus  Scham 
desertirte.  Ohne  sich  hierüber  sehr  au  kümmern,  nahm  sie 
weiter  an  den  Gefechten  theil,  in  denen  sie  treffliche  Beute 
machte  und  einen  feindlichen  Mtyor  gefangen  nahm.  In 
dem  Treffen  bei  Floreack  (Fleurus,  20.  August  1622)  ward 
ihr  ausgerissener  Lieutenant  gelingen  und  gehenkt,  da  sie 
sich  aber  die  Yerachtung  und  Feindschaft  vieler  zugezogen, 
quittirte  sie  den  Krieg  und  ging,  mit  einem  guten  Zeug- 
niss  von  dem  Obersten,  der  sie  gern  los  sein  wollte,  ver- 
sehen ,  in  eine  Stadt  und  von  dort  zu  ihrer  ehemaligen 
Pflegerin  nach  Bragoditz.  Hier  erfuhr  sie,  ähnlich  wie  ihr 


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—  34  — 


Feind  und  Gegenbild  Simplicissimua,  endlich  ihre  Her- 
kunft and  EOg  mit  der  alten  Fnn.  nach  Prag.  Es  glQokte 
ihr^  wieder  einen  Hauptmann  lu  heirathen,  und  mit  diesem 
ging  sie  nach  HoUtciu  in  dcu  danischen  Krieg. 

Bei  Lutter  (1626)  kämpfte  sie  tapfer  mit»  verlor  aber 
ihren  Mann  niobt  lange  darauf  in  dem  Schlosse  Hoja. 
Sie  selbst  hatte  bei  der  Einnahme  dieser  Festung  das 
Unglück,  von  dem  nämlichen  Major,  den  sie  einst  gefangen 
genommen  hatte,  erkannt  zu  werden.  £r  nahm  durch  die 
scheusslicbsten  Misahandlungen  Bache  an  ihr,  wobei  ihn 
seine  Kameraden  imterstfltiton.  Zum  Glück  entriss  sie 
ein  dänischer  Rittmeister,  der  um  ihre  Abstammung 
wuszte,  diesen  Unmenschen,  und  da  er  sich  in  sie  yer- 
liebt,  Hess  er  sie  auf  ein  Schloss  in  Dftnemark  bringen. 
Hier  hatte  sie  gute  Tage,  aber  nur  so  lange,  bis  sie  durch 
die  Yerwaudten  ihres  Liebhabers  entfernt  wurde.  Sie 
gelangte  nach  Hamburg  und  lernte  einen  jungen  Beiter 
Ton  den  Wallensteinem  kennen,  der  aber,  ehe  sie  daiu 
kam,  ihn  zu  heirathen,  hingerichtet  wurde,  weil  er  ihret- 
wegen seineu  Korporal  erschlagen.  Jetzt  machte  sie  die 
Bekanntschaft  des  Musketiers,  dem  sie  sptttor  den  Namen 
Springinsfeld  gab.  Mit  dessen  Begiment  ging  de  nach 
Italien  (1629  30)  und  betrieb  das  Geschäft  einer  Marke- 
tenderin, noch  einträglicher  aber  war  ihre  Hehlerei  und 
ihre  kühnen  und  schlauen  Betrügereien  und  Diebstähle. 
Ihre  und  ihres  Zuhftlters  Streiche  werden  rerhflltniss- 
mftszig  sehr  ausfiibrlicli  berichtet. 

Bald  nach  der  Zurückkunft  des  Heeres  nach  Deutsch- 
land trennte  sich  das  saubere  Paar,  welches  sich  durch  das 
Iftstige  Band  der  Ehe  bu  yereinigen  nicht  flkr  erspriesslich 
gehalten  hatte.  Courascho  heirathete  in  Prag  noch  ein- 
mal einen  Hauptmann,  der  aber  in  der  Schlacht  bei  NOrd- 


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lingen  (1634)  blieb.  Hierauf  siedelte  sie  sioh  in  Sohwabea 
an,  trieb  Landwirthechaft,  mit  den  Offioieren  aber  Buhl- 

Bchaft,  und  iu  diesor  Zeit  war  es  auch,  dasz  sie  mit 
Simplicissimus  im  Sauerbrunnea  zasammeDkaui,  woJbiu 
sie  aieh  wegen  einer  Naohknr  gegen  die  «FraDtsosen*' 
hatte  begeben  milsBen.  Wegen  ihres  unsittlichen  Wandels 
ward  sie  gestraft  und  verwiesen,  sie  gerieth  zu  einem 
Musketier  von  den  Weimarsohen  und  handelte  mit  Tabak 
und  Branntwein.  Ihr  Mann  blieb  bei  Herbsthausen  (1615) 
und  sie  trat  in  eine  Bande  Zigeuner  ein,  heirathete  — 
endlich  als  letzten  Gatten  —  den  Anführer  derselben,  und 
ans  dem  An£uige  des  Springinsfeld  ersehen  wir,  dass  sie 
es  bei  diesem  Gesindel  bis  su  dem  Bange  einer  Königin 
gebracht,  ■ 

Springinsfeld,  der  sehen  als  Gefährte  des  Simplicissi 
mna  im  dritten  Buche  des  Hauptwerkes  und  in  der 

Courasohe  seiue  Rolle  spielt,  ist  nun  der  Held  der  nach 
ihm  benannten  besonderen  Erzählung,  die  sich  an  die 
Oonrasohe  unmittelbar  ansehliesat ')  Als  Ersfthler  tritt 
hier  ein  junger  Schreiber  auf,  dmelbe,  welcher  naoh 
der  Fiction  Grimmelshausens  auch  den  Lebenslauf  der 
Conrasche  niedergeschrieben  hatte.  Dass  er  dies  gethan, 
berichtet  er  erst  im  An&nge  des  Springinsfeld,  während 
in  der  Courasohe  die  Heldin  in  eigener  Person  redet, 
und  swar  wird  die  bpringinsfeldgeschichte  so  eingeleitet, 

>)  Dafür  spiielit  sohoB  der  Titel:  Ans  Anort&img  des  weit  «ad 

breit  bekannten  Sim^pHastimi  Verfasset  und  zu  Papier  gebracht  Von 
Philarcho  Grosso  von  Trommenbcim.  Gedr.  in  Pophhgonia  bei  Felix 
Stratiot  1670.  sowie  die  Reihenfolge,  welche  Grimmeishansen  seihst  in 
der  Vorrede  zum  IL  T.  des  Vogelnests  und  D  des  Simpl.  augieht.  Es 
existiren  zwei  Einzelsansgaben  vom  Jahre  1670.  In  den  Gesammtaus- 
gaben  geht  der  Springinsfeld  irrthUmlich  der  Gourasche  voran.  Vergl. 
hierzu  Kurz  a.  a.  0. 

8* 


—  36  — 

dass  der  Schreiber  erz&hlt,  er  sei  suflEÜlig  mit  dem  nun- 
mehr schon  greisen,  heruntergekommenen  und  sohreoklieh 
fluchenden  Springinsfeld,  sowie  mit  Simplicissimus,  der 
ein  gesetzter,  vernünftiger  und  reputir lieber  Mann  ge- 
worden, zusammengekommen.  Er  erzählt  den  beiden  von 
seiner  Bekanntschaft  mit  Oourasche  und  den  Zigeunern, 
darauf  berichtet  Springinsfeld  seine  Abenteuer,  die  er 
auftichreibt. 

Die  eigentliche  Erz&hlung  der  Geschichte  des  Helden 
beginnt  erst  im  sehnten  Capitel. 

Spriiigiiisfeld  war  der  Sohn  einer  voruchnicn  Gricchia 
und  eines  albancHisehcn  Gauklers  und  Seiltänzers.  Dieser 
starb  irOhaeitig,  und  der  Knabe  wurde  yon  einem  slayoni- 
sehen  Fachgenossen  seines  Vaters,  welcher  seine  Mutter 
geheirathet  hatte,  in  dessen  Kunst  unterwiesen.  Von 
JElagusa  aus  durch  Schiffe  entführt,  kam  er  nach  Sicüicn 
und  Ton  da  mit  spanischen  Truppen  in  die  Niederlande. 

Ln  Jahre  1622  ward  er  mit  siebsehn  Jahren  in  der 
Tillyschen  Armee  Tambour  und  nach  nicht  langer  Zeit 
Musketier,  als  welcher  er  die  Schlachten  bei  Stadtloo  und 
Lutter  mitmachte  und  yerschiedene  Streiehe  yerttbte. 
Hierauf  trat  er  in  Verbindung  mit  Oourasche,  und  nach- 
dem er  diese  und  sie  ihn  losgeworden,  gerioth  er  in 
schwedische  Dienste,  ward  yon  den  Kaiserlichen  gefimgen 
und  Bum  Pikenier  gemacht,  dann  Froireiter  bei  Pappen- 
heim (1632) ,  machte  die  Schlacht  bei  Lützen  mit  und 
wurde  Dragoner  bei  Altringer.  Jilr  erkrankte  (1633)  an 
der  Pest,  nach  seiner  Genesung  nahm  er  an  der  Sohlacht 
bei  NOrdlingen  (1634)  theil,  sowie  im  folgenden  Jahre  an 
den  Feldzügen  am  Rhein.  1037  war  er  in  Weatfalen,  wo 
er  mit  Simplieissimus  Bekanntschaft  machte  und  gemein- 
schaftlich mit  ihm  yiele  Streiche  ausfbhrte.  Diesem 


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—  87  - 


ZasammeDseiii  machte  des  SimpHcisBimuB  Gefongennahme 

ein  Ende,  und  Springinsfeld  trieb  nun  sein  wechselndes 
Soldatenloben  bis  zum  westiälisoheu  Frieden.  Nach  seiner 
Aklankung  rerheiratheto  er  sich  und  war  eine  Zeit  lang 
Gkwtwirth,  naobdem  er  aber  seine  Frau  verloren  batte 
und  durch  eigene  Schuld  heruntergekommen  war,  machte 
er  in  Ungarn  einen  Krieg  gegen  die  Torken  mit  Aus 
diesem  ging  er  als  Bettler  hervor  und  verbeirathete  sich 
mit  einer  Leirerin. 

Die  letzten  Capitel  dos  Springinsfeld  leiten  auf  den 
ersten  Theil  des  Yogelnests  über.  Als  die  Leirerin  n&mliob 
ein  unsichtbar  machendes  Yogelnest  gefunden  hatte,  ver- 
liesz  sie  ihn,  um  auf  eigene  Faust  zu  abenteuern,  und  er 
ging  in  Yeneti an i sehen  Diensten  nach  Gandia,  wo  er  ein 
Bein  verlor.  Als  er  von  dort  nach  Deutschland  aurOok- 
gekommen  war,  erfuhr  er,  dass  seine  Frau  mit  ihrem 
Zaubernest  nach  verschiedenen  anderen  Abenteuern  einem 
jungen  B&ckergesellen  gegenober  die  Bolle  einer  Art 
Melusine  gespielt  habe,  bis  sie  endlich  sammt  ihrem  Ge- 
liebten ums  Leben  gekommen. 

Zu  Anfang  des  ersten  Theils  des  Yogelnests  „durch 
Michael  Bechulin  von  Behmsdorff  nimmt  nun  ein  junger 
Helebardierer  das  Wort,  welcher  bei  dem  Tode  der  ge- 
heim niszvollen  Leirerin  zufällig  in  den  Besitz  ihres  Nestes 
gelangt  war.  Die  einzelnen  Stacke  dieser  Brs&hlung 
hAngen  nur  lose  ausammen.  Der  Held,  dnroh  die  bald 
von  ihm  bemerkte  ünsichtharkeit  verführt,  abenteuert 


Auszer  in  den  Gesammtatisgaben  ist  der  erste  Tbeil  in  drei 
Ausgaben  vorhanden,  1)  v.  0.  Gedruckt  in  zn  Endlauffenden  1672  jähr. 
2)  ebenso.  3)  Amsterdam.  Gedruckt  bey  Johann  Fillion  im  Jabr  1673. 
3.  nnd  3.  sind  ans  1  abgedruckt  und,  da  die  Titelknpfer  Terscbieden 
sind,  nicht  £rei  von  dem  Yerdachte,  Nachdrucke  zu  sein. 


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—  88  ~ 


eine  Zeit  lan^  in  yerscbiedenen  Gegenden,  ninss  aber 
endlich  einsehen,  dasz  der  Besitz  des  zauberischen  Gegen- 
standes dem  Besitser  nur  siun  Verderben  gereichen  kann. 
In  diesen  Rahmen,  der  mit  dem  des  sweiten  Theils  dnrch* 
aus  übereinstimmt,  licsz  sich  sehr  leicht  eine  Anzahl 
kleinerer  Erzählungen  und  Bilder  aus  dem  bürgerlichen 
Leben  der  Zeit  einsehliesaen.  Der  Erzählende  wird  Zeuge 
der  Werbnng  eines  armen  Bdelmanns  um  ein  armes 
Fraulein  I  wobei  sich  beide  Theile  über  ihre  miszlichen 
yermOgensnmstande  su  t&nschen  snehen,  schmarotst  an- 
siohtbar  bei  Borgern»  Banem,  Bettlern,  Oeistliohen  ond 
vornehmen  Leuten,  befreit  zwei  Studenten  aus  Räuber- 
hand, nimmt  Gelegenheit^  einen  yer wahrlosten  Hirten  zur 
Bosse  sa  erwecken,  und  anderes  mehr,  bis  er  das  Nest 
von  sich  wirft.  Mit  dem  Simplicissimns  hftngt  diese  Reihe 
von  Geschichten  dadurch  innerlich  zusammen,  dasz  der 
Held  Gelegenheit  hat,  den  jungen  Bimplioissimus  aus 
Lebensgefiihr  sn  erretten  nnd  die  ünterhaltiing,  die  sein 
Yater  mit  einem  Gastwirth  Ober  seinen  Oonfliot  mit  Zesen 
fuhrt,  anzuhören. 

Ein  wohlhabender  Kaufmann,  so  fährt  der  sweite 

Theil  '),  der  als  eine  besondere  Erzählung  zn  betrachten 
ist,  fort,  findet  das  Nest  und  weiss  den  ausgedehntesten 
nnd  überlegtesten  Gebrauch  Ton  seiner  Zauberkraft  so 
machen.    Diese  gereicht  aber  nur  zn  seinem  Unglück. 

Zunächst  entdeckt  er  die  Untreue  seiner  Frau  und  nimmt 
auf  eine  zugleich  rafdnirte  und  brutale  Weise  an  ihr 


')  Hier  wählt  der  Verfasser  statt  eines  Fseudonymon  nur  die  BucU* 
gtabengmppe  Aeeeeffji^ihUOimminoorr/fftuu,  Die  eiiuEige  bekuntd  Bioael- 
MMgabe  iH  ohne  Ort  und  Jahr,  doch  fldieint  wenigrtenB  noch  eine  andern 
▼oihandflD  gewesen  sa  sein,  da  die  Gesammtanflgalben  nicht  wohl  aaden 
sa  crkUrende  Abwdohongen  darbieten.  TgL  Knrs  Bd.  IV  Bin!. 


-  89  — 


Rache.  Später  begiebt  er  sieh  nach  Amstendam,  lernt  die 
Dberans  schöne  Jüdin  Esther  kennen  und  bringt  ihr  und 
den  IhrigüQ  den  Glauben  bei,  dasz  er  der  unsichtbar  gegen- 
wärtige Prophet  Elias  sei,  welcher  mit  ihr  den  Messias  der 
Juden  sengen  werde.  Hierdurch  erreicht  er  allerdings 
seinen  eigentlichen  Zweck,  das  schlicszlich  geborene  Kind 
ist  aber  ein  Madchen.  Nach  diosem  Ende  dcB  Abenteuers 
yerlftszt  er  Amsterdam  nnd  yersucht  als  Soldat  in  nieder- 
lindischen  Diensten  nicht  nur  seine  Unsichtharkeit,  son- 
dern auch  andere  Zauberkünste,  die  er  inzwischen  gelernt 
hatte,  zu  verwerthen.  Eine  Zeit  lang  gelingt  ihm  dies 
auch  nach  Wunsche,  endlich  aber  wird  er  yervnmdet  und 
gefangen  nnd  gelangt  spftt  nnd  durch  grossen  Schaden  aiiv 
Selbsterkcnutuisz  und  Busze. 

Damit  erreicht  die  SimpUcianische  Bomankette  ihren 
Ahschlnss,  nnd  es  bleiben  nns  noch  die  kleineren  Schriften 
ttbrig,  welche  sum  groszen  Theil  auch  als  Bimplicianische 
bezeichnet  worden  müssen,  da  sie  ausdrücklich  den  Namen 
des  Simplioissimus  tragen  nnd  sich  auf  die  Ereignisse  und 
Personen  der  eben  besprochenen  grösseren  Srsählnngen 
bezieben. 

Die  älteste  dieser  kleinen  Schriften  ist  vielleicht  die 
Gankeltasche  ein  harmloses  nnd  unbedeutendes  Vexier* 
bilderbneh,  Über  dessen  Einrichtung  man  sich  leicht  bei 

Kurz  Bd.  IV.  und  aus  dem  Springintfeld  unterrichten  kann. 

Sicher  noch  in  das  Jahr  1670  gehören  Dietwald  und 
Amelinde,  der  Ewigwfthrende  Kalender  und  der  swei- 
kopfige  Motto  Status,  welche  Schrift  sugleieh  als  Simpli- 
cianisch  bezeichnet  ist  und  doch  auch  den  rechten  Namen 
des  Verfassers  trAgt 

')  Eine  Einzelausgabe  war  wahrscheinlich  vorhanden,  ist  aber 
nicht  aufzufinden.    Vgl.  Jtarz  Bd.  IV  S.  XXI  f.  u.  Bd.  I  S.  XXXIV. 


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—   40  - 


Dietwald  und  Amelinde ')  i&t,  so  viel  wir  wissen,  der 
sweite  Yersnoh  Grimmelshansens»  einen  Roman  Ton  der 
heroisch -galanten  Art  au  aohreiben,  und  der  ümstand, 
dasz  er  dieses  Werk  mit  seinem  wahren  Namen  beraus- 
gegeben,  iiönote  als  Andeutung  auigefasst  werden,  er  habe 
OB  deutlicher  als  den  Joaef  Yon  seinen  dem  Simplioiasimns 
angeschriebenen  Bohriften  trennen  wollen,  wenn  man  Ober- 
haupt die  Ueberzeugung  gewinnen  könnte,  er  habe  es  mit 
seinem  literarischen  Incognito  recht  ernst  genommen. 
Jeden&Us  bleibt  er  in  Dietwald  und  Amelinde  wenigstens 
etwas  besser  in  der  Tonart  als  im  Josef. 

Um  das  Jahr  Christi  450  herrschte  in  Italien  Dietrich 
Ton  Bern,  in  Frankreich  Ludwig  der  Groaie,  Guodwald 
in  Burgund,  Adelreioh  der  Westgote  in  Aquitanien.  Lud- 
wig liesz,  du  gerade  Friede  war,  seine  Nachbarn  zu  ciaem 
groszen  Feste  einladen.  £s  erschienen  Dietrich  von  Bern 
mit  seiner  Schwester  Amalfridis  sammt  den  Frinseesinnen 
Amelsindtis,  Teutetusa  und  Teutelindis,  seinen  TOehtem, 
und  Amolberga ,  der  Tochter  seiner  Schwester.  Aus 
Thüringen  kamen  die  drei  Prinzen  Herman,  Friedberthar 
und  Baltereich,  von  Worms  Kdnig  Gibig  und  seine 
Tochter  Grimhild,  ans  Aquitanien  Adelreioh,  ans  Burgund, 
da  der  regierende  Konig  seines  hohen  Alters  wegen  nicht 
reisen  konnte,  Gottmeyer,  Holfireich  und  Sigismund  der 
Heilige. 

Dietrich  hatte  seinen  jungen  Oehm  Wittioh,  Gott- 
mejer  von  Burgund  seinen  einzigen  Sohu  Dietwald  mit 
sieh  gebracht»  um  sie  Yon  Ludwig  au  Bittem  sohlagen  lu 
lassen.    Sie  kämpften  tapfer  und  ohne  Entscheidung 

miteinander,  und  Ludwig  beschlosz,  sie  aus  den  Händen 

*)  Von  H.  J.  Ghiiitoffel  tob  GihnmelabaiueB,  OMtuano,  Nflren- 
beig.  Felflsecker  1670.  19«. 


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—   41  — 


seiner  natürlichen  Toohter  Amelinde  den  Preis  empfangen 
zu  lassen.  Bei  dieser  Gelegenheit  verliebten  sieh  Dietwald 

und  Amelinde  inoiDander. 

Indess  war  die  Einigkeit  und  das  Vertrauen  unter 
den  deutschen  Forsten  nicht  ohne  jede  Störung.  Die 
beiden  gotischen  Könige  waren  Arianer,  die  Franken 
und  Gibich  katholisch,  die  Thüringer  hatten  sich  noch 
nicht  eigentlich  fQr  das  Ohristenthum  erklärt  Adelreich 
war,  weil  er  einen  Theil  Galliens  besass,  Dietrich  wegen 
seiner  Macht  dem  fränkischen  Könige  nicht  angenehm, 
wogegen  die  wachsende  Gewalt  des  letzteren  dem  Dietrich 
und  Adelreich  Besorgniss  einflösste.  Adelreich  yerlobte 
sich  mit  Teutetusa,  Hermanfried  mit  Amelberga,  und 
dies  beunruhigte  die  Franken  und  Burgunder,  obgleich 
Ludwig  bogehrte,  die  Beilager  sollten  gleich  an  seinem 
Hofe  voUsogen  werden.  Weniger  hoffnungsreich  erschien 
Dietwalds  und  Amelindens  Liebe,  da  letetere  in  einem 
Kloster  zur  Acbtissin  erzogen  wurde.  Sie  ward  auch 
vor  Liebeskummer  krank,  Dietwald  aber  begab  sich  in 
einen  einsamen  Wald,  »damit  er  Ton  jedermann  entfernet 
der  Liebe  seinen  gewöhnlichen  Thränen-Zoll  desto  frey 
und  ungehinderter  entrichten  und  aufibpfiern  möchte  .  «  •  . 
als  ein  ergrimmtes  ungeheuer- grosses  Haupt -Schwein 
hingegen  ankäme,  welches  der  Jagt  entronnen  und  Ge- 
legenheit suchte,  sich  umb  die  überstandene  Hätz  zu 
rächen.  Unser  junge  Held  reitzte  solches  durch  An- 
schreyen  aum  8tand,  umb  seiner  subegehren  und  den  ge- 
fhsten  Zorn  an  ihm  ausaulassen,  wie  dann  dergleichen 
gehetzte  Wildstück  zu  thun  pflogen,  er  begegnet  ihm  aber 
mit  seinem  Jagerschwerdt  oder  HirschfUngor  in  solcher 
Geschwindigkeit  und  so  beschaffenen  fertigen  und  Torthel- 
hafiten  Sprung,  dass  er  dem  Schwein  auf  den  Rocken  sn 


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—  42  — 


sitEen  kam,  ehe  sichs  dasselbe  hfttte  Yeraeben  mögen, 

in  dem  es  sich  nun  mit  seinem  Reiter  herumb  tummlet, 
ihn  wenigst  an  den  Schenokeln  zuverletzen»  so  dooh  wegen 
seines  Leibs  Form  und  Ungeschicklichkeit  nnmOglieh 
war,  gab  er  ihm  den  Fang  zwischen  dem  Schild  hinein 
in  dio  Hertz -Kammer,  davon  es  bald  hernach  todt  unter 
ihm  niederfiele,  nach  solcher  Yerrichtung  setzte  er  sidi 
anff  die  Wnrtzel  eines  Banms  in  Schatten  nieder,  sanbert 
sein  Jäger- Scbwcrd  von  des  Schweines  Schweisz,  steckte 
es  ein,  und  nahm  wegen  dieser  Begebenheit  Ursach, 
folgender  massen  mit  susammen  ge&ltenen  Händen  und 
gen  Himmel  erhobenen  Angen  zu  reden. 

„Ach!  sagte  er,  ach  mein  allerliebster  Herr  und  Gott? 
warumb  Iflst  da  mich  doch  eine  solche  grosse  Bestia  mit 
so  kleiner  If tihe  fällen,  und  giebst  mir  nicht  yiehnehr  die 
Gnad,  meine  Mängel  auszumustern,  und  die  innerliche 
ungcstümmo  Flammen  meines  Hertzens  zu  dämpffen, 
welche  sich  unterstehen,  meine  menschliche  Schwachheit 
sn  überwinden,  und  mich  m  dringen,  dass  ich  aus  elender 
Blödigkeit  und  Mangel  genügsamen  Widerstands  etwas 
grössers  wider  deinen  heiligen  Willen  thuu  soll,  als  ich 
leider  bereits  begehe?  O  grosser  GOTTI  deine  Urtheü 
und  YerfOgungen  eeyn  alle  gerecht  und  billigl  dn  weist 
Herr,  mit  was  Tor  einen  Zwang  ich  gcnöthigt  werde, 
diejenige  an  lieben,  die  dir  im  Geistlichen  Stande  sa 
dienen  geheiliget  und  vermählet  werden  soll,  ich  gestehe 
es  und  begehre  himmlische  Gnad  u.  s.  w.** 

An  demselben  Orte,  wo  Dietwald  dies  und  noch  mehr 
yemehmen  liess,  wohnte  der  greise  Warmund  als  Ein- 
siedler, und  Eon  ig  Ludwig  kam  auch  grade  damals  sn 
ihm,  um  mit  ihm  über  die  in  Aussicht  stehenden  Heirathen 
zwischen  den  Goten  und  Thüringern  zu  berathen.  Warmund 


—  48  — 


rieth  dem  Könige,  Frieden  zu  halten,  aber  auf  seiner  Hut 
zu.  sein  und  das  Land  der  Allobroger»  Yon  dem  er  und 
Bietrieh  Theile  besaasen,  anf  gnte  Art  an  sich  zn  bringen. 
Auch  Yon  Dietwaldfl  Liebe  erfuhr  Ludwig,  nahm  ihn  mit 
zu  Amclindc  und  liesz  ihn  nebst  Dietrich  von  Motz,  seinem 
BatQrliohen  Sohne  und  Amelindens  leibliohem  Bruder,  bei 
ihr,  sie,  sobald  sie  gana  gesund  sein  wQrde,  an  den  Hof 
zu  begleiten. 

„Wie  es  aber  mit  der  grossen  Sau  gangen/  —  kann 
sieh  Grimmelshausen  hier  nieht  enthalten,  naohauholen  — 
^die  Dietwald  ge^t,  darvon  hab  ieh  nichts  in  den 
Büchern  funden;  wann  aber  der  Leser  ja  gern  weitere 
Naehricht  davon  wissen  wolte,  so  mache  ers  nur  wie  ich, 
und  gedeneke»  sie  sey  neben  anderm  Wildbrftt  nach  Hof 
geftkhrt,  und  Terspeiset  worden:  allda  sich  ohn  Zweiffei 
auch  etliche  Uber  ihre  Grosse,  und  über  Dietwalds  Tapfer- 
keit werden  yerwundert  haben.* 

An  dem  grossen  Hochseitsfeste  nun  wurden  ausser 
den  schon  genannten  Brautpaaren  auch  Siegmnnd  von 
Burgund,  der  sich  heimlich  mit  Teutelinde  verlobt  hatte, 
und  Dietwald  mit  Amelinde  getraut.  Er  erhielt  die  Pro- 
yinz  der  AUobroger  (Sayoyen)  als  Graf  au  Lehen  von 
Frankreich,  Burgund  und  den  Ostgoten. 

Soweit  der  erste  Theil.  Der  sweite  erzählt  uns,  dass 
Dietwald  und  Amelinde  ron  ihren  UnterÜianen,  die  rer- 
schiedenen  Volksstämmen  und  Religionen  angehörten,  mit 
Freuden  und  Ehren  empfangen  wurden.  Sie  überhoben 
sieh  aber  ihres  Glückes  und  empfingen  von  einem  Engel 
in  Betlüersgestalt  die  Weisung,  sehn  Jahre  lang  ins  Elend 
zu  gehen  und  ihren  Uebermuth  abzubüszen,  was  sie  denn 
auch  alsbald  ins  Werk  setzten. 

Lsswisohen  hatte  KOnig  Gundwald  in  Bnrgand,  naoh- 


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—  — 


dem  sein  Vater  gestorben,  gegen  seine  Brader  einen 
Krieg  begonnen,  in  welchem  diese  umkamen.  Aber  aneh 
er  mnsste  schliesBlieh  sa  Dietrich  von  Bern  fliehen,  Lnd* 
wig  unterwarf  Burgund  den  Franken,  Adelreich  griff  dann 
mit  £rfolg  an,  und  nur  das  Daswisohentreten  Dietriche 
Yon  Bern  konnte  noch  weiteren  Broberongen  der  Franken 
Einhalt  thnn. 

Den  beideu  freiwillig  Verbannten  nimmt  ein  Raub- 
vogel noch  den  Schate,  welchen  Amelinde  in  einem  Beutel 
mitgenommen  hatte,  dann  erscheint  ein  bOser  Geist  und 
will  sie  zum  Aufgeben  ihres  frommen  Vorsatzes  verleiten. 
Auch  werden  sie  von  fünf  Räubern  angefallen.  Hier  ge- 
rftth  Qrimmelshausen  wieder  in  den  echten  Simplicianischen 
Ton:  n  die  allererste  Menschen,  oder  yielmehr  Un- 
menschen, die  ihnen  auffstiessen ,  waren  fünf  «grausame 
Mörder,  die  eich  in  derselben  Gegend  am  Gebürg  hin 
auffhidten  und  alles  umbrachten,  was  in  ihre  Gewissen- 
lose Hftnde  geriehte.  8ie  hatten  aller  menschlichen 
Leutseligkeit  und  Beywohnuug  abgesagt,  und  sich  vor- 
lAngst  2U  anderer  Verderben  zusammen  rerschworen,  sich 
auch  untereinander  selbst  erschrockliche  Nahmen  gegeben, 
darbey  ein  jeder  steh  der  gfransamen  Schuldigkeit  ihrer 
abscheulichen  Verbündnis  erinnern  solte.  In  Summe  es 
waren  solche  Kerl,  darunter  den  AllerfrOmmsten  das  Bad 
und  Feur  yiel  su  lind  und  gering  gewest  w&re,  seine 
verübte  Thaten  nur  umb  den  hundertsten  Theil  ge- 
bührend abzustraifen.  Diese  sahen  unsem  Printsen  mit 
seiner  Liebsten  Ton  Ibrne  gegen  ihnen  kommen,  derwegen 
sagte  Schadefroh,  ihr  Hauptmann,  su  seinen  Gespanen: 
Sehet  dort  jenen  Juncker  zu  mir  kommen,  der  mir  cino 
schöne  glatte  Mets  subringt,  mich  einmal  wieder  ein 
wenig  absuramlen;  dem  antwortet  Woigemaan,  sein 


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—  46  — 

nftohster  Camerad:  Und  mir  bringt  er  einen  BcLOnen 
Bock  ssu  Lohn»  dass  ich  ihm  einen  Pasc  in  die  ander 

Welt  mit  iDeiDcm  blancken  Schwerdt  darvor  schreiben 
BoU.  Nimbsleben  sagte:  So  nehm  ich  Hembt  und  Hosen, 
das  wird  mir  nicht  Abel  anstehen,  wenn  ich  mit  seiner 
Matress  werde  Beylager  halten,  und  ich,  sagte  Zommuth, 
nimm  sein  schöne  Hauptziorde,  die  wird  mir,  als  einen 
brayen  Holden ,  anch  eine  sonderbare  Zierd  geben.  Ey, 
sagte  Todtewald,  so  bleibt  mir  sein  Bchwerdt,  darror  will 
ich  ihm  das  Meinig  ins  Hertze  stosscn.  Da  nun  Dictwald 
mit  seiner  Liebsten  in  ihren  Halt  kam,  umbsprangon  sie 
ihn  mit  ihren  blossen  Schwertern.  Sie  sahen  viel  grimmiger 
ans,  als  die  wilden  Thiere,  und  schrien  mit  betrohentiiichen 
Mienen,  er  solte  sich  gefangen  geben;  und  als  der  zwar 
matte  Printz  den  Ernst,  und  sonderlich  den  Scbadcfroh 
seine  Prinaessin  so  nnhöfflioh  anpacken  sähe»  wischte  er 
mit  seinem  Schwerdt  nrplotslieh  von  Leder,  und  gab 
demselben  einen  sulchon  taplFeren  Streich,  dasz  er  ihm 
nicht  allein  die  brouneode  Eitz  seiner  viehischon  Be- 
gierden, sondern  auch  durch  Zerspaltnng  seines  Kopffii 
biss  auff  die  Zähne  himmter,  dasi  Lebens -Licht  aus- 
löschte U.  8.  W.* 

Natürlich  erschlagt  Dietwald  alle  fünf  Bäuber.  Un- 
mittelbar nach  dieser  Stelle  findet  der  Yerfosser  Ge- 
legenheit, sich  selbst  von  einer  edleren  Seite  seiner 
Eigenart  zu  zeigen,  und  zwar  der  moralischen  Albern- 
heit seines  eigenen  Stoffes  gegenttber.  Dietwald  nftm- 
lich  verstellt  durch  SaffranlOsung  die  schöne  Haut- 
farbe seiner  Gattin,  und  diese  schneidet  ihm  sein  langes 
goldfarbenes  Haar  ab.  »O  Lobwürdiger  Entscblusz  dieser 
edlen  Jugend!  welche  ohne  Zweiffei  melir  gethan,  wenn 
sie  nur  gewust  hfttte,  dass  es  ihre  Nothdurfft  durch  den 


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—  46  — 


Göttlichen  Willen  also  erfordert.  Und  was  vermeynet 
mein  hochgeehrter  Leser  wol?  eolte  der  eintnge  hofflürtige 
Gedancken  nooh  nioht  hiermit  ahgebtksit,  die  Gottliebe 
Gerechtigkeit  ausgesöhnet,  oder  wenigst  die  himmlische 
Gate  zur  Barmher tzigkeit  bewegt  worden  aeyn?  Sollen 
dann  diese  hohe  Personen  von  dessentwegen,  dass  sie 
ihre  G^rOsse  wnsten,  nnd  sieh  darinn  erfreuen,  so  viel 
gesündigt  haben,  dasz  sie  durch  diese  ihre  frey willige 
Busz,  vermittelst  deren  sie  alles  verlassen,  was  die 
Mensohen  hoeh  sehtttaen,  und  sieh  selbst  den  Bettlern 
gleich  gemacht,  noch  nicht  ttberflOssig  genug  gethan,  nnd 
damit  ihr  übersehen  ausgelöscht  haben?  Mein  freundlicher 
Leser,  ich  ziehe  die  Achsel  ein,  und  halte  mit  meinem 
nichtigen  Urtheil  aurOok,  den  Folg  dieser  Histori  fortni- 
setsen.* 

Auf  einem  Castell  wird  Dietwald  vom  Amtmann 
erkannt,  und  nur  mit  Mohe  macht  er  sich  los.  Endlieh 
kommen  beide  nach  Italien,  wo  Dietwald  Hirt  wird  und 
Amelinde  grobe  weibliche  Arbeiten  verrichtet 

Der  dritte  Theil  wendet  sich  zunächst  wieder  den 
grossen  weltgeschichtlichen  £reignis8en  su.  Es  entsteht 
Krieg  zwisohen  Ludwig  und  Dietrich,  ersterer  ist  schliess- 
lich im  Nachtheil,  unter  Rostungen  zur  Yorwirklichung 
seiner  Racheplüne  stirbt  er.  Dann  wird  dem  Burgundi- 
schen Reiche  von  dem  Sohne  Ludwigs  ein  Ende  gemacht» 
Ciotildens  Enkel  werden  ermordet»  es  entsteht  Krieg  mit 
Thüringen  und  auch  Dietrich  von  Bern  stirbt. 

Dietwald  und  Amelinde  worden  von  Seeräubern  über* 
üallen,  und  sie  wird  ihm  mit  Gtewalt  abgekauft  Er  yer^ 
Iftszt  seinen  Hirtenstand,  überwindet  eine  neue  Anfechtung 
des  Teufels  und  wird  von  dem  Engel  in  Bettleregestalt 
getröstet,  endlich  gelangt  er  su  dem  KOnig  Amdbreich. 


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—  47  — 


Amelinde  g^eht  sioh,  um  ihre  Eeosehheit  sa  retten,  auf 
dem  Schiffe  su  erkennen,  deshalb  überlassen  sie  die  See* 

räuber  einer  kaiserlichen  Flotte,  mit  der  sie  zu  König 
Chlotar  gelangt  Dieser  verehrt  ihr  einen  King,  weichen 
Dietwald  einst  dem  mehrerw&hnten  Bettler  geschenkt» 
Ton  ihm  snrllckerhalten  nnd  in  Massilia  Terkanft  hatte. 
Zu  der  bald  darauf  gefeierten  Hochzeit  König  Chlotars 
mit  Radegunde  kommt  auch  König  Amelreich  und  bringt 
Dietwald  mit,  der  sieh  im  Turnier  ausseichnet  und  Ton 
Amelinde  erkannt  wird.  Dietwald  erhftlt  die  Landschaft 
der  Allobroger  zurück  imd  kommt  so  wieder  zu  Land 
und  Leuten. 

Zum  Sohlosse  wird  eraahlt,  wie  Chlodwigs  Nach* 

kommen  sich  in  der  Folge  ganz  Gallien  unterwarfen. 
Nicht  uninteressant  ist  das  am  Ende  stehende  Gedicht, 
in  welohem  Urban  von  Wurmbskniok  auf  Sturmdorff 
Grimmelshausen  unter  seinem  wahren  Namen  als  Yer^ 
fasser  von  Dietwald  und  Amelinde  und  zugleich  der 
Simplicianischen  Schriften  preiset,  als  ob  es  noch  nicht 
an  dem  Sonnet  genog  gewesen  wäre,  welches  einer,  der 
sich  Sylvander  *)  nennt,  dem  Werke  Torausg^sehickt  hat, 
und  das  bekanntlich  eine  Hauptrolle  bei  der  Wieder- 
entdeokung  des  wahren  Namens  des  YerflEusers  gespielt 
hat  Durch  diese  GMiehte,  die  Widmung  an  Herrn 
Philip  Hannibaln  von  und  zu  Schauenbcrg-,  Herrn  zu 
Gaistbach  etc ,  sowie  durch  die  .Namen  der  Autoren,  aus 
welchen  diese  Histori  susammengetragen  worden,*'  gewinnt 
die  ErsahluDg  auch  äusserlich  Aehnliehkeit  mit  einem 


')  Kurz  bemerkt  Bd.  IV.  S.  XXXI,  dasz  diesen  Namen  Franz 
Joachim  Buhrmeistfr  von  Lüneburg  im  Elbschwanenorden  geführt 
(nach  Kist,  Aller-Edelstes  Leben  S.  40).  Ob  dies  nnser  Sylvander  sei, 
wird  müssen  dahin  gestellt  bleiben. 


—  48  — 


heroisoh^galanten  Bomane,  wobei  es  sieh  komisch  aiis- 
nimmt,  wenn  der  eben  erwftbnte  Sylvaader,  der  im 

Lutcin  uiclit  stärker  uls  Grimmelshausen  gewesen  zu  sein 
scheint.,  sein  Sonnet  „diesem  Opo  und  dessen  Auton  zu. 
Shren*  sohreibt  Wir  sind  jeden&Us  leicht  im  Stande^ 
nicht  allein  den  Terfasser  des  Simplicissimns  aneh  in 
diesem  iiuciie  zu  erkennen,  wennschon  er  sich  etwas 
weniger  als  gelegentlich  im  Josef  gehen  lAsst,  sondern 
müssen  seine  Fähigkeit,  einen  rechten  Eunstroman  nach 
dem  Schema  seines  Jahrhunderts  ahzufassen,  auch  An- 
gesichts dieser  Erzählung  in  Zweifel  ziehen. 

Der  Ewigwährende  Kalender ')  giebt  das,  was  der 
Titel  yerspricht,  dem  BedQrfniss  der  Zeit  angemessen  und 
kann,  obgleich  sich  der  Vcrlassor  keineswegs  über  das 
Niveau  seines  Jahrhunderts  erhebt,  ja  mit  seinem  legen- 
darischen und  astrologischen  Kram  uns  einen  recht  alt- 
fränkischen Bindruck  macht,  als  eine  treffliche  populär- 
wissenschaftliche und  Unterhallungsschrift  bezeichnet 
werden.') 

Der  BaUo  SiaiuB*)  (Orimmelshausen  hetraohtet  raiic 
als  Masculinum)  hesteht  aus  fünf  Discnrsen  und  einem 

Anhange.  Die  Discurso  bandeln  von  der  „Staatsraison'*, 
welche  an  den  biblischen  Beispielen  Ton  Saul,  Jonathan, 
Dayid  und  Joab  als  eine  bedenkliche  Theorie  dargestellt 
wird,  ohne  dasz  sich  übrigens  die  Erörterung  durch 
besondere  Klarheit  auszeichnete.    Sehr  hübsch  aber  und 

*)  Er  liegt  in  zwei  Ausgaben  vor,  a)  Nflrnb.  Felszecker.  Gedr. 
ni  Fulda  bei  Marcum  Blasz  1070.  4",  b)  Nümb.  Feluecker.  06dr.  sa 
Altenburg  bei  Georg  Conrad  Riigern  1677. 

')  Mit  Recht  hat  Kurz  nur  die  darin  eutbalteuen  Simplioianisohcn 
Anekdoten,  die  einen  sehr  kleinen  Theil  des  äuazerst  bunten  (ianzen 
auäuiacheu,  abgedruckt. 

>)  NflmbMg.  Felszecker  1670, 


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—  49  — 


gans  in  GrimmelBhMisens  bester  Manier  ist  der  Anhang 

von  Abisag  von  Suuem,  deren  Gemahl  Sabud  von  eeinem 
Hunde  uod  Hahne  darüber  belehrt  wird,  wie  er  ihr  das 
Fragen  naoh  Geheimnissen  absngowohnen  habe. 

Von  den  zwei  kleinen  Schriften,  „der  erste  Bern- 
h&uter**  und  «Galgenmannlein'^  lA&zt  sich  die  Zeit  des 
ersten  Brsoheinens  nieht  bestimmen.  Die  erste  ist  ein 
hflbsches  Mftrehen,  wohl  dem  Yolksmnnde  naohersfthlt 
die  zweite  ^)  ein  Brief  des  alten  Simpliciösimus  an  seinen 
Sohn  über  den  auf  dem  Xitel  genannten  Gegenstand  und 
zugleich  eine  Yerspottnng  orthographisoher  Gaprioen,  auf 
die  Grimmeishansen  spftter  ausftihrlicher  zurückkam. 

Das  Kathstübcl  Plutonis,  welches  1672  erschien^)  und 
in  dessen  Titel  Pluto  und  Plutos  yerweohselt  sind,  ist 
eine  in  der  Form  einer  Rathssitzung  sich  bewegende  und 
mit  Erzählungen  vermischte  Unterhaltung  über  die  Mittel, 
in  verschiedenen  Standen  zu  Reichthum  zu  gelangen, 
nebst  einer  Anweisung,  sein  Geld  wieder  los  zu  werden. 
An  dieser  Berathung  nehmen  auszer  anderen  folgende 
alte  Bekannte  theil:  Bimplioissimus,  dessen  Vater  und 
Mutter,  Springinsfeld  und  Courasche.  Da  wir  hier  das 
letzte  Mal  von  diesen  guten  Leuten  hören  und  ange- 
deutet wird,  dasz  sie  im  höchsten  Alter  sich  befinden, 
kann  diese  Schrift,  die  auch  sonst  hübsche  Gedanken  und 
geschickte  Anordnung  aufweist,  als  Schlusztableau  der 


<)  Vergl.  Kurz  lY.  S.  XIX.  ff.  £me  EimalMisgabe  ist  oicbt 
bekumt. 

*)  Dis  dos  Bimelansgabe  ist  in  13*  o.  O.  1078  (dnidi  Ohimio- 
gnunm)  mit  nlltiUehoii  Amnenk-  imd  EtiimenmgeB  erlintert  dnnsb 
Israel  Fromschmidt  von  Hugenfelsz. 

Hier  wird  der  Autor  Erich  vStainfeU  von  Grufensholm  g^enaimt, 
Oetnickt  in  Samane.  Im  Jahr  1672.  IS**  —  und  ia  den  Oeeaaunt- 
ausg^abeu. 

XLS.  i 


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—  60  — 


Simpfieianisohen  Romanreihe  aufjpfefosst  werden.  Ton  den 

eiDgeflocbtcnen  Erzählungen  ist  für  Grimmelsbaur^ent 
Pseudonymitftt  die  von  Proximus  und  Lympida  von  Inter- 
esse» Ton  der  Simplioissimus  Bttgt,  dass  er  sie  bereite 
i&rtig  ausgearbeitet  babe  und  dmoken  lassen  wolle. 

In  der  That  ist  der  Hornau  mit  diesem  Titel  noch  in 
demselben  Jahre  1672  ')  mit  Grimmelshausens  vollem 
Namen  ersohienen.  Schon  durch  die  Dedication  an  Maria 
Dorothea  Froyfräuloin  von  Fleckensteiu  prätendirt  er  die 
QeltiiDg  eines  Kunstromans.  Dazu  kommt  noch  ein  Gediolit 
Ton  dem  schon  erw&hnten  Sylvander')  mit  dem  Anüm^: 

Hinirag  um!  Anmiliiii  and  deinssgleieliaii  Giillea, 
Kit  denen  sich  Mesher  pflegt  schftdlieh  samflUleB, 
Dm  jonge  Fi«yer-Volok:  v.  8.  w. 

und  ein  anderes:  „Zuruf  an  den  Grimmolfihäuser'*  io 
daktylisohen  Versen  von  „Pericles**. 

Der  byzantinische  Feldherr  Myrologos,  so  begannt  die 
Geschichte,  kehrt  siegreich  aus  dem  Kriege  gegen  die 
Perser  beim  und  wird  mit  groszen  Ehren  empfangen« 
Seine  Freude  wird  jedoch  dadurch  geschmälert,  dasi  er 
einen  jungen  Helden,  der  ihm  im  Kriege  das  J^eben  ge- 
rettet und  auch  sonst  eine  erstaunliche  Tapferkeit  be- 
wiesen hatte,  vermiszt.  Wenigstens  hatte  er  den  Schild 
desselben,  welcher  mit  drei  Pentalphen')  gesiert  gewesen, 
nicht  mehr  entdecken  können. 

Pi'oximus,  der  im  Kriege  als  Pentakontarchus  gedient, 
kehrte  nun  zu  seinem  Vater  Modestus  surOok.  Dieser 
verwies  es  seinem  Sohne,  dass  er  seinen  Schild  mit 
den   drei   Peutalphen  mit    einem    anderen  vertauscht 

^  0.  0.  1672.  ISO  datirt  31.  JnU  1679. 

*)  Sylvander  hst  fUirigeiii  mswiielien  gelrant,  dsas  der  Dstiv  voi 

O^pua  operi  heiszt. 

3)  Pentiüplia  »  Pentagramm. 


—  61  — 


hat,  der  Sohn  entsohuldigte  sich,  sein  eigener  Schild  sei 

ganz  zerhauen  gewesen,  deshalb  habe  er  sich  den  eines 
Persers  genommen.  Hierbei  nimmt  Modestus  Gelegenheit, 
Yon  seinem  Gtoschleohte  la  berichten.  Es  stammte  ron 
dem  Syrischen  Könige  Antiochns,  daher  anch  die  drei 
Peutalplien  als  Wappcnzeichen.  Er  seibat,  der  jetzt  im 
Grcisenaltor  stehende  Modestus,  war  auf  seines  Vaters 
Wunsch  mit  dem  ihm  befirenndeten  MaoritinSi  der  später-  ' 
hin  Kaiser  geworden,  von  Antiochia  nach  Konstantinopel 
gezogen.  Als  Mauritius  von  Fhokas  gestürzt  wurde,  ent- 
rann Modestus  dem  Tode  dadurch,  dass  er  sich  Jahre 
lang  bei  einem  Töpfer  yerbarg,  als  aber  Heraklins  su 
Regieruug  kam,  wurde  er  wieder  in  deu  Besitz  seiner 
Güter  und  Ehren  eingesetzt 

Proximns  mnsate  sich  bei  Hofe  melden,  nm  sich 
wegen  des  yertanschten  Schildes  m  entschuldigen.  My- 
rologus  erkannte  ihn,  und  es  zeigte  sich,  dasz  er  des 
tapferen  Persers  Artaphemes  Schild  erobert  hatte«  worauf 
ihm  der  Kaiser  dessen  und  sein  Wappenxeichen  mit 
einigen  Veränderungen  beilegte  und  auch  sonst  hohe 
Ehren  erwies. 

Der  sweite  Theil  beginnt  mit  dem  Bericht,  dass  sich 
Basilia,  die  Frau  des  Töpfers,  bei  welchem  Modestns 
heimlich  gewohnt  hatte,  und  welche  des  Proximus  Amme 
gewesen  war,  jetst  bei  des  Mjrologus  Gemahlin  Namens 
Hapsa  in  Diensten  be&nd  Sie  ens&hlt  dieser  und  deren 
Tochter  Lympida  von  der  Gottseligkeit  der  beiden  Ehe- 
leute Modestus  uud  Honoria.  Ersterer  hatte  einst  eiuen 
Armen  bei  schlechtem  Wetter  Ton  der  Strasse  geholt, 
Honoria  ihm  die  Fflsso  gewaschen  und  Nttgelmale  in  den- 
selben entdeckt,  da  sei  der  Mann  plötzlich  mit  Hinter- 
lassung eines  lieblichen  Geruches  Ycrschwundcn.  Nach- 


—  52  — 


dem  beidon  Ehepaaren  Söhne  geboren  worden,  starb 
Honoria  und  der  Mann  der  Basilia.  Hodestas  und  Basilia 

erzogen  zusammen  die  zwei  Knaben  Proximus  und  Mo- 
destus (den  jungen),  bis  der  alte  Modestus  von  Heraklios 
wieder  zu  Ehren  gebracht  wurde. 

Modestus  vermacht  (Tbl.  III)  mit  Beistimmung  seines 
Sohnes  diesem  nur  ein  mäsziges  Rittergut»  alles  andere 
der  Kirche  und  den  Armen.  Die  Anrerwandten,  beeonden 
Proximus  Oheim  Orontäus,  widerspreehen  und  rahm  die 
Entscliciduüg  des  Kaisers  an,  vor  dem  Proximus  hoch- 
hersig  die  Absicht  seines  Vaters  vertheidigt. 

Lympida  (ThL  lY),  des  Myrologus  Toehter  verliebt  sieh 
in  Proximus,  was  ihr  grosse  Qewissensskrupel  und  viel 
innere  Kämpfe  verursacht,  in  denen  sie  von  Basilia  ge- 
tröstet wird.  Der  Kaiser  (ThL  Y)  stimmt  dem  Entschiasse 
des  P^ximus  hineiehtlieh  seines  vflterliehen  Erbes  darum 
SU,  weil  er  den  politisohen  Einfluss  der  grossen  in  einer 
Hand  vereinigten  Beichthümer  fOrchtet.  Modestus  stirbt, 
nachdem  er  von  dem  Untergange  Konstantinopels  ge- 
weissagt und  seinem  Sohne  gerathen  hat,  dereinst  mit 
seiner  Gemahlin  nach  Venedig  überzusiedeln.  Proximus 
vollzieht  seines  Vaters  letzten  Willen  trotz  der  abermaligen 
Gegenreden  des  Orontans.  Dieser  fUsoht,  um  sidi  sn 
rftchen,  eine  Schuldversohreibung  des  alten  Modestus, 
Troximus,  weil  er  schon  alles  weggegeben,  übcrläszt  ihm 
sein  Bittergut  und  lebt  mit  von  dem  Vermögen  des 
jüngeren  Modestus. 

Lympida  (ThL  VI)  verzehrt  sieh  in  hoffhungsloeer 
Liel)e  zu  Proximus,  während  sich  viele  Freier  eifrig  um 

bewerben.  Unter  diesen  sind  zwei  sehr  tapfere  und 
'äii&^yäeti^ne  Jtinglinge,  welohe  sieh  ans  Bifersucht  g^en^ 
^^(ig  xüäbtmgen.   Deshalb  denken  Myrologos  und  Hapsa 


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—   53  — 


DUO  erubtlich  daran,  Lympida  zu  verbciratheo ,  sie  aber 
wird  Yor  VerdniM  hieraber  krank.  In  einer  (ThL  VÜ) 
schlaflosen  Naoht  beräth  Myrologrns  mit  Frau  und  Tochter, 
d&bz.  Lympida  deujenigcu  Cavalier  hoirathon  solle,  der 
ihnen  am  nächsten  Morgen  im  Gottesdienste  zuerst  be- 
gegnen werde.  Wie  sie  bei  der  Kirehe  ankommen»  steht 
Proximus,  durch  einen  Traum  Yeranlasst,  mit  seinem 
Freunde  Modestus  schon  da.  Er  wird  von  Myrologus 
eingeladen,  und  dieser  erklärt,  sein  Täter  sein  zu  wollen. 
Br  Yorliebt  sieh  nun  auch  seinerseits  in  die  Ober  die  neue 
Wendung  der  Dinge  natOrlich  Oberaus  erfireute  Jungfrau, 
die  jetzt  endlich  einmal  wieder  lachte. 

«Solohes  erfreute  ihren  Herren  Yattem,  und  betrübte 
ihre  Frau  Mutter!  denn  in  dem  diese  sehlaue  Frau  ihrer 
Tochter  frOlicbe  Zufriedenheit  beobachtete,  nahm  sie  auch 
war,  welcher  der  Artzt  seyn  müste,  der  sie  von  ihrer 
langwOrigen  Kranckheit  so  sohneil  ourirte:  dann  gleich 
wie  sie  auch  etwan  hiebevor  in  demselbigen  Spital 
Selbsten  krauck  gelegen,  und  sich  noch  zu  erinnern 
wüste,  durch  waserley  Mittel  sie  von  ihrem  beschwerlichen 
SSustaad  widerum  genesen,  also  konnte  sie  aiijet«)  aueh  in 
der  Iiympida  Angesicht  lesen,  und  an  ihren  Blicken  sehen 
(als  welche  gar  inbrünstig,  feurig  und  liebreitzend  auff 
Froximnm  weder  auff  andere  lossgiengen)  wer  ihr  Artst 
und  was  ihre  Artmey  war. 

Ach  Tochter,  sagte  sie  su  ihr  solbsten,  wie  hastu  so 
Tiel  (übel?)  ge wählet?  wie  hastu  deine  Liebe  so  ttbel 
angelegt?  wie  irrestu  so  weit  ab  Ton  dem  Wege  rechter 
Temunfit?  jetst  sehe  ich  in  Wahiiieit^  dass  die  Liebe  bey 
dem  unbcäunneiien  Weiber volck  blind  ist.  Sag  mir,  O 
Lympidal  ist  dieses  der  jenige,  vmb  dessen twillen  du  dich 
80  lange  mit  Liebes-Marter  gequfllet  hast?  iata  nur  ein 


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—  54  — 


solcher,  der  nichts  besser  gekönnet,  als  seines  Tattern 
ansehenliohe  Reiohthnmb,  ja  FflrsÜiche  Gftter,  Land,  Lent 

hinzuschcncken,  und  sich  selbst  eiuem  Bettler  gleich  zu 
machen?  liebe  ihn  nurl  nimb  ihn  nur,  behalt  ihn  nur, 
aber  mein  Sand  gedenck  darbej,  ¥rie  bald  er  anoh  mit 
dem  nnserigen  fertig  seyn  wird?  silie  doch,  meine  Tochter, 
wie  der  kahle  Ochlgötz  sitzt  zu  brotzen;  wie  hoch  er  deine 
feurige  Liebe  achtet?  nimb  wahr,  ob  er  doch  so  yerstftndig 
sey,  deine  Liebe  su  erkennen?  und  ob  er  so  viel  Difar^lium 
besitze,  dir  umb  deine  seinet  wogen  auszstehende  Qual 
mit  einem  eintzigen  liebreichen  Blick  hinwiederumb  zu 
dancken?  sihestu  nicht  ansehnlichere  Gavallier  vor  dir,  als 
dieser  arme  Ordensmann  (Moneh)  einer  ist?  achtest  du 
nicht,  dasz  dich  diese  alle  wie  eine  Göttin  anbeten?  soltest 
du  nicht  lieber  mit  einem,  oder  wohl  gar  aber  einen  aus 
diesen  zu  herrschen  erwOhlen,  als  besorglioh  mit  diesem 
Tropffian  betüen  su  gehen? 

Dieses  und  dergleichen  waren  der  Hapsa  Gedancken 
Ober  der  Taffei,  welche  sie  so  bestQrtst  machten,  dass  sie 
dort  sasse  wie  ein  gesohnitselt  Bild,  und  es  das  Ansehen 
gewönne,  als  hätte  der  melancholische  Geist  seine  bisc- 
herige Herberg  bej  der  Tochter  verlassen  und  nunmehr 
bey  der  Mutter  eingekehret.** 

Eine  Ansaht  (Thl.  VIII)  auf  Proximus  neidisoher  Edel- 
leute,  die  er  obenein  bei  Mvroloorus  durch  seine  Ueber- 
logcnheit  in  der  Fechtkunst  geärgert  hatte,  fallen  ihn  an. 
werden  aber  yon  ihm  theils  getodtet,  theils  in  die  Flucht 
gejagt  Eine  Gesandtschaft  aus  Thessalien  langt  an  und 
überträgt  ihm  die  Fürstenwtlrde  in  diesem  Lande,  welche 
ihm  durch  Erbrocht  zukam.  Jetzt  erklärt  er  seine  Liebe 
zu  Lympida  und  die  Hochzeit  findet  alsbald  statt 

Des  Orontaus  (Thl.  IX)  Sohn  Elenohns  bekennt  im 


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—  55  — 


Auftrage  seines  sterbenden  Vatcrö  dessen  Verbrechen 
gegen  Prozimus  und  erhalt  nioht  nur  Yerzeikung,  sondern 
noch  Wohltbaten  dam.  Das  neuverrnfthlte  Paar  geht  nach 
Thessalien,  doch  giebt  Proximüs  waMge  der  P^pheseihnng 
seines  Vaters  nach  einiger  Zeit  sein  Fürstenthum  auf  und 
siedelt  sich  in  dem  aufblühenden  Venedig  an. 

Die  yerkelirte  Welt,  welohe  jedenfiüls  nioht  vor  1672 
abgefaszt  ist  ')  und  welche  neben  der  Bezeichnung  „des 
abenth.  Simplicissimi"  den  Schriftstelleruamen  Simon 
Lengfinsoh  yon  Hartenfelsa  trügt»  ist  eine  Höllenfiihrt  im 
Traume.  Die  Qualen  der  Verdammten  sind  in  dem  oraesen 
GescLmacke  der  Zeit  ausgemalt,  aber  in  den  Gesprächen 
des  Simplicissimus  mit  den  Bewohnern  der  Hölle  zeigt 
sich  Grimmelshausens  origineller  Geist  Allerdings  hat 
er  dieselbe  Idee,  die  er  hier  weiter  ausführt^  schon  in  dem 
Abschnitt  des  Simplicissimus  über  den  Mummelsee  an** 
gewendet  Auf  die  Präge  namlioh«  wie  es  auf  der  Ober« 
weit  angehe,  schildert  er  die  irdischen  Zustünde  ironisch 
als  durchaus  befriedigende,  ja  ideale. 

Der  stolse  Melcher»  welcher  auch  noch  in  das  Jahr 
1C72')  an  steUen  ist,  ist  eine  Tendenaschiift  gegen  die 
Thorheit  der  jungen  Leute,  welche  sich  durch  Bhrgeis 

und  Abeuteuersucht,  häutig  wohl  auch  durch  ihre  Ab- 
neigung gegen  regelmässige  Beschftfligang,  yerleiten 
Hessen,  in  frans0sische  Kriegsdienste  an  treten.  Der 

elende  Zustand,  in  welchem  der  Held  der  Geschichte  in 
seine  Heimath  zurückkehrt,  giebt  den  versohiedenen 


>)  Die  1073  eatdMkto  BaaaisaiMthMile  wird  tai  Bade  erwfthat 
Vgl  KeUer  H,  8. 1148  and  Knis  I,  juulvuj«  welche  ohne  gsnOgendea 
Grand  das  Jahr  1679  als  das  des  ersten  Dnickea  annehmen. 

1)  Die  Etanehtnagahe  ist  ohne  Ort  ond  Jahr.  VergL  Kais  IV» 
&  XXIV. 


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—  56  — 


Penonen,  die  ihn  von  froherer  Zeit  her  kennen,  Gelegen* 

heit,  ihre  Meinuogen  Qber  seine  Thorheit  auszusprechen. 

Entschieden  die  beste  nnd  interessanteste  von  Grim- 
melshaasens  kleineren  nioht  enthlenden  Schriften  ist  der 
1073  *)  erschienene  tcutsche  Michel.  Ein  Schriftsteller  von 
der  ausgedehnten  Th&tigkeit  und  dem  weiten  Gesichts- 
kreise nnseres  Mannes  mnaito  selbstvert&ndlich  an  den 
dnreh  Naclilässigkeit,  Ziererei,  gewaltsamen  YerbeBsenin- 
gen,  unsicherem  Geschmack  und  Yorurtheil  aller  Art  ver- 
ursachten Misgfttftndcn  iu  dem  schriftlichen  und  mündlichen 
Gebrauche  unserer  Sprache^  wie  sie  seiner  Zeit  sich  geltend 
machten,  Anstoss  nehmen,  und  ebenso  wenig  konnte  fehlen, 
dasz  er  sich  über  diese  Dinge  ein  seiner  Vorurtheilsfreiheit, 
seiner  groszen  schriftstellerischen  Erfahrung  und  seinem 
sicheren  Geschmaoke  gemflaiee  ürtheil  bildete.  Dasi 
diese  drei  Faetoren,  und  nicht  gelehrte  Untersuchungen 
den  Ausschlag  gaben,  lag  ebenso  sehr  in  Grimmelshausens 
Eigenart^  wie  es  den  Werth  seiner  Erörterungen  weaentlioh 
erhöht.  Seine  GManken  nun  Qber  deutsche  Spraeke  und 
deutschen  Stil  hat  Grimmelshausen  in  dieser  kleinen 
Schrift  niedergelegt  und  damit  vornehmlich  gezeigt» 
dasi  Bildung»  mit  guter  natOrlioher  Begabung  yerbunden, 
unter  ümstSnden  etwas  anderes  und  swar  etwaa  viel 
Besseres  ist  als  Gelehrsamkeit,  und  eine  heilsame  Rcaction 
von  jener  aus  gegen  diese  bisweilen  nothwendig  wird. 
Wir  moasen  uns  mit  einer  kuraon  Ueberaicht  des  Inhalts 
begntkgen.  Cap.  1  enthalt  das  Lob  der  Sprachkundigen, 
während  Cap.  2  ausführt,  dasz  keineswegs  alles  Heil  in 
der  Kenntnisz  fr^emder  Sprachen  liege,  und  Cap.  3  die 

')  Dem  Chronogramm  auf  dem  Titel  zufolge,  o.  0.  12*»:  der  Ver- 
fasser nennt  sich  Signeur  Heszmahl  und  beseioluiet  die  Schrifl  als  des 
Weltberoffenen  SimpUciasimi  etc. 


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—  57  - 


Ziererei  der  Oeuteehen  mit  ihrer  KenntniBs  fremder 
Spraohen  dnrehsieht   Im  4.  Gap.  wendet  er  eich  scharf 

und  klar  gegen  Neuerungen,  namentlich  in  der  Ortho- 
graphie, hie  und  da  naoh  UDseron  jetaigen  Einsiohten  in 
die  Saehe  in  KleinigkeiteD  irrend,  aher  im  groaaen  Ganaen 
geleitet  Ton  der  richtigen  Erkenntniss,  dasz  die  Handhahung 
der  Sprache  etwas  ins  praktische  Leben  Gehöriges,  der 
ganaen  Nation  Qemeinaamea  ist,  folglich  nicht  von  der 
Gtolehraamkeit  Einaelner,  aneh  wenn  ihre  Meinang  histo- 
risch und  theoretisch  richtig  ist,  Gewalt  leiden  darf.  Etwas 
schriftstellerische  Pikirtheit  gegen  Zescn  mag  immerhin 
hier  mit  nnterlanfen,  wenn  er  heranafS&hrt:  »Ihr  elende 
Tropfen,  was  bildet  ihr  ench  ein,  dass  ihr  enere  Yftter 
unterstehet  zu  lernen,  wie  sie  Kinder  zur  Schul  thun,  und 
euere  Matter,  wie  sie  ihnen  die  Sprach  mit  euerer  durch- 
senerten,  anatatt  der  wahren  und  rechten  natfirlichen 
Muttermflch  einflOsen  sollen?*  ....  und  weiter:  „Be- 
trachtet doch,  ich  bitt  euch  umb  G Ottos  Willen,  betrachtet 
doch  selbst,  was  ein  reohtsohafiener,  ehrlicher  alter 
Tentacher  gedencken  und  sagen  mochte,  wenn  er  sihet, 
dass  ihr  Fader  fttr  Vatter,  släokt  vor  schlecht,  ontslagen 
vor  entschlagen,  KwäU  vor  Quell,  fon  für  von,  sleichen 
Yor  s<dileichen,  fer  ror  yer,  fil  Tor  yiel,  Adel  vor  edel, 
fitot  Tor  Test,  Ewaal  vor  QuaU  und  so  forten  schreibet? 
Ach  nein!  ein  solcher  alter  oder  auch  wol  aus  unsern 
Nachkömmlingen  ein  jeder  junger  Teutscher  werden  im 
ersten  Anblick,  wenn  sie  Ober  euere  Schritten  kommen, 
urtheln  und  schliessen,  entweder  der  Schreiber  sey  ein 
Weib  oder  A-B-C-Schütz,  wo  uit  gar  ein  Narr,  oder  der 
unschuldige  Setzer  und  Corrector  in  der  Druckerey  w&reu 
hinlftssige  Hudler  und  ungelehrte  Tropffen  gewesen." 
Cap.  5  streitet  gegen  den  Furiamua,  Gap.  6  gegen  die 


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—  58  — 


Fremdwörter«  Cap^  7  handelt  über  faUoh  wiedergegebene 
Fremdwörter,  allra  pedantische  AuBspraehe  der  Bneh- 

Stäben,  abgeschmackte  Vornamen.  Man  soll,  führt  Cap.  8 
hinsichtlich  des  mündlichen  Gebrauchs  der  Sprache  aua, 
nicht  seinen  eigenen  Dialekt,  wie  dies  die  Oesterreieher 
thun,  für  den  einzig  richtigen  halten.  Gap.  9  redet  yon 
angewöhnten  stehenden  Redensarten,  durch  welche  man 
sich  lächerlich  machen  kann,  vom  Fluchen  und  Schwören, 
Cap.  10  über  die  Redensart:  »Was  gehey  ick  mich 
darnmbt*  Cap.  11  enthält  die  anch  interessante  nnd  gut 
ausgeführte  Bemerkung!  dasz  das  beste  Deutsch  zu  Speyer 
nnd  SU  Prag  gesprochen  werde,  Ton  einielnen  Personen 
reden  am  besten  die  Gelehrten.  In  Cap.  12  wird  der 
Reichthum  der  deutschen  Sprache  ins  Licht  gesetzt  und 
Betrachtungen  über  die  einsilbigen  Wörter  sowie  über 
die  Überflüssigen  E  gemacht').  Oap.  13  ermahnt  snm 
Schloss,  dasB  man  sieh  nicht  mit  Kenntniss  fremder 
Sprachen  wichtig  machen  soll,  das  Schlimmste  jedoch  sei 
die  Sucht,  Ansländisches  Oberhaupt  anannehmen  nnd  der 
Mangel  an  deutscher  Gbsinnnng. 

Yon  dcu  zwei  noch  übrigen  Schriften  Grimmelshausens 
sagt  der  Titel  der  ersten  ^Manifest  wider  diejenigen,  welche 
die  roth  und  güldene  Bftrte  verschimpffen  ete.*  genug  über 

den  wenig  bedeutenden  Inhalt,  die  zweite,  das  Gespräch 
mit  BonamicOy  ist  bereits  besprochen  worden.^) 

Die  Frage,  ob  wir  in  den  bisher  aufgeftlhrten  Sohriften 

alle  Werke  Grimitu;lsluuiscu6  kennen,  sowie  die  andere, 
ob  die  besprochenen  Schritten  alle  wirklioh  Yon  Grimmels- 
hausen herrühren,  wird  an  diesem  Orte  am  füglichsten 


^)  Dieselben  Einfälle  spielen  im  Gal§:enmännlein  eine  Kolle. 
*)  Sie  sind  bis  jetzt  nur  in  den  Gesammtausgabeu  vorbanden. 


—  Ö9  — 

«QfiraweTfen  und  Bogleiohi  wiefern  dies  Oberhaupt  mOglioh, 

zu  beantworten  sein. 

Dio  zweite  Frage,  die  naeh  der  Aechtbeit  der  Werke« 
welche  gegenwftrdg  aUgemein  unserem  Manne  ange- 
aohrieben  werden,  ist  leieht  abanmaohen.  Zwei  Ghrttnde 
haben  mit  Recht  in  erster  Linie  den  Anspruch  auf 
Beachtung ,  die  Auf  nähme  in  die  Gesammtausgaben  und 
die  üebereinstimmung  des  Stils.  Wenn  auch  die  Ge- 
sammtausgaben keineswegs  den  Ansprüchen  genügen, 
welche  wir  an  eine  vollständige  und  sorgfältig  behandelte 
Sammlung  der  Werke  eines  bedeutenden  Schriftstellers 
au  stellen  gewohnt  sind,  so  ist  doch  andererseits  nicht 
wohl  anzunehmen,  dasz  der  angesehene  Verleger  zu  einer 
Zeit,  wo  ein  Sohn  Grimmelshausens  sich  in  einer  ge- 
achteten Stellung  und  gewiss  Tide  Freunde  und  Bekannte 
des  Tcrstorbenen  Autors  noch  am  Leben  befunden,  ge- 
wissenlos genug  gewesen  sein  sollte,  ünachtes  cinzu- 
schwärzen,  wenn  er  auch  sonst  mit  den  Werken  seines 
grOsaten  und  gewinnbringendsten  Yerfiissers  aiemlich  ober- 
flachlich  und  zum  Theil  gewaltsam  umgegangen  ist  oder 
vielmehr  von  seinen  literarischen  Handlangern,  unter 
denen  der  breitspurige  Commentator  die  erste  Stelle  ein- 
nimmt» hat  umgehen  lassen. 

Wichtiger  und  durohsehlagender  ist  die  Thatsache, 
dasz  in  allen  uns  vorliegenden  Schriiteu  Grimmelshausens 
sein  Stil  im  weitesten  Sinne,  also  seine  ganae  Dar- 
stellungsart, nicht  au  verkennen  ist,  eine  Thatsache,  die 
man  freilicli  nur  durch  eingehende  wiederholte  Lektüre 
sich  anschaulich  und  zweifellos  machen  kann,  dio  aber 
durch  die  wechselseitigen  Beiiehungen,  welche  die  ein- 
selnen  Schriften  auf  einander  nehmen,  krftftig  unterstQtst 
wird.    Da  diese  Beziehungen  weiter  oben  in  anderem 


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—  00  - 

Zusammenhange  bereits  geltend  gemacht  worden,  will  ieh 
sie  hier  nieht  wiederholen. 

Die  Frage  nach  der  Vollständigkeit  der  Gesammt- 
ausgaben  ist  nur  im  Allgemeinen  mit  Ja  zu  beaotworteu, 
«inilohst»  insofern  die  in  der  Ausgabe  D  yoUst&ndig  Yor- 
handonen  Gontinnationen  weggelassen  sind,  wogegen  die 
Annahme,  daez  der  Verleger  solbstündige  umfangreichere 
Werke  Grimuiclshauaens  aosgesohlossen  haben  solito» 
dnroh  den  GManken  an  sein  eigenes  Interesse  ab- 
gewiesen wird.  Zwei  Stellen  allerdings  weisen  nooh  anf 
vielleicht  verloren  gegangene  kleinere  Sachen  hin.  In  dem 
mehrerwfthnten  Beschlusz  des  Simplicissimus  sagt  Grim- 
meUhansen  von  seinem  Doppelgtnger  Samuel  Grei£hson 
Ton  HjTSohfeld:  «Sonsten  hat  er  noch  feine  Satyrisohe 
Gedichte  hinterlassen,  welche,  wemi  die^z  Werck  beliebet 
wird,  wol  auch  durch  den  Druck  an  Tag  gegelm  werden 
konten,  so  ieh  dem  Leser  sur  Nachricht  nicht  bergen 
wollen. Hiernach  dürfte  man  annehmen,  dasz  Grimmels- 
hausen seine  feinen  Satirischen  Gedichte  yeröffontlicht 
habe  und  sie  verloren  gegangen  seien,  denn  kein  deutsches 
Buch  des  XVlL  Jahrhunderts  ist  mehr  «bdiebot*  worden 
alb  der  Simplicissimus.  Von  welcher  Art  sie  gewesen  seiu 
mögen,  steht  dahin,  und  aus  dem,  was  wir  in  Versen  von 
Grimmelshausen  besitsen,  Utsst  sich  der  Schiusa  sieben, 
dasB  er  es  mit  der  Form  nicht  sehr  genau  und  im  Gänsen 
von  den  Opitzischen  Reformen  nicht  viel  wird  Notiz  ge- 
nommen haben.  Es  sind  solcher  Proben  aber  nur  sehr 
wenig,  ein  Bpigramm  auf  Felssecker,  seinen  Verleger,  das 
Lied  vom  Geisigen  aus  dem  Satyr:  Pilgram,  Wellcicht  das 
Lied  auf  die  Nachtigall  im  I.  Buch  des  Simplicissimus, 
das  Widmungsgedioht  des  Kalenders  und  einige  kleinere 
Beime,  die  spärlich  hie  und  da  Terstrent  sind,  so  daas  ein 


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—  61  - 


sicherer  Scblusi  mtHat  mögUeh  ist  Das  fi»t  Tolletändige 

Fehion  versificirter  Poesie  ist  aber  immerhin  ein  Beweis 
dafür,  dasz  GrimmelshauBen  seinen  eigentlichen  Beruf  in 
der  Tolkathttmliolieii  Prosa  erblickte. 

In  der  „anderen  Continiiati(m<*  sagt  der  YerfiwBer: 
^Was  mir  aber  auf  derselbigen  Reise,  so  hie,  so  da,  so 
dort  Yor  seltiame  FaU  begegnet^  daran  w&ren  mir  awo 
Blephanten  HAnt,  geschweige  dieser  Oalender,  solche 
zu  beschreihen,  nicht  genugsam."  Diese  Stelle  scheint, 
namentlich,  wenn  man  den  auf  dem  Titel  der  Ausgabe  C 
befindlichen  Zusatz:  ,Und  Mit  seinem  ewigwehrenden 
wnnderbarligen  Caiender,  auch  anderen  so  seinem  Lebens* 
Lautf  gehörenden  Nebenhistorien  vermehrte  etc.'*  mit  in 
Betracht  zieht»  auf  das  Vorhandensein  eines  Kalenders, 
worin  die  »andere  Oontinnation"  stand,  hinzudeuten,  dooh 
ist  es  sehr  gewagt,  hier  irgend  welche  Hypothesen  und 
Combinationen  anzuknüpfen. 

Was  Grimmelshausens  Pseudonymitat  betrifft,  so  ist 
bereits  angedeutet  worden,  dass  er  sie  schwerlich  ernst 
genommen  haben  wird.  Welche  von  seinen  Sohriften 
bleibt  denn  übrig,  zu  der  er  sich  nicht  entweder  direct 
oder  indirect,  sei  es  als  Grimmelshausen,  sei  es  ak 
Simplicissimus  bekannte?  80  gut  wie  keine.  Denn  in 
Bezug  auf  die  Werke,  welche  mit  seinem  wahren  Namen 
bezeichnet  sind,  Dietwald  und  Amelinde,  Eatio  Status  und 
Prozimus  und  Lympida,  bekennt  er  sich  als  identisch  mit 
dem  Yerfiisser  des  Simplicissimus,  oder  mit  andern  Worten, 
erklärt  er,  dasz  der  Verfasser  des  Simplicissimus  jene 
geschrieben  habe.  Von  Dietwald  und  Amelinde  sagt  er 
es  in  der  Vorrede  der  Ausgabe  D  (1671),  von  dem  Baih 
Hahu  auf  dem  Titel  selbst  und  in  eben  jener  Yor- 
rede,  und  von  Proximus  und  Lympida  iäszt  er  es  den 


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—  62  — 


•Simplioissimus  im  Bathatübel  Piatonis  sagen. .  In  jener 
Yonede  werden  nun  aber  aooh  der  Seiender,  der  Satyr: 
POgram,  die  Landstörtoerm  Oonrasche,  der  Springinsfeld 
und  der  Josef  als  Werke  des  ISiiuplicissiinus  erkl&rt,  und 
mit  besonderer  Aosfohrliehkeit  wird  in  der  Yoirede  dea 
sweiten  Theils  des  Yogfelnests  heryorgeboben,  dasa  der 
Simpliciöbiinus,  die  Courusche,  der  iSpriugiusfeld  und  beide 
Tbeile  des  Yogoluests  ein  Werk  ausmachen  und  Ton 
demselben  Yeifuaer  herstammen.  Die  anderen  kleinen 
Sohriften  geben  sieh  anf  dem  Titel  selber  als  Werke  des 
Simplicisöimus  aus,  ausgenommen  der  fliegende  Wanders- 
mann,  die  Mondreiso,  dieTraumgeschicht»  der  stolze  Melcher 
und  das  Mani&st  ttber  die  rothen  Bftrte.  Die  drei  ersten 
kommen  hier  niebt  in  Betraobt,  da  sie  Tor  dem  Simpli- 
cissimus  erschienen  sind,  und  der  stolse  Melcher  sowie 
das  Manifest  moebten  ihrem  ürspmng  naeh  keinem 
sweifelbaUb  sein,  der  die  andern  Sohriften  Grimmeis- 
iiuusens  kannte.  Es  hätte  also  unter  solchen  ümständeu 
nicht  der  den  wahren  Autor  verrathenden  Crodiohte,  welche 
mit  seiner  Bewilligung  gedruckt  worden,  noch  aoeh  der 
anagrummatisoben  Sebriftstellemamen,  anf  deren  Natmr 
Grimmelshausen  (im  Beschlusz  des  Simpl.)  selbst  hin- 
deutet, bedurft,  um  einen  nicht  ganz  uuaufmerkaamen 
Leser  den  wahren  Saohyerhalt  errathen  sn  lassen,  anoh 
wenn  er  nicht  eine  der  Geeammtausgaben  YoUsUUidig  in 
die  Hand  bekam. 

Wir  müssen  annehmen,  dasa  Grimmeishansen,  wenn 
er  auch  im  An&nge  seiner  sohriftstellerisohen  Thfttigkeit 
die  Absicht  hatte,  sich  für  alle  Fälle  in  den  sicheren 
Schleier  der  Pseudouymität  zu  hüllen,  diesen  Yorsatz 
später,  sicher  aber  im  Jahre  1671,  da  sein  Buhm  fest 
begründet  war  und  etwas  daran  lag,  dem  Unwesen  der 


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—  — 


Naohdrueker  ra  Stenern,  aufgegeben  hat  Der  Umstand, 
dasz  in  unserem  Jahrhundert  der  "wubre  Name  des  Mannes 
erst  wieder  entdeckt  werden  muszte'),  beweist  nur,  dasz 
man  sich  seit  Anhang  des  XYIII.  Jahrhnnderts  sehr  wenig 
nm  diesen  gekümmert  hatte,  was  in  Anbetracht  der  Personen, 
die  sich  bis  in  die  ersten  Jahrzehnte  unseres  Jahrhunderts 
mit  Neabearbeitungen  des  Simplioissimns  beseh&ftigt  haben, 
anch  nioht  an  Terwnndem  ist  Wenn  aber  feststeht,  dass 
Grimmelshausens  Autorschaft  zu  seinen  Lobzeiten  und  eino 
Zeit  lang  nach  seinem  Tode  bekannt  war,  so  sind  hieraus 
entschieden  gOnstigo  BooksohlOsse  auf  die  ZuTerlftseigkeit 
der  seit  1683  erschienenen  Gesammtansgaben  an  machen. 

Wenn  mau  nun  die  Bedeutung  Grimmelshausens  für 
die  Entwickeiuug  der  deutschen  Nationalliteratur  über- 
haupt und  für  die  der  deutschen  Prosadiohtung  insbeeoudere^ 
sowie  den  bleibenden  Werth  seiner  Werke,  der  auf  ihrem 
Gehalte  an  \\  ahrheit  und  an  Kunst  beruht,  richtig  be- 
urtheilen  .  will,  so  kommt  es  vor  allen  Dingen  darauf  an, 
swisehen  dem,  was  er  ausser  sich  Yorfimd,  and  dem,  was 
er  aus  sich  heraus  gesohafBen  hat,  su  unterscheiden.  Dasz 
beides  weder  leicht  an  sich  festzuhalten,  noch  leicht  eines 
Ton  dem  andern  abntsondern  ist,  scheint  ans  den  bisher 
vorliegenden  Beurtheilungen  des  merkwürdigen  Mannes 
hervorzugehen.  Man  hat  einerseits  seine  Eigenartigkoit, 
ja  seine  absolut  isolirte  Stellung  unter  den  Schriftstellern 
seines  Jahrhunderts  herrorgehoben  ^,  andererseits  sind 
Uber  den  Werth  seiner  Schriften  die  yersohiedensten 

*)  Ich  will  die  EhtteUieiten  dieser  wichtigen  Entdeekong,  die 
wir  Echtermeyer  imd  Passow  verdanken,  hier  nieht  üu  den  betnffenden 
Abschnitten  bei  Keller  und  Kurz  wiederholen.  / 

')  Seit  der  Herausgabe  meines  Schriftchens  „über  Grimmelshausens 
Sim])I.  Schriften,  Breslau  187^"  habe  ich  meine  Ansichten  Uber  diese 
Verhältnisse  YeryoUst&ndigt. 


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—  64  — 


ürtheile^  nun  Theil  in  der  sohroflbten  JPorm,  laut  ge- 
worden, und  wir  können  nieht  umhin,  m  erUiren,  dasi 

wir  dies  alles,  wciin  nicht  berechtigt,  so  doch  natürlich 
üoden.  Wir  werden  also»  auoh  abgesehen  davon»  das«  es 
sehr  nnerspriesslieh  ist»  an  die  An&tellang  einer  eigenen 
Ansicht  das  Recht  oder  gar  die  Pflicht  zu  knüpfen,  sich 
mit  allen  entgegengesetzten  Auflassungen  auscinander- 
ansetien  oder  wenigstens  daran  in  reiben»  alle  aber 
Grimmeishansen  geftllten  ürtheile»  die  nns  in  der  snb- 
jectivon  Stellung  des  Betrachters  ihren  Grund  zu  haben 
scheinen,  auf  sieh  beruhen  lassen,  uns  bemühen,  nur 
Thatsaehliohes  —  woran  die  Leute  mit  sohnellem»  sehnei- 
dtgem  Urfcheil  niemals  grossen  üeberfluss  haben  —  ror- 
zubringeu,  und  den  Mann  selber  für  sich  reden  lassen. 

Yerhaltnissmässig  am  leichtesten  ist  die  Erörterung 
der  literarisohen  Yoraussetsungen»  auf  welehen  Grimmels- 
hausens Sehriftstellerel  beruht. 

Es  ist  allbekannt,  dasz  der  Simplicissimus  nicht  das 
erste  Buch  seiner  Art  ist»  welohes  in  Deutschland  er- 
sehien»  und  dasa  die  Spanier  das  Verdienst  der  Brfindung 
des  pikarcsken  oder  Schelmenromans  haben.  So  haben  wir 
denn  auch  schon  im  Anfange  des  vorliegenden  Bandes 
die  äehriften  kennen  gelernt»  welche  diese  Gattung  in 
Deutsehland  einführten,  des  Aegidius  Albertinus  Gusman 
mit  seiner  Portsetzung,  die  von  N.  Ulenhart  gelieferten 
Bearbeitungen  des  Lazarillo  und  der  Ghiunernoyelie  des 
Oenrantes»  sowie  die  Picara  Justina.  Dass  Grimmels- 
hausen diese  Blleher  kannte,  versteht  sieh  nieht  nur  Ton 
selbst,  sondern  ergiebt  sich  aus  einzelnen  directen  An- 
lehnungen» von  denen  ioh  nur  die  Erwähnung  der  künst- 
lichen Brutanstalten  su  Alkayr  und  des  Zuckerfaaatels  in 


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—  66  — 


Prag  herrorhebe,  weil  die  entere  beweist,  dass  Grimmele- 
haneen  die  ForteetsiiDg  des  Gusman  Ton  Freodenhold  be> 

nutzt  hat,  während  dio  letztere  seine  Bekanntschaft  mit 
ülenharts  Qaunernovelle  zeigt.  Dasz  GrimmeUhauaexi 
auch  die  ascetisoheii  Sehriften  spaniBcher  Yerfaaeer,  wie 
des  Gneyara,   und  swar  in  der  Yerdentschong  des 

Albertinus  kannte,  haben  wir  bereits  gesehen. 

Nooh  nicht  beachtet  ist  dagegen  bis  jetst  der  Umstand 
worden,  dass  Grimmelshaosen  anoh  ein  finnsösisehes  Buch 

kannte,  dessen  Einriclitung  und  Inhalt  den  pikaresken 
Aomanen  der  Spanier  und  seinen  Himplicianischen  Er- 
lAhlungen  sehr  nahe  steht  Dieses  Buch  ist  der  Francion 
▼on  Charles  Sorel,  dessen  deutsche  Uebersetsung  1008  er- 
schien, welchen  aber  Grimmelshausen  schon  im  Satyrischen 
Pilgram  II,  I ')  erwähnt,  aus  welchem  auch  zwei  Anekdoten, 
die  Ton  dem  Diener,  der  seinen  Herrn  loben  soll,  damit 
aber  wenig  Glttck  hat,  und  die  von  der  TirtuositAt  des 
Springinslohl  in  Blähungen  (Vogelnest  Thl.  I,  Cap,  .*i  und 
Springinsfeld  Oap.l2),  entlehnt  sind.  Die  letztere  Geschichte 
ist  unserem  Manne  so  anmerklioh  gewesen,  dass  er  sie  noeh 
einmal  in  seinem  Swigwtthrenden  Kalender  au^etischt  hat 
und  in  der  Oourasche  Cap.  17  darauf  anspielt,  ob  ihm  aber 
bekannt  gewesen,  dass  kein  geringerer  als  der  heilige 
Augustinus  die  Alteste  Quelle  derselben  ist*),  weiss  ich 
nicht  zu  sagen. 


')  Deshalb  und  da  die  Urschrift  französisch  ist,  welche  Sprache 
Orimmelshansen  jjeläufii?  war.  und  die  älteren  Autüfsiben  derselben  in 
Deutschland  jetzt  noch  nicht  .selten  sind,  ist  anzmiclimcn,  dasz  Grininiels- 
hausen  das  Buch  kannte,  ehe  die  Uehersetzuiif?"  erschien.  Vergl.  meine 
Abhandlung  in  der  Zeitschrift  für  ueufranzösische  Sprache  und  Literatur 

*)  De  emtttU  Dä  L  XIV,  esp.  j9A  NcmuM  ab  im  tme  jmSuurt 
«Od  «te  iMiHMrofot  jm»  orMrio  «onifci»  edM,     «b  «Ss  diaia  parte 
ILA  6 


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—  06  — 


Der  Inhalt  des  Franeiony  deesen  Held  mit  weit  mehr 

Keoht  als  Gusmau  oder  Lazariilo  ein  Vorläufer  des  Simpli- 
oiBBimus  genamit  werden  kann«  sohon  weil  er  sehr  Tiel 
mehr  Geist  hat  als  seine  spanisehen  Yettem,  ist  in  Kllne 
folgender.  Die  Erzählung  beginnt  damit,  dasz  der  alte 
Öcliloszvcrwalter  Yalentiu  in  der  Nähe  eines  Schlosses  in 
Burgund  Zaubereien  Tomimmt,  um  seine  mflnnliohe  Kraft 
wiedersuerlangen.  Er  hört  ein  Gtor&usoh,  ein  Mann, 
welchen  er  ftlr  den  in  seineu  Beschworungen  mehrfach 
angerufenen  Asmodi  hält»  erscheint  und  sagt  ihm  Erfoi- 
Inng  seiner  Wünsehe  an.  Als  er  hierauf  in  seinen 
Zaubereien,  die  er  yon  einem  Pilger  Namens  Franeion 
gelernt  hatte,  fortfährt,  wird  er  unvermerkt  an  einen 
Baum  gebunden,  fürchtet  sich  aber  um  Hilfe  au  schreieiL 
Inawischen  machen  drei  Bäuber  einen  Angriff  anf  das 
Schlosz.  Einer  ihrer  Genossen  nämlich  hatte  sich  dort 
als  Magd  vermiethet  und  liesz  jetzt  eine  ätrickleiter  herab, 
aber  auch  Iiaurettei  Valentins  junge  Frau,  hftngte  auf 
einer  anderen  Seite  und  au  einem  anderen  Zwecke  eine 
solche  heraus,  un  welcher  Olivier,  einer  der  Räuber,  der 
aber  gern  von  seinem  ruchlosen  Leben  und  seineu  Genossen 
sieh  losgesagt  hätte,  emporsteigt  Er  wird  yon  Lanrette 
als  ihr  Liebhaber  Franeion  empfiugen,  während  dieser  an 
der  von  der  vermeintlichen  Magd  herabgelassenen  Leiter 
herauf  klimmt.  Die  Magd  sagt  ihm,  dasz  er  nicht  der 
rechte  s^,  und  als  er  ihr  erklärt»  was  er  wolle,  theilt  sie 
ihm  mit.  Laurette  sei  unwohl.  Er  will  wieder  zurück- 
steigen,  aber  der  verkleidete  Räuber  wirft  ihn  durch 
Schütteln  herab,  er  fi&Ut  in  die  Wanne,  in  der  sich  der 

eantare  videantur.  Ein  ganzer  Abschnitt  äber  diesen  sehr  beliebten 
Gegfenstand  findet  sich  ün  Kartzweiligen  Zeitreitnibor  dnreh  0.  A  M. 
T.  W.  Oedrnckt  im  Jahr  1885.  &  a05  C 


^  er  — 

alte  Valentin  gebadet  hatte,  Yerletat  noh  den  Kopf  und 
bleibt  ohne  Besinnung  liegen.  Olivier  entdeckt  Lauretten, 
wer  er  und  ihre  Mag'd  Catherine  seien«  sie  beide,  die  an 
einander  sohnell  Gefallen  gefunden,  h&ngen  Catherine 
mit  aufgehobenen  Kleidern  yor  das  Fenater.  Ein  Räuber, 
den  Olivier  von  der  ersten  Strickleiter  herabgentoszcn, 
bleibt  an  den  Hosen  Laugen,  die  andern  zwei  machen 
sieh  daron,  naohdem  sie  Franoion  ausgeplOndert  Am 
Morgen  enteteht  ein  grosser  Auflauf  beim  Seblosse.  Ya- 
lentin  und  Francion  wiM-deii  gefunden,  dieser  wird  in  die 
Schenke  gebracht,  jener  vortuöcht  die  Öaohe  nach  Möglich- 
keit^ nm  nioht  mit  den  Gerichten  sn  thnn  su  bekommen, 
er  Iftsst  deshalb  auch  die  beiden  R&uber,  welche  die  Nacht 
ober  gehangen  hatten,  laufen.  Auch  Francion  macht  sich, 
nachdem  ihn  ein  Wundarzt  nothdörftig  verbunden  hat, 
eiligst  ans  dem  Btanbe  und  kommt  in  ein  anderes  Dor£ 
Hier  trifft  er  einen  Edelmann,  dem  er  erzahlt,  dass  er 
Lauretten  in  Paris  kennen  gelernt  und  mit  ihr  ein  Licbes- 
verhaltniss  angesponnen  habe.  Deshalb  sei  er  jetst  in 
Filgerkleidnng  hierher  gekommen.  Valentin  hatte  Ter- 
trauen  zu  ihm  gefaszt,  ihm  mitgetheilt,  wo  ihn  der  Schnh 
drücke,  und  Francion  war  es  gewesen,  der  ihn  an  den 
Baum  gebunden  hatte,  dann  aber  verunglttckt  var. 

In  demselben  Oasthanse,  so  filhrt  das  II.  Buch  fort» 
fand  Francion  noch  die  alte  Kupplerin  Agathe,  welche 
ihre  eigene  Geschichte  und  die  der  von  ihr  gefundenen 
und  snm  Handwerk  enogenen  Laurette  erzahlt  Agathe 
diente  in  ihrer  Jugend  bei  einem  Advokaten,  der  eine 
*  böse  Frau  hatte,  dann  machte  sie  die  Bekanntschaft  der 
Kupplerin  Perrette,  war  eine  Zeit  lang  die  Coucubine 
eines  Edelmanns  und  bestahl  diesen  mit  Hilfe  des  Knechtes 
Manault,  den  sie  sp&ter  in  Fans  als  Rftnber  wiederfhnd. 

5* 


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—  68  — 


Sie  kam  herunter  nad  half  ihren  TerhAltnisBen  erat  durch 
Iianrette  wieder  anf.  Dieee  wurde  BchlieesHoh  Ton  Alidan, 

welchem  sie  zugeführt  worden,  an  seinen  Schlosz Verwalter 
Valentin  verheirathet.  Nach  Beendigung  des  Gesprftehs 
nuMsht  sieh  Agathe  anf  den  Weg,  nm  Lanrette,  an  welohe 
sie  kupplerische  Bestellungen  hatte,  anfkoBnchen  nnd  sie 
zeigt  sich  auch  bereit,  Francions  Auftrage  ao  sie  auszu- 
richten. 

Franoion  DUurt  (Buch  IH)  mit  dem  Burgondiaehen 

Edelmann,  der  viel  Gefallen  an  ihm  gefunden,  nach  dessen 
Schlosse  und  erzählt  ihm  uoterwegs  einen  höchst  seit- 
eamen  aUegoriechen  Tranm,  den  er  hatte,  ala  sie  snaammen 
tthemachteten.  Der  Edelmann  gieht  eine  moralische  Ans- 
legiing.  Im  Schlosse  angekommen,  wird  Francion  zu  Bette 
gebracht,  der  Edelmann  setzt  sich  zu  ihm  und  jener  erzählt 
seine  Lehensgesohichte.  Sein  Vater  hatte  mit  seinem  Stief- 
Tater  einen  Prosess  nnd  erst,  naohdem  er  von  Advokaten 
und  Richtern  tQchtio:  gerupft  worden  wiir,  verglich  er  sich 
mit  ihm  und  heirathete  seine  Tochter,  deren  Sohn  Francion 
war.  Der  Knahe  ward,  da  er  Talent  eeigte,  Bum  Stndram 
bestimmt  nnd  nach  Paris  in  eine  Pension  gebraeht  Die 
Persönlichkeit  des  geizigen  und  eitlen  Pedanten  Horten- 
sius  wird  ausfohrlioh  geschildert  und  einiger  Schul- 
streiohe  gedacht  Das  Gesprftch  wird  dadurch  unterbrochen, 
dasz  Francion  das  Bild  einer  schönen  Dame  sieht,  für 
welche  er  groszcs  Interesse  zeigt. 

Franoion  filhrt  (Buch  IV)  in  seiner  Ersählnng  fort, 
indem  er  den  Unterricht  nnd  die  SohulkomOdien  der 
Anstalt,  die  er  besuchte,  satyrisch  beschreibt.  Hortensius, 
der  Schulmeister,  verliebte  sich  in  Fremonde,  die  Tochter 
des  Advokaten«  welcher  Francions  Pension  anssahlte. 
Deshalb  fing  er  an,  den  Herren  an  spielen  und  Torsnehte, 


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—  69  — 

er  Ton  Adel  and 

sehr  reioh  seL  Hierbei  kommt  es  su  der  von  Grimmels- 
hausen im  Vogelneat  benutzten  komischen  Scone.  Er  wird 
ausgelacht  und  zieht  aioh  grollend  zurück.  Fxanoion  gel^ 
wieder  sa  seinem  Yater,  man  redet  ihm  sum  Stadium  der 
Beehte  en,  wozu  er  jedooh  keine  Lust  hat  Der  Yater 
stirbt,  Francion  kehrt  nach  Paria  zurück,  um  sich  auf 
adlige  Uebungen  sa  legen  and  zu.  sehen,  ob  er  yielleioht 
bei  Hofe  ankommen  kenne.  Er  nimmt  im  Laatenspiel, 
Fechten  und  Tanzen  Unterricht  und  lernt  viel  aus  Lektüre, 
die  im  Gegensätze  zur  Schulgeiehrsamkcit  hervorgehoben 
wird.  Da  ihm  ein  £EÜsoher  Freund  mit  Namen  Bajrmond 
sein  Geld  wegnimmt,  gerftth  er  in  Dürftigkeit  and  kann 
sich  als  Edelmann  nicht  zur  Gcltuug  bringen.  Einen 
seiner  ohemaUgeu  Schulkameraden,  der  sich  als  sehr  un- 
befiUiigt  geieigt  hatte,  sieht  er  im  Besitae  einer  Baths- 
stelle,  die  ihm  sein  Reiohthnm  yersehaffi  hatte,  wieder. 
Wegen  seines  schlechten  Kleides  wird  er  im  Louvre  für 
einen  J&aufmanusdiener  gehalten  und  ausgehöhnt,  dann 
konmit  er  in  Verkehr  mit  Alohjmisten,  aber  seine  Mittel- 
losigkeit maeht  diesem  bald  ein  Ende.  Aneh  auf  die 
Poesie  legt  er  sich  mit  Eiier,  und  sie  gewährt  ihm  we- 
nigstens Trost  in  seinem  Unglück.  —  Der  Wirth  mahnt 
som  Sohlafengehen,  Frandon  bliebt  daher  seine  Ersählang 
ab,  naehdem  jener  noch  in  auffallender  Weise  nach  dem 
Diebe  Raymond  gefragt  hat. 

Am  nftobsten  Morgen  (Buch  Y)  setat  der  Held  seine 
Lebensgesohiohte  fort  Er  kommt  bei  einem  Baohhttndler 
mit  Poeten  zusammen,  von  deren  Dasein  und  Treiben  er 
eine  sehr  orgöuliche  und  interessante  Schilderung  macht. 
£r  erlernt  Yon  ihnen  die  neae  feine  Art  der  Poesie,  ohne 
jedoeh  vor  dieser  Kanst  eine  besondere  Achtung  sa 


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—  70  — 


gewinnen.  Obgleich  er  evl  einem  Ballet  bei  Hofe  Yeree 
machte  und  sie  der  Königin  oherreichte,  wodurch  er 

Gelegenheit  erhielt,  das  Feat  selbst  anzusehen,  hatt«  er 
doch  auch  mit  der  Schriftetellerei  kein  Glück.  Dagegen 
besannt  er,  nachdem  sich  seine  änsECren  ümstftnde  ein 
wenig  gebessert  haben,  der  schonen  Diane,  die  er  sehon 
früher  gesehen,  den  Hof  zu  machen.  Doch  ist  sie  ihm  un- 
treu um  eines  Lautenisten  willen,  der  nach  dem  Willen 
ihres  Vaters  wieder  einem  Adyokaten  weichen  mnss. 

In  gute  Verhältnirtse  gckonimcn  (Buch  VI),  stiftet  er 
mit  andern  jungen  Leuten  einen  Verein  ^des  braves  et  gSnS- 
rem*.  Als  die  Bltttheseit  dieses  Yereins  Toriiber  ist»  findet 
er  sein  Olück  bei  dem  reichen  und  vornehmen  Olerante 
und  schreibt  Satyren  wider  die  Thorheit  der  Menschen. 
Ein  gewisser  Oollinet»  welcher  halb  verrückt  ist»  wird  bei 
seinem  Gonner  Lustigmaoher  und  bringt  allerhand  Posaen 
vor.  Olerante  verliebt  sich  in  die  schöne  Luce,  Francion 
verfaszt  ihm  einen  Liebesbrief  und  macht  den  Werber, 
aber  Luce  verliebt  sich  in  ihn»  und  er  kommt  mit  ihr 
zum  Ziela  Dasselbe  thut  er  aber  auch  mit  ihrer  Zofe 
Flourence,  Luce  merkt  es  und  ergicbt  sich  doui  CleniDtc. 
um  Franoion  zu  ärgern»  welcher  also  dadurch  seinem 
Patron  das  yersohafflb,  was  er  will  Auch  mit  einer  Fnm 
aus  Tours  knüpft  er  ein  Terhftltnfss  an,  weiss  aber  ge- 
schickt ihren  Absichten  auf  seinen  Geldbeutel  zu  ent- 
gehen. 

Franoion  geht  (Buch  YII),  da  ihn  Anwandlungen  von 

Grübelei  und  Schwermuth  heimsuchen,  mit  Clerante  auf 
das  Land,  hier  aber  wird  ganz  in  der  alten  Weise  fort- 
gelebt Die  Beiden  verkleiden  sich  als  Musikanten  und 
Betteln  so  ein  Abenteuer  mit  einer  schönen  Btkrgersfrau 
an.  Dann  kehren  sie  an  den  Hof  zurück,  wo  sie  bei  dem 


—  71  — 

Könige  in  Gunst  kommen.  Die  Yenpottong  des  albernen 
Graüni  Bajamond  bringt  Franeion  in  grosse  Ge&hr,  da 

ihm  joner  auf  verrätherißcho  Weise  nach  dem  Leben 
trachtet  Ein  Duell  endet  für  Francion  günstig,  für  Baja- 
mond siemlich  schimpflioh«  Bei  dem  Prinsen  Protogenes 
maeht  sich  Franoion  durch  seine  Klugheit  beliebt.  Erst 
neuerdings,  nämlich  nachdem  er  sich  in  Laurette  verliebti 
hatte  er  sieh  von  ihm  getrennt 

Als  nun  Franoion  mit  der  Erslthlung  seiner  bisherigen 
Sehioksale  zu  Ende  ist^  stellt  sich  heraus,  dasz  der  ihn  be- 
herbergende Edelmann  jeuer  Raymond  ist,  yon  welchem 
er  einst  bestohlen  worden  war.  Da  Franoion,  ehe  er  dies 
wusste,  sehr  Obel  von  Raymond  geredet  hatte,  fSuste 
dieser  einen  heftigen  Zorn  gegen  ihn. 

Dieser  Zorn  (Buch  VIII)  war  aber  nur  Verstellung, 
und  bald  wird  Franoion  Yon  seinem  Wirth  su  hoohst 
«ussohweifenden  Festliohkeiten  eingdaden,  an  denen 
Männer  und  Frauen  aus  der  Nachbarschaft  thcilnehuien, 
unter  ihnen  auch  Laurette,  welche  von  der  alten  Agathe 
ohne  Wissen  ihres  Mannes  war  herbeigeholt  worden.  Es 
geht  grob  unsittlieh  zn,  Valentin  will  seine  Frau,  die  er 
auf  Raymonds  Schlosse  vcrnuithet,  abholen,  wird  aber  nur 
gefoppt.  Dann  begiebt  sich  Francion  auf  eine  Reise  nach 
Italien.  Auf  dem  Wege  dahin  hat  er  yersohiedene  Aben- 
teuer. Er  stiftet  auf  eine  siemlioh  obseOne  Weise  Frieden 
zwischen  einem  Giistwirthe,  der  sich  todt  gestellt,  aber 
duroh  eine  Blfthung  als  lebendig  verrathen  hatte,  und 
dessen  Frau.')  Dann  hOrt  er  Ton  einem  Qeishalse,  dessen 
Sohn  er  vor  dem  Sohuldgeföngnisse  besohützt  und  den 
er  zu  strafen  besclilioszt  Deshalb  giebt  er  sich  (Buch  IX) 

0  Hier  findet  sich  die  im  Springinsfeld  (Cap.  12)  und  im  Kalender 
Immtste  Anekdote. 


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—  72  — 


für  einen  Verwandten  des  geizigen  Du  Buisson  aus  und 
aacht  ibu  duroh  seinen  Besuoh  möglichst  in  Kosten  jui 
stOraen  imd  su  ftrgvrn.  Bin  Liebhaber  wird  bei  deeeen 
Tochter  ertappt,  aber  Franeion  weiss  den  Alten  sn  Ter* 
söhnen  und  zugleich  von  seinem  Laster  zu  heilen.  Darauf 
trifft  er  die  schöne  Nais,  in  deren  Bild  er  sieh  verliebt 
hatte,  und  die  dadurch  die  Teranlassnng  in  seiner  Beise 
nach  Italien  geworden  war,  in  einem  IVunzöriischen  Bade- 
orte, reist  in  ihrer  Begleitung  nach  Italien  und  wird  auf 
Ansttfien  sweier  Liebhaber  derselben  gefiuigeii  genommeo 
und  ausgesetst»  worauf  er  eine  Zeit  lang  unter  Landleotea 
lebt  und  wieder  mehrere  Liebesabenteuer  durchmacht.  So 
kntlpft  er  (Buch  X>  mit  Joconde,  die  ihm  bei  seiner 
Gartnerarbeit  susieht,  ein  LiebesTerhältniss  an.  Als  sie 
Yon  ihrem  Landanfonthalte  in  die  Stadt  lorttekgekeliri 
ist,  gelaugt  er  in  einem  Heuwageu  yersteckt  su  ihr.  Als 
er  wieder  wegeilt»  setst  er  sich  Ton  üngefithr  in  eine 
Banfte,  in  welcher  ein  Aufwiegler  transportirt  wurde  und 
kommt  vor  dem  Btadtkouiiiiaudanten  in  groszo  Gefahr, 
i^r  bcächlicBzt  darauf,  Nais  wieder  aufzusuchen,  reist  als 
Quacksalber  und  spielt  rersohiedene  Possen  mit  Bauern 
und  den  Weibern  derselben.  Bndlieh  gelangt  er  nadi 
Bom,  wo  er  Nais  und  andere  Bekannte  antrifft,  z.  B. 
Hortensius,  Ton  welchem  komische  Geschichten  erifthlt 
werden. 

Francion  (Buch  XI)  und  seine  Freunde  fllhren  eine 
ganze  Reihe  scherzhafter,  zum  Theil  literarischer  Gesprftehe 
mit  dem  narrischen  Hortensius.  Der  Held  der  Gesohiohte 
verlobt  sich  mit  Nais.  Br  hat  mit  Baymond  ein  sehr  ein- 
gehendes Gespräch  über  Schriftstellerci  und  Anonymität 
Hortensias  wird  glauben  gemacht,  dasz  er  zum  Könige 
Ton  Polen  gewählt  sei  Durch  eine  yon  (Baeh  XU)  seinen 


78 


beiden  Feindeii  Valerius  und  Ergaste  angesettelle  In* 

trig^e  wird  Francion  noch  einmal  bei  Nais  in  Un- 
gunst und  zugleich  in  den  Verdacht  der  Falsoh- 
mOnaerei  gebracht  Indeaa  die  Sache  Itet  sich,  na- 
mentlich durch  die  Energie  seiner  Freunde,  gOnatig» 
und  zum  Schlüsse  findet  seine  Vermählung  mit  Nais 
BtatL 

Man  sieht  ans  dem  Mitgetheüten,  dass  im  Francion 

eine  Menge  von  Elementen  vorliegen,  die  von  Grim- 
melshausen mit  Vorliebe  und  Geschick  behandelt  worden 
sind,  die  Anklftnge  des  Bimplioisaimus  an  Francion 
beschranken  sich  in  der  That  nicht  auf  die  direkt 
Terwendeten  Anekdoten')!,  die  schon  erwähnt  wurden, 
und  selbst  der  Stjl  des  Franaoaen  aeiohnet  sieh,  na^ 
mentlioh  in  den  froheren  Partien .  seines  Werkes,  durch 
Lebhaftigkeit  und  Klarheit  der  Erzählung  in  einer  Weise 
aus,  die  den  Kenner  des  Simplicissimus  fortwährend  an 
diesen  erinnert 

Wenn  also  Grinimolshauson  allerdings  auch  schon 
durch  solche  Arbeiten,  wie  sie  Albertinus  lieferte,  auf 
den  Gedanken  kommen  konnte,  dass  man  dergleichen  seiner 
Zeit  sehr  wohl  und  mit  weit  besserem  Ertrage  auf  deut- 
schem Boden  anbauen  könne,  so  muszte  ihn  der  viel  be- 
deutendere Francion  doch  noch  weit  mehr  au  einem  solchen 
Unternehmen  ermuntern. 


Die  Schildemng  der  Pension  bei  Hortensias  erinnert  an  den 
Aulenthalt  des  SimpUciüsimus  iu  Köln,  das  Quacksalbertreibeu  Francion.s, 
aeine  Betrachtungen  Aber  die  Wsiid«lbarkeit  menschlischen  Glückes,  die 
KiebtBwIlrdigkeit  md  ScUaiilieit  der  gemeineii  Weiber  Agathe  vnd 
Lanette  cnd  aadere  Zflge  finden  lieh  hi  den  ftimplieianlweben  Sehiiften 
wieder.  Vielleicht  wird  neb  jemand  die  leiebte  Aibeit  machen,  dieie 
Einselheiten  pedantisob  and  mit  Wichtigtbiierei  anflraiMdcn,  mn  meine 
Bebandlimg  als  «ungenttgend*  sn  oenairen. 


—  74  — 

Dan  sich  Grimmekbaiueo  aneh  in  der  sohon  aot 
längerer  Zeit  yorhandenen,  sowie  in  der  sieh  damals  eben 

weiter  entwickelnden  Untcrhaltiingsliteratur  aus  dem 
biüte  des  Kunstromans  —  wozu  auch  die  zahlreichen  üeher- 
setsongen  fransösisoher  Bomane  und  italienischer  Novellen 
sn  sählen  sind  —  grOndlich  umgesehen  hat,  ist  selbstyer^ 
8tändlich.')  Von  grröszerer  Bedeutung  aber  sind  einzelne 
Schrit'töteller  anderer  Art  für  ihn  geworden,  vor  allen 
Moscheroseh,  der,  wenn  irgend  einer,  als  ein  Yorlftufer 
unseres  Mannes  betraehtet  werden  kann.  Mehrere  Ab- 
schnitte in  den  Siniplicianischen  Schritten,  z.  B.  der 
Traum  Buch  I,  Cap.  15 — 17,  femer  von  ganzen  Schriften 
die  Mondreise  und  Traumgeschiehte,  sowie  die  yerkehrta 
Welt  sind  direkt  nach  und  mit  genauem  Ansehluss  an 
Philauders  Gesichte  bearbeitet ,  und  es  ist  interessant, 
dass  auch  hier  auf  die  spanische  Literatur  als  die*  Urquelle 
surdcksuweisen  ist.  Balthasar  Schupp  und  Legan  werden 
von  ihm  citirt,  tmd  mit  diesen  sowie  mit  dem  ebenfalls 
direkt  angeführten  Hans  Sachs  steht  er  in  angeborner 
Geistesrerwandtschaft,  sie  musaten  ihm  durch  ihre  Auf- 
fassung der  Welt  und  durch  ihre  Darstellung  üAr  Lihalt 
und  Form  seiner  Schriften  vielfache  Anregung  bieten. 

In  einer  anderen  Beziehung  als  die  bisher  genannten 
literarischen  Brscheinungen,  denen  man  einen  mehr 
oder  weniger  yorbildliohen  Binfluss  auf  den  Ver- 
fasser des  Simplicissimus  zuschreiben  kann,  stehen  zu 

•)  Da  die  seit  Opitzens  Argenis  holfähig  gewordeneu  Romane 
sich,  soweit  wir  ortheileu  können,  einer  raschen  und  allgemeinen  Yei^ 
bnitODg  erftenftea,  mttsaen  wir  GrimmelsbaiiBens  Bekumtschaft  mit 
allen  einigermanen  herforngento  Enchdniuigea  dieser  Art  toins* 
■etsen,  obgleich  er  TerhiltiiinnSadg  wenig  nnd  £ut  nur  ait  Seiten* 
hieben  (Anudis  In  der  Oonrasche  8,  Asienat  im  Yogebieet  ICs  Aresdia 
im         m,  18)  ihrer  gedenkt 


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—  75  — 

«einen  Werken  eine  Gruppe  von  Bflohem,  die  sa  seiner 
Zeit  sehr  sahlreiok  yorhanden  waren,  aber  noch  lange 
nicht  den  Höbepunkt  ihrer  Vermehrung  überschritten 
hatten,  die  unterhaltenden  und  populftr  belehrenden  Sam- 
melwerke, deren  Ansahl,  filr  uns  sohwer  begreiflioh»  aber 
ein  Beweis  der  groszen  Nachfrage  nach  ihnen,  in  der  That 
jeder  Besohreibung  spottet  und  den  emsigsten  Bibliographen 
ermatten  kann.  Diese,  wie  wir  bereits  an  den  Sohwank- 
sammlnngen  der  fimheren  Zeit  sahen,  seitig  in  Blflthe 
kommende,  aber  ihre  gröszte  Ausdehnung  und  ihren  all- 
gemeinsten Gattungscharakter  erst  im  XYIl.  Jahrhundert, 
wo  alles  aus  jedem  Gebiete  des  Lebens  und  des  Wissens 
Interessante  sieh  in  Anekdoten  sersplittem  konnte,  er- 
haltende Literaturgattung  war  gleichsam  ein  von  den  ver- 
schiedensten Fisohen  und  unzähligem  anderen  Gethier 
wimmelndes  Meer,  aus  dem  jeder  bequem  das  ihm  grade 
Passende  herauslangen  konnte,  um  seinen  Schriften  den 
vom  Zoitgeiste  geforderten  Kram,  Öenteuzen,  Anekdoten, 
Citate,  Wundergeschichten >  fromme  Gedanken,  Zoten, 
Liebliches  und  Schauerliches  und  Gott  weiss  was  noch 
alles  als  Schmuck  aufzuhängen.  Es  ist  längst  bekannt, 
dasz  Grimmelshausen  so  gut  wie  andere,  je  nachdem  sie 
BedOrfnisa  hatten,  aus  diesen  Quellen  geschöpft  hat  Be- 
sonders beaohtenswerth  ist  f&r  uns,  dass  keiner,  der  nicht 
wenigstens  einigermaszon  den  Umfang  und  die  Vielseitig- 
keit dieser  Hülfsquellen  kennt,  im  Stande  ist,  sich  von 
der  Gelehrsamkeit,  Belesenheit  und  der  gansen  Art  su 
arbeiten  eines  Schriftstellers  des  XVII.  Jahrhunderts  ein 
Bild  zu  machen.  Von  einem  Einflüsse  auf  Grimmels- 
hausens Darstellungsweise  kann  allerdings  nur  in  Bezug 
auf  die  wirklich  humoristischen  Sohwankbttoher  die  Bede 
sein,  aus  der  Thatsaohe  aber,  dass  er  die  Sammelliteratur 


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im  weitesten  Sione  viel  benuUt  h»^  werden  weiter  unten 
noch  andere  Sehlüase»  fireilioh  nefttiver  A^,  sa  dehen 
sein*)* 

Von  eiDem  ähnliohen  Gesichtspunkte  aus  ist  seine 
Belesenheit  in  der  Alteren  yolkstliamlielien  ünteriial- 
tnngsliteratnr  sn  beurtheilen.  Br  nennt*  den  Helden- 
Schatz  (das  Heldenbuch),  erwähnt  den  hörnen  Beifried, 
Dietrich  you  Bern,  Kdnig  Giebich,  Chrirnnhild,  Artus, 
Melusine,  den  Stauflmberger.  Eulenspie^l,  Faust,  Fortunat, 
den  ewigen  Juden  und  dergleichen  mehr,  sowie  viele  Le- 
goudeii belügen.  Es  handelt  sich  aber  in  den  Stellen,  wo 
diese  Namen  yorkommen,  immer  nur  um  Anspiehugea, 
und  Grimmelshausen  hat  hier  weder  BtoS  entlehnt  noeh 
Darstellung  gelernt 

Dagegen  sind  einige,  zum  Theii  grössere  Abschnitte 
in  seinen  Werken  Bearbeitungen  sehen  vorhandener  Br- 

s&hluDgeo. 

Hierher  gehört  aunftchst  die  etwas  schmutsige  Liebes- 
episode in  Frankreich  im  yierten  Budhe  des  Bimplidssimus. 
Kurz  hat  diese  Geschichte  bereits  bei  Bandello  aufgefunden, 
sie  steht  in  der  Ausgabe  Londra  1740  p.  IV  als  die 
25.  Novelle,  und  es  sei  bemerkt,  dass  sie  sich  nur  in  den 
vollständigen  Ausgaben  des  Bandello  findet.  Eine  fran- 
zösiscbo  Bearbeituug  derHclbeu  ist  in  das  Werk  ^Histoires 
tragiques  eatraües  des  oeuvres  Italiennes  du  Bändel  et  miu$ 
m  lanffuß  Fiwtpciae,  tarne  V  Birnen  1604^  aufgenommen.  In 
diesen  Vorlagen  ist  die  von  der  vornehmen  Dame  getroffene 
Veranstaltung  dadurch  motivirt,  dasz  sie  eine  junge  Wittwe 
ist,  ein  Zug,  den  Grimmelshausen  weggelassen  hat,  da  er 


*)  Aach  TOD  dea  Saaunelwerkea  sa  und  fttr  sieh  wird  ent  wiitar 
untea  (in  folgeadea  O^^itel)  sasfllnlieher  die  Bede  seia. 


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—  77  — 


ihn  nicht  bnraehen  konnte.  Anoh  Monsieur  Conrad  kommt 
hier  als  ein  tpeeUde  besOglioh  ap<ifOdoaiin  vor,  der  die  Ver* 
mitteluug  zwischen  der  wollüstigen  Dame  und  dem  jungen 
Manne  besorgt  Auch  Happel  hat,  wie  ebenfalls  schon 
Snn  hemerkty  die  Brs&blang  in  semem  akademischen 
Roman,  woTon  weiter  nnten  die  Rede  sein  wird,  benutst. 

Die  Episode  vom  Baldanders  im  YI.  Buch,  Oap.  9,  ist 
nach  Orimmelshansens  eigener  Andeutung  die  Bearbeitung 
eines  Sehwankee  yon  Hans  Sachs  (in  der  Kemptener 
Ausgabe  I,  1080  bei  Titnnann  II,  No.  7),  die  traurige 
Geschichte  yon  Andreolus  und  Cäcilie  in  der  dritten 
Oontinuation  des  Simplicissimus  ist  ebeDÜslls  yon  Hans 
Sachs  behandelt  worden,  Grimmelshausen  aber  hat  sie 
wahrscheinlich  einer  der  zahlreichen  deutschen  Ausgaben 
des  Decamerone»  wo  sie  die  7.  Novelle  des  IV.  Tages  ist» 
entnommen. 

In  der  Oonrasche,  dem  Springinsfeld  und  dem  ersten 
Theile  des  Yogelncsts  finden  aich  keine  Abschnitte,  die 
als  Bearbeitungen  fremder  Werke  su  beaeiohnen  wttren, 
obgleich  auch  hier  kleine  Anekdoten  aus  bekannten  Quellen 
und  andere  Entlehnungen  von  Einzelheiten  mehrfach  be- 
gegnen, dagegen  bietet  gleich  der  Anfang  des  sweiten 
Theüs  des  Yogelnests  den  bedeutendsten  und  umfang- 
reichsten Ahsehnitt,  den  Grimmelshausen  mit  eiemlieh 
genauer  Anlehnung  an  eine  fremde  Yorlage  gesehrieben 
hat.  Tittmann ')  hiLlt  fOr  die  nftchste  Quelle  ein  fransdsi- 
sehes  Buch:  Le»  Faoeun  ei  Ue  Dugrdeu  de  Vamour^  ou 

les  Aina?is  heurmXy  trornpis  ei  7nalheureu.i\  welches  uui  das 
Endo  des  XYII.  und  den  Anfang  des  XYIIL  Jahrhunderts 
in  einer  siemlichen  Ansahl  von  Auflagen  erschienen  ist 

')  Vor?],  seine  Austobe,  EinL  S.  XIX  (XI.  Bd.  der  deuteohsn 
Dichter  des  XYU.  Jahrb.) 


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—  78  - 

Allein,  ganz  abgesehen  davon,  dasz  eine  Ausgabe  dieses 
Buches,  welche  Grimmelshaiisen  der  Zeit  nach  hfttte  be- 
nntsen  können,  nicht  nachgewiesen  ist')»  kann  ich  weder 
Tittmanus  Behauptung,  dasz  „der  ganze  Abschnitt  vom 
fünften  bis  achten  Capitel  nichts  anderes  ist,  als  die  sehr 
genaue  Gopie,  ja  die  freie  Uebersetsung*  der  fransOsiBchen 
Noyelle,  beistimmen,  noch  Ton  meiner  1874')  ausgesproche- 
nen Ansicht,  dasz  Grimmelshausen  die  y^Ducento  novella 
1646 als  Vorlage  benutzt  habe,  abgehen.  Denn  eine 
genaue  Yergleichung  der  swei  Anspruch  erhebendeu 
Quellen  zeigt,  dass  die  üebereinstimmung  der  Details  — 
nicht  allein  in  Bezug  auf  die  Kapaunpastete  —  zwischen 
Grimmelshausen  und  den  deutschen  DucerUo  novella  grosser 
ist  als  die  swischen  ihm  und  den  Faoeun  ei  J)ugräe$$. 
Die  Erzählung  findet  sich  auch  im  BandeUo  und  dem 
Heptameron  der  Margucrite  von  Navarra,  doch  kann  ich 
nicht  entscheiden,  welchem  rou  beiden  die  Priorität  su- 
kommt  In  Besng  auf  (Emmelshausens  Bearbeitung 
küiimieii  nur  die  beiden  eben  besprochenen  secuudären 
Quellen  in  J:>'rage. 

Durchaus  anders  als  mit  dem  eben  behandelten  Ab- 
schnitte, wo  Grimmelshausen  sich  am  wenigsten  originell 
zeigt,  verhält  es  sich  mit  der  darauf  folgenden  Geschichte, 
da  der  Held,  der  in  eigener  Person  eraählt»  seine  ünsicht» 
barkeit  dasu  benutst,  einem  Judenmidchen  den  Glauben 
beizubringen,  er  sei  der  Prophet  Elias,  welcher  den  Messias 
mit  ihr  zu  zeugen  berufen  sei,  und  sie  auf  diese  Weise 


0  Mir  liegen  vor  die  6.  Ausgabe  Paris  1711  und  die  ft.  Xa  Mojfe 
1781.  TittmsDn  giel>t  ehie  o.  0.  and  Jahr  und  ehie  1006  (die  &> 
und  Jiträcn  dt  Berod  noch  dni  Ton  1709,  1710  und  1791  sa ,  sowie 
eine  der  AmamB  tnm§i9  y.  lOM. 

*)  üeber  GiimnebhausenB  SimpL  Sehiiften,  Breshm  1S7-L 


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—  79  — 


yerführt  Mit  Recht  sagt  Tittmauu,  dieser  Thcil  dürfe, 
»auf  der  Grundlage  einer  allbekannten  alten  Qesohichte 
auferbaut,  ein  dnroh  die  eigeothOmliehe  Kunst  der  Bear- 
beitung wohlerwurbcnes  Eigouthum  genannt  werden.')" 

Ein  ganz  eben  solches  ürthcil  wird  man  über  das 
Yerhaltniaa  Grimmelshausens  au  den  Quellen,  welche  er 
für  Josef,  Dietwald  und  Amelinde  und  Prozimus  und 
Lympida  benutzt  hat,  fällen  müssen,  so  verschieden 
bei  jeder  der  drei  Sohrifcen  dieselben  sein  IhOgen.  In 
keinem  Falle  darf  hier  yon  einer  Bearbeitung  fremder 
Sehriften  die  Rede  sein.^ 

Soweit  von  den  literarischen  Voraussetzungen  zu 
Grimmelshausens  Thatigkeit  als  Sohriftsteller,  die,  wenn- 
gleich wir  angeben  mflssen,  dass  im  Einseinen  unsere 
Einsicht  durch  zufällige  Aufschlüsse  noch  in  manchen 
Punkten  bereichert  werden  kann,  doch  von  der  Art  sind, 
dass  ein  wesentlich  anderes  Bild  von  seinem  Yer- 
fiibren,  als  welches  wir  uns  jetst  machen,  sich  schwer- 
lich jemals  gestalten  dürfte.  Weit  weniger  leicht  zu 
fassen    und   au    bestimmen   ist   das,    was   ihm  das 

')  lieber  die  jüdischen  Sagen  vom  Elias  und  die  zuerst  bei 
Olaarius  von  Heisterbach  auftretende  Geschichte  von  dem  darauf  ge- 
gründeten Betrage  gegen  ein  Jndenmidchen  veigL  die  betreffenden 
Abschnitte  hei  Knrs  nnd  Tittmann.  Letsterem  habe  ich  Ar  die  Wider- 
Isgnng  efaies  ?oa  mir  OrirnmelBhaasea  sa  Unieoht  gemsohten  Yorworftf 
die  er  anf  Seite  XXKÜ  seiner  Etnleitaag  giebt,  meinen  Denk  sns- 
sosprechen. 

*)  Den  Stoff  von  Dietwald  und  Amelinde  behandelte  vor  Grimmels- 
hansen  ein  Lied  »Von  dem  Grafen  von  Safoi"  (Liederbuch  aus  dem 
16.  Jahrliundcrt,  S.  330»,  für  das  historische  Beiwerk  hatte  er  leicht 
andere  Quellen  zur  Hand.  Die  kurze  Fassunc:  von  Proximus  und 
Lympida  im  Eathstübel  Plutonis  mag  sich  vielleicht  an  eine  bis  jetzt 
nicht  aufgefundene  Quelle  xiemlich  genau  anlehnen ,  die  ansfUuUehe 
Bearbeitung  im  Roman  man  als  original  nnd  aelbstiadig  betrachtet 
werden.  Die  Namen  Kyrologos  nnd  Prcndmns  ihide  ich  nirgends,  ein 
Kodestos  war  aar  Zeit  des  Kaisera  HeratliwB  Bischof  von  Jerasalem 


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—  80  — 


geistige  und  seliache  Leben  seiner  Zeit  an  Elementen 
bot»  ans  denen  er  den  Gehalt  seiner  Schriften  susammen- 
stellen  nnd  bilden  konnte.    Nnr  das  eine  ist  ^ns  klar 

und  gewisz  und  liegt  in  dem  ersten  Eindruck,  den  wir 
ans  seinen  Schriften  von  seiner  Eigenthomlichkeii  ge- 
winnen, dass  er  durchaus  ein  Kind  seiner  Zeit  ist»  mit 
anderen  Worten,  dasz  die  geistigen  und  moralischen 
Lebenselcmonte  seines  Zeitalters  8chr  zahlreich,  sehr  aus- 
geprttgt  und  sehr  objektiY-realistisch  in  seine  Geistespro- 
dukte flbergegangen  sind. 

Die  Auffassung  Gottes,  der  Natur  und  des  Menschen 
bilden  die  geistige  Signatur  einer  Zeit ,  formell  wie 
materiell  betrachtet,  das  heisst  sowohl  hinsichtlich  der 
Art|  wie  die  Zeit  zu  ihrer  Anflhssung  Gettos,  der  Natur 
uud  des  Menschen  gelangt,  als  hiusichtlich  dessen,  was 
diese  Ansichten  an  Begriffen  und  ürtheilen  enthalten. 
Aber  auch  die  gegenseitige  Stellung  und  Anordnung  der 
drei  Hauptrichtungen  des  menschlichen  Denkens  trigt 
viel,  oft  das  meiste,  zu  dem  individuellen  Charakter  eines 
bestimmten  Zeitgeistes  bei 

Der  universellste  —  ich  würde  sagen  der  deutlichste, 
wenn  die  Deutlichkeit  einer  Sache  nicht  Ton  dem  be- 
greifenden Subjekte  abhinge  —  der  universellste  Unter- 
schied des  Zeitgeistes  des  XYIL  Jahrhunderts  Ton  dem 
XYin.  besteht  darin,  dass  im  XYII.  noch  das  Bewnsst-  • 
smn  Ton  Gott  die  feste  und  yoraussetzungslose  Basis,  der 
sichere  und  an  und  für  sich  selbst  gewisse  Ausgangspunkt 
aller  Weltauffassung  ist  Das  finden  wir,  um  die  diame- 
tralsten GegensAtse  an^Bufioliren ,  ebensowohl  bei  den 
lutherischen  Theologen,  bei  den  religiös -pantheistischen 
Mystikern  und  bei  Spinoza.  Ueberall  ist  der  Begriff  Gottes, 
die  Empfindung  Gottes  das  ö6c  «oo  oc«  des  Denkens  nnd 


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—   81  — 


Empliiulcns,  sofern  es  sich  überhaupt  um  einen  Anlauf 
zu  eiuer  Welt-  und  Lobensautfassung  handelt.  Dies  hat 
seine  grosse  Bedeutung  für  die  Geschichte  der  Philosophie 
jenes  Jahrhunderts,  vielleioht  eine  noch  grössere  aber  f&r 
eine  populäre,  auf  Massenwirkung  angewiesene  Schrift- 
stellerei.  Denn  es  hängt  daran  für  den  Yolksschriltsteller 
wie  für  den  Tolksdichter  im  engeren  Sinne  die  ganse  mit 
den  allorplastischsten  realen  Gestalten  und  persönlichen 
Mächten  erfüllte  positive  Form  des  Christentbums.  Was 
wir  daher  bei  Faul  Gerhard  in  der  religiösen  Lyrik,  welche 
die  echteste  Lyrik  dieser  Zeit  Oberhaupt  ist,  beobachten 
können,  das  finden  wir  bei  Grimmelshausen  in  der  Prosa- 
dichtung,  sie  sind  die  beiden  letzten  groszen  Dichter 
unseres  Volkes,  die  von  dieser  Fülle  you  Yortheilen, 
welche  die  fortschreitende  Bildung  der  Poesie  entsogen 
hat,  ausgedehnten  Gebrauch  gemacht  haben.  Der  Satan, 
der  den  Frommen  im  Schlafe  zu  versclilingen  droht,  die 
Singel,  die  ihn  mit  ihren  Flügeln  bedecken  und  durch 
ihren  Gesang  den  Teufel  von  dem  Kinde  Gottes  ab- 
wehren, sind  denn  ducli  Verluste  für  die  Poesie,  und 
ein  reines  Woblgefaileu  am  wirklich  Poetischen  wird  ihnen 
niit  wahrerem  Schmerle  eine  Thräne  nachweinen  als  den 
uns  fremdartig  gewordenen  Göttern'  und'Öeroen  unserer  * 
heidnischen  Vorfahren,  wenn  sich  auch  einige  Dutzend 
hegelisch,  schoponhauerisch  oder  noch  specifischei*  «modern*^ 
göhildeter  Dichter  in  Prosa  und  Stabreimeil  bemühen 
sollten,  uns  die  mit  altnordischen  Namen  getauften  ge- 
spenstischen Ausgeburten  ihres  Hirns  als  unsere  eigenste 
Poesie  aufzudringen. 

In  wie  hohem  Grade  jenes'  uiilieirrte  Stehenif^iben 
bei  der  populärsten  Form  des  Gottesbewusztseins  seiner 

Zeit  Grimmelshausen  einerseits  befähigt,  volksthümlich  su 
IL».  6 


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—  82  — 


denken  und  eu  sohreiben,  andererseits  seinem  Denken 

und  Empfinden  feste  Greneen  vorschreibt,  läszt  sich 
bei  ihm  auf  jeder  Seite  erkennen.  Ebendamit,  womit 
er  nns  mittelalterlich  fremdartig  berühren  kann»  wenn 
wir  nicht  im  Stande  sind,  uns  tief  bis  auf  den  Grand 
der  Denkart  seiner  Zeit  zu  versetzen ,  wurde  er  lur 
seine  Zeit  gemeiufaszlich  und  wirksam,  deutlich  und 
klar  und  wiederum  von  einer  wohlthuenden  Wftrme 

•     

des  Ausdrucks  und  einer  unttbertreffliohen  Plastik  der 

Darstellung. 

Wenn  nun  auch  das  Gottesbewusztsein  den  festesten 
Punkt  in  dem  Zeitgeiste  des  XVlI.  Jahrhunderts  bildet, 

so  hinderte  dies  nicht,  dasz  man  den  Menschen  in  seinem 
sittlichen,  rechtlichen,  politischen  Dasein  ganz  empirisch 
auffasBte  und  bei  der  Betrachtung  des  Menschengeschlechtes 
und  Menschenlebens  durchaus  Tom  Binseinen  auf  das  All* 
gemeine  ging.  Dazu  hatte  jene  Zeit  eine  Menge  von  Yer- 
anlassungen,  zumal  in  Deutschland.  Eine  durchweg 
realistische  und  empirisch -objective  Auflassung  der 
menschlichen  Natur  und  der  menschlichen  Verhältnisse 
lag  von  allen  Seiten  her  nahe,  man  konnte  sich  über  die 
Menschheit  nicht  täuschen  —  wenigstens  nicht  su  ihrem 
Yortheil,  was  das  tausendmal  häufigere  ist  —  weil  die 
ftusserste  Noth  jeden  Augenblick  die  Grensen  mensch- 
licher Güte,  Grösze  und  £raft  aufdeckte.  Und  daher  ge- 
boren die  Vorstellungen  Ton  der  Schwäche  und  dem 
Elende  der  Mensehen  so  wesentlich  in  den  charakteristi- 
schen Lieblingsgedankcn  dieser  Zeit  wie  ihre  Gegenstücke, 
die  von  Macht  und  Glück.  Das  irdische  Jammerthal  und 
das  launenhafte  Weib  Fortuna  sind  die  Hauptmaterie  in 
allen  Lebensbetrachtnngen,  ein  Mann  wie  Wallenstein  und 
ein  Einsiedler  muszteu  die  Licblingshguren  einer  Zeit 


—  83  — 


werden,  welehe  ni  ihrer  Herrorbringang  am  geeignet- 
sten wer. 

£iue  80  beschaffene  Auffassung  der  mensclilichou 
VerhAltnisee  mnssto  daroh  BerQhrang  mit  dem  religiösen 
Zeitgeieto  su  einer  dualistischen  Ansieht  finhron,  die  nahe 
au  Miinichilisiiiü8  streifte.  Die  Menschheit  ist  derfirestalt 
dem  Elend,  in  das  sie  durch  sich  selber  «^eratheu,  dem 
tAnsohenden  Spiele  des  blinden  Glookes  und  der  Gewalt, 
die  dieses  einseinen  Menschen  verleiht,  preisgegeben,  dass 
sie  sich  theils  den  dämonischen  Machten  d(3r  Finsternisz 
in  die  Arme  wirft,  theils  nur  von  dem  Eingreifen  Gottes 
Heil  SU  erwarten  hat»  wie  es  sich  ihr  durch  die  kirchlichen 
Onadenmittel,  Wort  Gottes  nnd  Saoramente,  aber  auch 
sehr  häufig  durch  die  unmittelbar  mitwirkende  Hand 
Gottes  yermittelti  Teufel  und  Gott»  Zauberei  und  Keligion, 
Satansdienst  und  Sacrament,  dämonische  Yerstockung  und 
weltentsagende  Ascese  stehen  einander  nicht  unvermittelter 
gegenüber  als  bei  den  Jüngern  Zoroasters  das  Keich 
des  Ormusd  und  das  des  Ahriman.  Der  elende,  rer- 
Eweifelte,  yerstockte,  Qbermfltbige,  in  Sonde  Tersunkene, 
in  ßusze  zerknirschte,  im  Unglück  verschmachtende  und 
im  Glück  unsinnige  Mensch  wird  entweder  vom  Teufel 
geholt  oder 'Ton  Gottes  Engeln  gerettet 

Nur  in  leisen  Flügelschlägen  und  nur  dem  Kundigen 
und  sehr  Aufmerksamen  fühlbar  regt  sicli  schon  in  der 
allgemeinen  Bildung  des  XVIL  Jahrhunderts  der  moderne 
Geist  hinsichtlich  der  Naturauffassung.  Wohl  konnte  da- 
mals nicht  mehr  mönchisch  ^lehrter  Blödsinn  dicke  Bücher 
mit  Beschreibungen  und  Abbildungen  von  Naturgegen- 
stftnden  anfertigen,  die  es  entweder  gar  nicht  gab  oder 
die  gans  anders  beschrieben  und  abgebildet  wurden,  als 
man  sie  in  rerum  natura  sah,  denn  damit  würde  man  sich 

6* 


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—  84 


schon  in  woitereu  Kreisen  lächerlich  gemacht  hüben. 
Aber  die  die  g;ans6  moderne  Naturansehauiing  nach  ihrem 
Grundoharakter  bestimmende  Einsieht,  dass  man  auf 
methodischem  Wege,  durch  systematisches  Beobachten, 
durch  das  Experiment,  durch  Messen  und  Rechnen  su 
Natnrgesetaen  gekngen  konnte,  war,  wie  es  seheint»  noch 
GkheimnisB  der  Gelehrten,  und  Dank  der  misstraaisehen 
und  rücksichtslosen  Eifersucht  der  groszen  Mehrheit  der 
Theologen  besohränkte  sich  das  Naturinteresse  der  Ge- 
bildeten im  allgemeinen  Sinne  auf  religiöse  Natnrbe- 
traohtungfen  und  poedsohe  Naturempfiodungen.  Schliesz- 
lieh  domiuirlü  doch  in  den  meisten  Köpfen  die  kindische 
Anschauung,  das«  die  Allmacht  und  Weisheit  Gottes  um 
so  mehr  su  bewundem  sei,  je  unTerständlicher,  Terworre- 
ner,  zweckloser  und  widerspruchsvoller  das  sei,  was  sie 
geleistet,  und  dasz  der  liebe  Gott,  wenn  er  wirklich  ein- 
mal etwas  Erkleckliches  in  der  Welt  bewirken  wolle, 
genothigt  sei,  an  allen  Ecken  und  Enden  durch  Wunder 
an  seinem  Werke  nachzuhessorn.  Es  lag  in  der  That 
etwas  tief  Unehristliches  und  Heidnisches  sowohl  in  der 
dualistischen  Aufbssung  der  Weltsnstftnde  als  in  der 
supranatnralistisehen  Naturbetraehtung  joner  Zeit,  und 
die  Angst  der  von  dem  Ende  der  Langmuth  Gottes 
redenden  Theologen  hatte  etwas  Berechtigtes,  denn  es 
sah  wirklich  manchmal  so  aus,  als  ob  schon  alle  des 
Teuft)!»  wären.  Hier  nun  higen  aber  auch  fflr  die  besten, 
stärksten  und  originellsten  Geister  der  Zeit  die  Probleme, 
die  sie  su  lOsen  oder  mit  denen  sie  sich  wenigstens  sub- 
jektiT-indiyiduell  abzufinden  hatten,  hier  sehen  wir  die 
Unfähigen  heucheln,  lügen,  faseln  und  jammern,  die 
Fähigen  ihre  Eigenart  geltend  machen,  die  Wahrheit  als 
ihre  snlgectiYe  Wahrheit  in  der  oder  jener  Mischung  mit 


—  86  — 

Irribam  sa  ihrer  und  anderer  Anregung  and  Bemhigung 

finden.  Und,  so  traurig  in  violer  Beziehung  das  Bild  ist, 
welches  wir  uns  Yon  dem  geistigen  Zustande  unseres 
Volkes  um  die  Mitte  dee  XYIL  Jahrhunderts  in  maehen 
haben,  ein  gfinstigcr  Umstand  für  jeden  snr  Wirkung 
auf  das  Volk  veranlagten  Mann ,  nanu  ntlich  aber  für 
einen  Schriftsteller,  springt  leicht  in  die  Augen»  n&m- 
lich,  dasB  die  Hauptfragen  und  Interessen  der  Zeit  in 
den  weitesten  Kreisen,  vom  Kaiacr  Lerab  bis  zum  ge- 
meinen Soldaten  und  Tagelöhner,  Tom  Gelehrten  bis 
sum  Bauern  yerstAndlich,  weil  allgemein  üQhlbar  waren. 

Was  brachte  nun  Grimmelshausen  in  seiner  Persön- 
lichkeit, die  völlig  ausgereift  und  nach  jeder  Richtung 
hin  fertig  war,  als  er  die  Sohriftstellerlaufbahn  be* 
trat,  mit?  In  weloher  Ausrüstung  trat  er  den  ange- 
deuteten Zuständen  gegenüber?  Gleich  das  erste,  was  an 
ihm  aufiUUt,  unterscheidet  ihn  von  seinen  Fachgenossen 
im  heroisch-galanten  Genre,  nämlich  seine  Erfahrung. 
Nieht  als  ob  jene  gelehrten  Kunstpoeten,  mit  Opitsischem 
Stempel  legitimirt,  im  Jjcbcn  etwa  nichts  durchgeiiuicht, 
nicht  Welt  und  Menschen  gesehen  hatten,  aber  den 
Namen  eines  eriUirenen  Mannes  yerdient  ab  Schrift- 
steller keiner  von  ihnen.  Denn  dazu  gehört  nicht  allein 
die  Fähigkeit,  Erfahrungen  zu  machen,  und  die  Gelegen- 
heit hierzu,  sondern  auch  die  Fähigkeit  und  der  Wille, 
die  gemachten  Erlhhrungen  in  dem  Gebiete,  in  welchem 
einer  thätig  ist,  zur  ausgiebigen  Anwendung  zu  bringen. 
Grimmelahausen  steht,  weil  in  ihm  allein  alle  diese  Be* 
dingungen  erfüllt  sind,  allein  you  allen  Bomanschreibem 
des  XVII.  Jahrhunderts  in  vollem  und  lebendigem  Oontaot 
mit  seiner  Zeit,  oder  mit  andern  Worten,  seine  Bücher 
sind  die  Besultate  seines  Lebens,  die  Werke  der  anderen 


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—  86  — 


die  £*rQchte  ihrer  Leotüre  und  ihres  CollectaneenfleitMS, 
mit  etwas  formeller  Soholbildnng  g^emodelt  und  gesiert 

Die  Fähigkeit,  alles,  was  ihm  im  Lcbeu  begegnete, 
sowohl  im  Einzoluon  scharf  und  lebhaft  auizufassen  als 
aaoh  Yon  eiozelnen  WahmehmuDgen  aus  an  allgemeinen 
Begriffen  und  Gedanken  sn  gelangen,  war  ihm  in  eminen- 
tem Grade  augeburen.  Das  orstero  wird  recht  deutlich 
duroh  seine  Kunst,  einzelne  kleine  Dinge  wie  Kleidungen, 
Gerftthe  und  dergleichen  auf  das  anschanliohste  au  be- 
schreiben, und  duroh  seine  grosze  Neigung  zu  technischen 
ErtioduDgeu  und  mechanischea  Künsten,  mit  denen  er 
sieh  sein  ganzes  Leben  hinduroh  soheim  abgegeben  zu 
haben.  For  das  letztere  spricht  sein  nmfiwsender  nnd 
sicherer  Blick  lu  pulitisclie,  wirthschaltliche  und  sociale 
Verhältnisse. 

Dasz  eine  zweite  herrorragende  Sigensohafb  unseres 
Mannes  der  Humor  sei,  ist  längst  bekannt,  denn  sie  ist 

von  allen  diejenige,  welche  dem  Leser  dio  meiste 
Unterhaltung  bereitet»  Aus  zwei  GrOnden  ist  dieser 
Humor  in  einer  bewimdemngswordigen  Gleiehmftssigkeit 
nnd  Stetigkeit  Ober  das  Ganze  der  stmplicianischen 
Schriften  verbreitet,  einerseits  weil  er  aus  seiner  vor- 
zQgiiohen  Beobachtungsgabe  nnd  Fassungskraft  oder  viel- 
mehr duroh  diese  unmittelbar  ans  den  Dingen  selbst 
hervorging,  andererseits  trug  viel  hierzu  bei,  dasz  Grim- 
melshausen seine  Hauptwerke  yerfaszte,  als  er  im  reifen 
Mannesalter  stand  nnd  ans  einer  gesicherten  nnd  geachte- 
ten Stellung  auf  die  BtOrme  und  Verirmngen  seiner 
Jugend  zurückblickte.  Seiner  groszen  Ungezwungenheit 
wegen  macht  sein  Humor  einen  wohlthuenden  Kindruck, 
wozu  noch  kommt,  dasi  er  ans  der  innem  Rnhe  des 
GemQthes   und   dem  sichern  Urtheil  eines  gereiften 


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Verstandes  hervorgeht.  Seinen  wahren  Werth  und  seine 
tiefere  Berechtigimg  erbalt  aber,  wie  jeder  Humor,  so  auch 
der  Grimmelshausens  dureh  die  Ton  dem  Leser  ans  der 
Oesammtheit  seiner  Schriften  gfewonnene  üeberseugung, 
CS  mit  einem  Munuc  zu  tbuu  zu  haben,  der  sich  auch 
als  sittlicher  Menscii  mit  den  Dingen  dieser  Welt  wohl 
auseinandergesetst,  die  Begriffe  und  Urtheile,  die  er  im 
Leben  gewonnen,  nicht  allein  su  einer  auf  Yortbeil  ge- 
richteten Klugheit,  sondern  zu  dem  gediegenen  Schatze 
einer  tief  sittlichen  Lebensweisheit  zu  verarbeiten  ge- 
wnsst  hat, 

Ton  der  Sentimentalitftt,  der  so  oft  mit  dem  Humor 

zusammen  auftretenden  weichlicheren  Öchwester,  ist  unser 
Mann  durchaus  frei.  Auf  die  Frage,  ob  er  an  und  für 
sich  sarteren  und  feineren  Regungen  des  Gefühls  wenig 
scngftnglich  gewesen,  oder  ob  sein  Lebensgang  und  seine 
Zeit  die  Ursache  seiner  Derbheit,  welche  uns  Kinder 
einer  minder  harten  Zeit  oft  als  Rohheit  anmuthen  kann, 
gewesen  seien,  ist  nicht  yiel  su  sagen,  denn  Ton  allen 
Seiten  monschlicUcr  Eigenart  ist  die  Entwickelung  des 
JB)mpfindungslobens  am  moifiten  von  den  Einwirkungen 
des  fluszeren  Lebens  abhangig.  Eine  andere  Sache  aber 
ist  es  mit  moralischen  ürtheilen  ober  seine  Derbheit, 
über  die  ÜnverhüUtheit  seiner  Schilderungen  und  tlber 
die  Witze  und  Scherze,  die  er  nicht  unterdrückt,  wo  er 
Gemeines  oder  Absoheuliohes  darstellt 

Ich  gebe  zu,  dass  hier  schwerlich  ein  durchaus  ob- 
jectives  ürtheil  gewonnen  werden  kann,  und  möchte, 
wohl  wissend,  dass  ich  mich  mit  vielen  hier  nicht  werde 
verständigen  können,  nur  darauf  aufmerksam  machen, 
dass  wir  in  Grimmelshausen  einen  Mann  vor  uns  haben, 
der  You  der  tiefsten  und  echtesten  HeligiositiLt,  den 


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—  88  — 


gesnndesten  sittlichen  Gnmdefttsen  und  der  glähendsten 
Vaterlandsliebe  darohdrungen  ist,  dass  er  Freundesireue 

1111(1  Treue  im  Ilerrcudienst,  Piotüt  i^egcn  Eltern  und  über- 
haupt Yerwandtschaftsgefühl  auf  das  Schöoöte  zu  preisen 
weiss»  dass  er  endlich  gleich  kohn  nnd  männlich  das 
Schwert  und  die  Feder  gefohrt.  Wenn  nnn  ein  solcher 
Mann  mit  fester  ILiud  in  das  Leben  hineingreift,  wo  es 
eine  blntboureiche  Aue  und  wo  es  ein  8umpf  yoU  Schmuts 
und  Ungesiefer  ist,  uns  das,  was  er  ergriffen,  mit  lebendi- 
gen Worten  beschreibend  und  belehrend  Tor  die  Augen 
hält,  und  niaucbmal  über  dem  Scbmutz  und  die  Scheusale, 
die  er  erüasst  hat»  seine  geistvollen  nnd  männlich  schönen 
Zuge  sich  au  einem  Lächeln  oder  wohl  auch  Gelächter 
verziehen,  so  hat  er  dazu  ein  Recht,  oder,  wenn  ich  mich 
hier  irre,  so  mag  ich  wenigstens  am  Scbreibtisch  und  auf 
dem  Katheder  darüber  nicht  moralisiren  nnd  Überlasse  das 
gern  andern,  welche  in  diesen  Positionen  das  Recht  su  be- 
sitzen glauben,  sich  vor  keinem  Genius  und  keinem  llol- 
den  zu  beugen. 

Eine  wohl  an  diesem  Orte  am  besten  zu  bemerkende 
Sinselheit  in  Grimmelshausens  Charakter  als  Schriftsteller 
und  als  Mensch  ist  seine  Geringschätzung  des  weiblichen 
Geschlechts.  Im  Simplicissimus  ist  sie  an  der  Person 
des  Helden  sehr  geschickt  psychologisch  motivirt  und 
auch  Yon  ihrer  moralischen  Seite  sehr  richtig  dargestellt, 
insofern  gezeigt  ist,  dasz  ein  Jüngling  und  Mann,  der 
sich  so  wie  Simplicissimus  au  dem  weiblichen  Geschlecht 
stellt,  gerade  mit  den  Frauen  in  Yerbindung  treten  wird, 
bei  welchen  er  schlimmen  Erfahrungen  nicht  entgeht 

Von  der  Bildung,  mit  der  ausgerühtet  Grimmelshausen 
seine  Schriftstollerlaufbahn  betrat,  kann  man  sich  leicht 
eine  falsche  Vorstellung  machen.    Die  Frage  hängt  mit 


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der  anderen  zusammen,  wie  er  seine  Jugend  zugebracht, 
und  hier  stehen  sich  nieht  die  £rwftgiingen  gegen- 
ober,  ob  er  das,  was  er  seinen  Helden  erzfthlen  läszt, 
alles  selber  erlebt,  oder  ob  er  seine  Erzählungen  nur  aus 
Bnohern,  Brieten  und  mündlichen  Berichten  zusammen- 
getragen. Beides  ist  abzuweisen,  ersteres  im  Hinblick  auf 
den  Blocksberg,  den  Mummelsee  und  anderes,  letsteres 
wegen  seiner  genauen  Konntnisz  des  Kriegswesens  und 
Soldatenlebens  seiner  Zeit,  der  oft  mit  B.echt  gepiieseuen 
Ansohaulichkeit  seiner  Schilderungen  sowie  wegen  seiner 
directen  Angaben  in  Stellen,  wo  er  selbst  als  Bchrifitsteller 
von  seinem  früheren  Leben  redet.  Die  Annahme  aber, 
dass  er  seine  jungen  Jahre  als  Soldat,  zum  Theil  wohl 
auch  in  einer  sonstigen  unsteten  Lebensart  zugebracht, 
hat  eich  mit  roUem  Recht  allgemeine  Geltung  erworben, 
und  nur  Unkritik  oder  Hyperkritik  wird  daran  Wesent- 
liches andern  wollen.  Yen  einer  regulären  Schulbildung 
kann  abo  keine  Bede  sein,  und  es  liegt  nach  meiner 
üeberzeugung  auch  kein  Grund  vor,  zu  glauben,  dasz 
Grimmelshausen  sich  eine  solche  späterhin  vollständig 
angeeignet  habe.  In  den  klassischen  Sprachen  hat  er  es 
sicher  nicht  weit  gebracht,  seine  Eenntniss  des  Alter- 
thums in  dem  Umfange,  wie  sie  in  seinen  Schriften  vor- 
liegt, konnte  er  sehr  leicht  aus  den  Sammelwerken  schöpfen, 
auf  die  ich  bereits  hingewiesen  habe,  und  die  Wahr- 
scheinlichkeit, dasi  er  dies  wirklich  gethan,  erhält  durch 
die  Ungcnauigkeit,  mit  der  er  vieles  vorbringt  und  die 
ein  charakteristisches  Kennzeichen  des  grOsztcn  Theils 
dieser  Bücher  ist,  eine  bedeutende  Stütse.  Wir  haben 
schon  gesehen,  dasz  er  Ratio  Status  als  Mascolinum  braucht 
und  Pluto  mit  Plutos  verwechselt,  diese  Fehler  sind  aber 


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—  90 


nur  Typen  vieler  anderer,  die  jeder  leicht  finden  kunn, 
und  die  aioh  kaum  anders  erklftreu  lassen.  Die  fransösi- 
8ohe  Sprache  wird  er  theils  aus  mflndlichem  Gebrauche» 
theilfl  durch  Lektüre  gfelemt  haben,  so  das«  er  den  fliegen- 
den Wandersmann  übersetzen  und  den  Fraucion  gut  ver- 
stehen konnte,  vom  Spanischen  durfte  er  nur  einige 
Brocken  gekannt  haben,  Italienisoli  yielleioht  mehr,  wenn 
auch  Oitate  aus  italienischen  Dichtern  mit  Uebcrsetsung 
nicht  viel  beweisen.  Dagegen  musz  er  theologische 
Schriften  viel  gelesen  haben  und  ein  Liebhaber  der  Physik, 
Mathematik,  Astronomie  und  Astrologie  gewesen  -sein,  wo- 
von namentlich  sein  Kalender  ein  Beweis  ist.  Geschichte 
lernte  er  theils  aus  grösseren  suBammenhAugendcn  Ge- 
echichtswerken,  theils  aus  jenen  Sammelwerken,  die  dasn 
im  reichsten  Masse  Gelegenheit  boten,  wenn  man  eben 
die  Ansprüche  jener  Zeit  machte.  Auf  eine  ähnliche 
Weise  mag  er  sich  auch  die  su  seinem  Amte  nothwendi- 
digen  juristischen  Kenntnisse  erworben  kaben.  Wir  haben 
keinen  Grund,  daran  su  zweifeln,  dasz  er  in  seiner  Jugend 
deuaelbeu  Bildungsgang  nahm  und  sich  dasjenige  Wissen 
aneignete,  wie  er  es  von  seinem  Helden  Simplicissimus 
ers&hlt.  Grimmelshausen  war,  wie  er  uns  in  seinen 
Schriften  entgegentritt  und  nach  dem,  was  wir  von 
seinem  Leben  vermuthen  können,  kein  Gelehrter  nach 
dem  Massstabe  des  XYIL  Jahrhunderts,  sondern  ein  hoch* 
begabter  Autodidakt  nnd  Eklektiter,  dessen  Bildung  Zu- 
sammenhang und  Abruudung,  worin  sie  die  der  Ge- 
lehrten jener  Zeit  bedeutend  Oberragt,  durch  das  Leben 
selbst  erhielt 

Die  beste  Beleuchtung  und  Bestätigung  alles  dessen, 
was  über  die  objectivon  und  subjectiven  Factoren  einer 
so  herrorragenden  literarischen  Brscheinung  gesagt  werden 


kann,  ist  das  Resultat  derselben,  dasjenige,  was  der  geniale 

Mann  aus  dem  Geiste  seiner  Zeit  und  aus  sich  selbst  für  seine 
Zeit  und  «die  liebe  Posterit&t**  geleistet  hat  Wenn  bis  in 
unsere  Tage  anoh  yiel  Einseitiges  und  Oberflftehlidies  ober 
den  Simplicissimus  gesagt  worden  ist,  eines  ist  immer  allge- 
mein anerkannt  worden,  nämliob  dasz  uns  in  dieser  Er- 
sählung  ein  Oberaus  wahres  und  lebensTolies  Bild  der 
damaligen  Zeit  überliefert  ist  Man  hat  Orimmebhausens 
Schriften  als  Memoiren  und  als  Quellen  zur  Geschichte 
des  dreiszigjahrigen  Krieges  bezeichnet,  und  ioh  meine, 
dass  eine  solche  Auffassung  wenigstens  nicht  gerade  ab- 
geschmackt ist,  wenn  man  diese  Schriften  eben  nur  so 
weit,  als  Memoiren  es  sein  können,  als  Quellen  gelten 
lAsst  Daran,  dass  er  Geschichte  habe  schreiben  wollen, 
ist  allerdings  nidit  su  denken,  auch  nicht  in  dem  Grade, 
wie  viele  Memoirenschreiber  sich  einbilden,  es  zu  thun, 
da  er  die  äuszeren  Erlebnisse  und  die  innere  Entwickeluog 
seiner  Helden,  die  nichts  weniger  als  historische  Personen 
sind,  sum  einsigen  Gegenstande  seiner  Darstellung  hat 
Damit  susammen  hangt  auch  das  Zurttcktreteu  der  soge- 
nannten historischen  Thatsachen  —  Schlachten,  Belage- 
rungen, Handlungen  leitender  Persönlichkeiten  —  hinter  die 
den  Fortschritt  des  Romans  als  solchen  bedingenden  HotiTe, 
doch  sind  auch  in  solchen  Dingen  unserem  Manne 
nur  gans  unbedeutende  und  yerschwindend  wenige 
Fehler  naohsuweisen.  Die  gewiegtesten  Kenner  des 
XVIL  Jahrhunderts  werden  aber  nicht  im  Stande  sein, 
die  geringste  Incorrecthcit  in  der  Detuilzeichnung  des 
historischen  und  localen  Hintergrundes  aufiiuiinden,  und  in 
eben  solchem  Masse  ist  die  noch  viel  mehr  su  bewundernde 
Treue,  die  historische  Wahrheit  als  sittliche  Eigeuachaft, 
die  nirgends  einer  unberechtigten  BukyectiyitAt  auf  die 


—   92  — 


Wiedergabe  der  Wirklichkeit  Einflusz  gestattet,  vorhanden. 
Der  Ausdruck  Realismus  ist  heutzutage  cum  Gebrauche 
in  der  Charakteristik  Ton  Bohriftsteliem  und  Diohtem 
nicht  sonderlieh  geeignet,  denn  man  misabraneht  ihn  an 
sehr  zur  Bcschüniguug  der  verwerflichsten  Auswüchse, 
man  beseichnet  mit  ihm  die  Nichtachtung  der  SohOnheita- 
gesetae  aua  blosaer  snbjectiver  ün&higkeit,  ja  sogar  die 
Fähigkeit,  mit  der  Sinnenscbarfe  des  Schwarzviohs  das 
H<lszliche  und  Schmutzige  in  der  Welt  und  im  Menschen- 
leben  aur  Darstellung  auaauauchen.  Wir  brauchen  anch 
diesen  Ausdruck  nicht»  um  die  Denkart  und  Kunat- 
Übung  eines  Schriftstellers  zu  bezeichnen,  der  Welt  und 
Menschen  mit  den  Augen  eines  gereiften  Mannes  anstatt 
durch  daa  rosenrothe  Qlas  jugendlicher  UeberachwftngUch- 
keit  und  Beschrflnktheit  ansieht,  aber  wir  mQssen,  wollen 
wir  anders  nicht  das  Recht  GrimTnelöhauscus  auf  seine 
Darstellung  verkennen,  uns  darüber  klar  werden,  dasz 
unsere  Zeit  mindestens  kein  Beeht  hat,  von  einem  Schrift- 
steller einer  früheren  die  Yersiohtleistung  auf  Wahrheit, 
in  der  sie  sich  selbst  gefällt,  zu  verlangen.  Ich  lasse 
jedem  seine  Meinung,  namentlich  Frauen  und  jungen  Jüeu- 
ten  unter  fQnfundawanaig  Jahren,  aber  meine  Meinung  ist, 
dasa  Grimmelshausen  ein  Liigner  wftre,  wenn  er  Welt  und 
Menschen  anders  dargestellt  hätte,  als  er  es  gethan.  Die 
Wahrheit»  au  deren  Darlegung  Verstand  und  Talent  sitt- 
lich Yerpflichten,  ist  um  ihrer  selbst  willen  da  und  darf 
nicht  zur  Erzeugung  optimistischer  Irrthümer  verfölscht 
werden.  Wenn  auch  unsere  Zeit,  Gott  sei  Dank, 
von  der  Grimmelshausene  in  Tiden  Beaiehungen 
sehr  zu  ihrem  Yortheil  Terschieden  ist,  so  trifft  doch 
unsere  heutige  Belletristik  der  sehr  schwere  Vorwurf, 
dasa  sie  sich  häufig  trotz  des  «Realismus*",  mit  dem  sie 


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—  08  — 


prunkt,  gegen  jenes  G^ete  der  Lebenswahrheit  yergeht, 
und  dämm  haben  wir  bei  allen  anerkennenswertfaen  Er- 
rungenschaften auf  diesem  Gebiet  dem  wabrhufteaten 
deutsoheu  JElomansohreiber  gegenüber  besoheiden  su 
schweigen  und  von  ihm  su  lernen. 

Doch  wenden  wir  unsere  Aufmerksamkeit  einzelnen 
bestimmten  Dingen  zu!  Was  zunächst  Grimmelshausens 
Yerhftitniss  au  den  literarischen  Produeten  anlangt,  die 
man  in  dem  oben  angedeuteten  Sinne  als  Yorlftufer  und 
Vorbilder  seines  SimpIiciEisimus  betrachten  kann,  so  genügen 
hier  einige  Bemerkungen  darüber,  wie  weit  er  jene  iu 
dem  einseinen  Blementen  seiner  Schrift,  so  su  sagen 
in  den  einseinen  Gliedern,  woraus  sich  hier  und  dort  in 
analoger  Weise  der  Körper  zusammensetzt,  ttbertrolfcn 
bat.  Während  im  Gusman  die  mangelnde  Gestaltungs- 
krafi  sich  an  allen  Enden  seigt  und  in  der  deutseben 
Bearbeitung  die  Brsählung  noch  dürftiger  gemacht  wird, 
als  sie  im  Orit^iiuil  ist,  während  vollends  die  deutsche 
Bearbeitung  der  Justina  ein  von  äuszerster  ünlUhigkeit 
in  der  erzählenden  Prosa  sengende  genannt  werden 
kann,  spielt  bei  Orimmelshausen  in  richtiger  Sehfttssung 
dessen,  was  der  Uouiunfjciireiber  in  erster  Linie  leisten 
soll,  die  JBrzählung  immer  die  Hauptrolle  und  ist  mit 
grossem  Geschick  und  Tieler  Kunst  bebandelt.  W&brend 
in  jenen  Boobern  die  Discurse  Oberaus  alberne  und  leere 
Spielereien  oder  matte  Compilationen  sind,  weisz  ihnen 
Grimmelshausen  awar  nioht  immer,  aber  doch  sum  grossen 
Theil,  einen  anregenderen  und  gediegeneren  Inhalt  zu 
geben.  Die  Oita|B  sind  im  Gnsman  geradezu  abgeschmackt 
und  widersinnig,  schon  durch  ihr  Uebcrmasz,  bei  Grim- 
melshausen erstens  im  YerhAitniss  zur  Zeitsitte  sparsam» 
zweitens  aber  auch  immer  yiel  besser  an  ihrer  Stelle. 


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94  — 


Die  beBobreibenden  Absobnitte  ateben  dort  niemals,  bei 
GrimmelsbauBen  immer  mit  dem  Oesammtplan  und  den 

vorherrschenden  Gedanken  der  Erzählung  oder  den  Schick- 
salon der  Helden  in  organischem  Zusammenhange,  kurz  und 
gut:  dort  finden  wir  eben  keinen  Geist,  und  bei  Grimmels- 
hausen finden  wir  Geist,  eigene  Gedanken,  Kunstgeübtfaeit 
und  gesunden  Sinn.  Und  wenn  wir  die  Personen  der  Er- 
zählung betrachten,  so  haben  jene  Autoren  gar  keine 
Ahnung  yon  der  Notbwendigkeit,  den  Leser  fftr  ihre  Ge- 
schöpfe SU  interessiren ,  Grimmelshausen  kennt  nieht 
allein  die  Wichtiejkeit  dieses  Bedürfnisses,  sondern  be- 
sitst  auch  die  Mittel,  es  auf  eine  yortreffiiche  Weise  so 
befriedigen. 

Dass  die  Simplicianischen  Schriften  zum  Francion  in 
einem  näheren  Verhältnisse  stehen,  ist  bereits  oben  her- 
Torgehoben  worden,  daher  hier  nur  weniges  sur  Beleuchtung 
der  selbststftndigen  YorsOge  unseres  Mannes  dem  Franso- 
sen  gegenüber  hinzuzufügen.  Die  Selbständigkeit  Grim- 
melshausens zeigt  sich  am  deutlichsten  darin,  dasz  der 
grössere  Theü  seines  Stoffes  aus  anderen  liebenakreisen 
genommen  ist,«  als  wo  Sorel  seine  Modelle  fand.  Die 
Personen  gehören  im  Francion  dem  Adel  und  dem  Go- 
lehrteustande  an  und  die  Zeiten  sind  durchaus  friedliche^  der 
grösste  Yonsug  liegt  aber  meines  Bradhtens  in  der  tiefen 
und  klaren  sittlichen  Lebensansohauung  in  den  Simpli- 
cianisclicn  Schriften,  wovon  eigentlich  im  Francion  gar 
keine  Bede  sein  kann,  da  die  moralischen  Charaktere 
der  Personen  nicht  interessiren.  Zu  diesen  Yorsägen 
kommt  als  nicht  unbedeutender  formaler  die  viel  gröszere 
Gleichmäszigkeit  der  epischen  Darstellung  hinsu,  der 
deutsche  Schriftsteller  hat  sich  durchweg  Mühe  gegeben 
und  seine  Kunst  mit  Aufrnerksamkeit  und  üeberlegung 


an  allen  Stellen  g^efibt,  w&brend  der  franiteieche  raerst 

sehr  gut  erzählt,  später  sich  gehen  läszt,  in  der  Erzählung 
matt  und  oft  flüchtig,  in  den  Dieoursen  breit  und  schlep- 
pend wird. 

Um  das  in  den  Bimplioianisohen  Sehriften  Tor  uns 

entrollte  Bild  an  und  für  sich  zu  betrachten  und  zu 
würdigen,  müssen  wir  begreifen,  dasa  es  sieb  bier  niobt 
bloa  am  ein  Bild  seiner  Zeit  als  solober  bandelt,  sondern 
daaz  des  Verfassers  grösztes  Verdienst  darin  besteht,  uns 
in  diesem  Zeitbildc  zugleich  ein  allgemein  gültiges  Lebens- 
bild Ton  bleibendem  Wertbe^  weil  von  bleibender  Wabr- 
beit  geliefert  an  baben.  Yon  diesem  Gh)sicbtspunkte  ans 
will  auch  die  Gliederung  des  Ganzen  und  die  Gruppirung 
der  einzelnen  Tbeile  betrachtet  und  beurtheilt  sein. 

Den  Hintergrund  bildet  der  dreisaigjftbrige  Krieg. 
Dnnkel  einerseits,  ansobanlieh  nnd  grell  belenobtet 
andererseits  ist  dieser  Hintergrund  in  hohem  Grade.  Es 
bedurfte  keiner  besonderen  Kunst,  von  dem  Interesse, 
welohes  er  an  sieh  selbst  bot,  für  das  ganae  Bild  Yortheil 
au  ziehen,  ein  hohes  Verdienst  Grimmeisbausens  aber 
besteht  dariu,  dasz  er  sich  in  der  Auswahl  und  Aufnahme 
des  Interessanten  au  mässigen  wusate.  Er  sobildert  mit 
richtigem  Takte  das  Leben  im  dreisaigjäbrigen  Kriege, 
nicht  die  politisclien  und  militärischen  Ereignisse.  Die 
grossen  Begebenheiten  und  die  bistorischeu  i:*ersonen  zeigt 
er  uns,  wie  schon  angedeutet»  entweder  bloss  aus  einer  ange- 
messenen Entfernung,  oder  aber  in  einem  leicht  au  über- 
blickenden Detailbildchen  eines  herausgegriffenen  kleinen 
Tbeiles.  Aber  wie  gescbiokt  ist  die  derartige  Einführung  des 
Grafen  von  Thum  und  des  Treffens  bei  Wittstoek,  und 
wie  hoch  steht  er  durch  seine  Bescheidenheit  über  den 
Memoiren  und  seinsollenden  historischen  Komanen,  die 


—  Ö6  — 

mit  plumper  Hand  nur  immer  nach  den  hOchatstebenden 

und  grösztcn  Persönlichkeiten  Reifen,  um  durch  den  Stoff 
oder  eigentlich  durch  blosze  Namen  das  sonst  ihnen 
fehlende  Interesse  an  erawingen! 

Somit  bewegft  sieh  Grimmelshausen  in  den  mittleren 
und  Untertan  Schichten  der  Gesellschutt,  wie  sie  sich  in 
jenen  Zeiten  «rliederlen.  Die  Soldaten,  welcher  Stand  durch 
die  Zugehörigkeit  des  ersten  Haupthelden  sogleich  in  das 
Oentmm  gestellt  ist,  der  Adel,  der  Börger-  und  Gklehrten- 
stuod,  die  Bauern  und  nicht  um  wenigsten  diis  fahrende 
«Gesindlein*",  Bettler,  Landstörtzer,  WallbrQder,  Zigeuner, 
alle  werden  stets  in  ihrer  Beaiehung  an  den  Ereignissen 
und  Zuständen  des  Zeitalters,  sei  jene  nun  eine  active  oder 
eine  passive,  vorgeführt  und  stets  aus  eigener  Anschauung. 
Denn  auch  da,  wo  er  Stoff  entlehnte,  nahm  er  die  Detail- 
ausfnhmng  immer  aus  dem  reiohen  Schatze  eigener  Le- 
benserfiihrung,  gleich  einem  Maler,  der,  wenn  er  auch 
erdichtete  Wesen  zu  malen  hat,  dennoch  nicht  yergiszt, 
dasa  er  seine  Studien  an  wirklichen  Menschen  machen 
musa. 

Der  Soldatenstand,  der  in  allen  seinen  Abstufungen, 
vom  Pikenier  bis  zum  Generalissimus,  vom  Springinsfeld 
bis  zu  Johann  ron  Werth  und  Wallenstein,  fiQr  jene  Zeit 
ohne  den  Beigeschmack  des  Abenteurerthums,  das  mit  dem 
Glück  va  banque  spielt,  nicht  Torstellbar  war,  hndet  die 
zahlreichsten  und  detaiUirteiten  Reprftaentanten.  SimpU- 
eissimus  selbst,  Springinsfeld,  Gourasohe  und  eine  Anzahl 
von  Nebenpersonen,  welche  kleine  aber  bezeichnende  Züge 
darstellen,  wie  der  junge  Horzbruder  und  sein  scheuaz- 
Hohes  Gegenbild  OUvier,  Bamsaj,  |der  Oommandant  Ton 
Hanau,  der  doUe  Fähnrich,  welcher  nicht  hochdeutsch 
reden  kann,  der  rasende  Lieutenant,  welcher  den  alt^u 


—  97  — 


Hertcbrnder  todtstioht,  der  geizige  Dragoner,  der  Oberst 
Lumpus  u.  8.  \v.  sind  Figuren  von.  der  hervorragendsten 
Plastik  UDd  Lebenswahrheit  Man  verfolge  die  Duroh- 
ftkhniog  anoh  dieser  NebeDpersonen,  s.  B.  die  des  jungen 
Hertzbruder  und  des  Olivier,  von  ihrem  ersten  Auftreten 
bis  zu  ihrem  Tode,  und  man  wird  die  öobärfe,  Oonse^uenz 
und  fülle  der  typischen  Darstellung  bewundern  mOssen. 
Die  Hauptrcprftsentanten  der  Soldaten  aber  theilen  sich  in 
die  verschiedenen  Kennzeichen  und  zugleich  in  die  Klassen 
des  damaligen  Soldatenstandes.  Simplieissimns  steUt  als 
Soldat  —  er  ist  nichts  veniger  als  bloss  Soldat  —  die 
bessere  Art  der  militärischen  Glücksritter  dar.  Tapfer- 
keit, Groszmuth,  Freigebigkeit,  Anhänglichkeit  an  Kamera- 
den und  Yorgesetste,  Treue  gegen  die  einmal  ergriffene 
Partei  —  damals  hat  eine  militftrisohe  Luxustugend  — 
kurz  eine  Art  von  Ritterlichkeit,  allerdings  ohne  alles 
aristokratische  oder  romantische  Wesen,  sind  die  Grund- 
zOge  seines  Charakters.  Springinsfeld  ist  ein  Soldat^  wie 
es  eben  der  grosze  Haufb  ohne  edlen  Ehrgeiz  und  ohne 
die  den  achtungswerthcn  Krieger  machenden  moralischen 
Qualitäten  war.  Courasche  ist  als  quan  militärische  Per- 
sönlichkeit das  wahre,  aber  abschreckende  Bild  aller  der 
Klassen  und  Individuen,  die,  ohne  selbst  Soldaten  zu  sein, 
an  die  bewetifliehe  Masse  des  Kriegsvolks  mit  ihrer  Existenz 
und  in  allen  ihren  Zuständen  gebunden  waren,  also  dessen, 
was  man  damals  Tross  nannte,  eines  wüsten  Conglomerats 
menschlichen  Elends  und  menschlicher  Yerworfonhcit,  das 
im  dreissigjährigen  Kriege  an  Zahl  diejenigen,  welche 
ihrer  Partei  mit  der  Waffe  dienten,  oft  weit  flbertraf. 

Der  Adel  spielt  seine  Holle  als  berorzugto  Schicht 
de»  Soldatenstandes,   aber  auch  abgesehen  von  seiner 

militärischen  Stellung  findet  er  Berücksichtigung. 
iLa  7 


—   98  — 


Das  «adlige  Frauenzimmer**  kommt  nicht  gat  weg» 
nnd  vohl  nicht  allein  wegen  der  geringen  allgemeinen 

Ansiebt  unseres  Mannes  vom  sohOnen  Geschlecht.  Die 
Vergnügungen  in  Hanau,  dos  Helden  Dienstzeit  als 
Eammeijangfer ,  die  8cenen  auf  dem  Schlosse  der 
geisigen  Wittwe  im  Vogelnest  und  andere  Sohildernngen 
eeigen,  dasz  ihm  die  liochmüthis^e  Gedankenlosio^keit,  der 
Leichtsinn  und  Egoismus  und  die  nichtige  Yornebm- 
thuerei  dieses  Standes  nicht  entgangen  war.  Der  Adel 
als  Repräsentant  des  Ghrossgmndbesitses  und  der  HofSndel 
treten  uns  in  Grimmelshausens  ISchril'teu  weniger  entt^egen, 
wahrscheinlich  hat  er  auch  wenig  Gelegenheit  gehabt»  ihn 
Ton  dieser  Seite  kennen  zu  lernen. 

Sehr  eingebend  und  vielseitig  dagegen  sind  die  Dar- 
stellungen aus  dem  Leben  des  Bauernstandes.  Wir  sehen 
ihn  leidend  und  handelnd  neben  dem  Soldatenstande» 
leidend  natdrlich  in  den  weitaus  meisten  Fällen.  Welch 
ein  klasrtisches  Bild  von  den  Zuständen  dieser  zahlreichsten 
Klasse  unseres  Volkes  bieten  nicht  schon  die  vier  ersten 
Oapitell  Dann  das  14.  Capitel  des  ersten  Buches,  welches 
mit  Recht  die  Üebersohrift  trftgt: 

Simplex  erzftblt  mit  entsetsen  und  grausen, 

wie  die  Soldaten  mit  fUnff  Bauren  hausen. 

In  dem  Knän  und  der  Meuder  haben  wir  durchge- 
führte persönliche  Typen  des  Bauernstandes,  welche  in 
ihrer  Abhärtung,  Arbeitsamkeit,  Schlauheit,  Sparsamkeit 
und  treuherzigen  Rohheit  nicht  nur  Urbilder  ihr  alle 
Zeiten  sind,  sondern  auch  beweisen,  dasz  Grimmelshausen 
wohl  erkannt  hatte,  worin  allein  die  Tüchtigkeit  des 
Bauern  bestehe  und  worauf  sich  seine  Wohlfehrt  gründen 
könne. 


—  Ö9  — 


Es  ist  natürlich,  daaz  im  SimplioiBsimiis,  in  der 
Oonrasohe  und  im  Springinsfeld  der  BOrgerstand  nicht 

besonders  hervortritt,  tleiiii  iu  den  Zustanden  und  Lcbcns- 
verhaitnissen,  welche  dort  geschildert  werden,  hat  er  keinen 
Plate,  oder  doch  nnr  einen  zum  Leiden  und  Unterdrackt- 
werden,  thiltig  sieh  zeigen  kann  er  nicht  Dagegen  scheint 
nun  Grimmelshausen  im  Vogelnest  fast  mit  Vorbedacht 
das  nicht  Yers&umte,  nur  Zurückgeschohene,  nachgeholt 
zu  haben.  Die  beiden  Klassen  der  Gewerbetreibenden  und 
der  Kanflente  kommen  hier  zu  ihrem  Recht,  wenn  auch 
nicht  zu  viel  Lob.  Von  allen  Gewerben  erfreut  Bich  das 
der  Gastwirthe  der  meisten  Berücksichtigung,  ein  Zug, 
der  schon  dem  pikaresken  Roman  in  seinem  ursprünglichen 
Vaterlande  eigen  ist,  in  den  Schriften  unseres  Mannes 
aber  aus  sehr  deutlichen  Ursachen  nahe  lag. 

An  den  Bflrgerstand  einerseits  angelehnt  durch  sein 
Hervorgehen  aus  ihm,  andererseits  wieder  in  Bildung  und 
Lebensansprüchen  groszentheils  dem  Adel  näher  stehend 
erficheint  der  Gelehrten  stand,  die  studirten  Leute.  Seine 
Yertreter  sind  ergOtslich  aber  mit  Vorliebe  satirisch  ge- 
schilderte Figuren  wie  der  Pfarrer  zu  Hanau,  in  welchem 
die  Unsicherheit  und  Abhängigkeit  seines  Standes  zu 
jener  Zeit  höchst  anschaulich  wird,  der  Pfarrer  zu  Lipp- 
stadt mit  seinem  rechtgläubigen  und  moralischen  Eifer, 
der  geizige  und  gewissenlose  Rechtsanwalt  in  Köln  und 
der  grosze  Arzt  Monsieur  Canard,  dessen  kurz  und  vor- 
trefflich gezeichneter  Charakter  durchaus  Grimmels- 
hausens Eigenthum  ist*)  Die  Geistlichkeit  als  solche, 
besonders  die  katholische,  erscheint  der  religiösen  Ge- 
sinnung des  Verfassers  gemUsz  im  ganzen  in  einem  guten 

')  Vergl.  Seite  77,  wo  leider  der  Drucklelüer  Coorad  ätelieu  ge- 
blieben ist 

7* 


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—   100  — 


Lichte,  wenn  auch  solohe  Scenen  wie  die  im  I.  Th.  des 
Vogelnestes,  wo  der  Pfisrrer  eine  Frau  yerftkhren  will,  nnd 
die  Naehriohten  Ober  die  Znstftnde  in  dem  Kloster  beweisen, 

dasz  ihm  ihre  Mangel  und  Schwächen  nicht  entgingen. 

For  die  Kultur-  und  Sittengesohiohte  sehr  interessant 
nnd  am  meisten  charakteristisoh  fidr  die  Zeitsnstftnde  sind 
diejenigfon  Schichten  der  G-esellsohaft,  deren  Existenz- 
berechtigung überhaupt  zweifelhaft  ist,  die  fahrenden 
Leute  und  die  ausser  dem  Gesets  stehenden.  Sie  haben 
bei  Orimmelshausen  gleiohsam  drei  Ohoragen,  l^mpli- 
cissimuä  selbst  iu  einem  Theilo  seines  Lebens,  Courasche 
und  Oüvier.  Ks  würde  ein  (ganzes  besonderes  Buch  dazu 
geboren,  um  der  Folie,  Ansohauliohkeit  und  Lebenswahr* 
beit  der  sich  hier  darbietenden  Bilder  gereeht  sn  werden, 
wir  müssen  also  hier  darauf  verzichten,  und  ich  kann  nur 
andeuten,  dasz  gerade  iu  der  groszen  Menge  dessen,  was 
in  dieses  Gebiet  gehört,  ein  Hauptbeweis  dafür  liegt,  dass 
Grimmelsbansen  selbst  erlebte,  was  er  besehreibt  Nieht 
als  ob  er  selbst  alles  das  gewesen  sein  müszte,  was  au 
Vertretern  des  gesellsohaftliohen  Auswurfii  Torgefohrt 
wird.  Er  hatte  als  Soldat  und  auf  seinen  Reisen,  die  er 
gewisz  nicht  immer  auf  Eunststraszcn  und  im  Postwagen 
gemacht  haben  wird,  Gelegenheit  genug,  die  eingehendsten 
Studien  an  WallbrOdem,  Zigeunern,  ÜEthrenden  Soholem 
Qnaoksalbem,  Zeitungssingern,  Wahrsagern  und  Rittern 
von  der  Landstrasze  zu  machen. 

Nun  zum  letzten,  aber  meines  Erachtens  wichtigsten 
Punkte  der  Wordigung  unseres  Mannesl  Denn,  wie  schon 
angedeutet,  können  wir  in  den  YonsOgen  des  Bildes  einer 
bestimmten  Zeit  niemals  und  grundsätzlich  nicht  den 
Hauptwerth  eines  Romans  erblicken.  Was  macht  Grim- 
melshausens Darstellungen  für  alle  Zeiten  belehrend  und 


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101  — 


interessant,  oder  inwict'oru  liefert  er  unserer  Behauptung 
gemäss  sngleioh  ein  Bild  des  menseliliehen  Lebens  Ober- 
haupt? Man  kann,  wenn  man  einmal  bot  Anfstellung 
dieser  Frage  gelangt  ist,  bei  einer  aulmerksameu  Lektüre 
seiner  Schriften  um  die  Antwort  nioht  verlegen  sein.  Das 
Oeheimnisa  liegt  in  nichts  anderem  als  in  der  Innerlich- 
keit seiner  Auffassung  der  Menschen,  d.  h.  bei  Grimmels- 
bausen  ist  der  Mensch  im  eigentlichen  Sinne,  das,  was 
am  Menschen  beachtenswerth,  interessant  und  bedeutend 
ist,  das  Innere  des  Menschen,  seine  geistige  und  sittliche 
Beschaffenheit.  Und  diese  erscheint  nicht  als  ein  mehr 
oder  minder  mechanisch  und  abstract  ausgefälltes  Sohema, 
sondern  als  ein  Organismus,  die  Eigenschaften  der 
Menschen  sind  nicht  bloss  Prftdicate,  sondern  Bestand- 
theile,  Glieder,  Organe  seines  Charakters.  Der  Simpli- 
oissimus  ist  ein  Bildungsroman  insofern,  als  in  der  Per- 
son des  Helden  ein  Ideal  oder  vielleicht  richtiger  ein 
stark  indiyidualisirter  Typus  Yon  Geistes-  und  Charakter- 
bildung, wie  sie  dem  Verfasser  vorschwebte,  durchgeführt 
ist,  aber  man  kann  noch  in  einem  weiteren  Sinne  seine 
Bomane  Bildungsromane  nennen,  insofern  bei  allen  einiger- 
maszen  hervortretenden  Personen  der  Mittelpunkt  des 
Interesses  darin  liegt,  wie  sich  ihre  innere  Persönlichkeit 
bildet  Wie  es  in  der  Seele  des  Menschen  aussieht,  das 
ist  überall  die  Hauptsache,  sei  es,  dasz  yon  bleibenden 
geistig-sittlichen  Eigenschaften,  sei  es,  dasz  von  vorüber- 
gehenden Stimmungen  und  Affekten  die  Rede  ist. 

Es  Tersteht  sich  yon  selbst,  dasa  alles  dies  je  deut- 
licher hery ortritt,  je  bedeutender  die  Rolle  ist,  die  eine 
Person  spielt,  am  glänzendsten  wird  sich  also  Grimmels- 
hausens Kunst  an  seinem  Doppelgänger  Simplioissimus 
selber  aeigen.  Zuerst  tritt  er  uns  im  Zustande  yOlliger 


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—  102  — 


Bildungslosigkoit,  ja  ohue  jedes  Bildungsbodarfnisz  ent- 
gegen, er  ist  ein  ToUkommonos  Naturkind»  aber  in  der 
aohlimmstan  Bedeutung  des  Wortea,  ein  dem  Thiere  nahe- 
stehender, augensoheinlich  dem  Verkommen  als  Menseh 
yerfallüucr  Baucri\juuge.  Aus  diesem  Zustande  tritt  er 
erst  durck  die  yon  dem  Einsiedler  empfimgene  Belehrung 
wirklioh  heraus.  Die  christliche  Religion  ist  es,  was  ihn 
zu  einem  vernünftigen  Menschen  macht,  das  andere,  was 
er  noch  dort  lernt,  und  die  sonstigen  Eindrücke,  die  die 
^wachsweiche''  8eele  des  Kindes  als  für  das  Leben  mass- 
gebend in  sich  aufhimmt,  sind  nur  Beigaben.  Dann  tritt 
der  Knabe  in  die  ^yt!lt,  pas!?iv  «Ion  Beuljaehtnnüfcn  hin- 
gegeben, die  or  macht,  und  die  den  btärksteu  Gegensatz 
SU  dem  bilden,  was  er  in  der  EinOde  als  werthvoUste 
Vorbereitung  ihr  das  Leben  in  der  Welt  gelernt  hat 
Dariim  ist  er  auch  hier  der  Narr  ebenso  wie  der  den 
ersten  Schritt  in  die  Weit  wagende  JParcival.  Als  Jüng- 
ling —  in  der  Blütheseit  seines  Soldatenlebens  —  tritt  er 
aktiy  im  Leben  auf,  aber  im  Wesentlichen  aus  Ftirwitz,  der 
ihn  durch  das  Duell  mit  dem  Kürassier  nahe  an  den  Tod 
führt  Er  entgeht  ihm,  aber  durch  nichts  als  einen  drollig- 
schlauen  Einfall,  eine  weitere  Tollkühnheit  bringt  ihn  in 
Gefangenschaft  und  giobt  ihm  Mu?ze.  die  or  aber  haupt- 
sächlich dazu  benutzt,  sich  zum  Gecken  auszubilden,  und 
als  solcher  wird  er  snm  Ehemann  wider  Willen.  Weiter 
treibt  ihn  sein  Fürwits  in  die  bedenklichsten  Situationen, 
in  Yerworfenheit  und  Erniedrigung,  die  in  dem  cnisctz- 
iichen  Compai^aiiogeschait  mit  Olivier  ihren  tiefsten  Punkt 
erreicht  Er  kommt  wieder  empor,  ja  in  bessere  Um- 
stände und  angesehenere  Stellung  als  je,  aber  der  Für- 
witz verläszt  ihn  nicht,  er  leitet  ihn  bei  Eingehung 
seiner  eweiten  Ehe,  er  treibt  ihn  in  den  Mummelsee,  er 


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yerfohrt  ihn,  sich  nach  BuaEland  locken  zu  lassen.  Aber 
bei  einer  so  gearteten  Natur  wie  Simplioissimus  veredelt 

öicli  der  FOrwitz  zum  Streben  uuch  Erlahrung  und  zur 
echten,  nicht  mystischen,  sondern  empirischen  und  prak- 
tisoh-sittliohen  Beschauliohkeit,  wenn  auch  nicht  unrer- 
nüttelt  und  ohne  rücklaufige  Episoden.  Mit  dem  Zeit- 
punkte der  Heimkunft  des  Holden  beginnt  eine  neue 
Epoche  Beiner  persönlichen  Entwiokelung,  die  oontempla- 
tiye  in  dem  soeben  angedeuteten  Sinne.  Wieder  mit 
einem  Eiiisiedlerthumo  beginnend,  endet  sie  uueh  mit 
einem  holchen.  Aber  wie  verschicdeu  sind  beidel  Zu 
Anfang  richtet  sich  der  Entschluss,  Einsiedler  zu  werden, 
durch  die  Art  und  Weise  seines  Misslingens  selbst,  und 
Grimmelöhauben,  der  sonst  viel  von  einem  asketischen 
Leben  hält,  weiss  auch  die  Kehrseite  solcher  Tugend  zu 
erkennen  tmd  sehr  anschaulich,  ja  pikant  zu  schildern. 
Das  Einsiedlerthum,  womit  dieser  Abschnitt  endet,  ist 
kein  selbstgewähltes,  sondern  ein  zur  Läuterung  von 
Gott  geschicktes,  ein  Bobinsonleben  vor  Robinson,  wenn 
auch  in  wesentlichen  Zügen  Ton  dem  yon  Defoe  imd 
KüUhseau  erfundenen  ubweichcnd.  Der  Umstand,  dasz 
auch  dieses  Einsiedlerleben  nur  einige  Zeit  dauert  und 
wir  dann  den  Helden  noch  als  den  kenntniss-  und  kunst- 
reichen Betrachter  der  Welt,  den  erüeihrenen,  yernünftigen 
Manu,  aber  auch  als  den  unveränderlichen  Spaszmacher 
und  Zechbruder  wiederfinden  und  yon  ihm  im  Kaths- 
stübel  Plutonis  als  einem,  wie  fein  angedeutet  wird, 
bertibmteu  und  von  den  verschiedensten  Elementen  der 
guten  Ciresellächaft  interview leii  »Schriftsteller  Abschied 
nehmen,  stellt  die  Askese  und  Weltflucht  als  einen  durch 
sich  selbst  überwundenen  Standpunkt  und  die  auf  geisti- 
gem W^ege,  dui'ch  eigene  geistige  und  sittliche  Arbeit 


erreichte  Weltireiheit  mitten  in  der  Welt  als  das  Höehate, 
wa8  menBchliohe  Weisheit  und  meneohliohes  GlQek  leisten 

kuDD,  dar.  Freilich  kann  dies  nur  die  Entwickelnog  hoch- 
begabter Natureo  sein,  denn  nur  für  solche  i^t  es  von 
allem  Streben  das  lohnendste,  die  Walt  sa  betraohteo, 
SU  erkennen  und  sn  begreifen.  Ifan  sieht,  der  Vagant 
und  Landstürtzor  Simplicissiniu«  iöt  ein  geistiger  Aristokrat 
von  so  roiuom  Wasser,  dasz  es  einer  Entweihung  seines 
Andenkens  gleiohkftme,  wenn  wir  niehr  Worte  yerlOreo, 
um  ihn  etwa  dem  sohmntzigen  Streberthnme  des  neun- 
zehn teu  Jahrhuuderts  verstandlich  zu  machen,  das  nichts 
kann,  als  auf  allen  Gebieten  des  geistigen  Lebens  Baub- 
bau  treiben,  weil  ihm  die  Krone  des  Lebens  nicht  die 
Erhebung  des  eigenen  inneren  Menschen  ist,  Hondcrn  Geld, 
äuszere  Ehren,  Stellung  und  Macht.  Jener  wahrhaft 
philosophische  Standpunkt  aber  ist  es,  der  den  Simpli* 
cissimus  auch  seinem  Ideengehalte  nach  au  einem  Kleinod 
unserer  nationalen  Dichtung  macht. 

Die  Oourasohe,  in  ihrer  Gliederung  dem  Simplioissimns 
entsprechend  wie  eine  Parodie,  ist  ein  wahrer  Tmts- 
Simplox  auch  insofern,  als  ihr  Ideengehalt  su  dem  jenes 
den  schucidendsten  Gegensats  darbietet.  Oourasche  ist 
eine  dem  kontemplatiyen  oder  im  besten  Sinne  theoreti- 
schen Simplicissimus,  wie  er  der  Anlage  naeh  ist,  aber 
erst  durch  lange  Läuterung  der  Wirklichkeit  nach  wird, 
entgegengesetzte,  im  schlimmsten  Sinne  praktische,  das 
heisst  racksichtslos  egoistische  Natur,  die  sich,  um  ihr 
loh  nur  Qberall  sur  Geltung  su  bringen  und  su  befiriedi- 
gen,  in  aUeu  Phasen  ihres  Lebens  gänzlich  den  Interessen 
der  Welt  hingiebt,  sich  wegwirft.  Diese  Richtung  des 
geistig -sittlichen  Lebens  in  der  Figur  einer  Allerwelts* 
h  . . . .  zu  persouificiren,  ist  ein  kühner  und  groszartig 


—   106  — 

satiriaoher  Gedanke^  der  sich  den  genialBten  Einfallen  der 
grOssten  und  bereobtigtsten  Tadler  der  Menseliheit  drebt 

an  die  Seite  stellen  kauu.  Wer  sich  um  seines  Genusses 
und  Yortheils  willen  egoistisch-praktisch  der  Welt  hin- 
giebt»  hat  nach  dieser  Torstellung  die  Seele  einer  feilen 
Dirne  —  ein  überaus  wirkungsvolles  Motiv,  welches  der 
Dichter  in  dem  bedenklichsten  Stoife  ebenso  unbedenklich 
wie  meisterhaft  behandelt  hat«  und  diese  Darstellung 
gipfelt  in  dem  Sehlusstableau,  das  die  alte  Conrasohe  als 
X)hanta8tisch-prächtig  auftretende,  über  Spitzbuben  und 
sonstiges  Gesindel  das  Öcepter  fiihrende  Zigeunerkonigin 
Yorfohrt  Die  bleibende,  allgemein  mensohliche  Wahrheit 
aber  dieser  Grundidee  zu  befürworten,  scheint  mir  bei- 
nahe lacherlich,  die  in  der  Courasche  liegende  Satire  ist 
«heutautage''  fast  bereohtigter,  als  da  das  sugleich  entseta- 
liehe  und  kostbare  Gemfllde  entworfen  und  ausgefuhrt 
wurde. 

Die  andern  kleineren  Simplicianischen  Erzählungen 
sind  an  Bedeutung  der  Ideen  hinter  die  awei  ersten  au- 
roektretende  aber  doch  auch  natsUehe  und  dankenawerthe 
Zugaben. 

Springinsfeld  ist  eine  gewöhnliche  und  gemeine  Na- 
tur, die  weder  denkend  des  Lebens  Wesen  durchdringt, 

noch  sich  im  Loben  egoistisch -praktisch  besonders  vor- 
wärts drängt,  was  uns  höchst  anschaulich  gleich  bei 
seinem  Wiedersusammentreffen  mit  SimpUoissimus  dar- 
gestellt wird,  welcher  letztere  seinen  alten  Freund  beim 
Kopfe  nimmt,  damit  er  wenigstens  nicht  ganz  als  Lump, 
der  er  im  Leben  gewesen,  in  die  Grube  ^re. 

Die  beiden  Noyellen,  welche  das  Yogelnest  bilden, 
sind  mit  dem  Interesse  ihres  Ideengehaltes  am  engsten 
an  die  Zeit  ihrer  Entstehung  gebunden.    Allerdinga  hat 


kj  ,^  aJ  by  Google 


—   106  — 

dor  Gedanke,  dasz  Gottes  liebevolle  Voreehiuig  jeden 
Sander  auf  die  ihm  angemessenste  Weise  snr  Erkennt* 

uisz  und  Besserung  leitet,  ein  Gedanke,  der  in  allea 
BQchera  Grimmelshausons  zur  Geltung  kommt,  seine  Be- 
deutung nicht  mehr  für  das  XYIL  Jahrhundert  als  fOr 
jedes  andere,  in  dem  sieh  das  Ohristenthnm  als  Element 
der  Cultur  tindet,  allein  in  erster  Reihe  steht  doch  im 
Vogelnest  das  Yerhältniss  des  Menschen  cur  Zauberei 
Der  Besits  eines  mit  Zauberkräften  begabten  Gegen- 
standes ist  Anrcizung  zur  Sflnde  für  den  naiven  Lungerer 
im  ersten  Tlieil  wie  für  deu  berechnenden  und  Projecto 
machenden  Egoisten  im  sweiten.  Solche  Gegenstände 
giebt  es  aber  in  unserer  Weltansehauung  nicht  mehr, 
weshalb  uns  dieses  Motiv  nicht  anders  als  etwas  fremd- 
artig und  frostig  berühren  kann. 

Was  den  Stil  Grimmelshausens  betrifft,  so  können 
wir  uns  kurz  fassen.  Er  bildet  den  diametralen  Gegen- 
satz zu  dem  der  Voi  tasser  ikr  heroisch-galanten  Romane. 
In  rein  grammatischer  und  lexikalischer  Hinsicht  muszten 
wir  jenen  Anerkennung  zollen»  wfthrend  man  in  Besug 
auf  ihren  grossen  Antipoden  wenigstens  zugeben  musz, 
dasz  sein  Neuhochdeutsch  mit  dialektischen  Formen  und 
Wörtern  gemischt  ist,  und  dasz  auch  Archaismen,  die  es 
damals  sehen  waren,  und  Idiotismen,  die  es  immer  ge- 
blieben sind,  nicht  fehlen.  Von  allen  höheren  und  wichti- 
geren stilistischen  Gesichtspunkten  aus  aber  musz  uns 
Grimmelshausen  in  einem  weit  vortheilhafteren,  ja  in 
einem  glänzenden  Lichte  erscheinen.  Nicht  als  ob  bei 
ihm  Schlichtheit  uud  klassische  Siniplicität  au  die  Stelle 
des  dort  herrschenden  Schwulstes  träte,  denn  auch  Grim- 
mebhausens  Stil  ist  reich,  geschmückt  und  yon  &st 
üppigem  Wüchse,  aber  was  bei  jenen  oonventioneller 


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—   107  — 

Zwang,  Manier,  Ziererei  ist,  das  ist  bei  ihm  Ausflosz  des 

seiner  selbst  jederzeit  gewissen,  immer  sieggewohnten 
Genius.  Daa  Musz,  der  innere  Bau  und  die  YerkuUpiung 
seiner  Sätze  richtet  sich  —  die  grösste  Kunst  des  er- 
zählenden Stils  —  nach  der  Stimmung,  die  in  der  Sache 
selbst  liegt  und  in  die  er  den  Loöcr  versetzen  will. 
Bringt  er  etwas  Lustiges  auf  die  Bahn,  so  purzeln  seine 
Sätse  hintereinander  her  wie  in  freudiger  Eile,  den  Spass 
rasch  mittutheilen.  Beschreibt  er  etwas  „  WundenrUrdiges**, 
so  raunt  er  dem  Leser  gleichsam  mit  wichtiger  Miene 
und  umständlich  alles  in  die  Ohren,  damit  nichts  von  den 
erstaunlichen  Dingen  unbeachtet  bleibe.  Eraählt  er  einen 
erschtlttemden  Vorgang,  so  unterbrechen  Ausrufe  imd 
Seufzer  die  sich  häutenden  und  auf  den  Leser  mit  Gewalt 
eindringenden  anschaulichen  Vorstellungen.  Unheimliches 
und  Spannendes  trägt  er  so  vor,  dass  die  Pausen  awischen 
den  Satztheilen  wie  die  schweren  Stösze  des  klopfenden 
Herzens  erscheinen,  ja  er  weisz  in  der  Blockshergssceno 
und  bei  der  Hebung  des  Schataes  im  Keller  das  physische 
Gefühl  des  Alpdrückens  in  dem  Leser,  der  etwas  Phanta- 
8ie  besitzt,  zu  erzeugen,  und  ein  ganz  eigcnthünüichcr 
Kunstgriff  von  groszcr  M'irksamkeit  ist  der,  dasz  er  un- 
erwartet eintretende  Ereignisse  und  Wendungen  immer 
dadurch  markirt,  dass  er  plötslich  aus  der  sonst  breiten 
und  behaglichen  Darstellung  in  lakonische  Kürze  über- 
geht und  dann  abbricht.  Wenn  man  Partieen  von  so 
gewaltiger  Kraft  wie  die  Schlaohtscene  bei  Wittstock  imd 
den  Tod  Oliviers,  von  so  ergreifender  Tiefe  der  Empfindung 
wie  den  Tod  und  das  Begräbnisz  des  Einsiedlers,  von  so 
düsterer  Seelenmalerei  wie  die  Einleitung  der  Courasche, 
von  so  packender  Komik  wie  das  Gastmahl  in  Hanau, 
die  ich  hier  nur  als  Beispiele  für  Aielmui  bu  viele  von 


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—   108  — 


gleichem  Werüie  anfahre,  au  wflrdigen  sieh  bemOht,  wird 
man  mir  mobfc  Ünroobt  geben,  wenn  ioh  Grimmelehaneea 

im  XVIL  Jahrhundert  al»  den  Meister  des  stimmungs- 
Yollen  Stile  beseiehnen  su  dOrfen  glaube,  gerade  so, 
wie  es  Goethe,  am  meisten  durch  seinen  Werfcher,  im 
XVm.  ist. 

Es  ist  einleuchtend,  dasz  ein  Schriftsteller  wie  Grim- 
melshausen  auf  seine  Zeitgenossen  einen  bedeutenden 
'  Bindruok  machen  musste.  Dass  er  ihn  wirklich  gemacht 
und  dii^z  er  von  allen  llomanschreibern  des  XVIL  Jahr- 
hunderts 2ur  Ehre  des  deutschen  Geschmackes  wirklich 
der  beliebteste  gewesen  ist,  können  wir  aber  fi»t  nur 
ii^direot  aus  dem  buchhändlerischen  Brfolge  seiner  Sohrift- 
stellerci  schlieszeu.  Denn  directe  Auslassungen  von  Zeit- 
genossen sind,  wenn  wir  von  den  Ehrengedichten  uud  den 
Lobreden  des  Oommentatm  absehen,  fest  gar  keine  vor^ 
banden.  Dass  der  Geck  Zesen  und  der  superkluge  Schul- 
meister \V  eise  ihn  angestochen,  ist  bereits  erwähnt  worden, 
von  einer  Würdigung  kann  hier  nirgends  die  Bede  sein. 
Dagegen  legen  ausser  dem,  was  bereits  ttber  die  Schick- 
sale seiner  Schriften  gesagt  wurde,  die  nach  seinem  Tode 
erschicneiicu  Gesammtausgabeu ')  ein  beredtes  Zeugnis^ 
dafOr  ab,  dasa  er  unter  seinen  £*aohgenossen  eine  einiig- 
artige  Stellung  gegpenuber  den  Leserkreisen  seiner  Zeit 
und  der  nilchötcu  iO  Juliro  eingenommen  bat.  Dasselbe 
bezeugen  die  sogenannten  Nachbildungen,  die  an  sich 
keine  besondere  Beachtung  in  Anspruch  nehmen  können. 
Ton  ihnen  ist  der  Ungarische  oder  Dacianisidie  Simpli- 


')  Vergl.  meine  Einleituug  zu  Bil.  III.  der  Scliriften  G.  s  iu 
J.  KUrselmer'ä  ^Nationalliterator'',  sowie  die  betreüeudeu  Stellen  bei 
Kon  und  Keller. 


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«isrimtis^  die  hervorragendste,  schon  als  eine  wirkliche 
Abenteurergeschichte,  weit  unter  Grimmelshausen  stehend. 
Der  fraoBÖBiscbe  Kriegs -Simplioissimus^)  hat  £Mt  bloss 
auf  dem  Titel  etwas,  das  an  den  dentsohen  erinnert,  sein 
Inhalt  ist  der  der  historisch-politischen  Romane  Happels, 
die  weiter  unten  besproohen  werden,  die  anderen  Sim- 
plioissimi^  verdienen  kanm  unsere  Anfinerksamkeit»  und 
einiges,  was  allenfalls  hierher  gezogen  werden  konnte, 
findet  besser  im  nächsten  Capitel  seinen  Platz. 

Wenn  im  yorigen  Jahrhundert  und  bis  in  das  unsrige 
hinein  Grimmelshausen  eine  Zeit  lang  yergeesen  su  sein 
scheint  —  obgleich  luau  mehrmals,  aber  ohiu?  lienif  und 
Gescbick  auf  ihn  zurückkam^)  —  so  war  nicht  allein  die 
ünfilhigkeit  oder  der  sohlechte  Gesohmaek  der  Sohrift- 
steller  und  Romanleser  daran  schuld,  sondern  damit  wir 
gerecht  seien,  sehr  viel  auch  das  Erwachen  eines  neuen 
Geistes,  der,  von  jenem  des  XYIL  Jahrhunderts  gana  rer- 
schieden,  gewaltig  und  siegreieh  im  XYIII.  auftrat  und 
Grimmelshausens  Schriften  nebst  manchem  YOn  demselben 

»)  Ws:i.    80.    0.  0.    Erneuert  von  J.  L.  Seiz.    Lpz.  1854.  8». 
Als  Fortsetziiny:  giebt  sich  der  Türkische  Vagant.   1Ö83.  8''. 
»)  Freiburg  1082.  8«. 

^  Der  SimpL  Weltkoeksr  wird  welter  unten  bespiocheii  weiden. 
Ber  Mnz  Adimaatiu  (Goed  500)  gehOrt  mcbt  hierher.  Der  Jan  Penu 
1079  0.  0.  n.  12^  der  polit  ete.  ehnpL  Hasenkopf  o.  0.  1683.  12o.  — 
0.  O.  1699.  120,  der  Malcolmo  von  Libendau  o.  O.  1686.  120,  der  sich 

als  ein  Werk  des  Simplicissimus  ansgiebt,  Simplicissimi  alberner  Brief- 
steller, Leipzig  1725,  8"  und  der  Simpl.  Redivivus  o.  O.  1743,  8°,  sind 
als  Schriften  anzuführen,  welche  wenigstens  zeigen,  dass  man  mit 
einem  Simplicianischeu  Aushängeschilde  ziemlich  lange  Zeit  hindurch 
Geschäfte  zu  machen  hoffte.  Einige  andere  dieser  Art  werden  von 
Weller,  Annalen  II,  S.  39(5,  genannt. 

*)  Hierher  sind  zu  rechnen  die  von  Kurz  Bd.  I.,  Einl.  S.  LYIII 
unter  1756,  1779,  1785,  1790,  1810,  1822,  1836,  im,  1851  und  Ton  mir 
in  der  Einl.  som  L  Bd.  der  Schriften  G.'s  in  J.  Kflrsehnen  Nationnl- 
litertttor  unter  Ko.  12^  18  n.  16  angeführten  Bmenerangen. 


—  110  — 


Werthe  snrttckdräiigte  und  in  das  Donkel  der  Nichtbeaeh- 

tnng  hnllte,  der  Geist  der  Aufklärung',  dessen  älteste 
Vertreter  min  bald  ihre  bisher  nie  gehörten,  aber  auf  dem 
ganzen  gebildeten  Erdkreise  einen  dröhnenden  Widerhall 
findenden  Worte  ersohallen  lassen  sollten. 

Das  lebhalte  Interessen  welches  Grimmelshausen  zu 
unserer  Zeit  gefunden  hat,  der  Umstand,  dasz  der  Sim- 
plieissimns  die  Aussieht  hat,  im  XIX.  Jahrhundert  in  mehr 
Exemplaren  gedrnekt  en  werden  als  im  XVII.,  kommt 
hier  nur  als  der  schlagendste  Beweis  seines  bleibenden 
Werthes  in  Betraoht.  Deijenige  wOrde  in  der  Bewnnde- 
rang  Grimmelshavsens  naoh  dem  oben  Gesagten  an  weit 
gehen,  der  es  als  die  Aufgabe  der  erzahlenden  Prosa- 
dichtung unserer  Zeit  betrachtete,  den  Simplicissimus  als 
einen  Sohn  des  XIX.  Jahrhunderts  wieder  aufleben  su 
lassen»  aber  Olfiok  wünschen  wollen  wir  jedem,  auoh  dem 
gWisztcn  Talente,  das  im  Stande  ist,  von  dem  alten 
wackern  Gesellen  zu  lernen. 


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I 


Dreizehntes  CapiteL 


Der  Schlesier  Lohenstein  und  der  Hesse  Grimmels- 
hausen stellen  in  ihren  schriftstellerischen  Persönlichkeiten 
die  beiden  entgegengesetzten  Richtungen  dar,  in  denen  eieh 
unsere  Gattung  wfthrend  des  XVII.  Jahrhunderts  ent- 
wickelte. Scliilrrorc  Gegensätze  können  kaum  gedacht 
werden,  wir  mögen  ins  Auge  fassen,  was  wir  wollen. 
Die  beiden  Fachgenossen  konnten  nirgend  ein  Gkbiet 
gemeinsamer  Geltung  haben»  der  eine  war  dem,  der  den 
andern  verstand,  unverständlich  und  nichtig.  Lohen- 
steins Erzählung  spielt  im  unbekannten  Alterthum,  Grim- 
melshausens in  der  Gegenwart^  das  erstere  erschien  diesem 
abgeschmackt,  die  letztere  jenem  uninteressant  und  ge- 
mein, der  Arrainius  ist  voll  Gelehrsamkeit,  die  einem 
Bewunderer  Grimmelshausens  übel  angebracht  Yorkommt, 
der  Simplicissimus  ist  voll  Menschenverstand  und  Lebens- 
erfahrung, die  dem  vornehmen  Stubengelehrten  so  viel 
gelten  wie  dem  Blinden  die  Farben. 

Beide  haben  aber  in  weiten  Kreisen  groszes  Wohl- 
gefallen erregt,  beide  haben  ihr  Publikum  gehabt,  wenn 
auch  kein  gemeinschaftliches.  Darin  liegt  schon,  dasz 
auch  beide  Nachfolger  gehabt  haben,  wenigstens  Leute, 
die  yersuohten,  dem  Publikum  Gleiches  zu  bieten. 
Freilich  haben  diese  ihre  Angaben  und  Zwecke  auch 
selbständig  aufgefaszt,  manches  anders  gemacht  in  der 


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—   112  — 


Meinung,  es  besser  zu  maohen,  gleiehTiel,  ob  diese 
Meinung  immer  die  riebtige  war.  Jeden&lls  aber  müssen 

wir,  um  uns  von  dem  Zustande  der  erzählenden  ünter- 
iuütungsliteratur  während  der  letsten  Jahrsebnte  des 
Xyn.  und  der  ersten  des  XYIIL  Jahrhunderts  ein 
klares  Bild  zu  machen,  von  jenen  beiden  höchsten 
Punkten  Licht  empfangen. 

ZuTOrderst  gehen  wir  noeh  einige  Schritte  surftd^, 
damit  eine  durch  ftusserst  sahlreiehe  einselne  Brsoheimm- 
gen  vertretene  Art  ünterhaltungslitcratur,  die  wir  bisher 
nur  gelegentlich  berührten,  zu  ihrem  Hechte  komme.  Ich 
meine  die  Sohwankbüeher,  AnekdotensehfttM  und  über- 
haupt die  Sammelwerke  aller  snm  Theil  sobwer  quaüfieir- 
baren  Arten,  die  jenen  mehr  oder  weniger  nahestehen. 
Eine  Yergleiohung  der  früheren  Abschnitte  dieses  Buches 
lehrt,  dasa  sunaehst  die  im  XY.  und  XYL  Jahrhundert 
entstandenen  Bfleher  dieser  Art  snm  Theil  im  XYIL  noeh 
vielfach  auigelegt  wurden.  Um  nur  einige  Beispiele  an- 
suführen,  so  giebt  es  yon  den  Bieben  weisen  Meistern 
noeh  Ausgaben  yon  1664  und  1670,  von  Sobimpf  und 
Ernst  solche  von  1G77  und  1699,  und  die  Erneuerungen, 
welche  Eulenspiegel  und  Ifaust  im  XVII.  Jahrhundert 
erlebt  haben,  sind  bekannt  Hiersu  kommt,  dass  der 
Inhalt  der  Alteren  Bfleher  sieh  sehr  reieblieb  immer  und 
immer  wieder  in  die  neuen  und  ^gantz  neuen"  ergosz,  so 
dasz  man  beim  Lesen  der  8chwankliteratnr  des  XYIL 
Jahrhunderts  fortwährend  alten  Bekannten  aus  dem  XYI, 
ja  XY.  begegnet 

Die  unterhalteudo  Sammelliteratur  zeigt  sich  im 
XYIL  Jahrhundert  in  der  That  im  Yergleich  snm  XYL, 
ihrer  Blfltheseit  dem  Gehalte  nach,  in  Beaug  auf  ihren 
Ümfimg  ausserordentlich  weit  entwickelt,  es  ist  jedoch 


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—  113 


sogleich  mit  Betonung  binEUsufDgen ,  dass  dies  bei  dem 

gröszteu  Thüile  der  nucli  den  Mustern  des  XVI.  Jahr- 
hunderts zusanuneDgcstcliten  oder  geradezu  aus  ihnen  neu 
gemischten  und  erweiterten  Sammlungen  durch  eine  Er- 
weiterung des  Begriffes  geschah,  eine  Erweiterung,  die 
wenigstens  den  Ausdruck  Schwaukbücher  nicht  mehr 
recht  angemessen  erscheinen  lässt  An  die  Stelle  Ton 
Anekdoten,  in  denen  ein  Ausspruch  irgend  jemandes  in 
einer  durch  kurse  Brefthlnng  dargestellten  Sitotation  mit- 
getheilt  wird,  treten  blosze  Aufzeichnungen  von  Aus- 
sprüchen herrorragender  Persönlichkeiten.  Natürlich 
mussten  dann  diese  Dicta  allgemeiner,  belehrender  wer- 
den. Nach  einer  andern  Seite  wich  man  zur  bloszon 
Erzählung  ohne  .sprichwörtliche  oder  spruchartige  Pointe 
ans,  wodurch  das  Element  des  Humors  oder  Witses  ser- 
setat  wurde.  So  haben  Zinkgrefs  Apophthegmaia  mit  jenen 
alten  Schwankbüchern  das  Apopbthe^matische,  solche  wie 
Rosset-Zeillers  Theatrum  tragkum  die  Erzählung  gemein, 
diese  letzteren  wandten  aber  statt  des  Humors  das  Grausen 
und  Entsetzen  als  Wünse  an.  Dann  iknd  sich  zu  ihnen 
aber  bald  eine  Fluth  von  Werken,  die  fast  nur  curiösc,  in 
einigen  EAllen  andächtige,  in  yersoh windend  wenigen 
praktische  Belehrung  in  atomistisoher  Form  bieten.  Es 
bedarf  kaum  eines  Hinweises  darauf,  dasz  diese  ganze 
mehr  oder  weniger  anspruchslose  Literatur,  welche  ihre 
Wurzeln  schon  im  Mittelalter  wie  in  dem  Humanismus 
der  Benaissanceperiode  hat  und  sich  Ton  jeher  in  den  Dienst 
der  Pädagogik  und  I)i<laktik  zu  stellen  liebte,  von  einer 
parallelen  lateinischen  CoUectuucenliteratur  —  etwas  ge- 
lehrter und  etwas  schulmeisterlicher  —  begleitet  wird,  in 
welcher  rein  humoristische  Schriften  wie  Bebels  Facetien 

und  andere,  welche  im  ersten  Bande  besprochen  wurden, 
iLa.  ,8 


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—  114  — 


neben  des  Brasmns  Apophthegmata  stehen.  Als  Motto  der 

gaDzeu  Literatur  kunu  mau  eben  nichts  Fasscntlorcs  linden, 
als  die  Bibelstclle,  wo  der  böse  Geist  sagt,  or  hcisze  Legion, 
denn  ihrer  sei  viel,  und  mit  Beeht  hatte  Erasmus  hier 
sehen  mit  Ohiliaden  messen  gelehrt. 

Ich  führe  im  Folgenden  nur  einige  hervorrat^ende  und 
besonders  oharakteristisohe  Erscheinangen  aus  dem  Gebiete 
dieser  Sammelliteratur  an,  denn  eine  aueh  nur  die  enreiA* 
bareYollstandigkeit  erstrebende  Bibliographie  wQrde,  selbst 
wenn  ioh  mich  mit  der  bloszeu  Aufzählung  der  Titel  be- 
gnügen wollte,  weit  mehr  Baum  einnehmen,  als  wir  diesen 
Btlohem,  welehe  nur  ein  Ovensgebiet  unserer  GkMing 
bilden,  füglich  zuweisen  dürfen. 

Dio  erste  Stelle  dOrfen  wohl  Zinkgre£s  Teutsehe 
Apophthegmata  beaaspruehen,  welehe  1028  sum  ersten 
Mal  (in  Straesburg  12^  ersehienen^.  Das  Boeh,  welehem 
der  dem  Verfasser  befreundete  Opitz  ein  poetisobes 
BmpfeblungBsehreiben  mit  auf  dm  Weg  gab»  wuoht  all-* 
mfthlioh  auf  ÜQnf  Theile  an,  deren  dritten  Job.  Leonhaid 
Weidner,  Zinkgrefs  Schwager,  zusammentrug. 

Noch  grOszerer  Lebenskraft  hat  sich  des  Rostocker 
Professors  Feter  Lauremberg  Aeerra  phiMo^ioa  au  erfreuen 
gehabte  Dass  seine  bescheidene  Absieht,  dureh  leidit 
faszlicho  und  dem  Gedächtnisz  sich  einprägende  Ge- 
schichten die  Jugend  in  deutscher  Sprache  in  das  klassi* 
sohe  Alterthum  einsufllhren,  grossen  Anklang  fiuid,  be- 


*)  Xir  liegen  ^slgende  Anegsben  tw:  a)  Stnsiboig  1S98L  8*, 
IL  TU.  ebenda  168L  8»  Oderin  das  Gedieht  Ton  Opits)  —  b)  Stno- 
baig  1680.  8*  (beide  Tbeile)  —  e)  Leydea  lOAA.  HL  19*  (aiit  Weida« 
ForteetsnngX  Ooedeke  ftthrt  noch  folgende  sp&teie  Ausgaben  an: 
Amsterdam  1553.  Y.  la»,  1655.  V.  12»,  1668  HL  13«.  —  FraakAut 
1688.  HL  la».  —  Le^psig  1688.  Y.  la«. 


—   H5  — 


wmm  am  besten  die  vielen  Anflogen  *),  wdehe  das  Buch 

Ten  seinem  ersten  Erscheinen  1637  an  erlebte,  und  der 
grosze  Umiangf,  zu  weichem  es  im  Laufe  der  Zeit  anwuchs. 
Aus  den  100  Artikeln,  die  den  Qrundstook  bilden,  wurden 
sekliesdieh  nieht  weniger  als  700.  Man  blieb  nieht  beim 
Altcrthum  stehen,  sondern  schon  die  frdheren  Aul  lagen 
«eigen  deutlieh  die  Absicht,  das  Buch  zu  einer  JtDucyclopAdie 
alles  Wissenwerthen  au  maeben,  freilieh  au  einer  so  wenig 
sjratematiselieni  wie  es  nur  das  XYII  Jahrhundert  ertragen 
konnte.  Natürlich  sind  auch  nicht  alle  Stücke  erzählendeo 
Inhalts,  Beschreibungen  geographischer  Merkwürdigkeiten, 
populäre  Behandlung  theologieolMr  Fragen  und  kurae  mo- 
ralisebe  Abhandlungen  weebseln  mit  wirkliehen  Anekdoten 
ab,  und  die  letzteren  werden,  je  mehr  sich  das  Werk  er- 
weitert»  immer  seltener').  £ine  Fortsetanng  lieferte  (naeh 
€k>edeke)  J.  Quirsfeld  unter  dem  Titel  Historisehes  Rosen- 
gobüsch ^)  und  der  schon  früher  erwähnte  Polygraph  Eras- 
mus Franoisoi  schrieb,  angeregt  durch  die  Acerra  philologißa, 
neben  andern  ahnliehen  diekleibigen  Schriften  eine  Ae$rta 
seoCMomm  in  drei  Banden*). 

Auch  Samuel  Gerlach's  Eutrapeliae  hisiorico-pJdlologicO' 
poUdeOie^)  erweiterten  sich  von  ursprünglich  1000  Artikeln 


Ich  habe  allein  auf  der  Breslauer  Königl.  tmd  der  Stadtbibliotbek 
folgende  Ausgaben  von  folgenden  Jahre  gesehen:  eine  von  1640,  1643, 
iwd  von  1650,  eine  Toa  1661 ,  1663,  swd  tvn  IW,  eine  tob  1681) 
1688,  16M,  1799,  1786.  Demnaeli  durften  wobl  doppelt  so  Tiele 
siluUreB« 

*)  Naeh  der  Bfaileitimg  la  meiner  Ansgaibe  des  SimpUeiseimiiB  in 
JUrtehnerB  National-Literatiir  habe  ich  einige  Proben  gegeben,  welche 
aeigea,  da»  die  Einführung  in  den  Geist  des  Alterthums  ein»  nach 
unseren  Begriffen  sehr  oberflftchliohe  und  mittelbare  was. 
Nürnberg  168S. 

«)  1673  -  74.80. 

»)  Lübeck  1639.  8o  ebenda  1647.     -  Leipsig  1762.  8°. 

8* 


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—  116  — 


auf  3000,  welche  aber  weniger  umfimgreich  and  weni- 
ger gelehrt  waren  als  die  der  Aeerra,  Noch  unter  die 
beliebtesten  der  Anekdotenbüchcr  des  XVII.  Jahrhunderts 
gehören  die  2000  Stücke,  die  Christoph  Lehmann  mit  Zu- 
gnmdelegong  von  L.  Carons  C^uute'Eimmf  sammelte  und 
unter  dem  Titel  EmUmn  MdanehoUae  herausgab ')  und  des- 
selben Verfassers  ähnliches  Werk  Florilegium  polüicum 
auetum^)  von  gmns  Ahnlioher  Art,  fomer  der  sich  einem  ge- 
wissen Theil  des  Publikums  durch  seine  oft  schlüpfrigen 
Artikel  empfehlende  Eurtsweilige  Zeityertreiber^)  von 
0.  A.  M.  von  W.,  an  dem  Simon  Dach  mit  Unrecht  ein 
Antheü  sugeschrieben  worden  ist^). 

Diese  Bfloher  stehen  den  Schwankbüoherii  des  XYI. 
Jahrhunderts  noch  verhältniszmäszig  nahe,  ebenso  eine 
grosze  Anzahl  weniger  bekannter,  die  aber  immer  noch 
yerbreitet  genug  gewesen  sn  sein  scheinen  und  deren  Titel 
wie  Lustiger  Demokritus  und  ZeitkUrser,  Lustige  Gesell- 
schaft, Leyermatz,  Haiiptpillen,  Ernst  Immerlustigs 
Bommerklee  schon  auf  den  komischen  Inhalt  hinweisen, 
der  sieh  natOrlioh  immer  und  immer  wiederholt,  so  dass 
es  dem,  der  sieh  in  dieser  Literatur  einigermassen  umge- 
sehen hat,  einen  komischen  Eindruck  macht,  wenn  er 
sieht,  wie  ein  Buch,  das  eine  Geschichte  mit  zwansig 
andern  gemein  hat»  als  Quelle  für  ein  isweiundswanaigstes 
anfgef^inden  wird. 

Den  eigenthümlichen  Geschmack  des  XVII.  Jahr- 
hunderts stellen  meines  Erachtens  Erscheinungen  von 

«)  Straszburg  1643.  8«  —  ebenda  1869.  8". 

»)  Frkft.  1641/4-2.  II.  120  -  ebenda  1662.  II.  12°. 

^)  Mir  liegt  eine  Ausgabe  von  16H5,  <S^'  vor.  Goedeke  führt  solche 
Ton  1668,  12",  1678,  12»  und  ITW,  12«  aiL  Die  von  1Ö6Ö  beseichnet 
sich  als  zum  zweiten  Mal  vermehrt. 

«)  vergl.  Bibl.  d.  Lit-V.  zu  Stuttgart  Bd.  130,  S.  19  f. 


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—  117  — 


etwas  anderer  Art  deotlieher  und  schärfer  dar,  indem  sie 

höheren  Ansprüchen  an  Sensationelles  und  Raffinirtes  zu 
genügen  strebten.  Unter  den  Öchriftätellern,  welche  in 
Sammelwerken  den  sieh  anoh  in  den  anspraohsToUeren 
Ennstromanen  der  Zeit,  wie  wir  gesehen  haben,  nur  zu 
sehr  geltend  machenden  Geschmack  am  Schrecklichen  und 
Grftszlichen  gut  zu  treffen  wuezten,  nimmt  der  überaus 
fruchtbare  Martin  Zeiller  entschieden  die  erste  Stelle  ein. 
Er  errang  die  Palme  mit  seiner  Ueberseteung  oder  Be- 
arbeitung von  Fran«^ois  Rossets  Histoires  iragiques  de  notre 
tempa^  deren  spätere  Ausgaben  den  Titel  Theairum  tragicum 
führen.  Durch  seine  Znthaten  machte  er  diese  Sammlung 
von  wüsten  und  zum  Thcil  unendlich  albernen  Schuuder- 
geschichten  noch  wüster  und  abgeschmackter,  eben  da- 
durch aber,  wie  es  scheint,  au  einem  der  beliebtesten 
UnterhaltungsbÜcher  seines  Jahrhunderts.  Grauenhafte 
Laster  und  ontactzlicho  Schandthaten,  Umtriebe  des  Teufels 
und  alle  haarsträubenden  Seiten  des  Hexenwesens  dienen 
als  Sensationsrequisiten  in  dieser  Folterkammer  des  gesun- 
den Menschenverstandes  und  unverdorbenen  Geschmacks, 
und  der  erzählende  Text  wird  von  sehr  ausführlichen  An- 
merkungen begleitet,  die  in  pedantisch -trockenem  Tone 
mit  aahlreichen  gelehrten  Citaten  immer  neue  Greuel 
über  Greuel  und  Unsinn  über  Unsinn  häufen.  Lohen- 
Steins  Tragödien  sind  Kunstwerke  voll  reiner  Schönheit 
gegen  dieses  Buch,  das  abscheuliohe  Denkmal  einer  rer- 
nunft-  und  geschmacklosen  Weltanschauung,  die  im  Be- 
griö^  ist,  sich  auf  dem  Höhepunkte  ihrer  krankhaften  Ent- 
wickelung  selbst  zu  zersetzen.') 

')  Ich  kenne  nur  die  beiden  Auagaben  Ulm  1C55,  und  Ulm  1671, 
8®,  aber  in  der  ersten  findet  sich  eine  Dedication  des  Verlegers,  nnter- 
seiehnet  Idlb,  in  welcher  eine  Anagabe  Rostock  1639  als  die  ittnfte 


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—   118  — 

Um  sanäehBt  bei  den  liervomg0iid0le&  Nemii* 
ersebQtterern  noch  einen  Angfenbliok  eo  yerweüen,  eo 

schrieb  Francibci,  der  überall  dabei  sein  muszte,  seinen 
Hohen  Trauersaal  oder  Steigen  und  Fallen  grosier  fiemn 
In  vier  starken  Bänden')  nnd  hatte  anf  diesem  Wege 
wieder  unter  andern  den  Theologen  J.  0.  Beer  zum  Nach- 
folger, in  dessen  Neueröffucter  Trauer  -  Bühne  ^)  mehr 
Mensohen  hingeriehtet  werden,  als  Sttten  vorhanden  sind 
Damit  der  Leser  wisse,  dass  er  Waare  k  U  Rosset-Keiller 
vor  sicli  luit,  wird  auf  dem  Titelkupfer  einer  mit  dem 
Schwert  und  einer  mit  dem  Beil  enthauptet,  einer  ge- 
ridert»  einer  geyiertheilt»  einer  ersehossen,  nnd  im  SSnter- 
grunde  findet  noch  ein  Duell^  ein  Erdbeben  und  der  Aus- 
bruch eines  Vulkans  statt.  Ein  so  tüchtiger  Autor  hatte 
der  Welt  su  yiel  Sohmera  venursaeht,  wenn  er  hiemaeh 
die  Feder  beiseite  gelegt  und  so  verOfflfontiiehte  Beer  noek 
ein  historisches  8patzier-  und  Convorsation-Büchleiu  ')  mit 
300  Geschichten,  von  denen  nur  ein  Theil  «schreckenvolle 
Traner-Gesohiohten*  sind,  nnd  er  soheint  aneh  der  Yer- 
ühsser  des  Historisehen  Rosengartens*)  8u  sein,  der  eben* 
Ddls  300  Historien  euth&lt  und  in  dessen  Vorrede  er  aus- 
draoklioh  sagt»  es  sei  Ton  ihm  verlangt  worden'),  dass  er 

bezeichnet  uml  über  mehrere  schon  erHchieiieue  Naolnlrncke  ijfeklagt 
wird.  Zeillers  Vorrede  d.  d.  7.,  17.  April  lOfiO  (abgedruckt  in  der  Aus- 
gabe von  1G71)  gehört  zur  achten  reohtmaszigeu  Auügahe  und  itlhrt 
drei  Nadidnuike  inf.  Es  sind  slso  bis  1671  mindestens  xwölf  Aof 
gaben  enwliieaeti.  In  den  Beilagen  habe  ieh  eine  EnShlnng  mit- 
getheilt 

>)  Nflmberg.  1665-168L  8«. 

»)  I.  Thl.  Ntlraberg  o.  J.  8«.  (c.  1700). 

3)  Nürnberg  1701.  8°. 

<)  Frankfurt  und  Leipzig:  1710.  8^ 

*)  Zur  Ehre  der  Verfasser  kann  ich  die  Thatsache  nicht  ver- 
schweigen, dasz  es  ein  gemeinschaftlichcH  Merkmal  dieser  Literatur 
scheinti  von  den  Verlegern  bestellt  oder  gewünscht  2tt  sein. 


—   119  — 


ein  solches  Buch  wie  Laurembergs  Acerra  pldlologica 
mache»  daaz  er  aber  aus  dieser  mohts  aufgenommen  habe, 
und  ein  Prediger  £Mt  alles,  was  darin  enthalten  ad, 
brauchen  könne.  Nicht  geringeres  Ansehen  genossen  die 
ähnlichen  Bücher  von  Becrs  Amtsbruder  M.  J.  D.  Ernst 
(1683  Arohidiakonus  au  Alienburg)  z.  B.  die  Historisohe 
Sefaanbühne')  und  das  Historisehe  Bilderhaus'),  denen  wir 
noch  eine  31cnge  von  andern  Verfassern  herrührende 
Thesaujn,  Spaziergänge,  Lusthauser  mit  historisoheu  Aus- 
hAngeschildern  folgen  lassen  könnten.  Wenn  auch  bei 
allen  diesen  Mftnnem  «Historisch**  und  «Blutig**  sich 
mehr  oder  woniger  decken,  so  erreicht  allerdings  keiner 
den  zuerst  angefahrten. 

Eine  sehr  herrorragende  Stelle  nimmt  unter  den 
eklektischen  Unterhaltungsschriftstellem  wegen  der  Viel- 
seitigkeit, mit  der  er  der  Mode  seiner  Zeit  Gci^üge  leistete, 
Ph.  Harsdörffer  ein,  den  wir  schon  weiter  oben  kennen 
lernten.  Mit  seinem  Grossen  SchaupUtae  jämmerlicher 
Murdgeschichte  ^)  wandelte  er  dieselbe  Bahn  wie  Zeiller, 
allerdings  in  etwas  weniger  krasser  Weise  und,  wie  es 
scheint,  auch  nicht  mit  solchem  Brfolge.  Ganz  ahnlich 
eingerichtet»  nur  nicht  yon  so  «jämmerlichem*  Inhalte  ist 
sein  Schauplatz  Lust-  und  lehrreicher  Geschichte*),  in 
absichtliohem  Gegensätze  zu  den  schon  bekannten  Ool- 

»)  Bei  dem  mir  vorliegenden  Exemplare  fehlt  der  Titel. 

Thl.  IT.  Altenburg  1693.  8».  Desselben  Verfassers  „Der  Un- 
glücklich-verliebten Printzens  Siclieins  und  der  unfürsichtigen  Fräu- 
leins Dina  Traiiric:  abe^elaiiffene  Liebes -Geschichte  etc.  in  XXIII  Be- 
trachtungeu,  Altenburg  10Ü3.  8°.  ist  kein  Roman,  sondern  eine  Samm- 
limg  Ton  Predigten. 

«)  Fnakftirt  UM».  IL  12«.  —  Hamlmrg  1656.  1%^  —  Fiaokftirt. 
1660.  8«.  -  Hamburg  1666.  8<>  (fttnfte  Aufl.). 

«)  Frankfort  1660,  51.  II,  12^.  -  Fnuikflut  1664,  IL  8«  (fttofte 
Aufl.).  —  Hsnbiiig  1660.  8«.  —  Hambuig  1679.  8«. 


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—   120  — 


leotanoeu  aus  dcu  uutikeu  Schriftstellern  aus  iranzösifichea, 
italiemBohen  und  spaniBchen  Bflohem  susammengestellL 
Sehr  viel  almliches  Material  hatte  Harsdörffer  in  seinen 
Frauenriniuier  -  Gespnlclispiolon'),  dem  kulturhistorisch 
interessantesten  Stück  aus  seinem  bunten  Kram,  geboten» 
aher  das  Höchste  in  dieser  Art  meinte  er  sicher  in  seiner 
Ars  (ipophthegmaHea*)  erreicht  sn  haben.  Hier  wird  die 
Kunst,  geistreich  zu  sein,  in  eben  der  Weise  gelehrt  wie 
in  dem  Nürnberger  Trichter  die  Kunst,  ein  Dichter  sn 
werden.  Um  systematisch  yorsugehen,  werden  in  einer 
Einleitung  die  „Knnstquellen  denckwürdigcr  Lobrsprücbc 
und  Ergötzlicher  Uolreden",  welche  auf  dem  Titel  ver- 
heissen  sind,  aufgeführt.  Es  sind  ihrer  sehn,  nftmlich 
die  LehrsprOche,  die  Wortforschung,  die  Doppeldeutung, 
die  Abtheilung,  die  Folge  oder  das  Schickliche,  das  Un- 
schickliche oder  Uebermäszige,  die  Gleichnisse,  welche 
theils  erklären,  theils  beweisen,  der  Gegensats,  die  Frage 
und  darauf  geftlgte  Beantwortung  und  endlich  die  Ge- 
schichte. Man  sieht,  es  gilt,  eine  nach  rhetorischen  Ge- 
sichtspunkten geordnete  Anweisung  zu  geben,  um  den 
Leser  in  den  Stand  su  setsen,  bei  allen  denkbaren  Ge> 
Icgenheiton  in  der  Conversation  mit  einer  Anekdote, 
einem  scharfsinnigen  Spruche,  einer  Ycransohaulichenden 
Ersfthlung  und  dergleichen  au&uwarten.  Br  hatte  das 
Streben,  in  die  atomistisehe  Aufhäufung  unterhaltenden 
und  zugleich  belehrenden  Materials  eine  tiefere  Einheit 
und  Gliederung  su  bringen,  beaeichnender  Weise  yerfiUlt 
er  aber  doch  auf  nichts  weiter  als  auf  eine  Topik  der 
Conversation,  und  mau  musz  schlieszlich  sagen,  dasz  er 


•)  Nürnberg  1641.  —  1649.  Vin.  qu.  8".  * 

')  NtLmberg  1655.  8«.  —  Continuatio  Nürnberg  1656.  8». 


nur  prfttentiMer,  aber  nicht  praktisclier  für  den  Leser» 

der  sich  zu  einer  geistreichen  Gesellschaft  präparireu  will, 
verfahren  ist  als  Christoph  Lehmann  mit  seiner  alpha- 
bethieehen  Anordnnngf. 

Wir  schieben  alles  Aehnliche,  an  dessen  Zusammen- 
stelluug  der  emsigste  liibliograph  erlahmen  könnte  und 
in  Betreff  dessen  wir  jedem,  der  Urtheii  und  Uebersioht 
anstrebt,  nnr  rathen  können,  sich  mit  Beiseitelassnng 
aller  HandbQeher  an  die  Durchsuchung  groszer  Bibliotheken 
selbst  zu  machen,  zurück,  um  nur  noch  ein  Buch  der  in 
Rede  stehenden  Art  zu  erwähnen,  dessen  Yerihsser  in 
Bezug  anf  alle  lächerlichen  Gesohmackseigenheiten  des 
curiösen  Jahrhunderts  uns  luii  weitesten  gekommen  zu 
sein  scheint.  Christian  Franz  Paullini  wuszte  als  Arzt 
Gesichtspunkte  und  Quellen  für  seine  Sanunlungen  zu 
finden,  welche  noch  yerhallniszmäszig  wenig  waren  rer- 
werthet  worden.  Auch  verschmähte  er  als  Reizmittel  den 
schmutaigsten  sexuellen  Kitzel  nicht,  natOrlich  alles  mit 
Bibelstellen  yerbrämt  und  mit  erbaulichen  Betrachtungen 
durcbÜochten.  Zur  Charakteristik  seiner  „Zeitkorzendon 
erbaulichen  Lust*" die  er  als  ein  Buch,  welches  man  an 
allen  Stellen  zu  lesen  anfangen  kann,  mit  den  Worten 
«Fasse  nur,  geneigter  Leser,  disz  mein  Bttchlein  beim 
Kopf,  Nabel  und  Fersen  an",  emptiehlt,  mögen  die  üober- 
schriften  der  zehn  ersten  Stücke  des  ersten  Theiles 
dienen:  1.  Kinder  Pocken  sind  lauter  Würme.  2.  Das 
bey  lebendigem  Leibe  steinerne  Gehirn.  3.  Grüne  Haare 
von  Natur.  4.  Der  (unter  anderm  auch)  Frantzösische  und 
Sohorbookische  Hieb.  ö.  Hunde  und  Katzen  brOten  Eyer 
aus.    6v  Der  laussichte  Kropf.    7.  Das  im  Ifutterleibe 


')  Franken  s.  M.  1695-98.  IIL  S"». 


—   122  — 

schwangere  Kind.  8.  Irrwisdie  sind  lauter  Würrae, 
9.  Bookfl-Miloh.  10.  Yollige  und  natorliohe  Spraoh  okne 
ZuBgen.  So  geht  es  Idrt  auf  ober  8000  grossen  OkteY* 

Seiten,  und  da  dies  noch  nicht  genug  schien,  beglückte 
Pauliini  das  Publikum  noch  mit  zwei  dicken  Banden 
,iPhilosophisolie  Luststundea*' die  Yon  gaiis  g^esehem 
Sohlago  sind. 

Auch  der  flüchtige  Blick,  welchen  wir  von  unserem 
Hauptaugenmeik  ab  auf  die  eben  vorgeführten  Ersoheinim- 
gen  geworfen,  wOrde  sehen  su  viel  sein«  wenn  diese 
Sammelsurien  nicht  in  mehr  als  einer  indirecten  Be- 
ziehung zum  Wachsthum  der  Prosadichtung  ständen  — 
denn  direot»  das  ist  als  Erseugnisse  der  Ersählungskiuisl 
kommen  sie  wenig  in  Betraeht  —  wenn  sie  nieht,  wie 
weiter  oben  bemerkt  ward,  selbst  Schriftstellern  wie 
Grimmelshausen  gelehrten  Modeputz  und  episodischen 
Stoff  geliefert  hätten,  ein  Nutsen,  den  sie  für  phantasier 
lose  Köpfe  und  schwache  Erzähler  noch  in  Tiel  höherem 
Maszc  gewährten,  wenn  sie  forner  nicht  auch  lUr  Dichtungen 
weit  spaterer  Zeit  und  anderer  Ghtttungen,  s.  B.  Balladen 
und  Lust^ele,  Reservoire  von  brauehbaren  SinselbeitSB 
geworden  wären,  wenn  sie  endlich  nicht  durch  ihre  unge- 
heure Anzahl  und  den  auszerordentlichen  Erfolg,  den 
einaelae  hatten,  den  Zeitgesohmaek  seharfeharakterisirten 
nnd  sur  Erklärung  maneher  in  der  G-attung,  die  wir  be* 
handeln,  auftretender  Erscheinungen  beitrügen. 

Wenn  oben  gesagt  wurde,  dasz  die  hervorragendsten 
Yertreter  der  Prosadiohtung  des  XYIL  Jahrhunderts  Naeh- 
folger  oder  wenigstens  solche  gefunden  hätten,  welche 
dem  Publikum  Grloiches,  wie  sie,  zu  bieten  versucht»  so 


*)  FnakAirt  wA  Leipzig  1708.  8«.  TU.  II,  1707.  8«. 


—   12»  — 

findet  sioh  dieses  YerhAlinisi  namentlich  swisohen  Grim- 
melshansen  und  Christian  Weise.  Weise  gehört  snnaohst  und 

bei  flüchtiger  Betrachtung  allerding»  nur  wegen  Beines  be- 
waszteu  Gegensatzes  gegen  den  heroisch-galanten  Roman 
in  seiner  ihm  duroh  Lohenstein  und  Ziegler  gegebenen 
faOohsten  ESntwiekelung  mit  Grimmelshausen  susammen. 
Bei  eingehenderer  Vergleichung  wird  man  aber  unschwer 
erkennen,  dasa  er  in  seiner  Art,  obgleich  selbständig, 
als  Nebenbuhler  des  genialen  Mannes  auftreten  wollte, 
man  wird  bemerkeD,  dasz  er  nicht  nur  sein  Publikum  zu 
finden  wuszte,  sondern  auch  für  ein  ähnliches  Publikum, 
wie  das  Grimmelshausens  war,  sehrieb,  dass  er  grossen 
Anklang  fimd,  ja  einen  weit  grosseren  Sehwann  ron  Nadi- 
ahmcru  hinter  sich  hatte  als  jeuer,  wenngleich  dieser  An- 
acblusz  sehr  untergeordneter  Talente  zum  gröszten  Theüe 
anf  Beehnung  grade  seines  bedeutenden  Zumekstehena  hin- 
ter seinem  unnaohahmliehen  Faohgenoesen  kommt.  Grim- 
melshausen hat  seinerseits  die  Verwandtschaft  mit  seiner 
«Muhme  Katherine^  deutlich  genug  goiühit,  und  wenn 
Weise  in  der  Yorrede  zu  seinen  drei  Eranarren  sagt: 
«Es  (das  Buch)  siebet  nArriseh  aus,  und  wer  es  obenhin 
betrachtet,  der  meint,  es  sey  ein  neuer  Simplicissimus 
oder  sonst  ein  lederner  8aalbader  wieder  angestanden*', 
ao  merkt  man  recht  gut»  dass  aneh  ihm  dieses  Bewusst- 
eein  nicht  fehlt. 

Freilich  war  ihm  der  Gegensatz  seiner  Nüchtern- 
heit au  der  hohen  poetisohen  Begabong  Grimmelshaosens 
und  der  seiner  schulmeisterlichen  SchreibtiBehweisheit  an 
zu  jenes  Lcbcnserfiihrung  nicht  klar,  sondern  er  hielt  sich 
eben  idr  den  verständigeren  und  feineren.  Dabei  soll  ihm 
keineswegs  seine  Selbständigkeit  jenem  gegenober  be- 
stritten werden,  da  sie  schon  aus  dem  aiemlich  gleich- 


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—   124  — 


seitigen  Aufibreten  bitider  als  Sohriftatoller  erkellti  Denn 
Weise,  obwohl  gegen  swanrig  Jahre  janger  als  Grimmels- 

/  hausen,  kommt  scUoii  1601  mit  seinem  am  tretfcndsten 
betitelten  Buche,  den  UeberflOssigen  Gedanken  der  grü- 
nenden Jugend,  ans  Lieht,  einem  Werke,  das  ihn  sehon 
gans  und  gar  als  den  erscheinen  lilest,  der  er  spftter 

immer  blieb. 

Oh.  Weise  hat  in  der  neuesten  Zeit  genOgende  Be- 
achtung von  Seiten  der  literarhistorisohen  Wissenschaft 

gefunden.  Er  hat  das  Glück  gehabt,  nicht  nur  von 
tdchtigou  Gelehrten,  unter  denen  ILPalm')  obenan  steht, 
bearbeitet,  sondern  auch  von  sehr  wohlwollenden  Kritikern 
beurtheilt  sn  werden.  Wenn  mein  ürtheil  verhAltniss- 
uiaszig  scharf  und  ungünstig  ausfällt,  so  rührt  dies  daher, 
dass  hier  nur  eine  Seite  seiner  vielseitigen  Thfttigkeit  in 
Betracht  kommt,  und  dass  er  nothwendiger  Weise  mit  dem 

I  verglichen  wird,  mit  welchem  er  der  Entwickeluug  der 

I   Gattung  nach  zusammen  gehört. 

Brei  Bchriften  Weises  lassen  sich  unbeanstandet  als 
Romane  beseichnen,  die  drei  ftrgsten  Ertsnarren,  die  drei 
klügsten  Leute  und  der  politische  Näscher,  aber  auch 
eine  vierte,  die  drei  Hauptverderber  in  Deutschland^),  die 
von  Palm  an  den  Romanen,  von  Koberstein  su  den  Sa- 
tiren gezählt  wird,  dQrfen  wir  hier  nicht  unerwähnt 
lassen,  nicht  allein  weil  sie  an  Alter  Jenen  voransteht 
und  als  eine  Vorbereitung  au  den  eigentlichen  Romanen 
Weises  erscheint,  sondern  auoh  deshalb,  weil  sieh  der 
Verfasser   mit   ihr   in    ein   ähnliches    Verhältnisz  zu 

 ')  Beitrftge  zur  Geschichte  der  deatschen  Literatur  des  XVL  and 

XVn.  Jahihimderts  Ton  Dr.  H.  Pfthn.  Bieshta  1877.  VergL  a  8 
Anm.  wo  die  Literatur  Uber  Weise  TMieleluiet  ist 

')  von  Siegmund  Gleichviel  1671.  m  - 1«78. 12».  — 1080. 12» — 
1710.  W  (nach  Gocdeke). 


—  125  — 


MosoheroBoh  stellt  wie  Grimmelshausen.  Obgleich  nämlich 

die  drei  Hauptverderber  in  erzählender  Form  abgefaszt 
sindj  80  gleichen  sie  doch  den  GcBichten  Philanders 
dniohaiis,  sowohl  in  Beeng  anf  die  Einkleidung  in  einen 
Traum  als  in  Besug  anf  den  Inhalt»  der  eine  theologisch«  v- 
politische  und  moralische  Maburede  au  die  Zeitgenossen 
darstellt,  ja  die  ganse  Bohrift  kann  eine  Nachbildung  des 
«Alamode  Eehrauss*  genannt  werden.  Der  Tranm  f&hrt 
den  Enfthler  in  einen  Wald,  er  gelangt  in  die  Unterwelt 
und  au  den  Hof  des  alten  Wendenkönigs  Mistcvoi.  Dieser 
nnn,  ein  nnversöhnlicher  Feind  der  Deutschen,  hat  die 
drei  Hauptrerderher  ausgesandt,  um  in  Deutschland  ün« 
heil  zu  stiften,  und  ihre  Berichte  von  dem,  was  sie  aus- 
gerichtet, hört  der  Träumende  an.  Der  erste  hat  die  reli* 
.  giflsen,  der  iweite  die  politischen»  socialen  und  moralischen 
ZnetAnde  und  der  dritte  die  wirthschaftliohen  Verhältnisse 
zum  Gegen  Stande  seiner  Wirksamkeit  gemacht.  So  haben 
sich  Glaubenslosigkeit,  theologisches  Gesank  und  Miss- 
brftnche  in  der  Kirche  yerbreitet,  in  der  Politik  herrscht 
Machiayellismus  oben  und  Unzufriedenheit,  Unredlichkeit 
und  Unsittlichkeit  unten,  endlich  hat  die  Modenarrheit  und 
fiofiahrt  und  in  deren  Folge  Unordnung  und  Armuth  Plate 
gegrifibn.  Man  sieht,  dass  etwas  gans  von  der  Art  der  Oe- 
sichte  Philanders  und  der  verkehrten  Welt  Grimmels- 
hausens geboten  wird»  nur  mit  weniger  Tiefe  der  Ge- 
danken und  weniger  Phantasie  als  ron  jenen  beiden» 
welcher  letztere  Mangel  indessen,  um  gerecht  zu  sein, 
dem  Weiseschen  Produkt  nicht  als  Fehler  anzurech- 
nen ist 

Was  die  drei  Ertsnanren*)  anbetrifft»  so  muss  auch 

Die  drey  ärgsten  E.  etc.  durch  Catharinum  Ciuilem  o.  0.  1G72. 
la«.  —  0.  0.  im  lafi  (Nachdruck).  —  o.  0. 1673. 19^.  —  o.  0. 1676. 13».  — 


—  126  — 


Ton  ihnen  allerdings  gowgt  werden,  daas,  wenn  man  an  den 

Roman  den  Maszstab  eines  epischen  Kunstwerks  anle^ 
in  dem  eine  Keihe  Yon  Charakteren,  Handlungen  und  Be- 
gebenheiten SU  einer  organischen  Einheit  yerknttpft,  in 
der  Besiehnng  auf  ein  GbnndmotiT  gegliedert  nnd  ahg»- 
rundet  dargestellt  wird,  mun  das  Werk  kaum  so  nennen 
kann.  Wenigstens  fohlen  alle  diese  £igensehaften  hier  in 
noch  höherem  Ghrade  als  in  den  ptkaresken  Bonunen  der 
Spanier,  wo  auch  nur  die  Einheit  der  Person  und  des 
Charakters  des  Helden  festgehalten^  doch  aber  das  Interesse 
an  den  Nebenpersonen  mmat»  soweit  ea  einmal  erregt  iat^ 
in  der  DnrehfÜhmng  ihrer  Bollen  befriedigt  wird.  Die 
Belehrungen  des  Hofmeisters,  so  bemerkt  Palm  sehr 
richtig,  bilden  den  Korn  der  Geschichte,  und  sagt  damil^ 
dasB  der  Kern  der  Gesohiohte  selbst  gar  keine  aolohe  ist 
Das  Hauptmotiv,  welohes  aueh  flEkr  die  drei  klügsten  Leute 
noch  vorhalten  musz,  stammt  aus  Moscheroschs  Alamode- 
Kehrauss.  £*lorindo,  ein  junger  Edelmann,  Gelanor,  aein 
Hofioneiater,  und  Bnrylas,  der  Yerwalter,  maehen  eine  Beiae^ 
um  die  drei  gröszten  Narren  in  der  Welt  aufzufinden, 
denn  JB^lorindo  hat  eine  grosse  Herrschaft  unter  der  Be- 
dingung geerbt,  daaa  er  in  dem  daan  gehörigen  Sehloaaa 
die  drei  ärgsten  Narren  abbilden  lasse.  Sie  nehmen  einen 
Maler  mit,  um  die  Bilder  sogleich  nach  Auffindung  der 
würdif^  Objekte  anfertigen  au  .  lassen.  Der  Leaer  er> 
wartet  mindestens  eine  Steigerung  in  den  anfaiwamdar* 
•  folgenden  Einaelheiten  und  eine  hflbsohe  Pointe  aum 


o.  0.  1070.  ISO.  -  0.  O.  1680.  IS*.  -  Leipsig  1688.  IS«.  —  Ls^sig 
1688.  m  —  Leipsig  17(M.  —  Aagstaig  1710.  12«.  -  Va«L  dis 
Einleitiing  von  W.  Braune  in  DmtmM  Literatunotrke  det  XVI.  und 
XVIL  JahfkmdMrtB  Na,  IM^H,  wo  die  An^slM  von  167S  er- 
aeiiifft  ist 


Bohlasse.  Aber  wie  sehr  wird  er  getilosohtl   Die  Reise- 

getährtcn  bomorken  und  besprechen  alle  ihnen  auf- 
stossenden  Züge  von  menschlicher  Thorheit,  welche  sieh 
der  ansgesproohenen  Absieht  des  Yerfissers  gemftss  sAmml- 
lieb  auf  das  Gebiet  des  häasliohen  mid  PriTstlebens  be- 
schränken. Solche  Typen,  die  schneller  am.  Leser  Yorbei- 
gleiten  als  die  Erlautemogen  Gelanors,  sind  b.  B.  ein 
nnter  dem  Pantoffel  seiner  Fran  stehender  GkMtwirth,  ein 
Spitzcnkrilmer,  der  seine  Frau  prügelt,  weil  sie  nicht 
sagen  will:  „Nun  Gott  Lob  und  Dank,  dasz  die  öpitsen 
TsriLanft  sind/  ein  OsTalier»  den  seine  Gemahlin,  man 
weisB  nieht»  ob  in  wirklieher  oder  angeblieher  Borge  um 
seine  Gesundheit,  abscheulich  tyrannisirt,  ein  Gelehrter, 
der  Tiele  BOeher,  aber  wenig  Wissen  besitst  Einmal 
glaubt  man  sehen  (Oapb  TI)  an  die  eigentliohen  Banpt> 
personen  gelangt  zu  sein,  den  Anfang  einer  weiter  durch- 
geführten Charakterentwickeluog  und  einen  Einheitspunkt 
des  Gänsen,  d.  h.  drei  Personen,  welehe  die  Titolhelden 
sind,  gefhnden  an  haben,  da  drei  alte  Herren  in  dem 
Wirthshause,  wo  die  Reisenden  logiren,  ankommen.  Sie 
lassen  sieh  allerdings  närriseh  genug  an,  aber  auoh  sie 
Tersohwinden  wieder  wie  alle  andern  yom  Sohanplatae, 
und  der  Leser  hat  das  Nachsehen.  Ein  ander  Mal  findet 
Florindo  ein  Buch  mit  Anekdoten  und  Weise  dadurch 
eine  sehr  wohlfeile  Gelegenheit^  solohe  gans  unTermittelt 
mitintheilen.  Naehdem  die  Beisenden  Dentsehland  Ter- 
lassen  haben,  wird  der  Bericht  sehr  summarisch  und 
sohlies8(  Äusserst  unbefriedigend  damit,  dass  die  drei 
ftrgsten  Ermarren  eben  gar  nieht  gefunden  werden  und 
ein  Coüegium  prudentkan  auf  Yerlangen  ein  Gutachten  ab- 
gtebt,  worin  drei  ganz  abstracto  Typen  von  Narrheit  auf- 
gestellt werden.  Der  letite  Paragraph  dieses  Gutaohtena 


—  128  — 

resfimirt  folgendermaBsen:  ,J7im  ist  leieht  die  Reohnimg 
sa  machen,  wer  der  ^rOssto  Narr  sev.    Nemlieb  derselbe, 

der  umb  zeitliches  Kothes  willen  den  Uiiumol  verschertzt. 
Nftebst  diesem,  der  ümb  liederlicher  Ursaohen  willen  eotr 
weder  die  Oeeundheit  und  das  Leben,  oder  Ehre  und 
guten  Njilimeii  in  Gefahr  setzet."  Heber  diesen  Bescheid 
sind  die  drei  Narrensucher  höchst  erfreut,  sie  eilen  nach 
Hause  und  lassen  die  an  den  Narrenbildem  leer  gebliebe- 
nen Felder  in  dem  Saale  des  Behlosses  aussobmaeken 
wie  folgt:  „Oben  über  ward  mit  groszen  Buchstaben  ge- 
sobrieben:  Diogmu  wmoe  UOtmam^  hmninu  hic  non  smU 
^  handniB.  Das  mittelste  Feld  war  etwas  hoher,  da  atond 
ein  Mensch,  der  umbfieng  eine  JuDgffran,  welche  you 
hinten  zu  lauter  Jb^euerflammen  auszspje,  mit  der  Ueber- 
sohrift:  SäUte,  dum  numdum  eoUt,  ü^ernum  amfleoUru,  Anf 
einem  Seiten  Felde  war  ein  Mensch,  Aet  küste  eine  Jung- 
frau, welche  vorn  lieblich  bekleidet,  hinten  als  ein  Toden- 
gerippe war,  mit  beygefttgteu  Worten:  StuUt^  dum  vmd- 
iaUB  dq>0n$,  mortem  ampleetem.  Auf  dem  andern  Seiten- 
Felde  stund  ein  Mensch,  der  liebte  eine  Jungfrau,  welche 
hinten  als  eine  Bettelmugd  auszsah,  mit  der  Ccberschrift: 
StuUe,  dum  duleediMm  uetarU,  infagmam  ampUeUrii,  Unten 
war  eine  kleine  Taffei,  darauf  diese  Worte  su  lesen 

waren:  Feliu!  Quia  stultorutn  j>ericnlis  cautior  /actus.  InepUh 
rum  magisiroT^um  prudens  dUcedU,,  Düdpulua!  Aperta  €d 
sehola.   Stukorwn  amma  pUna.^ 

Binen  weniger  befriedigenden  Absohluss  als  dieses 
Bischen  Öchullateiu  und  die  hinten  disreputirlichen  Jung- 
frauen konnte  Weise  seinem  Boman  kaum  geben.  Um 
ihm  aber  Gerechtigkeit  widerfidiren  au  lassen,  müssen 
wir  darauf  aufmerksam  machen,  dasz  er  wenigstens  in 
einer  Sache,  die  zum  Romanschreiben  gehört»  sich  wirklich 


—  129  — 


geeohiokt  zeigt,  nftmlioh  in  karsen  und  amttsanten  komi- 
schen Porsonalbeschreibungen.  Einen  Btuteer  beschreibt 
er  Oap.  IV  8o: 

«Er  war  etwas  subtil  und  klein  von  Person,  dodh 
hatte  er  eine  Parucke  über  sich  hencken  lassen,  die  fast 
das  gautze  Gesichte  bedeckte,  dasz  man  eine  artige  Oo- 
mödie  Tom  Storobs  -  Neste  batte  spielen  können,  über 
diesE  waren  in  den  Diebs-Haaren  wobl  ein  Pfund  Buder, 
und  etliche  Pfund  Pomade  verderbet  worden,  und  ausz 
solchem  Gepüsche  guckte  das  junge  Geelsohnäbelgon  mit 
einem  paar  rotben  Baokgen  berfür,  als  wenn  er  das  Ge- 
siebte mit  rotbem  Leder  oder  mit  Leschpappier  gestrioben 
hätte.  Die  Lippen  biesz  er  bald  ein,  bald  liesz  er  sie 
wieder  ausz,  nicht  anders,  als  wie  die  Schiffer,  wenn  sie 
zu  Hamburg  das  Bier  ausskosten.  In  der  Krause  steokte 
ein  sohdner  Ring,  der  mit  seinen  Hertzbreebenden  Strablen 
die  Venus  selbst  überwunden  hätte,  wenn  nicht  ein  bund 
Band  im  Wege  gestanden.  Auff  den  Ermein,  absonderlieb 
auff  dem  linoken,  der  yon  Hertsen  gebt,  war  ein  gantzer 
Kram  von  allerhand  liederlichen  Bändergen  auffgehäfft, 
welche,  weil  sie  keine  accordixen^Q  Farben  hatten,  sich 
anseben  liessen,  als  wären  sie  von  Bftnder-sQebtigen  Per- 
sonen zum  Allmosen  »pendirei  worden.  Zur  Kappe  bau- 
melten wol  sechs  Trodolchen  vom  Schnuptuchc  heraus, 
die  Schuh  waren  mit  so  viel  Hosen  besetzt,  dasz  man 
nicbt  wüste,  ob  sie  Ton  Gorduan  oder  Ton  Englisobem 
Leder  waren.  Der  Degen  gieng  so  lang  hinausz,  dasz 
sieben  Dutzont  Sperlinge  darauff  hätten  Platz  gehabt 
und  im  Gehen  schlug  er  so  unbarmbertzig  an  die  Waden 
dass,  wenn  die  Kniebänder  niobt  etwas  auffgebalten,  er 
ohne  Zweifel  in  acht  Tagen  hätte  den  Vuleanum  agireiL 

können.  Und  welches  vor  allen  Dingen  zu  mercken  war, 
u.a  9 


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—  lao  — 

80  Ueffen  die  artagen  und  yerliebten  lünen  dermassen  ntU, 
als  wolte  er  die  Ciree  selbst  besanbern.  Hit  den  Hftnden 

legte  er  sich  in  so  schöne  positur,  dasz  er  gleichen  Weg 
in  den  Sohiebsaok  und  auff  den  Hut  haben  könte«  Die 
Fttsse  Betete  er  so  ausiwerte»  dass  man  augensdieinlieb 
abnehmen  niiiste,  der  Mensch  wftre  über  vier  Monden 
zum  Tantz- Meister  gegangen.  Mit  einem  Worte;  Das 
Muster  Ton  allen  perfecten  MiUeit  stund  da." 

Die  drei  klOgsten  Leute*)  ersebeinen  etwas  besser 
angelegt.  Florindo,  der  sich  inzwischen  sehr  glücklich 
verhcirathet  hat,  wird  ä  la  Giocondo^)  zur  Eifersucht  — 
allerdings  su  einer  ungereohten  —  gegen  seine  Ghittin 
veranlasst  und  begiebt  sieh  mit  Lysias,  der  einen  fthnlieben 
Verdacht  gegen  seine  Gemahlin  hegt,  auf  Reisen,  aui 
denen  die  drei  klQgsten  Leute,  wie  vorhin  die  drei  gröszteu 
Narren,  gesuobt  werden  sollen.  Bie  fallen  mit  ihrer  Be- 
gleitung unter  Räuber,  während  ihnen  die  Gemahlinnen 
verkleidet  nachreisen.  Eudlioh  werden  sie  nach  verschiede- 
nen Abenteuern  wieder  vereinigt  und  söhnen  sieh  ans. 
Die  drei  klügsten  Leute  werden  natttrlioh  nioht  gefunden, 
ein  Pfarrer  giebt  nur  ein  Gutachten  Uber  die  dreifache 
Klugheit,  dennoch  werden  drei  Gemälde  mit  lateinischen 
Untersohriften  gans  so  wie  in  den  drei  Ertsnarren  her- 
gestellt. 

Auch  in  diesem  Roman  zeigt  sich,  obwohl  der  epische 
Zusammenhang  besser  gewahrt  ist>  die  schlechte  Compo- 

0  D.  d.  k.  L.  in  der  gantsen  Welt  Ans  vielen  Schein  -  Klugen 
Begebenheiten  (so!)  hervorgesncht  etc.  durch  CatJutrinum  Cirilem. 
Leipzicf  1073.  Iii75.  1082.  1091.  1710.  Diese  Ausi^aben  ^iebt  Goedeke 
an,  mir  lieirt  noch  eine  Leipzig  1079  (Breslauer  Stadtbibl.)  vor,  and 
W.  Braune,  der  a.  a.  ().  mit  Hecht  die  Exist<iuz  der  Ausgabe  Ton  1673 
in  Zweilei  zieht,  kennt  noch  eine  von  1084. 

*)  auch  hier  erinnert  uns  Weise  an  Moscherosch,  Weiber-Lok 


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—   131  — 


sition  Weises.  Um  den  Raum  zu  füllen,  werdeu  vou  den 
Reisenden  bei  den  Bäubeni  eine  Anaahl  Briefe  gefunden 
und  Yorgelesen.  Dann  finden  sie  ein  Buch,  welches  ein 
Auszug  aus  dem  Epiktet  mit  Anmerkan^en  ist  und  unter 
dem  besonderen  Titel  „die  Bude  der  Klugheit"  das  dritte 
Buoh  des  Gkuusen  ausmacht 

Der  politische  NAscher')  gleicht  wieder  nach  seinem 
Aufbau  oder  vielmehr  durch  den  Mangel  an  jedem  Auf- 
bau, ganz  den  Ertznarren.  Crescentio,  ein  junger  eltern- 
loser Mensch  ohne  YermOgeni  wird  in  das  Leben  hinaus* 
gestossen  und  yon  seinem  Yormunde  auf  die  politischen 
Näscher,  d.  h.  Vorwitzigen,  durch  deren  üble  Erfahrungen 
er  klug  werden  aoll,  aufmerksam  gemacht  Ein  solcher 
wird  er  nun  selbst,  er  macht  eine  Menge  kleiner  Br- 
fiihrnngen  und  erhftlt  suletst  Ton  einem  theologischen 
Lehrmeister  eine  eben  so  doctrinäre  Information^  wie  die, 
welche  am  Schlüsse  den  beiden  andern  Romanen  gegebe- 
nen waren.  Dem  politischen  Nttscher  hat  Weise  noch 
einen  „Kurtzen  Bericht  vom  Politischen  Näscher"*)  nach- 
geschickt, in  welchem  „Curieuse  Fragen,  wie  nehmlich 
dergleichen  Bocher  sollen  gelesen  und  yon  andern  aus 
gewissen  Kunst-Regeln  nachgemachet  werden^,  behau* 
dclt  werden.  Die  erste  Frage  ist  „Ob  es  rcclit  scy, 
dass  lustige  Bücher  geschrieben  werden."  Sie  wird  in 
71  Artikeln  beantwortet  Die  aweite  lautet:  „Was 
Yor  Kunstgrieffe  zu  dergleichen  Bflchem  Tonnothen 
sind."    Hierauf  folgt  die  Antwort  in  fünfzig  Artikeln. 

»)  von  R.  J.  0.  -  0.  0.  u.  J.  12«  —  1C7Ä.  12<».  -  1678.  12»  — 
1670.  130.  _  168a.  13».  —  im.  W.  So  Goedeke.  In  der  Bwluier 
Bibliothek  befindet  sieh  eme  Ausgabe  Ton  1606.  Veigl  Beilage  9  m 
diesem  Capitel. 

*)  Leipsig  1680. 12«.  —  1681. 12«  — 1604. 12».  Die  letite  Anagabe 
findet  rieh  in  der  Bibliothek  in  Berlin. 

0* 


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132  — 


Bei  dieser  Anwci^iiiig  kommt  der  Schulpedaot  behr  deut- 
lich zum  Vorschein'). 

Weise's  praktischer  Binn  mochte  erkannt  haben,  dasz 

er  viele  Nachfolger  haben  würde,  und  er  hatte  sich  darin 

* 

nicht  getäuscht.  Die  Menge  der  ,,politischen"  Bücher 
beweist  ebensosehr  wie  der  gprosse  buohhftndlerische  Er- 
folg seiner  eigenen  Werke,  dass  er  sein  Pnblikum  yer- 
staud  und  dessen  Bedürfnissen  entgegenzukommen  wuszte- 
Treffend  äuszert  sich  Goedeke:  „Politisch  hiesz,  wer  in 
Sitten  und  Benehmen  abgeschliffen,  im  Leben  nnd 
Handeln  praktisch  war.  In  diesem  Sinne  mehr  Politesse 
als  Politique  lehrend,  dehnte  Weise  seine  Thätigkeit  über 
die  Schule  sohriftstellernd  aof  die  Leser  aus  und  gab  in 
seinem  Politischen  Redner  und  mehr  noch  in  seinem 
Politischen  Nftseher  (den  durch  Vorwitz  lebensklug 
werdenden  Abenteurer)  den  Anstosz  zu  oiücr  ganzen 
Fluth  Yon  Romanen  und  romanhaften  politischen  iSchhften, 
die,  wie  die  Teufelsliteratur  des  XYL  Jahrhunderts» 
beliebte  UnterhaltungsleotOre  wurden,  und  schon  deshalb 
Beachtung  verdieneu,  weil  jene  und  diese  Bücher  die  ver- 
schiedenartige geistige  YerÜMSung  des  XYL  und  des 
XYIL  Jahrhunderts  in  lebhafterem  Gegensatse  aeigen,  als 
irgend  eine  andere  Gattung  der  Literatur.  Dort  in 
der  Unterhaltung  sittliche  Besserung  vom  dogmatischen 
Grunde,  hier  kaum  sittliche  Gesichtspunkte  und  höchstens 
eine  Abrichtnng  des  Menschen  durch  Hinweisung  aof 
Nachtheile  in  der  Welt,  wem  das  Treiben  der  Welt  un- 
bekannt geblieben.  Eine  Aufklftrungaliteratur  hundert 
Jahre  vor  dem  Anfklftricht^ 

Ich  habe  in  der  Thal  dieser  rorzüglichen  Ohanil^eiistik 


«)  im  Artikel  XXXVXIL 


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133  — 


an  dieser  Stelle,  wo  es  sich  allein  um  die  erzählende  Schrift- 
stellcrei  Weises  bandelt,  kaum  etwas  hinzuzufügen.  Der 
Gebrauch  des  Wortes  Politik  für  Lebensklngbeit  war 
Obrigene  sehon  lange  vor  Weise  vorbanden.  Bobon  1609 
nannte  Melchior  Junius  WitehernejisU  seinen  Ratgeber  zum 
i?>eien  einen  politiscben  Diökurä,  aber  die  Masse  der 
politiseben  Erafthlungen  sohoss  erst  ins  Kraut,  naobdem 
Weise  den  reobten  Ton  getroffen.  Die  bierber  geborigen 
Romane  verdienen  nur  als  Abklatsche  Weisescher  Kunst 
erwähnt  zu  werden  und  bedeuten  für  die  Geschichte  unserer 
Gattung  niehts,  als  das»  eine  solche  Literatur  eben  im  Zeit- 
gesobmaok  ihre  Stütee  fiind.  Eine  unglaublieb  nüobteme, 
häu^g  abstoszend  gemeine  Auffassung  des  Lebens,  eine 
sehr  massige  Gewandtheit,  sich  in  der  äusserst  bequemen 
Form  SU  bewegen,  die  Abwesenheit  idealen  Gehalts  und 
echten  Humors  charakterisirt  sie  durchweg.  Wir  thun 
also  kein  Unrecht,  wenn  wir  die  politischen  Maulaii'en, 
Halbfisohe,  Stockfische,  Bratenwender,  Fenermftuer- 
Eehrer,  Grillenfänger,  Leyermftnner,  Fassagiere,  Hof- 
3Iädgen  und  Bürstcnbindergcscllen,  von  denen  einige,  wie 
der  Politische  Maulaffe  von  Job.  Riemer,  dem  Autor  auch 
der  Politischen  Colioa,  des  Politischen  Halbfisches,  Btock- 
fiscbes  und  Passagiers,  eine  Anzahl  Auflagen  erlebten, 
beiseite  liegen  lassen  und  nur  noch  geltend  machen,  dasz 
eben  jene  tieferen  geistigen  Momente,  die  sittlichon  Ge- 
sichtspunkte und  der  dogmatische  Grund,  d.  h.  eine  religiOs- 
durchgeistigte  Weltauffiussung.  die  Dinge  sind,  die  Grim- 
melshausen unendlich  höher  stellen  und  ihm  neben  seiner 
genialen  Darstellungsgabe  einen  bleibenden  Werth  ge- 
sichert haben,  während  Weise  mit  seinem  gansen  politi- 
schen Anhange  nichts  als  die  bekannte  „historische*  Be- 
deutung in  Anspruch  nehmen  kann. 


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Interessanter  als  «Hess  Denkmftler  superkluger  Plaft^ 

hcit  sind  für  UDS  einige  Erscheinungen,  welche  in  dem, 
von  Opit zischen  Reformen  ebenso  wie  von  Lohenstein- 
soher  Yerkehrtbeit  mehr  frei  gebliebenen  Boden  Süd- 
dentscblands  wnrseln.  Sie  lehren  nns  wenigstens,  dasi 
hier  unter  besseren  Vorhältnissen  ein  komischer  oder 
bumoristisober  Boman  aus  volkstbümlicbeu  Elementen 
möglich  gewesen  wftre.  Keime  sn  gesimden  Pflanzen 
sind  erkennbar,  freilieh  bei  dem,  der  hier  snerst  sn  beaehten 
ist,  am  dürftigsten.  Johann  liuber  oder  J.  A.  N.  Huber, 
wie  rermutbliob  der  nicht  sicher  festgestellte  Name  des 
Mannes  gelautet  haben  wird^i  lehnt  sidi  in  seiner  Art  an 
beide,  Grimmelshausen  und  Weise,  an.  Ton  ihm  kenne  ich 
sechs  erzählende  Unterhaltungsschriften,  Adimantus  und 
OrmiseUa^),  den  Simplioianisohen  Weltkueker'),  den  Bitter 
Spiridon  aus  Pemsina*)  den  artliehen  Pokasi^,  den 
Corylo*)  und  die  auLicblich  aus  dem  Spanischen  übersetzte 
Weiber-HäobeP).  In  der  Vorrede  zum  Spiridon  erwähnt 
der  Yerfiasser  noch  seinen  Bitter  Hopfensaok,  der  woU 
Yon  demselben  Schlage  gewesen  sein  mag,  wie  die  andereo. 

^)  Er  präsentirt  sich  einmal  als  OberSsteneidier,  sagt  aber,  dasi 

er  Protestant  war. 

»)  167b,  12 0.  O.  wnd  1679,  12«,  o.  0. 

')  Tbl.  I  gedruckt  zu  N.  o.  J.  12°;  Thl.  II,  1678.  o.  O.  12''. 
Thl.  III,  1679.  0.  0.  120;  Thl.  IV,  jrcdnickt  zu  X.  12^  (die  Jahreszahl 
ist  abgeschnitten).  Nach  dem  Titel  uud  der  Vorrede  des  L  Theils  ist 
disaer  die  aweite  Auflage  und  die  erste  swel  Jahre  vorher  erschieoeo. 

«)  1679  0.  0.  12« 

•)  TnL  I,  1679.  o.  0.  la*.  TU.  II,  1680.  o.  0.  m 
•)  Thl.  n.  1680.  0.  0.  la«. 

»)  1680.  0.  0.  12»  „Des  berühmtea  Spaniers  Fmncisci  Sambelli' 
wolansgepolierte  Weiber-Hächel  etc.  aus  dem  Spanischen  ins  Hocb- 
(entsche  übersetzet  durch  den  allenthalben  bekannten  Jfm  -  Rebhu." 
Einen  Spanier  des  Namens  Sambelle  vermag  ich  nicht  nachzunei-sen. 
auch  giebt  das  Buch  i;:anz  den  Anschein  eines  deutschen  Original werl^:», 
da  alle  Verhältnisse  deutsch  sind. 


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—    136  — 

Die  Komik  dieses  aut  cm  überaus  genügsaDies  Publi- 
kum, wie  es  scheint,  nicht  ohne  Erfolg,  speculirenden 
frnehtbaven  Schriftstellers  beatoht  darin,  doss  er,  sei  es 
aus  Mangel  an  Fähigkeit,  danustellen  und  durehsufllhren, 
sei  es  aus  Unklarheit  darüber,  worauf  es  in  Erzählungen 
ankommt,  fast  überall  den  albernsten  Hanswurst  macht. 
£r  Tersacht  in  Adimantns  und  Ormiaella,  die  alten  Ro- 
mane wie  etwa  den  Amadis  parodirend  su  Terserren,  das- 
selbe tbut  er  in  dem  Woltkucker  und  dem  Tokuzi  mit 
4er  Weisesohen  Manier  spi^end,  doch  unterscheidet  er 
sieh  Yon  Weise  dadaroh,  dass  er  eine  irnohtbarere,  aller- 
dings sich  nur  in  Scurrilitäten  und  Abgeschmacktheiten 
bewegende,  Phantasie  hat,  die  bisweilen  Anlaufe  zum 
Mftrohenhaften  nimmt. 

Da  es  immerhin  nicht  ohne  Interesse  ist,  su  sehen, 
wie  ein  komischer  Originalroman,  dessen  Verfasser  die 
Dreistigkeit  hatte,  ihn  den  ,,Simplicianischen'*  Woltkucker 
an  nennen,  sieh  aasnimmt,  dOrfen  wir  wohl  einen  Angen- 
bliek  bei  ihm  verweilen. 

Der  Held,  der  in  eigener  Person  redet,  verlor  seine 
£ltern  frühzeitig,  und  da  ihn  seine  Verwandten  vernach- 
Iflssigten,  trat  er  bei  einem  Kastraten,  weloher  Hoünusiker 
war,  ut  Dienst  and  Lehre  und  gab  bald  einen  tttchtigen 
Diskantisten  ab.  Eine  welsche  Grilfin  suchte  ihn  zu  ver- 
führen, aber  der  blöden  Unschuld  des  FOn&ehi^jährigen 
gegenüber  zeigten  sieh  sowohl  ihre  Schönheit  als  ihre 
starken  Weine  and  ihr  Schlaftrunk  unwirksam.  Hieran 
schlieszt  sich  die  Schilderung  einer  den  Hofmusikern  vom 
Kapellmeister  g^benen  Collation.  Die  dabei  geführten 
Unterhaltungen  nnd  ersAhltea  Sohnnrren  nehmen  einen 
ziemlichen  Raum  ein.  Um  ihn  ans  der  Nähe  der  seiner 
Stimme  und  seiner  Seligkeit  gefährlichen  welschen  Gräfin. 


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—  186  — 


SU  bringen,  seliiokte  ihn  cler  Kastrat,  der  Obrigfens  selber 
sehr  weuig-  tugendhaft  war,  nach  dem  Schlosse  eines  vor- 
nehmen Cavaliers,  der  solches  Wohlgefiülen  an  seiner 
Stimme  und  an  seiner  Person  fiind,  dasa  er  ihn  als  Dis- 
kantisten  und  Pagen  bei  sich  behielt  Auf  Reisen  tauschten 
Herr  und  Diener  ihre  Rollen,  der  Herr  liesz  ihn  auf  die 
Jagd  gehen  und  schlug  sich  in  seiner  Gesellschaft  mit 
Gespenstern  —  ein  bei  unserem  Autor  höchst  beliebtes 
Öensationsreqiiisit  —  wofür  er  ihn  und  seine  Ötandes- 
geuossen  theils  mit  seineu  Arien  theils  mit  seinen  Pickel- 
hänngspossen  erfreute. 

Nach  einiger  Zeit  begehrte  die  überaus  schOne  Hof- 
damo  öqiialora  bei  ihm  Musik  zu  lernen,  natürlich  aber 
handelte  es  sich  um  etwas  ganz  anderes,  „es  giengo  dieses 
singen  lehmen  auf  eine  gans  simplicianische  Art  hinaus.* 
Als  er  seine  Stimme  yerloren  hatte  und  die  Sache  schier 
o£fenbar  geworden  war,  rieth  ihm  die  Dame,  er  solle  sich 
heimlich  entfernen,  gab  ihm  fOnisig  Dukaten  und  sechs 
Ringe,  worauf  er  sich  auf  das  Land  surflcksog  und  bei 
einem  Dorfpfarrer  Discurse  hörte,  die  ganz  nach  der 
Weisesohen  Art,  aber  eigentlich  durchaus  inhaltslos  sind 
und  aus  aneinander  gereihten  platten  und  narrischen  Ein- 
Allen  fiber  die  yerschiedenen  Arten  Studenten  und  Ge- 
lehrten bestehen.  Seite  109  wird  Catharinus  CimlU  citirt, 
und  nur  einen  Roman  und  eine  gute  Satyram  zu  schreiben» 
findet  der  Pfurrer  erlaubt  Der  Held  gerttth  dem  Pfarrer 
(auch  eine  gans  Weisesche  Wendung)  Aber  seine  Papiere 
und  theilt  poseirlicho  Briefe  mit  Plötzlich  wird  er  auf  An- 
stiften jener  welschen  Gräün  entführt  und  in  ein  Castell, 
wo  es  fOrchterlich  spukt,  gebracht.  Hier  will  sie  ihn  hin- 
richten lassen,  weil  er  sie  yerrathen  habe,  sie  Terseiht 
ihm  über,  jedoch  nicht  eher,  als  bis  der  Leser  mit  dem 


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—  137  — 


Helden  alle  öohaucr  der  Yorbereitangcii  bia  zur  letzten 
Sekunde  genoBsen  bat,  er  bleibt  bei  ibr  und  sie  fidhren 
fortan  ein  sehr  lasterhaftes  Leben.  Da  diese  Beziehnngen 
auch,  nachdem  die  Gräfin  einen  Fürston  geheirathet  hat, 
nicht  aufhören,  kommt  er  mit  dem  Kastraten  Procelli,  der 
mit  ihm  sngleioh  bei  jener  den  Geliebten  agirt  hat»  in  die 
Anszerste  Lebensgefahr,  woraus  er  von  der  Grftfin  errettet 
wird,  um  sich  wieder  seinem  früheren  Herren  und  der 
schönen  Squalora  zuzuwenden. 

Obgleieh  er  anoh  dieser,  wie  früher  der  Grftfin,  über 
ihr  lasterhaftes  Leben  Moralpredigten  hält,  setst  er  das- 
selbe doch  fort,  bis  auch  sie  heirathet  und  er  sich,  unter- 
stützt von  seinem  Herrn,  auf  die  Universität  begiebt.  Aus 
Ckldnoth  knOpft  er  wieder  mit  Squalora  an,  unternimmt 
es,  Yon  ihr  angestiftet,  ihren  Gemahl  zu  todten,  ersehieszt 
aber  anstatt  seiner  einen  Räuber,  der  jenen  angefallen 
hatte,  und  wird  Hofmeister  bei  dem  wider  Willen  Ge- 
retteten, bis  dieser  hinter  das  nnsittliohe  Yerbflltnisa  mit 
seiner  Gemahlin  kommt  und  ihn  in  ein  yon  Gespenstern 
wimmelndes  Gefängnisz  steckt.  Hier  findet  er  Bücher, 
aus  denen  er  Mittheilungen  macht,  deren  Titel  und  Inhalt 
aber  seiner  Phantasie  entstammen.  Bodann  wird  er  auf 
einige  Monate  Einsiedler  und  hat  eine  Yision,  die  ihn  in 
ein  allegorisches  Gebäude  führt,  welches  die  Welt  vor- 
stellt und  in  welchem  ihn  die  Miseria  umherführU  Bei 
dieser  Gelegenheit  ahmt  er  Amadis,  Mosoherosch  (aueh 
den  Expertus  ^Rupertns"  trifft  er  hier),  Grimmelshausen 
und  Weise  zugleich  nach,  bringt  es  aber  doch  nur  zu 
einem  wüsten  Durcheinander  von  meist  ungesalzenen  Ein- 
öllen, wie  er  Oberhaupt  nur  das  Zerrbild  aller  seiner  Vor-  * 
bilder  ist. 

So  geht  es  weiter.  Wieder  tritt  er  in  die  Welt,  und 


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—    138  — 

als  ihm  die  Braut  am  Hochzeitstage  stirbt,  wird  er  wieder 
EinBiedler.  Auch  Seer&uber,  TürkensklsTerei,  Temnberte 
SehlöBBer  fehlen  im  Yerlanf  der  Geeohiehte  moht,  eowie 
wiederholte  Gespenstererscheinungen  und  haarsträubende 
Hiurichtungssoeneo.  SchliesElich,  nachdem  er  lange  genug 
g^revelt  nnd  moralisirt  hat,  wird  er  Gnteheir  nnd  Ter- 
heimthet  sieh.  Auch  erfährt  er  nooh,  dan  die  welMhe 
Gräfin  und  die  schöne  Squalora  ihr  Loben  in  Bueze  und 
Beue  beeohloBsen  haben,  jene  als  Einsiedlerin »  diese  als 
Aehtissin,  und  ebenso  wird  uns  über  einige  Nebenpersonen 
ein  die  poetische  Gerechtigkeit  leidlich  abfindender  Be- 
richt erstattet 

Da  ioh  nicht  berechtigt  bin,  mich  an  meinen  Lesen 
für  die  Langweiligkeit  meiner  Lectttre  sn  rikohen,  filge  ich 
nur  noch  hinzu,  dasz  der  Simplicianische  Weltkucker  bei 
weitem  das  Beste  und  zugleich  das  am  wenigsten  Komische 
ist,  was  der  Verfasser  geschrieben,  es  moeste  ihn  denn 
im  Ritter  Hopfensack,  den  ich  nicht  kenne,  die  Muse  be- 
sonders Ircundlich  angelacht  haben.  Sein  Pokazi.  der 
augeaBchoiniich  auch  als  eine  Schrift  ä  la  Bimplioissimus 
gelten  will,  soll  hochkomisch  und  schrecklich  salinseh 
sein,  ist  aber  nur  höherer  Blödsinn  für  Kinder. 

Bedeutend  ansprechender  als  diese  Erzeugnisse  flOchti- 
ger  Yielschreiberei,  obschon  an  sich  sehr  anspruchslos, 
sind  die  kleinen  yolksthflmlichen  Romane  des  OberOster- 
reiohischen  Bdelmanns  Wolfgang  von  Willenhag.  Sie 
werden  auch  dadurch  interessant,  dasz  sie,  obschon  durch- 
aus original,  einer  Ton  der  spanischen  Literatur  aas- 
gehenden Anregung  ihre  Entstehung  Terdanken,  ein  Um- 
stand, der  uns  nöthigt,  hier  etwas  weiter  auszuholen  und, 
anknüpfend  an  das  im  IX.  Capitel  Gesagte,  einiges  nach- 
EUtragen,  was  füglich  fraher  keinen  geeigneten  Fiats  fand. 


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—   139  — 


BchoQ  1626  erschieo  zu  Straszburg  eine  von  Georg 
Friedrich  liesaenohinidt  abgeCuste  Uebenetnmg*)  der 
Norellen  Antonios  de  Torqnemada'),  und  1662  wurde  das 

Buch  Dochmals  durch  Laudgrai'  Hcrmauu  vou  Hessen 
yerdeutscht^). 

Ebenso  ging  die  Noyellenaammlong  des  Antonio  de 
BslaTa*)  duroh  einen,  der  sieh  IL  Drummer  Ton  Paben- 

berg  nennt"'),  in  die  deutsche  Literatur  üher,  ein  Buch, 
das  fiohon  wegen  seines  alterthümlicheu  Inhalts,  obgleich 
es  dem  siebsehnten  Jahrhundert  angehört^  auffiült 

Die  Erzählungen,  welche  von  Oesprftchen,  in  denen 
entsetzlich  viel  unkritisch  curiöso  Gelehrsamkeit  ausge- 
legt ist,  eingerahmt  werden,  erinnern  au  die  Geata  Roma' 
die  sieben  weisen  Meister  und  Aehnliohes. 

1.  Ein  spanisoher  Sohiffseapitftn  entflahrt  aus  Oandia 
ein  Mädchen  sammt  ihrem  Geliebten.  Beide  entkommen 
während  eines  Sturmes  glücklich  in  ihre  Heimath,  das 
Schiff  geht  unter. 

2.  Eni  Brunnen  in  Siria  hat  die  Eigenschaft,  dass, 
wenn  jemand  hineinsieht,  neben  seinem  Bilde  das  seiner 
Geliebten  erscheint.  Der  in  Gefangenschaft  gerathene 
Justinus  wird  durch  die  Kraft  des  Brunnens  mit  seiner 

*)  uach  dem  Italienischen  des  Mnlaspina.  Historischer  Blumen- 
garten  8".  Ein  Exemplar  besitzt  die  Königliche  Bibliothek  in  Breslau. 

Jurdin  de  floren  curioaaa,  Solam  1570  tt.  Öfter  (nach  Uräsae) 
veigL  Ticknor  II,  298. 

Hexameron,  Sechs  Tage  Zeiten  etc.  aus  dem  Französischen 
ins  DsKtadts  t.  i,  Ttttternden.  Cassel  1653.  8^  Dsr  Tltst  HonoMMii 
stammt  tm  der  franiteisehea  UebeKBetsnng.  Auch  ins  ItalieBische  and 
Englische  wurde  es  übersetit 

Nockes  de  Iwoiemo,  Pamphna  1009.  Bnm.  1610—13.  Tick- 
nor n.  245. 

3)  nach  Grässe  Nürnberg  1GÜ9.  12".  MIz  II,  1167  bat  eine  Aus- 
gabe von  16Ö3,  12^  (Ue  Bre^uer  .Köuigi.  Bibliothek  besitzt  eine  voa 
im,  12» 


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—   110  — 


getreuen  Libia,  die  ihm  in  Manneskleidcrn  gefolgt  ist, 
wieder  yereinigt,  nachdem  die  Bänke  der  Prinseeein 
Celinda»  die  erst  in  Libia,  dann  in  Jastinus  Terliebt  war,  * 
an  den  Tag  gekommen. 

3.  Anastasius  verwundet  aus  Eifersucht  seine  schwan- 
gere Gemahlin  mit  einem  Dolche  und  entflieht  Eugenia 
gebiert  einen  Sohn,  der,  als  er  erwachsen  ist,  seine  Mntter 
an  dem  Yerlcuindor  Heinrich  rächt,  indem  er  ihn  tödtlieh 
verwundet  Der  junge  Isidoras  ündet  dann  seinen  Vater 
auf  einem  tItrkiBchen  Schiffe,  das  er  erobern  hilft,  wieder. 
Als  beim  Einlaufen  die  siegreiche  Oaleone  in  die  Luft 
fliegt,  werden  Vater  und  Sohn,  die  sich  auf  dem  eroberten 
Sohiffe  befinden,  gerettet  Heinrich,  der  bei  ihrer  Wieder- 
kehr noch  an  seinen  Wunden  damiederlag,  hatte  noch 
Zeit,  Tor  seinem  Tode  alles  aufisnklttren. 

4.  Der  König  Dardanus  von  Bulgarien  wird  durch 
den  fiAiser  Nioephorus  aus  seinem  Xiande  yertrieben  und 
erbaut  sich  mittelst  seiner  Zauberkunst  auf  dem  Grunde 
des  Meeres  ein  SchloBz,  in  welchem  er  mit  seiner  Tochter 
Seraphina  haust  Der  von  Nioephorus  enterbte  Prinz 
Yalentinianus  gelangt  ebenfalls  dorthin  und  wird  mit  Se- 
raphina vermfthlt,  seinem  Bruder  aber,  dem  Kaiser 
Julianus,  weissagt  Dardanus  in  Neptuns  Gestalt  baldigen 
Tod,  nach  welchem  Valeutiniunus  das  Reich  einnimmt 

5.  Der  Sultan  Oelim  in  €k>nstantinopel  lässt  seinen 
Sohn  Mustaflb  hinrichten,  weil  dieser  den  Piali  aus  Eifer- 
sucht beleidigt  hatte.  Zaydc,  die  Geliebte  Mustalfu:?. 
gebiert  einen  todten  Sohn,  den  sie  in  einer  Pastete  dem 
Sultan  zuschickt,  und  entflieht  mit  fiemhard,  ihrem 
Sklaven,  der  vorher  zur  Rache  die  Flotte  in  Brand  ge- 
steckt, nach  Livoriio.  Dieser  Bernhard  war  aber  der 
Prinz  Mauritius  von  f'errara.  Er  hatte  aus  seinem  Vater- 


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—   141  — 


lande  fliehen  müssen,  weil  er  in  Yertheidigung  der  Ehre 
seiner  von  Yalentinns,  dem  Hofimeister»  verlenmdeten 
Geliebten  Angel ica  seinen  Bruder  Paulus  Cassius  gctüdtet 
hatte.  Jetzt  kehrte  er  nach  Italien  surück»  fand  Gelegen- 
heit» den  Yalentums  zu  ermorden,  kam  naoh  Ferrara,  wo 
sein  Yater,  welcher  Angelica  geheirathet  hatte,  eben  ge- 
storben war.  JEr  nahm  das  Herzogthum  ein,  Zajde  wurde 
Christin  und  seine  Gemahlin,  Angelioa  heirathete  den 
Henog  von  TJrhien. 

6.  Sulpitius,  der  Sohn  des  KOnigs  Tholomäns  in 
Polen  verliebt  sich  in  Seraphina,  des  Königs  Clodomims 
von  Macedonien  Tochter,  entfahrt  sie,  wird  von  ihr  durch 
Seeräuher,  die  ihn  ge&ngen  nehmen,  getrennt  und  in 
Yelona  als  Sklave  verkauft  Clodomims  wird  durch  einen 
Zauberer  aus  Macedonien  weggeschickt,  um  seine  Kinder 
zu  suchen,  w&hrend  sein  Bohn  Falisenus  auch  nach  Arka- 
dien gebracht  wird.  Dort  treten  Beraphina  und  Falisenus 
in  die  Dienste  des  aus  Polen  mit  seiner  Tochter  Silvia 
vertriebenen  Tholomäus,  welcher  Oberschafer  ^ife worden 
ist  Clodomims  wird  ebenfalls  naoh  Yelona  verkauffc,  ent- 
flieht mit  Sulpitius,  der  ihn  erkennt,  nach  Arkadien  und 
kommt  naoh  eines  Schwarzktlnstlers  Weissagung  eben  zu- 
recht, um  zu  verhindern,  dasz  Felisenus  und  Serapbina, 
die  noch  immer  in  Mftnnerkleidung  unerkannt  ist,  der 
Silvia  wegen  einander  umbringen.  Jetst  kommt  auch  der 
Schwarzkünstler  nach  Arkadien  und  führt,  nachdem  sich 
Alle  erkannt,  die  beiden  Könige  wieder  in  ihre  Kelche  ein'). 

7.  Die  Gesohichte  Ton  der  Erseugung  Bolands 
bis  zur  Wiederfindung  MUons  in  einem  rerzauberten 

Schlnsz  (Seite  844).  Dieses  ist  eigentUehe  Enehlang  von 
den  Iteyden  vom  Glück  verfolgten  Königen  ans  Macedonien  nnd  Pohlen, 
sonsten  aber  das  arkadische  Hirten-Leben  genaanet 


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—   U2  — 


Schlosse.  MiloD  ist  scheinbar  ertruuken,  aber  voq  einer 
doroh  Malagis  Tor  2000  Jahren  yenauberten  FrinMMm 
Ton  Frankreich  gerettet  worden,  welche  auch  als  Drache 

der  Berta  Muth  zuspricht.  Die  Wiedererkenuuiig  erfolgt 
in  Siena. 

8.  Kaiser  Pepinos  erw&hlt  Berta  mit  dem  groaaen 
Fnsse  va  seiner  dritten  Gemahlin.   Diese  veranlasst  ans 

Liebe  zu  einem  anderen  ihre  Begleiterin  Fiammetta,  beim 
Beilager  ihre  Stolle  zu  vertreten.  Fiammetta  geht  darauf 
ein,  yeranlasat  aber  mehrere  Bdelleute,  Berta  in  ermorden, 
welche  sie  in  einem  Walde  an  einen  Banm  binden.  Dort 
findet  sie  ein  Förster,  bei  dem  sie  als  Magd  bleibt,  bis 
der  Kaiser  sie  wiederfindet  und  Fiammettaa  Sohlechtig- 
keit  ans  Licht  kommt 

9.  Tellus,  die  Tochter  der  Erde,  tödtet  den  grausamen 
König  Titon  von  Tartmia  sammt  seinem  Sobuc  Bello  und 
lasxt  die  ge&ngene  Sciathine  aur  Königin  erheben^  deren 
Naohlblgerin  sie  wird.  Als  G^wfihrsmann  wird  der  Nieder» 
länder  Jobann  vou  Urspurg  angegeben. 

Diesen  verdeutschten  Nockes  de  inviemo,  welche  in 
Hinsicht  aof  ihre  drei  Auflagen  cur  Kennaeichnung  des 
Oeschmaokes  gewisser  Leserkreise  in  der  »weiten  HSlfle 
des  XVII.  Jahrhunderts  niclit  ohne  Interesse  sind,  und 
deren  Quellen  wir  hier  nicht  weiter  verfolgen  können» 
Tcrdankten,  wie  schon  gesagt,  zwei  deutsche  Original- 
werke besiehnngsweise  ihren  Ursprung,  d.  h.  eigenüiok 
nichts  als  die  Titel,  denn  Zendoriis  ä  Zendoriis  Teutsche 
Wintemächte')  und  die  Kurtaweiligen  SommertAge^),  beide 
Ton  W.  Ton  Willenhag  sind  gana  aus  dem  Leben  seiner 
Zeit  gegriffene  komische  Homane,  Streiche  und  Abenteuer 

>}  1689,  la«.  ow  0. 
•)  1688,  13«.  0.  0. 


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—   143  — 

Tpn  Instigea  Edellmiten  sohildernd,  nicht  sohlet  Hb 
leichte  ünterhAltiiDgsleetflre,  niMsh  dem  Masse  ihrer  Periode 
gemeBsen. 

Der  Held  de«  ereteo,  der  Sohn  eines  reichen  £del- 
nuuines,  aber  wegen  des  Aberglanbens  seines  Yators  in 
dem  Glanben  erzog^en,  er  sei  der  Sohn  eines  Schinders, 
abenteuert,  bis  er  eine  reiohe  Erbin  heirathet  Der  Dar- 
stellang  seiner  Schicksale  sind  die  Abenteuer  nnd  sonsti- 
gen Srlebniase  seiner  Freunde  nnd  anderer  Personen  ein- 
gefloohten.  Die  Yerwickelungen  haben  etwas  Gewalt- 
sames, Lustspielartigcs.  Die  Darstellung  ist  flott  und 
lebhaft^  aber  etwas  flttchtig.  Sonderbar  ist  die  YerknOpfnng 
der  beiden  Bflcher.  Am  Ende  des  ersteren  findet  die  Hoeh- 
seit  eines  Knechtes  des  Yerfassers  (oder  des  in  eigener 
Pereon  redenden  Helden)  statt,  wobei  die  Edellcutc  nicht 
nur  grossen  Muthwillen  treiben,  sondern  auch  aber  alle 
Masaen  seohen.  Diese  Ansschweifimgen  werden  ihnen  von 
einem  ihrer  Genossen,  der  scheinbar  Mönch  geworden  ist 
und  sehr  ascetiache  Gesinnungen  hegt,  Torgehalten,  und 
alle  beeohliesaen,  ihr  lustiges  Leben  eine  Zeit  lang  fahren 
SU  lassen  nnd  die  Einsamkeit  aufzusuchen.  Dieser  Ent- 
schlusz  kommt  zu  Anfang  der  Sommer-Täge  zur  Aus- 
führung, aber  der  Verfasser  hat  die  Namen  seiner  Per- 
sonen Tcrändert,  obgleich  alle  leicht  wiedersusrkennen 
sind  und  sich  auch  sonst  das  aweite  Bueh  deutlich  als 
Fortsetzung  des  ersten  darstellt.  Einmal  vergiszt  sich 
Wilieuhag  auch  (8.  163)  und  nennt  den,  welcher  in  den 
Sommer  «Tagen  Philipp  heissen  soU,  Ludwig,  welchen 
Namen  er  in  den  Winter-Nftchten  trttgt  Lange  dauern 
übrigens  die  frommen  üebungcn  und  Betrachtungen  nicht, 
bald  geht  das  Leben  in  dem  alten  Geleise  der  Aus- 
gelassenheit weiter. 


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Der  UebermuÜi  und  die  Genueienebt  des  Adels  in 
den  Gtegenden,  wo  die  Romane  entstanden,  wird  dnrehaiu 

UDverbüUt  dargostellt,  und  durch  eingehende  Schilderungen 
des  gewöhnlichen  Lebens  anf  dem  Lande  und  auf  den 
SoblOssern  verleibt  WiUenbag  seinen  Ersthlungen  einen 
nicht  geringen  kultDrhistorischen  Werth,  der  sie  auch, 
abgesehen  von  andern  Yorzügen,  bedeutend  über  die 
Narrenspossen  des  Jan  Rebhu  stellt.  Der  Aberglaube 
spielt  eine  grosse  Rolle,  was  freilieh  in  dem  Zeitalter  der 
Hoxenprocossc  nicht  Wunder  nimmt,  in  Bezug  auf  den 
Verkehr  der  Geschlechter  spricht  der  Verfasser  solide 
Grunds&tse  aus  und  vermeidet  es  augensoheinlioh,  Anstoss 
erregende  und  sinnlieh  reisende  Soenen  su  malen,  seine 
Ausdrucksweise  ist  jedoch  sehr  derb,  und  die  Scherze, 
welche  seine  Oavaliere  machen,  beweisen,  dass  die 
Ohren  der  damaligen  Edeldamen  nicht  ttbermftssig  sart 
gewesen  sind.  YerhSltnissmäseig  sind  seine  G^ohiehten 
ehrbar  und,  obgleich  hier  keine  Ausfalle  auf  den  Amadis, 
den  SU  kennen  sich  der  auf  seine  Belesenheit')  stolse  Ver- 
fiwser  sogar  rfihmt,  gemacht  werden,  so  kann  man  doch 
behaupten,  dasz  er  weniger  geschmacklose  Obscönitäten 
vorbringt  als  die  norddeutschen  Vertreter  des  heroisch- 
galanten  Romans,  Anton  Ulrich  etwa  ausgenommen. 

Hinsichtlich  des  Stoffes  und  sum  Theil  auch  der  Dar- 
stellung ist  mit  den  Schriften  Willenhags  Paul  von 
Winklers  Edelmann 2)  verwandt.  An  einen  dürftigen 
Romanstoff  als  leitenden  Faden  sind  Schilderungen  komi- 
scher Situationen  aus  dem  Leben  schlesischer  Edelleute 


')  Er  rUhmt  sich  (lerseli*eii  in  deu  W.  N.,  S.  410  f.,  wo  er  eine  Menge 
ünterhal  t un gssch ri  f t  e  n  an  t  i Ui  rt . 

Frankfurt  und  Leipzig  1G9Ö.  8».  —  Nürnberg  1697.  (Nach 
Mlz.  n.  1119.) 


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—   145  — 

der  Zeit  und  eine  reeht  unerfreuliche  Menge  gelehrten  und 
curiöseu  Krams  angereiht,  die  Sprache  ist  mit  Proviuzialis- 
men  und  in  den  gelehrton  und  polidBchen  Gesprächen 
mit  Fremdwörtern  siemllch  versetst  Der  Yerfiuser, 
weleher  knrbrandenhurgisoher  Resident  in  Breslau  war, 
hat  auch  „Zwei  Tauäund  Gutto  Gedaackeu  zusammen- 
gebracht** '). 

Sinige  komische  oder  wenigstens  das  wirkliche  Leben 

der  Zeit  im  Wesentlichen  darstoUeniie  Erzählungeu,  die 
kaum  mehr  als  eine  flüchtige  Erwähnung  verdienen, 
können  als  den  so  eben  besprochenen  nahestehend  be- 
eeichuet  werden.  Der  Don  Iro^,  eine  Scharteke  ä  la 
Jan  Rebhu,  gehört,  weil  er  ein  satirischer  Traktat  und 
kein  Roman  int,  eigentlich  gar  nicht  hierher,  der  aus  dem 
fransOsischeu  Buche  Ektoire  gMraU  des  lamm»  ttbersetate 
Beutelschneider*)  hat  nur  als  ein  Vorläufer  des  Pitayal 
ein  Interesse,  die  Bacchu/ia*)  oder  FasLnacht-Land  steht 
den  Willenhagschen  Erzeugnissen  am  nächsten  und  aeigt 
etwas  besseren  Geschmack  als  Jan  Rebhu,  die  Sprache 
ist  nicht  frei  von  süddeutschen  Dialoktformen. 

Eine  etwas  grüszure  literarhistorische  Bedeutung  haben 
zwei  entschieden  komische  Romane,  die,  in  Norddeutsch* 
land  entstanden,  sich  doch  durch  das  abenteurerhafte 
Element  an  Simplicissimus  und  Weises  Gescbichton  an- 
lehnen, der  akademische  Roman  von  E.  G.  Happel,  welcher 
in  Dürers  Tychander^},  worin  mehrere  Motive  aus  dem 
GOiüli  IflSS.  13«  Wbkler  hififi  in  der  Troditlir.  Ges.  der 

Geflbte. 

*)  TOD  Aenmlo  Hfttt-geni.  Hanau  la^ 
naeh  Goed«ke  schon  Frankfurt  16*^.  8^  eraehieneii;  ich  kenne 

nur  die  Ausgabe  Frankfart  1669.  8° 

*)  vou  Christoph  Andr.  Hürl  von  Wättorstorf.  München  1677.  12». 
der  Verfasser  heiszt  nicht  Dttrr  (Ci^oedeke).  Das  Buch  ersckiea 
Hamburg  lUü».  12»  und  10b5.  12*". 
.    II.  2.  10 


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—   146  — 


Lazarillo  de  Tormes  yerarbeitet  sind,  eine  Art  VoriAufer 
hatte,  und  der  Sohelmuffsky.   Wfthrend  Happels  andere 

sogeniiunto  Romiiiic  als  abgeschmackte  EinklcidiingCD  von 
Zeitgeschichte  in  üugirte  Personen-  und  Ländernamen  naoh 
Art  des  französisehen  Kriegs -Simpliciasiinns  uns  kaum 
interessiren  können,  darf  sein  Akademischer  Roman'),  ob- 
gleich auch  er  mit  trocküiiem  und  fremdartigeui  Ötoil'  von 
dem  geschmacklosen  Yielschreiber  vollgestopfb»  uns  einen 
Augenblick  aufhalten.  Der  Verfasser  yerfehlt  nieht,  in 
der  Vorrede  ausführlich  anzugeben,  was  er  bietet.  „Wie 
es  auf  douseibon  (den  Universitäten)  herzugehen  pflege, 
das  ist  in  gegenwärtigem  Roman  aur  OnOge  beschrieben, 
.  .  .  GOnstiger  Leser,  du  wirst  allerhand  Eretnpla  in 
diesem  ylcotieimschen  lionuin  üudeu^  uud  glaube  ich,  eä 
sey  nichts  auszgelassen,  was  einiger  Massen  daran  mag 
erfordert  werden.  Cavina  zeiget  an  seiner  Person  ein 
fleisziges  J/*/sen  -  Kind,  Cerehucchins  cinvn  Dehouchnnt'Vi  im 
Fressen  und  Sautfen,  Venereus  einen  Courlüan,  und  Klingen« 
feld  einen  Balger,  Troll  aber  einen  halb- Gelehrten,  der 
immerdar  ein  Hflmpler  und  Stümpler  bleibet,  diese  Per- 
sonen, damit  sie  ihre  Rolle  wol  spielen,  riiysen  in  Gesell- 
schaft eines  fOrnehmen  und  reichen  Italienischen  Printsen, 
der  sie  allenthalben  d^rm^irt,  bisa  sie  yersohiodene  Aeade^ 
r/iten  besuchet,  uud  das  Studenten -Leben  rechtschalien 
praesentirct  haben." 

Gleich  der  Aniang  giebt  dem  Leser  ein  Bild  von 
dem  Geiste  des  Terfossors:  ^AOh,  ich  ünglQckseeliger! 
was  fange  ich  doch  nunmehr  an?  Ich  hüte  mich  soviel 
fttr  Uneinigkeit  und  Streitsachen,  als  ein  Mensch  von  der 
gantzen  Welt,  und  gleichwol  fahret  mich  das  Geschiek  so 
gar  unversehens  und  tieff  hinein,  dasz  ich  mir  nicht 


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wieder  herauBz  zu  heUFcn  vermag.  Was  soll  ich  nun 
ant'tiagea?  Nach  dieser  uDgLücklickeu  That  ist  mir  die 
ThOre  nach  Italien  hinfohro  venperret,  und,  wo  soll  iob 
Geld  hernehmen,  weiter  fortzukommen?  Aohl  ich  elender 
Munsch,  der  so  offtuial  bey  den  Haaren  in  das  Unglück 
gezogen  wirdl""  Alao  redete  und  klagete  Küngenfeld  bey 
Bloh  selber,  da  er  gantz  allein  ohnweit  Florenta  auf  dem 
Feld  fortwanderte,  und  nicht  waste,  wohin  er  sieh  hin- 
fübru  zu  wenden  hatte.  Er  gieng  stäts  vor  sich  hin,  und 
galt  ihm  gleich  viel,  wohin  er  k&me,  wenn  man  ihn  nur 
nieht  in  dem  Gebiet  Ton  Tosoana  ertappen  möchte,  das 
GlOok  ittgete  es  gleich  wol  also,  dass  er  sich  nach  der 
linckeu  Seite  lenckote,  all  wo  er  bald  einen  augeuchmeu 
Wald  erreichete,  woselbst  er  sich  unter  einem  schatten- 
reichen Baume  bey  der  warmen  Sommers-Zeit  niederlegte, 
und  des  sfissen  Schlaffes  genösse.  Er  hatte  weder  zu 
beiszen  noch  zu  brechen,  dazu  nur  etliche  wenige  Pfenninge 
in  seiner  Taschen. 

'  Der  Schlaff  hielte  ihn  so  lange  in  Ruhe,  dasz  die 
Sonne  darQber  nicht  allein  schlatlen  gieng,  sondern  er 
fichlieif  darzu  noch  einen  guten  Theil  in  die  Nacht  hinein, 
und  ich  glaube^  er  wflre  yon  sich  selber  noch  nicht  er- 
wachet,  wo  er  nicht  durch  was  sonderliches  wftre  aufge- 
muntert worden,  ncmlieh:  Es  galloppircto  Jemand  auf 
einem  schweren  Pferd  daher,  vvordurch  die  Erde  erschüt- 
terte, dasz  sie  unter  ihm  bebete,  wannenhero  sich  seine 
eingeschlummerte  Sinnen  wieder  ermunterten,  und  seine 
Augen  erschlossen.  Damahl  hielte  der  unvermuthliche 
Beuter  still,  stieg  vom  Pferd  ab,  band  es  an  einen  Zwei- 
gen, lösete  die  Hosen,  und  verrichtete  das  Werck  der 
Natur.  Elingenfeld  sähe  dem  Handel  ein  wenig  zu,  ge- 
dachte aber  bald  bei  sich  selber  also:  Dieser  Mensch  ist 

10* 


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—   148  — 


BO  unverschämt,  dasz  er  sich  mir  beinahe  vor  die  ^slso 
seteet,  danneiihero  thue  ieh  ja  nicht  unreoht,  wenn  ieh 
ndoh  naoh  einem  tauglichen  Mittel  umsehe»  am  diesem 
unleydiichen  Gestanck  mich  fordersamst  zu  entziehen. 
Als  er  dieses  bei  sich  refolviret,  stund  er  auf,  und  schlich 
in  sanften  Tritten  naoh  dem  Ross,  losete  es  behende,  und, 
nachdem  er  sich  darauf  geschwangen,  rieff  er  Jenem»  dem 
es  g^ehürete,  zu,  und  nprach:  Mein  Freund,  es  ist  billig, 
dasz  ich  mich  behende  ausz  dem  Gestanck,  womit  Da 
diese  Gegend  aiyetso  erfbllet  hast»  erhebe,  folge  mir  nur 
bald  nach»  und  so  Du  mich  antriffst»  wil  ich  Dir  alsdann 
Dein  Rosz  unwegerlich  wieder  zustellen.  Ob  nun  gleich 
der  andere  mit  Fluchen  und  Schwören  darwider  prO' 
tefitrete»  wolte  doch  Klingenfeld  gar  nicht  darnach  hOreD^ 
sondern  eylcte  mit  seinem  Pferd  fort,  bisz  er  nach  etlichen 
wenigen  Ötuuden  in  einen  tiefen  Morast  verhel»  darausz 
er  sich  zwar  letztlich  mit  grosser  Mühe  wieder  loss 
machte»  aber  das  Pferd  hatte  sich  dergestalt  rerarbeitet, 
dasz  es  der  Ruhe  höchstens  benöthiget  u.  s.  w.** 

Nach  einigen  Zwischenfällen  gelangt  Kliogenfeld  nun 
in  die  N&he  yon  Bologna.  £r  macht  in  einem  Wirths- 
hause  die  Bekanntschaft  des  hochmüthigen  Raufboldes 
Ferra rii(.'<,  der  „der  (/m/<ouische  Eysenfresser"*  hiesz  und 
zu  Padua  zwei  Jahre  den  Namen  des  borahmtesten  Bal- 
gers gehabt  hatte.  Klingenfeld  besiegt  ihn»  und  bei  dem 
am  anderen  Tage  gefeierten  Behmause  wird  von  Akade- 
mien discurirL  Mau  geht  gründlich  zu  Werke  und  be- 
weist, dasz  schon  zu  Zeiten  des  Ninus  dergleichen  Tor- 
handen  gewesen.  „Wolte  Gott»  dasz  wir  die  gründliche 
Beschreibung  der  üniverfität  zu  Babylon  und  Ninivc  sehen 
möchten!"  ruft  der  Geistliche»  der  das  Wort  fdhrt,  aus, 
und  bald  darauf  beruft  er  sich  auf  den  Lyranm,  nach 


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~    149  — 


welchem  Jakob  ein  Student,  Esau  aber  ein  Wald-  und 
Weltliog  geworden.  „Besonders  blühten  die  Studien  unter 
Josna  und  den  Richtern",  lAsst  ihn  Happel,  dem  dieser 
Blödsinn  yollig  Emst  ist,  fortfahren,  Salomo  gründete 
neben  seinem  Tempel  eine  Universität,  an  welcher  es 
eine  mosaisohe,  eine  propheüsohe,  eine  levitisohe,  eine  • 
joristisohe,  eine  medicinische  nnd  eine  philosophische 
Fakultät  gab.  Nachdem  es  noch  eine  Weile  so  fortge- 
gangen, läszt  der  Verfasser  den  Cavina  auftreten  und  er- 
sählt  von  seinem  froheren  Leben  nnter  den  Oannem  nnd 
Dieben,  deren  Treiben  ansflAhrlich  beschrieben  wird, 
Fcrravius  wird  von  einer  Abenteurerin  geprellt,  und 
Cavina  giebt  einoB>clation  von  den  berühmtesten  Raritäten- 
Kammern  in  Europa.  Hierauf  werden  ebenso  die  berohmte- 
sten  Oollegia  gelehrter  Leute,  besonders  die  in  Italien 
abgehandelt.  Klingcnfeld  macht  die  Bekanntschaft  des 
Troll,  der  ihn  und  den  anspruchslosen  Leser  mit  seinon 
halblateinisohen  Reden  amfisirt,  hiüt  einem  Tornehmen 
Italiener  einen  langen  Vortrag  übor  die  Rechte  der  Stu- 
denten u.  dergl.,  und  nun  ürschoint  auch  der  zum  „de- 
firaTiren**  bestimmte  Prinz  von  Tursis  auf  dorn  Schan- 
platae,  mit  dem  die  Gesellschaft  weiter  reist.  Abenteuer 
und  Discurse  werden  bunt  durcheinander  gemis<  ht;  .,ilurcn- 
Liebe  wird  umständlich  mit  ihren  hösen  Früchten  be- 
schrieben,^ des  Vmeeniius  Fabfidm  Gedicht  von  der  Magd, 
welche  durch  ünzncht  von  der  Pest  befreit  worden,  miir 
gethcilt,  denn  folgt  das  Register  der  Akademien  in  Deutsch- 
land, ferner  das  kaiserliche  Diplom  zur  Bestätigung  der 
Unirersitftt  fielmstttdt,  die  an  der  Pariser  Universität 
vorgefeUenen  Tumulte,  die  berühmtesten  Gymnasien. 
Man  findet  bei  Nacht  den  Cerebaaldus.  „Dieser  Cerebacchius 
hatte  die  Ehre,  dasz  er  mit  zu  Tisoho  sasse,  weil  sich  der 


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—   150  — 


Priiilz  inkognito  hieltt!,  waimonhcr  sich  so  wol  dieser,  als 
die  zween  andern  zum  hetltigstcn  verwunderten,  tibcr  die 
nngemeineii  Gaben  deas  Cerebacehü  im  Easen  und  Tnocken. 
Er  nafam  ein  StQok  Rind-Fleisoh  yor  sieh,  das  anm  we- 
nigsten  fOnff  Pfund  woge,  das  schöbe  er  in  einer  kleinen 
halben  Viertel -Stande,  samt  3  Pfand  Wftitaen-Brod,  mit 
aoloher  Begierde  in  den  Magen,  dasa  es  nidit  la  be- 
schreiben. Darnach  griff  er  nach  einem  Calicuttischen 
Hahn,  deren  zween  auf  dem  Tisch,  und  asse  vor  seine 
eigene  Person  denselben  bisa  anff  die  Knoohen  auf,  der 
Hnnd  sohftomeie  ihm  recht,  so  gieng  ihm  die  Mahl- 
Muhle. 

Die  andern  sagten  ihm  nichts,  sondern  lieaaen  üm 
gewähren,  legten  ihm  auch  Ton  den  Fisohen  Tor,  aber  er 

gab  selbige  wieder  Ton  sich,  sagend:  Caphmtwr  pisces 
Hämo,  mir  ist  bang,  es  möchte  noch  ein  Angel  darinn 
stecken.  Er  nahm  aber  eine  Flasche  mit  Wein,  setzte 
sie  Tor  den  Mund,  und  söffe  sie  in  einem  Zug  auss, 
wischt3te  das  Maul,  und  li(*sz  den  Wirth  wieder  eiutüUen. 
Nun  wolan,  dachte  Klingonl'eld  bcy  sich  selber,  dieser 
Mansch  führet  den  Namen  Cerebacehuu  wol  mit  dem 
besten  Recht,  denn  ich  glaube,  Ceres  habe  seine  Mutter 
und  Bacchus  sein  Vater  geheisöeu.  Endlich  ward  eine 
Schussel  YoU  schonen  Sallats  und  12  Krammets -Yögel 
au%etragen,  als  solches  Cerebaedmts  sähe,  winckete  er  dem 
Wirth,  der  darauf  wieder  kam,  und  ihm  eine  besoudcro 
weit  grössere  Schüssel  mit  Sallat  fürsetzetc,  samt  einem 
ger&noherten  Sohincken.  Den  Sallat  nahm  er  swischen 
die  Finger,  und  warffe  ihn  zum  Halss  hinein,  als  wie  ein 
Bauersmann  (jalvo  honore)  den  Mitit  auf  den  Wagen  wirtfu 
Zwischen  jeden  Mund -voll  Sallat,  steckte  er  eine  gaatM 
Scheibe  yom  Schincken  hernach,  und  ehe  eine  halbe 


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—   161  — 


Viertel -Stunde  yerlauffen,  hatte  er  den  Bcliincken  samt 

dem  Sullat,  uud  ciu  Yiertel-Maaaz  starckeu  Brandtwein  zu 
Bich  gesteoket  * 

In  dieser  Weise  geht  es  weiter,  DiBcurse  werden  ge- 
halten, kleine  und  grosze  Abenteuer  erlebt,  viel  mehr 
dergleichen  aber  erzählt,  wobei  der  Verfasser  wie  Alexan- 
der Dumaa  das  Seinige  nimmt,  wo  er  es  findet  Was 
Yenerens  treibt,  kann  man  sieh  leicht  Torstellen,  nnd  die 
Art,  wie  es  der  Verfasser  darstellt,  wird  man  sich  nach 
dem  Mitgetheiltcn  auch  leicht  richtig  in  ihrer  Rohheit  und 
gesohmaoklosen  Ünanstftndigkeit  denken.  Buoh  I,  Gap.  42, 
setat  er  Grimmelshausen  oder  dessen  Quelle  (vergl.  oben 
Seite  77)  in  Contribution. 

Einen  abgerundeten  Plan  hat  das  Buch  gana  nnd  gar 
nicht,  alles  ist  lose  aneinandergereiht,  die  sonst  beliebten 
Romaniiijiredienzien  wie  ( J el'aiiorcnschul't  bei  den  Türken 
und  illlubergcäcbicbteu,  unsaubere  Liebesabenteuer,  barocke 
nnd  dabei  lappische  Discurse,  weit  ausgcsponnene  Schüler- 
spftsze  fehlen  nicht,  alles  durcheinander,  bis  ^ne  ausfiüirlieh 
bescbri ebene  Hochzeit  den  öchlusz  macht 

Auf  welche  in  Hamburg  und  Umgegend  verbreitete 
spasshafte  Traditionen  der  Name  Schelmuffsky')  surttck- 

Aveist,  wird  nicht  mehr  l'estg'CstellL  werden  können  und 
ial  auch  in  Uücksicht  auf  den  Charakter  des  Buches, 
welches  seinen  Namen  trägt  und  dessen  erste  datirte  Aus- 


')  T)io  Notiz  Lapponborurs  ( I  Uiisiiietcel  A'Jl),  dasz  schon  Dothhn- 
Drf  v»  i  '^  Chronik  «li  u  S<  Ii.  kt  une.  ist  ilahin  zu  lierii  hti^^cn ,  dasz  der 
\'<  rta.ss<  r  diesen  Ausdruck,  wie  ich  aus  der  Handx  hritt  selbst  ersehen, 
von  zwei  schlechteu  Meusclieu,  vuu  denen  der  eine  .).  Kahlefeld  (S.  200), 
der  andere  H.  Stttve  (S.  660)  biew,  appellatiTiaeh  linuieht,  indem  er 
das  eiste  Hai  am  Rande  bemerkt:  Quid  facia  0  SekOmoftki?,  das 
andere  Mal  im  Texte  «DieBer  SeMmmo/M»  hat  sieh  nieht  geschewet  etc.* 
Anden  Stellen,  wo  Sch.  vorkäme,  habe  ich  nicht  geftmden. 


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—  152 


gäbe  vom  Jahre  1696')  iet,  von  geringem  Belang.  Billige 
Einzelheiten  mögen  allerdings  ein  uns  dunklos  Interesse^ 

welches  sich  auf  lokalen  Klatsch  gründete,  haben,  im 
groszen  Ganzen  aber  stellt  sich  der  Inhalt  des  ßuehcs 
als  eine  parodirende  Batire  auf  ordinftre  Au&ohneiderei 
und  G-rossrnftuligkeit  dar,  alles  bewegt  sich  anf  der 
tiefsten  Stufe  niederer  Komik,  welche  so  weit  geht,  dasz 
auch  die  Unfähigkeit,  etwas  YernOnAig  su  eraäblen,  als 
komisokes  Mittel  verwendet  und  absiohüioh  anr  Sohan 
gestellt  wird.  Von  diesem  Gesichtspunkte  aus  betrachtet, 
enthält  der  SchclmufFsky  viel  treifenden  Spott,  oder  mit 
andern  Worten,  die  Sohildemng  eines  Oberaus  dummen 
und  rohen  Groszmauls  ist  dem  Verfasser  auch  bis  snr 
Nachbildung  des  Stils,  in  welchem  solche  Leute  sich 
geltend  zu  machen  pflegen,  so  vortrefflich  gelungen,  dssz 
jemand,  der  mit  Mensoken  von  dieser  Art  zusammen  ge- 

*)  Mir  liegt  diese  der  Königl.  Bibliothek  in  Göttingen  gdbBrigs 
Ausgabe  vor:  Ton  E.  8.  Gedruckt  za  Sehehzerode.  Im  Jshr  Mß. 
TU.  I,  182  Seiten  8^  ThL  U  mit  Titelkupfer.  Gedruekt  sa  Fzdos, 
eine  halbe  Stande  Ton  Rom.  Bey  Peter  Martsn,  1697,  78  Seiten  S^,  In 
demselben  Bande  noch  drei  Lustspiele,  von  denen  1  nnd  3  den  Schel- 
muffskystoff  behandeln  1.  L'Hoimite  Femme  Oder  die  Ehrliche  Fma 
zu  Pliszine  etc.  aus  dem  Franzö(8o!)i8chen  übersetzet  von  Hüario, 
Nebenst  Hnrirqrivs  Hochzeit- und  Kind  - Betterin- Schmause.  Pliszine. 
Gedruckt  in  diesem  Jahre.  Das  letztere  ist  \o.  2  mit  besonderer  Pagi- 
nirung.  3.  Das  Ton  üoedeke,  S.  512  angegebene:  La  Maladie  ei  la 
mort  etc. 

Goedeke  führt  ebenda  eine  uudatirte  Ausgabe  (a)  ala  die  rer- 
mothlich  Uteste  an,  fener  (b)  eine  Frankfürt  nnd  Leipzig  1750.  8^  (c) 
eine  o.  0.  (Dfltaeldorf)  1818.  8^  eine  (d)  hemnsgegebea  von  Meister 
Eonrad  Spftt,  genannt  FrOhanf  (E.  Gerle)  Berlin  1831.  8o,  dne  a  0. 
n.  X  (Cassel  1895)  8*  nnd  die  genane  NaehbUduig  ton  (a)  o.  0.  n.  J. 
(Leipzig  1848.  G.  Wigand.) 

Die  letzte  und  die  von  1821  kenne  ich,  eine  von  1809  ist  mir  so 
wenig  wie  Goedeke  (a.  a.  O.)  bekannt.  Es  stehen  also  zwei  alte  Aus- 
gaben, a  und  die  Ton  1696  sicher  fest,  während  ich  nicht  fUr  aosge' 
macht  halten  möchte,  welche  ?o&  beiden  die  älteste  ist. 


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—  153  — 


troffen  ist,  nooh  hent  yieles  mit  Behagen  lesen  wird. 

TTeberall,  wo  der  Held  hinkommt,  macht  er  nach  seiner 
Bcscbreibung,  aus  der  man  aber  honiuslicst,  dasz  er  sich 
etetB  als  Dummkopf  und  Lump  benimmt,  anezerordent- 
liohee  Anfiieheni  weil  er  ein  „bo  brav  Kerl*  ist  und  allen 
zu  groszcr  Verwuiulcrung  die  merkwürdige  Geschichte 
You  der  Hatte  erzählt.  Mit  vornehmen  Standespersonon 
soblieazt  er  Frenndeohaft»  schöne  Franensimmer  werfen  • 
sieh  ihm  nm  die  Wette  an  den  Hals,  er  besteht  die  furcht- 
barsten Gefahren  zu  Wasser  und  zu  Lande,  überall  ^vird 
seine  Schönheit»  sein  Muth,  sein  Geist  bewundert,  und 
das  Alles  enfthlt  er  in  einem  Tone,  der  nach  wenigen 
Worten  yerrftth,  wess  Geistes  Kind  er  sei.  Als  eine 
Episode  in  einem  grossen  komischen  oder  satirischen 
Romane  wOrde  ein  Stück  des  Schelmuffsky  etwa  von  dem 
ümfemge  des  fünften  oder  sechsten  Theils  dos  Ganzen 
sehr  gut  angebracht  und  von  vortrefflicher  Wirkung  «ein, 
in  seiner  ganzen  Aubdehnung  ist  er  aber  zu  idrenann,  um 
zu  befriedigen  und  erinnert  im  -Hinblick  auf  Grimmeis* 
hausens  Darstellung  an  die  boaohtenswerthe  Wahrheit, 
dasz  Satire  ohne  ernsten  und  namentlich  moralischen 
Hintergrund  immer  das  GefiihI  mangelnder  Berechtigung 
und  Würde  heryorbringt'). 

Wfthrend  der  Schelmuflbkj  nach  unserer  AufiGusung 
fast  durchweg  als  eine  gewissermaszen  literarische  oder 
stilistische  Satire  zu  bezeichnen  ist,  nimmt  Hunolds  „Sa* 
tyrischer  Boman^^  als  ein  nicht  Ohler  Versuch  eines 

')  In  den  Beilagen  ist  eiii  Stttok  mitgetheilt,  da  alles  auf 
die  Einzelheiten  der  Darstellung  ankommt,  während  die  Begeben- 
heiten selbst  und  ihre  Aufeinanderfolge  ein  weiteres  Eingehen  nicht 
lohnen. 

')  Hamburg  1705.  8".  —  Stade  1710.  8»  —  eboii<ia  1718.  8".  — 
Hamburg  1719  b».  —  Hamburg  1732.  8».  Die  Ausgaben  von  1710  und 


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satirischen  Sitten^emftldes  und  znofleioh  wegen  seines  Ter- 
hältuiszinäözig  geschickten  Aulbaus  uud  Plaues  an  dieser 
Stelle  einen  Fiats  in  Anspruch.  Hier  sind  die  Beziehungen 
auf  thatsächliche  Yerhaltnisse  der  Zeit  und  OerÜiehkeit 
weit  reicher  und  genauer  als  im  Schelmuffsky,  ja  der 
Verfasser  erregte  in  Hamburg  mit  sciucm  Werke  einen 
erheblichen  und,  wie  es  scheint,  nicht  unbeabsichtigten 
Skandal. 

Gleich  auf  den  ersten  Seiten  merkt  man  schon,  dasz 
es  in  dem  „Satyrischen  Roman"  rocht  nett  hergehen  wird. 
Tyrsates  und  Seiander,  die  beiden  Haupthelden,  haben 
sich  kaum  durch  Zufall  kennen  gelernt,  als  sie  Gelegen- 
heit erhalten,  die  Keuschheit  einer  „honnetten  Dame'^ 
gegen  einen  „gewissenlosen  Cavalier*'  au  besehQtasen,  es 
seigt  sich  aber,  dasz  ganz  im  Gegentheil  der  Oavalier 
dieses  Schutzes  bedurfte.  Er  wird  in  ihrem  Bunde  der 
Dritte,  und  das  Kleeblatt  bcgiebt  sich  in  die  tStadt  tSai- 
augusta,  wo  sie  unter  anderen  das  FrAulein  Casaubona 
kennen  lernen,  welche  Dame  durch  ihre  spröde  Tugend 
allgcnioineB  Aufsehen  erregte.  Sehr  bald  aber  konnten 
die  drei  Jji^reunde  sich  überaeugen,  dasz  die  Heuchlerin 
einem  scheuszlichen  Laster  frOhnte,  worauf  ea  denn 

„unter  ihm'u  giiuz  andcj-e  («los.scn  setzte"  als  T;i<js  zuvor. 
Seiander  wird  dadurch  vorauluszt,  seine  Liebesgeschichto 
mit  Fräulein  Inconstantien  zu  erzählen,  mit  der  er  sieh 
soeben  yerlobt  hatte,  als  er  auf  knrze  Zeit  Terreisen 
mubzte,  uiul  die  or  nach  seiner  lliickkelir  iu  einem  Gai-teu- 
hause  mit  ihrem  neuen  Galan  ertappte.    Tyrsates  giebt 

1718  liegen  mir  vor,  in  ihnen  sind  anf  Gnmd  des  doieh  die  erste 
Aasgabe  herrorgerafenen  Skandals  Verinderungen  angebracht  Veigl. 
die  Yoirede  and  Geheime  Nachrichten  ete.  Ton  Heirn  Henantee  Leben. 
GOln  1731.  a  92  ff. 


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seinerseits  die  Getiohichtü  oiucä  reichcu  Kuufmaous  zum 
3e8t6D,  welcher,  obwolil  jung  yerheirathet,  doch  seiner 
schonen  Frau  untren  wurde,  worauf  sich  ein  junger  und 
feuriger  von  Adel'*  fand,  der  in  ihrem  Wohnort  studirto 
ihr  ^jyrioatüsime  Lectiones"^  gab.  «Das  Auditorium  war 
ein  Garten,  in  welchem  die  auserlesensten  Liebes-Krftuter 
ihnen  desto  bessere  Gelegenheit  gaben,  yon  den  verborge- 
nen Öchiltzen  der  Natur  sicher  und  ohne  jemandes  gewahr 
werden  zu  urtheilen''.  Nachdem  ein  anderer  Student  aus 
Eifersucht  dem  Manne  Verdacht  erregt  hatte,  entdeckte 
dieser  das  Vcrhältnisz,  und  ein  Freund  brachte  es  mit 
Hülfe  einiger  von  seinen  Verwandten  dahin,  „dasz  er 
seiner  schonen  Frauen  das  Laster  pardmudrte,  so  er  in 
sich  selbst  zu  tadeln  hatte.* 

In  der  Folge  begeben  sich  die  Freunde  nach  Linden- 
feld  (Leipzig),  wo  diese  Geschichte  gespielt  hatte,  um 
dort  ihre  Eenntnisz  des  „galanten  Frauenzimmers*  zu 
erweitern.  Einige  Bekannte  führen  sie  in  eine  Gesell- 
schaft von  Studenten  und  jungen  Dauieu  ein,  deren  Unter- 
haltung ergötzlich  geschildert  wird. 

^Das  Frauenzimmer  in  Lindenfeld  hat  sonsten  den 
Ruhm,  dasz  es  klug,  luid  man  sich  in  ihrer  Compagnie  ge- 
scheut und  behutsam  auiiühren  müsse;  Allein  unsere  Cb- 
vaUiera  fanden  einiger  ihren  C/taraeter  so  beschaffen,  dasz 
sie  eweiffolhaftig  blieben,  ob  das  Frauenzimmer  in  Linden- 
feld vielen  Studenten,  oder  die  Studenten  vielen  Frauen- 
zimmern den  Verstand  benommen. 

Ihre  gantze  Galantme  bestund  in  possirlichen  Sprfich- 
wörtcrn ,  gezwungenen  und  zuweilen  höhnischen  Minen, 
unzeitigem  CotnpUmentirGii,  keinem  scharfsinnigen  Schertze, 
und  einem  Wesen,  das  durchaus  mehr  Coqueüen-  als  Tu- 
gendhafft  war;  Denn  wenn  es  das  geringste  gab,  oder 


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einer  tod  den  Studenten,  darunter  ein  paar  artige  und 

sehr  geschickte  Leute,  einen  g-alailten  Schcrtz  anbrachten, 
waren  bIc  ul sofort  mit  ihren  gewöhnlichen  Sprachwörtern 
fertig:  loh  dachte,  was  mich  bisse;  Meynen  sie  ea  so? 
Je  Yettergen  mein  Ding;  Ist  es  mOgliob?  Liessgen  merckst 
(In  was?  Der  Herr  mache  sich  nicht  zu  grüne,  sonst 
£ros8en  ihn  die  Ziegen;  Wie  viel  auf  ein  Loht?  Der  Herr 
ist  so  yersohmitst  wie  eine  FolinnannB  Peitaohe.  Fiekgen, 
er  will  einmal;  loh  habe  meinem  Affsn  heut  Zuoker 
gegeben;  welches  letztere  ein  Fräulein  um  Salaugustischen 
Hofe  soll  aufgebracht  und  gesagt  haben,  wenn  sie  lustig 
gewesen. 

Yon  einem  sittsamen  und  doch  dabey  ansehnlichen 
Wcseui  welches  man  Air  de  QualUe  nennet,  und  wordurch 
man  sich,  als  auch  andern  Leuton  eine  Liebens- wttrdigo 
Ehre  erweiset,  wüsten  sie  nicht  yiele,  und  Seiander  und 
Tyrsates  wtirden  sich  bald  aus  der  Compagnie  hegeben 
haben,  wenn  man  ein  und  ander  lustiges  Spiel  angefangen, 
die  daselbst  gebräuchlich  ....  Man  spielte  des  Schuchs, 
wo  man  sich,  wie  bekannt,  neben  einander  auf  die  Erde 
setzet,  und  den  öchuch  durch  die  Beine  endlich  an  einen 
Ort  verstecket^. 

Was  weiter  in  dieser  interessanten  Gesellschaft  sieh 
zuträgt,  ist  kaum  mehr  aweideutig  su  nennen.  Der  Ver- 
fasser verlegt  hierauf  den  Schauplatz  nach  Venedig,  wie 
es  scheint,  um  nicht  wegen  au  deutlichen  Anspielungen 
Unannehmlichkeiten  au  haben.  Das  erste,  was  Tyrsates 
and  Selandcr  hier  kennen  lernen,  ist  die  Einrichtung  der 
Thcaterclaque  und  die  Tugend  der  Schau^pielerinuen, 
welche  gegen  die  Vorwürfe  anderer  Damen,  „die  nicht  so 
viele  Reitaungen  und  gefthrliche  Anftlle  als  jene,  empfin- 
den", recht  beredt  in  Schutz  genommen  werden. 


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—   157  — 


Wahrend  nun  Tynates  mit  einer  dieser  Damen  eine 

vorüberjDfehende  Bekaimtschaft  macht,  verliebt  sich  Sc- 
lander  iu  die  sohOne  und  „honnette'*  iSyivia,  der  er  sogar, 
nm  eich  als  Mann  Ton  Geist  und  GemOth  zu  seigen,  ein 
aus  Prosa  und  eingestreuten  Versen  bestehendes  Erzeug- 
nit<z  seiner  Feder  überreicht,  nämlich  „Gedanckeu  Von 
der  Liebe,  da  man  auf  einem  Gottes  Acker  spatären  ging*. 
Sie  verseiht  ihm  daf&r,  dass  er  einmal  schwer  angetrunken 
bei  ihr  erscheint,  denn  er  weisz,  nachdem  der  Rausch 
ausgeschlafen  ist,  in  einem  sehr  wohlgesetsten  Briete 
seine  Sache  bu  fahren,  und  au  seinem  Geburtetage,  den 
er  am  Miehaelistage  bei  ihr  feiert,  besingt  er  sie  in  einem 
langen  Gedicht  ä  la  lloii'maunswaldau. 

Leider  nimmt  diese  anscheinend  so  günstig  Terlaufende 
Hersensangelegenheit  sunachst  ein  unerwünschtes  Ende, 
indem  Sylvia  ihm  den  Vorschlag  macht,  einander  mir  als 
Freunde  zu  lieben,  eine  Wenduug,  die  ihren  Gruud  in 
dem  von  Selauder  durch  Tyrsates  in  Erüahrung  gebrachten 
und  von  Sylvia  selbst  bestätigten  Umstände  hat,  dass  die 
Dame  sich  mit  einem  Obersten,  welcher  demnächst  in 
Venedig  eintreffen  sollte,  das  Versprechen  gegeben,  ein- 
ander auch  in  ledigem  Stande  ewig  su  Ueben.  Li  Yer^ 
swt'illuug  und  Verwirrung  Ober  dieses  mysteriöse  Ehe* 
hindernisz  verläszt  tieiander  Venedig. 

Tyrsates,  der  sich  noch  einige  Zeit  dort  aufsuhalten 
gedenkt,  wird  durch  eine  emsthafte  Neigung  su  der  liebens- 
wQrdigcn  Asteria  von  galanten  Abenteuern  anderer  Art 
abgebracht  Sohliesalioh  läset  er  sich,  nachdem  einige 
Litriken  und  Hindernisse  sum  Theil  fiberwunden  worden, 
heimlich  mit  Ihr  trauen.  Auch  Seiander  findet  seine  ge- 
liebte Sylvia,  die  auf  räthselhafte  Weise  aus  Venedig  ver- 
schwunden war,  wieder  und  heirathet  sie. 


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Hiermit  sclilieszt  der  erste  TUeil.  Zu  Aufaug  des 
zweiten  finden  wir  den  sich  sehr  giOeklich  fahlenden 
Seiander  in  IXbipoUa  wieder,  wo  er  Bich  mit  der  annehm- 
lichcu  Sylvia  niedergelassen.  Er  macht  hier  die  Bekannt- 
schaft des  Herrn  von  Sohereboj,  der  sich  freundschaftlich 
an  ihn  ansohlieszt,  und  nach  einiger  Zeit  kommt  auch 
Tyrsiites,  der  mit  Asterien  aus  Venedig  glücklich,  obgleich 
mit  manchen  Gefahren,  nach  Deutschland  gelangt  war^ 
nach  Elbipolis.  Der  Verfasser  hat  zwar  die  üblichen 
Sensationsmittel  als  Seerftuber,  Yerkleidungen,  Mordan- 
fällc  und  Duelle  nicht  gespart,  zeigt  sich  aber  in  der  Dar- 
stellung abenteuerlicher  Vorg&nge,  die  er  aus  seiner 
Phantasie  oder  aus  Büchern  schöpfen  muszte,  weit  weniger 
geschickt,  als  in  den  aus  dem  Leben  gegrifPeuen  Sitten- 
Schilderungen  und  galanten  Händeln. 

Selauder  hatte  schon  einige  Zeit  lang  ans  dem  Um- 
gänge, den  Sylvia  wfthlte,  sowie  aus  dem  Benehmen  des 
Herrn  von  Schereboy  uubcstimniteu  Verdacht  gegen  die 
Vollkommenheit  und  Beständigkeit  seines  Eheglücken 
geschöpft  Ein  Zufall  bringt  plötzlich  Asterien  in  den 
Besitz  des  schrecklichen  Oeheimnisses,  dasz  Sylvia  mit 
8chereboj  ein  schandbares  Verhältnisz  unterhalte.  Den 
gemeinsamen  Bemühungen  der  beiden  Freunde  gelingt 
es,  die  Schuldigen  zu  überführen.  Bei  dem  Scheidnngs* 
prozcssc  kommt  nicht  allein  zu  Tage,  dasz  Schereboy 
ein  Abenteurer  war  und  schon  längcMc  Zeit  mit  Sylvien 
in  strafbarer  Weise  verkehrte,  sondern  es  enthüllt  sich 
auch  das  gcsammte  skandalöse  Vorleben  der  liebens- 
würdigen und  annehmlichen  Sylvia.  Sie  wird  also 
von  Seiander  geschieden  und  begiebt  sich  nach  Italien 
und  tritt  an  des  Herzogs  von  Florenz  Hofe  in 
Dienste. 


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—   169  ~ 


«Dergestalt  endigte  sich  die  Liebe  zwischen  8elander 
und  Sylvia  so  tin^lQekselig  und  kaltsinn i^,  welche  sieh 
lietltig  auget'uugen,  und  gab  dam  soufit  klugou  Sülander 
diese  kluge  Iiehre:  Keinem  Frauenzimmer  eine  eheliehe 
liiebe  anzutragen,  das  wisse,  wie  mit  vielen  besser,  als 

•         ■  •  * 

mit  einem  zu  conver.sircn.'^ 

VV^6un  der  Ycrt'aööer  mit  dieser  erhabenen  Moral  sein 
Werk  beschlossen  hätte,  wftre  es  vielleicht  für  die  Ab- 
mnduug  der  Geschichte  vortheilhaft  gewesen.  Allein  er 
hatte  noch  Stoif,  den  er  zu  yerweudeu  für  uotiiwüudig 
hielt,  das  heiszt,  er  wollte  noch  einige  Zoge  aus  dem 
lieben  seiner  Umgebung  und  einige  Gapitel  der  Elbipoli- 
taniäciicu  chroniqnc  ticandaleme  an  den  Mann  bringen. 

Tyrsatcö  lührt  seinen  Freund,  um  ihn  zu  zerbticuoD, 
in  die  Opern,  bei  welcher  Gelegenheit  wir  eine  Probe 
von  dem  Repertoir  erhalten.  Man  spielt  ,,die  zum  Ver- 
gnügen der  Zuschauer  entblöszte  Schunlieit'".  Der  Schlusz 
oder  das  Nachspiel  war  betitelt:  „Die  zu  beliebter  Nach- 
ahmung entweyhete  Keusehheit*.  üeber  den  Inhalt  dieser 
so  vielversprechend  benannten  Oper  wird  allerdings  nichts 
mitgctheilt,  dagegen  werden  wir  durch  Vorluhrnug  einiger 
anderen  pikanten  Scenen  und  Discurse  entschädigt  Eine 
Anzahl  „«iu^n^uirter  Dames**^  unterhalten  sieh  über  den 
verschiedenen  y^Gousto'^  in  der  liiebe.  Die  erste  zieht  die 
Liebe  por  kasard,  die  zweite  die  Liebe  en  paj)'ant  vor. 
Die  dritte  liebte  „was  spirüuelles,  artiges  und  angenehmes^, 
der  vierten  Losung  war  „Beständig  und  treu",  der  fünften 
„Tant/en,  ISingcu,  Mufic  und  ( r alanter ie"^,  der  sechsten 
„Ehrerbietig  und  verschwiegen^,  die  siebente  liebte  nicht 
die  Liebe,  sondern  ^einen  groszen  Staat  zu  führen,  und 
ein  ansehnliches  Kinkoniinen  (hizu  zu  haben.''  Die  Ca- 
vaUierg^  denen  diese  Devisen  mitgetheilt  werden,  philo- 


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—   160  - 


sophiren  über  die  verscliiedoneii  Charaktere  der  Damen 

mit  trefilicheii  Bonmots  und  Apcr(*a8.  Unter  den  meist 
scblüpfriguu  Greäüliicbtoa,  die  noch  folgen,  verdient  die 
Schilderung  eines  auf  einem  adligen  Behlosee  improyieirten 
Soupers  Erwfthnung.  Die  Herren,  welche  sich,  um  bei 
den  Danion  besseres  Ansehen  zu  gewinnen,  fQr  unver- 
heirathet  ausgehen,  machen  diese  hetrunken,  trinken  mit 
ihnen  BrQdersohaft  und  haben  an  den  flbeln  Folgen,  welche 
sich  den  nächsten  Tag  zeigen,  ihren  groszen  Spasz,  ohne 
da8£  etwas  übelgenommen  wird,  weil  alles  sonst  sehr 
„honnett*'  sugegangen  war.  Sehr  beaeiohnend  schlieest 
MenantcB  sein  wie  ein  Licht  erlöschendes  Bneh  mit  der 
Wendung:  „Vielleicht  will  der  geneigte  Leser  gern  etwas 
mehreres  yon  allen  wissen.  Ich  kann  ihm  nichts  weiter 
sagen,  als  dasz  ich  noch  niemals  grössere  Lust  gehabt»  ein 
Buch  zu  scblieszen,  als  bei  diesem*'. 

Hunold  sowohl  als  auch  Happel  traten  übrigens  mit 
den  Bwei  Bomanen,  die  wir  yon  ihnen  soeben  kennen  ge- 
lerot haben,  aus  dem  Geleise,  in  welchem  sie  sich  sonst 
bewegten,  heraus.  Diese  ihre  Hauptbeschäftigung  und  die 
Genossen,  welche  sie  dabei  fanden,  haben  wir  noch  kurs 
au  betrachten.  Sie,  sowie  die  ihnen  an  die  Seile  su 
stellenden  Bobse,  Rost  und  noch  einige  weniger  unheim- 
lich fruchtbare  Autoren  —  denn  die  mehr  als  genügende 
Fruchtbarkeit  ist  hier  ein  wesentliches  Kennaeichen  — 
W08U  von  filteren  auch  der  Freiherr  von  Wotcenstein  mit 
seiner  Bellimiru  und  Corilander*),  sowie  der  Traurcnde  als 
Yerfasser  der  Glücksverwandiung  der  Verliebten^)  ge* 
rechnet  werden  können,  fanden  wesentlich  in  der  doreh 
Zesen  und  seine  Nachfolger  zur  Entwickelung  gebrachten 

>)  Nflinberg  1071.  V2o 
^  Jena  1873.  12« 


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t 


—   161  — 

Gestalt  dor  ensihlondcn  Prosa  die  beqQenuBte  Form  su 

eiuer  sich  auf  alle  möglichen  Gogeustände  erstreckenden, 
rasch  producirenden,  gehalt-  und  werthlosen  Belletristik, 
Sie  traten  damit,  einer  leiohten  und  abwecheelnden  Unter- 
haltung» den  Beddrfoisaen  der  Mode  und  den  gern  lesen- 
den, aber  nicht  gern  denkenden  Schichten  dor  Gebil- 
deten dienend,  in  den  Sold  speoulati?er  Buchhändler 
und  sohrieben,  wie  sieh  Moller  in  der  Cimbna  UUerata 
Ton  Happel  treffend,  aber  bitter  ausdrückt,  /amt,  non  famae. 

Ein  dicker  Band  nach  dem  andern  —  deuii  damals 
lagen  dttnne  Bände  noch  ebensowenig  im  Interesse  von 
Leihbibliothekinhabern  wie  häufige  Absätse  in  dem  der 
Pfennigschriftsteller  —  entquoll  ihren  emsigen  Federn, 
und  das  Publikum  griff,  wie  mehrfache  Auflagen  ein- 
lelner  ihrer  Werke  beweisen,  begierig  nach  der  an- 
sprechenden LeotOre. 

So  sind  von  Happel,  dem  ältesten  dieser  Gruppe, 
ausser  dem  uns  schon  bekannten  elf  Biomane  Yorhanden'), 


*)  1.  Der  Afliatisdie  Onogambo,  Hamburg  1673.  8^.-3.  Per 
Europäische  Toroan,  Hamburg  1676.  8*.  Fiaokfiirt  IM.  8^  — 
8.  Der  Darohlanehtigsten  Chrittliclieii  Potentaten  Kriegs- Bonudn.  L 
Freibiiig  1680.  8*.  L  und  IL  Middelburg  1661.  8«.  —  4  Der  Iniu- 
lanieclie  Vandorell.  Frankftut  1683.  8<>.  —  5.  Der  Italiäniscbe  Spinelli 
oder  Europäische  Geschichte-Roman  aufs  Jahr  1685.  IV.  Ullm  1685 
und  1686.  8'*.  —  6.  Der  Ungarische  Kriegs-Romain.  I.  Ulm  1Ü85.  S''. 
n.  1685.  8«  III.  Ulm  IGGS.  8".  IV.  Ulm  1687.  8^.  V.Ulm 
1689.  8".  VI.  oder  Continuation,  von  einem  anderen  (L.  H.  H.) 
Ulm  1697.  8".  —  7.  Die  Spanische  Quintana  oder  Europäischer  Ge- 
schichts-Rüiuain  auf  das  KiHG.  Jahr.  I.  und  II.  Ulm  ItibO.  S".  III. 
und  IV.  Ulm  1687.  8"^.  —  8  Der  Frantzüsiache  Cormantin  oder  Euro- 
pÜMlie  e.-R.  auf  das  1687.  Jahr.  L  Ulm  1687.  S^,  H.,  HL,  IV.  ühn 
1688.  8<*.  —  9.  Der  Ottomaoische  B^aaeth  oder  Bor.  G.-B.  auf  daa 
1688.  Jnkt,  L,  n.  Uhu  1688.  8«.  IIL,  IV .  Uhn  1680.  8«.  -  10.  Der 
Afrikaniaehe  Tamolaat  Ulm  1680.  8^  —  11.  Der  teutadie  Oarol  oder 
Eur.  G.-R.  auf  das  1689.  Jahr.  Ulm  1690.  8«>.  —  Vier  Fortsetzungen 
des  £ur.  G.-R.,  der  EngeUändisehe  Eduard  (auf  das  Jahr  1600).  Ulm 

n.&  11 


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—  162 


von  denen  der  Onogambo,  Toroan,  Mandorell  und  Tarno- 
last  hauptsftohlieh  absdiealioh  nnkritiBobe  und  Qberall  her 

flüchtig  zusammengeschriebene  Koömographio,  die  ver- 
Bcbiedeuen  AbtbeiluDgen  des  Europäischen  Geschicbta- 
Romans  dagegen  Zeitgeaehichte  in  derselben  Weiae  ver» 
treten,  während  der  Christlieben  Potentaten  Kriegs-Roman 
und  der  Ungarische  Eriegs-Roman  den  Kriegen  von  1672 
ab  gewidmet  sind.  Hiemaoh  stebeii  Happels  Romane  yon 
seinen  anderen  onrioaen  Sebrifiten,  wie  dem  Historisoihen 
Kern,  der  Straflf-  und  Unglücks -Chronica,  den  lielationef 
euriosae,  Thefaurua  eaoUeorum,  eigentlich  nur  durch  die  wie 
im  Akademisehen  Roman  gana  ftnsserlioh  die  Disenrse 
▼erbindende  Ensftbinng  getrennt  und  näbem  sieh  den 
weiter  oben  erwähnten  Sammelschrifteu ,  weshalb  sie 
dnrobaus  unter  die  am  Ende  des  XI.  Capitels  angegebe- 
nen Gesiobtspunkte  fallen  nnd  für  die  Entwiekelnng 
unserer  Gattung  ohne  jede  Bedeutung  sind.  Ihre  PeWer 
sind  schon  von  den  Zeitgenossen  nicht  verkannt  worden'), 
Composition  und  Stil  wird  man  sieh  naoh  dem  oben  aus 
dem  Akademisehen  Roman  Mitgetbeilten  leieht  yorstellen 
können.  • 

August  Bohse,  mit  dem  Sehrifitstellernamen  Talander, 
besasB  entschieden  mehr  Talent  als  Ersäbler  und  Stilist 
und  eine  mindestens  gleiche  Fruchtbarkeit  wie  Happel 
Der    Aufbau    seiner    Romane    ist    gescliiokter  und 


1091.  8^  der  Bayerscbs  VaTliailiaa  (auf  das  Jtkr  1691)  m.  Uba  1602. 
8«,  der  Sadisieche  Wittekind  (aaf  das  Jahr  1602)  and  der  Scbwiblscke 
Axiovist  (anf  das  Jahr  160S)  IbSnnen,  wie  schon  Koller  riehtig  beaieffct 
hat,  nicht  Ton  Happel  sein,  da  aia  Zeiten  nnd  Breigniue  naoh  sefnasi 
1090  erfolgten  Tude  behandehi,  beweisen  aber,  dass  Happels  Uaeh» 
werke  nicht  unbedentenden  Anklang  gefunden  hatten. 

M  Thomasins  in  den  freymüthigen  (tespr.  Sept.  1680.  Tensel  in 
den  monatlichen  üuterredougen.  Juli  i(k(9. 


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—   168  — 


abgenindeter,  die  Sprache  gefUliger.    Seine  Bfieher  sind 

weit  mehr  auf  galante  als  auf  curiöso  Unterhaltung  zu- 
geschnitten, mehr  Damenlectüre,  und  mOgen  als  Vorbilder 
fAr  Salonoonyersatioii  ihrer  Zeit  nioht  unbrauohbar  ge- 
wesen sein.  Seine  Personen  haben  nämlich  die  schfttz- 
barü  EigcuBchaft,  ihro  Licbesauträgc  durcii  zweckdienliche 
iheoretisehe  Qesj[»rAche  einsoleiten  und  darin  beliebte  und 
ungehener  interessante  Themata  zu  behandeln,  s.  B.,  Ob 
die  öchunhuit  oder  die  Klugheit  mehr  die  llerzen  an  sich 
ziehe.  Ob  die  Liebe  sich  nach  den  üegela  der  Vernunft 
riohten  mOsse,  oder  ob  sie  mit  derselben  eine  beständige 
Feindschaft  halte.  So  kommt  Talander  den  Sehopfuugen 
eines  Lohenstein  und  Ziegler,  vielleicht  mehr  noch  den 
französischen  Vorgftngem  und  Urbildern  derselben  weit 
näher  als  Happel,  hat  aber  alle  Fehler  der  anf  Massen- 
prodnction  gerichteten  Bellctriötik ,  vor  allem  eine  uner- 
trägliche Oberiiachlichkeit  und  Ideenlosigkeit.  Jeder 
Einfiül,  jede  Beminiscenz  wird  yerwerüiet,  man  hat  Ober- 
all  das  Geftlhl,  einen  ganz  ordinären  Lohnsohreiber  vor 
sich  zu  haben,  und  wenn  wir  ihn,  der  eine  ganze  Heihe 
dicker  Bacher  aber  Rhetorik,  Pädagogik,  Kosmographie, 
Geschichte,  und  mehrere  Briefsteller  yerfiisat  hat,  mit 
mehr  als  zwanzig  der  erzählenden  ünterhaltungsliteratur 
angehörenden  Schriften')  bald  als  Originalautor,  bald  als 
Herausgeber  oder  Uebersetser  auftreten  sehen,  so  kann 
dieser  Eindruck  nur  verstärkt  werden. 

')  VonVVerken,  an  deren  Heran  scfabp  er  betheilig^t  ist,  ohne  danz  sie  ihm 
alH  eichene  ani^ehüren,  weisz  ich  zu  iiemit  ii  die«  )lor<'na  (Leipzig'  MVJi,  und 
1708.  8"),  welche  nach  der  Vorrede  des  „Verf^nügten  Amy<l<n-^  zu 
seinem  Scipio  (Frankfurt  und  Leipzig  IGDG.  8")  von  diesem  verfaszt 
und  von  Talander  herausgegeben  ist,  ferner  die  Argeuis  (Leip;:ig 
1701.  ä<>),  die  Ariana  (Frankfiirt  1708.  8%  1001  Nacht  (zuerst  der 
YoRsde  nach  1710,  stun  dritten  Male  1717)  und  Don  Pedro  nnd  Agnee 
▼on  Gastro  (Leipzig  1697.  ia<».  1702.  8*). 

11» 


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—  104  — 


Cbrifitian  Friedrich  Himold  (Menantes)  hat  uutor  den 
hierher  g^ehörenden  SchriftstellerDy  wie  es  aoheint,  seinen 

Zeitgenossen  den  besten  Eindruck  gemacht,  und  nicht 
ohne  Grund.    Freilich  will  dies  nicht  viel  aagen,  und 

Von  Talanders  Uebersetznn^  des  Telemarh  von  Fenelon  kenne 
ich  drei  Ausgaben,  Breslau  1700.  H*»,  1707.  8"  uud  1715.  Seine 
Uebersetzunti:  der  Liebes-  und  Lebensgesehichte  der  Marquise  von 
Frene  (das  Original  ist  nach  G.  d.  Firrel  S.  02  von  Gatufi  de  Courfif:. 
Amsterdam  1702)  erschien  zusammen  mit  dem  kleinen  Human  „der 
Adliche  Bauer '  gleichfalls  aus  dem  Französischen,  Leipzig  170d.  S*. 

Es  bleiben  demnaoh  übrig  als  wihnefaeinliohe  Originalireitie: 
1.  LiebeskabiBet  der  Damen.  Leipzig  168&  13*.  ~  S.  Die  Bifersneht 
der  Verliebten.  Leipzig  1689.  13«.  —  8.  Die  durchlauebtigste  Aleettis 
ans  Fernen.  Leipiig  1689.  S^,  1708.  S^,  —  4.  Der  getreuen  BeUimira 
wohlbelohnte  Liebosprobo.  Leipzig  1692.  8»  1715.  —  S.  Die  ge- 
tTTue  Sklavin  Doris,  l^ipzig  1696.  8»  1710.  S».  —  6.  Die  versteckte 
Liebe  im  Kloster  durch  den  Beständigen  T.  Frankfurt  1696.  12"^.  — 
7.  Amor  am  Hofe.  Thl.  II  Dresden  KiW.  .s".  I«  der  mir  vorliegenden 
An-sß-abo  fehlt  der  Titel  des  ersten  Theils,  doch  macht  die  Vorrede 
des  11.  wahrscheinlich,  dasz  er  vor  1G'.U3  erschienen  i.st.  —  8.  Die 
Amazoninnen  aus  dem  Kloster.  Cölln  1698.  8^  —  9.  Die  liebens- 
würdige Europäerin  Gonstantine.  Frankfurt  und  Leipzig  1698.  8*, 
173&  8^  Die  mir  Torliegende  Ausgabe  Ton  1698  ist  nicht  die  von 
Ooedeke,  8.  510,  angedeutete  interpoUrte.  —  10.  Albanisefae  Snllma. 
G6Un  1098.  S».  -  Weiasenfelfl  1718.  8«.  -  Leipng  1718.  8«.  - 
IL  Liebesgeschichte  der  unglücklichen  Prinzessin  Arsinoe.  Leipzig 
1700.  8»  —  Nürnberg  1714.  8«,  1717.  8».  -  12.  Ariadnes.  Königl. 
Prinzessin  von  Toledo,  Staats-  und  Liebesgeschichte.  Leipzig  1705. 
S''.  —  13.  Talanders  letztes  Liebes-  und  Heldengedicht.  Leipzig  17tX3. 
8".  —  14.  Antonia  de  Palma.  Leipzig  1709.  8<'.  (Fortsetjsung  der 
Ariadne).  —  15.  Aurora,  Prinzessin  in  Greta.  Leipzig  1710.  8^'.  — 
16.  Der  Liebesirrgarten.  Weissenfeis  1724.  8°.  —  17.  Der  verliebte 
Wirrwarr  der  Sicilianischen  Höfe.  Leipzig  1725.  8^  —  Zu  bemerken 
ist  jedoch,  daas  ich  die  OriginaUntorBchaft  Bobaea  für  alle  aiebselin 
Romane  nicht  mit  Sicherheit  behaupten,  aondem  bis  jetat  nur  Toa 
keinem  derselben  eine  aualäadiaehe  Vorlage  nachweiaen  kann. 

Wegen  der  übrigen  Schriften  Talandera  verweise  ich  auf  Jörtea 
Bd.  VI,  S.  579,  fttge  aber  dem  dort  gegebenen  Verzeichnisse  noch  fol- 
gende hinzu:  1.  Der  getreue  Wegweiser  zur  teutachen  Redekunst 
Leipzig  1693.  8*».  —  2.  Des  (Galanten  Frauenzimmers  Secretariat- 
Eunst.  Leipzig  1696.  —  3.  Der  getreue  HoÜmeister.  Iieipaig 
1703.  8«,  1706.  8». 


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—   165  — 


Hunold  Terdankte  seine  Geltung  auch  nicht  vonsugsweise 
seinen  Romanen.  Abgesehen  von  dem  bereits  gewürdigten 
Satyrifiohen  Boman  bewegen  sie  sich  gans  in  demselben 
Fahrwasser  wie  die  seiner  Genossen»  und  das  leidige 
Brotliteratenthum  sieht  doch  aneh  sohlieszlioh  zu  jeder 
Falte  heraus.  Wir  thuu  seiner  Yerlicbten  und  galanten 
Welt'),  seiner  Liebenswürdigen  Adalie')  und  der 
Enropftischen  Hof -Liebes-  und  Heldengesohichten^)  da- 
her genug  Ehre  an,  wenn  wir  sie  nur  nennen.  Sein  Stil 
ist  nicht  ungewandt,  aber  auch  nicht  frei  von  unberechtigten 
Einflassen  der  „galanten^  Salon-  und  Briefspraobe  seiner 
Zeit,  welche  sieh  in  der  Sprache  der  Literatur  wie  grum- 
matische  Nachlässigkeiten  ausnehmen. 

Johann  Bernhard  Rost  (Moiotaon)  ist  ein  yoUkummo- 
ner  Abklatsch  Ton  Bohse  und  wetteifert  mit  ihm  an 
Fruchtbarkeit    Wer  Lust  hat,  Ton  seinen  Schriften*} 


*)  Hamburg  1700.  B»,  1703.  8«,  mit  dem  IL  TheU  ebenda  1707. 

8^  —  ebenda  1715.  H». 

>)  Hamborg  1702.  8»  —  1703.  8»  —  1714. 

Hamburg  1701  8»  —  1705.  8«  —  1709.  8o  -  1715.  8°  ~  17». 

8°.  Zu  diesem  Romaue  fiudet  sich  ein  Schlüssel  in  den  Geheimen 
Nachrichten  und  Briefen  von  Herrn  Menantes  Lohon.  Cöln  1731., 
einem  Buche,  welches  ein  nicht  uninteressantes  aber  nicht  ehen  an- 
sprechend eä  und  würdiges  Bild  eiueu  Literateuiebeus  jeuer  Zeit 
entrollt 

*)  1.  Die  p^etreue  Bellandra.  Nürnberg  1707.  1716.  8».  —  2.  Die 
unglückliche  Atalanta.  Nürnberg  1708.  H\  1717.  —  3.  Die  türkische 
Helena.  Nürnberg:  1710.  —  4.  Der  yerliebte  Eremit  Nttmberg  1711. 
8^  —  5.  Liebesgeschiohte  Hypolite,  Grafen  tob  Douglas.  Frankfurt 
1711.  —  6.  Die  Uebesf  wMige  imd  galante  Korie  in  einem  HeMen- 
gediehte.  Leipsig  1711.  —  7.  LiebeBgeschichte  der  Prinzessin  Nor- 
manna. Nürnberg  1711.  —  8.  Eines  Nordischen  Hofes  Liebes-  nnd 
Heldengeschichte.  Cölln  1713.  —  0.  Curiöse  Tiiebesbej^ebenheiten,  aus 
dem  Französischen.  Cöln  1714.  —  10.  Dnrchl.  Hermintes.  Nürnberg 
1714.  —  11.  Helden-  und  Liebesgeschichten  dieser  Zeiten,  welche  sich 
bei  dem  verwicheneu  spanischen  iSucccäsionskriege  hin  und  wieder  in 


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—   166  - 


KenntDisB  eu  nehmeD,  wird  wenigsieDS  ebenso  wie  «na 

denen  Bohees  einigermabzeii  begreifen,  wie  diese  Leute 
nur  deswegeo,  weil  sie  an  sich  selbst  und  ihr  Publikum 
an  sie  ftnsserst  geringe  Ansprttohe  auf  inneren  Gehall 
stellten,  soyiel  in  Besug  anf  ümftuig  ond  Ansah!  der  Er- 
zeugnisse  leisten  konnten.  Es  ist  das  eben  die  noch  heute 
bekannte  und  viel  gettbte  Kunst»  welche  den,  der  sie 
treibt»  eigentlich  aus  der  Literaturges<diiclite  aussoUiesst 
Ebenso  giebt  es  ja  eine  oder  mehrere  Methoden,  andere 
Gattungen  der  Poesie,  z.  B.  Lustspieldichtung  und  Lyrik, 
sowie  bildende  Kunst  und  Musik  produotiy  su  betreiben, 
welehe  mit  der  Entwiekelung  und  dem  Forteebritt  dieser 
Geistesgebiete  gar  nichts  zu  thun  haben.  In  der  Dichtung 
sind  vielleicht  die  hier  su  beachtenden  Grenzen  schwieri- 
ger zu  sieben  als  anderwärts,  aber  wir  werden  nioht  IbU- 
greifen,  wenn  wir  sie  als  gleichsam  durch  diese  Gruppe 
hindurchgehend  aunchmcn.  Der  iabrikmäszige  Betrieb, 
die  Unterwerfung  unter  die  Modelaunen  des  schlechteren 
Tbeils  des  gebildeten  Publikums,  die  Ideenlosigkeit  des 

Bofopa  zugetragen.  Nflrnberg  1715.  IL  8^  ~  12.  Die  sehfoe  Hd- 
lladeriiL  Nflmbeig  1716. 12^  —  18.  Leben  nnd  Thaten  der  eagUscben 
Ooqnetten  ond  Maitreasen.  London  172t.  8*.  —  14.  Liobesgeeehiditen 
Heinrichs  Herzogs  der  YAndalen.  Ulm  1722.  8^  —  15.  Lindopolanders 

Liebe  ohne  Beistand.  Niemals  g^lücklicher  Liebhaber  Orontcs.  BresUn 
1724.  8^  —  lö.  Die  Leipziger  Landkutsche.  Breslau  IT'JS.  8*  — 
17.  Heroine  mnsqnetaire  oder  Liebesgesehichte  der  Fr.  Christinen 
Baroneftse  von  Meyrau.  Altenburg  1727.  H«*.  —  Ib.  Die  duichleochtigste 
Friücessin  Tamestris  aus  Ej^ypten.    1732.  8". 

Von  diesen  achtzehn  Romanen,  welche  ich  nach  Goedeke  an- 
führe, sind  No.  5,  0,  12  und  17  sicher  nachweislich,  No.  3  wahr!»cheui- 
Ueh  Uebenetiungen  ans  dtm  FknnsBcisoluii.  Nneh  einsr  Anseige  im 
L  Bd.  von  No.  11  ist  No.  18  rot  No.  11  enehienen,  sowk  aassflideB 
nooh  der  dniehlnnehtigsto  Henniontes,  Cron-Frinti  ans  Syrien;  Venda, 
K5mgm  in  Pohlen,  beüuid  sieli  danach  nnter  der  Fiesie.  Meletan 
hat  anch  über  die  Nutzbarkeit  des  Tantzens,  mehrere  Briefsteller  ond 
popnlir  astronomische  Schriften  geschriebeiL 


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—   167  — 


lohiiltB  und  die  flOohtige  .Oberflttohliohkeit  der  Dar- 
stellung' sind  die  Merkmale,  welobe  die  um  die  Bolieide 

des  XVII.  und  XVIII.  Jahrhunderts  in  Norddeutschland 
th&tigen  Belletristen  als  eine  zasammenhftngende  Gruppe 
darstellen  und  sie  in  ihrer  Gesammtheit  aneh  Ton  den 
weni^  älteren  heroisch  -  galanten  Erzählern,  sowie  von 
Grimmelshausen  und  Weise  unterscheiden. 

Es  ist  sehen  gesagt  worden»  daaz  wir  in  dem  Auf- 
treten der  Robinsonaden  den  B^nn  einer  neuen  Periode 
ftlr  unsere  Gattung  zu  erblicken  haben.  Daez  Vorläufer 
derselben  schon  in  dem  Zeiträume,  dessen  Betrachtung 
ahEUSohliessen  wir  im  Begriff  sind,  sieh  finden,  das«  sich 
selbst  in  den  uns  schon  bekannton  Erscheinungen  die 
Keime  des  Neuen  zeigen»  wird  in  dem  Folgenden  auszu« 
führen  sein.  Hier  ist  nur  noch  geltend  su  machen,  dass 
die  Happel  -  Hunold  *  Bohseeehe  Gruppo  in  der  That  die 
letzte  Erscheinung  dieses  Abschnittes  ist,  die  einen  Typus 
darstellt,  dasz  also  die  Keihe  der  vorzuführenden  literari- 
sehen  Begebenheiten  für  den  Torliegenden  Theü  unserer 
Aufgabe  erschöpft  ist  Denn  wenn  wir  eine  Nachlese 
oder  einen  Rückblick  unternehmen,  um  festzustellen,  was 
etwa  noch  in  Erage  kommen  könnte,  so  wären  dies  au- 
näohst  wohl  die  auch  in  den  letaten  Decennien  des  XYIL 
und  den  ersten  des  XVIII.  Jahrhunderts  keineswegs 
fehlenden  UeberöCtzungcn  aus  fremden  tSprachen,  nament- 
lich  aus  dem  Fransösisohen.  Allein  abgesehen  dayon, 
dasz  diese,  soweit  nicht  schon  an  anderer  Stelle  von  ihnen 
die  llede  war,  Werke  von  sehr  vorübergehender  Be- 
deutung und  geringem  Umfonge  betreffen,  sind  sie  in  der 
ehen  beseichneten  Zeit  als  Fremdlinge  au  heseichnen, 
welche  nur  im  deutschen  Gewiinde  auftreten  und  Iveino 
Einwirkung  auf  die  jetzt  dazu  schon  zu  fest  consoiidirten 


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168  — 


Zustftnde  der  deutschen  Litontur  gewimieii  kOnneo,  eo 
wenig  diese  Zustttnde  an  sieh  Überall  erffenliche  sind. 

Um  wenigstens  Beispiele  anzuführen,  so  g-chören  meines 
Eraohtens  hierher  die  im  Jahro  1068  deutsch  erschieoeno 
Lnpanie,  eine  aohnrataige  satirische  Norelle  ron  Blesse- 
bois,  die  Ersmmgene  Bifersucht  oder  Timandre  nnd 
Glidamire'),  die  drei  unter  dem  Titel  Artige  und  kurtz- 
weiUge  Begebenheiten')  erschienenen  NoTcllen,  woronter 
die  dritte  die  Geschichte  yon  Belphagor  ist»  die  Prinaeesin 
Brisaide  von  Montferrat ,  des  Deschamps  Serail- 
memoiren*), die  Geschichte  dos  Fräuleins  yon  Tournon^), 
die  des  tapferen  nnd  yerUebten  Qustay  ron  Yasa^),  die 
Memoiren  der  Orftfin  d'AnlnojO»  sSmmtlicb  ans  dem 
Französischen. 

Uebersetzungen  dieser  Klasse,  welche  so  zahlreich 
ist,  dasa  ich  leicht  die  drei£BLChe  Ansahl  von  Titeln  an- 

*)  Deutsch  1671.  13  Von  Fieire  de  Xarcsasns  sadstiit  da 
Roman  Timtmdre,  O.  de  Ftred  8.  4C.  • 

^  Dsatseh  1676.  12».  Naeh  dem  Büdtitel  dttffts  das  Original 
Gtofanferie»  dioenef  heinea. 

s)  Deatadk  Nllnbeig  1680.  16»  frMnOsiidL  IM»  im.  O,  d.  P. 
Seite  IIL  * 

*)  Deatsch  (Wahrhaffte  Liebes-  Geschichte  am  Türckischen  Hofe  etc.) 
Nfimber^  1680.  8«.  friaaOiisch.  Porw  167a  m  III.  —  1678. 12«.  IL 

d.  P.  S.  123. 

•)  Deutsch  durch  Gh.  Ising.  DilUngeii  1686.  8«.   Nach  der  De- 

dication  ist  die  Erzählung  zuerst  von  Marcniorite  von  Valois  c^eschrieben 
worden.    G.  d.  F.  80  führt  einen  Roman  Madcmoiaelle  de  Toutnon 
Paris  1679.  12°  und  Paris  Um.  12^  an. 

«)  Deutsch  Leipzig  \cm.  x"»  TT.  G.  d.  P.  sagt  S.  121  von  einem 
Giisffivr  Vnsa  Hisfoirc  de  Siinir  Pnris  in<)7  12".  Pifoyable  Ouvrage, 
icrit  d'um  numiere  degoütante,  was  auf  da»  deutsche  Buch  anffaliend 
gut  paszt. 

')  Deutsch  Cölln  1700.  12°  Nach  G.  d.  P.  S.  88  franz.  In  Hayt 
1692.  1*J0  vergl.  auch  S.  80.  106.  280.  281  und  Duulop  -  Liebrecht 
&  da  38S.  409. 


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_   169  — 

ftthren  könnte,  beweisen  nur,  daes  dureh  den  FleisE  der 

hcroiBcben,  galanten  und  politischen  P'edern  in  Deutsch- 
land der  Bedarf  dos  deutaoben  Puhlikums  noch  nicht 
gedeckt  war,  und  seigen,  welohe  Wichtigkeit  auch  fOr 
den  Bnohhandel  die  erzfthlende  UnierbaltnngBleetüre 
gewonnen  hatte.  Eine  weitere  Bedeutung  ihr  zuechrcibun. 
biesze  sich  über  sie  täuschen  und  sich  von  den  literarischen 
YerhAltoiseen  jener  Zeit  noch  ein  neues  falsches  Biki 
machen  su  den  yerschiedenen  falsoben  AneobRutingen, 
welche  leider  noch  immer  über  sie  besonders  in  Hinsicht 
auf  den  Unterschied  des  historisch  Bedeutenden  und  Un- 
bedeutenden yerbreitet  sind. 

Als  Beispiel  einer  andern  Art  von  Büchern,  deren 
scheinbarer  Anspruch  auf  Beachtung  wenigstens  ein  ab- 
weisendes Wort  verdient,  mag  des  Abraham  a.  St  Glara 
Judas  gelten.  Derartige  Werke,  welohe  an  einselnen 
wenig  umfangreichen  »Stellen  einem  oberflächlichen  Blicke 
wie  Ers&hlungen  aussehen,  fallen  noch  entschiedener  als 
die  kosmographischen  und  historischen  Happeliaden 
ausserhalb  des  uns  interessirenden  Oebietes,  und  es 
kann  weder  der  au  sich  bedeutende  Inhalt  noch 
das  Beispiel  Fischarts,  dou  wir  ausführlich  behaudolt 
haben,  au  ihren  Gunsten  geltend  gemacht  werden,  denn 
der  Gkirgantua  giebt  auch  in  dem,  was  die  Brsählung 
überwuchert,  Material,  welches  an  und  für  sich  selbst  in 
geringeren  Dosen  fOi*  erzahlende  Dichtungen  sehr  wohl 
SU  yerwerthen  ist,  wfthfend  dort  die  Sache  durchaus 
anders  liegt  Wenn  dies  aber  auch  nicht  so  wftre,  so 
"Würde  doch  der  verschiedene  Zustand  der  ßomanliteratur 
um  1590  und  um  1700  Grund  genug  sein,  an  dieser 
Stelle  unserer  Betrachtung  eine  Zusammenstellung  von 
moralischen  und  satirischen  Reden  mit  erzählender  Ein- 


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—   170  — 


leitnng  von  jeder  BeraokaicbtigUDg  anssusehliesseo,  wo- 
gegen ein  Jahrhundert  früher  ein  solohes  Brseugniss  als 

Aulauf  zu  einer  erzählenden  Prosa  nioht  ohne  Bedeutung 
gewesen  w&re. 

Unsere  Sohlossbetraohtung  kann  keine  andere  sein, 
als  dasz  die  deutsche  Romanlitoratur  um  das  Jahr  1700 
das  Bild  oiuer  überaus  leistungsiäliigcn  Kunsti'orm  dar- 
bietet, welche  jedoeh  wegen  Mangels  an  einem  würdigen 
nnd  bedeutenden  Gehalte  vOllig  abgewirthschaftet  hat 
Diese  scheinbar  todtlichc  Erschlaffuug  ist  aber  grade  ein 
Beweis,  dasz  der  Bomau  ein  wesentliches,  organisches 
Glied  der  gesammten  Nationalliteratur  geworden  war» 
denn  dieser  Zustand  bildet  die  Signatur  des  ganzen 
geistigen  Lebens,  wie  es  sich  in  der  Dichtung  und 
schönen  Frosaliteratar  knndgiebL  £s  musste  nun  alles 
anders  werden,  das  Zeitalter  der  Rousseau,  Voltaire, 
Lessing,  Kant  war  vor  der  Thür,  eine  neue  Ord- 
nung der  geistigen  Welt  die  Angabe  der  lobendigen 
Volker. 


Beilagen  n  Capltel  XIIL 
I. 

Aus  Martin  Zelllers  Bearbeitung  des  Fr.  de  Rosset 
Ulm  1655.  Ho.  IL  S.  87« 

Vm  emer  jungm  vom  Adel  abscheiolichen  Thaten,  so  sie  auff  Anatifftmtg 

deftr  TmffeU  begangen, 

Oegenwertige  Histori  (welche  mit  Torigen  Ersten  in  vieles 
Stneken  flbefein  kommet,  ynd  desswegcn  gleich  nach  denelbea  gesetst 
wird,)  beschreibet  der  ^«(ftor,  als  ob  sie  nicht  in  Franekreieh,  sondern 
in  der  Trogloditer  LmdBehallt,  im  Morgenland  gelegen,  Yud  swar  in 
der  Insol  Heroe,  so  wegen  des«  Flusses  Nili  nnd  grosser  Fruchtbarkeit 
sehr  bertthmt,  geschehen  würc.  Ob  ich  aber  wol  <ler  Meynung  bin, 
daes  solche  entweder  in  irrauckreich  oder  aber  in  der  Nacbbarscbifit 


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—   171  — 


sich  zugetragen  habe,  vnd  daäz  der  AuÜMr  gBWlBMT  Visachen  wegeu 
das  Land  vnd  Geschlecht  nicht  wolle  nunhtflfc  nttehen,  wie  er  aach 
bei  etliehea  naohfolgeiideii  Historien  getluui:  So  will  ich  doeh  solche 
also  setzen,  wie  sie  von  gedachtem  Autkon  beschrieben  worden  vnd 
newlioher  Zeit  sich  begeben  haben  solle. 

lu  der  Insul  Meroe  wohnen  lauter  Christen,  vnter  welchen  sonder- 
lich ein  ftihrnehmes  Haoss  Ist,  genannt  AbUa,  so  sich  nie  der  Abyssiner 
Ketzerey  theilhaffdg  gemacht,  sondern  sich  allezeit  zur  Catholiseheu 
Kelit,^ion  bekoniit  hat.  Dieses  Hanses  Principal,  ein  wackerer  vnd 
Gottesfürchtiger  Cavalier  Jsameus  Nicaudre,  hatte  sich  vor  weniger 
Zeit  mit  einer  schönen  und  verständigen  Dame  Namens  GaüUia,  ausz 
dem  ansehnlichen  Hausz  und  Geschlecht  deren  von  MeraUi  erzeugt, 
verhenratet,  mit  welcher  er  sechs  Sdhne  vnd  sehen  Töchter  bekäme. 
Vnter  welchen  die  Elteste,  HeUssa  genannt,  mit  einer  solchen  Schön- 
heit begabt  war,  dass  sie  aller  deren  Liebe  sn  sich  zöge,  die  sie  an- 
sahen. Vnd  da  sie  kaum  «wölff  Jahr  alt  worden ,  wurde  sie  von  den 
fümehmsten  vom  Adel  derselben  Gegend  zur  Ehe  begehrt:  Ihre 
Mutter  brachte  auch  bey  dem  Vatter  so  viel  zu  wegen,  daei  er  sie 
einem  tapfTeru  Cavalier  vermiihlete.  Wie  aber  alle  Ding  dem  (iliick 
vnd  Vnglück  vnterworflfen,  vnd  nichts  beständigs  in  dieser  Welt  ist, 
al.so  kam  auch  diest-n  beyden  newen  p]heleuteu  nach  der  Frewde  bald 
duä  Leyd,  iu  deme  der  junge  Ehewirth  auff  einer  Jagt  wunderlich 
Tmbkompt,  vnd  also  die  schOne  Melissa  albsuMh  eine  Wittib  wild. 
Der  Vatter,  als  er  den  Tod  seines  Aiden  erfahren,  nimpt  seine  Tochter 
wieder  an  sich,  die  hernach  je  Iftnger  je  schOner  wnrde.  Dieweil  aber, 
wie  verstanden,  der  Vatter  viel  Kinder  hatte,  vnd  sein  Adelich  Hansa 
in  seinem  Stand  erhalten  weite,  beschlösse  er,  die  Mclissam  neben  noch 
vier  ihrer  Schwestern  vnd  drey  Brüdern  Geistlich  werden  zu  lassen, 
vnd  zu  dem  Ende  thate  er  diese  junj^o  "Wittib  wider  ihren  Willen  in 
das  Closter  de  Roche  Pcrfc,  so  von  <lt  r  l'rince.ssiu  Dorothea,  geborneu 
au.''z  dem  Königlichen  llau.sz  Sitim  vnd  desz  tapllern  Fürsten  von  Salpba 
Gemahlin  ist  gestifftet  worden.  Die  Melissa,  so  noch  nicht  gar  U  Jar 
alt  war  vnd  allbereit  die  weltliche  Lüste  gekostet  hatte,  wäre  lieber 
in  der  Welt  als  im  Oloster  verblieben,  wie  sie  dann  solches  mit  ihren 
Angen  vnd  Geberden  gnngsam  luverstehen  gab,  weinete  dameben  vnd 
senfizete  offbnals  vnd  beklagte  sich  Aber  ihrer  Eltern  Gewalt.  Vnd  ob 
sie  wol  bisz  ins  8.  Jahr  im  Oloster  war,  wolte  sie  doch  weder  Schreiben 
noch  lesen  lernen,  redete  allwcil  nur  von  der  Liebe  vnd  war  voller 
vuzüebtiirer  Begierden  vnd  Wercken.  Einsmal^i  versperrete  sie  sich  allein 
in  ihre  Kammer,  damit  sie  iliren  Heischli«  hen  Gedaiickeu  vud  heimlichen 
J'(t/hifi(r)iihns  desto  mehr  abwarten  köndte:  Da  dann  der  TeuflVl  ibr 
iu  schünen  weissen  Kleidern  als  ein  Engel  desz  Liechts  erschine ,  sie 
grU^te  vud  freundlich  also  zu  ihr  sagte;  schöue  Melissa,  es  ist  lange 
Zeit,  dass  ich  Erbarmnnsz  habe  mit  ewrm  Vnglflcfc,  vnd  ds  ewer 
Schönheit  mein  Herta  eingenommen  hat    Ich  bin  desswegen  hierher 


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—  m  - 


kommen,  ewer  Bagieiden  znenftttigen,  Tiid  euch  forthin  zu  dienen,  so 
fern  ihr  mich  für  ewern  Diener  erkoiiiif^n  wollet.  Melissa  erschzaek 
erstlirli  über  solcher  P^r.scheinung:  Gleichwol  fragte  sie  den  (ieist,  wer 
er  wäre?  Der  Teuffei,  welcher  sich  nicht  verbergen  kan.  wenn  man 
ihn  vinb  seinen  \amen  fraget,  antwortete:  Ich  bin  der  Köni?  des 
LnfftM.  vnd  der  Erden.  Ihr  dörfft  nicht  alles  gleuben .  so  man  euch 
von  mir  erzehlt.  Ich  bin  besser,  als  ihr  vormeynet.  Begehrt  von  mir. 
was  ihr  haben  wolt,  e»  soll  euch  werden.  Melissa  liesz  sich  vom 
Tenffel  betriegen,  vnd  begehrte  die  ailerberedsamste  Tnd  fentindigste, 
Tud  die  am  besten  singen  kOndte  Tnter  allen  Nonnen  so  eeyn.  Der 
Aooord  ward  beaeUossen,  Tnd  kompt  der  Tenifel  alle  Kacht  xa  ibr, 
Tnd  txmht  mit  ihr  Vnindit»  Die  andern  Nonnen  verwonderten  stdi 
flber  die  massen,  wo  es  beikomme,  dasz  Melissa  in  wenii,'  Tagen  wo! 
Schreiben,  Lesen  vnd  von  allerley  Historien  wol  reden  könne.  Sie 
halten  es  für  ein  Miracnl.  Dieweil  sie  sich  aber  gar  zu  selir  auffbutzte. 
vnd  von  nichts  als  \<m  eitel  weltliclien  vnd  vnzüchticren  Sachen  redete, 
vnd  anstatt  ihrer  Betstunden  leichtfertige  lii'ieher  läse,  deszwecen 
wurde  sie  von  etlichen  frommen  Nonnen  dnrunib  fjestrafft;  der  aber 
Melissa  nur  spottete,  vnd  sich  berühmte,  dasz  sie  vor  wenig  Tagen 
einen  Bnhlen  bekommen,  welcher  alle  Nacht  zu  ihr  kommen,  Tnd  in 
der  Kunst  der  Wolredenheit  Tnterriofate.  Die  Aebtissin  kan  diese  Wort 
niebt  reeht  Terstehen,  desswegen  Iftsst  sie  die  Melissa  nieht  allein 
schlaffen:  Welohes  sie  dann  Terdrenst»  Tnd  nach  Mitteln  gedcnckt, 
wie  sie  sich  rechen  mOge.  Zündet  derowegen,  mit  Hlllff  des  TedEds, 
das  Closter  an,  vnd  nimpt  die  Brunst  also  überhand,  dasz  niemands 
wehren  kan.  Die  Nonnen  lauffen  in  die  Kirchen,  vnd  wellen  sich  da 
erretten,  aber  das  Fewer  kom])t  auch  dahin,  vnd  wurde  also  dieses 
herrliche  (iebäuw  gantz  vnd  gar,  mit  aller  Zngehör,  in  die  A.schen 
gelegt,  also,  dasz  die  Nonnen  mit  ihrer  eigenen  Rettung  gnug  zuthnn 
hatten.  Melissa  aber  wurde  zum  andernmal,  wider  ihren  Willen,  von 
den  Eitern  in  ein  anders  Closter  gethau,  in  welchem,  weil  sie  gleich- 
falls  ihre  alte  Weise  triebe,  sie  Ton  den  Nonnen  auch  gescholten,  Tnd 
aar  Gottesflneht  angewiesen  ward:  Aber  sie  kondte  solche  Vermahnnng 
niebt  leiden,  sondern  liesa  snr  Bache  drey  Nonnen  dnrch  den  Tenffd 
Tmbbringen,  dessen  die  übrigen  sehr  erschraeken,  Tnd  die  Sache  dem 
König  in  Meroe  vorbrachten,  der  den  Eltern  befahl,  ihre  Tochter 
Melissa  wieder  nach  Hansi  m  nemmen.  Dieweil  aber  die  £ltem  das 
nicht  glauben  wolten,  so  man  Ton  ihrer  Tochter  anszgab,  sondern 
begehrten,  tlasz  solche  in  dem  Geistlichen  Stande  ihr  Leben  zubringen 
solte:  Derowei^on  so  erbaweten  sie  auff  ihrem  Grund  vnd  Boden,  mit 
HüUV  des  Königs,  ein  Closter,  in  welches  sie  die  Melissani  zu  sperren 
vermeyuten.  Vnter  dessen  aber,  lassen  sie  gute  Achtung  zu  Uauds 
anff  dieselbe  geben,  vnd  sie  bey  etlichen  bedagten  Adelichen  JoDg^ 
in,weü  schlaffen,  welche  aber  die  Melissa  aosssehalte,  Tnd  aasa  der 
Kammer  jagte,  sagende,  dass  es  ihr  TnmttgUch  seye  an  rohen,  wann 


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—  173 


sie  nicht  allein  sey.  Ynd  dieweil  diese  dess  Naehts  sie  mit  jemand« 
reden  hörten,  aber  nicht  wüsten  mit  weme,  dero wegen  Senaten  iie  es 

den  Elteni  an,  welche  einmals  vnversehens  in  die  Kammer  ^ieng^en, 
vnd  zu  allem  Vn^lück  ein  kleines  Seliweinlein  sirii  auf  dem  Leib  ihrer 
verfluchten  Tochter  herumb  weit/eu  fauiU'n,  welches,  als  der  Vatter  mit 
der  Hand  hinweg  jj^i^en  wolte,  von  einer  auf  die  andern  Seiten  der 
Melissa  sich  .schluptfte,  vnd  darauö  mit  grossem  Schrecken  der  Ymb- 
Btebenden  Tersehwande.  Die  Eltern  empftunden  darüber  ein  grosses 
Hertaenleid,  Tnd  hielten  der  lleUasa  eine  scharpffe  Boaspredigt: 
Welcher  sie  aber  nnr  lachte,  Tsd  sagte,  dass  es  nidits  newes  a^y, 
dasz  ein  Geist  eine  Dame  lieb  habe.  Habe  doch  Shoratu,  so  vom 
Oraculo  Selbsten  fiir  den  Weisesten  sey  gehalten  worden,  einen  Geist, 
oder  Daemon  gehabt,  den  er  Ralits  gefragt,  er  seye  darumb  kein 
Zauberer  oder  desz  TenfFels  gewesen,  sie  wisse  niclit,  wammb  sie  ein  so 
grosses  Geschrey  machen,  wegen  einer  so  i,^emeine!i  Sach,  vnd  was  sie 
sagen  wollen,  wann  sie  wäre  wie  andere  vn/ahlbare  Weiber,  welche 
mit  einem  stinckenden  Bock  zuthun  haben,  der  Teuffei  habe  keinen 
Gewalt  über  ^e,  der  Geist,  so  sie  alle  Nacht  besuche,  sey  ein  guter 
Gebt»  so  ihr  eingebe,  was  sie  thnn  solle.  Sie  rahte  ihnen  derowegen, 
dasB  sie  den  Gtoist  an  Meden  lassen,  sonsten  werden  sie  seinen  Zorn 
vnd  Bach  bald  erfiJuren.  Die  Eltern  aber  vnterliessen  noohmalen 
nichts,  was  an  ihrer  gottlosen  Tochter  Heil  vnd  Wohlfahrt  dienen 
mochte,  troheten  ihr  auch,  sie  elendiglich  sterben  zu  lassen,  wenn  sie 
sich  nicht  bekehre,  vnd  hielten  sie  deszwegen  gar  hart,  welches  dann 
die  Tochter  sehr  verdrosz,  vnd  öffentlich  zu  den  Junijfrawen,  die  vmb  * 
sie  waren,  sagte,  dasz  man  in  kurtzem  sehrückliche  Wunder  sehen 
werde.  Es  begab  sich  aber,  dasz  der  Herr  von  Abila,  ihr  Vatter, 
einsmals  in  seinen  Ampts-  und  Guberuemeuts-Geächäliten  der  Stadt 
Macua  verreisen  mäste,  vnter  dessen  dann  die  Mutter  stftts  die  Melissa 
vermahnt,  ihre  Sünde  xa  bekennen,  vnd  GOtt  vmb  Gnade  m  bitten, 
vnd  ein  anders  Leben  vorsonemmen.  Melissa  aber  hOrte  alle  solche 
Yermahnnngen  mit  Yerdmsz  an,  sonderlich  aber  thäte  es  ihr  sehr 
bang,  dasz  man  so  gute  Acht  auff  sie  gäbe,  dasz  sie  bey  Nachts  nicht 
nach  ihrem  Gefallen  ihres  fJebhabers  gemessen  kondte,  derowegen,  als 
sie  solches  läuirpr  nicht  leiden  kondte,  nimpt  sie  ihr  ein  solche  That 
für,  welcher  Stralle  auch  der  weise  Gesetzgeber  Solou  nicht  ordnen  • 
wolte,  weil  er  nicht  vernieynte,  dasz  eine  solciie  vnter  den  Leuten  solte 
gefunden  werden,  also,  dasz  sie,  auff  Anstilituug  des  Tcuffels,  bey  der 
Nacht  umb  II  Vhr  aufistehet,  ein  grosses  vnd  breites  Messer  nimpt, 
damit  heimlich  an  der  Kntter  Bett  gehet,  vnd  ihr  als  sie  haft  schlieire, 
in  die  Gnrgel  sticht,  dergestalt,  dass  die  firomme  Fntw  kanm  einen 
Schrsy  thnn  kondte,  eine  Jungfiraw  so  nahend  dabey  sdüieff,  hfirete 
disz,  sprang  derowegen  ausz  dem  Bett,  fand  ihre  Fraw  im  Blut  liegen, 
vnd  schrie  vmb  Hülff.  Jederman  im  SchlosB  laufft  zu  ynd  Avird  diese 
verfluchte  Muttermttrderin  gefänglich,  biss  snr  Ankonfft  dess  Vatters, 


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—   174  — 


der  in  droyen  Tagen  hernach  wieder  nach  Haus  käme,  Tenrahret. 

Der  gute  Herr  beweinte  den  Tod  seiner  hertsliebsten  Gemahlin  gar 
schmertzlich,  vnd  bat  GOtt  vmb  Gnade,  dafls  er  seinen  Zorn  ttber  ihn 
viid  sein  Hansz  wolle  fallen  lassen,  vnä  Ihme  grnädig  vnd  barmhertzig' 
se3'n:  Vinl  liesz  darauff  seine  vernialodevte  Tochter  zwischen  vier 
Mauren  einschliessen.  vnd  hey  Hoff  sich  Ralits  erhitlcn.  wessen  er  sich 
geilen  ihr  zuverlialtcn.  Der  Kf^nip^liche  Kalit  liet.ind.  dasz  das  Eysen 
vnd  Fewer,  auch  alle  andern  Straffen,  viel  zu  gering  wären,  ein 
solches  grosses  Yerhreehen  m  straffen,  stellte  ea  derowegen  den 
Yatter  heim,  dan  er  mit  der  Ifelissa  nach  seinem  Ctefallen  yeifthren 
mochte.  Wdcher  dann  Tnterschiedliohe  Qeistliehe  bemffte,  die  sich  be- 
rnftheten,  ob  sie  die  Kelissa  bekehren  köndten :  Aber  sie  flnehte  ihnen  anlb 
iigste,  Tnd  sagte,  dasz  sie  vom  bösen  Geist  nicht  besessen  sey,  senden 
nur  von  demselben  besucht  werde.  Sie  wolte  anch  nichts  essen  vnd 
trincken,  es  wäre  denn  vorhero  von  denen,  so  ihrs  brachten,  cfekostet. 
Sie  trohete  auch,  dasz  sie  nicht  eher  sterben  wolte,  sie  habe  dann  die 
Triu/otdi  vollendet,  vnd  ihren  Herrn  Vatter  sammt  ihrem  ältesten 
Bruder,  auch  vmbgebracht.  Endlich  gab  doch  GOtt  Gnade,  dasz  Nuter 
so  vielen  fartreff  liehen  M&unem,  welche  der  Vatter  mit  grossen 
Vnkosten  beschrieben  hatte,  ein  Ardnmaitdnia,  oder  Ffiurer  ann 
Thebaide,  einer  Landschallt  in  Egypten,  dnroh  seine  enistUehe  Ver- 
mahnnngen,  so  viel  an  wegen  biaehte,  dass  HelisM  anfleng  an  weinen, 
sich  zur  Busz  und  Bekehrung-  zu  schicken,  vnd  zu  sagen:  Ach  ver- 
flucht, die  ich  bin'  warumb  thut  sich  nicht  die  Erden  aul^  mich  zu- 
verschlingen*'  Ich  bin  nicht  wehrt,  dass  midi  die  Sonne  anscheint, 
dieweil  ich  den  Bund  gebrochen  liabe.  den  ich  mit  (t(  »ft  in  der  heiligen 
Tauff  gemacht,  vnd  mich  also  leiclitfertit,^  dein  Teuffel  ergeben  habe. 
O  (K)tt,  du  hast  alle  meine  vnzahlbare  Vbelthateu,  so  ich  vielfaltig 
wider  dich,  wider  meinen  Nebenmeuschen,  vnd  sonderlich  wider  meine 
MbUcbe  Mutter  begangen,  gesehen,  vnd  solche  nicht  gestrafft?  O  HERR 
GOtt  vergib  mir  solche  meine  Sünde,  vnd  laas  meine  Seele  nieht  die 
Straff  ansBstehen,  so  mein  Terllvchter  Leib  verdienet  hat!  0  da  Sohn 
Gottes,  versage  mir  nicht  ein  einiges  TrQpff  lein  deines  thewren  Blnts, 
am  Stammen  des  Crentses  vergossen,  welches  gnngsam  ist,  noch  die 
grösseste  vnd  allergrewlichste  Sünden  zu  waschen.  Hinweg  von  mir 
Satan'  Ich  kündto  dir  anff  den  Bund,  welchen  ich  mit  dir  gemacht, 
vnd  ruff  nun  an  die  Barmhertzigkeit  dessen,  welcher  sie  keinem 
bussendeu  vnd  leidtragenden  Sünder  jemals  versaget  hat.  Vnd  ob  wol 
der  Teuffei  sie  von  ihrer  Buaz  stets  abwendig  macheu  wolte,  vnd  ihr 
den  schmählichen  Tod,  so  man  ihr  anthon  werde,  vorhielte,  vnd  sie 
bereden  wolte,  dass  er  sie  in  ein  anders  Land  an  fiihren  gedächte,  in 
welchem  de  nach  ihrem  Wnnsoh  vnd  Gefallen  leben  mOchte:  So  Uieb 
sie  doch  bestindig,  beichtete,  vnd  bekennete  ftr  jederminniglich  ihre 
Hünde,  vnd  bat  Gott  vmb  Venseihung.  Als  nun  also  der  Vatter  seine 
vnglttckselige  Tochter,  seinem  Wonach  vnd  Begehm  nach,  aar 


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—   176  — 


Erkandtnuis  der  Sfinden  gebradit  hatte,  lien  er  sie  wieder  zwischen 
vier  Mauren  einsperren,  allda  man  sie  nach  wenig  Tagen  hernach,  die 
Hiiiule  Creutzweisz  haltend,  todter  ßfefunden  hat,  nicht  wissend,  ob  sie 
von  grossem  Hertzeleid,  oder  ausz  Mangel  der  Nahrung,  oder  wegen 
beygebraciitem  (tifft.  oder  Hauchs,  oder  aber  von  einem  Strick  gestorben 
sey.  Welches  dann  das  Ende  dieser  erschröcklichen  Trngoedi  gewesen, 
daraosz  die  £ltern  zn  lernen,  dasz  sie  ihre  Kinder  nicht  zu  einem 
ihnen  oiftnials  vnmüglichen  widiigen  Dinge  swingen  sollen:  Sondei^ 
liehen  aber  sollen  sie  dieselbe  nit  so  jnng  in  die  OlOster  Terspttnen, 
dieweü  nieht  ein  jede  die  Gabe  der  Keuschheit  hat 


Aii§  Ch.  Weises  Politl^eheiii  Hftseher.  Leipzig.  1686.  12*. 


Daa  L  Oipifef. 

CBeacentio,  ein  junger  Mensch  von  16  Jahren,  hatte  nunmehr 
seine  Eltern  Torlohren,  und  mnste  sieh  bey  seinem  Vomrande  kttmmer- 
lich  aufhalten,  als  ihm  angesaget  ward,  er  mochte  sich  nach  einem 
Herrn  nmbsehen,  bey  dem  er  nmb  das  Brod  aufwarten  kOnte,  weil  seine 
geringe  KitteklMD  nieht  fsmer  zulangen  wolten,  wo  man  nicht  das 
ftbrige  Biszgen  von  Wiesen  und  Aeckem  nmb  liederlich  Geld  Ver- 
stössen solte.  Nun  war  bey  dem  lieben  Menschen  noch  die  volle 
.Tni^end,  daaz  er  uicht  wüste,  ob  es  besser  oder  schlimmer  mit  ihm  ab- 
lauften würde,  wenn  er  anders  wo  dienen  müste.  Derohalben,  weil 
sein  Vetter  auf  eine  berühmte  Messe  reisen  wolte,  so  nahm  er  von 
etlichen  Freunden  Kecommendation  -  Schreiben,  und  machte  sich  fertig 
seinen  eisten  Ausflog  auff  der  Land-Eutsehe  lu  thun,  unwissend,  wer 
ihm  hemaeh  das  Geld  Tor  des  Schusters  Galosche  Torstreeken  würde. 
Doch  ehe  der  Auff  bmoh  geschähe,  mochte  der  Vormund  noch  etwas  au 
berechnen  haben,  darumb  stellete  er  auf  des  armen  Kindes  Unkosten 
ein  artig  Valet-schmäuszgen  an,  und  bath  nebst  dem  obgedachten 
Vetter  unterschiedene  Gäste  darzu,  welche  den  Reise -Segen  aus  dem 
Bier-Glase  heraus  laugen  solten  Und  welches  das  schlimmste  war,  so 
muste  Crescentio,  als  ein  junger  Lecker,  vor  dem  Tisch  stehen,  und 
umb  sein  eigen  Geldanfwarten.  Doch  er  lebte  ohne  Sorgen,  und  wüste 
nicht,  daäz  ihm  etliche  Thaler  iu  der  Tasche  wären  gesünder  gewesen, 
als  den  Qftsten  das  Bier  im  Wanste.  Unterdessen  gieng  der  Schmauas 
allerdings  ohne  Nutsen  nicht  ab,  in  dem  die  Geaellsehafft  auff  einen 
Disoonrs  geriethe,  daraus  Oresoentio  in  seiner  wunderlichen  Reise  viel- 
mahls  Trost,  Lehre  und  Erinnerung  luschöpffen  hatte.  Denn  es  war 
unter  dem  Nach-Gerichte  ein  Gemüse,  als  das  Neue  vom  Jahre,  auf- 
gesetzet,  und  da  wolte  einer  die  Probe  von  der  liarität  etwas  zeitlich 
nehmen,  fahr  also  mit  dem  LOffel  in  die  Schüssel,  und  von  dar  gleiches 


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—   176  — 


we|2^8  zu  Halse.  Allein  daft  Werck  wsr  ent  von  dem  Feuer  kommen, 
und  brachte  dem  curieusen  Nascher  so  einen  Klump  Hitze  in  den 
Rachen,  dasz  er  vor  Angst  nicht  wüste,  ob  er  den  Rissen  noch  weiter 
in  ileii  Schlund  hinunter  befördern,  oder  ob  er  die  Hertzens -Xoth  dem 
Nachbar  in  das  CJesichte  husten  solte.  Dieses  gab  Crelegenheit  von 
den  anzeitigen  Näschern  zu  reden,  welche  offt  an  statt  eines  delicat«u 
St^ckgens  etwas  anders  in  die  Kehle  bekommen,  and  hernach  nuttea 
hl  der  Qvaal  yot  den  Spott  nieht  sorgen  dttrffen. 

Einer  sagte:  'leb  habe  ein  Bneh  gelesen,  das  iieist  der  Grobiaiiis, 
da  wird  eines  jnngen  Kensohen  gedacht,  der  die  ICarcks  Beine  so 
gerne  ausgesogen,  und  endlich  an  statt  des  Marckes  ein  leibhafftig 
Unschiit  Lischt  so  hnrtig  in  den  Leib  geschlncket  hatte,  dass  ihm  der 
Docht  war  an  dem  Gaumen  kleben  blieben. 

Der  andere  sagte:  Und  ich  besinne  mich  aus  dem  Eulenspiegel, 
dasz  ihm  ein  Pfaff  liätte  eine  Bratwurst  vom  Hoste  weggefressen; 
drumb  hatte  er  hernach  eine  Wurst  von  r>uder  bestellet,  damit  war 
der  Pfaff  und  seine  Köchin  abscheulich  betrogen  worden. 

Der  dritte  liesz  sich  also  vemebmen :  ihr  Herren,  ihr  habet  tref- 
lich  rare  Antores  gelesen,  daiavs  ilir  eure  Historien  eioerpiiet  Bs 
ist  Schade,  dasz  ihr  enre  Locos  Oommones  nicht  heraus  gebet,  es  wire 
doch  so  ein  Werck,  dadnreh  man  seinen  Nahmen  in  dem  FraaekAirter 
Oatalogo  kOnte  bekandt  machen.  Zwar  ieh  weiaz  nidit,  ob  idi  mit 
meinen  geringen  Sachen  darbey  erscheinen  darff.  Es  ist  im  Torign 
Seculo  ein  Historicus  gewesen,  der  heist  Hubertus  Thomas  von  Lüttig, 
und  hat  des  I*faltz-(Sraffen  Friderici  II.  Leben  beschrieben,  bey  dem 
steht  eine  artige  Heirebenhpit :  Denn  der  gedachte  I^faltz-Graff  solte  in 
Caroli  V.  Verrichtungen  nach  Madrit  reisen,  und  traff  in  dem  Hunger- 
leiderischen  Spanien  lauter  solche  Wirths-iiäuser  an,  da  Schmahl  Hansz 
Küchen-Meister  war.  Einmahl  fragt  er  den  Wirth  aus  Schertz ,  ob  er 
nicht  was  gats  von  Wildpret  hätte?  Der  Spanier  machte  eine  prächtige 
Miene  und  sagte  mit  ToUer  Giandene:  Weiui  es  benhlt  wflrd«,  solte 
kein  ÜMigel  seiyn.  Es  wihrete  anoh  nicht  lange,  so  kam  eine  gebnteM 
Kenle  anf  den  Tisch,  darüber  sich  die  reisende  Gesellsehaift  dergestalt 
eibaimete,  dass  es  wenig  feblete,  die  Diener  bitten  die  Knochen  mit 
gefressen.  Der  Fürst  fragte  den  Wirth,  ob  man  nicht  vor  Geld  und 
gut«'  Worte  noch  so  ein  Stücke  zur  kalten  Küche  auf  diese  Reise  haben 
könte?  Und  da  war  es  wieder  gut,  die  Keule  war  fertig,  und  früh 
morgens  auff  gute  Hoffnung  einer  delicaten  MittAgs-Mahlzeit  eingepacket 
Aber  zu  allem  Unglück  mochte  der  Wirth  einem  Diener  den  Zaum  vom 
Pferde  gestohlen  haben,  derohalben  wolte  sich  dieser  etwas  umbsehen, 
ob  er  etwan  den  Diebstahl  wieder  antreffen  könte:  Gucket  also  anter 
andern  bk  ein  Sibnmerchen,  nnd  wird  daselbst  nicht  sdnes  Zaumes, 
sondern  einer  firis6hen  nnd  nem-abgeBogenen  Bsels-Hant  gewahr.  Also 
mariite  er  sich  bald  die  Rechnung,  dem  Wirthe  mOchte  ein  soleher 
Caball  ambgeüallen  seyn,  welchen  er  mm  an  statt  des  WildpreCs 


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Terapeiset  hätte.  Als  er  auch  den  Wirth  zur  Rede  setzte,  gab  er  ein 
jjuhen  dimn,  und  sagte:  Hur  Narren,  das  könnt  ihr  leicht  wisseut  dass 
hiemmb  kein  Wildpret  ist;  Wanimb  habt  ihr  meinen  Esel  gefkessen? 
Ihr  habt  ihn  einmahl  im  Leibe,  und  ich  habe  das  Geld  danror  im 

Seutel,  damit  sind  wir  geschieden.  Der  Streit  kahm  vor  den  Fürsten, 
und  da  lit^tT  dii>  Näscherej  auf  eine  solche  Verdricszligkeit  hinaus,  dasz 
die  meisten  ihre  ^iahlzcit  in  originali  wieder  hin  zehleten,  und  der 
Wirth  von  seinem  Wihlpret  weni^  vermissen  durtfte. 

Der  vierdte  war  ein  alter  üascouier,  der  liesz  die  Ileyhe  auch 
an  sich  kommen,  ihr  Herreu,  sagt  er,  ich  halte  nicht  viel  auf  Historien- 
Bücher,  aber  etwaä  habe  ich  auff 'meiner  Reise  erfahren,  welches  ich 
itao  wohl  werde  ersehlen  dOrffen:  Als  ich  in  meiner  Jagend  durch 
Schlesien  reiset«,  ward  ich  an  dem  FttrstL  Hofe  sa  Lignita  bekant 
Da  kahm  ein  Bauer  anm  Kellermeister»  und  bat,  er  mSchte  ihn  doch 
den  Wein  kosten  lassen,  welchen  der  Fürst  znr  Tafel  gebrauchte,  er 
wolte  gerne  danckbar  sejn  und  ein  paar  fette  Uänse  in  seine  Ktkche 
verehren.  Der  Kellermeister  stellete  sich,  al«  wäre  dieses  wider  sein 
Eyd  inid  Pflicht,  und  würde  er  in  die  höchste  Uni|:elci:,'-enlieit  kommen, 
wenn  (Urifli  ii  Iimh  solte  von  ihm  erfahren  werden.  Allein  der  liauer 
war  lüstern  wurden,  und  hielte  instiindi":  au,  man  möchte  ihm  nur 
willfahren.  Damit  liesz  sich  jeuer  behandeln,  führte  ihu  in  den  Keller, 
und  bat  nochmahls,  er  mOchte  sieb  nieht  lauge  säumen,  und  hernach 
die  Sache  keinem  Menschen  offenbahren.  Hieranff  scheuchte  er  einen 
NOssel  •  Becher  aus  dem  BaumBl- Fasse  ein,  warff  etliche  lebendige 
Schmerlen  darunter,  und  sagte:  Er  solte  nun  geschwinde  geschwinde 
damit  zu  Leibe  wischen,  nach  dem  esanch  gar  sachte  hinunter  geschlichen 
war,  fragte  der  Kellermeister,  ob  er  noch  eins  wolte"^  Doch  der  gute 
Nilscher  entscliulilij^te  sich:  Nee  dur  Wein  r»s  fer  mich  zu  fiitt.  Ja 
Ireylich  war  er  vor  ihn  zu  fett,  und  wüste  der  arme  Srümper  nicht, 
was  er  gesoften  hatte,  weil  seine  alte  Mutter  den  Salat  nicht  mit  Gel 
und  Eszig,  sondern  mit  blosser  Buttermilch  zu  machen  pfleget.  Allein 
der  iigste  Possen  kahm  hernach,  als  die  Schmerlen  in  dem  Leibe  unge- 
dultig  wurden,  und  von  einem  Ort  sum  andern  hemm  sappelten.  Denn 
hiervon  war  dem  Bauer  so  angst,  das  er  als  ein  rasender  Mensch  an 
den  Wänden  und  Fässern  herum  kratzete.  Und  vielleicht  wäre  was 
bOses  darzugeschlagen,  wenn  der  Kellermeister  nicht  bey  zeiten  mit 
einem  starken  Tmnck  Spanischen  Weine  die  muthwilügen  Fische  ge- 
dämpffet  hütte. 

Dieser  Handel  ward  wohl  belacht,  und  als  Crescentio  sein  Votum 
ziemlich  laut  darzu  geben  wolte,  wunte  sich  der  Vormund  um,  und  sagte: 
Junge,  stecke  deine  Pfeitfe  ein,  sonst  wird  dein  «ttkflnfftiger  Herr  den 
Tact  dann  geben.  Du  wirst  noch  viel  Näscher  in  der  Welt  kennen 
lernen,  ehe  du  aus  demem  eigenen  Töpffgen  wirst  naschen  kQnnen.  Ja 
du  wirst  unter  so  viel  Politische  Näscher  gerathen,  die  wohl  possirlicher 
angreiffen,  und  die  auch  manierlicher  betrogen  werden,  als  die  Iieute» 
n&  12 


0 


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darvoll  wir  geredet  haben.  Drum  uimm  die  Lehre  mit  auff  den  Weg. 
Und  wenn  da  von  aielitt  wüt  Froteion  machen,  so  gib  Achtoag,  wie 
ein  Käscher  in  der  Welt  Uber  den  andern  kommet,  und  wie  endlieh  sUe 
beyde  das  Maul  Terbrennen,  oder  doch  eine  Qvaal  in  der  Kehle  in  Lohne 
haben.  Der  einftltige  Troplf  woate  die  Beden  nicht  aoasnlegen.  Doch 
meynete  er,  wenn  ihm  ein  Näscher  begegnen  würde,  so  weite  er  es  an 
seinem  aaslachen  nicht  ermangeln  lassen.  Zwar  der  Vetter  gedachte 
bpy  sich:  Du  ehrlicher  Vormund,  du  hast  dem  rumiindig-en  «ein 
Gutli  ;iii(  h  zieiiilit  h  beniischt,  du  darft'st  ihm  nicht  witn-fhen .  di-z  «r 
alle  Näseher  kennen  lerne,  er  möchte  sün>t  h(y  seiner  Wifderktuilli 
mit  dem  Prietjel  aiUliren,  mit  der  Fau^t  in  *h'n  llaart  n  subtniiiiren, 
imd  mit  Maulschellen  multipiicireu,  da>z  endlich  gar  ein  be.^chisscü 
Pacit  herauskähme.  Indessen  sagte  er  an  Crescentio,  gebt  ench  zn 
Flieden,  wenn  aof  der  Beise  etwas  flürkOmmt,  so  wil  ich  ench  schon  e^ 
innem,  dass  ihr  einen  NSscher  Tor  den  andern  unterscheiden  aolt  Also 
gieng  der  Schmaus  zum  Ende,  sie  nahmen  endlich  Abschied,  und  solte 
nunmehr  b^  antretenem  Tage  die  Reise  von  statten  gehen. 


Da»  TL  Cnpitcl 

NTTn  wil  ich  nicht  lanj^e  saj^en,  was  Crescentio  hin  un'l  wirdtr 
vor  Abschied  genommen.  Denn  ein  arm  Kind,  das  keine  Kitern  hat. 
siebet  gemeiniglich  bey  seiner  Abreise  wenig  Thränen  vergiessen;  und 
hat  derhalben  auch  wenig  Anlast,  dass  er  sich  an  seinen  Augen  grossen 
Schaden  thun  sol.  Drum  sag  ich  kilrtslich:  die  Kutsche  kam  Ton 
Vetters  Thttr,  die  Beise-Oompagnie  nahm  ihren  Plati,  und  Orescentio 
kriegte  die  überstelle,  dass  er  anf  der  lincken  Seite  rflcklin^rs  fahren 
muste.  Als  sie  ins  gesampt  ihre  Morgen -Devotion  verrichtet,  sass 
einer  neben  dem  Vetter  obenan,  der  hatte  den  ^^antzeu  Sack  voll  Rosinei 
und  Mandelkern.  Ol)  er  nun  wohl  kein  Stu  lonte  war.  so  mochte  ihm 
doch  tlieser  Studenten- Haber  so  wohl  bekiHniiien,  dasz  er  allezeit  etwas 
darvon  kostete,  und  dem  armen  Maule  weni^,'  Feierfat^e  gab.  Weil  nun 
Crescentio  diese  Instruction  hatte,  er  sulte  die  Niwcher  observireu. 
winckte  er  seinem  Vetter  gegen  Uber,  und  weite  ihn  seine  erste 
Ezperients  su  yerstehen  geben.  Allein  der  Vetter  meynete,  das  Fahren 
Uüne  ihm  ungewohnt  Tor,  und  winckte  ihm  mit  einer  ernsten  Mine,  er 
solte  stille  sitzen.  Es  währete  aber  nicht  lange,  dass  die  Oompagnie 
an  einem  Berge  absteigen  muste,  so  fragte  der  Vetter,  was  ihm  ge- 
mangelt hätte Da  sagte  er:  Habt  ihr  denn  nicht  den  Politischen 
Näscher  gesehen,  der  so  geitzitr  in  die  Rosinen  und  Mandelkern  hinein 
stürmete?  Dir  Vetur  versetzte:  ()  ihr  Fantast,  dasz  ist  noch  ein 
schlechter  Nä.seher.  die  l'ulitiscben  Näscher  sehen  anders  aus.  Cres- 
centio wandte  ein,  wer  solche  gute  Sachen  verschluckte,  der  müsre  ja 
ein  Politischer  Näscher  seyn.    Denn  wenn  er  ein  Bauer-Näscher  wäre, 


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—   179  — 


80  wflrde  er  Bneh-Eekern  oder  gel»ackeiie  Hatseln  la  sieh  gestecket 
haben.  Und  da  sähe  der  Vetter  wol,  daas  er  ihm  das  Veretlndniu 
dftien  solte.  Dmm  sagte  er:   Die  Näscherey  mit  dem  Maule  ist  ein 

geringe  Tlinn.  Ein  Politischer  Nasrher  ist,  der  sieh  um  ein  Glück,  nm 
eine  Lust  oder  sonst  um  einen  Vortheil  bekümmert,  der  ihm  nicht  zu- 
kömmt, und  darüber  er  sich  oftt  in  seiner  Hoffnnun;  betrosfon  fin«let. 
Wollet  ihr  nun  in  deri^leichen  l'nirlück  nicht  «j^erathen.  so  werdet  mit 
fremden  Sclnulen  kluij,  und  ^ebt  Ai  litunir  wie  andere  betroffen  werden. 
Crescentio  bekaudte  seine  rnscliuld,  und  i,'ali  x)  viel  zu  verstehen,  er 
würde  diese  Lehre  schwerlich  in  den  Kopff  bringen,  wenn  er  nicht 
znw  ans  etlichen  Bxempeln  die  Manier  gelemet  hfttte.  Der  Vetter, 
welchen  wir  Philander  heiasen  wollen,  Tersprach,  er  wolte  sieh  nach 
etwas  umsehen.  Indem  kahm  ein  Terdeekter  Wagen  den  Belg  herunter 
gefahren,  darauf,  allem  Ansehen  nach  ein  Patiente  liegen  mochte.  Und 
weil  ein  junger  Kerl  neben  her  lieff,  so  fhigte  Philander,  wer  da 
gefttnret  würde?  Der  junire  Mensch  sagte,  es  wäre  sein  Vater,  ein 
Priester  nicht  weit  von  dar,  der  hätte  vor  einem  halben  Jahr  ein  prosz 
Unuliif  k  i^eliabt.  und  wolte  sich  besserer  Wartiuii?  halben  zu  einem 
Harliit-ri  r  in  iln  Sta  it  in  die  Cur  verdiniren.  Denn  dazumahl  wären 
Cathulische  Soldaten  in  ihrem  Durfte  i^ewesen,  die  hätten  einen  Pater 
bey  sich  gehabt,  mit  diesem  hätte  sein  Vater  von  der  Keligion  wollen 
dispntiren.  Als  aber  der  Pater  die  Lehre  vom  Fegfeuer  nicht  behaupten 
können  f  wären  die  Soldaten  mit  eisernen  und  holtiemen  SyUoffimis 
danwischen  kommen,  dasz  der  arme  Mann  nunmehro  ein  halb  Jahr  sein 
Fegefeuer  ausgestanden  hätte,  und  nicht  wäste.  wie  er  sich  wieder 
belffen  solte.  Philander  liess  sich  des  guten  Mannes  Unglück  leid  scyn, 
und  wünschet  ihm  guten  Fortgang  zur  Cur.  Aber  als  der  Wagen  vor- 
bey  war,  sairte  Philander:  Vetter,  da  sehet  ihr  einen  Politischen 
Näscher  in  einem  schwartzen  Kleide.  Was  hat  den  Mann  ant^eforhten, 
dasz  er  sich  an  einem  solchen  Orte  in  einen  weitläufftiß^en  Disputat  * 
einlast?  Er  hat  die  Ehre  wollen  haben,  dasz  ein  Pater  von  ihm  ist 
ad  absurdum  gebracht  worden,  das  ist,  er  hat  aus  dem  Politi.schen 
Disputations  -  Töpfif^gen  was  naschen  wollen.  Doch  wiewol  hätte  er 
gethan,  wenn  er  wäre  davon  blieben.  Solche  Discurse  sind  wie  Speck 
auf  der  Falle,  dadurch  die  Soldaten  nur  Ungelegenheit  suchen,  einen 
ehrlichen  Mann  su  schimpffen.  Verspielt  er,  so  ist  die  Schande  ohne 
disa  da:  Gewinnt  er«  so  kömmt  Mars,  dadurch  wird  Ars  secundirt. 
InUr  pocula  et  amia  non  est  disputan^m.  Crescentio  dachte,  wenn 
er  noch  etliche  Näscher  mit  seiner  Junten  Auslejrnng  vor  sich  sehen 
solte,  so  mcichte  sich  der  VerstAud  allmählich  finden,  l'nd  weil  sie 
nun  über  den  Bery:  waren,  satzten  .«ie  sieh  wieder  auf  die  Kutschen. 
Indem  kamen  sie  in  ein  Städty:en,  da  sie  Mittags-Mahlzeit  halten 
wolten,  und  da  wolte  Crescentio  scharftsichtit?  seyn  ob  er  einen  neuen 
Näseber  auslachen  könte.  Allein  es  wolte  nicht  viel  zu  lachen  geben. 
Denn  die  Wirthin  hatte  ein  Jammerbänckgen  hinter  dem  Ofen  gebaoet, 

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and  liesz  so  laute  Senfftzer  mit  unter  die  Tbrtaen  hervor  springeiit  des 

man  leicht  schlieasen  konte,  wie  rii  sIp  von  den  Gästen  etWM  TW 
ifitloiiien  erbetteln  wolte.  Crescentio  t'rag^te  <len  Kutscher,  was  raui»  «Ii? 
Frau  wol  g-essen  haben,  davon  sie  solch  Reissen  im  Leibe  hat?  l'u<i 
hierltey  raeynte  er,  es  wäre  ein  treftlicher  Possen  von  ihm  auf  ilie  Bahn 
gebracht  worden.  Der  Knt?<rlier  war  unwillig,  da<i7,  der  junge  Kerl 
seine  bekaute  Wirthin  schimpllen  wolte,  und  gab  ihm  zur  Antwort: 
Sie  hat  einem  Qvarck  die  Spitze  abgebissen,  und  hat  kein  Saltz  dam 
gebrauchet:  wenn  ihr  was  einnehmet  so  titeehet  Satte  und  Pfeiv 
darso,  nnd  hiermit  gieng  er  snr  Thflr  hinaus.  Philander  nahm  seines 
Vetter  anf  die  Seite,  und  sagte:  Ihr  tnmmer  Kerl,  weit  ihr  aneh  eil 
Politischer  Kftscher  werden?  Da  meynet  ihr,  es  wire  eine  treffliche 
Sache,  dasz  man  in  der  Compagnie  einen  Possen  reisse.  Aber  wie 
schmackt  es,  da  ihr  an  dem  groben  Kutscher  das  Manl  verbrant.  0 
last  andere  Leute  nnveiirt,  heutiges  Tages  ist  in  dem  Stücke  das 
Weclisel-Geld  auf  500.  pro  Centn  gestiegen.  Er  hatte  kaum  ausgeredet, 
so  wolte  einer  aus  der  Gesellschaft^  wissen,  was  der  Wirthin  f^hlete, 
welche  auch  gar  willig  war  ilire  Betrübnis  zu  erzehlen,  nnd  gleichsam 
von  dem  Hertzen  abzuwelu:eu.  Derhalben  kam  sie  sachte  hervor  ge- 
sdüiohen,  und  maehte  anlSuigfl  so  jftmmerlldie  Kinea,  wie  die  thOriditen 
Jungfern  im  Dom  su  Hagdehuig,  dasa  man  leicht  sehliessen  kmite, 
es  mllste  ihr  entweder  ein  guter  Freund  gestorben,  oder  ein  arger  Feind 
lebendig  worden  seyn  Endlich  fuhr  sie  mit  der  Schlirtae  Aber  des 
Gesidit,  und  sagte:  Ach  ihr  lieben  Leute,  ich  wolte,  es  wäre  mir 
iemand  gestorben,  oder  dasz  mir  zebnerley  Kranckheiten  wSren  io  die 
Kaldannen  f^efahren.  es  solte  mich  nicht  so  schmertzen.  als  das  ietzlije 
Unglück,  darüber  ich  noch  Erde  kauen  werde  Ach  ircdencket  nur, 
was  ich  vor  ein  armes  Weib  bin.  es  ist  nun  ein  Jaiir,  liasz  nirin<» 
eintzige  Tochter  mit  einem  wohliiiihendc  u  Fleischer  in  diesem  Städ:,'en 
Hochzeit  gemacht  hat,  und  da  hatte  ich  mir  lauter  Freude  und  Herr- 
ligkeit  eingebildet,  wenn  ich  nun  solte  Groszmutter  heissen.  Aber 
mich  deucht,  die  Qroszmntter  ist  mir  belohnet  worden.  Denn  tot 
sechs  Wochen  liessen  sie  tauifen,  und  wie  raein  Eydam  noch  den  halben 
Bausch  im  KopiFe  hatte,  gieng  er  aufs  Feld,  und  wolte  sehen,  was  der 
Bim-Baum  macht,  in  dem  läufTt  ihm  ein  Wolff  aus  den  nechsten  Oe> 
Sträuche  übern  Weg,  und  weil  er  eine  Büchse  bey  sich  hat,  so  reicht 
er  dem  Unthier  eins  mit  der  Kugel,  dasz  er  alle  viere  in  die  höhe 
kehret.  Nun  hat  er  den  Fanck  i^ethan.  und  meynete  in  seiner  Narr- 
heit, er  müste  sich  einen  guten  Freund  mit  machen,  drum  gieng  er  zu 
unserra  altern  (ievatter,  den  Herrn  Bürgermeister  und  sagte,  er  hätte 
ihm  lange  nichts  verehret,  er  wolte  ihm  hier  einen  Wölfl"  schencken. 
Der  Bürgermeister  bedanckt  sich,  und  last  alle  Gerber  und  Kürschner 
snsammen  fordern,  die  sollen  ihm  einen  guten  Rath  geben,  ob  sich  das 
Fell  besser  nun  Boitze  als  aur  Mtttze  schicken  mochte.  Doch,  o  ich  armes 
Weib!  wie  sie  recht  nach  der  Bestie  sehen,  so  ist  es  kein  WoUF,  sondern 


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181  — 


ein  leibhafftiger  Schäffer-TTund,  der  irgend  einen  WolfF  möchte  zum 
Vater  oder  zum  Schwager  haben,  damit  wird  das  Handwerck  auflfstützig, 
wil  int  incu  Eydara  vor  unredlich  halten,  und  macht  uns  solch  Unglück, 
daiiz  sie  schon  etliche  100.  (4ülden  darmit  zugesetzet  haben.  Ich  halt 
auch,  wenn  um  und  um  kommt,  so  musz  mein  armes  Kind  mit  den 
Schelmen  zum  Thore  hiuauswauderu.  O  hätte  ich  mein  Kind  einem 
Schäferkneeht  gegeben,  80  wire  ich  doeb  aidiar  gewet«D,  daas  er  tber 
einen  sehabuigten  Handefelle  nicht  ivire  snm  Bettler  worden.  Hier» 
mit  gieng  das  Winseln  und  Weinen  wieder  an.  Oiescentio  hatte  der 
Torigen  Lehre  schon  Tergessen,  und  wolte  anch  was  dansa  reden,  wer 
fragt  nach  dem  Hönde,  sagt  er,  besser  ein  Hnnd,  denn  ein  Kind.  Ich 
habe  mein  Tage  manchem  Hunde  das  Liecht  ausgelöschet,  und  icli  sehe 
nicht,  wer  mir  was  darumb  thun  wil.  Doch  der  Kutscher  schnitt  ihm 
wieder  mit  einem  garstigen  Messer  übers  ilaul,  und  sagte:  Schweigt 
doch  stille,  es  ist  noch  nichts  versiiuinet,  wenn  ihr  etwa  einen  Schinder- 
karu  wuit  vor  der  Thüre  haben.  Ob  nun  wohl  Philander  mit  seinem 
Tetter  nicht  zofriden  war,  so  gab  er  doch  don  Kntscher  auch  einen 
Yerweiss,  er  möchte  nicht  zu  gemeine  werden,  sonst  wolten  sie  ihm 
weisen,  wie  yiel  ein  Kntscher  mit  Herren  reden  solte.  Sonst  war  in 
der  Compagnie  ein  Student,  dem  wolte  der  poszirliche  Hnndfr-Process 
nicht  in  den  Kopff :  Es  wKren  ja  rechte  Narren-Possen,  dasz  man  eine 
Katze  möchte  todt  schlagen,  und  ein  blosser  Hnnd  solte  unehrlich 
raachen.  Es  wäre  Wunder,  dasz  die  Leute  nicht  ein  Straffe  drauif 
setzten ,  wenn  ein  Floch  zu  todte  geknickt  würde.  Gott  hatte  dem 
Menschen  die  Herrschafi't  über  die  wilden  Thire  gegeben,  warumb  solte 
so  ein  Hund  Aasz  ein  absonderliches  Privilegium  habeu'^  Endlich 
bescblosz  er:  Wenn  mir  der  Possen  begegnete,  so  wolte  ich  kurtse 
Arbeit  machen,  und  alle  meine  AnUIger  Tor  Hunde  halten,  das  ist, 
ich  wolte  sie  todt  schlagen.  Ehi  Handelsmann,  der  vor  diesem  ein 
Schuster  gewesen,  und  nunmehr  als  ein  Politischer  Ntecher  auch  etwas 
Ton  dem  Kaulbnanns*Bespecte  kosten  wolte,  hatte  viel  von  den  Hand- 
wercks- Innungen  zu  schwatzen:  Die  ehrlichen  Zünffte  wären  einge- 
ftthret,  ihre  Articul  und  Gewouheiten  wären  von  Fürsten  und  Herren 
bestätiget,  und  eine  Obrigkeit  tliäte  wohl,  dasz  sie  über  allen  Pnncteu 
steifF  und  fest  hielte.  Indem  nun  der  Student  dargegen  behaupten 
wolte,  man  solte  die  altvaterischen  Händel  abschatfen,  und  ehrliche 
Leute  nicht  vor  die  liebe  lange  Weile  umb  ihre  zeitliche  Wohlfahrt 
bringen,  so  war  ein  Gerichts-Verwalter  in  der  GesUschafFt,  der  sagte 
ihr  Herren,  es  wtfre  viel  Ton  der  gemehien  Nothdurfft  an  reden,  wer 
alles  wtlste.  Wen  es  angehet,  der  mag  es  bessern.  Doch  wü  ich  einen 
artigen  Streich  erzehlen;  mein  Knecht  hatte  vor  zwey  .Jahren  eine 
Schinder-Betze  tod  geworftVu.  so  kahm  der  Schinder,  und  brachte  mir 
den  Kam  vor  den  Hof.  ]\Iein  Gesinde  scheuete  sich,  und  wolte  das 
unredliche  Ding  nicht  angreillen.  Doch  meine  Frau  war  am  klügsten, 
die  sagte:  Der  Karn  musz  ohne  Menschen  Hände  weggeschaflet  werden. 


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—   182  — 


Hiermit  befahl  sie  dem  Kucchte.  er  s  Ite  Stnih  «laruiiter  lee:en.  und 
den  Bettel  zusammen  verbrennten.  Damit  niü«  ImMi  sie  hernach  ihr 
Eigeuthumb  aus  der  Auche  wit-der  suchen.  i'hilaiidtM-  hatte  zugehöret. 
Endlich  war  disz  sein  Ausschlag:  Ich  wil  das  Herkommeu  iu  seinem 
Werth  und  Unwerth  laBaeii.  Abor  eine  Schwachheit  muti  ich  doch 
darbey  anfllhrai,  dan  die  gemeinen  Leute  sich  eo  viel  wissen,  wenn  sie 
einen  Büigermeister  warn  GeTAtter  haben.  l)a  sol  alle  Welt  grosse 
Angen  anffsperren,  wenn  sie  einnialil  in  des  Bürgermeisters  Hausz  gehen, 
sie  mögen  gleich  einen  Hund  oder  einen  Wolft'  auf  dem  Puckel  tragen. 
O  hätte  er  sein  Wildpret  zu  Hause  behalten,  und  hätte  sich  mit  seinem 
Rüryernieistfr  nicht  so  viel  irewusr,  so  hätte  er  ietzo  etliche  l(Xi.  (thI«!*  !! 
mehr  im  Beutel.  Denn  ich  zvveiffel  dran,  »hisz  limi  nunmehro  seiner 
Schwiegermutter  Gevatter  die  halben  Unkosteu  vurseiiiessen  wird.  Lud 
hiermit  hatte  der  junge  Cresceutio  wieder  was  geleruet. 


m. 

Am  dem  Sehelnmllliky.  Gedraekt  zu  Schelmerode.  1696.  8*. 


Z>(is  Erste  Capitel. 

TEutschland  ist  mein  Vaterland,  in  Schelmerode  bin  ich  gebohren, 
zu  Sanct  J^Ialu  habe  ich  ein  gantz  halb  Jahr  gelangen  gelogen,  und  iu 
Holland  und  EngeHand  bin  ich  auch  gewesen.  Damit  ich  aber  diese 
meine  sehr  geflLhrliehe  Beise>Beschreibung  fein  ordentlich  einrichte,  so 
moss  ich  wohl  Ton  meiner  wunderlichen  (ieburth  den  Anfang  machen: 
Als  die  i^rosse  Balte,  welche  meiner  Frau  Untter  ein  gants  neu  seiden 
lUeid  serfressen,  mit  den  Besen  nicht  hatte  können  todt  i^eschlagen 
werden,  indem  sie  meiner  Schwester  zwischen  die  Beine  dnrchläulTt  und 
unversehens  iu  ein  Loch  kr.nimt.  fällt  die  elu  liche  Frau  deszweg-en  aus 
Eyfer  in  eine  solche  Kmnckiieit  und  Ohniuiicht.  dasz  sie  gaui/-er 
24.  Tage  da  liegt  und  kan  sieh  der  Tebel  hoiilmer  weder  regeu  noch 
wenden.  Ich,  der  ich  dazumal  die  W  elt  noch  niemals  geschauet,  und 
nach  Adam  Riesens  Rechen-Buche  4^  gautaer  Monat  noch  im  Verbor- 
genen hfttte  pausiren  sollen,  war  dermassen  auch  auf  die  sappennentsehe 
Ratte  so  thOricht,  dass  ich  mich  aus  Ungednlt  nicht  länger  zu  bergen 
Termocbte,  sondern  sähe,  wo  der  Zimmermann  das  Loch  gelassen  hatte, 
und  kam  auf  allen  vieren  sporenstreichs  in  die  Welt  gekrochen.  Wie 
ich  nun  auf  der  Welt  war,  lag  ich  8.  grantzer  Taire  unten  zu  meiner 
Frau  Mutter  Küssen  im  Hettstroh  ehe  ich  mich  einmal  recht  besinnen 
kunte  wo  ich  wnr.  Den  iUen  Tag  so  erblickte  ich  mit  gros.ser  Ver- 
wunderung die  Welt.  <>  >iiii|termentl  wie  kam  mir  alles  so  wüste  da 
Yor,  sehr  malade  war  ich,  nichts  hatte  ich  auf  den  Leibe,  meine  Fr. 
Hutter  hatte  alle  Viere  von  sich  gestreckt,  und  lag  da  als  wenn  sie 


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—   183  — 


▼or  den  Kopff  gesrhla^en  wäre,  schreyen  wolte  ich  auch  nicht,  weil 
ich  wie  ein  jnn?  Ferckelg^eii  da  lair.  und  wolle  mich  niemand  sehen 
lassPii.  weil  ich  nackend  war,  dasz  ich  also  nicht  wüste,  was  ich  an- 
laiiiTcn  sult»'.  Icli  hatte  auch  willens  wieder  in  das  Verboruene  zu 
wandern,  .so  kiinte  ich  aber  der  Tehel  liohlmer  den  Wvg  nidit  wieder 
finden,  wo  ich  hergekommen  war.  Endlich  dachte  ich,  du  must  doch 
sehen  f  wie  du  deine  Fnn  Hntter  emrantent,  und  Tennehte  es  auf 
allerley  Art  nnd  Weise,  hald  krieg^te  ich  sie  hey  der  Nase,  bald 
krabbelte  ich  ihr  nnten  an  den  Fnsssohlen,  bald  maehte  ihr  einen 
Klapperstorch,  bald  zupffte  ieb  ihr  hier  nnd  da  ein  Härgen  aus,  bald 
schlug  ich  sie  aufs  Nollepntzgen;  Sie  wolte  aber  davon  nicht  auf- 
wachen; letzlich  nahm  kh  einen  Strohhalm  und  kützelte  sie  damit  in 
den  lincken  Nasen-Loclie.  wovon  sie  eilij^st  aiit'tnhr  und  schrie,  eine 
Hatte!  eine  Hatte'  Da  icli  nun  von  ihr  da.s  Wnit  Ratte  nennen  hön-te, 
war  es  der  Tebel  holilmer  nicht  anders,  als  wenn  iemand  eiu  Scheer- 
niesser  nehm  und  führe  mir  damit  unter  meiner  Zunge  weg,  dasz  ich 
hieranf  alsobald  ein  ersehrediUehet  Aiweh!  an  m  reden  fing.  Hatte 
meine  Fran  Mutter  nun  suTor  nicht  eine  Ratte!  eine  Hatte!  geschrien, 
so  sehrie  sie  heraachmals  wohl  Uber  hundert  mal  eine  Hatte!  eine 
Ratte!  denn  sie  meinte  nicht  anders  es  nistelte  eine  Ratte  bey  ihr 
nnten  zn  ihren  Füssen.  Ich  war  aber  her,  nnd  kroch  sehr  artig  an 
meine  Fran  3Iutter  hinauf,  grnckte  hey  ihr  oben  zum  I)eckc-Bette 
hcrans.  nnd  sairte:  Frau  Mutter.  Sie  lilrchte  sich  nur  nicht,  ich  hin 
keine  liatte,  sond  n  ihr  lieber  Sohn;  du.sz  ich  aber  so  friih/eitii,'  hin 
auf  die  Welt  t''koninif*n,  hat  solches  eine  liatte  verursachet.  Als 
dieses  meine  Frau  Alutter  hörete,  Ey  sappermeut!  wie  war  sie  froh 
dass  ich  so  unvermuthet  war  auf  die  Welt  gekommen,  dass  sie  ganti 
nichts  daTon  gewust  hatte.  Wie  sie  mich  dasselbe  mal  au  hertste  und 
an  leckte,  das  will  ich  der  Tebel  hohhner  wohl  keinen  Menschen  sagen. 
Indem  sie  sich  nun  so  mit  mir  eine  gute  Weile  in  ihren  Armen gehftt- 
schelt  hatte,  stund  sie  mit  mir  anf,  zog  mir  ein  weiss  Hembde  an  und 
raffte  die  Mieth-Leute  in  ffantzon  Hausze  zusammen,  welche  mich  alle 
mit  einander  lnlclist  verwundernd  ansahen  und  wüsten  nicht,  was  sie 
aus  mir  macheu  selten,  weil  ich  schon  so  artig  schwatzen  kunte  


Das  FüHffU  Ckipitel. 

Die  Hundestage  traten  gleich  selben  Tag  in  Oalender  ein,  als 
ich  nnd  mein  Herr  Bmder  Graf  Ton  den  Bnrgemeister  an  Amsterdam 
Abschied  nahmen  und  uns  in  ein  grosz  Orlog-Schiif  setzten.  Wir 
waren  etwan  drey  Wochen  auf  der  See  nach  Indien  fortu'cschifTet,  so 
kamen  wir  an  einen  Ort,  wo  so  schrecklich  viel  Walltische  in  Wasser 
gingen,  diesellien  lokte  icii  mit  einen  stücktren  Brote  ^•antz  nah  an 
unser  Schilf.  Der  eine  Hootsknecht  liatte  eine  Anirel  bey  sich,  die 
muste  er  mir  geben,  und  versuchte  es  ob  ich  einen  kunte  in  Schiff 


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—   184  — 

häckeln,  es  w8r  anch  der  Tebel  hohlraer  nni^egrangen,  wenn  die  Anfirel 
nicht  Avarp  in  Stücken  gerissen,  denn  als  der  Wallfisch  anbiss  nnd  ich 
in  best^^n  rih  kfn  war,  so  risz  d^r  Dn-rk  »Mifzwey,  dasz  al?o  der  Ang^el- 
hacken  den  Walltische  in  den  Ka<  hen  stecken  blieb,  von  welchen  er 
unfehlbar  wird  gestorben  seyn.    Wie  solches  die  andern  Walitiscbe 
gewahr  worden  imd  den  Sehatten  nnr  tod  der  Angelsdmnre  nnrielkti^ 
worden,  mnrehireten  sie  alle  aneh  fort  nnd  Uen  sich  der  Tebel  hoUiner 
nit  ein  eintsi^  wieder  an  onsem  Schiffe  blicken.  Wir  sehüRen  toh 
dar  weiter  fort,  und  bekamen  nach  etlichen  Tagen  daa  gelttbberte  Keer 
so  sehen,  alhvo  wir  gantz  nahe  vorbey  fahren  musten,  Sappennent! 
was  stunden  dort  vor  Schiffe  in  den  gelübberten  Meere,  e«*  war  der 
Tebel  hohlmer  nicht  andere,  als  wenn  man  in  einen  erofisen  dürren 
Wald  Hebe,  da  die  Bäumf  vertlorret  stünden,  und  war  keine  Seele  auf 
den  Schitien  zu  sehen.   Ich  fragte  den  Schiffmaun,  wie  denn  das  zu- 
ginge, weil  so  yiel  Schiffe  da  stünden'?   Der  gab  mir  zur  Antwort, 
dass  dieselben  Schiffe  bey  grossen  UngestOmm  der  Wind  dahin  gejaget 
hätte,  wenn  die  Sohifileote  nach  Indien  fhhren  wollen  ond  den  Weg 
veifehlet,  dass  also  anf  alle  denen  Schiffsn  die  Leote  jftmmerlieh  am- 
kommen  müssen.   Wie  wir  nun  von  den  gelflbberten  Meere  voibey 
waren,  kamen  wir  unter  die  Linie,  Ey  Sappennent!  was  war  da  vor 
Hitze.    Die  Sonne  braute  uns  alle  mit  einander  bald  Kohl-Kaben- 
schwartz.     Mein  Ilr.  Hr.  Graf,  der  war  nun  ein  rorpuh-nti-r  dicker 
Herre,  der  wunie  unter  der  Linie  von  der  m^raus.imeii  Hitze  kranck, 
legte  sich  hin  und  starb  der  Tebel  hohlraer  ehe  wir  uns  solches  ver- 
sahen. Sapperment!  wie  ging  mirs  so  nahe,  dasz  der  Kerl  da  sterben 
muste,  ond  war  mein  bester  Beise-Oeferthe.  Allein  was  konte  ich 
thoB?  todt  war  er  einmahl,  ond  wenn  ich  mich  aoch  noch  so  sehre 
Aber  ihn  gegrimet,  ich  bitte  ihn  doch  nicht  wieder  bekommen.  lek 
war  aber  her  nnd  bund  ihn  nach  Schifb-Gewonheit  sehr  artiir  anf  ein 
Bret,  steckte  ihn  2.  Dacatons  in  seine  schwartz-samtne  Hosen  ond 
schickte  ihn  damit  auf  den  Wasser  fort,  wo  derselbe  nun  ma?  beg^raben 
liegen,  dasselbe  kau  ich  der  Tebel  hohlmer  keinen  Menschen  sas^en. 
Drey  Wochen  nach  seinen  Tode  gelantreten  wir  bey  j^iten  AViude  in 
Indien  au,  allwo  wir  an  einer  schönen  Plingst -Wiese  ausstiegen,  den 
Schiffmann  das  Fähr-Oeld  richtig  machten  und  einer  hernach  hier 
hinaus,  der  andere  dort  hinaos.  seinen  Weg  annahmen.  Ich  erkundigte 
mich  nnn  gleich  wo  der  grosse  Kogel  restdirete;  Erstlich  fragte  leh 
einen  kleinen  Jongen,  welcher  anf  derselben  Pilngstwiese,  Wo  wir  aas- 
gestiegen  waren,  in  einen  grünen  Käpgen  dort  herum  lieff  nnd  die 
Jungen  Gänszgen  hiUete.    Ich  redete  denselben  recht  artig  an,  und 
sagte:  Höre  Kleiner?  kanst  du  mir  keine  Nachricht  sagen,  wo  der 
grosse  ilogol  in  diesen  Lande  wohnet?    Der  .hinge  aber  kunte  noch 
nicht  einmahl  reden.  st>ndern  wicsz  nur  mit  den  Finirer  und  sairte:  a  a. 
Da  wüste  ich  nun  der  'l'ebel  hohlmer  viel  was  a  a  heissen  solte.  leii 
gieug  anf  der  Wiese  weiter  fort  so  kam  mir  ein  Scheersdiliep  ent- 


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—  185 


gegen  gefahren,  denselben  fragte  ich  nun  auch?  Ob  er  mir  keine 
Nachricht  eitheilen  kdnte,  wo  der  Mogol  wohnen  mttste.  Der  Seheer- 
schliep  gab  mir  hierauf  gleich  Bescheid  und  sagte,  dasz  swey  Mogols 
in  Indien  remcfireten,  einem  hieaaen  sie  nor  den  grossen  Mogol «  den 
andern  aber  nor  den  Kleinen«  Wie  er  nun  hOrete,  dass  ich  zu  den 
Grossen  weite,  so  sagte  er  mir  gleich,  dasz  ich  etwan  noch  e'mo  Stunde 
hin  nn  seine  RositU^nz  hätte,  und  ich  solte  nur  auf  der  Ptiug.st-Wiese 
torti^ehen  ich  könnt  nicht  irren,  wenn  dieselbe  zu  End«'  würde  ich  an 
ein»'  y-rosso  Rini^-Mauer  kommen,  da  solte  ich  nur  hinter  \\e^  ^'eheii, 
dieselbe  würde  mich  bis  an  das  Schlosz-Thor  führen,  worinnen  der 
grosse  Mogol  residirete,  denn  seine  Kesideuz  hiesze  Agra.  >iuchdem 
der  SeheerschUep  mir  nun  diese  Nachricht  ertheilet,  ging  ioh  auf  der 
Pilngst-Wiese  immer  fort  nnd  gedachte  anter  wegens  an  den  kleinen 
Jungen  in  den  grflnen  KKpgen,  dass  er  aa  sagte,  ich  hielte  gftotslieh 
darfQr,  der  kleine  Blut-Sehelm,  ob  er  gleich  nicht  viel  reden  kante, 
moste  mich  dodi  anch  verstanden  haben,  und  gewnst,  wo  der  grosse 
Mogol  wohnete,  weil  er  Agra  noch  nicht  aussprechen  kunte,  sondern 
nur  a  a  lallte.  Des  Scheerschlips  seine  Nachricht  trail"  der  Tebel  hohl- 
mer  aucii  auf  ein  Härten  ein,  denn  sobald  als  die  Ptinirst  Wiese  aua- 
ging', kam  ich  an  eine  jß^rosse  Kin<^-Mauer,  hinter  welchen  ich  wefif- 
marcJnrete,  und  so  bald  diese  zu  Ende,  kam  ich  an  ein  erschrücklich 
gross  Thorweg,  vor  welchem  wohl  Uber  SKN).  Trabanten  mit  blossen 
Schwertern  stunden,  die  hatten  alle  grilne  Pumphosen  nnd  ein  CoUet 
mit  Schweinebraten-Ermeln  an.  Da  roch  ich  non  gleich  Lnnte,  dasa 
darinnen  der  grosse  31ogol  residirm  wttrde.  Ich  war  her  nnd  fragte 
die  Trabanten,  ob  ihre  Herrschaffit  so  Hause  wäre,  worauf  die  Kerl 
alle  zugleich  Ja  schrien,  und  was  mein  Verlangen  wäre.  Da  erzehlete 
ich  den  Trabanten  nun  gleich,  wie  dasz  ich  nemlich  ein  brav  Kerl 
wäre,  der  sicii  was  rechts  in  der  Welt  versucht  hätte  u.  auch  nocli 
versuchen  wolte,  sie  sollen  mich  doch  bey  dem  grossen  Mogol  anmel- 
den, der  und  der  wftr  ich,  und  ich  wolte  ihn  auf  ein  paar  Worte  zu- 
sprechen. Sapperm,  wie  lieffen  hierauf  flngs  Ihrer  swBlffe  nach  des 
grossen  Mogols  Zimmer  sa  und  meldeten  mich  bey  ihn  an.  Sie  kamen 
aber  bald  wiedergelanffen,  and  sagten:  Ich  solte  hinein  spatsiren,  es 
würde  Ihrer  Herrschafft  sehr  angenehm  seyn  dasz  einer  aus  frembden 
Landen  sie  einiges  Zuspruchs  würdigte.  Damit  ging  ich  nun  durch 
die  Wache  durch.  Ich  war  kaum  0.  Schritte  gegangen  so  schrie  der 
.  grosse  Moirol  zu  seinen  <reniach  oben  heraus.  Sie  selten  das  Cxewehre 
vor  mir  pracstntireu.  Sapperment!  als  die  Trabanten  dieses  höreten, 
wie  Sprüngen  die  Kerl  ins  Gewehre,  und  nahmen  alle  ilire  Hüte  unter 
den  Arm,  und  sahen  mich  mit  höchster  Yerwandemng  an.  Denn  idi 
kante  nun  recht  artig  dnroh  die  Wache  durch  jvosstren,  dasz  es  der 
Tebel  hohlmer  gross  Aofsehens  bey  den  grossen  Mogol  erweckte.  Wie 
ich  nun  an  eine  grosse  Karmorsteineme  Treppe  kam,  allwo  ich  hinauf 
gehen  moste,  so  kam  mir  der  Tebel  hohlmer  der  grosse  Mogol  wohl 


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—   186  — 


auf  halbe  Treppe  henmter  entgegea,  empfing  mieli,  imd  ftthrte  aiiel 
bey  dem  Arme  yoUendfl  binaof.   Sapperment!  was  praetentin^  neh 
da  Tor  ein  sebOaer  Saal,  er  flimmerte  und  flammerte  der  Tebel  hoUner 
von  lanter  Golde  und  Edelgosteinen.    Auf  denselben  Saal  hmi  er 
mich  nun  willkommen  und  freute  sich  nu'iner  g:uten  Gesundheit  nn<l 
sagte,  dasz  er  in  lanq-er  Zeit  nicht  hätte  das  Glück  gehabt,  dasz  ein 
Teutßcher  ihn  zugesprocheu  hätte,  und  fragte  licrnafh  nanh  nioinem 
Stande  und  Herkommens,  wer  ich  wäre  ^*    Ich  erzehlete  ihn  hierauf 
nun  sehr  artig  Ilugs  meine  (jeburt  und  die  Begebenheit  von  der  Kaue, 
und  wie  dasz  ich  einer  mit  Ton  den  bravsten  Kerlen  der  Welt  w&re, 
der  80  Tiel  geteben  und  ausgestanden  scbon  bfttte.   Sapperm.  wie 
borchte  der  grosse  Hogol  als  er  mich  diese  Dinge  erzeblen  bOrete.  Er 
fülirte  micb  nach  solcher  Erseblung  gleich  in  ein  Tortrefflieb  an^ 
putztes  Zimmer  und  sagte:  dasz  dasselbe  zu  meinen  Diensten  stttnde, 
lind  ich  möchte  so  lange  bej  ihn  bleiben  als  ich  weite,  es  solte  ihn  o. 
seiner  Gemahlin  sehr  angenehm  seyn.    Er  raffte  auch  gleich  Pagm 
und  Laqvaim,  die  mich  bedienen  solten.    Sapiiornient ,  wie  di-^  K?rl 
kamen,  was  macliteu  sie  vor  niirrische  licccrenzc  vor  mir.  Ersilicli 
bückten  sie  sich  mit  den  Köpfte  bis  zur  Erden  vor  mir,  hernach 
kehreten  sie  mir  den  Kücken  zu  und  scharreten  mit  allen  beyden 
Beinen  zugleich  weit  hinten  aus.   Der  grosse  Mugol  befahl  ihnen,  sie 
gölten  mieh  ja  reeht  bedienen,  sonsten  wo  nur  die  geringste  Klage 
kommen  würde  solten  sowohl  Laqvaien  als  i^^en  fn  die  Kllehe  ge- 
ftthret  werden.  Hierauf  nahm  er  von  mir  Abschied  and  ging  wieder 
nach  seinem  Zimmer  zu.   Als  Er  nun  weg  war,  Sapperment!  wie  W 
dienten  mieh  dieBorsdie  so  brav,  sie  hi essen  mich  zwar  nnr  JsodMi; 
allein  was  sie  mir  an  den  Augen  absehen  kanten,  das  thaten  sie. 
Wenn  ich  nur  zu  Zeiten  einmahl  au.«ispuckte,  so  liefFen  sie  der  Tebel 
liohlmer  alle  zugleich,  dasz  sie  es  austreten  woltcn.  denn  wer  es  am 
ersten  austrat,  was  ich  ausue.spuckt  liuttc,  so  schüt/.te  sichs  derselbe 
allemahl  vor  eine  i^rosse  Ehre.    iJer  ijrusse  Mogol  hatte  mich  kau« 
eine  halbe  Stunde  verlassen,  so  kam  er  mit  seiner  Gemahlin,  out 
seinen  OavaiBirtai  und  Dornet  in  raein  Zimmer  wieder  hinein  getretei. 
Da  hiest  mich  nun  seine  Oemahlin,  wie  auch  die  CavaUiers  nnd  Damm 
alle  willkommen,  und  sahen  mich  mit  grosser  Verwunderung  an.  Ich 
muste  auf  Bitten  des  grossen  Mogols  die  Begebenheit  Ton  der  Bstt^ 
noch  einmahl  erzeblen,  denn  seine  Gemahlin  woltc  dieselbe  Hi.storie 
80  gerne  hören.  Ey  Saiiperment!  wie  hat  das  ^len.sche  drüber  gelacht: 
Die  CavnUier.f  und  Dames  aber  sahen  mich  alle  mit  irrossfr  ^'er^Min- 
drung  an.  und  .sagte  immer  eines  hrinilich  zu  den  andern:  Ich  mü>t^ 
wohl  was  rechts  in  'J'eut^chland  sevn?  weil  ich  von  .«solchen  I)iiiL'''ii 
erzehlen  konnte?    Nun  war  es  gleich  Zeit  zur  Abendmahlzeit,  da« 
der  grosse  Jklogol  zur  Talel  blasen  liesz.   Ey  Sapperment!  was  hüret^ 
man  da  Tor  ein  Geschmitteie  und  Oesehmattere  von  den  Trompetai 
nnd  Heerpaueken.   Es  stunden  900.  Trompeter  und  90.  HeeipandKr 


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in  seine  Schlosz-Hoffe  auf  einen  gfosseu  breiten  Steine,  die  inusten 
mir  zu  Ehren  sicli  da  büren  lassen,  die  Kerl  bliesen  der  Tebel  hohlmer 
unvei<*:Ieiclilich.  W\p  sio  nun  auüirrljlasen  hatten ,  so  muste  ich  die 
grosse  Moi,'uln  do.v  Hand  nchnun,  u.  sie  zur  Tafel  führen,  es  liesz 
der  Tobel  hohlmer  recht  artiij.  wie  ich  so  neben  ihr  hcr<;in<^.  Sobald 
als  wir  nun  in  das  Tafieltjemach  kommen,  so  nöthi^arte  niii  h  der  grosse 
Mogol,  dasz  ich  mich  setzen  solte  und  die  Oberstelle  au  der  Tafel  ein- 
nehmen; Ich  hfttte  Boldhes  auch  ohne  Bedencken  gethan,  wenn  ich  nicht 
Lost  gehabt  mich  neben  seiner  Gemahlin  au  setaen,  denn  es  war  so 
ein  wonderschOn  Hensche.  Also  mnste  sich  erstlich  der  grosse  Mogol 
setaen,  neben  ihn  setzte  ich  mich,  und  neben  mir  anr  lincken  Hand 
satate  sich  nun  seine  Idebste,  Ich  sasz  da  recht  artig  mitten  inne. 
Uber  Tische  so  wurde  nun  von  allerband  dhcuriret.  Die  grosse 
Mogeln  fragte  mich:  Ob  denn  auch  in  Teutschland  ^'ut  Rier  gebrauet 
würde,  u.  welch  liier  man  denn  vor  das  beste  da  hielte?  Ich  ant- 
wortete ihr  liierauf  sehr  artig  wieder,  wie  dasz  es  nenilicli  in  Teutsch- 
land überaus  gut  Bier  gebrauet  würde,  und  absonderlich  an  den  Orte, 
wo  ich  zu  Hause  wäre,  da  braueten  die  Leute  Bier,  welches  sie  nur 
Xlebe-Bier  nenneten,  nnd  zwar  aas  der  Ursachen,  weil  es  so  Maltareich 
wftre,  dasz  es  einen  gante  zwischen  die  Finger  klebete,  und  schmeckte 
anefa  wie  lauter  Zucker  so  sflsse,  dasz,  wer  Ton  demselben  Biere  nur 
ein  Nassel  getmncken  hfttte,  denielbe  hemachmahls  flugs  darnach  pre- 
digen könte.  Sapperm,  wie  verwonderten  sie  sich  alle,  dasz  es  solch 
gut  Bier  in  Teutschl.  gäbe,  welches  solche  Krallt  in  sich  hätte.  Indem 
wir  nun  so  von  diesen  und  jenen  über  der  Taffel  disairirten  und  ich 
gleich  in  Willens  hatte  die  tlistoiic  von  nieiiien  Hla«e-Kohre  zu  er- 
zehlen.  so  kam  des  grossen  3I(i^ols  seine  Leib-Sängerin  in  das  Taffel- 
Gemacii  hinein  gegangen,  welche  eine  Indianische  Leyer  an  der  .Seite 
hängen  hatte.  Sapperm,  wie  kunte  das  3Ieu8che  schöne  singen  und 
mit  der  Leyer  den  Qeneral-Ba88  so  kttnstlicb  dansn  spielen,  dasz  ich 
der  Tebel  hohlmer  die  Zeit  meines  Lebens  nichts  schöners  auf  der 
Welt  geboret  hatte.  Kans  ni<^t  sagen,  was  das  Mensche  vor  eine 
sdilfne  Stimme  zu  singen  hatte.  Sie  kunte  der  Tebel  hol  mer  bisz 
in  das  neunzehende  gestrichene  C  hinauff  singen,  und  schlug  ein  trillo 
ans  der  Qrinfe  bisz  in  die  Octave  in  ein^  Athen  auf  200.  Tncfe  weg 
und  wurde  ihr  nicht  einuiahl  sauer.  Sie  sung  vor  der  Taffel  eine  Arie 
von  den  rothen  Aufiren  nnd  den  schwartzen  Backen,  dasz  es  der  Tebel 
hohlmer  ülieraus  artig  zu  hüren  war.  Nachdem  nun  die  Abendmahlzeit 
zu  Ende  war,  muste  ich  wieder  die  irrosse  Moijoln  der  Hand 

nehmen  und  mit  ihr  nach  meinem  Zimmer  zugehen,  allwo  sie,  wie 
auch  der  grosse  Mogol,  CavaUiers  und  Dames  von  mir  Abschied  nahmen 
und  eine  gute  Nacht  wflndscheten,  worauf  ich  mich  sehr  artig  bedanokte 
und  sagte:  Dasz  sie  alle  mit  einander  fein  wohl  schlaffen  sollten  und 
sich  was,  angenehmes  trftumen  lassen.  Hiermit  verliessen  sie  alle  mit 
einander  meine  Stube,  und  gingen  auch,  sich  ins  Bette  zu  legen.  Da 


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gie  nun  von  mir  weg  waren  kamen  4.  Laqvaiea  nnd  3.  Page»  in  mein 
Genuch  hinein,  die  fira^n  nun  ob  sich  der  Juncker  wolte  aneriehen 
lassen?  Wie  ieh  nim  ihnen  aar  Antwort  gab,  dass  ich  fr^lich  etwas 
BchlAffrig  wftre  und  nieht  lange  mehr  offen  bleiben  wOrde.  Sappexm. 

wie  waren  die  Kerl  jLreschäfftiij:.  der  eine  lieff  und  höhlte  mir  ein  paar 
gantz  göldne  PaiitoflVln,  der  andere  eine  schöne  mit  Gold  gestirkte 
Scblaflf-Haube,  der  dritt»»  einen  iinvenjleii  lili^lien  schönen  Schlatt  Pckz, 
der  vierte  schnalte  mir  die  Scliue  auf.  der  lünitfo  zoir  mir  die  StnimiitTe 
aus,  der  sechste  brachte  mir  einen  gantz  giddeueu  Nacht-Tojifl'.  und 
der  «liebende  machte  mir  die  Schiafil^ammer  auf.  O  SappermeutI  wad 
stund  da  vor  ein  schön  Bette,  in  welches  ich  mich  legen  mustOf  es 
war  der  Tebel  hohlmer  aneh  so  propre,  dass  iohs  nieht  genug  beschrei- 
ben kan,  o.  schlieff  Bichs  auch  so  weich  darinnen  dass  ich  aach  die 
gantse  Naeht  nicht  einmahl  aufwachte.  Einen  artigen  Tranm  hatte 
ich  selbe  Nacht.  Denn  mich  trftomete,  wie  dasz  ich  nach  den  Abtritte 
meines  Bier-Weges  gehen  wolte,  und  kunte  denselben  nicht  finden, 
und  fand  ihn  auch  nicht,  weil  ich  nun  über  der  Tafel  vorigen  Abend 
ein  Biszgen  starck  getruncken  und  Schertz  und  Ernst  beysammen  war, 
80  kam  mirs  in  Traume  nicht  anders  für,  als  wenn  einer  von  Laqraien 
ein  grosz  silbern  Fasz  getragen  brächte,  und  sagte:  Juncker  hier  iiaben 
sie  was.  Damit  so  griff  ich  su  und  meinte  der  Tebel  hohlmer  nicht 
anders  das  Fass  wflrde  mir  ans  der  Noth  heUFen,  und  halff  mir  anch 
im  Tranme  aiu  der  Noth.  Aber  wie  ich  des  Uoigens  firOh  anfwachte 
ey  Sapperment!  was  hatte  ich  in  Tranm  tot  Hlndel  genmcht,  ich 
schwamm  der  Tebel  hohlmer  bald  in  Bette,  so  jmbz  war  es  uiter  mir. 
Doch  wars  endlich  noch  gnt,  dasi  ich  nicht  gar  mit  der  gantzen 
Schule  im  Traume  gegangen  war.  sonst  würde  ich  nicht  gewust  haben, 
auf  was  für  Art  solcher  Fehler  im  Traume  hätte  können  bemäntelt 
werden,  so  aber  blieb  ich  in  Jiette  brav  lantje  liei^en  und  trocknete  es 
so  artig  unter  mir  wieder,  dasz  es  auch  niemand  gewahr  wurde,  was 
ich  gemacht  hatte.  Hierauf  stund  ich  auf  und  liesz  mich  wieder  an- 
kleiden, wie  ich  nnn  fertig  war,  schickte  der  grosse  Mogoi  sn  mir, 
liesB  nur  einen  guten  Morgen  Termelden,  nnd  wenn  mir  was  angeneh- 
mes getriomet  hfttto  solte  es  ihn  lieb  an  hören  seyn,  auch  dabey  sagen: 
Ob  ich  mich  nicht  ein  wenig  in  sein  geheime  Cabinet  bemühen  wulte. 
Er  wolte  mich  um  etwas  ro?pvfJfreu'?  Ich  war  hierauf  geschwinde  mit 
einer  Antwort  wieder  lertit^  und  liesz  ihn  sehr  artig  wieder  sagen: 
Wie  dasz  ich  ich  nenilicii  sehr  wohl  gesch luden,  aber  was  das  träumeu 
anbelangete,  so  hätte  ich  keinen  guten  Traum  gehabt,  denn  der  Angst- 
fcichweisz  wäre  nur  im  Traume  so  ausgetähreu,  und  dasz  ich  solt«  zu 
ihn  kommen  in  sein  Cabinet,  dasselbe  solte  gleich  geschehen.  Solches 
Hess  ich  ihn  durch  seinen  Oammer-JF^ffe»  nnn  wieder  sagen  nnd  ging 
hernach  gleich  an  ihn  und  hörete  was  sein  Anbringen  war.  Da  ich 
nun  SU  ihn  hinkam  und  meine  Can^iimente  sehr  artig  bey  ihn  abge- 
leget,  so  schloss  er  einen  grossen  Bflcher^Schrank  auf  und  langete  ein 


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« 


—  189  — 


gross  Bnoh  heraus,  welehes  in  Schweins-Leder  eingebunden  war,  das- 
selbe seigte  er  mir  und  sagte:  Dass  er  in  dasselbe  tftglieh  sein  Ein- 
kommens schriebe,  und  %enn  das  Jahr  um  wftre  nnd  er  die  8mma  sn- 

samnien  rochnote,  wolte  es  keinmahl  eintreffen,  nnd  fehlte  allemahl  der 
dritte  Theil  seiner  Einkttnffte,  und  fragt«  hierauf  ob  ich  rechnen  könte? 
worauf  ich  ihn  denn  wieder  zur  Antwort  i^ixh.  wie  dasz  ioli  ein  hrav 
Kerl  wäre  und  Adam  Riesen  sein  Rechen-Buch  sehr  wohl  kante,  Er 
Bolte  mir  das  j^rns.se  Buch  geben,  ich  wolte  schon  sehen,  wie  die 
Siiviwa  herausziibrine:en  wäre.  Hieraut  so  f^ah  er  mir  das  Buch 
woriiineu  seine  Einkünffte  stunden  nml  lirsz  mich  allein.  Wie  ich  nun 
das  Buch  so  dorchblätterte  ey  Sappermenuent!  was  stunde  da  vor 
Lehnen  nnd  Zmsen.  Ich  war  her  setzte  mich  hin  nahm  Feder  nnd 
Dinte  nnd  fing  an  Eins  sehne  hundert  tausend  su  sohlen,  und  wie  ich 
nun  sähe,  dass  der  grosse  tfogol  in  den  Einmahl  eins  gefehlet  hatte 
nnd  solches  nicht  richtig  im  Eopffe  gehabt,  so  hatte  es  freylich  nicht 
anders  seyn  kttnnen,  dass  die  Summa  von  den  3ten  Theil  weniger  bey 
ihm  heraus  gekommen  war,  als  er  täglich  aufgeschrieben.  Denn  an 
statt,  da  er  hätte  zehlen  sollen:  Zehen  mahl  hundert  ist  tausend,  so 
hatte  er  gezehlet  zehn  mahl  tausend  ist  hundert,  und  wo  er  hätte  suh- 
fraliircn  sollen,  als  zum  Exempel  Eins  von  hundert  bleibet  DD.  ho  hatte 
er  aber  imbfrnJiireA:  Eins  von  hunderten  kan  ich  nicht  eins  von  zehen 
bleibt  neune,  und  9.  von  9  geht  auf.  Das  geht  ja  der  Tobel  hohlmer 
unmöglich  an,  dass  es  eintreffen  kan.  Als  ich  nun  solche  Fehler  sähe, 
merckte  ich  nun  gleich  wo  der  Hund  begraben  lag.  Ich  war  her  und 
satste  mich  drOber,  und  rechnete  kaum  2.  Stunden,  so  hatte  ich  alles 
mit  einander  In  die  richtige  Summa  gebracht  nnd  behielt  noch  halb  so 
▼iel  ttbrig  über  die  gantjse  Masse  als  er  einzunehmen  und  Ton  Tage 
KU  Taire  aufijesclirieben  hatte.  Als  ich  nun  den  Cnhulum  von  Adam 
Riesens  Reelien-Bnehe  sehr  artiy:  und  riehtii^  gezogen,  ruft'te  ich  ihn 
wieder  zu  mir  und  wiesz  ihn  nun  wie  und  wo  er  in  den  Einmal  eins 
geteblet  hätte,  nnd  wie  ich  alles  so  artig  und  richtig  iieraus  gebracht 
hätte,  und  noch  halb  so  viel  Uber-'^chusz  behalten.  Ey.  iSapperm.  als 
ich  ihn  von  den  Uberschusse  schwatzte  spruug  er  vor  Freuden  hoch  in 
die  Hohe,  klopflte  mich  auf  meine  Achseln  nnd  sagte,  wenn  ich  ge- 
sonnen wttre  bey  ihn  zu  bleiben,  er  wolte  mich  su  seinen  geheimbden 
Beicbs-Cantslar  machen*  Ich  antwortete  ihn  hierauf  wieder  und  sagte, 
wie  dass  freylich  was  rechts  hinter  mir  steckte  und  dasz  ich  der 
bravste  Kerl  mit  von  der  Welt  wäre,  und  weil  ich  mein  Hertze  nur 
daran  gehängt  hätte  fremde  Länder  und  Städte  zu  besehen,  als  wolte 
ich  mich  vor  das  gute  Anerbiethen  hiermit  bedanekt  haben.  Weil  er 
nun  sähe,  dasz  ich  zn  solcher  (Imrtjc  keine  I^ust  hatte,  so  erwjesz  er 
mir  die  14.  Tage  über  ich  als  bt  v  iim  war,  auch  solche  Ehre,  dasz  ichs 
der  Tebel  hohlmer  mein  i.,ebetage  nicht  vergessen  werde.  Denn  es 
ist  ein  ersch  rück  lieber  reicher  Herr  der  grosse  Mogol,  er  wird  als 
Eeyser  nur  dort  üM^ntt^  und  hat  so  viel  Schfttse  als  Tage  im  Jahre 


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—  190 


seyn,  die  habe  ich  auch  alle  mit  einander  gesehen.  Denn  er  zeigte 
mir  alle  Taije  einen.  Vortrefl'liche  .«chitne  Bücher  liat  er  auch,  und  ist 
ein  sonderlicher  IJehhaber  von  denselbeu,  ieli  »iu->te  ihn  auch  mit  Hand 
u.  Munde  znsa)^en,  dasz  ich  ihn  eins  ans  TeutschlHud  in  seinen  Kucher- 
schrauk  schicken  wolle  vor  Geld  und  gute  Wort.  Als  er  nun  sähe, 
dass  ich  mich  wieder  reisefertig  machte  so  verehrete  er  mir  sein  Bild- 
niu  mit  der  Kette,  und  seine  Gemahlin  sehenckte  mir  1000.  apeeie» 
I>ncaten  eines  Schlags,  woranf  des  grossen  Mogols  Bildnisz  gepriget 
war.  Damit  hang  ich  die  Kette  mit  des  grossen  Mogols  BUdniai  an 
mich,  welches  von  den  schönsten  Indianischen  Golde  war,  und  nahm 
von  ihn  sehr  arti?.  wie  auch  von  seiner  Gemahlin,  Carnllierri  und 
DamM  wieder  Absdiied,  nnd  ging  von  dar  an  Schiffe  nach  Engelland  so. 


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Register 


Die  Zahl  II.  mit  beigesetztem  kleinen  a  bedeutet  die  zweite  Hälfte 

des  zweiten  Bandes. 


Ahaxar  II,  Uil  ff. 

Abdimns  I,  lHf>. 

Abies  L  •:iÜt)  ff. 

Abila  IIa,  HL 

Abindairaez  L 

Abisajf  von  Sunem  IIa,  i9» 

Abiseos  I,  ÜIL 

Abraham  a  St.  Clara  IIa,  IfiÖ. 
Aceceffi^bhiillmmnnoorrssstiiu  IIa, 
AH. 

Acerra  exoticorura  IIa,  115. 

Acerra  philologica  IIa,  LLL  ff,  11»- 

AchilleH,  der  wüttende  II,  99. 

Arhilles  Tatius  L  L  Ü  ML 

Acta  eruditorum  L  2^  II,  '2:^5. 

Ada  II,  IM. 

Adalie  L  \^  Ha,  \QL 

Adam  und  Eva  H.  m 

Adeli,Minde  II.  lüLL 

Adelheid  L  ^  '-i^ 

Adelmnnd  II,  ßl  ff.,  LH  ff.,  M  ff • 

Adelphische  Provinzen  XI,  107. 

Adelpbiis  L  llüL 

Adelreich  IIa.  iQ  ff 

Adj^andester  II,  Ihl  ff. 

Prinz  Adimantus  IIa,  IDIL 

Adiinantus  und  Ormizella  II,  248: 

IIa,  m,  LiSu 
Adriaiiscbe  Kosemund  II,  51^  53, 
Ae^idiii.s  Albertinus  II,  Ifi  ff.,  21 

ff.;  IIa,  aO,  6i  65,  ZiL 
Aembrich  II,  IM 
Aeujuliis  Hättgern  IIa,  145. 
Aeneas  II,  UL 
Acneas  Sylvins  I,  II.  22. 
Afe.schacius  Major  II.  15. 
Aesop  I,  118,  125,  178,  lltL 
Aevquan  oder  der  grosze  ]&Iognl 

II,  48,  Ltti. 


Agathe  IIa,  Gl  ff. 

Aglatidaa  Ij  448, 

Agraies  L  aü8  ff.,  302  ff.,  4ÖZ  ff. 

(traf  von  Atrranjont  I^  319. 

Agrippina  II,  Ü9,  130,  Iiis. 

Frau  Aia  L  ö4. 

Akademischer  Roman  IIa,  115  f. 
Alamode  Kehrausz  IIa,  125,  L2iL 
Alanio  L  425,  451  ff. 
Herzog  Alba  IIa,  Ö, 
Albadan  L  aOL 
Albadanor  L  114. 
Albrecht  L  II,  lüL 
Albrecht  II.  II,  184. 
Albrecht  von  Imola  L  92,  m 
Albrecht  III.  v.  Bayem"X  üQ. 
Albrecht  von  Halberstadt  L  'ML 
Albrecht,  Pfalzgraf  bey  Rhein,  I^ 

Albrecht,  Soi)hia  II,  I2Ö. 
Alcestis  IIa,  lliL 
Alcidiane,  le  jeune  Ij  442. 
Alcofribas  L  278. 
Aldena  L  3Ü2  ff. 

Aleman  II,  II  ff.,  28^  18L  IMi 

IIa,  2L  fi4  ff., 
M.  Aleph  Beth  (4imel  la,  UliL 
Alexander  (d.  (L)  L       U  ÜIL 

11,  13(5^  V.  J   Hartlieb  1^  38^ 

V.  Lamprecht  L 
Alexander  (griech.  Kaiser)  L  ßü. 
Alexander  (in  d.  L  W.  31.)  L  ^ 
Alexandrien  Ij  HiL 
Allarache,  (iusman  v.  vgl.  Aleman. 
Alfeo  L  ^ 

Alfons  von  Arragon  L  128  f. 
Alirarbien,  Artus  v.  L  iüL 
Alidan  IIa,  ÖÖ. 
Almahide  II,  141.  142,  258. 


—    194  — 


Blumenfelder  II,  ÖL 

Boccaccio  I.  8H,  47.  61.  88  ff., 

IIW,  LL5.  lai  f.,  366,  3G9,  4l]3. 

424;  II,  Vh  IIa,  TL 
Bodmer  L  ML  H.  48,  251L254flf. 
Bohse,  A.  Talander. 
Boiardo  L  5- 

Büileau  I.  432.  441.  446  ff.;  IL  61. 

206,  250. 
Bojocal  II,  200,  264  ff. 
Bonamicus  IIa,  3,  5ii. 
Boris  II,  im. 
Bouquoi  IIa, 
Bragur  I,  li 
Braina  TT,  162 
Bramandil  L  41 1. 
Braut,  Seb.  L  2ZÖ. 
Brandau,  St.  L  ^  224. 
Branfil  L 
Brantiime  L  342 

Brauufels,  L.  L  3Ü  ff.,  338,  340. 
Bravor  L  330,  33Ö 
Breit ingerlT748j  256. 
Brentano  L  251  264. 
Bretoni»ch-nordfranz.  Sagenkreis  I, 

330. 
Brian  L  324  ff. 

Briolania  I,  3ÜQ  ff.,  370,  352  ff. 

Brinaide  IIa,  16ä. 

Briseua  I,  30.5. 

Brilon  If,  UhL 

Brocadan  1,  317. 

Brun  L  332. 

Bruueo  vom  guten  Meer  I,  411. 
Brutus  L  itü. 

Buch  der  BeispieleL  118.125. 11,49. 
Buch  der  Liebe  L  ilO,  «L  Ö4j 

m  240,  300,  3QL 
BuchhoU  L        II,  4,  52.  91,  110 

ff.,  128,  160,  182,  216,  210  f., 

229.  25Ü 
Buguot  II.  43. 
Büheler,  der  L  1^ 
Btilow,  Novellenbuch  I,  94. 
Burgsdorff,  Curt  v.  II,  ÜL 
Büschiug  I,  5L 
Büttner,  Wolfg.  L  193. 

Caesarius  v.  Heisterbach  Ij  118; 

IIa,  m 
Caesius  II,  52. 
Calderon  II.  IL 
Callinich  V,  ^ 

Calpreuede  L  433  ff.,  442, 449^  II, 

14D  ff,  21M. 
De  calumnia  novercali  1,  119. 


Camilla  II.  IQL 

Camillus  u.  Emilie  L  ^  3QL 

Cauard  IIa,  77,  m 

Capeila  II,  24L 

Caraui,  Lelio  I,  2Z4. 

Carceli  de  amor  II,  29. 

Carit6e  L 

Carl  Gustav  v.  Schweden  II,  1S2. 
Card,  d.  deutsche  IIa,  IM. 
Caron,  L.  IIa,  116. 
Carsante  I,  ÜÜL 

Cartadac  der  liie.'^e  vom  verbotte- 
nen  Berg  L  315  (f.,  413. 

Cassaudra  L  If^  43ti,  443:  II,  14£L 

Casanbona  IIa,  15L 

Catalogus  Catalogorum  perpetao 
durabilis  1,  22a. 

Catharinus  Civilis  IIa,  125.  130. 
ML 

Catherine  IIa,  6L 

Cato  JL  120,  122. 

Catta  II.  2Ö1  ff. 

Cammer  II,  LÜH- 

Caviua  IIa,  146  ff. 

Celadon  I,  431. 

Celia  L  ^  ff'. 

Celim  IIa.  LIQ. 

Celinda  IIa,  UD. 

Cent  noQvelles  nouvelles  I,  343. 

Cercovita  175. 

Cereba<-hius  IIa,  146  ff. 

Cervantes  1,  17,  4ü.  5Ü.  52,  2Ül  ff.. 

22ü  ff.,  35Ü  ff..  350  ff.,  42iL  II, 

2L  5L  226i  IIa,  64. 
Charide  I,  ö. 
ChariUs  L  248. 
Chasse-Ennuy  IIa,  116. 
Chann)igrenj  iL  liU  ff.,  178,  233. 
Chlodwig  IIa,  4L 
Chlotar  IIa,  4L 

Cholevius  II,  ÜQ,  65,  28  ff.,  113, 
120,  122,  13Ü  ff.,  llfi.  IHQ,  191, 
204.  211,  211L  ^  2J^,  233. 

Chriemhild  Ha,  76, 

Christine  v.  Schweden  II,  64,  194i 
25>L 

Christlich  Meynende,  der  L  ^LL 
Christopherus  Armenius  L  S!2. 
Chronica  Bohemiae  L  80. 
Chrvsostomus  Dudulaeus  Westpha- 

fns  L  22L 
Cichorius  IL  23iL 
Cicero,  der  wehmüthige  II,  99. 
Cildadan  v.  Irland  L  ^  ff m  44i5  ff. 
Cimbria  litteratA  II,  84i  IIa,  18Q^ 
Cinthia  I,  426  ff. 


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—    105  — 


Cinthio  U,  Ifi, 

('laradis  1^  05- 

Claudia  II,  m 

Claudius  L  Z«i  H,  13Ö  f. 

Claus  Narr  ITll?.  135.  191.  193, 

225  ff. 
Ciawert,  Hans  lÜL 
—  Peter  L  '9'- 
Cleander  II.  5fL 

Clelia  1,  15,  18,  446^  II,  m  258. 
Clemeuciu  I, 
Clemens  1^  7(L 
C16ment  L  342,  34i. 
Cleohulos  II,  d2  ff. 
Cleopatra  I.  18;  II,  102.  193. 
Cleophas  I.  120.  123. 
Clerante  IIa,  HL 
('lodomirus  IIa,  141. 
Clorinde  II.  49,  14L 
Clytie  de  la  cour  II,  Ö2. 
Coeliude  u.  Corimbo  II,  lÖß  f. 
Collinrt  IIa,  IQ. 
Colonna,  Guido  von  L  8L 
Commindorix  II,  3£i  ff. 
Concordia  L  ^  Ü4iL 
l)e  tide  concubinarum  cit,  13L 
Conrad  lüthel  v.  Tübingen  1, 
Conrad  v.  Wiirzburg  L  09.  itL 
Conradus  Agyrtas  v.  Bellemont  1^ 

Cunstantine  IIa,  164. 
Contes  1^  3ixL 

Continuationcu  des  Simplicisaimns 
Ua.  24,  26j  60,  61,  22. 

Coquetteu,  Leben  u.  Tbaten  der 
engl.  IIa,  1G<>. 

Corilander  II,  iOL  IIa,  m 

Corisnnda  L  314  ff. 

Cormantin  IIa,  161. 

Corneli8sen,Jeau  v.Harlem  IIa,  31. 

Comt^lius  Atfrippa  1,  21h. 

Corylo  IIa,  134, 

Courage  L  3Ü2.  367^  II.  28^  Ha, 

13j  32  ff..  49,  62,  65,  74,  77, 

liÖ  ff.,  mi  ffT 
Cours  de  l'Europe,  les  l,  15. 
Courtilz,  (ratieu  de  IIa,  164. 
Crassus  II,  is.'S. 
Crescentio  IIa,  13L  115  ff. 
Critische  Abhandlung  (üb.  die  Nat. 

der  Gleicbnisse)  11,  25Ü. 
Critische  Betrachtungen  über  die 

poet.  (.Teinählde  der  Dichter  II, 

25Ö. 

Critische  Dichtkunst  II,  254. 
Cromwell  U,  192^  Ua,  L 


Cymon  aus  Cyperu  L  ÖL 
Cyntliie  (verführte  Schäferin)  II, 

ma. 

Cynthio  I,  115. 
Cypeni  1^  85,  108. 
Cyprian  US- Legende  I,  21L 
Cyrus  I,  18,  442  ff.;  II,  OL 
Cyth6r6e  17442. 


Dach,  Simon  IIa,  llfl- 

Dacia.  Königin  von  1,  329. 

Dacosem  II,  IM  ff. 

Dafnis  II,  14L 

Daganil  L  302  ff. 

Dagobert  L  2lL 

Daraancenus,  Johannes  I,  L 

Daniascius  1,  L 

Damaspia  II,  1 13. 

Dämon  und  Lisille  II,  108  f. 

Daniello  Amaido  I,  356. 

Dante  L  35>L 

Dardan  L  ^  ff- 

Dardanus  von  Bulgarien  IIa,  140. 

Darinel  L  351  ff..  359;  II,  4iL 

Dario leta  L  30^  ff.,  33L 

Darius  1,  44.>. 

Decaraeron  vgl.  Boccaccio. 

Decker,  Thomas  I,  04. 

Deilerdinif,  G.  L  2iiL 

De  Fue  II,  ü;  IIa,  103. 

Delbois  II,  12Ö. 

Delio  I^  425. 

Demetrius,  der  König  II,  IQ3  f. 
Dt  inokritus,  lustiger  IIa,  llfi. 
Demuht  II,  QiL 
Deschamps  IIa,  likL 
Desmarets  II,  100. 
Dialogus  von  der  Trunkenheit  I, 
23lif. 

Diana  L  423  ff.,  430  ff.,  450;  II, 
Ifi.  48  f.,  72j  93  ff.,  258,  IIa,  20. 

Dianea  II,  48,  03  ff.,  100.  102. 

Diarium  biograph.  II,  103. 

Didacns  II,  15. 

Dido  II,  im  ff. 

Diemeringen,  O.  V.  L  8L 

Diephold  II,  löL 

Diterich.  Herzog  L  üfi. 

Dietrich  v.  Bern  I,  169,  362;  IIa, 
4ü  ff ,  20. 

Dietwald  u.  Amelinde  II,  139;  IIa, 

16,  30  ff..  6L  19. 
Dinarda  L  32(L 
Diocietianus  L  LiU. 
Diogenes  1,  412  ff.;  II,  250. 

13* 


—    196  — 


Dionisius  L  9L 
Diony.siades  L  ^ 
Directoriuni  huiuanae  vitae  Ij  12ü» 
Disciplina  clericalis  Ij  125» 
Discorsi  del  poeraa  eroico  I.  355. 
Discourse  der  Mahlern  llj  L>r>(). 
Disou  V.  Seir  II,  \M. 
Divitiacus  II,  hi2. 
Docen  L  öL 

Dominico  Gonsalea  IIa,  Ö  ff. 
Don  Quijote  I,  ^  ff.,  203,  212  f., 

3m  ff.,  358^  II,  2ö  ff: 
Doria  II, 
Dorida  I,  42ß  ff. 
Doris  L  15^  IIa,  IM, 
Draclienstein  Ij  l(i7. 
Drachsdorf,  Fr.  v.  II,  IQÖ- 
Draifonis  L  323^  411- 
Druiden  II,  m 

Drummer  v.  Pabenberg  IIa,  139. 
Du  Buisson  IIa,  22. 
Ducento  novella  1,  89.       II.  28, 
Dürer  IIa,  145. 
Duicimunda  II,  KML 
Dunalbius  II,  32  ff. 
Dunkelhtibsch  L  Ü13  ff.,  ff. 
Dunlop  (-  Liebrecht)  1^  19i  31, 
58,  92.  .3aö  f.,  346,  430,  44ii 

Durin  L  312  ff.,  31U  ff. 

Eberhard  von  Lilien  1^  243. 
Eberhard  V.  Würtemberg  L  125,  IM. 
Ebert  II,  2iL 
Echtermeyer  IIa,  63* 
E(  kart,  der  treue  L  2^ 
Eckstein  I,  214» 
Edelmann,  der  IIa,  144. 
Eduard  III.  II,  15 
Eduard,  der  Engelländische  IIa, 
IHL 

Egen  berger.  C.  v.  Wertheim  L  bO. 

Eginhard,  Köu.  v.  Böhmen  1^  hÖt 

Egwablus  L  IfiL 

Ehreiibert  I  Ifia. 

Elireiifried  II,  11]9 

Eiterich  II,  fiä  ff. 

Eifersucht  der  Verliebten  IIa,  lüL 

Eitersucht,  die  erzwungene  lla,lüb. 

Eilhai t  V.  Oberge  I,  39,  ÜQ, 

Ennone,  di-  eifersichtige  II.  8Ö. 

Elbianischer  Schwanenorden  11,239. 

Elbipolis  IIa.  15L 

Elbische  Heldenbriefe  II,  15iL 

Elenchus  IIa.  M. 

Eleonore  von  Oesterreich  I,  iL 


Eleonore,  Kai.«?erin  II,  258» 
Elias  IIa,  lü. 
Elisa  L  Ulli 

Elisabeth  v.  England  L  ^32. 

Elisabeth  v.  Nassau  I,  41.  S2. 

Elisabet,  Meister  L  'd2L 

Elisena  L  3Üa  ff. 

Elmen-Nymffen  II.  1119» 

Elsisien  II,  1Ü4 

Emilia  L  9L  301^  II,  lÜL 

Eramich,  Xatth.  I,  12. 

Eiidriague  L  322, 

Engelliard  und  Engeltrud  L 

Englische  Studien  II,  2iiü» 

Enil  L  323.  408  ff. 

Euna  II.  35. 

Epeircte  II,  32  ff. 

Epicharis  II.  lÖL 

Epictet  IIa.  IM» 

Erado  II,  lÜL 

Erato  II,  182  ff. 

Eremit,  der  verliebte  IIa,  165. 

Ergaste  IIa,  13. 

Erich  1,  254. 

Eiistenes  II,  33  ff. 

Herzog  Ernst  I,  222  f. 

Emst,  M.  .1.  D.  IIa,  IHL 

Eromena  II.  48,  103. 

Erquickstunden  II,  Öl. 

Ertznarreu,  die  drei  IIa,  123, 125. 

Escla  L  i5Q» 

Esel,  der  goldene  I,  94» 

Eslava,  Antonio  de  IIa,  132. 

Esplandian  L  320  ff.;  II.  LIL 

Espiegle  u.  Espieglerie  1^  18.3. 

des  Essarts,  >ficoTa8  Herberay  I, 

34ü  ff.,  364,  370,  312.  435. 
Essay  on  criticisin  II,  255  f. 
Esther  IIa, 

Estrauas.  Angriota  von  1^  404  ff. 

Etzel  L  2D5» 

Eubagen  II,  122. 

Eugenia  IIa,  1-18. 

Euleuspiegel  L  HL  UO,  112  ff., 

213,  270,  212  f.;  II,  1^  218; 

IIa,  76,  112» 
Eumathius  1,  214. 
Euriolns  u.  Lucretia  L  41:  II,  74. 
Europäische    Hof-,   Liebes-  und 

Heldengesch.  IIa,  I<>4. 
Enryniedes  II.  38. 
Eurvlas  IIa.  12Ö. 
Eusebia  II,  4L  IDQ. 
Etistathius  L  \h  i-^"4. 
Eutrapeliae  hist.-phil.  IIa,  115. 
Ewiger  Jude  IIa,  Zfi 


Google 


—    197  - 


Ewicfwehrender  Kalender  IIa,  5, 

22,  39^       60,  62j  65j  IL 
Exiliuin  Melanchofiäe  Tia,  110. 
Expertus  Rupertus  IIa,  12,  IßL 
Eyb,  A.  V.  L  90,  m 
Eyrinfir,  Euchar.  I,  IM. 
Ezla  L  ^  ff- 


Faber  Cantharopolitanus    129,  lfi2» 

Fabius  II,  ILL 

Fabliaux  L  8a7. 

Fabiilae  Milesiae  L  32. 

Faceiien  I.  1>2,  IM  ff.,  126.  128, 

im  Iii,  löL  ^  Har  113. 
Falangros  L  Üüü  ff. 
Fali.senns  IIa,  141. 
Fainaernsta  1,  Üo. 
Familienroman  (der  engl.)  II,  12. 
Famougomad  L  315  if.,  lüG  ff. 
Fasznachtspiele  I,  177. 
Faust  L  ÜL  ÜQi  201:  ff.,  265,  270; 

IIa,  76,  112. 
FaveursTIes  f.  et  les  disgraces  etc.) 

IIa,  11  f. 
Felicia  L  ^  ff- 
Felicitas  L  248,  254. 
Don  Felis  L  ^ 
Felismena  L  ^  flf. 
Felix  L  2i5. 
Gr.  Felsenstein  II,  m 
Felszecker  IIa,  24^  ÜQ. 
Femme,  l'honnete  IIa,  152. 
Fenelüu  II,  43i  Ha,  lüL 
F6raulaa  L 

Ferdinand  II.  u.  III,  II,  184^  — 

F.  III.  II,  Iil2. 
Ferdinandus  L  253. 
Ferrarius  IIa,  LkJ  f. 
Feverabend,  Siec:mnnd  T,  300j  3ilL 
Fianunetta  I,  424 ;  IIa.  L12. 
Fiction  'History  of)  L  1^ 
Fielding  L  iL  H.  22<L 
Fierrabras  I,  6t,  75,  U5  ft'. 
Filamon  II,  108,  250. 
Filemon  I,  42s. 
Filhart  (v.  Obret)  I,  ÖQ. 
Filicopo  I,  !^  ÜL 
Finkenritter  1^  12iL 
Fischart  L  94,  126,  13Ü  f.,  IM  f., 

191.  2ÖI  ff.,  213  ff.,  'ML 
Fischmentzweiler,  Artwisus  v.  1^ 

27s. 

Flavins  II,  li<8  ff 
Fleck,  Conrad  L  OL 
Fleckenstein  IIa,  Sil 


Fleming  II,  4L 
Fleurence  IIa,  Z£L 
Flöhhatz  L  212  f 
Florens  I,  76,  HL 
Florent  et  Lyon  L  25. 
Flores,  Juan  de  II,  21L 
Florestan  I,  311  ff.,  402  ff. 
Florignnde  L  üiL 
Florilegium  politicuin  auctum  IIa, 
116. 

Floriman  II,  132. 
Floriua  L  25H. 

Florio  u.  Bianceffora  I,  6L  241, 3QL 

Florindo  Ha,  Liü  ff. 

Floripes  1, 

Florisando  L  310. 

Florisel  L  332. 

Foillet  II,  15. 

Folz,  Hans  L  löL 

Fortignerra  L  :^57. 

Fortunatus  L  39^  i3j  81,  83  ff.; 

II,  136;  Ha.  26. 
Francesco  II,  im  ff. 
Franciou  IIa,  ö5  ff.,  90,  24. 
Francisci,  Erasmus  II,  122  ff.,  2öl; 

IIa,  im 
Franciscus  I,  253. 
Franck  II,  m 
Frau,  die  gute  L  24. 
Frauen-Reden  II.  99. 
Frauenzimmer  -  Belustigungen  II, 

103. 

Frauenzimmer-Gesprächspiele  IIa, 
120. 

Fremonde  IIa.  6g, 
Frene,  Marquise  v.  IIa,  164. 
Freudenhold  II.  IL  22,  2<L  Ha.  Ö5. 
Frey,  Jacob  L  137,  l:i8,  14L 
Freymttthige  Gedanken  II,  239. 
Freywillige  Gemüths-Schertze  H, 

Fridanc  L  186. 
Fridbert  L  245  ff.,  203. 
Friedberthar  IIa,  40. 
Friederfreute  Teutonie  II,  49,  105^ 
26L 

Friederich  L  100  ff. 

Friedrich  III.  v.  Brandenburg  II, 

238,  258. 
Frischlin,  Nicod.  L  120. 
Fronimftnn,dtsche.MunilartenT.125. 
Fromschmidt  v.  Hugenlelsz,  Israel 

Ha,  4Ö. 

Fruchtbriunende  Gesellschaft  II, 

95.  m 
Frygier  Aeneas  II,  9L  ilfi. 


—   198  — 


Fndasa  L  1^ 

Fürsten,  die  tentschen  cit.  II,  HL 
Fürstenau  II,  52 
der  Fütternde  IIa,  IßiL 
Fylane  U,  113. 


Gabler,  U, 

Gabriotto  und  Reinbard  I,  44,  2iQ 
ff.,  3QL 

Galanteries  diverse»  IIa,  168. 

Galaor  L  3Ö5  ff ,  43L 

(ialbin,  1,  IL 

GaIenu8"L  1^ 

Galeote  I^aaL 

Galtrenmännlein  IIa,  49^  58. 

Gallitia  IIa,  HL 

Galmy  L  ^  IL  löü  ff- 

Galpan  L  306. 

Galuanes  L  32Q  ff.,  Hfi. 

(ialyen  restorö  1^  ID. 

Ganasch  II,  IM. 

Gandacuriel  L  '^Iß- 

Gandadel  L  lilL 

Gandalac  L  ;10L  4U  ff. 

Gandales  L        ff  .  iö4  ff. 

Gandalin  I,  \m  ff-,  379,  302. 

Garadan  L  32L 

Garj^antua  L  ff. 

Garinter  L  303  ff. 

Gartengesellschaft  L  13ß  ff-,  IMj 

Gasqniilen  L 
Gaukeltaäcbe  IIa,  39. 
Gawein  ü£L 

Gayanpos  I,  334,  33fi.  ML  3M. 

Gaza.  Theodor  II,  235 

Gebauer  U,  180,  212.  235.  239, 

243.  250,  25L 
Geiler  v.  Kaisersberfl:  I,  133. 
Lied  vom  Geiziitjen  IIa,  üQ» 
Gelanor  L  31  ff.;  IIa,  L>Ü  f. 
Gelasius,  Papst  L  IM. 
Geneviöve  de  Brabant  I,  19. 
Genffenbach,  Pamphilus  1. 239.  223. 
Genofeva  L  liL 
Genserich  L  274. 
Gerhard,  Paul  IIa,  8L 
Gerlach,  Sam.  IIa,  115. 
Germania  L  1-^L  LIiL 
Germanicus  II,  m  19fi  ff. 
Gemier  vom  Hag  L  2^ 
Gersan  II,  ÜO. 

Gervinns  L  65.  74.  IL  81,  119, 
187.  203.  240.  265,  2üini,TL 
72^  97j  105.  132,  133.  262. 


GeachichtjEredichte    und  Gedicht- 

jjeschiohte  L  22. 
Geschichtklitterung  L  19lj  '«23  ff-t 

280,  2iil  ff. 
Geschicht-Reden  II.  98. 
Ge.schichtxchrift  L  215:  II,  99. 
Geschwenck  IL  Bebeiii  [,  1:^6. 
Gesellschatt,  Lustii^e  IIa,  1 IH. 
Gesichte   Philanders  IIa.  74. 

125. 

Gespräche,  freymüthig-e  IIa,  lfi2. 

Gesprechspiele  II.  9L  92. 

Gesta  Romanorum  L  82,  84^  118j 

uu.  m 

Geübte,  der  IIa,  14.'>. 
Giaffer  L  92. 
Gibald  t  IfiÜ. 
Gibig  IIa,  4Ö  ff.,  Iß. 
Giletta  L  ÖL 
Gillan  L  3iL  iQ4. 
Ginevra  L 

Giontes  L  326,  iOß  ff. 

Giraldi  L  5,  30. 

Giro,  Gironr»  L  m  358,  3ß& 

Giuseppe  II.  ÖL 

Gläser,  Enoch  II,  1D9. 

Glücks-  und  Liebeskampf  II,  15. 

Glücksverwaudlung  der  Verliebten 

IIa,  im 
Gobrias  II,  3S  ff. 
Godwin,  Fr.  IIa,  8» 
Goedeke  I,  28,  64.  74,  77.  92. 116. 

IIÜ  f.,  113.  IIa.  IM,  192,  ISö. 

196,  221,  225.  238  ff.,  m  2ßÖ. 

273.  424;  II,  15,  17,  4K  58. 

103  ff.,  126,  lölli  IIa,  m  I14ff., 

130  ff. 

Goethe  L  215^  3I0i   U,  6,  226. 

Goldfaden,  der  L  210,  254  ff. 
Gomberville  L  433  ff.;  II,  I41i 

20Ü. 
Gonella  L  IML 
Goniscsa  L  323. 
Gonsales  IIa,  & 

Görres  L  ^  65,  13  ff.,  79i  80,  84, 

8L  119ff 
Gothart  II,  192. 
Gottfried  L  82. 
Gottlieb  L  241  ff. 
Goitraeyer  IIa.  ML 
Gottsched  II,  12,  251  ff. 
Gottwald  II,  199  ff. 
Graal  L  38.  ^  33Ö. 
Grasandor  L  326  ff. 
Grasiuda  L  3?^ 


j  Google 


—    199  — 


Gräsze  I,  7^  77,  82,  Bi,  89.  124, 
2^  m  ^  ;Ji(J,  36üi  II,  15, 
17,  2Ö.  9L  IWL  102.  107;  Ha, 
8,  m 

Grauen  Mappe,  Verfasser  der  11,43. 

Grenailles  II,  löL 

G reu  sing  L  2LL 

Grinianesa  L  28;i  ff. 

Griinhild  IIa,  lü. 

Grillenvertreiber  L  191^  IM  ff. 

Grimm,  Fr.  W.  iH  23a. 

Grimm,  Jac.  I,  71,  IIQ  f.,  186. 
223,  225. 

Grimmelshausen  L  143,  199,  283, 
m  ML  419:  irrÜ  läf.,  16, 
2(L  2Ü  5a  ^  75,  83,  139.^ 
249;  IIa,  iC  122ff.,  IMff^ 

Griseidis  L  iL  79,  91,  92. 

Gröber  L  ^ 

GrossetCHt,  Kob.  II,  80. 

Grotius,  Hugo  L  24. 

Grumedan  L  322  ff.,  4ÖÖ  ff. 

Grüuiuger      OL.  IQ. 

Gryphius,  Andr.  II,  47,  48,  100, 
206;  Chr.  II,  230. 

Guelfis  II.  4iL 

Guevara,  Ant.  II,  lö;  IIa,  5,  30, 

ÖL 

Gui  V.  Burgund  I,  63. 
Guillau  L  4J_L 

Guiscard  u.  Sigismunda  I,  9Q  ff. 

Gulistau  II,  42. 

Gundling  II,  243,  251,  255. 

Gundwald  IIa,  4ü  JT^ 

Gu.sman  v.  Alfaracbe,  vgL.AIeman. 

Gustav  Adolf  II,  m 


Habichthorst,  Andr.  Dan.  II,  öfi. 
Hagdorn,  Ch.  W.  II,  4s,  140. 
Hageciu.«:,  Wenceslaus  L  iJÜ. 
V.  d.  Hagen  L  72,  74i  ITOi  iöL 

199,  201.  2ÄL 
Hagenwald  I,  m 
Haimonskinder  L  ÖL  64,  339. 
Hamann  II,  231L 
Hannos  Seereise  L 
Happel  L  26i  II,  259l  Ha,  77^  109, 

145  ff..  160,  ML 
Hapsa  Ha,  51  f. 
Härder,  Michel  L  43. 
Harlequins  Hochzeit  IIa,  152. 
Harpalice  11.  195. 
Harsdörffer  L  424,  429,  450i  II, 

ÜLL  22  ff.,  IIL  2()ii  Ha,  112  f. 
Hartlieb,  Johann  I,  äQ. 


Härz-wäbrt  II,  60. 

Hassana  II,  1Ü3  ff. 

Haupt  L  222. 

Hauptpillen  IIa,  116. 

Die  drei  Hauptverderber  L  Deutachl. 

Ha,  124. 
Haupt  s  Zeitschrift  L  HO,  122. 
Hebräerinnen  II,  12^» 
Hedewig  II,  Ul. 
Heidegger,  Gotthart  II,  233,  ^ 

24ü  ff. 

Heidelberger  JahrbUdier  L  223. 
Heiligenlegenden  I,  6. 
Heindörffer,  Konrad  I,  Zö. 
Heinrich  IIa,  IML 
Heinrich  von  Braunschweig  L  81. 
Herzog  Heinrich  Julius  1,  122. 
Pfalzgraf  Heinrich  1,  222. 
Heinrichmann  I,  129,  1.3({. 
Heinrich  IV.  von  Frankreich  1,430. 
Heinz  Ontrost  1,  248. 
Helaine,  Le  roman  de  la  belle  de 

Conj«tantinople  1,  IM. 
Helden-  u.  Liebes-Geseh.  IIa,  165. 
Heldenbuch  1,  170^  IIa,  lü. 
Heldenliebe  der  Schrift  II,  159. 
Heldenschatz  IIa,  Zü. 
Helena  L  21Ü. 

Helena,  die  Türkische  IIa,  165. 
Gesch.  V.  d.  geduld.  Helena  I,  18. 
Heliene  sans  per  1,  338. 
Heliodor  L  L  9.  33,  94^  II,  24L 
Helmovil  11,  im 
J.  Helwig  Ii,  ILI2. 
Hemor  von  Canaan  II,  122. 
Henriette  v.  Bourbon  H,  43. 
Heptameron  Ha,  78. 
Heracleon  II,  32. 
HeracliuH  Ha,  51  ff.,  HL 
Heraclius,  Der  tapfere  II.  176. 
Hercinie  II,  48,  49, 104, 105^  IIa,L 
Hercules  vom  Gestirn  1,  33*. 
Herdegeii  11,  23  ff. 
Herkuladisla  II,  110,  HÜ. 
Herkules,  Herkuliskus  I^  15,  25, 

368;  II,  m  ff.,  120,  122,  235, 

250. 

Hermanfried  IIa,  4L 
Hermann  II,  Ül2ff. 
Landgraf  Hermann  von  Hessen  IIa, 
132. 

Hermannus  I,  254.  258. 
Hermengard  IL  201. 
Hermion  II,  1h4. 
Hermiontes  (Hemiintes)  Ha, 
Heroine  musqnetaire  IIa,  lÜQ. 


-    200  — 


Heroisch-i^alauter  Roman  L  421  ff,, 
laä  flf.;  II,  2  ff.,  2«:  IIa,  h  2^ 
UX). 

H^ros  de  Roman  L  ML  U,  206, 

Heizüi;  Herpiu  od.  d.  weisze  Ritter 

Hertzbruder  IIa,  2H,  ff.,  96,  ÖL 
Hexameron  IIa,  1;^}). 
V.  d.  Heyde,  Frantz  .lansz.  II,  177. 
Heyn,  liabriel  I^  lÜL 
Hieiiipsal  II.  M  ff. 
Hi^vauama  II,  llü  ff. 
Hildebrand  1,  IM» 
Hiluchi  IIa,  UL 
Hilario  IIa.  Iü2. 
Hiob  11,  iSÜ 
Hippon  II,  m 
Hiilanda  1,  liL 

Hirs'  hberg,  Valent.  Theocritus  von 
L  4Ü1 

Hirschfeld,  Samuel  Greiffnson  von 

IIa.  13,  i<2j  23,  öa 
Histoire  g6n6rale  des  larrons  IIa, 
Histnires  tra^iques  de  notre  temps 

IIa,  ilL 

Histoires  tragiques  extraites  des 
Oeuvres  Italieunes  du  Bändel 
IIa,  liL 

Historia    de     exordio  capellae 

Frawenkirchen  1^  JjL 
Historische  Nachricht  II.  93,  Ö5. 
Hij<torische  Schaubühne  IIa,  LLfl. 
Historischer  Blumeni:artenlla,lßü. 
Histonscher  Kern  IIa,  lß2. 
Historischer  Rosent?^arten  IIa,  118. 
Historisches  Bilderhaus  IIa.  Iii). 
Hisrnrisches  Labvriuth  der  Zeit  II, 

Historisches  Rosengebüsch  IIa, 
LliL 

—  Spatzier-   und  Conversation- 

Büchlein  IIa.  IliL 
Hochdeutscher  Helikon  II.  55^ 
Höre  V.  Wätterst<»rf  IIa,  Llü* 
Hoffmann  L  •^4"). 
Hoffmatinswaldau  II,  159,  25,5. 
Hoffmeister,  der  getreue  IIa,  IfiL 
Matthäus  Hoffstetter  II,  211 
Hofiiiann  L  5iL 

Markgraf  Rudolf  v.  Hohenburg  L 
LL  I 

Hüht-r  Trauersaal  od.  Steigen  und 
Fullen  y:roszer  Herren  IIa,  IIH.  ; 

Holland,  L.  1,  125^  IIa,  2a. 

Holländerin,  die  schöne  IIa,  ' 


Honoria  IIa,  51  ff. 
Hopfensack.  Ritter  IIa,  ÜL 
Höpfner,Ref<)rmbestrebungenII,15. 
Uoratius  Codes  i,  üiL 
Horn  u.  Rimenild  L  Ii. 
Hortensius  IIa,  Gü  ff. 
Hub,  Iguaz  L  lüL 
Huber,  .Joh.  II.  248;  IIa,  134, 
Huet  (Huetius)  I,  2,  4  ff.,  2iL 
Hngschapler  I,  ü9  ff.,  15. 
Huldreich  II.  02. 
Hülffreich  IIa,  ML 
Hummeln  I,  I^  f • 
Hunibald  L  ö. 
Hunold  L  15. 
Hyanisbe  II,  M  ff. 
Hyperephanier  II,  3iL 
Hypocras  L  L£L 

Hypolite,  Gräfin  v.  Donglas  IIa, 
1U5. 

Ibburanes  II,  33  ff. 
Ibrahim  1,  440^  II,  5G,  5h  ff.,  Ö3  ff. 
Immerlustig,  Ernst  IIa,  116. 
Inconstantia  IIa,  154. 
India  II,  112. 
Indianische  Reisen  II,  III. 
Indistavisus  II,  2iIL 
Iniruiomer  II,  2tLL 
L  innocence  reconnue  Ij  ZS» 
Irdonozur  IIa,  Q  ff. 
Iro,  Don  IIa,  145. 
Der  Irr  Reitend  Bilger  1^  230. 
Isabella  II,  aü  f. 
Isania  L  312  ff.,  3ÜI  ff. 
Iseo  Labrunda  1,  337. 
Isidorus  IIa,  140. 
Ising  IIa,  lüfcL 
Ismene  II,  IH.5. 
Ismen  ins  L  94,  273,  2ßL 
Isolt  1,  üLL 
Ivo  L 

Iwein  Ij  321. 

Jacob  IIa,  Ifi. 
Jamblichus  L  L  3fiiL 
Jan  Perus  IIa,  ML 
Jardin  de  flores  curiosas  IIa,  139. 
Joachim  I,  ^  12^ 
Joachiiuus  Caesar  II,  15. 
Jobin  L  214. 
I  Jöcher  II,  ÖL 

•loconde  IIa.  22. 
I  Jocorum  et  seriorum  libr.  duol,  13Ü. 

Johann  v.  Capua  L  125. 
'  Johann  Georg  v.  Sachsen  II,  ISÖ. 


,  Google 


—    201  — 


Johann  Hartlieb  1,  8Q» 
Johann  v.  Würzburjä:  L  224. 
JoDHohn,  Matthias  II,  10s. 
Jorcus  u.  Zivelles  L  üi^L 
Jördens  L  IMi  II,  **4,  I2ß  ff.,  135i 

2'y()\  IIa,  LL 
Josef  II,  15  ff.,        IIa,  15 ff,  23, 

40,  62,  liL 
Josephus  L  120,  123,  186;  H,  85. 
Jo>epb  V.  Ariniatbia  1^  33U,  336. 
Juba  L  ^  11,  läö. 
Jubil  II. 
Juda  IIa,  UL 
Judas  IIa,  m 
Jude,  der  ewi^e  L  22L 
Judendeutscher  Wigoleisz  L  öÖ« 
Jüdische  Sajfen  Ua,  UL 
Julia  II,  IhL 
Julian»'  1,  317. 

Juliana,  Schäfereien  v.  d.  schönen 

II,  15.  Ü2 
Juliano  II,  137. 
Julianus  IIa.  140. 
Julius  Caesar  II,  m,  iÜL 
Julus  und  Avarus  IIa,  dL 
.Junker  vom  Meere  1^  iJiß. 
Justina  II,  2«:  IIa, 
Justinian  II,  5^ 
Juatinus  IIa,  13{). 

Kaiser  Karl  d.  Gr.  I,  62,  95  ff.,  m 
Kalenberg,  Pfaff  v.  I.  127.  185. 
Kalloandro,  Prinz  II,  UM. 
Kalt  u.  Wann,  Weisz  u.  Schwarz 
IIa, 

Karl  L  v.  Engl.  II,  m 
Kassandra  L  H5,  2,50. 
Katzipori  L 139.  ÜO»  153 ff.,  ir»8,27Q. 
Kelchner  L 

Keller,  A.  v.  L  8Ü  f.,  124,  131, 
146,  342,  :m\  IIa,  25j  55.  m 
Kienlen  L  üaL 

Kindermann,  Balthasar  II,  136, 

231),  258. 
Kircher,  Athanasius  II,  ML  t4L 
Kirchhoff  I,  lÜÜ  f .  * 
Klara  II,  LCL 
Klearchus  L  2* 
Kleomedes  II.  fiL 
Klingenfeld  IIa,  1ASL 
Klosterbibliotheken  IL  242- 
Klügsten  Leute,  die  drei  IIa.  124. 

im 

Knabenspiegel  L  24Ö.  2M.  2iia. 
Koberstein  1,59,119,  267^  IL  ^ 
ÜL  251ü  IIa,  LiL 


Koch  II,  QSL  m 

Kögel  Ha,  iL  LL  2<L 

Köhler.  R.  I, 

Kongehl  IL  2ü2- 

Kormart  IL  LM)  f. 

Krebs  an  der  Deichsel  1,  140. 

Kriegs- Roman  IIa,  161. 

Kroeber  u.  Servois  L  02. 

Kruffter.  Servais  L  IIÜ  ff. 

Krüger.  Barth.  L  1112. 

Ktesias  L  ö» 

Kuffstein.  Frh.  v.  1,  42£  430;  U, 

16, 29  f..  m 

Kühne  1^  210. 
Knrandor  II,  136.  231L 
Kürschners  Nat.  Lit.  IIa,  1Ö8  f., 
115. 

Kurtzweilige  Sommertäge  IIa,  142f. 
Kurtzweiliger  Zeitvertreiber  IIa, 
ü(L  lllL 

Kurz,  H.L  m,  237  ff.,  26L  IL  76; 
IIa.  8,  13,  25,  32  ff.,  48  f.,  55, 

63,  TB,  loa  f. 

Udasin  L  311,  41fi. 
Ladisla  IL  Ui  122. 
Lafayette  L  438^  IL  23L 
Laienbuch  L  104  ff- 
Lamp recht  L  82. 

Lancelot  L  .^L      23fi  ff.,  337i  356, 

368;  II. 
Languines  L  iiö4  ff.,  .^37. 
Lappenberg  1, 112  ff ,  18Ö  ff.;  IL  ÖL 
Lasalee  II,  lilZ 
La.sarus  I,  25L 
Latendorf  I,  125. 
Lauremberg.  Peter  IIa,  114,  Hfl. 
LaurcU  I,  242.  254. 
Laurette  IIa,  üü  ff. 
Lauter-muht  II,  68. 
Lazarillo  de  Tormes  II,  22  f.;  IIa, 

64,  fiö- 

Lehmann,  Chrtph.  IIa,  116,  12L 
Leipziger  Landkutsche  IIa,  166. 
Leugfrisch,  Simon,  von  Harten- 
fels» IIa,  55, 
Lenglet  du  Fresnoj'  L  lü 
Lentulus  L  12Ü  f . 
LeonarduH  Aretinus  L  fifi» 
Leonora  L  315  ff'.,  32a  4ÜÖ  ff. 
Leonorina  L  322. 
Leopold  L  IL  184,  239.  258. 
I  Leopold  u.  Leonore  L  HL 
Leopoldus  L  85. 
Leoriander  II,  107. 
Le  Sage  L  281;  II.  IL 


—   202  - 


Lesman.  Dionys.  H,  dd. 

Leu,  Peter  L 

Lewfried  L  '.iül  ff. 

Leyermatz  IIa,  Ufi. 

L'hoiuiiie  dan.s  la  Lüne  IIa,  ä. 

Libia  IIa,  iML 

Licorides  L  ^ 

Liebe  im  Kloster  IIa,  IM. 

Liebes-  u.  Heldengedicht,  Talan- 

ders  letztes  IIa,  IM. 
Liebesbegebenheiten,  curiöse  IIa, 

Liebesgeschichten,  Heinrichs  cet 

IIa,  IIÜL 
Liebesgeschichte,    wahrhafte  am 

tiirk.  Hofe  IIa,  Ifis. 
Liebesirrgarten  IIa,  lt)4. 
Liebeskabinet  IIa.  l&L. 
Liebrecht  L  19,  itL 
Lieb-.  Tugend-  u.  Ehreuspiegel  II, 

Liederbuch  ans  dem  XVL  Jahr- 
hundert IIa.  liL 
Lindener  I.  92,  115,  136.  m  140. 

m 

Lindenfeld  IIa,  155< 
LindopoUnder  IIa,  106. 
Lindoracq  l,  dlö  ff. 
Lion  L  16. 

Lisuart  L  305.  'm,  379. 
Lisuart  v.  Griechenland  L 
Livia  II,  1K2  ff. 
Lixa  II.  iL 

Lob  der  Narrheit  L  2m 
Lob  des  Esels  L  ÜIS. 
Locani  II.  137. 
Logau  IIa,  IL 

V.  Lohenstein.  Daniel  Caspar  L  L 
JA  446^  U.  5.  9i  l:i  4r).  Ah.  .yJ. 
61.  rJO,  LiJ  ff.,  KU.  135,  LiiL 
158,  100,  Lm  ff.,  m  m  2U, 
Uli  ff..  211t  221.  2:ia  ff.,  229, 
231.  23fi  ff..  2i3.  245  ff.,  25Ö  f., 
251  ff.;  IIa.  ni,  LLL 

Lohensteinius  sententiosus  II,  '^3. 

V.  Loheustein,  Johann  Caspar  II, 

ISO- 

Loher  n.  Maller  L  Öfi, 

Loosbuch  L  23iL 

Lope  de  Vega  L  69,  ML 

Francisco  Lopez  de  Ubeda  II,  ^ 

Pero  l,opoy.  de  Ayala  L  3.35. 

Lorangy  11.  llil  f. 

Loredano  II.  93  ff.,  ÜÜff..  102,  214. 

Lorenz  L  2.'">:^ 

Lotarius  L  245  ff. 


Löwhardns  L  120. 
Loznian  L  258. 
Lnbania  L  328. 
Luce  IIa.  70. 

Lacema  diEnretaMisoscoIo  IL1Ü2. 
Lucia  I,  251  ff. 

Luciau^  L  9.       447;  II.  HL 
Der  rachsüchtige  Lucidor  II,  10s. 

2fi2. 
Lucina  L  82  f . 
Lucius  IL  Ibö  ff. 
Lucretia  L  44iL  H.  ÖÖ. 
Ludolflfus  I^  210. 
Ludwig  IIa,  Üd. 
Ludwig  XIV.  IL  43,  46.  lüL 
Lügengeschichten  L  192. 
Luhdwichche  II,  10. 
j  Lumpus,  Oberst  IIa.  ÖL 
Lupanie  IIa,  16(i. 
Luther  II,  192l  Ua,  fi. 
Luthersche  Bibelübersetzung  II. 

2 10-.  IIa.  5. 
liUthers  Tischreden  L  142. 
Lycli-warc'h  L  338. 
Lympida  IIa,  5L 
Lyranu.s  IIa,  148. 
Lvsander  u.  Kalliste  II.  56.  65. 

74,  22L 
Lysias  IIa,  130. 
Lysimachus  L  444;  II.  ll>5. 

Mabila  T.  44,  313.  3fl5. 

Macandon  L  316. 

Macaon  II.  IfifL 

Macarie  II.  262. 

31acaronica  L  131. 

Madasima  L  310  ff.,  315.  aSL 

Minliiique  L  ■^9. 

Magelone  L  43,  74,  141,  ÜOL 

Magemia  II.  104 

Mahomet  n.  Hyrenea  II,  15. 

Hans  Mair  v.  Nördlingen  L  ÄL 

Maladie  et  mort  cet.  IIa,  15iL 

Malaspina  IIa.  1.^9. 

Maicoimo  von  Libendan  IIa.  109. 

Malegis  L  Ö5.  339  ff.;  IIa,  LLL 

M.  Aleph  Beth  Girael  L  IM. 

Malovend  II.  183  ff. 

von  Malt/^ihn  L  20. 

Mancadon  L  31Ö  ff. 

Mandafabul  L  315  ff.,  41L 

Mandane  L  441  f.;  11,  !iL 

Mandorell  L  2!L  IIa.  lüL 

Manifest  wider  diej.,  welche  die 

roth  u.  güld.  Barte  etc.  IIa,  58, 

62. 


,  Google 


—   203  - 


The  Man  in  the  Moon  etc.  IIa,  8. 

Männling  II.  m  255. 

3lap.  Walther  L  7^ 

Marbach,  O.  L  2L  60,      ff.,  TO^ 

MO,  Hl  IMI  lliL  liliL  222. 
Marcftssns,  P.  do  IIa.  ^C^H. 
Marco  mir  II,  IM. 
Marco  Polo  L 
Marcs  de  Corniiallo  L  33L 
31aret8  II,  1  Ifi. 
Margarita  facetiamra  T. 
Älar^'arete  v.  Lothrinj^en  V.  63. 
Mar>j:uerite  v.  Valois  u.  Navarra 

h  43.  343^  IIa,  78,  IßÖ. 
Slarina  L  2ilL 
Marini  II,  IM 

Markhold  II.  Qü  ff.,  73,  IM  ff. 
Markoif  I,  löö  ff. 
Markomir  II.  111  f. 
Marioeline  II,  H)0. 
3Iarobod  II,  IBß.  IM  ff. 
3Iarqnart  v.  Stein  L  12fL 
Mars  II.  IM 
Marsanlt  IIa,  ÖL 
ilarsius  II,  121L 
Martabane  II,  IM  ff. 
Marzebilla  L  7«>,  LkL 
Masetto  L  l2tL 

Matheraatische  Erquickstunden  II, 
92. 

Mathilde  von  Oesterreich  L  4L 
Matrone  von  Ephesns  L  123. 
3Iattbäus  L  iü. 

ilaundeville,  Sir  John  L86,87j  221. 
Mauretanien  II,  34. 
3Iauritius  IIa,  51  ff. 
Mauritius  v.  Ferrara  IIa,  140 
Maximilian  IIa,  lü2x 
Kaiser  Maximilian  L  127,  2^  II, 
l&L 

Maximilian  v.  Baiern  II,  lö. 
Medoro  L  2IÜ. 
Meier,  Joachim  II.  84,  128. 
Meister.  Wilbelm  II,  2^ 
3lelau.ler  l         1421  Ih  75. 
Melanofenie  L  iL 
Melchisedek  II,  121L  242. 
Meieander  II.  dü  ff. 
Meletaon  IIa,  1  *!."). 
Melicia  L  .lüL 
M^lintes  II.  IUI  f. 
Meli.sea  L  305  ff. 
Melissa  IIa,  HL 
Melo  II.  lüß  ff. 

Melusine  L  4L  43,  41, 12»  73,  301i 
IIa,  Zß.  I 


Menantes  L  Iii  H,  12^  ^  IIa. 

m  IMf. 
Mendelssohn,  Moses  II,  212. 
Mendoza,  Diea^o  Uurtado  de  II,  2L 
3Iephostophiles  L  2Dß. 
Älerlin  L  3H,  m 
Biensdorf  L  IS. 

Mesopotamische  Schäferei  etc.  LI 
12!L 

Älesserschmidt,  G.  F.  IIa,  130. 
Meszmahl,  Sig-neur  IIa,  50» 
Meier.  J.  L  20. 
3Iichelant  L  Ö4. 
ÄIilcAride  II.  12iL 
Milon  IIa,  14L 
Minos  L  447. 
Miraeruarda  L  359. 
Mireflor  L  314  ff..  4Q5. 
Mistevoi  IIa,  125. 
Mithridatos  L  3ßö. 
Modestus  IIa,  5Q  ff ,  la. 
Moller  II.  ^  IIa,  Ifil  f. 
Mttller.  Joh.  aeorge  II,  m 
3Ionaak  II.  5iL 

Monat.sffespräche  II.  239,  240. 
Le  Monde  araoureux  et  galant  1. 15. 
Mone  Ij  72. 
Mongaze  L  318  ff. 
Monstreil  L  ailL 

Montalvo  L  333  ff..  340,  341  34fL 

352  ff,  3IL  435. 
Montano  L  425  ff. 
Montanus,  3tartin  L  SL  115.  137. 

138. 

Montemayor.  Jorge  de  1^  423  ff., 

430  ff  :  II,  93. 
3rorhof  L  22  ff.,  3D. 
3Iormionde  L  Ö2.. 
Moscherosch  IIa,  L  12»  14»  14, 

125.  m  m  mi. 

Kloses  II.  Hi 
Mouchemberg  II,  42. 
Muhme  Katherine  IIa,  123. 
Müllenhoff  L  HL 
Müller.  Gottfr.  Ephr.  II,  255. 
Mummelsee  IIa,  30.  55,  m 
Mllratielgart.  Christoph  von  L  24. 
Münchhausen  L  1112. 
3Iui)taner,  Ramon  L  33fL 
Muraena  II.  lÄL 

Äfnrner.  Thomas  L  ISL  183.  m 
Älusai  II.  7«,  I39i  IIa,  15,  LI  ff. 
3fu8eum  f.  altd.  Lit.  u.  K.  L  M. 
Mustaffa  IIa,  140. 
Myrologns  IIa,  50  ff. 
Mythoscopia  Homantica  II,  234  ff. 


—   204  — 


Nachbaurn.  von  tönten  und  bösen 
L  2i(L  ff. .  mL  2li;L  im 
2SÜ  ff. 

Nachtbüchlein  L  Ii  iÜÖ,  ÜU,  lliÖ 
ff..  1112. 

Nachtigall,  Lied  auf  die  Ha,  fiO. 
Naftalerin,  Die  II, 
Naimas  L  63,  IQÖ. 
Nais  IIa,  22. 

Narrenbeschwenin^  L  239. 

Narrenbuch  L  löL 

Das  Narrensrieszen  L  23Ö» 

Nascian  L  ff. 

Nassau  II.  U)7. 

Nefrem  II.  Iii  ff. 

Nero  II,  12ü  ff*. 

Neuenstadt.  Heinr.  v.  I,  ÖL 

Neueröffnete  Trauerbtthne  IIa,  118» 

Neukirch.  Benj.  II,  lüQ.  255. 

Neumarck.  (ieorif  II,  5L  IQIf.,  258. 

Nherandi  II,  102  ff. 

Nicandre  IIa.  171. 

Nicephorus  IIa.  i-tO 

Niceron  II.  ia. 

Niclas  L 

Meister  Nicolas  L  350. 
Nicopompus  II,  31. 
Nicoran  X  411. 
Nimbsleben  IIa.  45. 
Nitokris  II.  IL 
Noel,  Fr.  Jos.  L  12L 
Norandel  L  iilil  ff. 
Nor^alles  L  33H. 

Norls,  die  liebensw.  u.  IIa,  1B5. 
£ines   Nordischen  Hofes  Liebes- 

u.  Heldens^esch.  IIa,  lfi5. 
Normanna.  Prinzessin  IIa,  IfiS. 
Notest^rich  II.  in.  LUL  125. 
Notker  Labeo  I.  mL 
Novelas  exempTäres  II,  21. 
Nnmeli.sinthis  II.  1 1>5. 
Nürnberger  Dichterschule  II, 

m  ff.:  IQL 
Nürnberger  Schäfer  L  ^ 

Ochssenbach  II.  49. 

Octavia  L  LL  L2ö  ff.,  läL  135; 

II,  ÜL  12Ü  ff..  211. 
Octavianus  L  ü  lä  121, 122,  141, 

aöL 

Odia  II.  122. 
Oenone  II,  ÖÜ. 

Oesterley  L  ÜÜ.  12Ü.  liÜ  133, 

135-  im,  lAiL 
Offne  Thür  z.  d.  verborgu.  Hevden- 

thum  II.  122. 


Ogier  L  63,  80. 
Olinda  I,  324. 
Oliuas  1,  £LiL 

Olivier  11  62.  SO.  9^;  IIa,  ffi  ff., 

ßß,  aß  f,.  im  iHL 

Olivier  u,  Artus  L  ßil 
Olot»dpmus  II,  33  ff. 
Olorena  II»i,  liü 
Olyiiipi.i  II.  Iö5. 
Onogainbo  IIa,  lül  ff. 
Onoloria  v.  Trapeznnt  L  35lj. 
Opitz.  Martin  L  3ßl  ff..  42£  431^ 

II.  L  6.  L  aa  42 ff*..  4äf.,  ÜL 

IM:  IIa.  L  60. 
Opitzianer  II.  UCfi.  210,  22L 
Orangil  I.  305  ff. 
Oriana  L  4i.       ff.,  322.  aSQ  ff. 
Oriande  L  33iL 
Orniondo  II,  102. 
Orontaus  IIa,  52  ff. 
Oronies  I^  444. 
Oroondate.««  L  443. 
Orwin  L  242. 

Ostländischf'r  Lorbeerhain  II,  48. 
Otger  V.  Denneinarck  L  26,  öS. 
Othoraar  Lnscinius  L  ^'^^ 
Otho  Melander  L  12iL 
Kaiser  Otto  L  hü.  222. 
Ovid  1^  2311. 

Paderbrnnnen  II.  l£ß. 

Pahsch  Bastei  V.  d.  Sohle  II,  2S. 

Palrtinedes  II.  lüL 

Palekin  II,  126. 

Pallavicini  II.  ÖL  fi5.  1Ö2.  155. 

Pallidor  II.  12. 

Palm,  H.  IIa,  124.  126. 

Palmerin  von  Oliva  L  352. 

Palomir  L  41L 

Pandior  II.  lüd  ff. 

Pantagrne!  L  275  ff.,  228  f..  362. 

Pantoja  II.  Iti '. 

Parisatis  L  444. 

Pasquier  L  ^iQ. 

Pasquilla  L  131. 

Passow  11,1.  4,  63. 

Patin  L  3L1  ff. 

St.  Patriciüs  L  85. 

Patrix  L  245. 

Pauli,  Joh.  L  43,  liJ2  ff.,  m.  138. 
142.  142.  123.  280. 

Pauliini.  Christ.  Franz  IIa,  121  f. 

Paulus  Cassius  IIa,  141. 

San  Pedro,  Diego  de  IL  22- 
j  Don  Pedrn  u.  .Agnes  v.  Cartro 
1       na,  163. 


,  Google 


Pegnitzscbftfer  II.  Ol  ff. 

Pegu  11,  im  ff. 

Peinhroke.  Gialin  v.  1,  431. 

Pentai)olis  L  üJ^ 

Kaiser  Pt'pinua  IIa,  142. 

Percel.  Üonion  de  L  UL  3i2,  344^ 

370;  II,   IIL  211  00,  02,  Sil 

IIa,  ö,  Zö.  164,  Iiis, 
Perceval  L  -iü 
Penliccas  L  444. 
Perrette  IIa,  üL 
Perelina  II.  lüL 
Perez.  Aiulreas  II,  28. 
Pericle.s  I,  «2i  IIa,  50. 
Perion  L  -lüä  ff.,  338,  353,  4Ö4. 
Peniauer,  Ferd.  Adam.  Herr  v. 

IVrney  II,  14L  2üii 
Peniauer,  Joh.  Phil.  II,  142. 
Perseforestiis  I,  'ML 
Person nages  d^guisö.s  I,  43Ö. 
Petroniii.s  h        II,  2iiJ. 
Petrus  Alfon«U8  L  125. 
Ptedersheiiner  L  132. 
Pteifler.  Franz  L  125. 
Pfeiffer,  M.  Christoph  II.  Iä(L 
Pfitzer.  Joh.  Nik.  L  212. 
Pforr,  Anton  von  Ij  125. 
Phantasus  L  24. 
Pharamond  L  445^  II,  142. 
Phareinun<l,  Christian  II,  29. 
Pht'iecydea  L  iL 
Philander  IIa,  HD  ff. 
Philipp  IIa.  m 

Philipp  II.  L  353, 432]  U,  43,  102. 
Philippus  II,  lüü. 
Philoniena  I,  24L  284  ff. 
Philosophische   Luststunden  IIa, 

Philoritratns  1,  fi. 
Plioeni<;ia  II,  41L 
Phokas  IIa,  5L 
Phyloconio,  Historia  v.  Ij  14. 
Piali  IIa,  140. 

Picaresker  od.  Schelmenroman  II, 

10,  218]  IIa,  1,  64,  yo,  120. 
Picaro  II,  Ifi. 

Von  einem  piemontes.  Edelmann 

etc.  II.  15 
Pigna  L  5. 
Pinela  L  Ü2L 

Pintiquiniestra  h  351,  353,  359  ff. 

Pipin  L  68. 

Piramus  t  IM 

Pisistratus  II.  lüL 

Papst  Pius  II.  L  Ü3. 

Le  idaisir  des  dames  II,  104. 


Platir  L  359. 

Plato  L  355  f. 
Plautia  II.  LILL 
Plutareh  L  12»;  II.  235. 
Podaurammisches  Trostbüchlein  L 

2Iä. 

Poetischer  Trichter  II.  92. 
Poetisch  -  historischer  Lustgarten 

II.  im 

Poggio  L  126, 128, 129,  137, 138,  IM. 
Pokazi,  Der  artliche  IIa.  Liif. 
Poliarchus  II,  30  ff. 
Polidora  L  42Ü  ff. 
Polikana  L  lüü. 

Politische  Bratenwender  IIa,  133. 
Bftrstenbiudergeselle  IIa,  133. 

—  Colica  II:i,  LilL 

—  Fenerraäner-Kehrer  IIa,  133. 

—  Grillentanger  IIa,  1-33. 

—  Halbfisch  IIa,  133 

—  Hof-Mäilgen  IIa,  133. 

—  Leyermann  IIa.  133. 

—  Manlaffe,  IIa,  133. 

—  Nä.scher  IIa.  m  13L 
---  Passagier  IIa.  l.^:}. 

—  Redner  IIa.  1Ü2. 

—  Stockfisch  IIa,  133. 
Politischer    etc.  simplicianischer 

Hanenkopf  IIa,  KHK 

—  Tractfit  von  Staats-  u.  Liebes- 
saehen  II,  262. 

Politisch-theologischer  Tractat  II. 
262. 

Pol6xandre  L  441  f . 

Polycari)  v.  Kirlassa  L  192. 

Poua,  trancesco  II,  43,  ifl2i 

Ponnedro  II,  lül  ff. 

Kaiser  Pojitianus  L  120 

Pontua  u.  Sidonia  I,  4i  ÜÜ  ff..  30L 

Pontus,  Polemon  von  II,  iö5  ff. 

Pope  II,  255  f. 

Porcius  Cato  II,  195. 

Porphyrins  I,  36jL 

Possevin  I.  24L  'ML 

Potiphar  Ii,  II  ff.;  IIa,  IL 

Praktik  L  210 

Praetorius  IL  ^9. 

Prasch  II,  262. 

Primaleon  L  356,  369. 

Priorau  II,  52. 

Procelli  IIa,  lÄL 

Prora  II,  m 

Prosa  -  Auflösungen  mittelalterl. 

Dichtungen  I,  32  ff. 
Prosadichtungen.  Gesch.  d. ,  v.  .1. 

Dunlop  L  19. 


—   206  — 


Prosadicbt,  Entstehung  der  in 
Europa  L  23  ff. 

Prosa  ijegen  Ende  des  M-A  be- 
liebter als  Verse  L  32  flf. 

Prophnlidor  11,  2aiL 

Protoj^eues  IIa,  IL 

Proximus  u.  Lympida  II,  139;  IIa, 

16,  5Q  ff..  6L  la. 
Psellus  L  düÜ. 
Psyche  cretica  II,  262. 
Pu  ci  L 

Püterich  V.  Reicherzhausen  1.41.77. 
l^yloues  IIa,  ff 

ünedragant  L  aiü  ff ,  32i  ff.,  4Öfi  ff. 
Queudn  II.  IßiL 
(^uentin  Durward  I,  328. 
Quintana  IIa,  Ifil. 
Quirsfeld,  J.  IIa,  115.. 

Rabelais  L  139,  22Q  f.,  215  ff.,  342. 
Rabs,  Matlbias  11  löL 
Radetfunde  IIa.  IL 
Ra<lirobanes  11.  35  ff. 
Rambouillet  L  433 
Ranisay  IIa.  2L  iML 
Rastbuchlein  L       139  f . 
Ratgeber  zum  Freien  IIa.  133. 
Rathstübel  Plutonis  IIa,  13^  49, 

Ü2.  79,  m 
Ratiouis  et  adpetitus  pngna  cit. 

U,  15. 

Ratio  Status  IIa.  39»  48,  ÖL 
Raymond  IIa.  ÜlL 
Rebhu,  Jan  II.  24üff.;  IIa,  134  ff. 
Rechuliu  v.  Sehmsdorff,  Michael 
IIa,  32 

Reichard  von  Normandy  L  9ß  f. 
Reichart  L  250. 
Reimanis.  Albertus  II,  HL 
Ri^ineke  L  1^ 

Reinbart  iL  (iabriotto  L  240,  260, 
284  ff. 

Reinold  v.  Montauban  L  64. 
Reisebeschreibunyren  II.  177. 
Rei.se  der  Söhne  des  Königs  (iiaffer 
L  92. 

Reise  des  Brandanus  I.  224. 
Reise  in  die  neue  OFerwelt  des 

Mondes  IIa,  I,  ö2.  24. 
Reiseromane  1,  22L 
Relationes  curiosae  IIa,  li32. 
Renatus  Cericius  L  Zfi. 
Rencheuer  Kirchenbuch  IIa,  5. 
Repues  franches  I^  IbL 


Res  memoraudae  L  IIL 
Rhaäcuporis  II,  19ii. 
Rhemetalces  II.  läL  m 
Richelieu  II,  41L 

Richtt^r,  G.  A.  U.  47,  Ö6,  8Ö.  löQ. 
Riemer,  Job.  II,  133. 
Riesengeschiihte  1^  Üü. 
Rihlniann.  Andreas  II.  202. 
Rimado  de  Palacio  I^  335. 
Riualdo  L  92,  13h. 
Rinconaete  y  C'oriaiiillo  II,  22* 
Ringoltiuifeu,  Tiiüring  v  L  22. 
Ritterbücher  L  4D  I  •.  II,  2iÜ. 
Ritterhold  v  Blauen  11.  52,  65,  fifi. 
Ritter  v.  «rünen  Schwerte  1»  322. 
Ritter  v.  Thum  L  oüL 
Robertus  L  25Ü  ff.,  2b9  ff. 
Robinson  IL  11:  Ha.  1Ü3. 
Robinsonaden  IL  IL  249. 
Rudenck  Ruudom  L  Iß. 
Rodrigo  Narvaez  L  4:;Ä<. 
Roger,  Abraham  II,  177. 
Roland  L  Ü2i  IIa,  L4L 
Rolim  II,  m 

Rollenhagen,  Gabriel  L  ^il  II, 
IIL 

Rolhvagenbüchlein  L  135,  132,  1^ 

237,  24il 
Roman,  Begriff  desselben  nach 

Lenglet  d.  F.  L  lü  ff. 
Roman,  Entstehung  (Huet)  L  L 

—  (leschichte  desselben      1  S. 

—  Name  i,  29  fl'. 

—  Theorie  L  1  ff..  (Huet)  Ö  ff. 

—  Deutsche  Rr.,  bei  G.  d.  Percel 
L  15. 

—  S.  V.  Birken  über  d.  L  22. 

—  Fielding  tt.  d  L  12  ff. 

—  M  Ch.  Roth  ü  d.  L  2£ 

—  bei  den  Alten  L  31  ff. 
Roman  de  la  ßible  L  3Ü. 
Allgemeine  Geschichte  d.  R.  von 

Wölfl',  I.'  27. 

Bibliothek  d.  R.  L  27 

Bibliotheque  universelle  des  Ro- 
mans 1^  22L 

Roman  im  Verhältnisz  zum  Drama 
L  53. 

Romaney  L  ii2L 

Romeo  u.  Julia  II,  15. 

Romer,  That  der  L  124:  f. 

Rosamunde  L  24L  ^  ff. 

Rosemund,  Adriati.^sche  II,  9,  Ö5  ff., 
82,  h«.  143  ff  .  211L  22Ü. 

Roseumänd  II,  55,  74,  «Ü. 

Rosiua  II,  2L 


,  Google 


—   207  — 


Rossaens  (Rosse),  Alexander  11.177. 
Rosset,  Fr.  IIa.  IIZ 
Kosaet-Zeiller  IIa.  US,  lltL 
Kost  (Meletaon)  IIa,  IGO,  165, 
Rousseau  II,  10,  12. 
Koxauc  L  444. 
Koxelane  II.  58  ff. 
Rubeu  IIa,  Iß. 
Rudolf  L  215  ff. 
Rug^eltingeu  L  22. 
Kuland  L  ÖiL  Ö?i  »IL 
Ryer  Andreas  du  II,  !49. 

Saar,  Joh.  Jac.  II,  177. 
Saavadv  II,  l&L 
Sabud  IIa,  4iL 

Sachs,  Hans  L  ßa  m  141, 
187,  238.  260,  266;  IIa,  iil,  II, 
TL 

Sacrapa,  Vincentins  Ladislaus  I^ 
Ü12. 

Sahraiuan  L  332. 
Saforet  L  öA- 
Salangusta  IIa,  154. 
Salemyndonis  II,  iJlL 
Sales  mire  festivi  I,  121L 
Saleuder  L  322. 
von  Salisbury,  Gräfin  II,  15. 
Salmasins  I,  Ü 

Salonio,  Köuißr  L  IM  ff.;  II.  m 

Salon  ine  II.  IM  ff. 

Saluste  Quide  L  323  ff.,  321L 

Saluzzo,  Markgraf  Walther  v.  L  ÖL 

Salzraann,  Wilhelm  L  lü» 

Sambelle.  Franciscus  IIa,  134. 

Ssmder  L  2IL 

Sandrart  II,  IISL 

Sannazaro  L  42Ü  ii3. 

San  schweifen  1^    H  >  ff 

Sansone  IL  81^  102.  155  ff. 

Sappho  l  m 

Sardaiuira  L  313  ff. 

Sar^il  l,  32L 

Sarmadan  der  Lew  L  415. 

Satyri.*<cher  Filfijam  IIa,  ÜL  23, 
60,  (32,  65. 

Satyrischer  Roman  IIa,  153  ff. 

Savoyen,  Mei.steri!:esanj^  vom  Gra- 
fen von  L  74_i  IIa.  HL 

Sayuveilra  II,  LL 

Scandor  IL  liil  ff,  252,  254. 

V.  Schack  II.  43. 

Schadefroh  IIa.  14 

Schäferromaue  I,  [m,  121ff.;  II,  IL 

Schöferey.  Die  verwüstete  u.  ver- 
ödete etc.  II,  lüL 


Schatjskamraem  IL  15.  233. 
Schauplatz  Lust-  und  lehrreicher 

üesch  IIa,  llfl. 
-  täsrlicher  der  Zeit  U,  15iL 
Scheible,  Kloster  L  21L 
Schelmuffsky  IIa.  151  ff.» 

läl  ff. 
Schereboy  IIa,  157. 
Schertz  mit  der  Wahrheyt  L  82, 

L15- 

Scherzi  geniali  II,  öiL 
Schiffbruch,  Der  gefährliche  etc.  II, 
177 

Schiida  L  125- 

Schildtberger  u.  St.  Brandau  L  222« 

22L 

Schiltbürj^er  L  140,  Iii!  ff.,  2Ü2  ff., 

22ü  ff..  270,  2äö  ff. 
Schimpf  u.  Ejnst  L  132  ff.,  142, 

m  ff.;  IIa.  112. 
Schiud.schersitzky  II,  105. 
Schlegel,  A  W.  I,  22L 
Schle^rtd,  F.  L  lÖ. 
Schleifheim  von  Sulsfort.  German 

IIa,  23. 
Schlick,  Kaspar  L  23. 
Schlieben,  Eustachius  von  I,  IfiL 
Schmidt,  Val.  L  84,  34fi. 
Schneid,  Jobst  v.  d.  II,  2L 
Schottel  II,  41.  86,  87,  100,  102, 

IM  LÜI  L16 
Schrammbansz  L  140. 
Schröter  II.  255 
Schultz.  Walter  II.  177. 
Schumanns  Naclitbüchlein  I,  74, 

139,  140,  im  ff. 
Schupp  II,  262:  IIa,  24. 
Schütz  II.  152, 

Schwabescher  (.'atalog  II,  IM  IfiÖ» 
HL 

Schwanenorden  II,  2.Stt. 
Schwankbücher  L  U4  ff.,  130,  279; 

IIa,  2  15.  Ü2,  113. 
Schwarack,  II,  IE 
Schwibbog^en  der  getr.  Liebhaber 

L  312,  Ml  ff. 
Schwieger.  Jacob  II,  KH). 
Sciathine  IIa,  142. 
Scipio  IIa,  16.^. 

Scott.  Walter  L  3O0_i  378^  443; 
II,  2->2. 

Scud^Vi  L  432  ff,  44L  445;  II,  50. 
tili  02.  72  f.,  99,  103j  134,  140ff., 
2iüL 

Secretariat- Kunst  IIa,  IM. 
Seeland,  Prinzessin  v  L  31L 


—   208  — 


Der  Seelen  Trost  L  II81  125,  IM. 

Setira  II.  II  ff 

Segesthes  II,  Lfi2  flf..  2iLL 

Segimer  II.  I8i  ff. 

Seifurades  L  ML 

Seidel,  Wolftrang  II.  i£L 

Seiz,  J.  L  IIa.  LÜiL 

Selander  IIa,  IM  ff. 

Seienisse  II,  -Ül  ff. 

Selicha  IIa,  II. 

Selvagia  L  423  ff. 

Sentia  II.  IM  ff ,  224.  2fi4  ff. 

Seraihnemoiren  IIa,  1(>H. 

Serapliine  IIa,  140,  141. 

Serlin  L  122. 

Serre.  Sieur  <le  la  II.  02. 

Shakespeare  1^  52.  82. 

Siam  II,  112  ff. 

Sidnev  L  Mi  4Üli  II,  4S.  Ufi- 
Sidoii  L  lili 

Die  Sieben  Hanptlaster  L  239. 
Die  Sieben  weisen  Meister  1^  43. 

llfl  ff.;  IIa.  112. 
Siegfried  L  lüa  ff  ;  IIa,  Iß. 
Sieghard  L  16ß- 
Siegesmund  II,  100. 
Sigismund,  der  Heilige  IIa.  40^  43. 
Kaiser  Sigismund  L 
Silvia  L  353;  II.  4iLi  Ha,  14L 
Simplicianische  Schritten  L  282. 

420;  II,  2.  lA  26,  249^  Ha,  2^ 

39,  65,  14,  bÜ.  114  ff . 
Der   Siinplicianische  Weltkucker 

IIa,  m  134. 
Simplicissimi  Alberner  Briefsteller 

IIa,  m 
Simplicissimns  II,  28^  IIa.  2^  13. 

Ii2.22ff..  3ä.4iL4iLßüff..  Iii  K 

HH  ff..  Üfi  ff.,  IID  ff 
Der  franz.  Krieirs-Simplic.  IIa,  109. 
Simplicissuins  Redivivus  IIa.  10t). 
Der  TIng.  od.  Dacian.  Simpl.  IIa, 

lOH. 

Simrock,  K  L  2L  60,  23  ff.,  79, 

li2.  bL  IMI  llü 
Simson  II.  52.  ül  ff.,  tüi  ff.,.  99, 

12H.  2111  242. 
Sinold  II,  15iL 
Schäfer  Sireno  L  424  ff. 
Sitaices  II.  4Ü. 
Smollet  Ij  15  ff. 

Snivrna.  reine  des  Amazones  L  15. 
Sohradisa  L  312  ff..  391  ff. 
Sofonisbe  II.  41L  5!L  üil  04  f.,  25b 
Soldina  L  42-.  ff. 
Soliman  II.  5b  ff. 


Solisa  L  312. 
Solms  II.  lüL 

Sonnenritter,  Der  edle  II.  2b. 
Sorel,  Charles  IIa.  65,  ÖL 
Soreloys  L 
Sowizrzal  L  184. 

Spät,  Conrad  gen.  Frühauf  IIa,  152* 
Spalatin.  Georg  L  14. 
Spanische  Novellen  II.  130. 
Der  Spielende  II.  91,  95.  2S,  1Ö2. 
Spies  L  2(j5. 
Spinelli  IIa,  IfiL 
Ritter  Spiridou  aus  Perusina  IIa, 
134. 

Sprachgesellschaften  II,  210. 
Springinsfeld  IIa.  34  ff..  4iL  Ö2. 

Ö5.  n.  ZZ,  9!L  97.  99.  m 
Squalora  IIa,  IM  "ffT 
Stainfels,  Erich,  v.  Grnfeusholm 

IIa.  49. 
StAtira  L  443. 
StAufenherger  IIa.  Iß. 
Steinhöwel,  IL  L  ÖL  bÖ  ff.,  92. 

HW.  Iis.  125.  231. 
Sternfels.  Melchior,  v.  Fuchsheim 

IIa.  30. 
Stief  II.  159 
Stockfleth  II.  202. 
Straff-  u.  Unglücks -Chronika  IIa, 

IÜ2. 

Stranguilio  L  b2. 
Stratageniata  etc.  L  137. 
Stratonica  II.  1Ü3. 
Stubenberg  II.  02.  9b.      IM  245. 
258. 

Studien  zur  (»esch.  d.  span.  und 

portug.  Nat.  Lit.  L  3^2. 
Strephon.  vgl.  Harsdorffer. 
Suidan  L  312,  3bii. 
Sulima,  Aliianische  IIa,  105. 
Sulpitius  llii,  141. 
Sünnebald  II,  Oja  ff. 
Surbosia  II.  202. 
Surena  II,  li£L 
Swift  L  2ÜL  21)2:  IIa.  b. 
Sylvagia  L  45U  ff. 
Svlvander  II.  4L  48,  50. 
Svlvano  I.  425  ff..  454  ff. 
Sylvia  L  42ii  ff;  IIa,  150. 
Syreuo  I,  457. 


Tachmas  II.  59. 
Tacitus  IL  216,  211. 
Tatinor  L  32L 
Tagades  323. 


,  Google 


Talander  1, 15;  n,  12,       99. 100. 

259  ;  IIa,  160,  1112  ff . 
Taleinon  II,  Ißl  ff. 
Taliclea  II.  BL  IM 
Talipu  II,  Uyt- 
Tamestris  IIa,  löö, 
Tanfana  II,  IHL 
Tangu  n.  m 
Tanuassery  II,  Ifü  flf. 
Tannhäuaer  L  22L 
Tarnolast  IIa,  IM  ff. 
Tarsia  I, 
Tarsus  I,  02  f. 

Tasso,  Bemardol,  301,  338,  844, 
857. 

Tasso,  Torquato  1,  13. 
Tatius  II,  24L 

Tausend  u.  eine  Nacht  IIa,  163. 

Teatrum  tragicum  IIa,  ll3i  ilL 

Techelia  II,  264. 

Tedaldo  u.  Ermeline  I,  OL 

Telemach  I,  IM^  IIa,  1Ö4. 

Tellus  IIa.  142. 

Tendre.  Royaume  de  L  44iL 

Tenzels  Monatl.  Unterredungen  II, 

2^39;  IIa,  102. 
Teophilus  I,  2iL 
Terbal  U,  m 

Testamenta  XII  Patriarch.  II,  80, 
Des  Teufels  Insel  I,  m 
Teutelindis  IIa,  4Ö  ff. 
Teutetusa  IIa.  4Q  ff. 
Teutscher  Michel  IIa.  5(L 
Teutsche  Wiuteraächte  IIa,  142. 
Theagenes  u.  Chariklea  I,  3U1. 
Theatrum  amoris  II,  49. 
Theatnun  virorum  eruditomm  II, 

aL 

Theocrine  II,  2fi  ff. 
Theodorus  Prodomus  Ij  fi. 
Theogenes  1  8. 
Theokrit  I,  442. 

Thesaurus  exoticorum  IIa,  102» 
Theuerdank  I,  14, 
Tholomäus  IIa,  14L 
Thomas,  Christian  L  22;  II,  214, 
2iüL  240,  25L  255,  261_:  Ha,  iM 
ThroiiiyläFlI.  2lilL 
Thumelich  II,  lül  ff. 
Thum,  Graf  Matth,  v.  IIa,  32,  95. 
Thum,  Ritter  vom  L  12!L 
Thusnelda  II,  LMl  ff. 
Tiberius  II,  IhL  193  ff. 
Ticknor  II,  17,  27,  30;  IIa, 
Tieck  L  74.  75,  81,  84. 
TigranesTT,  185. 

IL  2. 


Till  Eulenspiegel  L  122  ff.;  II,  27. 

Timandra  II,  38. 

Timandre  u.  Clidamire  IIa.  Iß8. 

Timoclea  II,  m  ff. 

Timonides  II,  31  ff. 

Tirchanis  II,  IM, 

Tiron  L  32fL 

Tisiphone  L  449, 

Titon  IIa,  142. 

Tittmann  II,  Ööf.;  IIa,  22  ff. 

Tobias  L  239. 

Tödtewald  IIa,  45. 

Tomyris  L  44l>. 

Torquemada.  Antonio  de  IIa,  139. 

Toroan  IIa,  Löl  ff. 

Tournon,  Frl.  v.  IIa.  108. 

Translatzion  L  ^  83, 

Traum gesch.  v.  Du-  u.  Mir  IIa,  7, 

62,  14. 
Traurende,  der  IIa,  löQ. 
Die  traurige  Insel  I,  319. 
Trebbin  L  ISL 
Treizsauerwein,  Max  I,  225. 
Tristan  L  38.  39,  43,  60,  270,  301^ 

33().  :IS7T.  -Ml.  368. 
Trojanerkrieg  1,  üL 
Troll  IIa,  m 

Trommenheim  auf  Griffsberg,  Phi- 
larchus  Grossns  v.  IIa,  ^  35, 

Troubadours  L  »^^9. 

Trouveres  u.  Troubadours  fi. 

Trutz-Simplex  IIa,  .32. 

T.scheming,  J.  II.  179, 

Tugendliebende  Gesellschaft,  die 
II.  13Ö. 

Tünger,  Augustin  L  131 

Türkische  Vagant,  der  IIa,  109. 

Tursis,  Prinz  v.  IIa,  149. 

Tuscus  Sicanus  IL  129. 

Tutzenhof,  Adrian  II,  24. 

Tychander  IIa,  145. 

Tj-ridates  II.  130. 

Tyrsates  IIa,  154  ff. 

Ueberflüssige  Gedanken  der  grttn. 

Jugend  IIa,  124. 
Ulenhart,  Nicolaus  II,  22  f. ;  IIa, 
Ö4f. 

Ungar,  od.  Dacian.  Simpl.  IIa,  108. 
Unglückseelige,  der  IL.  98,  140. 
Unglückseelige  Nisettel  17136.  239. 

258. 
Unibos  L  i4L 

Unzeitiger  FUrwitz  II,  27,  29, 
d  Urf6e.  Honor6  L  ^  43ii  Hi 

63,  12. 

U 


—    210  — 


Ur^randa  die  Unbekannte  L  3Q4  ff., 

m  sm.  am  4^  ii.  m 

IJrspurt;.  Job.  von  IIa,  LLL 
Uter  l'ailragon  h  ;^7. 

Valentin  L       IIa.  ßü  ff. 

Valentinianus  IIa.  140. 

Valentin  und  Xamelos  L  ßtL 

Valentin  u.  Örso  I.  ÜÖ» 

Valentinas  IIa. 

Valerius  IIa.  Iii 

Valerius  Maxiimis  L  118. 

Valiska  II.  LLÜ  ff.,  122.  125. 

Vandala  II,  ÜMI 

Varnhatr'  n  L  :t:U. 

Varus  II.  lN2f. 

Vasa,  (iustav  v.  ITa,  tfift- 

V^asco  Lobeira  L 

Väter  Harb,  der  L 

Vaumoriere.  Pierre  de  L  445;  II, 

Veit  L  25a. 

Veit  Warbeck  L  ^ 

Vels*>r,  3IicbaeI  I,  ÖL 

Ventla.  reine  de  Pologne  Ij  15: 

IIa,  Itlß. 
Venercus  IIa,  14(^- 
Venns  Anaiitis  II,  iHft. 
Verdier  I,  aiL 

Verfasser  der  ^auen  Mappe  II, 
Ver),Mliu8  L  122» 

Verkebrte  Welt  IIa.  55»  74,  125. 
Verliebte  u.  tjalante  Welt  Ua,  1G5, 
Vom  Verlorenen  Sun  ]_.  232» 
Vernnch  einer  Kritik   über  die 

deutseben  Dicbter  II,  255. 
Vieli,'ekörnte.  der  II,  25. 
Vilmar  l  2ÜL 

Vincentius  Hellovacensis  L  1 18. 
Vincentius  Fabricius  Ha,  145. 
Vindelisora  L  Ülil  ff.. 
Violenta  II.  15. 
Virgil  L  422.  II.  02. 
Virifilius  etc.,  neu  eingekleideter 

deutscber  II.  ÖÖ. 
Viterbo,  (iotttried  von  L  Hl. 
Vogelnest  II.  25  f.;  IIa,  5,24,35, 

37,  02,  65,  09,  74,  IL  fiö  ff., 

Iü5?r 

Volksbücher  L  2L  105  ff.,  m  II, 

'ML 

Vos.sius,  Gerardus  L  4- 
Vulcaui  Liebesgarn  II,  HL. 

Wackernagel  L  26L  223  ff.,  280. 
Wagner,  Christian  II,  JM 


lÄL 


Wagner.  Christoph  L  206.  21L 
Wäiger  I,  212. 
Waldachl  m  122. 
Waldeck  II.  lüL 
Wales  I.  338, 
Wallenstein  II,  97, 
Walpurgis  II.  1h2. 
Walter  L  25=)  ff. 
Walther.  Markgraf  L  Öü  f . 
Wartburgis  II.  2üL 
Warmnnd  IIa,  42. 
WegkUrtzer  L  02.  im  liL 
Weiber-Hächei  IIa,  134. 
Weiber-Lob  IIa.  lüü. 
Weidner.  Job.  Leonhard  IIa,  1 14. 
Weimarscbes  Jahrbuch  L  179. 
Wei.se,  Cb.  II.  13,  21L  249,  259^ 

IIa,  108,  123  ff.,  135  ff. 
Wei.szer  Ritter  (Herpin)  L  43. 
Weisz- König  L  225. 
Weller  L  28,  08,  ÜL  13L  195,  22L 

225,  2ärila,  m 
Wendunmuth  L  m  132. 
Werder.  Dietrich  von  dem  II,  48i 

94:  ff.,  102. 
Wenler,  Paris  von  dem  II,  ^ 
Wettstreit  der  Verzweifelten,  der 

II.  loa. 

Wetzel  L  112, 
Wetzelo.  Graf  L  222. 
Weyssenhom  L,  120. 
Wickram.  Georg  L        TL  1^ 

13L  138j  185,  233.  2Ü0  ff..  206, 

27ü:  11775,  21«. 


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'^'dmann,  Georg  Rudolf  L  212. 
eland  L  3ÜL  302l  H.  3.  12.  ±24. 


euer  Jahrbücher  L  342,  34ii. 
goleysz  L  3ü,  59  f.,  IM 
Ibert  L  Ifiü. 
Ihelm  I,  ZÖ» 

Ibelm  von  Oesterreich  L,  224. 
Ihelm  der  Tichter  L  a2ß. 
Ibelra  von  Tvrus  L  Ibö* 
Ubald  L  24.5.  2tlD. 
llenhag,  Wolfgaug  von  IIa,  138 
ff.,  142  ff. 
Her,  Georg  L  342. 
ukelfelder.  Isaak  II.  2L 
nkler,  Paul  von  IIa.  144. 
ntertags  Schüfferey  II,  lüfi. 
rnt  von  (Jrafeuberg  I,  60. 
rrwarr,  der  verliebte  IIa.  IM. 
tebergensis. Melchior  Junius  IIa. 
133. 

tt,  de  IL  182. 
tte  II,  103. 


j  Google 


—   211  — 


Wittekinrl  IIa,  162. 
Wittig  IIa,  40. 
Witzenbttr^er  I,  194,  105. 
Witzenlmusen,  JospI  T.  60. 
Wöcheutl.  Nachr.  tVir  Freunde  der 

Gesfh.,  Kunst  und  Geiahrtlieit 

d.  M.  A.  I.  57. 
Wolf.  Adolf  I.  141. 
Wolf,  Ferd.  1,  342,  372,  37Ü. 
Wolff,  O.  L.  B.  I,  27. 
Wolf^rabär  I,  167. 
Wülcker  I,  43. 
WürgemaDn  IIa,  44. 
Wormbskniek,   Urban  tob,  auf 

Stomdorfr  IIa,  47. 
Wttst,  Panl  T.  \'2*l 
Wttteensieiu  11,  lu7;  IIa.  160. 
Wyle,  Nielas  Ton  I,  00,  92,  287. 

Xarifa  I,  428. 
Xemibran  IT,  162  (F. 
Xemin  II  104  fT. 
Xemindo  IL  l&l  ff.,  179. 
Xenopbon  aus  Autiucbia,  aua  Cy- 

pern  I,  7. 
Xenophons  Cyiopaedie  I,  16. 

Ysmeuia  I.  425  if. 

Zachariae  I.  73. 
Zacher  I,  84  f. 
Zaraog  II,  164  ff. 

Zarmar  II.  190. 
ZäsianiT  II. 
Zayde  IIa,  HO  f. 
Zazikhofen,  Ulrieh  TOn  I,  SS. 
Zedier  II,  84. 


Zehen  Alter  I.  2.^0. 
ZeiJier,  31ariin  IIa,  IIG  ff. 
Zeitkürzende  erbauliche  Lost  IIa, 

1-_>1. 

Zeitschrift  für  neufranz.  Sprache 

u.  Lir.  IIa.  ö5. 
Zeitschrift  fttr  denteche  Philologie 

I.  Hl.  l;J2. 

Zendoriu.s  ä  Zendoriis  IIa,  143. 

Zeltner  II,  91. 

Zeno  n,  ls5  ff. 

Zcppa  n.  Spini'llutzo  I,  02. 

Zescii  1,  44Ü;  ii.  1,  4,  Ü,  14,  45, 
49  ff.,  121,  122,  125  ff.,  181, 
136,  13H  ff..  1 210.  211,  210, 
219  f..  i'i  5.  227.  24;{.  246,  258; 
IIa,  2,  Ki.  17,  57,  lOH. 

Ziefcler  I,  15;  II.  5,  9,  13,  52, 101, 
120.  128.  120.  131,  135,  139, 
158  fl.,  2ü3,  213,  210,  219,  223 
243,  252  ff.,  256,  258  ff. 

Ziely,  Wilhelm  1.  OS. 

Ziinmernsclie  Chrujiik  I,  142. 

Ziukgref  Ua,  113  f. 

Zirolane  II,  199. 

Zivelles  I.  109. 

Zornuiuth  IIa,  45. 

Zoroaster  IIa,  22. 

Zsdiorn.  Joh.  I.  f)4. 

Zuckerbastei  IIa,  64. 

Zugab  IIa,  24,  31. 

Znfenstein  II,  197. 

Zweite  gchlesische  Schale  II,  5, 
214.  249.  251. 

Zweitausend  gutte  Gedanken  IIa, 
145. 

Zwifalden,  Georg  von  I,  129. 


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Druckfehler, 

wetohe  als  besonders  stOrend  la  Teibesseni  sind. 


I,  79  lies  Emmioh  fttr  Emmerich. 

I,  98911.978  lies  Gengenbach  fttr  Gangenbeehbei.  QemeabeBh. 
n,  80  lies  BaroUy  für  Bareley. 

n,  99   •  Aeneas  fttr  Aenans. 

n,  188  «  Franoisco  für  Fernando, 

n,  141  «  OomberTille  für  GanbenriUe. 

IIa,  1  „  Heroinie  fttr  Heiieynle. 

Ha,  1(3  .  Dietwald  für  Dietmold. 

Ha,  77  „  Canard  für  Conrad. 

Ha,  78  „  Gordon  lür  .lordon. 

IIa.  139  ,  Salani.  auca)  für  Solain. 

IIa,  142  „  Zendorii  für  Zendohis. 

Ha,  1dl  .  Koller  für  Möller. 


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