GESCHICHTE DES
ROMANS UND DER
IHM VERWANDTEN
DICHTUNGSGATTUN
GEN IN...
Felix Bobertag
Iii
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Gmbichte des Romans
und der
ihm verwandten Dichtungsgattungen
in Deutschland
Felix: Jaobei-tas*.
Erste Abtheilang.
Bis sam Anfange dee XVIIL Jalirhunderts.
Srster Band.
BERLIN.
Verlag Yon Leonhard Simion.
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r .! i i . • - '
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Yoriede.
XHe Kürze ist die Cardinaltugend der Vorreden
und darum bleibt auch hier die Erörterung alles dessen,
was sich von selbst versteht füglich weg. Zu den Din-
gen« die sich von selbst verst^en» scheint mir die Nütz-
lichkeit, ja Nothwendigkeit emes solchen Buches, wie
das meinige — sein will, zu gehören. Das Bedürfnisz
einer Creschichte der deutschen Prosadichtung ist für
jeden Kundigen eine ausgemachte Sache. Nicht so
ausgemacht ist« dasz mein Buch diesem Bedürfnisz ge-
nügen wird. Wenn ich dies nach meinem subjectiven
Maszstabe entscheiden wollte, wenn ich annehmen müszte,
dasz, was mich nicht völlig befriedigt, an und für sich
nichts taugfte und Niemandem forderlich wäre, so müszte
ich verzagen. Aber etwas anderes ist es, einen groszen
Plan zu fassen, und etwas anderes, von diesem Plane
so viel zu verwirklichen, wie aufrichtigem Bemühen und
redlichem Fleisze möglich ist. Um diesen Unterschied
recht klar zu machen, hatte ich wohl Ursache, von den
Schwierigkeiten meines Unternehmens redit viel zu
141745
sagen. Doch dürfte der Hinweis auf zwei Dinge ge-
nügen, die Massenhaftigkeit und stellenweise sehr g^rosze
Unerquicklichkeit des Materials einerseits und die ver-
hältniszmaszig wenigen Vorarbeiten andererseits. Als
ich mich vor einigen Jahren mit einem der bedeutend-
sten Vertreter der deutschen Philologie und Literatur-
wissenschaft über den Gegenstand und meine Absicht
unterredete, äuszerte derselbe, es sei erfreulich, dasz
sich auch zur Bearbeitung dieses Gebietes Leute her-
gäben. Das Treffende dieser Bemerkung kann Niemand
klarer und lebhafter empfinden als ich. Gegen das
Ende des XVL Jahrhunderts beginnt mit dem aus
Frankreidi gebrachten Amadb die Weitschweifigkeit
eine integrirende Eigenschaft des deutschen Romans zu
werden, und gegen Ende des XVIL erreicht sie nut
Lohenstans Armimus den höchsten Grad, der ganze
deutsche Roman des XVII. Jahrhimderts, Grimmels-
hausens Werke alldn ausgenommen, zeigt diese Weit-
schweifigkeit in solchem Masze und in Verbindung mit
so viel poetischem Unwerth, dasz in der That einige
Ueherwindung dazu gebort, Monate, ja Jahre hindurch
diese „unfruchtbare Meerfluth" zubefahr^. Von dieser
üblen Eigenschaft eines groszen Theiles unserer Prosa-
dichtung glaube ich um so mehr hier etwas sagen zu
dürfen, als ich es für meine Pflicht halte, alle anderen
Eigenschaften der zu besprechenden Werke meinen
Lesern mit der moglidisten Anschaulichkeit nahe zu
bringen, diese jedoch ihnen am wenigsten fühlbar zu
machen.
Die geringe Anzahl der Vorarbeiten vnSl ich weniger
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— lu-
den Gelehrten, welche sich mit unserer Literatur be-
schäftigen, zum Vorwurfe als mir zur Entschuldigung
anführen. Wenn ich aber somit schon bekannt habe,
wie viel voUkomtnener ich das, was ich erstrebt, erreicht
zu. haben wünschte, so darf ich doch auch sagen, dasz
ich glaube, im Ganzen an zusammenhängendes Bild
entworfen zu haben» ein Bild, in welchem ein Theil
unserer Nationalliteratur in neuer und vielleicht richtiger
Beleuchtung erscheint. £ine Rücksicht habe ich bei der
Abfassung meines Buches allen anderen vorwalten lassen,
die nämlich, den Gegenstand so anschaulich, wie nur
irgend möglich, darzustellen. Das beste Mittel ist hierzu
meines Erachtens die möglichste Quellenmäszigkeit, wo-
durch die Erzeugnisse vergangener Literaturperioden
dem Leser so nahe gerückt werden, wie es ohne voll-
ständige und eingehende Leetüre der einzelnen Bücher
selbst geschehen kann. Hierzu erschien mir, wenigstens
für die ältere Zeit, auch die Vorführung von völlig
treu wiedergegebenen Proben des Stils und der Dar-
stellung unentbehrlich. In der Auswahl dieser Stucke
habe ich die Rücksicht auf das Bezeichnende, das all-
gemein Verständliche und das schwer Zugängliche zu
verbinden gesucht. Die genaue Aufzählung der Aus-
gaben glaubte ich nicht schuldig bleiben zu dürfen, da
einerseits meist Ergebnisse an verschiedenen Orten nie-
dergelegter Forschungen und Funde zusammenzustellen
waren, andererseits auch die trockenen bibliographischen
Daten zur Schätzung der literarischen Bedeutung der
Werke einen nothwendigen Beitrag liefern. Doch habe
ich dergleichen fast immer in die Anmerkungen ver-
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wiesen und bin in der Mittheilung nie weiter gegangen,
als es mir das literarhistorische Interesse zu fordern
schien.
Mögen mir Musze, Kraft und Gesundheit zur \'oll-
endung des begonnenen Werkes verliehen sein» mögen
mir hierzu aber auch der Rath und die Hülfe von Fach-
genossen nicht fehlen. Die Grösze meiner Aufgabe
bringt es mit sich, dasz ich diese auch als wohlgemeinten
Tadel mit Dank aufnehmen werde.
Breslau, im Mai 1876.
Felix Bobertag.
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I
Erstes CapiteL
Schriften über Geschichte und Theorie des Romans,
Anfange der Theorie desselben in Deutschland.
•
Den Anforderungen« welche an eine Theorie des Bomans
und seiner NebengaUnngen gestellt werden dürfen, entgegen-
zukommen, ist hier nicht der Ort, aber von der Theorie
dc3 Komans musz gleichwohl geredet werden. Denn die
Theorie und die theoretische Kritik greift in die £nt-
wiekelnDg aller bedeutenderen Literatnrgattongen, nameni^
lieh der neueren Zeit, wirksam ein, und nicht allein dies, die
theoretischen Werke vergangener Zelten geben uns ein Bild
von dem Zeitgeschmack und den Anforderungen, welche man
an die Enengnisse dichterischer Th&tigkeit stellte, und dep-
gleichen Andeutungen und Erörterungen sind oft zur Beurthei-
lung literarischer Zustande durchaus nothwendig. Denn die
Yerftndenmgen des Geschmacks, weldie sich im Laufe der
Jahrhunderte ToMehen, sind gewöhnlich grOszer, als man ohne
genaueres Eingehen annimmt, so gi'osz, dasz es wünschenswerth
ibt, stimmen aus vergangenen Zeiten reden zu lassen, welche
uns gradetn und ausdrucklich sagen, dasz damals andere Be-
grHTe yon Schönheit und poetischem Werth maszgebend^
waren als heutzutage. Wer liest jetzt noch Lohensteins Ar-
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miniiis and Thusnelda, und was Ar glänzende Lobeserhebun-
gen werden wir am geeigneten Orte ans dner hoehangesehenen
Zeitschrift, den Acta eruditorum , über dieses Werk zu regi-
striren haben! Lobeserhebungen, welche grade da^enige als
vortrefflich herausstreii^en, was uns als Fehler^erschani
Ans mehr als einem Grunde ist es angemessen, solche
theoretische Aeusserungen früherer Zeiten, sofem sie allge-
memerer Art sind and deshalb nicht bei der Besprechung
einzelner Werke einen passenderen Platz finden, hier sogleich
herbeizuziehen. Erstens nämlich gehört eine kurze Gescliichte
der Tlieorie einer Dichtungsgattung, wie schon gesagt, in die
Geschichte der Gattung selber mit hinein, zweitens dient sie
dazu, den zu betrachtenden Stoff im Sinne der Zeit, in welche
or gehört, abzugrenzen, wodurch wir den Vortheil, woUIr'ii
eine aus den jetzt geltenden Theorioeii abgeleitete Begriüis-
bestimmung bieten konnte, in einer Weise erlangen, die einer
historischen Methode weit angemessener ist, und endlich ver-
steht es sich von selbst, dasz man einem wissenschaftliehen
Versuche die kurze Würdigung der über seinen Gegenstand
schon Torhandenen Literatur Torauszuschicken hat
Die mehr oder weniger wissenschaftlichen und gelehrten
Erörterungen über die Gattungen des Bomans, der Novelle
u. s. w., welche zum Theü sehr schätzbare, ja unentbehrliche
Vorarbeiten für die Losung der Au%abe des vorliegenden
Buches enthalten und theils aus ganzen, dem Gegenstande
allein gewidmeten Werken, theils aus Abschnitten in Werken
aUgemeineren Inhalts bestehen, zerfallen in zwei Classen, von
denen sich die eine mit dem Wesen, die andere mit der
Geschichte unserer Gattung beschäftigt. NatQrlich gehOii
manches , wie z. B. das gleich zuerst zu erwähnende Buch des
trefflichen Huet, in beide Classen zugleicL Der gemachte
Untenchied ist aber deswegen festzuhalten, weil es wenig
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enpriesziieh wäre, die Entwickelnn^ der Theorie ttnaerer Oai-
tang sogleich zu Anfang bis auf die neueste Zeit zu verfolgen,
nnd nicht vielmehr mit der Darstellang jeder einzelnen Haupt-
periode der Gatlnmg die gedrängte üebenicht der theoretuchen
Arbeiten über dieselbe zu verbinden. Zu diesem ömnde
kommt der Wunsch hinzu, meine Leser nicht gleich zu Anfang
angebührlich au&uhalten. Denn der zurückzulegende Weg ist
ohnedies lang genng. Deshalb soll znnftchst nnr yon den
wem'gen theoretisclien Arbeiten die ßede sein, welche vor
Gottscheds Zeit fallen.
Zaerst müssen wir einige theils nicht za entbehrende,
theik wenigstens interessante ErQrtemngen von AuslSndem
)i«*ra:i/.ie]ien, dann mögen die in der ehen begrenzten Periode
allei 'liiigs sehr unl)edeutenden Leistungen deutscher Theoretiker
ond Kritiker betrachtet werden. Die Würdigung der rein
literargeschiehtliefaen Darstellungen wird sich hiermit um so
leichter verbinden lassen, als deren nicht gar viele sind.
Noch eine Vorbemerkung dürfte der Klarheit wegen
nothwoidig sein. Es kann meiner Ansicht nach nnr dann von
dem Yorhandensein der The<me emer Dichtungsgattung die
Rede sein, wenn diese Gattung selber vorliegt und als solche
die Aufmerksamkeit der Gelehrten oder Schöngeister auf sich
zidit. Nicht aber ist es zn billigen, wenn ans allgemeinen
UTtheOen solcher Theoretiker, welche eme gewisse Gattung gar
nicht kannten , Sehlüsse auf dieselbe gemacht werden. Denn
theorische Sätze, z. B. des Aristoteles, sind nicht mathematische
oder aprioristisdie Axiome, sondern sie entspringen indncti?
aus dem ihm bekannten Material und gelten nur in Bezug
auf dieses, sind nur als Abstractiunen aus einer bestimmten
Anzahl von Erscheinungen anzusehen und zu bem*theilen.
Es sei gestattet, das Gesagte besonders auf einen Punkt
anzuwenden, welcher mit unserem Gegenstande in Verbindung
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stebi Auf Grand gewisser bekannten AensBerangen des Aristo-
teles sind von mehreren Theoretikeni darüber Erwatrungen
angestellt worden, inwieweit dio metrische Darstellung zum
Wesen der Poesie gehöre. Die Frage ist natürlidi an sich
von Interesse 1)« aber es dttnkt mich ungerechtfertigt, derartige
Stellen als Sätze, welche den Koman und die ganze sogenannte
Prosadichtung unter sich begreifen, zu betrachten, wenn die sie
aofirtellenden Gelehrten dabei nicht ganz sicher wirklich aach
an Romane nnd Aehnliches gedacht haben. Es gehören nnr
solche Auslassungen über diese allgemeine Frage hierher, die sich
ausdrücklich auf die Gattung des Bomans beziehen. Kurz und gut,
es darf ittglich nicht vor dem berOhmten Peter Daniel Hnet Ton
einer Theorie des Bomtos dieBede sein, mit ihm haben wir hier den
Anfang zu machen, und zwar /um Glück einen recht erfreulichen
Anfang. Denn Huets Buch de Torigine des Bomans Par. 1670,
weit verbreiteter in der lateinischen üebersetznng des Wilhelm
Pyrrho, de ongine fabularum Bomanensium, ist in der That
das erste Buch, welches von unserer Gattung Notiz nimmt,
das heiszt, m als Gattung aufGeiszt, die Bedeutung der Bcschei-
nnng erkennt und ihre Entstehung mit ebenso grossem Scharf-
sinn nnd Geschmack wie mit ])ei Hiiet freilieh nicht besonderes
Verwundem erregender Gelehrsamkeit zu erklären versucht.
Die Definition der Gattung, welche er giebt, will ich wörtlich
anfahren, theils ihrer sachlichen Vortrafflichheit wegen, thdls
weil ich weiter unten daraul zurückzukommen habe.
') Wio sie im XVII. Jalirliiindort, dem das sogloicli zu cnvülineiidc
trcftliche Werk Huets ngcli angehört, von den Philologen beliandelt
wurde, zeigt am besten des Gerurdus Vossius höchst scharfsinniges
lJueh de artis poeticac natura ac constitutione. Gcrardus Vossius
schneidet sich selbst den Weg zu einer richtigen hi>torischen Unter-
suchung der Frage dadurch ab, dasz er gleich zu Anfang der iuung
einiger Gelehrten, die Poesie sei älter als die Prosa, hauitt-ächlieli mit
der BemAing auf das Alter der Bücher Mosis widerspriclit.
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Autrefois, sous le noni de roiiians, on coniprcnoit non-
seulement ceux qui 6t<)ient öcrits en prose, mais plus souveni
encore oenx qui ^ient toits en Ten. Le Qiraldi, et le
Pigna, son disciple, dans lenrs traitfe de* Bomanzi, n^en reoon*
noissent prcsqiie poiiit crautres, et donnent le Boiardo et
TArioste poor modeles: mais aiyoardh'ui Tusage contraire a
pr^valn, et oe qne Ton appeUe proprement ronums, sont des
fictions d*ayentQre8 amoreuses, Werltes en prose
avec art, poiir le pluisir et rinstruction des lecteurs.
Je dis des fictionst poor les distinguer des histoires y^tables;
j'ajoate d'ayentores amonreoBes, paree qne Tamonr doit ttre
le principal snjet du roman. II faut, qu'elles soient
öcrites en prose, poiir etre conformes ä l'usage
de oe si^cle; il faut qa'elles soient Werltes aveo art
et sous de certaines rdgles, autrement oesem an amas
confhs, Sans ordre et sans beaut^.
Der Zweck der Romane liegt nach Huet in der mora-
lischen Belehmng nnd Anregung der Leser dnrob anziehende
ünterhaltang, weldie mehr m wirken Im Stande sei, als ein-
fache und direete Ermahnungen, und diesen Zweck dürfte nach
des Verfassers Meinung der Roman mit aller Poesie im We-
sentliohen gemein haben. Wichtiger für seine scharfe Auf-
fassung ist folgende Stelle Aber den Unterschied der Bomane
von anderen Werken der Dichtung.
Je ne parle donc id des romans en vers, et moins encore
des po6mes ^piques, qui, outreqn* ils sont en vers, ont encore des
dififerences essentielles qui les distinguent des romans, quoiqu'
ils aient d'aiileurs un tres-grand rappoii;, et que, suivant la
maiime d'Aristotele, qni enseigne quo le poSte est plus poSte
par les fictions qu*il invente que par les vers qu'fl compose,
on puisse mettre les faiseurs de romans au nombre des poetes.
Patrone dit que les poemes doivent s'expliquer par de giands
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d^tonrs, par le mimst&re des dieux, pax des eaq^iessioiis libres
et hardies, de sorte qQ*on les prenne plntdt ponr des (Hracles
qui partent (run esprit plein de furour, que poui' une narration
exacte et lidele. Los romans sont plus simples, moins ^lev6s,
moiiis figarte dans l'inTentioB et dans Texpiession: les poömes
ont plus de merreilleiix , quoique tonjoiirs Traisemblables; les
romans ont plus de viaisemblaljle, quoiqu' ils aient quelque-
fois du merveilleux. Les poemes sont plus r^gl6s et plus
ehftti^ dans rordonnaBce, et re^oiyent moins de matidre,
d*6v6neinens et d'^pisodes ; les romans en re9oi?ent davantage,
parce qu'ötant moins ^levös et moins ligur^^s, ils ne tendent
pas tant Tespiit, et le laissent en etat de se charger d'un
plns grand nombre de diff(§rentes idte. Enfin, les poSmes ont
ponr siqet une action militaire on politique, et ne traitent
Vamour que par occasion; les romans, au contraire, ont Tamour
ponr sujet piincipalf et ne traitent la politique et la gnerre
qne par inddent Je parle des romans rfignliers; car la pln-
part des yieox romans fran^ais, Italiens, espagnols sont bien
moins amoureux que militaires.
Von den Bomanen sind nun nodi andere Gattnngen der
Idteratnr zu nnterseheiden. Zuerst gescbichtliche Werke,
welche viel Unwahres und Ersonnenes enthalten, Herodot,
Ktesias, Hannos Seereise, des Pbilostratus Leben des Apollonias,
die Heiligenlegenden. Von diesen sind die Bomane darin rer-
schieden, dasz sie eben Werke der dichterischen Phantasie sind
und sein wollen. Die Erdichtung der ganzen Fabel eines Ro-
mans ist gleichwie die einer Komödie berechtigter als dies bei
der Tragödie der Fall ist, weil sich Boman und KomOdie
nicht in so hohen Sph&ren wie die Tragödie bewegen, — parce
qu'il ne seroit pas vraisemblable que de grands ev^neraens
fussent demeur^s Caches au monde et n^gligds par les liisto-
riens; et la vraisemblance, qui ne se trouve pas toqjours dans
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rhistoire, est essentielle au romao. Ferner sind aus der Beihe
der Bomane solche geschichtliche Werke zu streichen, welche
ersonnen sind, um Lücken unseres geschichtlichen Wissens
ansniföUenY fiibeUiafte Vorgeschichten der Nationen« mytholo-
gis^ Fabeln nnd decgfaichen.
Nachdem Huet solchergestalt den Umfang seineä Gegen-
standes geschickt abgegrenzt, geht er auf die Erfindung und
Entstehnng der Gattung ein. Wir verdanken sie nach seiner
Meinung den orientalischen YOlkem, was er zunächst durch
die orientalische oder halborientalische Herkunft deijenigen
griechischen Schriftsteller erweist, die solche Werke abgefaazt
haben, als Klearchns ans Cäücienf Jamblichos ans Syrien,
HeliodoransEmesainPhöniden, Lndan aus Samosata, Achilles
Tatius aus Alexandria in Aegypten, Johannes Damascenus,
Daunaacins (bei Fhotins), Xenophon aus Antiochia in Syrien,
XcDoplion ans Crypem. Bei dem Uebergange der Gattung ans
dem Orient nadi Griechenhind und Italien bildeten die Lyder,
die nach dem Rathe des Krösus und auf den Befehl des C}tu8
weichlich gemacht wurden, und die kleinasiatischen Griechen
das TOrmittebide Glied. Besonders folgenreich waren hier die
durch Alexander den Groszen hervorgerafenen ümwftlzungim,
vor seiner Zeit scheint es in Griechenland derartige Schriften
nicht gegeben zu haben. Das meiste Lob unter den Yer&s-
sem griechischer Bomane ohilt Heliodor, obgleich audi gegen
seine Fehler Huet keineswegs blind ist. Interessant ffir Huets
Ansichten von dei* künstlerischen Form der Gattung ist, was
er bei Gelegenheit der Besprechung des Psendoathffliagofas
vorbringt. Die Frage Uber die Aechtheit des Budies wird mit
Scharfsinn behandelt und üim schlieszlich die moderne Abfas-
sung zugesprochen.
Quoi qu'ü en aoit, Touvrage d^Ath^nagoras est uifent6
ayec esprit, conduit ayec art, sentendeux, plein de beanx pii6-
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ceptes de morale; les öpisodes tirös da sajet, les canctöres
disitngn^, rhomidtotö partout obsenrte; rien de bog, rien de
lorce, ni de semblable k ce style pueril des sophistes. L'ar-
gument est double, ce qai feiisoit one des grandes beaut^ de
la eomMie aoeieiine; car oatre lee smtnres de Th^ogdne et
de Oharide, U ra])porte enoore oelles de Pherecyde et de
langenie; en quoi i>aroit Terreur de Giraldi, qui a oni que la
multiq^licit^ d'actioDS 6toit de rinYention des ItaUens. Les Giecs
et DOS vienx ftaa^ les avoient midtiplito avant eox. Les
Glees les avoient multipli^s avec d^pendance et Subordi-
nation ä une action principale, soiTant les reglos du poeme
h^lqne, Gomme Fa piatiqu^ Athtegoias, et mime H^lio-
dore^ quoiqne mefais nettement. Mais nos vienx ftan^eis les
avoient multiplieos ^ans ordonnance, sans liaison et sans art.
Ce sont eui que les Italiens ont imites. En prenant d'eux
les romaas, üs en ont pris les d^uts; et c'est one aatre
erronr de Qiraldi, pire que la prMdeote, de 'vooloir loner oe
defaut. et en faire une vertu. S'il est vrai, comme il le
recoimoit lai-meme, que le roman doit ressembler ä un corps
paifidl, et §tre oonipos6 de plnsiems parties düEfirantes et
proportionn^, sons an senl eiief ; ü s^ensoit qne Factien prin*
cipale, qui est comme le chef du roman, doit §tre unique et
Ulnstre en companuson des aaties; et que les actione subor-
donnto, qm sont comme les membres, deivent se lapporter ä
ce chef, lui c^er en beant^ et en dignit^, l'omer, le soutenir,
et Taccompagner avec d^pendance ; aatrement, ce sera un corps
k plnsienrs tdtes, monstmeoz et difforme.
Nachdem Hnet weiter einselne antike Bomaadichter
aufgezählt und besprochen, kommt er auf seine Theorie
der Grattong zurück. Er nennt regelrechte Romane nur die-
jenigen, welche den Gesetzen des Heldengedichts gemftsz ein-
geriditet sind.
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Lea Glees, qm ont d heoieiimniait peifeefciomi^ la plnpart
des Sciences et des ai-ts qu'on les en a cnre les inventeui-s,
ont aussi cultiv^ l'art romanesque : et de bnit et inculte qu'ü
ötoit paimi les orientaaz, ils Ini ont Mt prendre une meUieure
fomie, en le ressemuit dans les rtgles de T^p^ et joignant
en nn coit)s parfait les diverses parties, «ans ordre et sans
rapport, qui composoient les romans avant eux. De tous les
romaneieiB greos qae je vous ai nemmtef les seuls qni se
aoleiit assajitis ä ees rdgles, sont Antoniiis Diogends, Lneien,
Ath^nagoras, Jamblique, Heliodore, Achilles-Tatius, Eustathius
et Theodorus Prodromus.
Auch Apnlejns ist in seinen Metamorphosen naoh den
Regeln der Ennst yerfiüiTen, wenn anch seine Ohecoenitftt und
sein africanischer Stil zu tadeln sind.
Jnsqn' alors — nämlich bis in die ersten Jahrhunderte
nach Christo — Tart des romans s^^t maintenu dans qnel-
que splendeur; mais 11 döclina ensuite avec lettres et avec
l'empire, lorsque les nations farouches du nord porterent par-
tout lenr ignorance et leur barbarie. L*on ayoit iait aapara-
▼ant les romans ponr le plaisfa*; on fit alors des histoiies
fabuleuses, parce qu'on n'en pouvoit laire de v^ritables, faute
de sayoir la v4rit6.
Hierher nun gehören die Geschichten von Artns and der
Tafelrunde, der Franke Hunibald und auch Turpin, von dem
Huet mit Recht und feinem Blicke behauptet, dasz er keines-
wegs als Quelle der späteren Dichtungen der Trouvdres und
Tronbadonis anzusehen sei Die Bomandichtung der neueren
Zeiten und Volker bat naoh Huet ihren Urspning in Frankreich
genommen, nicht die Araber, wie Salniasius meint, sind ihre
Begründer. Die Normannen leiteten die Gattung zu den an-
deren Nationen ftber, in allen Völkern liegt der Geschmack
an derai-tigen Erzeugniüöeu von Natur. Die Stolle der ältesten
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bildeten geschichtlich sem sollende Berichte am alten Zeiten,
«toa Sagen. Die Fnunoeen sind auch ihrer Galanterie wegen
nnd weil bei ihnen der Verkehr der Gesdilechter am fieiesten
war, für die Urheber der Gattung des Romans in den neueren
Zeiton zu halten. Huet schlieszt sein YortrefflichdS kleines
Werk mit einer Vertheidigong der Bomane Tom mocaliachen
Standpunkte ans. -Namentlich anf junge Leute von hohem
Stande wirke die Leetüre guter Romane höchst förderlich.
1734 erschien, wiederum von einem Franzosen, ein zweites
Bndi, welches die Gattung des Romans einer eingehenden
Betrachtang würdigt, De Tusage des Bomaas, Oft Ton fidt
vüir leur utilite et leurs dilTerens caract^res : Avec une biblio-
th^ue des liomans (die den zweiten Band bildet und noch
jetzt brauchhares bibliographisches Material liefiart) acoom-
pagn^ de remarques critiqaes sur leur chok et leurs 6ditions.
Par M. le c. Gordon de Percel. Amsterdam, chez la Veuve
de Poilras, ä hi V6iit6 sans fard. MDCCXXXIV. 2 Bde. in S"".
Das Werk des angeblichen Herrn GraHan, der aber in der
That der Ahh^ Lenglet dü Fresnoy war'), sticht von dem
seines Vorgängers nicht eben sehr vortlieilhaft ab. Der Ver-
fasser versichertY dasz er keui Gelehrter s^ giebt sich aber
das Ansehen dnes Mannes von bOchst fsinem Geschmack.
Das erstere macht er uns leichter glauben als das letztere,
doch bietet er immerhin einiges Bemerkenswerthe.
Nachdem er eine Menge Terdammende Urtheile tou Theo-
logen gegen die Bomane angebracht und auf seine ziemlich
oberflächliche Weise dagegen geredet hat, kommt er darauf,
dasz der Roman nichts anderes sei, qu'un Apologue un peu
plus 6tendu. Dies lAszt freilich kern sehr tiefes Eindringen
in das Wesen der Gattung erkennen, was dem Verteer um
<) Bihlioth^ll6 müTerBeUe des Bonan«. Paris 1775, Bd I, 8. 19.
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80 mehr zum Yonrorf gordeht, als er Haets Buch »ebr gut
kannte. Apologetische Bemühungen gegen diejenigen, welche
den erotischen Inhalt der Bomane bedenklich fanden, schliesaen
das erste Capitol. Das zweite beginnt mit der Durchführung
des Sataee: L'imperfection de Thistoire doit fiiue estimer les
Romans. In der Geschichte ist Vieles dunkel, streitig, unbe-
friedigend, in den Bomanen will man gar nicht die Wahrheit,
also yenniszt man sie audi nicht. In der Qeschichte fehlt
die poetische Gerechtigkeit, die in den Bomanen so gründlich
und schön gehandhabt wird. Die Hauptsache aber ist, dasz
in der Geschichte der Einflusz der .Frauen viel zu gering an-
gesddagen wird, in den Bomanen dagegen nach Gebühr her-
Tortritt Das dritte Oapitel handelt des conditions d*un
Roman destine poar plaire et pour instruire. Die Fehler,
weiche ein Kornau vermeiden musz, sind 1) d'offenser la Reli-
gion, 2) de censnrer la personne des Bois. Den Kdnigen
sind die Prinzen von Gtoblftt gleichzuaditen. 3) d'attaquer
quelque personne en place, d. h. Hofleute, namentlich Hof-
damen. 4) d'attaquer des personnes disgraci^es ou pers^cut^es.
5) d^offenser les moeurs. Interessanter sind hier die positiven
Grundsätze, welche nach des YerfBsem Meinung von Bornas-
Schreibern festzuhalten sind.
Je mets pour premiere Observation de ne choisir que des
Sujets nobles et qui puissent m^riter Fattention des honndtes
gens. Je Tai d^jä dit, un Homan est un Po6me h^roique en
Prose. Tous ceux qui sont venus jusqu' ä nous ne peignent
qua des Bois, des Pnnces, desHäros; il &ut fiure ses preuves
pour 7 avoir place. Et queUes preuves? D n* y a point-lä
de dispense comme ä Malte, on n'y voit point des Chevaliers
de grace; on y admettra plutot le bätaid d'un Prince, qu'uu
fils ou un fir^e de Ministre. VoiU pour les personnes; mais '
Folget doit dtre une aetioa grande, hAroIque, p^nlleuse: les cir«
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— 12 —
constanoes qoi doivent dtre choMes eDtre les plus belies, scroot
toujours noblement on d^licakment exprim^s Tonte la
diflference qiii se trouve enti'e le mi Poeme et le Boman, est
qne toute Taction de celui-el se termine pur nn oa pluneuts
mariages; et Toillt pomrcftioi 0 est d^ndii en bonne policc
ronianesque de faire marier les Heros au commenremont oii au
milieu du Kornau. Comme le raariage en est le but. tout ce
qiü est an-delä devient inatUe et superfla poiir Faction piin-
eipale; on 89ait bien ce qne font les gens qnand Iis sont
maries; si Ton passe au-delä du manage, c*est compliquer
deox grandes actions en un seul Poeme: crime capital en
bonne Poesie. L'aotion da Podme vraiment h^rolqne est la
fin d*nne grande et difßdle entreprise, on TApotb^ose dn H^s
princijial. Ainsi ni le Roman, ni le Poeme ne doi\rent point
commencer comme THistoire k la naissance du Heros pour finir
k sa mort; lenr bat est one seole et oniqae action. Mais fl
se pent faire quo par des ^plsodes on S9acbe tont ce qni est
arrive au Heros et aux personnes les plus illustres du Poeme,
c'est m§me ce qoi est n^oessaire ponr montrer qne ce H^ros
ne s*e8t pas &it tont d*nn oonp, qa*il Ta toajoors M et qa*il
vient de bonne race etc.
Die Nothwendigkeit , dasz die Knmnuhelden von hoher
Geburt seien, ist in der That das Lieblingsthema des Ver-
fassers, das er noch des Weiteren illnstrirt nnd anf das er
immer wieder zurückkomint. Es entgeht ihm niclit, dasz in
Polge dieses Satzes und einiger anderen, die er aufstellt, eine
ganze Anzahl von Werken nicht Romane genannt werden können,
obgleich man sie gewöhnlich dazn rechnet, doch Iftszt er ihnen
in ihrer Art wolil Gerechtigkeit widerfahren.
Das zweite Gesetz ist das der Walirscheinlichkeit, eine
alte Bogel, an die man sich jedoch nicht immer gebnnden»
das driM ist die Notiiwendigkeit, gute Sitten darch die Bo-
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13 —
mane zu verbreiten, endlich sollen die Bomane zur Bildung
des Geistes beitragen.
Das yierte Capitel ftUirt die sehen erwfthnte Ansicht des
Verfassers aus, dasz das eiotiscbe Element der Hauptcharakter *
des Bomans ist, wobei er ausdrücklich erklärt, die grobsimi-
Udie Liebe nicht xu meinen, und zwischen der Liebe als Tn*
gend und der Liebe als Leidenschaft unterscheidet, eine Theorie,
die er, wie wir au einer anderen Stelle ersehen werden, von
Torquato Tasso hat, und welche in den Ansichten des XVI.
and XVII. Jahrhunderts Aber die epische Diditnng eine nicht
nn])edentende Rolle spielt. Das fünfte und sechste Caidtol
bieten nichts Beraerkenswerthes, der Verfasser verbreitet sich
hier über die Verwendbarkeit zur sittlichen und intellectueUen
Bdehmng der Jugend, hierin sehr fthnlich einer Menge Ton
Aesthetikern der ersten Hälttf des vorigen Jahrhunderts, die
ihre UnßÜugkeit, in das Wesen der Kunst einzudringen, selir
gern mit moralphilosophischen Bedensarten verdecken.
Das siebente Capitel hat eine üeberschrift, die allerdings
hiötoriscli interessante Bemerkungen zu verbürgen scheint:
Usage et etfets des Romans dans les dülerens Fais, dans les
differens siecles, dans les divers dges de la vie: caract^re
d*esprits auxquels ils peuvent convenir. Was aber Peroel hier
▼orbringt, kann seiner oberflächlichen Allgemeinheit wegen
und um des ganz veralteten und an sich unwissenschaftlichen
Standpunktes willen übergangen werden. Nur die über Deutsdi-
lind handelnde Stelle gebOrt hierher. L'AUemagne en general
est trop s«5rieuse jtour gouter les gentille.sses de Tamour. Elle
se livre un peu trop brusquement k la r4alit6; peut-etre
a-t-elle ses raisons. Occup^ plus utilement d*ailleuj:8, eile ne
veut pas se d^tourner de ses fües principales par des senti-
nients tendres, qu'on est longtems a conduirc au but: cela
nVrtt pas seulement dans le peuple; les gens polis, les courü-
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14 —
Sans memes s'eii resscntent C'est un mauvais goüt, qui les
prive de bien de jolies ehoses; car qni ne s^ait que le pliusir
est plus dans rimagination que dans la realit6. Je ne s^ai ü
avant le Theurdanck eile a produit quelques Romans; Ton
S9ait que ce Livre tres-rare, meine dans la nation, contient
les Aventares amourenses de r£mpereiur Maximilien I Erltes
en Vera Allemands par le Chapelain de ce Piince, qui tat la
bravoure et la tendresse merae, et publik du vivant nieme de
Maximilien. Les Allemandfi ne laissent pas de goüter nos
mani^es, et de traduire quelques-nnes de nos pIns agrtebles
HistorieHes. Qu'ils seroient Mables sHls poavoient donner
dans cet amour delicat, tendre et passionn^; s'ils s^avoient
joindi-e cet agr^ment ä leur 8olidii6, ce seroient les plus par-
fiuts et les plns henrenx de tons les penples; avec an anssi
grand fond de r^edons, Famour setoit ponr euz toiqoiiis Terta
et jamuis passion').
0 Vor jeder weiteren Anmerkung diene folgende Stelle des dem
sweiten ^tade Toransgefaendeii ATertissaneiii for ErklSmng und Er-
gansung. Je n*ai point parl6 des BomaDs originairemeiit Allemans.
La connoissanee que j'en ai eile est venfte trop tard, pour Stre ins^r^e
dans eette Bibliotheqiie. Cependaat comme fl ne fknt pas qn*on y
perde, Toioi ce que j*6n ai apris d^on S^avant de mes amis. H a?on6
qne de plus de soizante dont fl m^euToye la Liste, U n*y en a pas.
plns de qoince qni soient raisonnablement torits, les antoes se jettent
dans des ordnres insontenables, on dans nne simplicit^ d^gofktante. 11
est itonnant qa*nne Nation, qni ezcelle en tant d'antres cboses, n^ait
pas port< son gott jnsqn* k ce gerne de eomposition, qni est agr^ble
et amnsant. Iis ont assez de modales k snim dans ce qne la Fiancc,
rEspagne et lltalie on prodnit k ce sijet. Voici donc les plns rai-
sonnables de lenxs Bomans; pent-dtre prendra-t-fl envie ä qnelqn*un
de nons en traduire quclqnes-nns en Fran9oi8.
Octavia Romaine, in 8. 1711. 6 Tolnmes. On tronTc qne cet
OnTrage est plns historique qne romanesqnc.
Aramena, oii Tillastre Syrienne, in 8, 167S. 5 volnmes. D*Qn
Stile nn pen trop affect^.
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16 —
Schlienslich sei noch bemerkt, dam aodi de Peroeb ür-
tiieile über die Leistnngen anderer Nationen manches an sich
Bemerkeoswerihe enthalten, was ich jedoch als nicht zu meinem
Zwecke gehörig weglasse.
Ehe ich min m anderen theoretischen Werken Aber den
lloman und die ihm nahestehenden Gattungen übergelie, kann
ich nicht umhin, zwei englische liomandichter ersten £anges
OOS dem voiigen Jahrhundert hier zn Worte kommen zu lassen,
▼on denen der eine, SmoUet, die Ansicht seines Zeitalters über
die früliere Gescliiclite der Gattung vortrefflich ausdrückt, der
andere, der unvergleichliche Fielding, uns in gelegentUchen
L*Aaiatiqne baniiie, par le Sieur Ziegler, in 8, 1783. 2 Toluaes.
Bon; uaoM le premier voliune beaneonp meSlenr qne le seeond.
Anninine, par le Sienr de Lohenstein, in 4. Leipric. 1781. 4 vo-
Inmes. On e^t la figore qn*Aniiiniiii a fidt dane Tandenne Oeimanie.
Janais ei^et ne ftit (plne) propre k Mn vn Beman, sor-tont nn Boroaa
de Ghevalerie. Celm<i est ettim^ des Conndsaenn.
Hercnles et Hercoliscns, in 4. Boman cnrienz et fort wüm4.
FEscIave Doris, par Talander, in 8. 1699. Livre eetim^. Le
nom de Tal ander est sopoed, TAvtenr se nommoit Angnstos Boee.
Lee Coors de TEnrope, par Menantcs, in 8, Lo champ est vaete,
il y a bien occasion de debiter de r}{ist(iir('. de la Politiqne et de
VAmonr. Le vrai nom de Menaates ^toit Hunold.
Menantes, le Monde anioureux et galant, in 8. 17H0. Un pea
moxQB estimö qne le pr^cödent quoiqu' U vienne dn m^me Anteor.
Du möme, Adalie, in 8. 1781, Bon.
Du nit"nir>. Clelic, in 12. 1672. Roman estim^.
Venda Keine de Pologne, in 12. 1702. II paroit que c'est ici
uue Traduction du Fran9ois.
Smynia Keine des Amazones, in 8. 1700. Bon.
L'infortunee Princessc Arsirioe, in 8. 171-^. Assez ostime.
Weiter hat der gelehrte Freund sich nicht vernehmen lassen.
Wenn de Percal die angeführten Werke seibat gekannt hätte . dürfte
.'^cin Urtheil, das ich oben citirt, nicht grade ungerecht genannt werden.
Es wird dann noch richtig des Keichthum.s an Ueber.><etziini,'en aus
fremden Sprachen in die deutsche erwähnt, unter denen aucii Kabelai;:
figurirt.
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Bemerkungen Beiträge zur Theorie der Gattung liefert, welciie
zunächst als wesentliche Ergänzungen za den guten £r6rtenmgea
Hnets za nehmen sind und uns somit gegen dePercel sdiad-
los lialton können, bei dem wir allerdings nichts gefunden
haben, was uns hätte in das Wesen de^ Romans tiefer einfuhren
hffnnen. Tobias Smollet sagt in der Vorredo zmn Boderick
Random: Romanos, no donbt, owes its origin io ignorance,
vanity, and superstition. In the dark ages of the world, when
a man had rendered himself famous for wisdom or valour, bis
family and adherents ayailed tiiemselves of bis snperior qoa-
lities, magnified bis Tirtnes, and represented bis character and
person as sacred and supernatural. Tho vulgär oasily swallo-
wed the bait, implored bis protection, and yielded the tribate
of homage and praise even to adoration; bis ezploits were han-
ded down to posterity with a thousend exaggerations ; they
were rei>euted as incitements to virtue; divine honours were
paid, and altars erected to bis memoiy, for the encouragement
of those wbo attempted to imitate bis example; and bence
arose the heathen mythology, whicb is no other than a col-
lecüon of extravagant romances. As learning advanced, and
genins received cultivation, these stories weie embellished
with the graoes of poetxy: that fhey might the better reeom-
mend themselves to the attention, they were sung in public,
at festivals, for the instiuction and delight uf the audience;
and rehearsed before batüe, as incentives to deeds of gloiy.
Thns tragedy and tbe epic mnse were bom, and, in the pro-
gress of taste, arrived at perfection. It is no wonder that
tlie ancients could not relish a fable in prose, after they had
Seen so many remarkable events oelebrated m Terse by theur
best poets; we therefore find no romaneeamong them, during
the era ol their cxcellence, unless the Cyropaedia of Xenophon
may be so called, and it was not tili arts and sciences began
Digilized by Goügl
17
io reme, aftar fhe imiption of the barbarians kto Enrop«,
that any thing of this kind appeared. But when the mintls
of men were debauched by the imposition of priestcraft, to
the moat absurd pitch of erediilify, the authors af remance
aroae» and, losiiig sight of inrobability, fiUed tfaeir performanoeB
with the most monstrous hyi)eiboles. If they could not equal
the poets in point of genius, they wäre resolTed to eicel them
in fiction, and apply to the wonder rather than the jadgment of
fheir readers. Aooordingly, they bronght necromancy to their
aid, and, instead of supporting the character of their licroes
by digniiy of sentiment and practice, diatingaished them by
their bodüy atrength, aetiviiy, and extravaganoe of behavioiir.
Althoiigh nothing could be more Indierona and annatoral than
the fiugres they d»ew, they did not want patrons and ad-
mirers; and the world aetually b^gan to be infected with the
apirit of knigbterrantiyt whfln Gerfantes, by an inhnitable
piece of ridicule, reformed the taste of manldnd, representing
chivaky in the right point of view, and Converting romance
to purpoaes ftr moie usefnl and entertainingt by making it
aasome the soek, and point ont the foUiea of ordinary lifo.
The same methud lias been practised by other Spanish and
French authors, and by none more successfully than by Mon-
sieur Le Sage, who, in his Adventores of Gil Blas has deeori-
bed the knavery and foibles of Mfe with ininite hmnoar and
sagacity. The following sheets I have modelled on his plan etc.
In der Vorrede zu seinem Joseph Andrews, den er nach
dem Mnster keines Geringeren als des Bittera Ton der trau«
rigen Gestalt gearbeitet und den er als Beprftsentanten einer
bisher in England nicht cultivirten Gattung bezeichnet, sagt
Henry Fielding, nach dem groszen Spanier Tielleicht der gröszte
Meister im Boman, und ein Mann von so durchdringendem
reflectoenden Verstände, dasz auch seine Anslaasungeu auf
3
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theoretischem Gebiet auf Auctorität ersten Banges Ansprach
machen dürfen: The Epic, as well as the Drama, is dirided
into tragedy and comedy. Homer, who was the father of this
Speeles of poetiy, gave us a pattera of both those, though
that of the latter kind is enturelj lost; whieh Aristotle teil
ns, bore the same relation to comedy which bis Hiad bears
to tragedy. . . . And farther, as this poetry (the Epie.) may
be tragic or comic, I will not scraple to say it may be like-
wise either in Terse or prose: for thongh it wants one parü-
ciliar, wliich the critic enmnerates in the constituent parts
Ol" an epic poem, namely metre; yet, when any kind of writing
contains all its other parts, sach as fohle, aetion, characteres,
sentiment, and diction, and is deftdrat in metre only; it seems,
I tliink , reasonable to refer it to the epic ; at least as no
critic hath thougbt proper to ränge it under another bead, or
to assign it a particolar name to itsell
Thns the Telemaohos of the archbishop of Oambray
appears to me of the epic kind, as weil as the Odyssey of
Homer; indeed, it is much fairer and more reasona])le to give
it a name conunon with that species finom which it differs
only in a Single instanoe, than to confonnd it with those,
which it resembles in no other. Snch as thosc volumiiious
works, commonly called Romances, namely Clelia, Cleopati-a,
Astraea, Cassandra, the Grand Qyms, and imramerable others,
which eontain, as I apprehend, veiy little mstmction or entei^
tainement.
Kow a Comic romance is a comic epic poem in prose;
difforing from oomedy, as the serions epic firom tragedy: its
action being more ^tended and comprebensive, eontaininjEif a
much larger circle of incidents, and introducing a greater
Tariety of characters. It differs irom the serions romance in
ii» fhble and aetion, in this; that as in the one these are
Digilized by Goügl
— 19 —
gmve and solemn , so in tiie other they are light and ridi-
culoos: it diffeis in its characters, by introdiicing persons of
ioferuHT rank, and consequently of inferior manners, wbereas
the gra?e lomanee sets the highest before ns; lasüy, in its
sentiments and diction, by preserving tfae ludieroas instead of
the sublime. In tbe diction, I think, burlesque itself may 1)0
sometimes admitted; of which many instanccs will occur in
thk work» as in the description of tbe batUes, and some other
places'), not neeestaiy to be pointed ont to tbe classical
reäder; for whose entertainement those parodies or burieütiuc
imitations are chieüy calculated.
üoit was in Dentochland für die Qeschichte und Theorie
des Bomans geleistet wordcfn ist, weiter nnten im Zosammen-*
hange zu betrachten, ist jetzt noch ein englisches Werk zu
erwähnen , das. wichtigste, welches überhaupt diesem Gegen-
stande gewidmet worden. Ich meine The History of Fiction,
being a eritical Account of the most celebrated Prose Works
of Fiction from the earlist Greek Romances to the Novels of
the present Age by John Dunlop. Edinburgh 1814. HL 8.
— Sdinb. 1816. III. 8. — London 1843. L 4. — PhiLw
delphia 1842. Die deutsche Ausgabe hat den Titel; John
Dunlops Geschichte der Prosadichtungen oder Geschichte der
Bomane, Novellen, M&rchen n. s. w. Ans dem Englischen
ftbcrtragen und tielfiich Termehrt und beriditigt so wie mit
einleitender Vorrede, ausführlichen Anmerkungen und einem
vollständigen Register versehen von Felix Liebrecht, Professor
am Athoi^ Boyal zu Iiüttich. Berlin 1851. I. 8.
») Was Fielding hier meint, ist nur dem Yeratändlich, der seine
Werke selbst gelesen hat, es sind Schilderungen wie die der Schlägerei
auf dem Kirchhofe im Tom Jones und des Kampfes mit den Hunden
im Joseph Andrews, wo der homerische oder yirgilische Ton ange-
wendet wild, om eine derblftcherliche Wirkaug herrombringen, die
tlterdiBffi nur aaf den dsniich gebildeten Laoer beieehnet ist«
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— 20 —
Dnnlop hat ohne Fi'age die unenfbehrlidiBte Vorarbeit
Ar Jeden geliefert, der eich ndt der Geecbichte dar Proeadieh-
tung') beschäftigen will, die unvermeidlichen Mängel des Werkes
stehen in engstem Zusammenhant^^e mit seinem groszen Vor-
zage, nftmlich dem mnfiisseaden Plane, naoh dem es angelegt
ist. Der deutsche Heraosgeber hat die Qeeiditspvmlrte des
schottischen Verfassers noch um etwas erweitert, ohne übri-
gens — was ja Liebrechts Verdienste nicht entwerthet —
dadurch und durch sdne Anmerlcnngen das Ganze anf diqenige
Höhe des wissenschaftlidien Standpunktes gebracht zu haben,
welche wohl möglich und für den, der auf Dunlops Leistungen
weiter bauen will, wünschenswerth wäre. Ob es gegenwärtig
sdion gerathen wäre, eme' Darstelhmg der Qesohichte der
Prosadic^tung in allen Literaturen, welche sich auf der Höhe
der gegenwäiiigen Wissenschaft hielte, zu unternehmen, möchte
ich mindestens stark bezweifeln, und zwar gmde aogeelGhts
solcher Werke wie Benfeys Pantschatontra, deren es eben noch
viel mehr geben müszte, ehe man an so etwas denken könnte,
und auch angesichts der nicht zu leugnenden Thatsache, dasz
der Boman und seine Nebengattnngen, so zu sagen, die am
meisten internationalen Diohtungsarten sind, deren B^ndlung
innerhalb einer bestimmten Nationalliteratur ein sehr tiefes
Eingehen in gleichzeitige und frühere anderer Völker nöthig
macht, eine Thatsaehe, die grade in Bezug auf die deutsche
Dichtung sehr deutlich zu Tage tritt. Was man an dem
Tone, in welchem Dunlop von seinem Gegenstande zu reden
für gut befunden, zu tadeln gehabt hat, nämlich den Mangel
an Emst, den stark subjectiTen Humor und das fiut naive
Herrortreten modemer Ansichten, möchte ich denn doch nicht
I) Das Wort darf als passendste tTebersetning des ^eflieh bes«
seren Ihgliseken „fietion** nimmehr als eingebürgert angesehen werden.
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— 21 —
ak entBebiedene und stOrende Felder betraditen, ja ich würde
ed in der That ungern missen wollen. Dunlop wird durch
aeine eigenthümlklid Schreibart nie unklar oder etwa pai-teiiscb
mid wixUich ungerecht, saue Snlijeetivitilt tiftgt giade nicht
wenig dam bei, die Verschiedenholt der AnschannngsweiBe
▼ergangener Zeiten von der der neueren Zeit scliarf zu bo-
tonchten, and was seine homonstifiche Ader anbelangt, so
hftDgt sie ndt der heitoen, gehiseenen und geistvollen An-
sduranngsweise Dunlops zusammen « welche einen Hanptreiz
*
des vortrefflichen Buches bildet.
Was ich f&r den Zweck meines vorliegenden Versuchs
Yon den Meiaiuigen Dnnlops zu modifidren nOthig einchte,
soll im folgenden Capitel berflhrt werden, weshalb ich jetst
Aof die Arbeiten deutscher Theoretiker übergehe.
Wer von den theoretischen Schiiflen Aber Poesie, die seit
Opitam» Auftraten toh semen Jttngem und Nachfolgeni im
siebzehnten Jahrhundert bis ins achtzehnte um das Auftreten
Gottscheds hin veifaszt wurden, eine einigermaszen richtige
YoisteUung hat, wird von voniherem nicht erwarten, in ihnen
etwas Erbebliehes, das hierher gehörte, zu finden. Finden wur
doch auch bei Gottsched und den Schweizern wenig genug
Bemerkungen, die das Wesen der Sache bemhren, meist vom
iDSurlichsten Moralstandpunkte ans gelegentUch voigebiadit,
enl 1774 tritt uns ein eigenes Werk über den Boman ent»
gegen. Dennoch erscheint es nicht ungehörig, hier im Gegen-
sata zu den fremdländischen Werken und Theorien, von denen
nur das Wichtigero und auch fOr die deutsche Literatur Be-
deutsamere yorgebraobt wurde, auf die Ansichten, die bei
deutschen Schriftstellern über unsere Gattung zu Tage treten,
etwas vollständiger einzugehen.
Freilich smd nach Form wie nach Inhalt fisthetische
Bemerkungen wie die folgende, die von Sigmund von Bir-
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22 —
kenO henftammi, wenig befriedigend nnd reisen nns sehr wenig
an, viel dergldohen m eiüren und zn lesen. „Diese Geschicht-
gedichte", sagt Birken, „und Gedichtgeschichten vermählen
den Nutien mit der Belustigung, tragen gQldene Aepfel in
sübeinen Schalen auf und versflssen die bittere Aloe der Wahr-
heit mit dem Honig der angedichteten Umstände. Sie sind
Gärten, in welchen auf den Geschichtstämmen die Früchte der
Staats- und Tugendlehren mitten unter den Blumenbeeten
angenehmer Gedichte herfürwaehsen und zettigen. Ja sie sind
rechte Hof- und Adelsschulen , die das Geniüthe, den Ver-
stand und die Sitkn recht adelig ausformen und schöne Hof-
reden in den Mund legen." Von dieser Art sind die meisten
Stellen, in denen die Aesthetiker' der Torgottchediscfaen Zeit
auf die Romane zu sprechen kommen, sie verbreiten sich üIxt
den Zweck imd Nutzen derselben*), scli reiben Schutzreden für
die vielfiich angefochtene Gattung, schlagen, um die aus der
Lectare der gebrftuchlichsten Romane für die Jugend und das
Frauenzimmer entstehenden Gefahren zu beseitigen, Verbesse-
rungen und Aenderungen vor, und was dergleichen mehr ist,
wobei Ton einer Theorie der Gattung natfirlich gar keine Bede
ist. Derart shid aneh die ▼ielfech und in grosser Breite in
Vorreden und Zueignungsschriften vor üebersetzungen und
originalen Arbeiten auftretenden Bemerkungoi, von denen
einige wdter unten bei der Besprechung der wichtigen Erzeug-
nisse der Romanliteratur jener Zeit werden herangezogen werden.
Hier nm* das Wenige, was sich etwa über die Gattung im
AUgemdnen findet Morhof, der Huets Schrift erwfthnt, sagt
*) Vor-Ausprache zur Aramene Seite IV f.
') Vgl. Heldenge8chichte der durchlauchtigsten Hebräerinnen
Jiaka, Rebekka n. s. w. Leipzig und Lüneburg 1637 (von Joachim
Meier) in der Vorrede} und, Thoiu»siU8, Monatsgespr&che 1688, I, 44 if.
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— 23 —
in deinem Unterricht der deutschen Sprache (Ausgabe LObfck
und Frankf. 1700.)
^Es ist eine andere Art der Gedichte, aber in ungebun-
dener Kede, welche dennoch mit gutem Fug Helden-Gedichte
genannt werden können. Denn sie sind von den andern nicht
vntersdiieden, als nnr bloss an dem meiaro. Es hat aber Ari-
sto teles zugegeben, dasz auch ein Poema ohne Metro seyn
könne. Solche sind die so genannten Bomainen, von deren
üiapronge TielerU^ Memnimen smd. Smige schreibea sie den
Arabern zu, etliche den Spaniern, andere den Franzosen.
Huetius hat eine gelehrte Dissertation von ihrem ürspmnge
in Französischer Sprache geschrieben. Dieser brioget ihre
Erfindung anff die Moigenlftnder, Aegyptier, Syrer, Araber,
Perser, von welchen sie auff die Griechen und Römer gekom-
men, bey denen man unterschiedliche solche Poetische Schrif-
ten hat Dasz bety den alten Nordländern dergleichen 6e-
didite gewesen, geben die Fabeln an den Tag, die man in
der Edda noch findet. Ja, wenn man des Herrn Kudbecks
Meinungen annehmen sollte, dürfl'te wohl die ganze Mythologia
der Griechen davon entstanden seyn, dass also dieselben nicht
von Oaioli M. Zeiten nnr hör zn holen, wie Hnetins meinet^
Morhof scheint hier nur zu zeigen, dasz er die ganze Sache
sehr wenig scharf au^efaszt uud Huets trefüiche einleitende
£rOrtemngen kanm verstanden hat Weiter unten sagt er
noch: ,J.n Tentschland hat man sich erstlich nnr, mit den
üebirsetzungen der frembden Romainen, vergnüget. Jetzo aber
hat man auch einige gute sinmeiche Wercke, aus eigener Er-
findung, hervorgebracht, als, den Teutschen Herenlee, nnd
Herculiscus, die Aramena, die Octavia, welche den Anszländem
nichts nachgeben, deren Autores, wie wohl man sie sonsten
wohl kennet, noch zur Zeit sich selbst nicht haben nennen
wollen. Man könnte auch allhier die Frage erörtern, ob solche
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1
— 24 —
BOd^er einen Nntun haben, und lesens wfirdig sind. Worin-
nen die ürtheile nntereehiedUch sind. Idi wollte sie so gar
sehr nicht tadeln, wenn nur Masse darinnen gehalten wird.
Gleich wie eine Comedie nicht allein ergötzet, sondera auch
. viel nfttelioheB und lehnreictiee in sieh hat, so kennen aa<di
diese Romainen ein gleiches tinin. Man saget, dass Hngo
Grotins ein sonderlicher Liebhaber derselben gewesen, und
dei'en keine angelesen gelassen."
£in eigenes Oi^itel über onsere Gattung findet sieh in
der MVollstitaidigen Dentschen Poesie** Ton M . CSnristiaii Bofetti,
Conrector des Gymnasiums zu Halle (Leipz. 1G88).
„YiHi den fiomainen*) oder Liebesgedichten"* meint der
Yerftsser: ^Was die Franzosen und wir mit ihnen insgemein
Romake nennen, kennen ihres Lihalts nnd ihr«r Hanpt-Materie
wegen gar füglich Liebes-Gedichte genannt werden. Dieselben
sind nun in keinem Dinge ?on vorliergehenden Helden-Gedichten
(diese sind im TOibeigehenden Ga^tel sehr ansfUhiüch be-
sprochen) unterschieden , als alleine in dem Inhalt oder der
Materie und dann in dem Stylo. Denn was die Materie der
Romaine anlanget, so mnsz, wie in dem Helden-Gedichte einw
vomelnaen Heldens-That sa eneehlen Torgenommen wnrde, in
den Romainen eine Liebes-Qeschichte sn ersten Torgenommen
werden. Und zwar, weil dieselbe Ei-zehlnng eben den End-
Zwed£ hab«i mnsz, den die erzehlung eines Helden -G^ehta
hat, nemlieh die Erwednmg der Liebe znr wahren Tugend, so
musz dieselbe nicht tadelhafftig seyn, mnsz aoch endlich dnen
glücklichen Ausgang gewonnen haben. Im Uehrigen aber ist
nicht eben, wie in dnem Helden-Gedichte, gar zu nOthig, dasz
1) Wie Morhef und Botth auf diese bei den Franzosen selbsk^
wie ei seheiiit, nebekaiiBte Foim des Wortes kommen, weiss ich nicht
BO sagen.
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— 26 —
' die liebenden Pereonen, Ten welchen die Gedielite entlehnet,
vornehm oder bekannt seyn müssen. Denn auch mittelmfiszige,
docb erlNuna, Penonen; auch gar onbekaote und erdichtete ihre
Liebe^-Gesohiehte m einer Materie dieser Qediohte berleiben
können. Wie wohl nicht zu Iftngnen, dasz vornehmer nnd
bekannter Lenthe Liebes-Geschichte vielleicht auch in dieser
Art Gediohte den Vomg dfliflten behalten.'' Wenn der Ver»
iluser verlangt, der Boman solle sieh, was Anordnung nnd Ana-
schmücknng betreffe, an die Kegeln des Heldengedichts halten,
so bemerkt er docli, dasz die „meisten ßoman-Schreiber mit
Uebergehnng dea £zordinm, der Invocatio nnd Dedieatio ei
abrupto anfangen. Der Si^lns habe bisher in ungebnndener
Rede allein bestanden, doch halte er davor, „dasz auch wohl
in gebundenen Beden dergleichen Liebes-Geschichte nicht un-
ittglieh konnte Torgest^t werden.*' Der Ton der iMe kann
ehi weniger hoher als in den Heldengediehten s^, der Dichter
soll selbst wenig roden, die Personen dagegen selbst, jede ihrem
Stande gemäsz, reden lassen. „Dieses nun zum Voraus gesetzt,
louin dne (sol) Bomaine etwan anf folgende Art besduieben
werden, dasz es ein solches Gedichte sey, in welchem ein sinn^
reicher Kopff eine feine anmuthige und lobwürdige Liebes-
Geschiohte, sie mfj nmi warhaffkig geschehen oder nor erdichtet,
mit allerhand annrattdgen Brfindnngen (Episodüs) m Yoll-
kommenlieit zu bringen und aulT Poetische Manier in anstan-
diger Ordnung vorzutragen trachtet, zu dem Ende, dasz &t
durch Anlasz dieeer anmnthigen Gesehiohte etwas nfttatiehes
lehre und liebe enr Tagend erwecke.** Fflr die stndhmide
Jugend hält Rotth die Romane eben nicht für sehr nützlich,
obwohl der Auetor des Hercules und Herculiscos mit seinen
Sehriften die Gotteeftucht «einaablauen** suche. Schlieszlich
weist er anf Hneta Schrift hin, von der em recht ausführlicher
Auszug beigegeben ist. Doch hat nicht Rotth das Verdienst,
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den Torireffliehen discoiira in Deutschland bdouint gemacht sa
haben, sondern Happel, der ihn seinem ^Insidamscfaen Man-
dorell" beigegeben hatte, woraus ihn Rotth entnahm. Die
Erörterungen des wackeren Conroctors sind allerdings von
keiner besonderen Wichtigkeit, können aber dennoch als der
Anfiuig der Theorie des Bomans in Deutschland hier ihren
Platz beanspruchen, übrigen.s beweisen auch sie das damals
allgemeine Schwanken des Geschmacks und Urtbeils, das bei
unserer Gattung, ans der dem Theoretiker wenig oder gar
keine massgebenden Muster vorlagen, und die trots der Pro-
ductivität der Zeit für sie noch in einem unreifen Entwicke-
lungsstadium war, durchaus nichts Befremdendes hat Nicht
Tergessen dacf auch werden, wenn man sieh die geringe
Beachtung der Gattung sdtens der Theoretiker erkUren will,
dasz man überliaupt den Roman iur noch nicht recht hoffUhig
auf dem Pamass erachtete, ihn noch kaum für eine Gattung
der Literatur ansah, deren Inhalt und Form wie bei den an-
deren Gattung«! Gegenstand von Kunstregeln und eingdienden
Erörterungen in Bücliern über Poetik sein könnte.
Mit der Theorie des Bomans in Deutschland sind wir nun-
mehr schon fertig, soweit sie in diese erste Abtheilung des yoi>
liegenden Versuches gehört. Denn diese Abtheilung soll die Ge-
schichte der Gattung und ihrer Nebengattungen nur bis in die
ersten Jahnehnte des XYUL Jahrhunderts fiUuren. Die hier dai^
austeilende Entwickelung wird noch deutlicher machen, w<nanf
schon hingewiesen ist, dasz nämlich durch den Zustand der
Gattung selber das last gänzliche Fehlen einer Theorie der-
selben m unserer Idteratur wShrend des bezeichneten Zeitraumes
hinreichend begrfindet ist
Es hleil)en mir hier nur nocli einige Hülfsmittcl zu er-
wähnen übrig, welche sich vorzugsweise oder nebenbei auf
den Inbfdt dieser Abtheilung beziehen. ZunAchst ist zu sagen.
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— 27 —
dasz 0. L. B. Wolff in seiner » Allgemeinen Oeecbichte des
Romans von dessen Ursprung bis zur neuesten Zeit". (Zweite
venndurie Auflage, Jena 1850), die hier zu besprechenden
Erscheinnngen anck in den Kreis seiner Betraditnng geiogen
hat. Der geringe Umfang (728 Seiten H. 8<*.) dieses gut ge-
sclihebenen populären Werkes im Verhältnisz zu seinem über-
aus nmfiuigielehen Gegenstände macht erklftrlicfa, dasz es hier
nidit weiter in Betracht kommen kann. Bs kann m einer
Einführung fUr den mit der Sache noch ganz Unbekannten
dienen, doch dürfte auch zu diesem Zwecke Dunlop fUr den
wissenschaftlich gebildeten Leser bei weitem yorznsiehen sein.
Wichtiger Ar die Geschichte des Romans Im XY., XYL
und XVII. Jahrhundert sind folgende Sammelwerke:
1. Volksbücher. Herausgegeben von G. 0. Marbach.
Leipzig. Wigand. 1838 ff. 86 Nnrnmem. 8».
2. Die deutsehen Yolksbfleiier. Gesammelt und in ihrer
ursprünglichen Echtheit wiederhergestellt von Karl
Simrock. Frankf. a. M. 1845 ff. 13 Bde. 8^
Marbach mid Simrock geben den ToUstftndigen Text der
von ihnen aufgenommenen BQcher, jedoch ftr das jetzige Lese-
publicum und daher gereinigt und modeniifiirt. Auszüge,
literarische und ästhetische ErOrtemngen giebt:
3. Die teutschen Yolksbflcher. Nähere Würdigung der
schönen Historien-, Wetter- und Arznevlnichlein, welche
theils innerer Werth, theils Zufall, Julirhunderte hin-
durch bis auf unsere Zeit erhalten hat Von J. G^^rres,
Professor der Physik an der Secondärschnle zn Ooblenz.
Heidelberg 1807. 1 Bd.
Umfassendere, aber mit groszer Vorsicht zu benutzende
Samminngen sind:
4. Bibliothek der Romane. II. Auflage. Riga 1782 ff.
21 Bde. 8". (abgek. B.)
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— 28 —
5. Biblioihdqiie amrerseUe wauam. Oumge p6rio- .
dique eet Paris 1775 ff. (abgek. <L B.)
Für die bibliographische Seite des Gegenstandes liefern,
abgesehen Yon den aUgemeinen derartigea Hülfsmittelii, das
meiste Material:
6. OtiindrisE mr Geschichte der dentsdien Dichtung.
Aas den Quellen von Karl Goedeke. Hannover (später
Dresden) MDOCCLIK ff.
Ich habe aosaerkenneiif dasz ohae Goedekes Vorarbeiteii«
insonderheit das eben angefahrte Werk, ich nicht an die LOsong
meiner Aufgabe hätte gehen mögen. /
7. Anoalen der Poetischen National-Literatur der Deut-
schen im XYI. nnd XYII. Jahihnndort Nach den
Quellen beari>eitet von Emü Weller. Freiburg im
Breisgau 1862—64. 2 Bde. 8°.
8. Deutscher Bücherschats des sechssehnten, sieben«
sehnten nnd achtiehnteii bis um die Mitte des neoiH
zehnten Jahrhunderts. Gesammelt und mit biblio-
graphischen Erläuterungen herausgegeben von Wendelia
' T<m Maltsahn. Jena 187d. 1 Bd. 8».
Alle fibrigen Bfleher nnd Schriften mdgen an den einseinen
Stellen erwähnt werden.
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Zweites Capltel.
Ai]gMaMMtiA0 Sntstebuig der Frosadiohtoiig
in den enropäisohen Litoratoen.
Wir Deutschen haben mehr als eine Ursache, in der An-
erkennung dessen, was unsere sich selbst seit alten Zeiten
mehr als mr GenQge mit Anerkennung bedenkenden westlichen
Nachbarn geleistei, etwas TOisichiäg zn sdn. Dennoch werden
wir, wie sich im Verlaufe unserer Untersuchung bald zeigen
wird, dem gelelu'ten Huet darin Becht geben müssen, dasz
die Franzosen um die Entstehnng nnseier Gattang die meisten
Verdienste nnter aOen Völkern Emopas haben. Hier ist zu-
nächst zu sagen, dasz wir ihnen den Namen derselben ver-
danken. Das französiche Wort Homan bezeichnete ursprünglich
die romanische Sprache, welche in QaUien als Tochtersprache
der Lateinischen sich bildete, ganz so wie das spanische Wort
Bomance die spanische Sprache selber im Gegensatz zur latei-
nischen bedeutet 0« Demn&chst wurde der firanzOsische Boman
>) Noch heute sagt der Spanier en buen romance, wie wir die
Redensart ,,auf gut Deutsch" gebrauchen, und hablar en romance be-
deutet sich ohne Umschweife and Unklarheit aosdri^cken.
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— 30 —
zur Bezeichnung eines in der gesprochenen Sprache zum G^^'en-
satz dar latoimschen gesohriebenen Baches oder Schriftstückes
gebraucht*). So hiesz le Boman de' la Bible eine üebertragung
der Bibel in die altfranzösische Sprache, ein französischer Bibel-
text. Der Begriff verengerte sich sehr bald durch den Umstand,
dasz die bei weitem meisten in Versen sowohl wie in Prosa
geschriebenen Bflcher, deren Yerfiisser sich der gesprochenen
Sprache bedienten, zur poetischen oder Unterhaltungsliteratur
gehörten. Zunächst allerdings unterschiedslos iur prosaische
nnd yersificirte Erzeugnisse gebraucht, bezeichnete das Wort
Roman doch schon im ausgehenden Mittelalter yorzugswdsc
erzählende Dichtungen in Prosa, mit Anfang der neueren Zeit
steht die Bedeutung desselben im Qaozen durchaus für letztere
fest und ist somit zu derjenigen Bestimmtheit gelangti die es
noch gegenwärtig besitzt. Wie sich mit der Bedeutung des so
allgemeinen Wortes die Sache selbst ausbildete, dies erfordert
ein näheres Eingehen auf dieselbe«
Was die Sache anbelangt, so findet sie Huet und nach
1) Vgl. Pasquier. B«du de U Frsnce. L. d. eh. 1. ,J!t oomnunit
ftiiwi goit, qae le Beaua fttt le laagage Conrtisaii de France, tont eenz,
qui 8*a]iioeoieiit d^'esenre les fldti B^iques de noe Gheraliers, preiniere-
ment en Vers, pnii en Froee, appeU^rent lenn oenvres Bomaiu. Von
den lehr ishlreidieii SteUen, welche wie die TOietehende Belege fttr
die riehtige Ableitnog geben, will ich weiter keine anfuhren, wogegen
eis CnrioM erwShnt werden mOgen, dase naeh Hnet der Yon ihm öfter
angesogene Gintldi den Namen nneerer Qattong auf das griechische
Wort pAfisq suttekfUurte Mpsvce qne ces liTres ne sont flut qae ponr
vaater la foice et la ▼alenr des paladins, nnd die noch abentenerliehere
Memnng, deren Korhof in dem schon im Torigen Kap. erwähnten
Unterricht Ton der Teutschen Sprache (Lttb. nnd Frankf. 1700 S. 6 27)
mit den Worten gedenkt: „Ist also die Meinung de» Claudii Verdien
falsch, der in seiner Censione Antornm pag. 43, meinet» es sey der
Nähme Roman per metathesin von dem Worte Norman entstanden,
weil sie in der Sprache erst geschrieben.**
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— 81 —
ihm Danlop, der in Besag auf den antiken Boman jenem
darehans folgt, schon bei den Alten. Dieser Punkt ist es,
deu wir zunächst ins Auge zu fassen haben, um zu einer
richtigen und klaren AufEassung der Stellang zu gelangen^
weidie der Boman in der gesammten modernen Literatar ein>
nimmt
Bei Huet wie bei Dunlop erscheint die Sache so, als
böien ans die grieckische und lateinische literatiir die Qattong
Bomans im Grossen nnd Gänsen in Shnlidier Wdse als
einen Zweig der antiken Poesie dar, wie wir den Boman dann
in der französischen, englisciien und deutsclien Literatur seine
Stelle emnehmen sehen, als h&tten die Griechen nnd Börner
neben der Gaitong des Epos, der Tragödie nnd anderen eben
auch ilie Gattung des Romans, so wie oder doch beinahe so
wie bei uns neben dem Drama der Boman mit Becht als die
xweite Hanptgattnng der Dichtnng genannt wird. Diese Dar-
stellung nnn kann nicht gelten gelassen werden, wenn wir die
Bedeutung unsenT Gattung im Gesamratorganismus unserer
modernen Literaturen richtig erkennen wollen; sie beruht auf
einer Verkamnng der durchgreifenden Unterschiede swischen
der Idteratnr der beiden antiken Völker nnd der modernen,
sowohl was ihr Wesen, als was ihre äuszeren Bedingungen
und ihren Zusammenhang mit der ganzen Cultur der beiden
Teischiedenen Zeitalter betrifft.
Wir würden fireüich viel sn wdt gehen, wenn wir die
Anwendung des Wortes Roman zur Bezeichnung derjenigen
griechischen nnd lateinischen Presadichtungen, die wir mit
jeaem sn belegen gewohnt sind, als nngebörig nussbilBgen
wollten. Dessenungeachtet mnsz die Existenz einer Boman-
literatur als Gattung und in dem Sinne, wie wir von der Ro-
maoliteratnr der modernen Völker reden, in Bezng auf die
Qiiechen nnd Bömer in Abrede gestellt werden. Die Alten
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— 32 —
hatten allerdings Bomane, aber in ihren literatoren fehlt die
Qattong des Bonums. leh Tennicihe diese Behauptung im Fol-
genden zu begründen, und zugleich näher zu erklären, in
welchem Sinne ich sie aufgefaszt wissen will.
Man kiSnnte davon absehen, dasz im Alterthune ein
Qesammtname fttr Dichtongen der in Bede stehenden Art
fehlt, wenn damit nicht zusammenhinge, dasz diese Schriften
nirgend bei giiechischen oder lateinischen Schriftstellern in
theoretischen oder kritischen Bespreehnngen oder anch nnr in
gelegentlichen Erwfthnnngen als eine Gattung genannt Jind
durch ihre Merkmale von anderen unterschieden werden,
während doch sonst das gelehrte und gebildete Alterthum in
literarischen Dingen mit Terminologie nnd Definitionen sehr
freigebig ist. Natfirlich mnsz man dch dnrch das Vorkommen
von Ausdrücken wie fabulae Milesiae nicht tauschen lassen,
da diese weder die ganze Gattung umfassen, noch den um-
ihscten Theil irgend wie scharf nach einem kfinstlerisdien
Qattungsmerkmale beB^chnen.
Vielmehr weist grade dieser Ausdruck auf eine Thatsache
hin, die uns völlig feststeht, von der aber auch das Altertbum
em mehr oder minder Uares Bewnsztsein gehabt zu haben
scheint, dasz n&nüicb diese Art C^chichten in die griechische
Literatur von Halborientalen eingeführt wurde und nicht auf
rein griechischem oder römischem Boden gewachsen war')-
Man könnte andh davon absehen, dass die nnzweifelhaften
Beweise fftr die geringe Achtung vorhanden sind, in der die
antiken Romane bei den Alten selbst standen, wenn nicht die
Thatsache vorlftge, dasz sie diese Geringsch&tznng anch wirklich
verdienten, den Massstab, den das griechische nnd römische
Alterthum anzulegen gewöhnt uud befähigt war, vorausgesetzt.
>) Vgl 8. 7.
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— 38 —
Sie gehören Zeiten an, welche von den daesischen Epochen
der griechisdien und rSmisdien Literatnr weit ablagen, nnd
tragen nach Inlialt und Form den Charakter ihrer Zeit deut-
lich an sicL Zorn Theil sind sie ja, die Zeiten, in denen
sich die geeammte antike Cnltnr zersetzte, abspiegelnd, seihet
ZerBetEungsprodncte der hOheron Ennstorganismen besserer
Zeiten und versuchen es, den Geist und die künstlerischen
Motive derselben fBa Epochen zug&nglich zn machen, denen
Empfitaiglichkeit einerseits nnd Darstellnngsmittel andererseits
för sie fehlten. Derart erscheint grade das Yerbftltmsz der
besseren wie des Werkes Heliodors zu den gro^izen Kunst-
werken, an die sie sich deutlich going anzulehnen versuchen.
Das Entstellen Ton Zersetznngs- nnd AuflOsungsproducten ans
Kunstwerken höherer Art werden wir freilich auch in der
Entwickelung des modernen Romans als ein bedeutsames Mo-
ment erblicken, aber hier wird uns die beim antiken Boman
l^tazlich föhlende Thatsache entgegen treten, dasz die Zer-
setzung die Grundlage einer Neubildung wird. Das Alter-
thum dachte darüber nicht nach und stellte darüber keine ^
Regeln auf, wie der Boman beschälten sein nnd hergestellt werden
müsse, w^l ihm die yoiiiandenen Bomane. inemals als etwas
Beachtenswerthes erschienen, noch erscheinen konnten. Der-
gleichen kann erst eintreten, wenn in einer noch neuen Gattung
.Werke zum Vorschein kommen, die sich durch ihren augen-
ftnigen Werth nicht nur dem Inhalt, sondern auch der Form
nach, bemerklich maclien und der Theorie als Grundlage für
die Abstraction ihrer Begeln, der dichterischen Production als
Muster zn dienen geeignet sind. Das Fehlen dnes solchen
Kanons macht sich auch in den griechischen und römischen
Komanen selbst kenntlich, welche von allen Dichtungen des
Alterthums das grOszte Schwanken in allen formellen Bezie*
hungen aufweisen. Man sieht deutlich, es steht nichts fest,
8
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weder fiber Architektoiuk, noch Aber die Daraiellnng im Ein-
zelnen, Stil und Sprache sind verschieden und schwankend,
l>ald rhetorisdi bis zum Schwulst, bald gesucht einfach, bald
unregebnftszig nnd ausschweifend, bald schlidit, ja sdbst
zwischen Yen nnd Prosa wechselt bei einem der bedentendsien
Vertreter, Petronius, die Darstellungs weise, oft sieht man, dasz
sich der Verfasser grade der ihm wohl bewaszten ünfertigkeit
der Gattnngsfonn bedient, nm seine Laune znr Geltung sn
bringen und eine satura im strengeren ursprünglichen Sinne
des Wortes zu geben.
Alles dies hatte in dem Gesammtzustande der antiken Cnltor
und Sitte seine Gründe. Es ist Ifingst nachgewiesen, dasz das
Alterthum von einer Buchdichtung, wie sie die neueren Lite-
raturen kennen, streng genommen, niclits weisz, das heiszt von
einer poetischen Literatur, die nnr zum Lesen, nicht znm
mündlichen, dramatischen oder G(esangs?ortrage bestimmt ge-
wesen wäre. Selbst in den Zeiten, wo die Venrielföltigung
literarischer Ei-zeugniäse eine so ausgebildete war, dasz sie mit
der durch den Buchdruck yerglichen werden kann, qiielte das
Yorlesra eine so henrorragende Bolle, dasz dadurch der gebil-
deten, an ünterhaltungslectüre Geschmack hndendcn Gesell-
schaft das Selbstlesen ersetzt wurde. Dabei ist nicht zu ver^
gessen, dasz sich die so hoch entwickelte Bücher?ervielfitltigung
nur in einer ferhtitniszmftszig kurzen Periode der antiken
Oulturentwickelung findet, und sich andererseits das Be-
dür&isz nach literarischer Unterhaltung vielmehr als bei
nns auf die Gebildeten, die meist in den groszen Stildten
lebten, beschränkte, wo also der Genusz von Dichtungen
durch Vorlesen immer leicht und in gcwisz meist recht
vollkommener Weise zu eneichen war. Hie und da mögen
sich Zustände gefunden haben, welche Ansnahmen bildeten,
diese sind aber gewisz immer nur als Ausnahmen zu be»
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— 85 —
tnebten, welohe die Mtnng der aUgemänen Begel nieht
aufheben.
Der Zweck meiner Arbeit fordert, dasz ich mich hier auf
die Yontehend gegebenoi aUgemeineii Bemerkmigeii beBchrftoke
und mm zam Mittelalter Qbergehe. ffi«r Iftszt sich leicht
erkennen, dasz, wenn wir an das zuletzt Gesagte anknüpfen,
die Sache Ähnlich, nur noch viel entschiedener und deutlicher
liegt, einer tob den aehr wenigen EftUen, wo im Mittehilter
etwas klarer ist als im AUerthume. Wenn es feststeht, dasz
im Alterthume ünterhaltungslectüre wenig von Einzelnen laut-
los Ar sich gelesen wurde, so ist klar, dasz dies im Mittel-
alter bei den Stfioden, deren Pflege die Poesie anbdmfiel,
also zumeist beim ßitterstande , mit Dichtwerken zur Unter-
haltung und zum Behufe poetischen Genusses noch weniger
geschah, so wenig« dasz es selbst von den produdrenden Dich-
tern sidier die wenigsten gethao haben, fiiUs sie nicht Geist-
liche oder Mönche waren. Demgemäsz ist denn in den Lite-
raturen des Mittelalters kein Platz für den Eoman'), im
eqgenD Sinne natürlich, das heissti wenn man ebm die hftfisdien
nicht als Romane bezeidmen will, wie es freilich oft
genug geschieht. Wo man — denn ein bloszer Wortstreit
liegt völlig auszer der Absicht — damit meint, dasz zwischen
den höfischen Bpen nnd wurklichen Bomanen nur ein nnwesent-
licber Unterschied sei, da verkennt man die grosze Elufk,
welche zwischen einer Dichtung in Versen und einer in Prosa,
zwischen Poesie zum Becitiren und Poesie zum lautlosen Lesen
liegt, eine Yerkennnng, die eben deswegra nicht zn dulden
Was als Ausnahmen anzuführen ist, das werden jjewisz immer
solche bleiben. Hierher sind die schon früh in dem norinannisch-fran-
zösisclicn P^igl.'ind entstandenen groszen chrdnikenartigen Prosadich-
tuiigon zu r< (]iiien, welche bezeichnender Weise wieder in Verse nni-
geftrkeitet wurden.
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— se-
ist, weil sie einen aus der Grundrerschiedenheit aufeinander-
folgender Oaltnrepoehen hervorgegangenen Unterschied hetrifit
Man verlasse nnr hier ja nicht den historisdien Böden, den
der Thatsachen! Damit ist nichts gethan, dasz man sagt,
jede epische Dichtung sei vonolesen und durch das lebendige
Wort geltend zu machen. Denn da seit dem sechxehnten
Jahrhundert thatsächlich die bei weitem meisten und belieb*
testen erzählenden Dichtungen, das heiszt die Prosaromane,
nur gelesen und nicht vorgelesen werden, auch unmöglich ist,
das zu ftndem, so smd Ssthetische pla desideria wie das otnge
völlig ins Blaue geredet.
Die Hauptgattung der mittelalterlichen Poesien aller euro-
päischen GulturvOlker ist die epische und zwar die in Yersen.
Die mittehilterlichen Liteiaturen zeigen belninntlich eine groeze
Manichfaltigkeit der Arten, sowohl in Hinsicht auf den Stoff
und das Gebiet, aus dem er gezogen würd, als in Hinsicht auf
die Ausdehnung und den Umfang der Darstellung. Gewaltige
und scharf hervortretende Abstftnde sind wahrzunehmen zwisehen
dem Nibelungenliede und Tristan, zwischen diesen gioszen und
umfangreichen Kunstwerken und den kleineren Erzählungen,
und wie verschieden sind wieder noch die einzebien StOcfce,
die uns Hagens Gesammtabenteuer bieten, unter sich und
andererseits von altenglischen und schottischen Balladen.
Immer aber finden wir metrische Darstellung, soweit wir wirk-
lich Dichtungen vor uns haben, welche nach Inhalt und Foim
Ausdruck der mittelalterlichen Gnltm* nnd Kunst sind. Die
schon während des späteren Mittelalters aul'tietendon Prosa-
erzähiungen sind bereits Vorläufer einer anderen Zeit und einer
Gattung, die erst nach dem völligen Abschlusz der mittel-
alterlichen Cultur zum Bewusztsein über sich selbst und
dadurch zu fester Form und Gestalt gelangte. Alles, was
wir von Proeaiomanen noch im XIY, und XV. Jahrhundert
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— 37 —
fmdeii, amd pimndsehe Aiiflteimgoa ftlierer Tttreifidrtor EpeD,
(»der sie gehen doch wen^istens auf gleiche Qnelto mit ihnen
zurück. Das mittelalterliche erzählende Gedicht ist in der
Ihat der Aofiuigspiinkt, von dem die Geschichte des Bomans
in jeder der modernen Idteratoen ansnigehen hai Diesem
Umstände verdankt unsere Aufgabe den grade dem Kundigen
wohl nicht gering erscheinenden Vortheil, des Eingehens auf
die Theorie der Entstehung dieser Epen überhoben in sein,
dne Liedertheorie haben wir hier an keinem Punkte anfknstellen
oder zu bestreiten, wir haben es, wenn os sich um die Ent-
stehung der ältesten Bomane oder richtiger um die erste Stufe
dtf Uebergaagsbildnngen ans den mittelalterlichen Epen zum
Boman handelt, nnr mit den fertigen nnd vollstilndigen Epen
zu thun. Da ich nicht die Geschichte des modernen Romans
überhaupt schreibe, und die thatsächlichen Einzelheiten, welche
Ineriieigehdren, leicht in Dunlop nnd monographischen Behand-
hmgen der einseinen Ersdieinungen nachgesehen werden k(ynnen,
mag Folgendes, wobei ich nur das mir wichtiger Erscheinende
besonders hervorhebe, als allgemeine Entstehungstheorie des
Bomans genl^. Wird ims doch, sobald wir die YorgSnge
m der dentsdien Literatur in genauere Betrachtung ziehen
Werden, noch genug Gelegenheit zu besonderen Bemerkungen
gegeben werden*
Die erste Stofe der Uebergangsbüdnngen Ton dem mittel-
alterlichen Epos zum modernen, d. h. durch die Culturverhält-
nisse der Neuzeit duichaus bedingten und gestalteten Bomane
bilden wie gesagt jene Aofltenngen mittelalterlicher yersifidrter
Spen. Sie sind als ZersetEungsprodncte m beieiehnen hiiH
siciitlich ihrer Form, die gebundene Rede ist zerfallen und hat
der Prosa Platz gemacht, einer Prosa, die zwai* zum groszen
TbeH noch wie Uebersetsnng ans der metrisehen Darstellnng
Umgt, doch skli aber anch aadereiseits wieder schon als echte
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— 38 —
PMsa zeigt und nidit olme Qewandiheit gebandbabt wird.
Dem Stoffe nacli haben diese prosaischen Ritterbücher keinen
specifischen üntei-schied von den ihnen zu Grunde liegenden
Qaellen, ihr Stoff ist Sage, in demselben Sinne, wie
Wort beim Nibelungenliede imd bei den Artnesagen rastanden
wird, Büerher g^'hört der Roman von Merlin, die Geschichte
vom heiligen Graal, der Perceval und andere mehr in firan-
zönscher Sprache, Ton deutschen Bdcbem der Tristan, der
Wigoleisz, Johann Hartliebs Alexander und noch viele der so-
genannten Volksbücher, die durchweg nicht anders von den
Werken der französischen Trouv^res mid eines Wolftam nnd
Gottfried Yersddeden sind., als dasz sie die Ton diesen behan-
delten Sagen in Prosa und in der Sprache einer späteren Zeit
wiedergeben.
Eine zweite Stufe des üebergangs zum eigentlichen Bo-
mane bilden sehr zahlreiche Bttcher, die meist mit denen der
oben erwähnten Art gleichzeitig oder doch fast gleichzeitig
entstanden sind. Nämlich schon sehr ü-ühzeitig ging man
emen Schritt weiter und bearbeitete die dem ganzen Mittel-
alter werthen Stoffe in der dem ausgehenden Mittelalter
lieberen Form der Prosa, ohne sich an versificirte Vorlagen zu
binden und audi wohl, ohne dasz solche überhaupt vorhanden
waren, obgleich man mit derartigen Behauptungen in bestimmten
FMlen ftuszerst vorsichtig sein musz. Bekanntlich hat das
Kitterthum in Frankreich wie in Deutscliland seine Zeit der
Nachblüthe gehabt, und mit dieser Erscheinung wie mit den
aOmShlich durchbrechenden Vorzeichen der modernen Gultur
stehen diese Bücher in enger Verbindung. Hierher gehört der
Filicopo des Boccaccio, eines Schriftstellers, dessen bloszer Name
Beweis genug dafür ist, dasz er nicht ein&ch und ungeschickt
Verse in Prosa umschrieb, hierher gehören auch die zahlreichen
Prosadichtungen, in denen der Stoff schon nicht melir der
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— 39 —
^pntlichtti ronumtifldiea Sagenwelt entnommeii, wenn aneh
aoner Katnr nach mittelalterlich nnd schon im Mittelalter
allgemein beliebt war, wie der Fortunatus und Aehnliches.
Die bedeutsamste Stellung aber nimmt hier der Amadis ein,
in dem iwar, wie neaerdings anszer ZweiM gestellt ist, die
diqeeta memhn mmt sagenhaften Biditang des hretomscli-
nordfranzösisclien Kreises versteckt liegen, aber derartig auf- '
gefaszt und mit anders gearteten Bestandtbeilen und Ideen
TenetEti dasz er den Uebergang zn den französischen heroisdi-
galanten Romanen bildet, die schon ganz nnd gar moderne
Komane sind, und der auch in Deutschhind eine so bedeutende
fiolie gespielt hat, dasz wir weiter unten ausführlich über ihn
wvfden za reden haben.
So bem«rhen wir schon vom ausgehenden yierzehnten Jahi^
hundert an zuerst das Fallenhissen der metrischen Form, dann
das Anheben oder eine durchaus nicht mehr mittelalterliche Be-
Imdlnng auch der Stoffe, die der erzfthlenden Dichtung des Mit-
telalters eigenthümlich sind, und vom Ende des ftlnfisehnten
nnd dem Anfang des sechszehnten Jalirhunderts an sehen wir
nieht nur dieses Verfahren allgemein nnd die Menge der um*
lanfenden Prosadichtnngen ungemein zahlreich werden, sondern
wir begegnen auch der durchaus feststehenden Thatsache, dasz
man jetzt die Prosaromane und die kleineren prosaischen Er-
iftblnngen lieber als die alteren his, koiz, von den letzten
DeeeDnieh des XY. Jahrhunderts an war die ünterhaltungs-
lectftre der Geljildeten, also der Stünde, die überhaupt ünter-
haltungslectüre consumh-ten, Prosa, üeberall Bevorzugung der
Fron, und zwar mit dem Bewusztsein von Seiten der Schrift-
sftdler, dasz ihre Leserkreise es so wünschten. Der üebertragor
des Tristan in deutsche Prosa, der seiner Arbeit nicht Gott-
frieds Werk, sondern den Tristan des Eühart von Oberge zu
(hunde legte, sagt am Ende derselben: Ton der leftt w^gen
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— 40 —
die solicher gereimbter boedier nit genad habent auch etlich
die die kirnst der ramen nit eygentlieh yerateen kAnden hab
ich ungenannter diese hystori in die form gepracht.
Woher nun dieser Umschwung? Aus welchen Gründen
hatte man der gereimten Bücher keine Gnade? Die Gründe
waren jedenfiüls Terachiedener Art nnd mögen für Viele eben
'nichts mehr Yon Gründen an sich gehabt haben, als eine Mode,
der man sich gern unterwirft, auf Grün«]** hin angenommen
wird. Doch lüazt sich das Werden des Umsehwnnges wohl
begreifen. Wenn wir die deutsche Verskmist schon des an-
fangenden fünfzehnten Jahrhunderts betrachten, so ist leicht
einzusehen, dasz eine derartige Eunstform eben nicht sehr an-
ziehend nnd fesselnd sein konnte, ja dasf sie leidit bei Leuten
Ton besserem Geschmadre geradezu üeberdrusz an der poe-
tischen Form erregen muszte.
Dazu kam dann, dasz inzwisdioi die Prosa Fortschritte
gemacht nnd zu emer CMalt gediehen war, die Ar dne
würdigere Form der poetischen Stoffe gelten konnte. Denn
die Lust an den alten Sagen und Aehnlichem war noch le-
bendig und in den höheren Gesellschaftskreisen der romanischen
Volker wie Deutschlands, bei edlen Frauen namentlich, viel
Bedürfhisz nach Beschäftigung damit. Da nun die alten
Dichtungen nach und nach nicht mehr recht verständlich und
lesbar zu werden anfingen, waren Prosen, die ?on geschickten
Münnem nach ihnen gearbeitet wurden, hOdist erwOnsdit.
Die zalilreichen in sehr ansprechender Form abgefaszten fran-
zAsichen Ritterbucher reiften in Deutschland und anderwärts
zur Nachbildung nnd Aneignung, und abgesehen Ton dem
Übeln Zustande der Reimkunst in Dentsdiland, war es in
jedem Falle bequemer, Prosaübersetzungen als versiticirte an-
zufertigen. Wie die Nachfrage nach prosaischen Unterhaltunga-
schriften ritterlichen und sagenhaften Inhalts mit der Liebe
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— 41 —
sn den alten Mären und ihren vendficirten Bearbeitnngen eng
zusammenhängt und sich der Älteste Prosaroman unmittelbar
an die versificirte mittelalterliche £popö6 anschlieszt, Iftszt sich
gnde in Deutschland genau nnd aoBchanlioh nadiweiaen. Ans
dem Ehrenbiiefe, welehen PQterich von Beicihenhaiisen 1462
der Herzogin Mathilde von Oesterreich widmete, ersehen wir,
dasz diese Fürstin eine Sammlung von vierundneunzig Bitter-
bttohero besasE. In ihrer Liebhaberei f&r dergleichen kam sie
mit Henrn POterioh ftbeiein, welcher einer der eifrigsten
Sammler ritterlicher Dichtungen war und selbst sagt, dasz er
die alten BQdier vor den neuen durchaus bevorzuge. Die von
ihm an^efllhrten im Beaits seiBer QCmwrin befindlichen lite-
rarischen 8cbfttE6 bestehen mm znm bei weitem grOneten TheQe
aus ritterlichen Epopöen der mittelhochdeutschen Zeit, doch
nennt er auch solche, von denen mit Sicherheit anznnehmen
ist, dasz sie Prosaerzfihlnngen waren, wie Griaeldis nnd Me-
lusine, und zwar nennt er diese unter den Nummern des
Katalogs, deren Inhalt ihm unbekannt war. Dasz in der That
der Geschmack Pflterichs von der Zeit damals schon überholt
war, wird noch dentlioher, wenn wir beachten, dasz es damals
in Deutschland schon eine ganze Anzahl von handschriftlich
in vornehmen Kreisen verbreiteten prosaischen ünterhaltungs-
blkchem gab nnd Damen ftürstlichen Standes, wie Elisabeth
▼on Kassan nnd Eleonore von Oesterreich als deren Yer-
fasserinnen bekannt waren, worauf weiter unten zurückzu-
kommen sein wird. Auch die Einwirkung des Humanismus
ist hier herbeizoziehen. Die Ansbüdnng einer gefälligen nnd
mit groszem BeiM aufgenommenen lateinischen Prosa, wie
sie Aeneas Sylvins zur Abfassung seiner Erzählung von Euriolns
nnd Lncretia verwendete, muszte neben der viel grOszeren
Leichtigkeit der prosaischen üebertragang nnd dem gewisz
vorhandenen Gefühl, dasz sich ein derartiger Stoff besser in
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— 42 —
leichter und sohdner Prosa ausnehme, zur Nachahmung im
Deoiaohen lema.
Und nun die Erfindung des Buchdruckes, der, wie schon
weiter oben angedeutet wurde, wohl den eigentlichen Aus-
schlag gab. Man erstaunt, wenn man sieht, wie fanüii aller-
orten diese Kunst dazn benntst wurde, ünteriialtnngsbftcher
in Masse zu Tage zu fördern, die durch die ebenfalls junge
Kunst des Holzschnittes einen Beiz erhielten, den unser an
die Illustrationen der Gartenkube und ähnlicher BiAtter ge-
wohntes Ange freüioh nicht nachempfinden kann, den aber das
Publicum des XV. und XVI. Jahrhundeiis sehr hoch geschätzt
und sehr ungern vermiszt haben musz. Wenn wir darauf
achten, welche Art BOchttr es war, auf die der Buchdruck an-
gewendet wurde, so erhalten wur dnen neuen Zug zu dem
Bilde dos Umschwunges, wie er sich in jenen Zeiten vollzog.
Wir bemerken nämlich, dasz nur in der frübedten Zeit der
Bttchdruckerkunst noch Werke der mittelhochdeutschen Zeit
durch sie vervielfältigt werden, s. B. der Parzival 1477. Es
liegt aber auf der Hand, dasz soklio ünternelmiungen der
Drucker und Händler sich bald als schlechte Speculationen
erwiesen, deshalb nur vereinzelt vorkamen und bald ange-
geben wurden. Dagegen werden wir sehr bald im Binzeinen
feststellen können, wie zahlreiche Ausgaben .sclion im XV.
Jahrhundert von den dem neueren Geschmack angemessenen
prosaischen Unterhaltungsb&chem veranstaltet wurden und so
guten Absatz fanden, dasz sie bereits mi Anfange des XVI.
die Aufmerksamkeit des Publicums sowohl als der Ihuli-
händler den älteren vollständig entzogen haben und nun von
diesen gar keine Drucke mehr erscheinen. >)
^ Weiter nnten wird auf mehrere hier nur im Allgemeinen ange-
dootete Punkte mit besonderer Bftekneht suf deutsehe Coltorrer*
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— 4a —
Je Mhlreidier und wiidilMnr die Bftoher wardM, desie
mehr leimte es sieb, lesen m lernen, and mit dem Bedftifiiin,
sich vorlesen zu lassen, verschwand die Lust am Vorleeen-
lidien, und wie viel mehr konniea die LeselostigeD, die wir
uns zum groezen Tbeil ans vornehmen Damen bestehend m
denken haben, eonsimiireB, wenn eie nur sich selbst und das
Buch brauchten? Interessant ist hier ein Beleg, den wir in
den Novellen der Margnerite von ValoiSf Zitaigin von Nar
lana, finden. In der nennnndawanmgaten Novelle lieet ein
junger Edelmann an einem Fenster, welches dem seiner Ge-
liebten gegenüberlag, in einem Bitterbache, um nicht wegen
eoMB langdanemden Aafenthaltes an danselboi Yerdaeht za
enegen. Obgleich Ihm dies nicht gelang, so deht man doch
aus der Situation, dasz Leetüre in Hof- und adeligen Kreisen
etwas Gewöhnliches und nicht Aufi^Uiges sein muszte. Die
Anigabe dea firanzOdehen Ainadia von 1560 hat am Schlnaae
dc8 ersien Bandes ein BIzain mit der TJebersehrift: Le petit
An<^eyin aux dames ü'an^)seä, welches mit den Worten be-
giout:
Or aves vona, Damee de enenr hnmain
Yostre Amadia en si petit voinme,
Que le pourrez porter dedans la main
Ploa aysement beaacoup que de oonatome,
hältnisse nälicr einzugehen sein, doch mag hier folgende Notiz, welche
die Verbreitung der Unterhaltungsliteratur in der zweiten Hälfte des
XVL Jahrhunderts veran.schuulicht, ihren Platz finden. Der Frank-
fiirter Buchhändler Michel Härder verkaufte nacli seinem Meszmemorial
(heraiisgegehea tob Kelchner und Wülcker, Frankf. 1873) auf der
VkrtenmesM 1560 von dem Ritter Poutas 147 Exemplare, Tom Galmy
H, Tom weissen Bitter (Herpin) 144, Ton den sieben weisen Meistern
238^ fon PanUs Sebimpff vnd Emst 202, Tom FortuMt 166, Ton der
Migelone 176, von der HeloiiBe 158 imd Ton Tristan 56. Yergl. anch
B. Callinich. Ans dem XVL Jahrhundert. Hamburg 1876. 8. 194 A
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— 44 —
Wenn beim Fonnat der Bfi<^ schon darauf Bfleksicht
genommen ward, dasz sie die Damen leicht überallhin mh^
nehmen konnten, so musz in der That die Leselust schon eine
bedeutende und die üebung im lautlosen Lesen allgomein ge-
wesen sein. In dem dentschen Amadis von 1583 findet sich
eine Stelle, wo die Heldin Oriana von ihrer Frenndm Mabila,
die ihr eine Nachricht bringt, in ihrem Zimmer angetroffen
wird, „da sie jhr Haupt auif den einen Arm steuret und in
einem Buch lase/^ Aach in Georg Wickrams Bomanen kommen
mehrihebe und, wie es scheint, absichtlich hervorgehobene
Beispiele von groszer Belesenlieit nicht gelehrter, sondern nur
gebildeter Personen vor. So fuhren in dem Roman von guter
nnd bteer Nachbarschaft den besten Schichten des Blkrger-
stanctes angehörende Frauen ein (Gespräch über ihre Boman«-
lectüre, und in Gabriotto und JReinhart erw«1hnen junge Damen
und Herren mit WohlgeMlen der Bomane, die sie in nicht
geringer Zahl gelesen hatten. Das Angeführte mag genfigen,
wftrde sich aber sehr leicht bedentend yermehren lassen. *)
Wenn uns nun auch aud der Zeit, von der hier die Kede
ist, theoretische Aeasiemngen fiber die sich neu und kräftig
bildende Gattung nicht zur Seite stehen, so ist dies einerseita
an sich niclit zu verwundem, andererseits musz aber doch an-
genommen werden, dasz die Gattung nun bereit^j anfing, über
sich selbst zum Bewusztsein zu kommen, dasz die Froducenten
namentlich nnd auch die einsichtsvolleren Oonsnmenten des
gesuchtem Artikels fiber diesen zu reticctiren und bei seiner
Erzeugung wie seinem Genüsse Grunds.ltze anzuwenden be-
gannen, in deren Auftreten wir die Entwickeiung der Gattung
<) Yergt dM Bacherreneiebnisi in HauptB Zeitschrift m, 8. 191,
welches ans den vierziger Jahren des XY. Jahihnnderts stammt, nnd
die im lY. Gapitel mitgetbeilte Stelle der Yorrede von Yat Schumanns
Naehtbttehlein.
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— 45 —
n dum wirkliehea Eunstgatiiiiig za aucfaen haben. Wir
mdfiB nidit sa weit gehen, wenn wir annehmen, daas man
sich jetzt schon sagen konnte und sagte, die Prosafoim sei
m wesentliches Merkmal der Gattung, wie es Huet später
tuscht, fiistaae eprieht daför die grosEe Mühe nnd Kunst,
die man mit gttnsendem Erfolg, wie der franzöriche Amadia
beweist, auf Herstellung^ einer schönen und dem Inhalte an-
gemessenen poetischen Prosa verwandte. Mau muszte sich
■gen und es fohlen, dasz man jetzt schnelle las als in den
fveifieirten nnd vorgelesenen ünterhaltungsbftehern, und wir
sehen deutlich, wie dieser Umstand benützt wurde, die Werke
am£uigreicber und die Verwickelung und Spannung grösser
n maehen, so dasz die Kunstfertigkeit ein weites Feld zn
wahren BraTourstüeken, wie sie damals schon leistete, gewann,
lach ist der Umstand nicht zu unterschätzen, dasz sich in
mm Buche, weldies Ton einer Person allein und lautlos ge-
ksen wild, gar Vieles sag» Ifiszt, was nicht gut yorznlesen
Ein leider bedenklicher Vorzug, dessen Ausnutzung
teii dem Entstehen der Gattung dem Eomane den Vorwurf
dar fiittengefthrlichkeit zugezogen hat» Man muaz freilich
nrisdien der Deeenz des XV. und XVI. und der des XIX.
Jahrhunderts unterscheiden, aber eine Vergleicliung der lyrischen,
nun Singen bestimmten Poesie jener Zeit mit den Frosa-
nmuien derselben giebt das interessante Besultat, dasz man
ma groszen Unterschied zwischen dem in Gesellschafb ge-
hörten und dem lautlos gelesenen Worte machte. Der R«»mun
wurde in der That schon im XVI. Jahrhundert gioszentheüs
ds8 Feld, auf dem liebe^eschichten in dem Sinne der höchst
Issoren Zeit behandelt wurden, so dasz wir nicht selten der
Meinung begegnen, sein Hauptinhalt müsse immer die Liebe sein.
Es muszte endlich auch sehr bald zum Bewusztsein
konunen, dasz die oiatia pedestris eme Herahstinunung, Ver^
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— 48 —
damaligen Zeit? Welcher Liti'rarhistoriker, wenn er auch
didses in der That hochbedeutende Erzeuguiaz besser und
grOndlicher za wOrdigeo weias als JohanneB Sdierr, wird dem
gebildeton Pablicnm unserer Zeit eine aolche Leetüre empfohlen
wollen? Der erste Roman der Gesammtliteiatur der modernen
europäischen Völker, der unsterblich nicht blos in der Kennt-
niss der Gelehrten, soDdem in der Werthsohltenng der ge-
sammten gebildeton Welt geworden ist, ist der Bitter von der
traurigen Gestalt. Es ist von der tiefsten Bedeutung, dasz
dieses nnTergleichliche Bach unter den unendlich maniohfachen
und tieligveiienden Beaehangeii, in dmen es zu der Büdang
seiner Zeit und zu dem Geistesleben der Menschheit aller
Zeiten steht, auch die bekannte und von oberflächlicher Be-
trachtung znr Haaptsache gemachto Beadehung zu den Bitter-
romanen, von denen wir eben reden, aufweist. Die ganze
MeerÜutli jener Literatur hatte bereits am Ende des XVI.
Jahrhunderts es verdient, dasz der gröszte Satiriker, der tie&te
Kenner menschlicher Thorheit und Abgeschmacktheit sich an
sie machte. Der ersto nnstoibliche Weltroman ist eine Parodie
des Romans, wie er sich zur Zeit der Entstehung des Don
Quixote gestaltet hatte. Sobald wir die Gründe dieses, über-
raschenden Ergebnisses genauer betrachten, das fü)rig€n8, wenn
WUT einen Blick auf die in ihrer Art ebenso einzig dastohende
literarische Wirksamkeit des Rabelais werfen, keineswegs ohne
Vorspiel erscheint, üuden wir zugleich die eigenthümlichen
Grundbedingungen zu der oft schwer zu begreifenden £nt-
wickelung unserer Gattung überhaupi Wenn man oft gesagt
hat, dasz jeder Dichter sich in seinen Helden mehr oder minder
selbst schildere» so hat diese Bemerkung, richtig vorstanden,
auch für Genrantes ihre GfUtigkeii Cervantes nennt Don
Quixoto den 8imireidien und sofern Don Qnixoto sinnreich Ist,
ist er allerdings Cervantes selber. Denu es hat dem groszen
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— 49 —
lisnne beliebt, zagldcb mit den Haaptihorheiten semer Zeit
und dem Keni der menschlichen Thorheit aller Zeiten den
Sinn und Geeist seiner Zeit und, wie sein groszer Zeit-
genosse Shakespeare, soviel ewig nea bleibenden allgemein
menscblichen Ideengehalt in den edlen Manchaaer antonehmen,
dasz die Erzählung von dessen Leben und Thaten niclit nur
ein unsterbliches Dichtwerk und ein f&r immer nutzbares
Vonathshans von Gedanken geworden ist, sondern auch das
lehrreichste Vorbild fftr die durch ihn erst in ihrer vollen Be-
deutung zur Anerkennung gebrachte Gattung des Komans.
Dem Bomandiditer mOssen wir es anheimstellen, den Don
Qnixote nach seinen Qesiditsponkten snm Gegenstände des
Studiums zu machen und ihn zu seinen Zwecken sich als Vor-
bild dienen zu lassen, die geschichtliche Betrachtung des Ent-
stehens und der Ausgestaltung der Gattung ist hier allein
unsere Sache, und sie soll aus ihm lernen, worin sie das
eigfenste Wesen und die höchste Aufgabe des Romans zu
suchen hat. Ilir soll das Werk des groszen Spaniers als
massgebender Kanon dienen, um in dem oft verworrenen Ent-
wickelungsgange, der oft wucbemden Auswfldisigkeit und der
leider bisweilen sehr lanj^e Zeit anlialtenden Uner.sprieszlichkeit
der Hauptgattung mit ihren Unter- und Nebengattungen das
Lebensfthige vom schlechthin Unfruchtbaren, den Fortschritt
vom KQcksehritte und Stillstande wenigstens im Grossen und
Ganzen zu unterscheiden. Eine derartige Auflassung und An-
wendung des Don Quizote ist meines Erachtens nicht allein
mOgHch, sie ist auch in einem wissenschaftlichen Werke er-
laubt, ja sogar geboten. Denn kein anderes Buch kann uns
so deutlich die Aliseitigkeit und unbeschränkte Receptivität
unserer Gattung anschaulich machen wie der Don Quizote.
Wenn ein denkender Kflnstler das Becht erwerben kann, auf
die Leijitungen seiner Fachgenossen herabzusehen und sie anm
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— 50 —
Spiel mmer geistreichen Laune m machen, so kann er es da»
durch gewisz am mdsten erwerben, dasz er entdeckt nnd zeigt,
wie man in der ilim überlieferten Furiii und mit d<"n von
anderen schon lange gehandhabten Kunstmitteln weit Gröszeres,
Tieferes nnd Allgemeineres leisten könne, als bisher geschehen.
In dieser Lage befand sich Oenrantes. Er ist der Entdecker
der eigentlichen Leistungslaliigkeit des Romans und damit der
Begründer der Stellung dieser Dichtungsait als der zweiten
Hanptgattnng aller modernen Poesie. Schon als soldiem ge-
bührt ihm in jedem die GescMcbte des Romans behanddnden
Buche ein Ehrenplatz. Das Miszverliältnisz zwischen dem,
was der Boman in sich anfoehmen kann, zwischen der Auf-
gabe, die ihm in den modernen Literaturen zniiiUen mnsxte,
und dem, was der Zeit- und Moderoman bestimmter Epochen
wirklich geleistet hat, war allerdings zu Gervautes Zeiten
giOszer als je, wenn es auch zu manchen Zeiten auch noch
grosz genug gewesen ist, ja bis auf den hentigen Tag ist
Denn die liittervoraune leiden im allgemeinen trotz ilner Breite
an einer so argen Monotonie und Enge des Stiftes, an einer
SO kläglichen Unfikhigkeit, grosze und neue Gedanken in sich
autkunehmen, mit dem Zeitgeiste fortzuschreiten und die er-
weiterte Bildung der gi-oszen Zeit auszudrücken, da,sz auch
einem weniger erleuchteten Geiste klar werden muszte, an
welche Nichtigkeiten, an wie beschränkten und mk immer
wiederholenden Stoff man eine höchst entwickelungsf^hige Form
und oft genug auch Kunst, Geist und Witz verschwendete.
Dem Genie eines so seltenen Mannes aber war es möglich,
durch die That sogleich das Höchste zu zeigen, was mit Aus-
nutzung aller Yortheile, die die neue Gattung bot, dargestellt
werden könne.
Aber die hervorragende und einzige Stellung des Don
Quixote hat auch ihre Kehrseite, und eine solche hat auch
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die gaine Qatang. Bs ist sehon liar?<»g8hobea woiden, daaz
doreh das Aufkommen des Bomans einer Menge yon Dingen
der Eintritt in die poetisclie Behaiullung geöffnet ward, die
jede andere (Gattung mit enger gesteckten Grpnzen von
ach fernhalten mnsste. Hierin li^gt aueh der Grund dazu,
im der Boman sebr bald das bequeme Gkßtoz wurde, in dem
man alle Niclitigkeiten und Plattheiten denen darbieten konnte,
die nach dergleichen verlangten. Auch dem einseitigsten
Mode- und Standesintaresse war die leichte ond anspraebslose
Form erwQnscbt und dienstbar. Wie viele fragen danach, ob
ihnen in der Leetüre, die ihnen Erholung gewähren soll, der
geistige Gehalt ihrer Zeit vom Dichter tief ond vollständig
odsr obeiflftdilieh und einseitig geboten wird? Wie viele ziehen
nicht die leerste und geistloseste ünterhaltun^ einer geistvollen,
ond zwar erhebenden und fördernden, aber ihre Trägheit und
üne Yomrtheile bemmihigenden vor? In diesen Andeutungen
liegen die allgemdneren Gründe, aus denen der Don Quixote
in der Geschichte des Romans keineswegs so Epoche macht,
wie man es von einem Werke der Art u warten sollte. Gelesen
ist er zwar vid worden, doch nur weil, wer Vieles bringt,
jedem etwas bringt, ganz wie es dem Göthescben Faust ergangen
ist. Mit den alten Ritterbüchern hat es nach ihm auch ein
Ende genommen, aber wir würden uns selu* täuschen, wenn
vir dies einer durchschlagenden Wiikung der groszen Dichtung
nsehrieben. Der Zeil^chmack, die Mode hatte sieh geändert.
Die französischen und deutschen heroisch - galanten Romane
sowie ihre Verwandten im Maskenkostüme, die Sch&ferromane,
ifven nicht nur nicht besser, sondern sie bekunden gegenfiber
dem Amadis und den noch ftlteren eigentlichen Bitterbüdhem
so^ar einen entschiedenen Rückschritt in Bezug auf p(»etischen
Werth und allgemeine Bedeutung für die Förderung der
OoUnr ihrer 2$eit Und was wir hier am Groszen und in
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den aUgwneinBten GrimdzOgen der Entwickeliuig wahrnebmen,
das ist der bleibende Charakter, den die ganze gescbichfliche
Gestaltung unserer Gattung an sich trägt, in den Literaturen
der anderen Völker sowie in der des unsiigen. Dasz bei uns .
diese Eracheinnng ganz besonders stark hervortritt, weil in der
dentsehen Literatur mehr als in jed^ anderen die Bedingungen
zu einer langsamen und unregelmiiszigen Entwickelung vor-
liegen, soll weiter unten im Einzelnen erörtert werden. Vor
der Hand war es nur nOthig, darauf aufmerksam zu werden,
wie die Aufgabe des Bomans, will er anders als eine Haupir
gattung und als eine wirkliche Kunstgattung gelten, eine so
umfassende und allseitige ist, dasz die gröszere ]\Ienge seiner
Vertreter weit yon ihrw Lösung entfernt bleiben müssen.
Aber grade, weil wir lange Beihen von Erscheinungen zu be-
trachten liaben, die uns fast ganz vergesaon lassen, wo das
Ziel und das Ideal liegt, wai' es ersprieszlich, am Beginn unseres
Weges uns die Beschaffenheit de^enigen Werkes zu veran-
schaulichcn, weldies der Yerwirklidinng des Ideals am nächsten
gekommen ist.
Noch sei es gestattet, die Stellung des Cervantes in der
modernen Literatur und ihre Aehnlichkeit mit der Shakespeares,
eine Aehnlichkeit, welche oben nur kui-z angedeutet wurde, zur
Feststellung eines allgemeinen Gesichtspunktes zu verwenden.
Was Shakespeare in dem £ntwickelungsgaage der gesammten
dramatischen Literatur der modernen europftisehen Völker be~
deutet, das bedeutet Cervantes in der Entwickelung des Ro-
mans. Beide haben gezeigt, was ihre Kunst vermag, sie haben
es so gezeigt, dasz sich bisher Keiner übor sie zu stellen ge-
wogt hat Beide sind lange Zeit verkannt und nntersihfttzt
worden, aber beide haben aucli den Triunipli gefeiert, dasz
neu aufkommende bessere Zeiten auf sie zurückgingen und an
sie anknüpften. Werke wie Shakespeares Dramen und Ger*
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— 53 —
▼antes Bon Qnizote finden ebenso wie das Bnch des OeBetces
ihre Josias, die sie wieder entdecken und ihre Kleider zer-
reiszen darüber, dasz sie und ihre YorMren so onyemüDftig
gewesen sind. Aber auch der begeistertste Yerehrer des Spi^
niers musz, wenn er Einsiclit in den geistigen Entwickelnngs-
gang der Völker, der sich in ihrer Poesie ausspricht, besitzt, den
Engländer hoher stellen, weil seine Gattung die höhere ist Denn
sie theilt mit dem Homane nieht die Qefiihren der äUzugrosien und
unbestimmten Allseitigkeit, wenn sie auch manche Vortheile
desselben sich nicht zu eigen machen kann. Das einzelne
Drama ist auf eine einseitigere Anffiissung des Lebens ange-
wiesen, hat dagegen aber die eben durch schärfere Begrenzthdt
bedingten Mittel, das, was es auffaszt, mit grösserer poetischer
Energie darzustellen. Diese schärfere Begrenztheit, die aus-
geprägte und hochentwickelte Kunstform aber befthigt wenig-
stens die yomehmste dramatische Gattung, die Tragödie, Stoffe
von «olchem Gewicht und Gehalt zu bewältigen, dasz der
Roman mit seinen weiter verwendbaren aber nicht so ooncen-
trirbaren Kunstmitteb besser von ihnen sich fem hält Mit
der Komödie kann sich der Roman — wenigstens meiner An-
sicht nach — recht gut in den Wettkampt einlassen, Aga-
memnon, König Lear und Wallenstein sind kerne Bomanheldeiii,
zu denen sich eigentliche Helden ftberhaupt nicht recht zu
eignen sclicinen. Doch das weiter zu erörtern, musz denen, die
Romane schreib)>n oder andere dazu anleiten wollen, überlassen
werden, ich glaube, erklärt zu haben, was ich nur bei der
verbreiteten Bezeichnung des Romans als der zweiten Hanpt-
gattung in den modernen Literaturen denke. Weiter über die
Entwickelung desselben sowie auch der Novelle u. s. w. bei
den Italienern, Spaniern, Franzosen und Engländern zu sprechen,
ist wenigstens an dieser Stelle nicht nöthig, da uns der intern
nationale Charakter der Frosadichtung bei den einzelnen
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— 54 —
Erecbemmigmi nnserar deatsdieD LHeretor immer wieder auf
die letztere beeinflussenden ausländischen Werke zurück-
föhreQ wird. Denn grade diesen internationalen Charakter des
Boman« kemien za lernen, bietet mis das, was wir bei der
nmi sofort za beginnenden Betrach£mg der ersten Anftnge des
deutschen Romans zuerst erfahren werden, die beste Gelegen-
lieit. Die Menge des vom Auslande Entlehnten ist zuerst so
überwiegend, dasz wir bei den Anfingen der deutschen Boman*
literator yon deutschen Bomanen streng genommen kaum
reden können.
Drittes Cupilei.
Anfänge dor dentsohenBomanliteratnr durch Uebersetznngen
und Bearbeitungen zumeist französicher ßitterbücher. Ein-
tritt der italienisGhen fiovelle in die deutsche Literatur.
In dem geistigen Leben unserer Nation während des
XV. und XYI. Jahrhunderts liegen die Eeune der gesammten
nenhodideatsohen Literatiir. In diese Zeit fallen auch die
Anfange der Gattung, deren Entwickelung hier dargestellt
werden soll. Schon in dieser Periode ist die Anzahl der von
nns^ SU betrachtenden Erschemnngen eine sehr beträchtliche,
■
und nicht minder grosz ist ihre Manichihltigkeit. Denn hier-
her gehört Alles, was in der Literatur dieser Zeit als epische
Prosadichtung sich darstellt, vom waitschichtigsten Boman bis
znr kürzesten Anekdote. Nichts kann daher mit Bftcksicht
auf den grossen Umftng unseres Gebietes mehr in unserem
Interesse liegen als eine übersichtliche und zugleich sach-
gemilsze Gruppirung des Stoffes. Das zunftchst liegende Ein-
theüungsprindp in allen geschichtlichen Dingen ist das der
zeitlichen Aufeinanderfulge , dem Alter gebidirt der Vortritt.
Aber wie das ganze vorliegende Werk auf der Abscheidung
emer Gattung aus dem Garnen der deutschen Literatur beruht,
so darf auch gldch Ton Tom herem der Gesichtspunkt der
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ümeren und ftiuxeren Zusammengehl^rigkeit auf Gnuid den
Inhalts und der Fono der yorznf&hrenden Erscheiniuigen fest»
gehalten werden. Von diest iii Gesichtspunkte aus werden die
ihrer künä tierischen i'orrn und der Bedeutsamkeit ihres poeti-
schen Inhalts nach Tomehmäten Ensengnisse unserer Qaitang
sich in die erste Reihe drängen. Diese sind aber diejenigen
Diebtungen, welche die Bezeirhnung Romane am meisten ver-
dienen, also Prosadichtungen von hervorragendem Umfange,
deren bischer Inhalt ein Yerhftltniszmftsag einheiUicher ist,
deren Stoffgehalt seiner Ansdehnnng nach mit dem grossen
Umfange der Werke in innerer Bezieliung steht. Schon an
dieser Stelle dürtte darauf aufmerksam zu machen sein, dasz
es grade in dieser An&ngsperiode Yon Wichtigkeit ist, zwischen
erzählenden Dichtungen mit einheitlicher Handlung und blossen
Ck)nglomeniten oder Aneinanderreihungen kleiner Geschiditen
zn unterscheiden. Denn mit diesem Unterschiede hängen andere
Ar die Eikenntnisz der organischen Ifotwiekelnng unseres
Literaturgebiets wichtige Einsichten unmittelbar zusammen.
Freilich könnten hier, wie überall in geschichtlichen Dingen,
mathemfttisch schaife Unterscheidnngen nur auf Kosten der ge-
nauen und anschaulidien Erkenntnisz der sich lebendig ent-
wickelnden Thatsachen vorangestellt werden, Uebergünge und
Stellen, wo sich die Grenzlinien verwischen, sind vorhanden,
aber sie weiden, gerade wenn sie als solche erkannt werden,
die UebersichtUehkat der sachlichen Gruppirung nichts wem'ger
als beeinträchtigen. Wir werden die ei-freuliche Bemerkung
za machen haben, dasz sich die flintheilang nach dem Alter
der ehizelnen Erscheinmigen zwanglos mit dem eben auf-
gestellten sachlidien Eintheilungsgnmde verbinden läszt. Denn
die ältesten und alterthümlichsten Werke werden sich im all-
gemeinen uns gerade als solche kundgeben, welche auch nach
diesem Grundsätze zuerst auf unser Interesse Anspruch machen
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dIkifeD. Ja ohne Gewalt und Sfnizflndigkeit wird sich ein
dritter Gesichtspunkt i^nz vön selbst hinznfinden und uns
die Feststellung dor allgemeineren Kesultate unserer Betrach-
taug wesentlich erleichtern. Es wird sich n&mlich eichen,
dan wir, indem wir in der Yorfthrang der Eioiselheiten so
verfahren, wie eben gesagt worden ist, es zAierst weitaus
mehr mit Angeeignetem als Eigenem zu than haben. Es ist in
der deutschen Literatur einmal nicht anders, üebersetnmgen
ind Bearbdtnngen fremder Ersengnisse erMfhen in der wirldich
scliiiltmäszig ansgestalteten Literatur den R^-igen. Wulfila hat
seinen Platz in allen Compendiea der Geschichte unseres SchritV
tfanms als erster Vertreter desselben. Aber gerade das ist
unser Stolz, dasz die schöpferische Kraft unseres Volksgeistes
gleichen Schritt hielt mit der einzig dastehenden Recf^ptivitÄt
desselben, da^z in allen Gebieten den aneignenden Arbeiten die
originellsten Originale entgegengestellt werden können. Wenn
nMine Leser Geduld und Ausdauer genug mir schenken wollen,
werden sie in Allem, was folgt, den Beweis erhalten, dasz
dieses Grundgesetz unserer geistigen Entwickelung auch in dem
QeMete des Bomans und der ihm verwandten Gattungen auf
H das EDtsehiedfHiBte zur Geltung gekommen ist.
Ein eigenthümlicher Zufall ist es, dasz das Aeltest»^ was
▼oa deutscher Bomanprosa bekannt ist, in einem Fragment
eines französischen Ehehrnchsromans besteht Ich meine das
vielbesprochene Lancelotfragment in niederdeutscher Spra«*he,
interessant nicht blos durch sAn Alter, sondern auch als Wahr-
xekhen der Herkunft und Beschaffenheit eines sehr bedeuten-
den Thefles unserer ftlteren, ja auch unserer neuem und neueston
U üterlial tu ngsliteratur.
Docen fand die Handschrift und machte sie in Büschings
Wöchentlichen Nachrichten f&r Freunde der Geschichte, Kunst
und Qelahrthdt des Mittelalters'' (D., BrasUn 1816 S. 110 f.)
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bekannt. Hofinanii flUirie in den Sürnngsberichten der baye-
rischen Akademie Tom 11. Jörn 1870 den Nadiweisi dasi es
aus dem Lancelot sei. Eine Heidelberger Handschrift (Cod.
Pal. 147) enthält einen oberdeutschen Text desselben Bomans
anf 700 enggesdiriebenen Folioseiien, nnd wie die deateoheii
und niederiftndisdien UebanetEongen, so ist aneh das fransO-
sische Original einer nicht nur der längsten, sondern auch der
ältesten Prosaromane, Yielleicht der älteste überhaupt. Die
oberdeutsche Uebersetning stimmt so genau mit der nieder-
deotsehen ttberein, dass das Yerii<nisB beider Teite nicht
genauer hinsichtlich der Abhängigkeit eines von dem andern
zu bestimmen ist. Es ist mit Sicherheit aDzunelunen^
dasz der Lancelot schon nm die Scheide des dreizehnten nnd
vierzehnten Jahrhonderts als Prosaroman in Deutschland Ein-
gang fand, denn dieser Zeit gehört unser Fragment an. Man
kann es also als einen der frühesten, wenn nicht den allar-
frfihesten, Yorläofer der erst in spiterer Zeit zn eigenem Leben
gelangten Gattung ansehen, und gewisz ist, dasz es in seiner
Art und seiner Zeit noch eine sehr vereinzelte Erscheinung
bildete, deren nogewohnter Form noch der Yersifidrte Lanzelot
Ulrichs Ton Zazikhofen den Bang in der Beliebtheit bei den
Zeitgenossen ablaufen konnte.
Der Stoff unseres Bomans gehört dem Artus- und Graal-
Sagenkreise an, von dem das fiberans weitschichtige Werk
einen sehr groszen Theil in sich aufnahm. Lancelot ist der
Geliebte der Königin Ginevra, der Gemahlin des Königs Artus,
der er exemplarische Treue bewahrt, und der zu Liebe er
eine Anzahl Abenteuer bestdit, die den ^Cäiarakter aller ihres-
gleichen aus jenem Sagenkreise an sich tragen. 2)
>) Pfiterich von Beicherzhaosen nennt diesen nnd bemerkt an einer
andern Stelle ansdrftcklich, dan er die anderen nicht kenne.
3) YergL in Beiog anf den Stoff Dunlop S. 74., B. III, 3., d. B.
Digilized by Goügl
— de-
ich flbergehe ab nbht hierher gehörig die Frage nach
dem Ursprünge und dem wirklichen Alter des französischen
Lancelot und bemeike nur noch, dasz es einen gedruckten
deutschen Lancelot, so viel bis jetat bekannt, nicht xo geben
scheint. Dieser Umstand ist insofern von Wichtigkeit, als
daraus hervorgeht, dasz der Roman in der Zeit, du unsere
Gattung sich bildete und alle die im vorigen Capitel be-
sprochenen Umstände znsammentrafen, um ihre Ausbildnng
zu befördern, keine Bolle gespielt haben mnse. Er wftre dem-
nach als eine literarische Frühgeburt in Deutschland zu be-
zeichnen, und es liegt auf der Hand, dasz wir uns von jetst
ab mit Becht im Ganzen anf die in altoi Dniicken vorliegen-
den Romane beschranken, denn sie sind es, die den Geschmack
der Zeit bezeichnen und uns von dem Umfange wie dem Wer-
den des Bomans als Kunstgattung der Neuzeit anschauliche
Zeugnisse liefern.
Wir werden, den oben angegebenen Grundsätzen folgend,
nun mit denjenigen Büchern zu beginnen haben, die bei Ein-
tritt der lebhaften Nachfrage nach Unterhaltungslectüre auf
dem kflrzesten Wege beschafft wurden, indem man entweder
fremde Erzeugnisse übersetzte oder poetische Werke in Prosa
umschrieb oder doch längst beliebte Sagenstoffe ohne irgend
bedeutende Modification in das beliebte schlichtere Gewand
kleidete.
Den Reigen mag Herr „Wigoleysz vom Riide" eröffnen,
der im Jahre 1472 von einem Ungenannten auf Bitten einiger
Edlen „ans den Beimen in ungereunte Bede beschrieben**,
1498 in Augsburg von Jonas Schönsperger in Polio und dann
öfter gedruckt ward'). Die gereimte Vorlage ist das bekannte
1775. Oct. I. S. 62 und die boziiglichen Strlleii bei Gervinus, Kober-
stein, Wackernaprel, wo Nacliweisc jeder Art reichlichst zu finden sind.
*) ätraszburg. Knoblauch 1519. 4. — Fr»nkf. o. J. Ö. — Frankf.
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— 60 —
Gedicht des Wirnt von Grafenberg, der Bearbeiter scheint nicht
allxu belesen gewesen zu sein, da er den Namen des Dichters
in Gi-afcuberg verkehrt. Der Stoff stammt aus dem Kreise
der Artussagen, denn Wigalois ist der Sohn des Gairein, eines
Ton denen, die die EHte der Tafelrunde bilden, er heirathet,
wie es sich in diesen Geschicliten überaus oft becfiebt, eine
Dame, die er von tinem gewaltthätigen Feinde beiieit, und
besteht die üblichen Abenteuer mit Biesen, Drachen and so
weiter ').
Gleich dem Wigalois ist auch der prosaische Tristan^)
aus einem deutschen Gedicht umgeschrieben und zu Augsburg
1494 A. Sorg. Fol. und darauf Öfter') gedruckt worden.
Auch darin gleicht der Yerfiuser dem Bearbeiter des Wigalois,
dasz er den Namen Eilharts von Oberge, nach dessen Gedicht
er ar])eitete, in Filhart von Obret verkehrt, und auch sein
Stoff gehört demselben Sagenkreise an, wie der des Lancelot
und Wigalois. Mit dem Stoffe des Lancelot ist der des Tristan
auszerdem sachlich nahe verwandt, denn Tristans Verhältnisz
zu Isolt ist ganz dasselbe, wie das des Lancelot zu Ginevra,
G. Habe u. Weygaiidt Hau. 1 ')f.4. 8. — Fraiikl". 1586. 8. — Im Uuchder Liebe.
1587. - Hamburg. Schneider 1611. v8. _ Nürnberg 1('»5.'>. 8. — Nürnberg
1664. 8. — JudendeutHch v. Jo^el Witzenliausen. Königsb. 16*J9. 4.
') R. IL, 9. Simrock. Bd. III, 7. Marb. Nro. 18. Aus unserem
J'rosa-WigoleihZ hat nacli Beneckos Vcrnnithung (Wigalois S. XXVII.)
Ulrich Fürterer in seinem Buche der Abenteuer finen Aufzug gegeben.
Interessant ist die Erwähnung des Wigoleisz im Aufange des pro-
saischen Siegfriedbuches (vgl. cap. V.).
2) d. R. Apr. 1776. I, S. 53. Simrock Bd. IV. Nro. 5. Auch
in V. d. Uageu, Bach der Liebe. 1809 uiid in 0. Marbachs Vb.
Nr. 13. 14.
■'i Augsb. Sehönwetter 1498. fol. — Stra.-zburg 1510. 4. — Worms.
Hofman. o. J. ic. 1540) 4. — Straszburg Jac. Frölich 1557. 4. —
Frankl. Th. Rebart u. K. Han 1570. S. — Iin B. d. L. 1587. — Nürn-
berg 1664. 8.
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— 61 —
OB ehebiecheriBcheSt nur dasz die fihabnidisaeBdiichte im
TMm viel aoflschliesBlieher den rothen Faden des Ghuuen
bildet, weshalb dieses Werk poetisch höher als jenes steht,
seine Stellung zum Sittengesetz jedoch weit entschiedenere
Sddtae anf die Moralitftt der Zeiten and Oeseileehafiskrase
gestattet, deren Nachfi age eine so grone Menge Ton Anflagen.
wie es erlebte, erforderlich machte.
Von demselben G^ehtsponkte aus hat es einigee Inter-
esse, dass der Boman von Florio und Biancefforai) dem Fili-
copo des Boccaccio und nicht dem alten Conrad Fleck folgt.
Der eiste Druck erschien zu Metz lidd bei Caspar Hochfeder
infol.
Der Herkunft des Stoffes, dem Charakter des Inhalts nnd
der Behandlungsweise nacli gehören zwei Romane sehr nahe
zusammen, Fierabias und dit^ Huiinonskiiider, welche bchou
früh eine Bolle gespielt zu haben scheinen, denn sie waren
schon längere Zeit, ehe sie, beide zn Stimmern, der erste 1583^,
der zweite 1535^), im Druck erschienen, handschnltlich be-
kannt. Beide haben französische Prosen, welche schon viel
Uateisnchnngen Yoranlaszt haben, zn ihren nftchsten Quellen
und nehmen als sehr beliebte nnd tiberans charakteristische
Werke ein besonderes Interesse in Anspruch.
'i So lauten die Namen in den Ausgaben des Kninans. Auszor
der crsteu sind noch bekannt eine von InlKJ bei dcmsrlbcn Verleger
in Fol, eine von Griininger in Straszb. 1530. fol., eine von ir>77 Frank-
furt bei W. Han. und der Text im B. d. L. 1587. Erwähnt wird das
Buch Yon Wickram in „Von guter und böser Nachbarschaft".
») Bei Iheron. Rodler fol. — Frankf. o. J. 8. — Frankf. l.OSi. 8.
«raeoert in Simrocks Vb. Bd. Vll, 1 u. v. d. Ilagen. B. d. L.
') Rodler. Fol. — Cdln 1604. 8. — Cöln o. J. 8. — NOrnb. o.
J* S. — Ehedcssen auch zu Cöhi gedruckt (XVI II. Jahrb.) S, jeden-
ftlls Jahnnarktsftiisgabe vgl. auch Anm. 1 auf S. 64. Erneaerungon
bei Simroek II, 1.. Maibach 9., B. VI, 7 n. VIJ, 7.
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— 62 —
FierabrasOi «in Biese und des Amminüs Baland Sohn,
kommt nach Monnionde, wo er mit aelir laoger Diohrede, die
Kaiser Karl anhört, irgend einen der IVanzüsischen Vasallen ,
zum Zweikampfe auffordert. Wegen einer zwischen Karl and
Boland grade obwaltenden Missstimmimg erbietet sich nmi
Olivier, obgleich schwer Tenrnndet, den Kampf anfennehmen.
Niuli selir lantren Reden und Gegenreden beginnt der Streit,
der mit besonderer Betonung der ritterlich ehrenhaften Gesin-
») Ueber die Quelle des Stoflfes und die Vorlage der deutschen
Prosa benerlv'en die Herausj^cber des »Itfranxösi scheu Gediclito-?, A.
Kroeber und G. Servois: (in »Los anciens poctes de 1a La France"
Pttia Yiewcg 1860. pr^face pag. XIU) »De qnatre mannserits qai
non;; restent de la Tersion fran^ai^e en vers, deox appartiennent an
XIV' siecle; les deux autres sont du X". C'est «aussi du X\* sidcle
que date la rödaction en prose, dont la premiöre Edition, qui a paru ä
Geneve, en 1478, est intitnk^e: Le Kornau de Fierabras le Göant. On
a deux autres editions de Geut-vc et plusieurs de Lyon, de l i.Sfi. 1489,
149ß. 1407. 11 y a encore unc edition sans Heu ni date, petit in-f(»lio
gothitiue (V. Brunet, Manuel du Librairc Fierabras'l L'histoire de
Fierabras se trouve aussi dans le roman intitulc: Conqueste que fist
le grand Cliarleniagne et des vaillances de Fierabras. dont Brunet cito
une dizaine d'editions. Nous n'en indiquerons qu'une: La conqueste
du grand roi Charleniaigne des Espaines, avec les faits »t ;,'('stes des
dou/e Pairfi de France et du grand Fierabras, et le combat fait j-ar
lui contre le petit Olivier, lequel le vainquist. Louvain, 15SS. in-4.
La Version de Fierabras, en prose a ete r»^ini]»riniec a Lons-le-Saulniev
en 1810, et le roman des Conquötes du t,'ran l Cliarleniagne. <»nie de
gravures sur bois, a ete publie ä Montbeliard, il y a vin<;t nu trente
ans, das la Bibliotheque bleue. Enfin, parmi les lifres d\ treiines mis
en Tente, il y a nn an, dans les niagasins de la nLibrairie nouvelle"*,
flgonit la „Legende nationale de Fierabras**, par M. Mary-Lafon, illnstr^e
par IL GnstATe Bort.** Bessere Beweise ftr die Beliebtiieit und den
bleibenden Werth des Baohes können nicht gegeben werden. Dm Vcr-
hiltDifli der Handschriften hat GrSber (Ueber die handschriftliche Ge-
stattnng der Ch. d. G. Fierabras. L. 1S71.) grOndlich nntersncht, wobei
die YonOge der fraatösischen Tor der proTenialischen Bedaetion des
Gedichtes nachgewiesen sind.
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— 63 —
oirag beider Feinde beschrieben wird« md eadet, da die Biesen,
wie schon Dnnlq» bemerkte, in allen romaniisehen Didiiongen
dazu da sind, besiegt zu werden, zum Vortheile Oliviers.
Dieser wird nun, eben als er mit dem verwundeten Fierabras,
der sdne Bereitwilligkeit, sich taufen sn lassen, erkl&rt hatte,
dsTonreltet, von den Heiden angegriffim und mit drei anderen
Helden gefangen genommen. Floripes, des Ammirals Tochter,
die den Gui von Burgund liebt, nimmt sich ihrer an. Karl
sendet sieben Bitter, unter ihnen Boland und Naimas nun
Ammiral, dieser Itat sie ehne Weiteres einsperren, aber Flo-
ripes befreit sie wieder. Als Baland nun von den franzö-
sischen Kittern, die er in Gewahrsam glaubte, überfallen wurde,
belagert er dieselben in einem festen Schlosse. Doch es gelingt
ihnen, Bichard Ton der Normsndie an Karl nach HtUfe zu
schicken, Karl erscheint, der Ammiral wird schlieszlich gefan-
gengenommen, und da er viel weniger Neigung als sein Sohn
zum Christenthnme zeigt, so schlflgt ihm Ogier den Kopf ab.
Floripes wird getanft und mit Gui ▼em^it. Auch die Mher
von den Heiden geraubten Heiligtliümer , darunter die Nägel
vom Kreuze Christi, gehmgen wieder in den Besitz der
CivistenO.
Während in Lancelot und Tristan die verliebten Ritter
die den Charakter der Dichtungen bezeichnenden Hauptfiguren
ond, so sind es im Fierabras und den Haimonskindem die
Biesen und Haudegen, dort werden die Liebesscenen, hier die
Kämpfe am eingehendsten und anschaulichsten geschildert, und
wie in jenen Bomanen die Helden und Heldinnen immer zu
den Yergnflgnngen der Liebe aufgelegt sind, so zeigen in diesen
die Bmptpeisonen überall die stftrkste Neigung, handgreiflich
0 8> in dm Beflagin in diMem Capitel den AnlSuig dai Teztas
fwi 16S8.
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64 —
zn werden. Kaum ist im Ilerabras Boland auf den Sohanplatx
getreten, so hat er auch schon durch einen Schlag seiner
Majestät aine blutige Nase.
Ganz in demselben Stil ist der Boman Ten den Haimons-
kindem ') gehalten, voran der riesenhafte Rainold von Montan-
ban, der jüngste unter den SOhnen des alten Haimon und der
Schwester Karls des Groszen, Frau Aia. Die Heiiath sollte
das Ende eines langdanemden Krieges besiegeln, aber Haimon,
wieder vom Kaiser beleidigt, schwur, seine Söhne, die Neften
des Yerhaszten, zu tödten. Diesem Uebeiiuasz der liachsucht
entronnen gehen sie, Ton ihrem Vater begleitet, an den Hof,
wo Beinhold einen Eoeh and darauf den Sohn des Kaisers
erschlägt. Hieraus entstohcn alle die Kriege, von denen das
Buch berichtet. Üeinold geht, damit sein Vater Ruhe habe,
mit seinen Bradem anszer Landes, aber auch hier giebt et
seiner Keignng zum Kopftbschlagen gegen KOnig Saforet Baom,
*) Die verscluedenen oben angefthrten Ausgaben des dentsehen
Bnches von den Haimonskindern sind, genau genommen» nicht dasselbe
Werk. Denn der dentsehe Boman von 1585 hat rar nftebsten Quelle
swei firansösische Prosabearbeitangett, von denen die eine sn Ljon, die
andere m Paris 1531 gedruckt ist. Dagegen stammt die Ausgabe des
deutschen Buches von C5ln 1604 aus einer anderen Quelle, ntmlich
höchst wahrscheinlich entweder aus einer halbhochdeutsohen Dichtung,
welche zu Heidelberg in zwei Handschriften vorhanden ist, oder dem
niederlftndischen Prosabuche, welche beide auf ein nur noch in Frag-
menten vorhandenes niederliitulisches Gedicht und durch dieses auf eine
fransdsische Dichtung zurückgehen. Pie Heidelberger Handschriften
sind aus der letzten Zeit des XV. Jahrhunderts, das niederländische
Buch ist zu Gent 1619 gedruckt worden ^\''egen weiterer Nacli Wei-
sungen musz ich mich begnügen, auf Goedeke M. A. II. Ausg. S. 707.,
aber auch auf Reinaus de Montauban ed. H. Michelant Stattgart 1862
(Bibl. des Lit. Ver.) zu verweisen. Jacob Grimm, welcher im Mus. för
altd. Lit. u. K. Bd. II, 227. das deutsche Volksbuch (Cöln 1004)
richtig auf das in Heidelberj.,^ liandschriftlich vorhandene Gedicht zurück-
führte , hat wahrscheinlich zwischen erstcrem und dem alten Boman
(Simiuern 1535.) nicht unterschieden.
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— 65
dunS beirathet er KUmg Itos Tochter Claradis und erbaut
auf finer Sk*inklippe an der Gironde die Feste Moiitalban.
Die drei Brüder Üeiuolds gerathen in Karls Gewalt, er will
sie hingen lassen, aber Beinold beireit sie mit Hülfe seines
dimonischen Bosses Baiart und seines zaubergewaltigen Vetters
Malegis, der der Held weitver])reiteter französischer und eines
niederländischen Romans ist'). Selbst die Krone Rolaiids, die
dieser als Preis eines Wettrennens ausgesetzt hatte, um einen
ptBsenden Ersatz fftr sein Bosz zu finden, gewinnt Beinold.
Von seiudin Schwiegervater Ivo verratlien, wird Reinold nebst
seinen Brüdern wieder von Malegis befreit, kämpft siegieich
mit Bohind, entlftszt den durch seines Vetters Zauberei in
Mine €tewalt gerathenen Kaiser, worauf nach furchtbaren
Kämpfen und Belagerungen der Friede durch Aia vermittelt
wird. Leider musz das treißiche Bosz Baiart durch seinen Tod
denselben befestigen, Beinold wird Eremit, dann Pilger, hilft
Jenisalem einnehmen, zurückgekehrt geht er nach Köln und
arbeitet ala Steinmetz, wird aber durch den Neid seiner Ge-
nossen auf seine Stftrke das erste Opfer der Socialdemokratie
und darauf Sdiutzheiliger von Dortmund.
Dieser kurze üeberblick über den Inhalt diene als Hin-
weis, dasz das üebermasz von Wuth und Blut, welches nicht-
Terfeblt haben wird, die Tomehmen Leser und Leserinnen
des XV. und XVI. Jahrhunderts in sympathische Aufregung
10 versetzen, uns freilich einen last kuniischen Eindruck
macht, doch sollte man nicht mit Gervinus blos diese Schat-
tenseiten der immerhin sehr interessanten Bomane erblicken,
sondern auch ihre groszen Eigenschaften anerkennen, die
Gftrres tretlend zu schildern weisz. „Wie ein Eichhaum
stolz und fest steht dies Werk (die üeimonskiuder) in der
0 SimrocL Vb. III, 5.
6
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— 66 —
Um^ebunpf einer f^oszen, historischen Verßfanjrpnheit nntw
den Jiitt«Mgedichten da ... . Wie Hercules abgebildet wird,
fest und grandios, mit gewaltigem tarosem Mnskelbao,
breiter hochgew5lbter Brost, aber kleinem Kopfe und nie-
derer Stirn, im Ausdruck einer Innern hornirten Intelli-
genz ])ei überschwenglicher Lo])ens- und Muskelkraft, chibei
mit der Miene von kecker Buhe und Sicherheit, and der
gntmfithigen, ehrliehen Herzhaftigkeit, so erscheint Rainold in
dem Werke. Wie ein LOwe stark und kühn, trotzig", auf-
fabrend, fest auftretend und zennalmend woliin er trifl't, aber
doch wieder besonnen und in ruhig bescheidener Haltung;
rasch und wild im Ausbruch, dann wieder barmherzig, mit*
leidig lind inild und t^erecbt So wunderlich fremd, und
strenge und dunkel wie der Heerführer (Karl) ist auch seine
Umgebung; die ganze Genossensdiaft ein Granitsäulengang,
ein trotziger, fester, kecker Heldenadel .. . ergeben ihrem HOnig,
abei audi st;irk und krüfti,:;- auf eigenen Füs/.en stehend, und durcb-
aus in heroischer Individualität scharf und streng gehalten
Die literarhistorische Bedeutung dieser Romane nnd
deijenigen, die ihnen verwandt frfnd, werden wir erkennen,
wenn wir uns sowohl von dem Eiiuli ucke des Komischen oder
Widerwärtigen, den uns die übertriebene Grellheit der Farben
zuerst machen mnsz, als auch von der nicht minder snbjectiven
Bewunderung eines GOrres frei halten. Der Zeit, in der diese
Werke in Deutschland neue und beliebte Erscheinungen wann,
haben sie ohne Zweifel solche Eindrücke nicht gemacht. Sie
sind vielmehr treue Abbilder des Geistes nnd Geschmackes
') Es bedarf kfitim der HcnK ikniiLf, «lasz Göms Vermuthnncr.
(lein Vorfassor lial)i> liif Hins voriri'scliwt ot, jt t/< kfim« Boarhtunu' mehr
fiiKl'Mi V'.xwn. wir il» im ubiMliaupt Alles bei ihm auszer den olt trelf-
liclicii LliaruktcriAliken längst veraltet ist.
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— 67
der höheren Stftnde in Frankreich und Deatschland, wie sie
im XV. uiul der ersten Hälfte des XVI. JalirliuiidiTts waren,
sie waren dies für Deutschland vielleicht noch etwas länger,
die Wirkung, welche sie auf ihr Pubiicam her?orbrachten,
war eme dnrchans sympathische. Allerdings steht fest, dasz
die Stofte und auch ein guter Theil des an ilinen so zu sagen
hängen gehliebenen Geistes der Dichtungen sehr alt sind, älter
als die Zeiten, in denen die französische und deutsche Dichtung
des Mittelalters den Charakter des Höfischen trug. Aber
?rade darum grill' eine Zeit, grillen G'scUseliaftsscliichten,
welche jenen Charakter wieder abgelegt hatten, zu ihnen zu-
rftek, grade ihre Alterthümlichkeit and Bauhheit machte diese
Diditongen für die Zeit, von der wir reden, modern. Aehn>
Bebe Vorgange begegnen uns namentlich in unserer Literatur
auch zu andern Zeiten. Wandte sich nicht die Sturm- und
Drangperiode mit Vorliebe znr Betraditnug des XVI. Jahr-
hmiderts? "Wir finden in den siebziger Jahren des vorigen
Jahrhunderts ganz dieselbe Bevoi7.ugung des derb Cliaiakte-
ristischen Yor dem maszvoli Schönen, und ebenso nimmt man
hier eine ganze Menge ?on Bohheiten, die bis zum Abge»
sehmackten gehen, mit in den Kauf. Ja bis auf die Vorliebe
für die prosai&che Darstellung gegenüber der metrischen er-
streckt sich die Analogie. Nur darin liegt ein bezeichnender
Uoterschied, dasz die Stürmer und Drftnger des XVUL Jahr-
himderts Originalgenies waren, wfthrend die Romane, von denen
wir reden , aut dem Boden der deutschen Literatur nur die
Bolle von importirter Waare spielen, abgesehen von der viel
tieferen und allseitageren Grundhige, auf welcher die von jenen
vertretene Geschmacksrichtung ruhte.
Ich lasse nun eine Anzahl von Itomanen folgen, welclio
nicht nur derselben Zeit angehören, sondern auf die auch die
Chaiakteristik der zwei eben besprochenen, welche als die
5»
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— 68 —
Hauptvertreier dieser Gruppe gelten dürfen, im allgemeinen
ToUe Anwendung findet
Hierher gehört demnach zunächst der Roman vun Valentin
und Orso, welcher zum ei-sten Male zu Bern im Jahre 1521
im Druck erschien. Sem Bearbeiter ist Wilhelm Ziely von
Bern, der ihn zugleich mit der fthnlichen und gleichfalls dem
Kreise der Karlssagen angehörenden Geschichte vun Oiivier
und Artus aus dem Frauzösichen übersetzte und herausgab.')
Den Stoff des Valentin und Orso behandelt auch das nieder-
deutsche Gedicht von Valentin und Namelos. Die zwei Helden
sind Brüder und NcÜeü des Königs Pipin von seiner Schwester
Belissane und dem griechischen Kaiser Alezander, die das
Unglück haben, schon vor ihrer Geburt mit ihrer Mutter in
die Verbannuiiij^ geschickt zu werden. Hieraus folgt die gänz-
liche Verwahrlosung des einen, der zum wilden, bärenähnlichen
Manne wird und daher Ursen, Orso, Orsone, in dem Gedicht
Kamelos heiszi An die Schicksale der Haupthelden knüpfen
sich noch mit groszt-r Häufung von Wildem und Gräsziichem
die Tliaten ihrer Oheime. Trotzdem aber, ja vielleicht grade
deswegen hat sich der Boman einer sehr weiten Verbreitung
') Au^zcr der Zielyschen Boarboitun«,' j^icht es noch eine ältere
und kürzire Prosa, die auf niederdoutsoher Qq.-11o berulit und 1465
angefertigt ist, sowie (natli <ii'rvinus) eine jüngere l'.'ber.sc'tzunjr. w- lclie
Fraiikf. 157'J gedruckt ist. (Jödi-ke giebt die Ausgaben: Frankf. Kilian
Han IjGJ. 8^ und Krankt. l.';72 S'* an, mir liegt eine o. J. Frankf. a.
M. 12° durch Wrygundt Han, in der Schnurgassen zum Krug, vor, und
Weller lührt noch zwei Ausgaben (Frkft. löäfi. 8. — u. Basel 1604 S)
an. Die mir vorliegende hat auf der letztL ii Seite die Notiz : Also endet sich
hie der hiufT des ganzen Lebens der redlichen lütteren Valentins vnd Orsi.
Verdeutschet durch den Weisen Wilhelm Zielly u. s. w." Die fran-
zösische Frosa \ aleniin et Orst»n erschien, soviel bekannt, zuerst Lyon
1489 im Druck (Brunet T. IV. p. 410.), ferner ebenda 11LI5. ir>2<*..
Paris o. J. (vor löaO) Lyon 1605. Auszug Bibl. d. R. 1777. Mai p.
60—215.
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— 69 —
a erfreuen gehabt Er ist nicht blos in italienischer, nieder-
ISodischer und englischer, ja islftndischer Sprache erschienen,
sondern ist in Spanien von Lope de Vet^^a, in Deutschland Ton
Jakob Ayrer'j, der als seine (Quelle ausdrücklich die Bear-
bflitong Ton Ziely angiebt, dramatisirt worden. Der Stoff des
m demselben Schriftsteller bearbeiteten Olivier nnd Artns ist
•leinjf'niut^n ähnlich, den Konrad von Würzhur^ nach lateinischer
Quelle in £ügelhard and Eng. itnid l>ehandelt hat und der auch
der Sage Ton den sswei Freunden Amicns nnd Amelios zu
Gnmde liegt. ^) Hafis Sachs hat ihn in einer siebcnactigen
Gomedi beliandelt, nnd auch als Erzälihint^ steht er in Be-
zug auf seine Verbreitung dem vorigen gleich.
Drei gleich^ls hierher gehörige Romane sind deshalb zu-
aimmenznstellen , weil sie in sehr bezeichnender Weise Ton
vornehmen Frauen in unsere Literatur eingeführt worden sind.
Es sind die Geschichten von Loher und Maller, Tom Hug
Schapler und von Pontus nnd Sidonia. Der älteste Dmck des
ersten ist vom Jahre 1514 (oder 1513). und was seine Her-
kunft betrifft, so giebt die Von'ede der ersten Ausgal)e selbst
an, dasz die Gemahlin Herzog Friedrichs von Lothringen
Margaret, geborene Gräfin Widmunt und Frau zu Genweile,
'las Buch 1405 aus dem Latein in wälsche-') Sprache ge-
schrieben, naclimaJi) aber £lisabetb, Gräfin von Nassau und
'! Im Opus tlieatricum unter Nro. 10. 17. 1«*^. 19. in vier Theilen,
deren ;5 erste Comedien. «ler letzte Trafredi cfotiannt sind.
Der Zielysche riuüian ist auch eine i L-ljcrsetziin^ aus dfiu
Französischen. Der Gruiultcxt erschien zuerst in (iviif 14m\ Artus
i*t nicht der Britenheros, sondern Prinz von Algarbien. Von dem
deabchen Olivier und Artus giebt es auch eine Ausgabe von Weygand
Hin in Frankfurt.
^] Goedeke Torsteht hierunter die italienische, nach der Oertlich-
\ni der Ent«rtehung wttrde die fruuOBitehe nlher liegen. Ein anderer
>k der denteche Text iit nicht bekannt.
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Saarbrücken, die Tochter der Margai*ete von Lotliringen, es
ans dem Wftlschen ins Deutsche abenetzt iiabe^).
Was den Inhalt nnseros Romans anbetrült, so gehOrt er
wie die vorher genannten zu dem Sagenkreise Karls des Groszen
und hängt hier wieder mit dem französischen Romane von
Galyen lestor^ zusammen, denn Loher ist der Sohn Karls,
Maller der des Galyen. Er steht aneh den beiden enletzt er-
wälinten von Valt^ntin und Orso und Olivier und Artus noch
besonders nalie, indem auch er als ein Freondschaftsroman
wie jene bezeichnet werden kann.
m
Die erlauchte Dame, welche Loher und Maller ver-
deutschte, bereicherte die deutsche Literatur aucli noch mit
einer anderen Arbeit derselben Art. Sie übertrug den Hag
Schapler aus der franzOsichen Chanson de geste nach einer
Abschrift, welche ihr Sohn in der Kirche des heil. Dionysius
zu Paris sollte genommen haben. Der erste Dmck ihres
Werkes ist vom Jahre 1500 zu Straszburg FoP).
straszburg. Fol — Fcnu r: Frankf. 1507. S". - Leipzii,' Ifil 1 .
8. Vergl. auch: L. u. M., eine Kitterge.-cli. nach einer uuLrevlruekteii
Handschrift bearbeitet von Fr. Schlegel (von seiner Frau.) Frkf. 1SÜ.'>
und dazu Wiener Jahrbb. der Liter. 29, 71 ff. und 31, 99 ff. — Kr-
neuert von Simrock. (Bibl. der Bomaue, Novellen, Geschiebten et«.
Stuttgart 1868.)
s) Ferner: Stmzbnrg. Grttmiiger 150S. Fol. — Strassbnrg. Grft-
niuger 1587. Fol. Biese Ausgabe ist ehie von Eonnd Heindörffer
verkttTEte and modemisirte Ueberarbeitoog. In der Vonrede spricht
sich H. über sein Yer&hren ans (vgL Goedeke Grondr. S. 148.) —
Frkt Kilian H&n 1571. 8. ~ Leipzig 1604. 8. Erneuert Ton Shmr.
Vb. IX, 5. — Bas fransOsiscbe Original ist heransgegeben in den an-
ciens poetes de la France. Paris 1864. In der Vorrede ist die Ent-
stehung des Gedichtes untersucht und nachgewiesen, dass sie swischen
1312 u. 1340 falle, auch eine frühere Gestalt nicht anzunehmen sei,
da Geist und Tendenz der Bichtung der Zdt nach Philipp dem
Schönen angeboren. Ebenda eine eingehende Vergleichnng des
deutschen Buches mit dem (rmizösischen, ans der herrorgeht, dasz das
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— 71 —
Der Stoff des Hiigscliaplor gfwiihrt maniclitarlies Inter-
esse. Der Held, mit welchem Hugo Capet gemeint ist, der
als Nachfolger Ludwigs, des Sohnes Karls des Grozsen, er-
scheint, ist der Sohn einer Metzgerstochter und als solcher
trotz iieiner durchaus ritterlichen Tugendeiy und Abenteuer ein
fiepräsentant des aufstrebenden und selbstbewuszten Bürger-
thnms, der dnreh das Buch wehende Geist ist em demokra-
tiseher.
Pontus und Sidonia ward von Eleonore von Schottland,
der Gattin des Erzherzogs Sigmund von Oesterreich, mit
welchem sie 1448 his 1480 vermählt war, ans dem Franzö-
sischen übersetzt und zum ersten Male in Augsburg 1485
gedruckt. Geprüfte Liebe, VeiTätlurei, Heidi nkiini[»fe und
überhaupt die vom Zeitgeschmack verlangten gehäuften Aben-
teaer bilden den Inhalt
entere eine sehr freie Bearbeitung ist, die Vieles wegläszt und Manches
liinsiifttgt. Das fransSeisehe Qedicht ist trotz seiner grossen Yonttge
ftst unbekannt geblieben, während sieh die dentsche Bearbeitung einer
grossen Beliebtheit erfreut bat Ein Auszug des französischen Ge-
dichtes ist der Ausgabe beigegeben, ein anderer in der Bibl. d. B.
Jaao. 1778. p. 5. 70. ist wenig werth.
*) Weitere Drucke sind: Augsburg Schtosperger 1498. Fol. —
Straszborg. Hart. Flach 1509 Fol. — Straszb. Sigm. Bun. 1539 FoL —
0. 0. 1548 FoL — Frkfl 1557. 8. — Frankf. o. J. 12. — Frkf. 1568.
- Im Buch der Liebe 1587. — Nümb. 1657. 8. — Nürnberg 1670. 8.
Eine Ton der der Eleonora Ton Schottland Terschiedene Bearbeitung
findet sich handschriftlich in Heidelberg (Cod. Päl. 14*2.) Auszug. B.
XIX, 45. und o. J. Grimm an dem weiter unten anget 0. Erneuert
ron Simr. Vb. XI, 1. Der französische Roman ist in Lyon v. J. (USO)
inm ersten Mal und dann öfter gedruckt, auch früli englisch bearbeitet.
Das bohe Alter nnd die eclite Sageiiliaftigkeit des StolTes hat J. Grimm
im Museum fUr altd. Lit. u. Kunst. Bd. II. S. 284 ff. nachgewiesen.
Kr findet sich niiinlich schon in zwei altenglischen Gedichten von Horn
n.'id Kimenild, deren eines nach Grimm im XII., da^ andere im XIV.
.^dirh. entstand, die aher auf ^:ehr allen deutschen Sagen beruhen
d&rften, desgl. in einem altiranzösischeu.
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— 72 —
An vlie Rumnno, welche nttorlicho Freundscliaft ver-
herrlichen, schlieszt sich eng an der Herzog Herpia oder der
weisase Bitter dessen Gnmdmotiy die LOsnng eines Ter-
siorbenen nnd Terschnldeten Bittors bildet, so jedoch, dasz
weitläufige und mif grellen Farl>en geschilderte A])enteuer
überall eingeflochten smd. Auch er ist Iranzösiscken Ursprungs.
Der erste Dmck ersdiien 1514 zu Straszbnrg, doch ist der
Boman auch mebrfkch handschriftlich yorhanden^).
Noch gröszerer Beliebtheit auch bis in die neueste Zeit
hmem hat sich die schdne Melusine zu erfreuen gehabt. Der
deutsche Boman, dessen Heldin de ist, hat den Sdiweizer
Thüring von Rmgoltingen ^) zum Bearbeiter, denn er Übersetzte
ihn 14ü() aus d* ni Französischen im Auftrage des Markgrafen
Budolf von Hohenburg. Die erste datuie Ausgabe erschien
zu Augsburg 1474. Fol.*). Der allbekannte Steif ist sehr
1) Der eigentliche Held des Romans ist LSw, der Sohn des von
Karl dem Grossen ungerechter Weise verbaimten Hersog Herpin von
Barges, nnd der weisse Bitter ist der Geist des von LOw ans dem
Bauchfange, wohin ihn der nicht besahlte Wirth gehangen, erlösten
mttors, welcher ans Dankbarkeit ibm als Schntzgeist rar Seite steht.
Den Schlnss bildet das Wiedennsamment reffen IiGws mit seinen Eltern.
*) Handschriften in Berlin, Brannscbweig nnd Heidelberg. (Kr. 152.)
Dmcke ausser dem ersten : Frkfrt. d. Th. Bebart nnd W. Hanen Erben
8. — Frkf. 1579. d. P. Beffler in Verlegung Hartmann Hahns 8. —
Im Buch der Liebe 1587. — üeber das Verhältnisz der einzelnen Be-
lationen herrscht noch einiges Dnnkcl. y. d. Hagen giebt in seinm
Gesamnitabentener zwei altdcntsclie Gedichte ühnlichen Stoffes, denen
zwei altfranz. G«'dichtc zu Grunde liegen, und spricht von einem franz.
Prosaroman als der Grundlage des deutsclien. Diesen franz. Koman
vermag ich jcdocli nicht au&aweisen. YergL v. d. Hagen Gesammt-
abenteuer Bd. I S. XCVII.
^) Nach Mono, Anzeiger 1S3S, 012 Thüring von Roggeltingon.
Auszerdeni o. 0. u. J. (Stranzburg, um 1474. F.) — v. 0. u.
uStra.'^zburg um 1477.) Fol. — o. 0. u. .T. Fol. — o. 0. 1478. Fol. —
0. 0. u. J. (Ötraszb. X'rüsz. um 1466.) Fol. — o. 0. u. J. (Straszb.
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— 73 —
alt and wurde schon im XII. Jahrhandert auf vei-schiedene •
Orte und Personen bezogen, üebrigens bildet in dem Roman
die Geschichte von der Fee, die mit den Grafen von Lusinien
Tereheliclit ist, und, als der Gemahl die Sonnabends mit ihr
T<ff]gehende onheimlicbe Verwandlung bemerkt, die Menschen-
welt Terlassen mnsz, kanm den Hanpttbeil des Stoffes, so
sehr sind bunte Abenteuer nach dem Stile der Zeit lose da-
mit verknüpft. Die Geschichte spinnt sich noch lange fort,
nachdem Melusine vom Schauplatz abgetreten, und man weisz
am Ende — ein Eennzeicben dieses epischen Stils — nicht,
wannn den Abenteuern der Söhne nicht, wie es im Amudis
der fall, die der Enkel, der Urenkel u. s. f. folgen.
Dieser Darstellungsart und nicht dem eigentlichen Kern
der Sage , den die Neuzeit sich auf ihre Weise anzueignen
und zu würdigen gewuszt hat, verdankt es das Buch haupt-
1482. H. Knoblodizor) Fol. — o. 0. n. J. (Auj^sb. A. Sorir.) 1. —
Heidelberg. H. Kiioblochzer Fol. — Straszbuig. M. Hüjtfurt' 15(K;.
— Aagsbursr. H. Stoiner 1538. 4. — Ebenda bei dfiiis, 1543. 4. —
Frkf. Katb. Ecbartin u. Kilian Han. 1571. 8. — Straszb. Cbr. Müller
1577. S. - Straszb. M. v. d. Heyden 1624. 8. — o. 0. u. J. 8. (Wun-
derbare Gesch. V. d. etc.) — o. 0. u. J. S (historische Wunderbeschrei-
bung etc.) — \n{ l in neues übersehen, o. 0. u. J. i c. 1700). S, — o. 0.
1739. 8, — Freybnrj^ im Ilopfcnsack o. J. 8. — Philadelphia o. J. 8.
— Frkf. u. Lcipz. o. J. [c. IT.'jO.) 8. Erneuert v. Sinirock. Vb. VI, 1.
0. Marbach. Vb. Nro. 3. Bearbeitung v. Zachariae 1778. Vgl. Görres
Nn>. 40. Die nächste Quelle des deutschen Bomans Ton der Melusine
iit der franidtische Frosaroroan, welcher im XV. Jahrh. entetand und
ab dessen erste datirte Ausgabe GrSsze eine Genfer in Fol. von 1478
«rwilmt Das frans. Buch erschien wie das deutsche in rielen Auflagen
nnd erfuhr mehr&che ümarbeitungen. Es geht seinerseits wieder auf
ein lateinisches Gedicht Ton Jean d*Arras zurftck, welches dieser 1B87
im Auftrage des Herzogs Johann Ton Berry Terfkszte. (Vgl. Bragnr
Bd. IV, Abth. n. p. 176 f.) Die Sage aber ist, wie gesagt, Tiel
ilter, schon Walther Map behandelt sie mehrfitch nnd kennt sie in
Wales loeilisirt
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74 —
sachlich, dn8'/ es mehr Auflagen sclion im XV. Jahrhiiiidert
aufzuweiüeü hat alä die anderen der.selben Gattung. Vor der
Au&ssimg, als kOnne dem XV. und XVI. Jahrhundert daran
dasselbe gefallen haben wie dem XIX., nnd besonders dem Meister,
dor „das Flürchen" durch seine Bilder von neuem berühmt
und beliebt gemacht, will ich meine Leser besonders gewarnt
haben.
Eine der allerbeliebtesten Geschichten ihrer Zeit war die
erst um 80 Jahre später als die Melusine in Deutsclilaiid
eingeführte schöne Magelone. Veit Warbeck übersetzte sie aus
einem französischen Buche, und Georg Spalatin yersah sie mit
einem empfehlenden Sendschreiben, sie erschien zuerst zu
Augsburg bei Stayner 1581). 4^ '). Der Inhalt, ^sek•lier sich
mit älteren deutschen Dichtungen wie der von der guten Frau
und dem Meistergesänge vom Grafen von SaToyen berOhrt^)
und die Trennung und endliche Wiedervereinigung zweier
Liebenden zum Gruudinutiv hat, ist dadurch bedeukiam, dasz
er gegenüber den bisher behandelten Werken schon eine Art
Fortschritt bekundet. Deutlich n&mlich tritt hier die Neigung
<) Ferner: Aügsbarg 1545. 4. — Frkf. 1549.4. — Frk£ 1550. 4. ~
Prkf. 1553. 4. — 0. 0. 1556. 4. — o. 0. 1593. 8. — Leipz. 1611. 8. —
Nürnb. Endter (um K'nOi s. - Nürnb. ir.TS. 8. — Nürnberg Endter
1741. 8. — Görres Nro. 21. — Simr. Vb. L 2. — 0. Marbach. Nr. 5.
— Tieck. Phantasus I, .').
») Goed. Gruudr. §42, § 88 ii. M. A. S. 701. vgl. uuch v. d. Hagen.
Gesammtab. I, 14. u. S. CXXXIIl. iV. DerStoll" ist uuch in einer spä-
teren Er/.ühlung „Historia von Pliyloconio" (o. 0. u. J. 4» und Nürnb.
Gutknecht 1515. 4.) auf einen Könijrssolm v. Portugal und in Schu-
niaiins Nachlbüchleiu 1559 anl' einen (üiristopli von 3Iiini)>elsrart über-
Iriij^en. (iervinus. II, 303. — Die französische Vorlage Warbecks er-
schien datirt ziicrst o. 0. 1480. i Auszug d. Pi. 1779, Aout pag. 91.)
und ist nach eigener Angabe 1157 gefertigt. Schon im XII. Jahr-
hundert .soll die (Te<cJiichte prMveTu;a]isc]i behandelt und dann von
Petrarca verbessert medergeocbriebeu worden sein.
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— 75
benror, das Interesse mehr auf die Hauptsache und die Haapt>
penonen m beschränken, die Liebesgeschichte Ton den in an-
dern Romanen so sehr überwie<renden freradailigon bunten
and reichen Aboiteaem frei zu halten und daför ihrerseits
mdir mit DetaUschildemngen auszustatten. Dasz dadurch die
Gattung an künstlerischer Freiheit und poetischem Werth ge-
Winnen mnszte, liegt auf der Hand.
Nicht weniger als die Melusine und Magelone nimmt unser
hiteresse der Kaiser Oetamnus in Anspruch, der von Wilhelm
Saizinann aus dem Franzusiscben üluMtrai^en und 1535') das
erste Mal zu Straszburg bei Giüninger Fol. gedruckt ward.
Der Inhalt, welcher meines Eraditens am deutlichsten die ge-
naue Verwandtschaft der verschiedenen Werke unserer Gattung
untereinander anschaulich macht, indem er fast in jedem seiner
Theile an eines derselben anklingt — man kann Motive aus
Yalentm, Hngschapler, Fierrahras darin leicht finden, ahge-
Beben Ton anderen mittelalterlichen Dichtungen — und auch
dne sehr bunte Folge von Abenteuern bietet, ist in Kürze
folgender. Die Matter des Kaisers Octavianus bringt seine
') Ferner: o. 0 154:). 4. — Zürich o. J. 4. — Straszb. Frölich
1348. 4. — Cöln (J. 0. Aich.) v. J. 4. - Oilln 15SS. — Augsburg
3Jaüger (c. 1600) o. J. 8. — o. 0. 1678 (Mlz. 1184.) — Nünih. 161)6.
8. — Nörnb. o. J. 8. — o. 0. u. J. S. — Frankf. u. Lpz. o. J. 8, —
Lpz. 0. J. (c. 1840). Erneuert v. 8imr. Vb. II, .">.. Marb. Nro. 6. u.
Tieck. — Vgl. Corres Nr. 17. In der Vorrede lioiszt es: „Darum hab
ich Wilhelm Salzmann micli c^eflissen, diese Histori an den Tag zu
bringen, wie wohl die vor langen Zeiten von den gelcrten ist zu latoin
geschriben, danach überlang in französische Zunge bracht." Die Quelle
ist Lhistoire de Floreut et Lyun, enfant.s de rcmpercur de Korne lOc-
tlfien) Paris s. a. 4. Troyes s. a. 8. Hier htiszt es im Prolog: ce
fiorrc a este translate de latin en f'ran<;oi.-<, extraict des croniques et
pov ce que plusieurs se delectent a lire en prose a ctc tran.^late de
liftme en prose ainsi qai sensuit. Ein lateinischer Text i»t nicht
bekannt, Salznianns Angabe gründet Bich jedenfalls nnr anf diese Stelle,
^>g«geD eiistirt eine Bearbeitimg in fnaa. Yerteo.
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Gemahlin bei ihm in den falschen Verdacht der lJntr»'ne, wes-
halb er sie mit zwei neagebornen Söhnen in den Wald yer-
stOszt. Der eine Sohn wird ihr von einem Affen geraubt,
die><em jagt ihn ein Ritter luid diesem wieder Räultcr ab,
welche ihn an den auf einer Pilgerschait begrificnen Bürger
Clemens ans Paris Torkaiifen. Den anderen Sohn nunmt eine
Löwin mit sich, beide trägt ein Greif davon und anf eine
Insel, wohin bald darauf auch die Kaiserin durch ein Schiff
gelangt Sie nimmt den Sohn and die Löwin mit nach Je-
msalem. Clemens errieht unterdessen Florens — so hatte er
das gekaufte Kind g<»nannt — mit seinem Sohne Claudius zu-
sammen. Flürens zeigt durchaus kein Geschick zu bürgerlicher
Handtierang, kauft vielmehr zum groszen Verdmsz seines Pflege-
vaters einen Sperber und ein schönes Rosz. Jetzt fallen die
Türken und Heiden in Fiankreich ein, wo der fromme Könii,'
Dagobert herrscht, an ihrer S^titze der Sultan, der eine srhöne
Tochter Namens Marcebilla hat. In seinem Gefolge befindet
sich ein RiesenfBrst, der mit höhnenden Worten die christ-
liclicn Kitter lierausfordert. Florens rüstet sich mit alten
W.ill'.'ii und erschlägt ihn . macht Marcebiilens Bekamit-
Schaft und verrichtet in dem blutigen Kriege vor Paris grosse
Heldenthaten. Schon hatte er Marcebilla entfahrt, als er mit
seinem unerkannten Vater Ortaviaiuis, der dem König Dagobert
zu Hülfe gekommen war, ia üel'angenschatt gerieth. Die
Türken nehmen beide auf ihrer Flucht mit, werden indesz
von Lion, Florens Bruder, angetroffen und gänzlich geschlagen,
worauf die Befreiung des Kaisers und des Flurens, die Wieder-
erkennung zwischen dem ei'steren und seiner Gattin nebst den
beiden Söhnen, sowie endlich die Hochzeit des Florens mit
Marcebilla folgt. Damit auch Lion versorgt werde, heirathet
er die Tochter des Königs von Spanien. Florens wird in der
Folge König von England, sein Sohn ist Wilhelm.
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— 77 —
Das in der Komanliteratur des XVI. Jahrhunderts sehr
beliebte Motiv von geprüften nnd bewährten edlen Frauen,
welchem silioii im Kaiser Ocüivianus eine Rolle spielt, tritt in
eiüigen anderen Koiniinen noch mehr hervor. So in dem sehr
bdiabten und anziehenden Buche vom lUtter Galmy, welches
dem Anscheine nach gleich 'den yorhergehenden aus franzö-
sischer Quelle stammt ') und im XVI. Jahrhundert in zahl-
leicben Ausgaben erschien.
Den Stoff giebt das „Aj^^ent" selbst folgendermaszen
an: „Inhalt dfser History ist / von ein Edlen nnnd Thewren
Ritter genandt Galmy / ausz Schottenland geboren / wie der
inn 80 einer innbrünstigen / züehtigen Liebe gegen einer
Hertzogin Ton Britannia entzfindt / derhalb Er Yon der Hertzogin
rane Schottenland verschickt / zu bewaren des guten Leumbdens.
Wie auch die Hertzogin inn abwe^en jhres Herrn d^is Hertzogen/
») Po Goedeke, Gruii'lri':/. S. 121. Wenn die Angabe von Ger-
vinus. Bd. II. 8. 36o, wonach eine Aus^Mbc von 1511 existirt. richtig
i't. .so könnic, weiiii^stens für diese Ausgabe, (ieorg Wickrani niclit der
Bearbeiter sein, wie es Goedeke S. III für niöglicli hält. Weitero
Aasgaben sind: Straszburg. Frölich 1.j30. 4. — ebenda v. dems. 1540.
4. - de<gi. 1548. 4. — Frkf, a. M. 1564. 8. — Frkf. 1568. 8. —
Strsib. 1588- 8. — o. J. Augsb. Mich. Manger (liegt mir vor.) — o.
0. J. Hertz. 1675. (Mlz. N. lls;).). Gräsze sagt in einer Amn. IV. S.
301, da?;: ihm die Quelle des Galmy Bandellos Novelle P. 11 nr. 44
zu mu scheine, wa.'^ sich dadurch erledigt, da.'^z die erste Ausgabe von
Biüdello.^ Novellen 1554 in Lucca erschienen ist. Nach all diesem ist
tievisges über die Entstehung des Buches erst aus weiteren Special-
Botersacbungen zu erwarten. Ob die zwei Bücher Galbm in Pftterichs
Ehrenbrief mit unserem Galmy etwas zq fhun haben, mSefate leb doeh
Meh i]8 offene Frage Muehen. Jedenfalls ist fchatsSchlieli, dau der
Galioy, welcber in Strasxburg bei Frdlieh erschien, nicht nnr dnzch
^ Gleichheit des Dmckortes und Verlegers den Gedanken an Wiek-
nm erregt, sondern anch im sprachlichen Ansdrack nnd der Anffit^nng
^ StoiEes mit den Werken jenes sehr grosse Verwandtschaft seigt
die Beilage Nro. II zn diesem GapiteL
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— 78 —
seiin Marschalck vertrawet vnd befolhen / der sie / darumb
das sie jhm nit seines matwillcns bewilligen wolt / duroh ein
erdichte Anklang / als ein Ehebrecherin / gegen dem Landts-
fHrston verklagt / vnnd zum Fewer verurtheilt. Vnnd wie
Gkklmy inn eines M6nch8-(Testalt / nach dem der Hertzog selbs
wider vom gelobten Landt kommen / ein Kampff mit dem
Verratherischen Marschalck bestünde / der Hertzogin vnschuld
an Tag braclit / vnd den Marschalck ins Fewr / das er der
falsch beklagten Hertzogin bereitet / wurff vnd verbrandt /
vnnd nach absterben des Hertsogen seine geliebte Hertzogin
zu der Ehe nan / soincr Keust^hen waren Liebe ertrewet /
vnnd ein gewaltiger Hertzog inn Britannien ward. Sampt
anderem anbang / sehr lustig / vnnd ohn allen anstosz
mennigklich zu lesen. Mit beziemng jhrer Figuren nach einer
jegklichen Handlung / so sich neben vnd weytleuflftiger zu-
tragen".
Die Geschichte von der geduldigen Helena behandelt nach
einem m franzosischer Prosa abgefiiszten Bachem) den anszer-
ordentlich beliebten und schon im Älittelalter mehrfaeb in
Prosa und Versen behandelten StoÜ' von einer Königstochter,
welche von ihrem Vater zur Ehe genommen werden sollte,
jedoch entfloh, einen König heiratbete, durch die R&nke ihrer
Scliwiegeiniutter mit zwei neugeboiiien Söhnen in die Ver-
bannung getrieben, lauge Jahre der Dienstbarkeit und des
Elends durchmachte, um endlich Vater, Mann und Söhne
wiederzufinden und glflcklich zu enden. Datirte Ausgaben des
deutsclit ii Romans scheinen bis jetzt nicht bemerkt wordea
ZU seiUf auch scheint die deutsche liomanform zu den obscu-
1) Le rotun de 1a belle HeUuie de Constantmople, m^re de Si.
Martin de Toms et de saipt Brice son fir^e. Paris s. a. 4. — Paris
1586. — Troyes s. a. 8. Ausnig in Hei. tir^ d*ane grande Bibliothöqne
T. YUL p. 182. aq.
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— 79 —
rereo BebattdlangOD des Stoffes zu gehdron. Was aas ihm
gnnaeht werden konnte, hatten andere schon yorweggenommen.
Mit diesem Stifte solir nalie verwaiuU ist der aus oincm Buche
des französischen Jesuiten fienatus Cericios ftbersetzten Boman
von der Hblanda, der erst dem siebsehnten Jahrhundert an-
gehört ') Dassolhp fianzösisclio Buch ist die nächste Quelle
der allbokamiton (ieschichte von der Pfiilzgräfin Ginöfeva,
deren Stoff übrigens ebenso wie der der Hirlanda älter ist ^
Beide Bflcher, wie auch wohl das von der geduldigen Helene,
^ind also hier nur als Siiätlin<(e zu erwäliiirn, und wt il «l.nauf
aufmerksam gemacht weiden uiusz, daaz auch sie, die wie die
biilier betrachteten älteren fiomane gern als Hauptrepräsen-
tnten der sogenannten Volksbflcher angeführt werden, üeber-
Setzungen aus dem Französischen sind. In der deutsriicn
Prosadichtung des XV. und XVI. Jahrhunderts wurde auszer
durch den Büter Galmy ihr Qmndmoti? durch die weiter
unten zu erwähnende Oriseldisgeschichte vertreten. Denn ehe
VIT ZU den zahlreichen Beiträgen, welche der deutschen Lite-
lator aus italienischen Novellen zuflössen, übergehen, bleibt
ms noch eine Anzahl von infolge Aires durchaus mittelalter-
BAcn Zuschnittes zu den bisher betrachteten Werken gehörigen
ßomanen übrig, weiche nach der Herkunft ihres Stoßes und
nm Theii nach ihrem Geiste eine einigei-maszen besondere
Siettung einnehmen.
') Vcrgl. ,,des Buliflcrs Köni^'-^tochier von Fiankreicli etc. herauflg.
V. Iii. M.Tzdorf" S. 18 ff. Gürres Nio. 18. Lei Simic^ck X, 5.
*j Görrcs Nro. 19. bei Sinirock XII, 2. Marbach. Nr. 21. licnatus
C€ricius war 16(K^ in Nantes geboren, sein Werk erschien unter dem
Tit«l L'innoceiice rcconnue zu Paris 1647.
K> liudet sich ^chun 127J in dem Buclie < Kanneliterniönchcs
Mttthias Kinuiej ich zu Boppard .,Hi.->toria de exordio capellae Frawen-
teehen. Vgl. M. Emmerich, Genevieve de Brabant trad. du Latin p. M.
E. d« la BedoUiäre Paris 1841, Bei Simrock I, 4. Marbach Nro. 8.
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— 80
Der Däne Ogier gehört bekanntlich zu den Paladinen
Karls und ist der Held iranzödischer Dichtungen in Versen
wie in Prosa geworden 0« io der deatschea Bonuuüitenitiir
tritt er, so viel bis jetzt bekannt, nor in einer erst 1571 *) er-
schienenen üebersetzun^ aus dem Dänischen, welche einen
C. Egenberger von Wertheim zum Verfasser hat, auf.
Wahrend mit Sicherheit anzonehmen ist, dasz im Ogier
altnordische Sagenelemente liegen, dürfte vielleicht die „Riesen-
Geschichte" vom König Eginhard aus Böhmen, welche nach
Görres aus der böhmischen Chronik des Wenceslaos Hagecius
stammt, wenigstens Bmch&tücke shiwischer Sagen enthalten.
Das wohl erst hlkshstens gegen Ende des XYI. Jahrhunderts
in der deutschen Literatur aufgetretene Bihh erzählt, dasz
flginhard Kaiser Ottos Tochter Adelheid aus dem Kloster
entführte, daffir aber spftter Yerzeihnng erhielt, womit Zanber-
geschichten und Eiesenkämpfe in äuszerst lose Verknüpfhng
gebmcht sind^).
Aach an Geschichten, welche das classische Alterthnm
snm eigentliche ürspmng haben, dem Mittelalter aber in
iiiittelalterlieh ritterlicher Umgestaltung weiiih waren, tUnd
die Zeit, welche die Prosa dem Verse vorzuziehen anfing,
Ge&llen. Natürlich gingen die Bomane, welche hierher ge-
hören, direct anf die ihnen am nächsten liegenden und be-
quemsten Quellen zurück. So setzte Johann Haitliob für
Albrecht III. von Bayern die Alexandergeschichte in
Prosa am, in Augsburg wurde sie 1472 zuerst gedracki»
t) Vergl. Dunlop-Liebrecht S. 139 ff.
») Frkf. a. M. 8.
3) Smr. Vb. Vif, 2. Marbach Nro. 33. Görres (Nro. 13.) jricbt
auch an, das/ die Chronica Boheiniae von Potor Becklern. Frankf. 1695,
Gap. 6. die Geschichte, freilich etwaa abweicheud, erauUile.
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— 81 —
£in anderer Prosa-Alexander existirt handschriftlich /u Drea-
deo. *) Mefafere prosaiBohe Bearbeitungen sind vom Tro^janer-
kriege vorhanden, hochdeutsche sowohl wie niederdeutsche. •
Den Drucken, deren ältester (latiiter in AiH<j:s1)urg 1474 her-
tosgegeben ist, Jiegt meist die von Hans Mair von Nördiingen
n Grande, der schon im Jahre 1392 sein Werk abfaszte^.
Weit mehr als diese letztgenannten Bücher, welche ihrer
ganzen Haltung nach mehr seinsollende Gesell ich te als Dichtung
geben und demnach nur nebenbei als zu den Bomanen ge-
hörig beseiefanet werden dürfen, nehmen zwei echte und sehr
berühmte Romane unser Interesse in Anspruch, welche auch
in der Zeit, von der wii* reden, eine bedeutende Rolle gespielt
haben, ihres Inhaltes wegen ahet eine yereinzelte Stellung ein-
nehmen. Ich meine den Apollonius von Tyrus und den noch
Toa Tieck wieder hearlK'itoton Fortunatus.
Was zunächst den Apollonius betrifft, so vordanken wir
den deutschen Boman, der ihn zum Helden hat, dem vor«
trafflidien Heinrich Btemhdwel, Ton dessen Verdiensten um
die deutsche Erzählungsprosa noch weiter wird die Kede sein
müssen. Steinhöwels Vorlage war die lateinische Bearbeitung
des Gottfried von Yiterbo, und auch bei ihm, obwohl er viel
wenigw das Abenteuerliche herrorhebt als Heinrich Ton Neuen-
stadt, welcher einen versificirten Apollonius geschrieben hat,
verleugnet der Boman keineswegs seinen griechisch -byzanti-
mscheii Ursprung. Der Boman erschien zuerst in Folio bei
^ YergL Genrinos IL 886.
*) Efaie Ton dieser Bedaetion Tenchiedene Prosa befindet sich hi
Beifin haadschiiftlich, ftbereinstimmend wahrscheinlich mit einer Hand-
■ebift in Qiesien (geschrieben 1417 und Uner gefaszt). Eine dritte
Besibettang, die in einer Handschrift von 1486 eiistirt, hat Heinrich
MS Bnumschweig mm Urheber nnd schlietit sich an Conrad von
IVlisbarg an, wihiend die anderen Gnido von Colonna zur Qnelle
hiben. YergL Gervinns II, 848.
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— 82 —
Zainer in Aug$l)urg 1471 <)• Der Stoff, welcher mit den for-
nehmsten SagenstolVen des Mittelalter an Alter und Ver-
• breitung in einer Beihe sieht, ist in Kürze folgendart KiHmg
Anttochns von Syrien lebt mit seiner Tochter in BlatBchaade,
die Freier erhalten Räthsel vorgelegt und werden theüs unter
dem Vorwande, sie nicht gelöst zu haben, getödtet, theils da-
dnreh abgeschreckt. Apollonias löst das B&thsel, dessen
Gegmistand die Schandthai des KOnigs selbst isi Dieser be-
streitet die Richtigkeit der Lösung und setzt einen Prei«
auf den Kopf des Apollonius, welcher sich deshalb heimlich
ans Tyms entfernt und nach Tarsns gelangt, wo er sich um
die Binwohnerschafb durch groszmflthig in einer Hnngersnoth
gewährte Hülfe verdient macht. Als er, vor den Verfolgungen
des Antiof liu> durch Stranguilio, einen Tarsier, gewarnt, sich
wieder zn Schiffe begiebt, leidet er Schiffbrneh und kommt
nach Pentapolis, macht sich dnroh seine Fertigkeit im Ball-
spiele mit dem König Archistrates bekannt und heirathet,
nachdem er sich dmch sein meisterhaftes Harfenspiel wie seine
sonstigen persönlidien VorzQge werth gemacht, dessen Tochter
Ladna. Da kommt die Nachricht, dasz Antiodius von ^sprien.
0 Ferner: Augsburg. Bämler 147r>. 4. ^ Aagib. Sorg. 1479. FoL
— Augsb. Steyner 1540. 4. — Augsb. H. Ziinmemiaiui ld52. 4. Eine
niederdeutsche Ausgabe erschien Hamborch IGOl. Erneuert Sinir. Vb.
III, 3. Vgl. auch R. XX, 257. — Hinsichtlich des Alters und der
Verbreitung,' dos Stoffes sei hier erwähnt, dasz in Deutschland die
älteste Erwiihimng sich in Lamprechts Alexander findet, von dem pros.
lat. Texte Handschriften aus dem XII. Jahrhundert existirtMi, uml ilüs mit
Siclierlieit an/.unelimende griechische Original nicht melir vurhanden ist.
Die Bearbeituntj Gottfrieds ist in Leoninischen Hexametern abgefaszt,
eine dritte lat. Kecensiün entlialten die Gcsta Romanorum. Auszerdem
giebt es Bearbeitungen, theils versificirtc, theils prosaische in spanischer,
italienischer, angelsächsisclier, englischer, französischer, niederländischer,
dänischer, böhmischer und «griechischer Sprache. Unter den englischeil
ist Shakespeares l'crikles hervorzulicbcu. Vergl. Gräsze IV, 457.
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— 83 —
voo der Bache des Uinmiels ^ctrofieu, mit seiner Tochter um-
gekommea sei und das Volk ihn zum Könige gewählt habe.
Auf der nun angetretenen Reise naeh Syrien stirbt Ltieina bei
der Geburt eiiior Tochter. Sie wird in einer Truhe ins Meer
gesetzt, von diesem m der Gegend von Ephesus ans Land ge-
tragen and durch dnen tüchtigen Aizt ins Leben znrQckgo-
rofen. Sie zieht sich in den Tempel der Diana zurück.
Apolionius landet in Tarsus und laszt seine Tochter Tarsia bei
Stiangiiilio und dessen Gattin Dionjsiades, die sie mit ihrer
Tochter ersiehi Ihre Sebtoheit erweckt den Neid» der Pflege-
mutter und sie trägt daher eiuein Kneehte auf, sie zu tödten,
diesem aber wird Tarsia durch Seeräuber entrissen. Vorher
jedoch hatte ihr Licorides, die Amme ihrer Mutter, sterbend
über ihre Herkmift die nftthige Aufklärung gegeben. Die
Seeräuber verkaufen Tarsia an einen Kuppler in ^litylcne, in
ein Freudenhaus gcbmcht weisz sie durch Bitten und ihre
Fertigkeit im Harfenspiel, Mftrchenerzahlen und BätbseUmf-
geben ihre Eensehheit zu bewahren. Apolionius kommt wieder
nach Tarsus, erfährt den Tod seiner Tochter und gelangt ver-
zweifelnd nach Mitylene. Hier wird Tarsia zu ihm gebracht,
mn den Schwermflthigen, der im untersten Schii&ranme lebt
und Niemand zu sich lassen will, aufzuheitern. Sie singt ihm
vor und giebt ihm ßätlisel auf, die liier, wie man sieht, eine
80 groaze Bolle spielen, dasz der gröszte Theil der Verwicke-
lungen und Losungen auf ihnen beruht, — wodurch er sie
erkennt. Er giebt sie dem König Athanagoras von ^liiylene
zum Weibe, bestraft die Schuldigen und findet schlieszlich
auch Ludna wieder.
Nicht geringeres Interesse bietet der Fortnnatus, seine
Entstehung dagegen ist weit dunkler als die des Apolionius.
Sieher ist nur, dasz der uns vorliegende deutsche Boman, der
1480 m Augsburg bei A« Sorg in 4» zuerst ?erOffentlicht
6*
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— S4
ward *> g«g«ii 1440 «nlstuidcQ «m
« wcO nA dies aiu
historisdicii Anspiehmgcn efgMt disz «r a« zwei nrsprimglieli
nicht zosamra* ngehürigen Theilai be>t*^h: — der zweiU findet
sich in den Gesta Bomamonim caif. 120 — und da» sich Ifir
das deotaehe Boeh keine QiKfle findet aas der CS ab Uebenetinng
oder auch nur einig^nnaszen al'hrmgige BeaiWtung ^flössen
sein könnte. Dasz sieb in verschiedenen Dichtimgeo ?erschie-
dener Zoten nnd Kationen Anklinge finden, macht weder die
Yemnithong. dass der Stoff nrsprunglidi brelonisdi sei, halU
bar, nrjch lüszt sich mit irgend welcher Sich riait auf eine
spanische Vorlag»* > hli»^sz«i, noch auch möchte' iih mich be-
stimmen hissen, das Werk ftr ein deafesdies Ordinal') m haHen,
wie Zacher in semer sehr grfindlichen Abhandlang in Enicfa
und Gmbenj Encyclopädie zu thun geneigt ist. Denn ich kann
den Geist des Ganzen durchaus nicht deutsch finden, möchte
vielmehr mit aller dar Zortddialtong, welche in einer so ver-
wicketten Frag*' sehr Tffhlicii ist, es mit dem Apollonias rer*
gleichen und ihm einen griechisch -byzantimschen Charakter
Ferner: Uhu 1495. 4. — Ulm. Hans zainer 1499. 4. — Angsb.
Froschaner 151 G. 4. — ebendas. bei dems. 1.521, 4. — Augsburg,
Steyner 1530. 4. — 1533. Steyner 4. (Mti. 1190). — ebend. b^i denn.
1534. 1. — ebend. 1544. 4. — Frkf. 1551. 8. — ebend. 1554. vS. _
T. ü. 155G. 8. — Straszb. 1558. 4. — Frkf. 1570. 8. — Frkf. (1610.)
8. — Nürnberg 1677. 12. - Frkf. 1787. 8. Smr. Vb. III, 2. — Mar-
bach Nro. 22. 23. — Gönes Xr. 11.
') Der Fortunatu.'5-Roman hat Hans Sachs und Tieck zu deut-Rchen,
Thomas Decker zu einem engli>cheii Drama <len Stoff geliefert und ist
auszerdem holländisch, dänisch, isländisch, «^chwediscli, französisch und
italieniscli erzählt worden. Genaueres über die Verbreitung bei Grä>ze
IV, 191 ff. Vgl. den oben erwähnten Artikel Zachers und dessen und
Höpfner» Zeitsclirift I. 254. Val. Schmidt. Uebersetzung Ton Thom.
Deckers Zanbertragödie F. u. s. S. Berlin 1>I9. - Museum für altd.
Lit. u. K. I, 277. V. Schmidt liefert das umfangreichste bibliogra-
phische Material.
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— 85 —
nadiraibeii, womit denn die Zacher mit Recht anffoUende imd
Ton ihm für die deutsche Abfassung vorgebrachte Bekamit-
abatt des Urhebers mit osteuiopäischen Verhältnissen sehr
wohl stimmen wfirde.
Fortanatos, der Sohn eines Terarmten Bürgers der Stadt
Famagusta in Cypem, verläszt seine Eltern ohne ihr Wissen
und geht mit einem Grafen nach Flandern. Sein Wohlver-
^iaitea erwirbt ihm die Gunst sanes Herrn, aber den Neid der
]>ieiier8chaft. Einer ans derselben redet ihm vor, der Graf
wolle ihn „kaponen" lassen, worauf er «las Weik* sucht. Er
geräth in London in schlimme Gesellschaft, dann in ein Haus,
in dem ein Mord begangen worden, mit Koth entflieht er dem
Galgen. In einem Walde giebt ihm Jungfrau Fortuna den
nie versiegenden Glücksseckt>l, nachdem sie ihm die Wahl ge-
lassen zwischen Weisheit, fieichthom, Stärke, Gesundheit,
SdiSaheit und hmgem Leben. Wfthrend seines Lebens und
des seiner ehelichen Kinder soll der Seckel diese Kraft haben,
doch soll er den Tag , da er das Kleinod empfangen, immer
fciem, an ihm kern ehelich Werk begehen und jedes Jahr eine
arme Jungfrau ausstatten. Dadurch, dasz er, von seinen ver-
änderten Glücksumstündt'n Gebrauch machend, einem Grafen
eioige Pferde vorwegkauft, kommt er in Gefahr, begiebt sich
dann nach Nantes, fiofzucht zu sehen, und nimmt den alten
«eitigereisten Leopoldus zum Diener an. Mit diesem föhrt er
nach dessen Heimath Irland, besucht St. Patricii Fegefeuer,
kommt darauf nach Venedig und nach Constantinopel, woselbst
Leopoldus einen Wirth erschlägt, der dadurch entstandenen
Ge&hr entgehen aber beide glücklich. Darauf kehrt Fortu-
natas nach Cypem zurück, heirathet die aus edlem Geschlecht
stammende Kassandra und macht ein groszes Haus. Es ge-
üngt ihm auch, dem Sultan yon Aegypten, zu dem er auf
teinen weiten Beisen gelangt, das Wunschhätlein zu rauben,
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1
— 86 —
Termittelst dessen er sich an entfernte Orie zu versetzen
vermag.
Nach seinem Tode erben seine beiden Söhne Ampedo
nnd Andolosia die Kleinode und alle sonstigen Gftter, aber
nur der zweite setzt ilio Al)onteuer des Vaters fort, während
der erste vorzieht, ruhig zu Hause zu bleiben. Andolosia
i?ird zaerst von einer Fraa betrogen, welche ihm eine andere
an ihrer Stelle Terknppelt. Dann ^ebt er zu dem Könige T<m .
£ngland, wo ihn die Prinzessin Agrippina mit falscher Liebe
nm seinen Seckel biingt. £r holt nun das Wunschhfttlein
nnd Mhrt Agrippina sammt dem Seckel von dannen. Auf
einer wüsten Insel setzt er ihr aus Unbedacht das Hfitlein auf,
und sie gelaugt mit beiden Kleinoden nach Kn^jland zurück.
Inzwischen hat er aber auf der Insel Aepfel entdeckt, welche
dem Essenden Hömer wachsen machen, mid eine zweite Art,
die jene wieder vertreiben. Von den ersten bringt er, nach
England zurückgekehrt, in Verkleidung der Agrippina einen
bei, dann erscheint er als Arzt, vertreibt ihr die UOmer zum
Theil und entfülirt sie nebst Seckel und Hütlein, bringt sie
in ein Kloster unter, dann wieder nach Hause, worauf sie den
jungen König von Cypern heirathet Hier in seiner Heimath
erregt Andolosia den Neid zweier Grafen, die ihn heimlidi
gefangen nehmen. Aniiiedo verbrennt das Wunschhütlein und
stirbt aus Kummer, Andolosia wird gezwungen, den Seckel
herauszugeben und dann ermordet, wodurch auch dieser seine
Kraft verliert. Die Mörder ereilt die verdiente Strafe des
Kades.
Hier mag sich am passendsten die Erwähnung der Kelsen
des Sur John Maundeville anschUeszen, die von dem englischen
Ritter gemacht und der Wirklichkeit gemasz beschrieben
wurden, jedoch duich phantastische Zusätze, die in erneuten
Bearbeitungen immer mehr anwuchsen, endlich zu dem aben-
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— 87 —
teoerlielistea Beiseroiiiaii sich gestalteten. Michael Velaer
ftbrntzta sie so Änfimg des 15. Jahihnnderts his Deaisehe,
dann ein ünl>ekannter, und urn 1483 Otto von Diemeringen
Säue Bearbeitung ward sehr verbreitet und wieder in das so-
fMumte Yolksbach umgeformt Weiter unten kommen
vir auf die deots^en Originalweriice dieser unseren Landslenten
sebr msagiRiden Gattung und damit auf die Keiseromane
der älteren Zeiten überhaupt zumck.
Wenn wir jetrt einen BackbUck auf die bisher betrach-
tetm Werke werfen, ftllt ans vor allem wohl zweierlei in die
Augen, einerseits die Fülle von mittelalterlichem Sagenstoflf,
welcher in die den An&ng unserer deutschen Bomanliteratur
Udenden Erzeugnisse eingegangen ist, andererseits der be-
deutende Einflusz der französischen Literatur. Zur Vervoll-
ständigung des Bildes, welches die Untfiiiiiltungsliteratui' des
deatschen Lesqmblieums in dieser Zeit bildete, fehlen aber
Mdi Ersdieinungen verschiedener Art, auch wenn wur von den
Yolksthümlichen und originaldeutschen Producten abseilen. Dasz
wir von diesen vor der Hand sehr wohl absehen können, wird
water unten klar werden. Hierher aber gehört nun zunächst
die Betraehtottg der italienischen Novelle, emer Gattung, welche
schon im XIV. Jahrliundert nach Form und Inhalt gegenüber
den ritterlich mittelalterlichen epischen Dichtungen in Versen
wie in Prosa durchaus selbstftndig zu classischer Blüthe ge-
didi und schon im XV. Jahrhundert von bedeutendem Ehiflusz
aaf die deutsche Literatur wurde. Die Bedingungen, auf
Cölln u. NQrnberg o. J. 8 (Jahrmarktausgabeu.) Simr. Vb.
im, 1. — OSms Nro. 10.
') Die Besehrtibong der Reise des Mario Polo (erste deutsche
Angabe Nlmb. 1477. IbL) Ist kaum hierher ra rechnen, da sie weit
weniger alt die des MaiuideTille durch pbantastisehe Zns&tze nun blossen
UsMaltmgsbaehe sehchit ungestsltet worden zn sein.
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— S8 —
weklicn die Entsitehung der Novelle, wie sie uns in Boccaccios
Decameron entgegentritt, beruht, liegen einestheils in den
bOigerliehen und politischen Verhftliniasen ItaUens, anderen-
tbdls in der dort schon im XIV. Jahrhundert beginnendeo
Wiederbelebung der griechisch-römischen Cultur. Die zum
grossen Theil demokratischen Gemeinwesen, gebildet von reichea
Eauflenten und wohlhabenden Handwerkern, mnsaten die Ent-
stehung einer Unterhaltungsliteratnr begünstigen, welche den
Sagenstoff der ritterlichen Dichtung fallen liesz und sich in
dem Kreise des bfirgerlichen Lebens, des Hauses ihre Gegen-
stände suchte, aber die Hauptsache trug der sich rasch bis
zur Begeisterung^ bei dem gebildeten Publicum, bis zur Meister-
schaft bei den tScluiltstellern entwickelnde Sinn für schöne Form
bei. Was auch gesagt werden mag, die Italiener und die
Bomanen insgesammt haben Recht, wenn sie in Petrarcas
italienischen Gediditon und in Boccaccios italienischen Er-
zählungen die wichtigsten Thaten dieser Männpr sehen. Gei'ade
darin, dasz die auflebenden Alterthumsstudien den AnstosE
gaben zu freien G^taltungen, die auch den antiken Idteraturea
selbständig gegenüberstelKni , liegt das Grosze. Wir werden
bald auf das Einseitige der literarischen Bewegung, welche im
XIV. Jahrhundert in Italien anhebt, auiineitsam zu machen
haben, hier jedoch ist zunächst die italienische Noyelle yon
Seiten ihrer Formvollendung und ihrer Abwendung von den
mittelalterlichen Stoffen und Ideen ins Auge zu fassen. Denn
es liegt fOr unseren Zweck viel daran, die wkUich entwicktite
Novelle nicht allein von den Romanen der Art, >velche wir
eben besprochen, sondern auch von den kleineren und kleinsten
Geschichten zu unterscheiden, welche noch zu betrachten smd.
Yon dem Verdienste, die italienische Novelle in die
deutsche Literatur eingeführt zu linben, gebühren neun Zehn-
theüe dem Heimich SteinhOwel. Seine Uebersetzung des ge-
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— 89 —
namtflii Decameron eraeliieii xnent 1472 zu Ulm ba Johann
Ztiner in Folio und ward in der Folge bis tiel in das XVll.
Jahrhundert hinein häufig aufgelegt, umgearbeitet^ abgekürzt,
«wfiiter^ germnigt Dasz der deutsche Stil Steinhöwels nicht
dem des Originals an die Seite gestellt werden kann, dasz der
üebersetzer sehr häutig seiner Sprache Gewalt antliut, um
der fremden zu folgen, dasz endlich gar Manches durch die
Oeberaetniiig dem deutschen Publicum dargeboten wurde,
uas dem deutsdien Sinne fremdartig und anstOszig sein mnszte,
ist nicht zu leugnen, liegt aber in Umstünden, welche Stein-
h6wei Dicht zum Vorwurfe gemacht werden ItOnnen, nament-
lich in dem unfertigen, undcheren Zustande, in weldiem sich
ik deutsche Sprache befand, die er anzuwenden hatte. Jeden-
ialls bleiben gleich schätzenswerth das Geschick und die Energie,
ait welcher er seme Aufgabe zu lösen waszte, wie auch die
TodisBBte, die er sich um die Ausbildung der deutschen
Prosa, insonderheit der ensählenden, erwarb, mag immerhin ein
Tlieil der Schuld an dem undeutschen, schleppenden und ein-
acfatchtelnden Satsbau, der die deutsche Prosa seit jenen Zeiten
» TieUheb entstellt hat, auf ihm liegen bleiben >)•
*) Weitere Ansgaben sind: Augsb. Sorg 1400. fol. — Straszb.
1535 fol. — Augsburg 1545. Fol. — StrAszb. 1547 fol. — Straszb.
1551 fol. — Straszb. 1557 Fol. — Straszb. 1561 Fol. — Frkf. 1566.
II, S. — Frkf. 1593 II, 8. - ebcndas. 1601. 8. — ebenda«. 1624 II.
^. Abpekürzto und gereinigte Ausgaben sind Straszburg 1509 fol.
1519 fol. 1540 ful. 1575. II. S. Ervs-eitert: Ducento Novella Bocatii.
1616 O. S. — Ducento Novella, Zweihundert newcr Historien. Frkf.
SchCMiwetter 1646. 8. In diesem Buche sind <len 100 Novellen des
Dec. nur 38 andere hinzugelügt. Ob dies in der Ausg. 1616 (Weller
II, 305.) auch der Fall sein mag, wäre interessant zu wissen. Gräsze
im Trc8or redet auch von einer von 1603. Steinhöwels ursprünglichen
T«it giebt: Decameron von Heinrich Steinhöwel, herausg. von Adel-
bert von Keller. Stuttgart 1860. Bibl. des litt V. in Stuttg. Bd. LI.
fiieraas diu Beilage Nro. III.
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— 90 —
Ausser Boccaccio, der allerdings als Altmeister der ganzen
Gattung am meisten diese Bevorzugung verdiente, ist kein
italienischer Novellist in der Zeit, mit der wir ans jetzt be-
scb&ftigen, ganz ins Deutsche übertragen worden, aber einzelne
Geschichten Boccaccios sowohl als anderer sind in besonderen
Ausgaben und eingereiht in Sammlungen in Deutschland be-
liebt gewesen. Hierher gehört zunächst jedenfiilla die GriseW
disgescbichte, welche ebenfills von Heinrich Steinb9wel schon
vor seiner Uebertragung des Decameron und nicht nach Boc-
caccios italienischem, sondern nach Petraicas lateinischem Texte
verdentscht zn Augsburg 1471 das erste Mal und sehr oft
wieder herausgegeben ward Eine andere Novelle, welche
sich ebenfalls im Decameron findet, die von öuiscard und
Sigismunde, wurde von Niehls von Wyle, der mit SteinhOwel
und Albrecht von Eyb m Hinsicht auf Verdienste um den
dentsthen Prusastil zusammengeliöi-t , aus dem lateinischen
Texte des Leonardus Aretinus übei*setat. Auch Albrecht von Ejb
bearbeitete sie in seiner Abhandlung ? on der Ehe frei nach Boc-
caccio. Erstere Redaclion erschien in dem groszen üebersetznngs-
werke (Translatzion) des Niclas ohne 0. u. J. ^) (Eszlingen
Conrad Fymt U78.) letztere in der genannten Abhand-
>) Omther Zauier. FoL — Femtr: Aogsb. BimUr 147S. PoL
~ o. 0. «. J. (Uhu. Zahler c 1473.) Fol. — Ulm. Zamer 1474 Fol.
— o. 0. (Stnuzb. 1478.) Fol o. 0. n. J. (Angab. Sorg. 148a) Fol.
0. 0. (Stnnb. H. Enoblochier) 1482. Fol. — Starisd». 15Sa 4. —
Nfimb. Chifkn. 1522. 4. - Stranb. 1588. 4. — Struib. 154a 4.
— Cdln (c. 1590) 8. — Erftirt ie2a 8. — NIederdeatwh o. 0. n. J. Fol.
— Hambordi 1502. 4. — Emenert Smur. Yb. VI, 3. (Markgraf Walther.)
— Harbach Nr. 1.
*) Ferner Straaib. 1510. — Angab. 1586. n. Öfter. Aufgabe dea
nrprünglichen Textes ron Adalbert von Keller. Stattgart 1861. BibL
d. litt y. LVII. Erneuert iat die Gesch. t. Chuse. n. SIg. Sfanr. Yb.
TI, 8. Marbach Nro. 1.
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— 91 —
liing'). Die Griseldis gehört, wie schon erwähnt, zu den Er/Ah-
hiogen von geprüiten Frauen, und sie darf wohl als die beste
fon fieser Art angeseben werden, wenn auch die raffimrte Ari,
me der MarkL,'riif Walther von Saluzzo das zur Ehe genomiiieno
anne Mädchen quält, um ihre Standhaftigkeit zu erproben,
etwas Abstoosendes hat Dagegen bat dfo Noyelle von Qnis-
Offd nnd Sigismunde die leidenschaftliche und tragisch aus-
gehende Liebe zweier Peräonen ungleichen Standes zum Gegen-
stände, also ein dorehans modernes Motiv, beliebt bis anf den
heot^ien Tag, wo noch dazu ein derartiger Conflict sich in
den Verhältnissen des wirklichen Lebens nicht so leicht moti-
Then lässt als vor 3 — 500 Jahren.
AnsKer Griseldis nnd Gniscard nnd Sigismunde sind noch
andere Geschichten aus dem Docameron in Einzelnau}< gaben
erschienen. So Cymon aus Oypem (Dec. V, 1.)'), Tedaldo
und Ermeline>) (Dec. m, 7), Giletta (Dec. m, 9.)«) nnd die
kHini.srho Abenteuergeschichte des Andreuccio aus Perugia
(Dec. 11, 5.), die Martin Montanus jungen Leuten, welche
tof Reisen gehen, zur fielehmng herausgab^). Gamillus
ond Emilie, welche in Prankfhrt 1580. 8, erschien und sich
auszerdem im Buch der Liebe von 1587 findet, ist vielleicht
nur eine yeischlechtemde Bearbeitung von Guiscard und
S^fismunde^. Den deutlichsten Beweis von dem Gesdimack,
<) 0. 0. v. J. (Nttmb. bei Kobnrger 1472) n. dfter.
Stranbnrgr l^l^* OerrfaitM II, 868.
») 1550. Stiaszb. 0. J. (c. 1560.} — niederd. Hamborch 1601. S.
— Leipz. 0. J. 8.
*) c. 1519. vgl. Weller U, S. 312.
•) 0. O. Q. J. (1557.)
<} Ansnig K. Y, 91, wo mit der Ansgabe Ton 1587 wohl dsf
Boeh der Liebe gemeint if t.
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92
den das deutsche Leeepublkom den italienischen Novellen ab-
zugewinnen wuszte, liefern die weiter unten zu betrachtenden
Facetienbüclier des XVI. Jahrhunderte durch die häutige Be-
nutzung dieser ihnen sonst meist fremdartigen Brzfthlungen^
und noch später werden wir dergleichen Stoffen oft ^enug be-
gegnen. Hier sei noch ein sonst schwer irgendwo einzurei-
hendes Buch erwähnt, welches zwar orientalischen Ursprungs
ist, aber durch die italienische Literatur hindurch gegen Ende
des XVI. Jahrhunderts in die deutsche Literatur eintrat und
eine Sanunlung novellenartiger Erzählungen von durchaus mor^
genlftndischem Charakter enthalt, nftmlich die Reise der Stime
des Königs Giaffer, welche, von dem Baseler Bürger Johann
Wetzel aus dem Italienischen übersetzt, das erste Mal zu Ba^l
im Jahre 1583 erschien 2). Da aber vor der Hand die Zeit
des Heinrich Steinhöwel und Niclas von Wvle noch unser
Interesse in Anspruch zu nehmen hat, mag zunächst eine No-
velle erw&hnt werden, welche letsterer aus dem lateinischen
Texte des Aeneas Sylvins fibersetzte und die den besten italie-
nischen nach Geist und Stil so nahe steht, dasz ihre lateinische
Abfilssung wenig in Betracht kommt £s ist die Liebes-
') Beispielsweise finden sieb im ^Scliertz mit der Wahihoyt" l .j.'»0.>
Griseldis, Andrenccio, üuiseard u. Cii.smonde, Albreelit von Imola (I>ec.
4, '2.), in dem Wegkürtzer v. Montanus Ma-eto. (Dee. III, 1.) Albrecht
(D' (\ IV. '2.) Rinaldo (Dee. 7, '6.), in Lindeuers RAstbQchlein Zeppa u«
^pinoUntzo (Dee. VIII, s.)
Der Uebersetzer picbt an, dasz ihm das Buch vor eini^,'en
Jahren in Venedig zugekommen .<ci und dasz es „Christophorus Armcnius
aus Persischer in Italienische Si)raach transferiert". Das italienische
Buch ist Venezia 1ÖS4 gedruckt. Die Ausgabe von (Basel bei
Ludwig Koenig v^'l. Ooedeke I, von der die WulftVnbüttler
Bibliothek ein Kxeniplar besitzt, lie^'t mir vor. Die Bezeieiuinng des
Bnches als erster Th'-il tVlilt hier auf dem Titel. Weiteres über den
Stoff Tgl. bei Döolop (t. Liebrecht} S. ilO f.
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— 93 —
goduchte Ton Borioliis and Lacreeia, m lateiiuseher wie in
deutscher Sinache übt'raus oft gedruckt und auch ihres aus
der Gegenwart des Dichtere gegriffenen Stoffes wegen von be-
sonderem Interesse. Im Jalire 1431 nämlich weilte Kaiser
Sigismnnd mit sdnem berühmten Kanzler Kaspar Schlick zn
Siena. Letzterer benützte diese Gelegenheit, mit einer edlen
B&rgerin eine Liebschaft anzuknüpfen, die Yöllig normal und
zu beiderseitiger Beftiedignng TerUef, bis die Abreise des Kai-
sers die Liebenden trennte. Man kann sagen, dasz das That-
sftchliche einer Ehebruchsgeschichte niclit einfacher sein kann,
aber ans diesen Thatsachen hat der nachmalige Papst Pins II.
ein kldnes Kunstwerk ersten Banges zn schaffen gewuszt, ab-
gefaszt in dem leichtesten Latein , vorgetragen mit aller der
Aomuth und ausgeschmückt mit dem sinnlichen Keiz, welche
dianikteristische Eigenschaften des italienischen Hnmanismns
sind. Man braucht nur das Buch zu lesen, um von dieser
geistigen Strömung ein anschauliches Bild zu bekommen. Alle
Bnzehiheiten , soweit sie mit dem erotischen Thema in Ein-
klang stehen, sind eingehend und musterhaft ausgeführt, fremd-
artijSfe und al)lenkende Motive sind im graden Gegensatz zu
den ritterlichen Romanen durchaus ferne gehalten, der Fort-
schritt der Erzählung und der Phin des Qanzen lassen durch-
weg den denkenden Künstler sehen, der am Schlnsz erfolgende
Tod der Geliebten vervollständigt nur den bacchantischen
Charakter der dargestellten LeidenschafL Allerdings hat-
Phis n., wie wir durch einen seiner Bdefe erfhhren, auf
Grund dieser Beschaffenheit seines Werkes später grosze Reue
empfunden.
Die Abfisissnng des lateinischen Textes Wlt in das Jahr
1444, die Uebersetzung des Niclas 1462, in der Translatzion
ist unsere Geschichte wahrscheinlich in Rücksicht auf ihren
Werth nnd im Vertrauen auf ihre Anziehungskraft an die erste
*
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stelle gerftckt, sie wurde aber Torher sehoo beeooden hmns-
gegeben *).
Als Zeiclien derselben geistigen Strömmig, welche die
cksBiecb- italienische Korelle in ihrem Yaterlande entstehen
nnd in Dentsdiland Bnfiül finden liees, sind noch die in der
Zeit, Von der wir reden, in die deutsche Sprache übergegan-
genen antiken Romane and ihnen verwandten Erzählungen zu
betiaditen. So finden wur aneh schon in des Nidas von
Wyle Translatsdon den goldenen Esel des Lucian (Nr. 13.).
Der hervon-agendste der griechischen Romanschreiber, Heliodor,
ftnd allerdings erst in spAierar Zeit einen Uebersetzer in Jo.
Zsehorn (1559.), nnd diese üebersetznng ward aueh in das
Buch der Liebe autgenominen.
Koch dem XVL Jahrhandert gehört anch fischarts Is-
menins an, dodi sind bis in die Mitte dieses Jahrhun-
derts, von welchem Zeitpunkte an unsere Gattung in ein
neues Entwickelungsstadium tritt, derartige Werke gegen die
weiter oben besprochenen ritterlidi- mittelalterlichen in der
Gunst des Publicums entschieden iu den Hintergrund ge-
treten.
») Augsb. 147S. 4. — 0. 0. 1477. fol. — Augsb. Sorg. 1489. 4.
t-^ Gedruckt ra Straszbnrg am Kommarkt o. J. 4. (c. 1550.) — Wuruibs
Greg. Hofraann o. J. (c. 1550.) 4. — Straszb. 15G0. 4. — Eine abge-
kürzte Behandlung, welche den Liebenden die Namen Liopold und
Leonore giebt, findet sich in den S. 89 erwähnten Ducento Nnvella
als zweite der zugesetzten Geschichten. Sie stellt eine durchaus reine
Liebe dar und hat einen sentimentalen Ton, wodurch sie von den an-
deren Geschichten des Buches sonderbar absticht. Erneueruii]^ in Bü-
Iowa NoYellenbuch I, 311 ff. Vergl. die Beilage Nro. IV. zu diesem
Capitel
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— 96 —
Beilagen zu CapUei Ul. . ,
Anfang des Fierrabras nach der ersten Aufigabe,
Sünmern 1533.
WJe eyn Mächtiger Biesz Fierrabras gnant/kampff an
Kwfwr Kalle Tnd die seine erfordert / des sich keyner vnder
den Fürste vnderwinden wolt / vnnd wie Huland vnd der Keyser
derhalbeo vneynig wurden.
Jn fljspanien was eyn Amirai gnant Baläd / eyn michtiger
Haid / des leibs / guuts vnd gwalt / der het eynen Sone hiesz
fienrabias/der gr6ste Bmi/ao ye von eynidiem frawenbild
imr wellt was gewnnnen vnd bracht worden /dan seins gli-
chen (von grisse / stÄrck vnnd kriffte der glider) lebte der zeit
niemants. Derselbig was eyn Kunig zu AUexandrien / vnd
beheischet das Land Yon Babilonien/bisz an das rot M4re/
fnder jm was ancb Rüssen vnd Golonien in Gallitien / desz-
gleichen was er gewaltiger Herr zu Hieruäaiem/ vnd des Graba
Gri8ti/£r gewan eyns mals Borne vnnd nam dar ansz/die
heylige dimen Grone /auch die K4gel vnsers lieben Herren/
sambt viel anderm heylthumb / von welcher materi disz Büch
hernacbmais etlich meldnng tbün w&rdt £s wurden aneh
m stnit Ton jm in Aquitanien / wider Eeyser Karies bere toI-
bradit. Dieser Fierrabras khame eynszinals gar eilends ge-
litten/der zuuersicht / eynen Christen zufinden/mit dem er
UmpffiBn m6oht/vnd in der m^nag reyt er alsslang/biss
ds8 er zu Mormionde / Keyszer Karies wapen zu ende an den
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SchraDcken geheffit fand / Er was mit barnisch / sj^esc Tod
schwerdt / gar wol versehen / yn hefc yerdrass / das jm keyB
Crist begegnet / vn als er Karies wapen den gülden Adler /
also schon leuchtend sach / schwur er bei seinem Gott Macho-
met/nymer dannen zoscheyden / er het sich dafi znuor mit
eynera Cristen gesclilagen / vnnd da er sähe das niemants
kam/rufft er mit lauter stimb: 0 Du verzagter Kunig zu
Parisa / aller k&nheyt entblist / schick wider midi etlich deiner
Herrn von Franckreieh / die aller stircksten vnd ArbAndigsten /
als Rulanden / Oliviern / Diterichen den Hertzogen zu Ardeuien /
Reichharden von Normandj oder aber (Hgem von Denenmarck
ZQstreit/vnd ich schwer dir bei meinem hohen Gott Hadio-
niet/ich wil jnen streit bisz an den sechsten oder siebenden
man nit versagen /vnd schlAgstu mein beger ab /so sei dir
gesagt / das ich dich wil vberwinden / dhr dehi hanbt / als
eynera lasterlichen verzagten man / abhawen / vnnd dun mit mir
f6ren / Eulanden vnd Oliuiem in grossen schänden / wan vber-
m&tiglich vnd dirlich / hastn alter verzagter dich vndefwanden
in das Land zukomme / des du dein belonung emphahen soft /
dan du must in kürtz das land räumen. Nach diesen Worten
stund Fierrabras ab von semem Pferde / hofftet es an eynen
ast eyns baums/vnd vnder desselben schatten entwi^knet er
sich/vn da er seinen leib der ruh ergeben hett/ruflft er mit
lautier stimme: 0 Karle eyn Khmg z4 Paris/ wo bistu ietzundP
so ich dir alss offt r&ff/schick mhr snnder Ungern verzag
alhier Oliuiern / des du dicli als fast berftmest / oder deinen
manlichen Neuen Rulanden / oder aber Otger von Dennenmarck/
dem ich als fiist hab hiren lob zugeben/ oder Beichharden
von Normändi / vnnd wo sich eyner bef ftrcht alleyn zustreitten /
so komen zwen / drei oder vier / der manlichsten / fümimbsten
vnd baszgerAsten / seind aber die vier nit khin gnug / so
komen f&nff/bisz an den sechsten man/der khAnest deines
1
V
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— 97 —
Am denek ich sirmtB nit zaneraagen / wil auch nit widernffi
iieym ziehen / ich hab sie daii alle vberwunden viind geschannt /
Stiest auch sicher das ich rmh keines ^Frantzosen willen/
üidEtig werde. loh hab bisz ytrt nüt meiner inailidieD hand /
x^en midiiiger KÄnig erschlage / welche meiner stirck mit
nichte haben wideisteen migen. Der Eeyser hört des Heyden
reffiBD fieisaig za / het verwundenuig ob aeiner q^rach/ yn fi:ag8i
Beielihaiden Ton Kormandi/wer dieser ThArek were/der mit
als heÖÜger stimb / sein mannheyt ausgeruüen hett / dan ich
kb wol/s|raGh der Kejaer wettter/anaz seinen reden yer-
Boin/daa er aieh gegen seehs der besten ausser meinem
Here / zu were wol finden lassen / daruff Reichardt dem Keyser
utvorte/ (znedigster Xeyser er ist vber die masz reich vnd
so tiansk/ab epneir Ton mftttar leib je gebom wardt/aber
«yn Heyde vnd ToUer grimmigkeyt / als fast / das er weder
Ktnigy Firsten oder Grauen forchten thüt/ja auch keyn
ncosch aoff erdkieh: Do Oarle disz Temam/hAb er yS sein
bubt/vn sehwfire sant IHonisins Ton Frandkreieh / das er
nit ^en oder trincke wolt / es must zuuor eyner von den vettern
m Fnmckreich mit jm epx treffens thün/fhiget damff/wie
dir Biesz gnant were / Onedigster Keyser sprach Bddiart/
dieser Heid heist Fierrabras (ist in Teutsch grimmiger arm)
er helt sich / das mann jn äürchtet / ist anch der / welcher den
Gbristen ak yil widerdrisz thftt / erschlegt die B&bst/henckt
die Ebte / Münch vnd Nünnen / beraubt die Kirchen / hat auch
gef&rt die Dirnen Krön Christi / sampt anderm heylthumb /
lon des wegen/jr als tü sehmertsens vn leidens habet/jm ist
Tüderworffen Jemsalem/mit dem heyligen Grab/darem Gk>t
Vilser schopffer gelegt wardt/Hieruff antwort Carle /deiner
itde bm ich &8t Tnmfttig/vnd m warheyt ick wird niemer
MM/ ich sei dan meiner begirde ersittigt / das er yber-
wonden werde.
7
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I
— 98 —
Wie alle Finten Tnm&ttig waien/ynd keyner was der
sdt dem Heyden streiken weit / derhalben Bnlandt mit dem
Keyser \TiejTiig ward.
OB dieser geschieht wurde alle Firsten /so da gegen-
wertig waren /ynmütig/yn Keyner vnder Jnen was/der ddi
des Heyd(3 vnderwand / oder den Keyser vm vrlaiib anlägen
thet. Vnd da Karle sähe /das keyner sieh erbot oder begert/
mit Fierrabras znstreitten / da rüfft er Bnlanden sprechende:
Mein lieber Nene / ich bit dich zihe hin / vnd bestreit mir
diesen Thflrcken / vfi thu dein bestes / vnd da der Keyser ßu-
landen also mit ireontlichen werten bat/antwort er: Ir redent
dtrlich mein lieber Herr Oheym/des geschweigent/mir wer
lieber das jr aller ewer glieder beraubt weret / ehe ich mich
wapnet mit diesem Hey de zati*effe / wie jr begert habe / dan
yerschiner tag /da wir als nahe Ton Finfftogtansent Heyden
Tberwnnden waren Abten wir jungen vns manlich/Tnd erlitten
manchen harten streych / von deswegen mein gesel Oliuier
t6dlich verwundt ist worden /dan weren wir euch nit zohilfT
komiMn/so weiendt jr Tberwnnden worden/vnd da w?r in
vnser herberg ritten / die erm&the glieder wider zuringen / des
abents / da du mit wein beladen wärest / bei-umest du d^ch
offenlich/das deine alte Bitter /die dn vns znhilff mitgf&rt/
sich base im streit gehalten betten /dan wir/wiewol mänigk-
lieh khunt i^jt / wie crafftlosz und erlegen ich des ergangen
Streits halben war /aber bei meines vatters seien /es was ybel
von ench geredt/Ynnd man wird sehen/wie sich die alten
dropffen halten werden / dann bei Gott dem alle ding vnder-
worffen sindt / ich wird keynem jungen / der änderst inn meiner
geselschafft ist/jmmermer lieb haben /der sich vnderwindi
gegen den Heyden zn ziehen. Dieser antwort ward der E^yser
als fast erzürnet / das er mit seine rechten handtschuch (der
mit golt köstlich belegt was) Bulanden vber die nasen traft*/
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— 99 —
also / dasz das bliH jm danion vber das antlitz abran. Vnd da
Buland sein blüt ersach/er legt die handt an sein schwerd/
het aaeh den Eeyser geargwilliget / wo er jm nit entwichen
weie/Tttd da der Eeyser Rolands meynnng erkant/da er-
schrack er vnnd sprach : o Gott von himelreich / wer seit des
jmmer gedacht haben / das Baland mein Neue / der nebe mir
wider Tnser feind Terordent gewesen/mich dennassen vber-
geben solt haben /Tnd jetzimd Yberlanfft er mich /mit dem
fürsatz / mich zuert&dten / wiewol er der aller negst vnder den
Tmbeteenden mir Terwandt ist/daromb er mür ehe helfen
8olt/dan eynig ander mensch/nAn gab Gott/das er vff heot
sein lebe end / wie er dessen wirdig ist / mit dem rüflft er ausz
grosser giimigkeyt/ furdert euch ynnd fahend Ruland/dan
ich wü hent keyn bissen essen/ er hab dan den tod vorhm
empfangen. Ynd da Boläd das yemam/wich er yff eyn seit
fasset sein schwerdt/den andern zurüflende: seind jr weisz/
80 bleiben stilstan/dan ich schwere Z& Gott/ist eynig mensch/
der sich heiftr thftt/der meynnng mich znarg^wüligen / ich
wil jm sein haubt in zwey theyl zerspalten / hiervft' was kheyner
der sich bew^ / wan jn alle miszfiel diese zwitracht / aber der
ma^ch Otger ging zü Bnhmden s&nfitigklich ?nd sagt: Heir
Buland /mich bednnckt jr habent fest Tnrecht/den Eeyser
ewere Oheym / dermassen zu zom zubewegen / den jr doch bil-
lieher Tor angen halten /vnd ob allen menschen lieb haben
soltent Halamid dem der zom etlicher masz gelegen vn ge-
sanfftet was sprach : Herr Ottger ich sa^,' euch zu / Ich ward
jetsondt küi-tziich vnuersehenlich geargwilligt / des bin ich vbel
nunftt: Aber der Eeyser ward ftst zft zom bewegt/vber Bn-
landen aeinen Nenen/md sprach zft den Tettero yon Franck-
reich. Lieben Herren / vilerley gedanke treiben mich vmb /
meines Neuen Bolands halben /der meyn eygen person hatt
TerlefaGen w&Uen/ zft welchem doch mein hftchstes vertiawen
7*
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— 100 —
vor allen menadieii der gantsen weit /gestanden hat /ich kan
nikn nit mer erkennen /wen ich am liebsten haben /oder am
meysten liassen soll / so ist auch keiner / der sich bewillig /
wider den Heyden züstreitten. Vü die red erhüb sich Hertzog
Naimas von Beyern sprechende: Gnedigster Keyser/ich bit
each geschweigend dieser reden / eyn anderer soll mit diesem
Heyden kampffen /jedoch bleib der Keyser inn hefftigen ge-
dancken/dann sich noch niemandta des erbot.
XL
AD&Qg des Bitter Qalmy. Nach der Ausgabe von 1540.
Straszbnrg bey Jacob Frölich. 4^ 189 Bl.
Wie Galmy der Eitter nit gen hoff kam /sich von wegen
grosser lieb zu beth nider leyt/wie jn Friderich sein gesell
drftstet/ynd wie es jnen beyden ergieng.
Das Erst CapiteL
ES was ein Hertzog in Britannia / an dessen hoff wonet
ein Bitter /mit namen Galmy ausz Schotten land geboren.
Der selb gewann ein solche grosse liebe zft des Fftrsten
Hertzogin / also das er weder essen noch drincken mochte /
auch seines oaturlichen schlaffes gantz entraubt / das er in
knrtzen Tagen von allen seinen krifften vnnd schiny kamen
thei Das langwirig dranren jn sA letst dahin brecht /das er
jm entlich Itii nam züsterben / vnd solche heymliche liebe / mit
Jm vnder den grundt zutragen. Dann er ye keynem menschen
solche liebe z& wissen thftn wolt/wer jm auch leyd gewesen/
das soUichs die Hertzogin selbs gewiszt hätte. Dann er sorgt /
SO' bald ^e Hei-tzogin seiner liebe gewar worden w4r/sye
; ••• • •
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— 101 —
mtdite in grosse vngnad gen jm gefklfö sein. Als aber der
Ritter den flamraen der lieb durch kernerley weg ausz loschen
mocht / vnd sich aber seim kuinmer ?nd leiden von tag zä
tsg iftmm / Yimd er sich yetzt gintzlich alles drostes rerwegen
hat /legt er sich eines abends zft bett/jm fömam da nimmer
iiuä zuston / bisz jn der todt von solchem leiden vnd tr^lbsal
neraen tliet. Als nun Galmy der Bitter des morgens von
niiiem gesellen Friderich nit geseben ward /nach seiner ge-
wonheyt seines i^esellen gewartet / der aber nit kunien wolt /
Friderich zu jm selbs sprach /die sach frejlich nit wol mb
meinen lieben Bitter ston soll / was mag jn doch an dem ort
TCihindem / ich mich mt gnüg yerwnnderen mag/inn solchen
gedäcken hin vnd her spacieren gieng / den morgen ymbisz zu
erwarten /z& dem er seinen gesellen z& kumen vermeynet/
aber als Ymb sonst. Als nmi die zeit kam /der ymbisz zA-
bere} dt ward / mencklich zu hoff erscheinen thet / alleyn Galmy
der Bitter nicht gesehen ward /welches seinem gesellen nit
wenig schrecken brochto. Dann er <^ die y^kerto gesteh
semes gesellen wargennmmen hatt ZAm offtem mal vonjm
l>egert zu erfaren / aber gantz koyn vrsach von jm vern^men
mocht / Fridriohen ein Jor sein daucht, bisz der ymbisz voll-
biadit ward. Als aber das mol Tollendet ward / mencklich
vrlob von dem Hertzogen nam / yeder seinen gescheffton nach
gieng / Fridehch sich nit lang säumen thet / zu seines gesellen
kimer gieng / alle yerspert fand / ein kleyn weil aldo auff jm
adb stAnd / nit wissen mocht / seinen gesellen zh finden / imi
solchem stillston / ein klagliches seüfftzen vnnd klagen inn
seinea gesellen kamer vememen ward / sich etwas n4her zu der
kammer flget/sein haobt an die thflr lenet/das h^rtzliche
klagen vnd seüfftzen / vermeynt zu vememen / aber alles vmb-
sunst was. Dan die klag seines gesellen so still zu gieng/
das nit möglich was etwas danon z4 yememmen /manchen seit-
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sumn vnnd frembdeo gedandm hati/fiyrtgem anklopflthitte/
aber von weg^en seines gesellen vnder wegen liesz / mit grossem
kjyd / stillfichweigeiid toq dannen gieng / vor leyd nit wiszt
was er tiiin solt Ach Ookt v«m hymel spradi FridorklL/
was vrsacht doch meinen freündtlichen lieben bruder / zu sem-
licher schweren klag/jm müsz freylich grosses daran gelegea
seiiL Dan er min warlieh nü Tenchwigen bitt/m solioheB
gedandEen lang hin vnnd hir gieng /nii gedouto modit/
die vrsach seines gesellen klag zu erforen / in solchem ge-
danfiken des Ritters reüb&bea enicht / die kamer anflwchliesflen /
dnn er schnell zA sprach/mit jm imi die kamer gieng /seiiieii
gesellen aller verkert an seinem beth ligen fandt. Friderich
wmischi jm ein guten tag / inn dem der lUtter seiner klag ein
end gemacht hat Friderich anh&b fnd sprach/was soll ich
mein allerliebster Galmv abnemen ab solchem schnellen vnd
vnuersehenen njder kumen / vnnd das ich dich in so verkerter
gestalt wider dein gewonh^/an deinem beth ligen find/ ich
bitt mir sollicfas offenbaren willesi Galmy der Ritter mit
einer schwachen vnnd traurigen stim/anfieng zu reden /mein
getrewer vnd lieber br&der/ welcher sich allaeit in frefindt-
licher fnd brftderfidier Bebe /gen mir erzeygt hast Idi bitt/
willest mich nit mer fiagen/die vrsach meiner kranckheyt
die warlich von deine fi»gra/nit minder/snnder krefftigklich
nimpt/mit diszen werten ih weynenden hertnn sich von
seinem gesellen keret / manchen schweren seüfftzen liesz also
das i'iiderich ein grosz mitleiden mit jm hat / sich desz wey*
neos kOmmeriich Aber haben mocht/zft letst anfieng/also
sprach. Ach mein freündtlicher vnd lieber Galmy /dein red
mich warlich nit wenig bekümmern thut / diweil ich dich hör
also mit mir reden/als mit eym/so dir etwas vntrew bewisen
hab/nnn hast dn midi dodi diweil wir geselsehafft mit eyn-
ander gehabt/ inn keynem vntreuwen nye erfunden / noch ge-
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— 103 —
spfiit/deBshalben ieh nit wenig yiiniüt a1» demer red empfim-
gen hab. Dieweil aber dir vniierborgen ist / mit was vertrewen
YBser beder liertzen / allweg gegen eynander gesttinden seind /
Tnd d» mein noeh vngetmjffelt eiot/Tmb eolioher frettndt-
Mm ynd InrAdeiücüen Hebe wfUen/ich dick eimanet ynd
gebetten haben will/w6ilest nit minder vertrewen vnnd drost
(daoD allwegen) z& mir setzen/ vnnd mu: dein yetsiges anlygen/
fammier ynnd leiden entdecken / wtet du ob Gott will/ein
^mten Ynd getrewen rhat bey mir finden. Damit du von
solcber deiner kranckbeyt erliszt werden solt. Dann furwar
M mch lujn mth/gelt/noch gilt daran Terhindem / wo
mir änderst möglich sein mag /vnnd ob ich schon mein leib
ton strecken solt / ich vnuerhindert dir vnderstand zu helfen.
Wie Galmy der Ritter sein»'iii gesellen die vrsach seiner kranck-
heyt za wissen th&t / vnd wie es jm darnach ergieng«
Das Ander Capitel.
ALs Galmy der betrübt Bitter / seinen liebstra gesdlen
^0 freündtlich mit jm roden bort / sein fünieme eins teyls zu-
rück schlug mit seinem gesellen also anfieng ziireden. Deine
firallndfliche vnd süsse wort /allerliebster Friderich/mir mein
fÖrnemen gAntzlich gebrochen band / vnnd das so ich mir fur-
genommen / hat in mein grab zu behalten / von dir bewegt
wflrd / dir semücbs zä entdecken. Du solt wissen mein Fri-
deri^/das ich nye gedacht bab/dieh einigen fidsch gegen
mir zubraucheo / dann ich dich in allen trewen in allweg
gegen mir gespürt/ vnnd fanden liab/deszhalben verchaff vns
))eyd alleynig in dieser kamer zA sein / will ich dir die ynacii
meyner kranckheyt g4ntzlich entdecken. Friderich des Ritters
hoben usz der kamer schüff zü gon / die kamer nach jm zü
sddosi/sidi zft fftssen anf seines gesellen beth setzet/der
aatwuit mit begierigem hertzen von jm warten was. Qalmy
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104 —
der Bitter anfieng ynoA epiaeh/mein Fiiderich / demnacli da
▼en mir begmri hast/zü erlliTeii die mach meiner kmckheyt
So wisz das ich nu ein lange zeit mit schwerem seüfftzen YDd
klagen beladen geweszen bin/dass dir dan mein traniigs aii-
geaidit z& meimalen anBeygong geben hat/diez mein lang-
wirigs ti'aure vn klage / mich zu letst in dise raein kranckheyt
bracht hat/ausz welcher mich keyn Artzet nimmer mer er-
liazen kan/oder mag. Dammb mich nit not sein dancht/
mein anligen eynidiem menschen zA entdecken / vnd ist mein
entlich fürnemen also zu sterben / so bald vnd icli dir mein klag
geöffnet /da wol abnemmen würat/mir in keynem zft
helifen sein. Mein lieber Frideridi du seit wissen /das idi
vergangen zweyen monaten / angefangen lieb zu haben / ein
weibs bild/wolcher nit zimpt/ einem also schlechte Ritter/
als ich bin /lieb zehaben/desz gleich mir anch nit gebürt/
ein solche firaw lieb zehab§ / noch vil weniger jr mem lieb zA
offnen / wie wol mich keyn vnerliche liebe gegen jr nye ange-
fochten hat. Alleyn/wo ich ein mal von jr hett mügen
eynich«! diost empMen / aller mein schmertzen sich Inn ftefld
gekert «hai Dieweil ich aber wol erachten mocht/das nit
müglich wer /ich drost von der Frauwen zu empfahen. Hab
ich min so schwirlich an mein hertz gelqrdt/das ich einer
solchen sdiweien kranckheyt nider knmmen bin /mit solchen
Worten vnnd schwerem seüfl'tzen / der Ritter seiner red ein end
gab. Friderich sich nit genüg ab seines geseUen red verwim-
dem mocht/eins theyls ein drost empfieng/ dieweil er keyne
andere vrsach vemam/so den Ritter zfl semlicher kranckheyt
vrsachet / wieder aufieng/aufl' eine solche meynung mit dem
Bitter zu reden. Ich kan mich allerliebster Galmy/nit ge-
nAgsam yerwnndem / aber die vrsach deiner kranckheyt ich wol
vemim. Nun nimpt mich docli ymer wunder/ wohin doch di«» maü-
lichen flammen deines gem^ts geflohen seind/hast da die also
s
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— 106 —
lassen dnrch eins weibs willen erlAschen / gedenkst du nit / wo
mit du den Bitterlichen orden bekiimmen hast / warlich nit
TOD liebe wegen / so da den weiben getragen / gander deine
mafilidien vnnd dapflferen tbaten / desz ein mach gewesen eeind.
Danimb schlach von dir ein sollich weibisch gemut /vnnd
greyff dapfier nach den waffen deines Bitterlichen amptes/
ftrwar so da die sach selb bedencken weitest /mir nit not
sein wflrd/ein solehe red mit dir K{fcbab9/daÜ was grossen
spot drausz erfolgen würd / so man sprechen mocht. Galmy
der Bitter/ welober seinen feinden mit dapfferS gemAt bat
dtribn begegnen /ynd in keynem streyt siob der waffen seins
feinds vntsessen hat/d' selb yetz on alle schwertschleg von
eins weibs wegen sich in den tod ergebe hat / daraor Got sein
wftl. Daromb mein Galmy /wAlest meinem getrewen riiat
▼eigen / off ston / vnnd vns kartzweil mit einander baben. Als
non der Ritter seinen gesellen in solcher meynung hat h6ren
reden / eins teyls gerewen ward / das er jm sein anligen geöffnet
hat/doeh wideromb anfleng/Tfi spmch also. Ddnem rbat/
raein aller liebster Friderich / wol zu volgen wer / wo mir
müglich sein m6cht/de also leichtlich nach zu kommen /da
scblechst mir f&r die manlicben vnd dapfiren tbaten / dadorch
icb in Ritterlicben orden knffien bin/darzA red icb/keyn
sorg / ano-st / noch gfor / mich nimermer dahin bringen m6cht /
dahin mich die lieb mit jre gwalt hin gedrangen hat / wilcher
ich ganis kein widerstand hab kflnen thikn/Tnd jren gewalt
so frenenlich an mir müssen gestaten. Dammb daü dein red
gar vrabsnnst gegen mir ist / wo du aber ye vermeynen woltst /
iclk allein dor wer /so die liebe überwanden / so nim zü ge-
dndten/die alten woszeo yn starcken miner/yn th aller
fonlrist vnsern ersten vater Adam / bedenck wohin jn die liebe
gedrungen hab / gedenckstu nit an die dürtt'tigkeyt vnsers alten
propheie Daaide/der in seiner jagendt Ynderston dorffb den
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grossen Goliam vmb zü bringea/als er dann Üiet/wanA jn
aber die Heb m snnem aUer bracht bat / ist dir ynaerborgen /
wer hat Samson vmb sein leben bracht? was ist die vrsach
geweszen das die mächtig statt Troya zerstört worden ist?
wer halt Aehill«n und Jasonem Tmb jr leben bracht: dmn
ich micii keykn vergleichen mag. Ist nit Pontns anch ein
männlicher vnd k^ner Held geweszen? Herr Tristrant nit
wenig gefirligkeyt dnrdi liebe willen bestanden hat/ich ge-
schwig des Piramns / der sich vmb seiner Tyspe willen / wüligk*
lieh iiin den todt ergeben thet / wer wolt mich dann vor solchem
gwalt geireyt haben. Da aber so nye erkant hast /was wäre
vnnd rechte liebe sey/nimer mer glauben magst/was gewalt
vnd sterck die liebe verborgen dreyt/dammb dn dich mit
h6chstera fleissz daruor bewaren vnd hÄten solt/ein ebenbild
ab mir nemen/vnnd dich disem gewalt nymmer mer vnder-
wOrfflich machen /dann wo dn didi ein mai Inn solche gefor
begibst /nimmer leichtlich dauon entpfliehen würdst. Hierumb
mein Fridhch so lasz von deiner red /vnd belad mich nit
mit mer knmmer/dan ich mit schwerem joch behiden bin/
Fridrich nit Ueyn verwunderen ab solcher red empfieng/nit
wuszt / ob er weiter mit Galmyen reden wolt / oder also still
schweigendt von jm gon / yedoch / bezwang yhn die trew vnnd
lieb/so er zft semem gesellen trAg/nit lassen mocht/von
newem also anfieng zu rede. Pttrwar Galmy / nit wenig seind /
so also von wegen grosser lieb / sich in grosse geferligkeyt
begeben hand/vnd wie dn sagst/nit kinder gewessen / noch
mdnt ich mit meiner v<ttigen red / dich von deinem fflmemmen
ab zu wenden / ab solcher red / bitt ich dich / keyn verdrusz
haben wöUest / dieweil aber mein vorig meyuung an dir nicht
ver&hen mag/so bitt ich doch/wie vcr/wAUest mir den
Namen disser personal anzeygen/die weü dn dich doch in
allen züchten liebhaben meynest / vnd mir nit änderst bekennet
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— 107 —
hast. Wo dir dann (wie du sprichst) mit jrem drost geholflen
werden mag / solt da 8imder zweiffei getr6st sein / ich zu w^en
Iniiigai will (wo mir änderst disBe Fraw bekant iai) sjre selb
mt mand / vnd jre troet dich heym süchen mAssz / dann frey-
lieb/ein Ynbarmhertzig weib die sein müszt / welche ein so
Bdkn mad thefireii Bitter/jn troats halben yerderben lieses.
Dandn \m frftMch / der saehen nodi wol güter rhat baadteheo
sdl. Gallmy ein wenig drost von diszer red empfieng/
mit trauriger stjm also anfieng z& reden/ f&rwar Friderioh
ddn ihat nit wenig an mirrerfiihen wflrdt/wo mm also statt
gsebech / wie du mir angezeygt hast / aber fürwar / die sach
nit wol müglich zu wegen zu bringen ist. Dan die fraw so
1116m hertz gefimgen hat/ist mein aller Gnädigste Fraw/die
Hertzogin/w6lche mich mit jrer schine vnd rocht /so krefftigklich
gefange hat / das mir nicht müglich ist / die sach änderst dann
mit dem todt z&aerkomen. Friderich/alB er Ton seinem ge-
adta Teratanden hat/das er in so grosser liebe enfeEttndt/
nämlich gegen der Hertzogin selb /nit gedencken mocht/wie
der sadi xft begegnen wir /gross sorg vnd angst sein hertz
vmbgebenthet Jedoch beawang jn die liebe/ so er sft seinem
gesellen trög/das er jra endtlichen fümam/selbs mit der
Hertzogin zu reden / anfieng vnnd also sprach. Qehab dich wol /
man Cbümiy/ieh will/ob Gott will/die Sach z& solchem end
bringen /das ee dann die nacht wider an den hymel kumpt/
die Hertzogin personlich mit dir reden müssz / vnd dich inn
deinem leydtrAsten/dieweil da q^vichst/sye in aUen zQchten
md eeren liebhaben. Fridrich / sprach d* Bittor / wo solichs ge-
schech / mocht mir keyn grosszer freüd auft" erd nit begegnen /
da solt anch des sicher Tnd getrist sein/ das mich keyn vn-
«denfiche liebe /gegen meine aUer gn&digste Hertzogin nye
keins wegs angefocliten hat / deshalb ausz dieser vrsach / alle
sorg z4 rack schlagen solt Dieweü nun dich selb vrbittig
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— los-
gemacht hast/ vnd mich vnderstost mit deiner trew / von dieeer
mehier schweren Immckhejt zft erlAsEen / hierin ich wäre vnd
rechte trew an dii- speüren mag / bitt dich hyemit müglichen
fleiez ankeren w6llest. Bisz getrist /sprach Friderich / ich
gang dahin /meinem fttmemen statt zik thün/gehah dich wol
mein Galmy / dann dir gewiszlich / die Ilertzogin / pers6nlich
jren drost geben vnd mit theylen soll /mit disen Worten
Fiidrich von seinem gesellen gieng/ willens was /wo er die
Hertzogin hedretten mAcht/jr das anlygen seines gesellen
entdecken.
HL
Aus Steiüliöwels Uebersetzung des Decameron 8.
Wie ein kflnig von Gtpri von einer edlen ftawen rtm Gnaschongna
mit Worten gestochen was, vmb des willen von einem nickten
man redlich warde.
Nach der gesagten bistori Elisa wol dauchte was neües
ze sagen; nun an wor(« fr6licb an hub vnd sprach. Jr iungen
frawen es hat sich offt begeben, das man weder durch wort
»traife, oder pein etlichen yon seinen pösen wtirciren md ge-
dancken nitt hat bekeren mügen, vnd auch ofFte vnd dicke
em eyniges wort in solchen petson grosses wunder getün ynd
gepracht hai Als dann Lauretta in der gesagtoi histori ist
peweisset worden, vnd auch in raeinen reden vememen wort.
So spriche ich das pey des ersten küniges von Cipri zeiten;
do das heilig laut von Qotfirede gewunnen warde. Sich he«
gäbe das ein edel tnwe von Guaschogna in pilgrams weisz zA
dem heiligen giab zoche, vnd auf irer widerfart in Cipri be-
käme; Do ir von etlichen pOsen puben groz widerdriesse zA
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109 —
rtoode, des sie sere foinatig ynd lieMbet was; Jr fttmaine
das dem künige zu klagen. Aber ir gesaget wer wie sie ir
mfle dem kfinig ze klagen verlüre, dann er was sölcher nator
Tod als zü nicbte das er nieht allen andern lefiten schaden
gern seche sunder ein aufhalter der die do übel würckten
nicht allein wider die fremden sonder in selbes. Dammb wer
do möchte der mOchte sich selbes der enpfiingen widerdrisse
rechen. Du das die gute edel frawe vernani wol gedacht sich
an iren feinden nicht gerechen möchte; Doch wie dem waz
iftr den kfinig kam Tnd in mit etlichen stiehworten nnb sein
also ze Dichtes leben meinet mit zncht ze straffen, vnd wei-
nest für in nider knyet vnd sprach. Hene ich kom nicht
ftr dflin genade mich meiner eoptogner widevdriess ze ledienr
Sander wah der willen die du* ynd demer kröne tegüch getftn
sein; dar vmb ich dich diemüticlich pite du mich lerest vnd
Tnteniohiest wie dn doch solche widerdrisse als ich vemim
dir geUran sein Tertragen ?nd mit gednlte geleiden mflgest,
Da mit ich durch dein lere die niemant mit gedulte auch als
da vertragen müg vnd got sey dez mein gezeoge, so geb ich
dir gern mein vnmftt, sejtemai da sölches als ein g&ter ver-
tnger pist. Der ktknig der pisz auf die stunde fieiale spat
vnd trege zü aller gerechtikeit gewesen was Nun von der
ftawen wort meht anders dann er als erste von dem schlaffe
erwachet wero. An dem das der edeln frawen Ton den pOeen
l'uben getün was, an hübe vnd daz mit grosser pein der die
die frawen beschemt betten, die frawe räche vnd gerechtickeit
tiHt, Dar nach ein herter strafiEer vnd ptksser aller der die
wider gerechtickeit thetten.
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— 110 —
IV.
Ans Eüriolus nnd Lnoreoia. Traiwlationen von Nidas
von Wyle, berausg. durch Adelbert von Keller« Stuttg. 1861.
Erster Liebesbrief des Euriolus an Lucretia. welchen er Ihr
JCh enbntt dir gern Increcia in geschriifc minen grosz •
vnd vil hails, wo mir aincher volle wer des hails. aber alles
haüe vnd aller trost nuDes l^>6ii8 hanget gantz an dir. Idi
hab me lieb dieh dann mich, vnd main oneh / das flkre mines
verserten hertzen dir nit sin verborgen, dann min angesicht
-mag dir des geweisen sin am siiger oft nasa ?on trechem Ynd
mine sfiftien die ich dick gelassen hab so du das hast gesedwn.
Lyd senffcraütenklich (bitt ich) ob ich mich gegen dir vftün.
mich hat gefangen din geziert vnd die edel loblich gnad
▼nd gfttikaü diner schöne (damit da mengkliehen flberfariftt)
halt vnd behept mich dir verbunden, w^az liebe gewesen syg
hab ich vor nit gewisset, du hast mich dem gewalt der liebe
vnderwoiiEßn. Ich hab kng hier wider gestritten (bekenn ich)
damit idi ainem freflen vngestAmen herren flnch vnd dem
möcht endrünnen. aber die schöne diner gestalt hat überwunden
sdlich min flysse vnd arbait Mich haben fibenmnden din
schyn vnd gdeste diner engen mit denen da meehtiger bist
dann die sunne. Ich i)in din gefangen vnd min selbs furo nit
mar mechtig. da hast mir hingenomen vnd enpfort den brohe
des sohlafifens vnd der spyse. dicfahab ich lieb tag vnd nacü
din beger ich. dir ruft' ich. din wart icli. von dir gedenck ich.
dich hoff ich. von dir ergötz ich mich, din ist min gemüt.
by dir bin ich gants. da magst aUain mich im leben behalten
vnd allain ertOtten. erwelle dir dero ains. vnd was dir sA
willea syg, schryb mir. vnd bis gegen nur nit herter mit
8. 33.
durch ein vibeL berufenes Weib zusendete.
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— 111 —
«vrten dgnn da gewesen bist mit engen, da mit da mich hast
gebunden, jch bitt nit grosses, allain beger ich den vollen mit
dir zeredeo. das wOUent aUain disz min Schriften, daz ich
oionbar tot dir wyter mag reden das, so ieh yets schrib gibst
du mir das, so leb ich, vnd leb selig versagst du es aber so
erleschet min hertz, das Uber hat dich dann mich, aber ich
espfileh mich dir vod diner trtw got pHeg din. ja din min
Iierizigs gemüt vnd ainiger tröste vnd hilff mines lebens ....
Als na die bübin disen briefe mit curiols edelm gestain ver-
teilet enp&hen hatt, iQff sy sehneil laoreciam suchende, vnd
ib ay die allain Ihnd, redt sy zft ir. disen santbriefe sddekt
dir der edelst vnd mechtigost liebhaber der an dem kaiser-
lichen hofe sm mag vnd bittet dich mit grosser bitte daz da didi
sia erbarmest. DIse frow was in büberye mengkliehen bekant
▼nd vermerckt vnd was das lucrecie ouch nit verborgen, darvmb
lacreda kid trug, ain sOliche verlumdete irowen za ir gesant
na fnd wAcfas mit werten an vnd spradi sag an da laster-
Me, was gedürstikait hat dich gefllret in dises hose? was
TDsinikait hat dir geraten ze kernen in min gegenwürtikait?
aott da in edler firowen hOser geen vnd Ters&ehen mechtig
ftewen, vnd dich Tndersteen zeserbrechen elieh Iheheln vnd
bände? Ich beheb mich kumme daz jch dir nit &U in din
hire. Seit da mir geben brife? seit da mich ansoehen ynd
mit mir reden? wo idi nit mer bedeehte was mur zetftn ge-
bürlich wer, dann Avas straflfens dir zügehorte, so wölt ich hüt
tun, daz da kainen bülbrief yemer me getrügest, machh dich
bsld hin weg, da yerglfte Tnd trag hin dinen briefe. Aber v
gib joch her mir den briefe, daz ich den ee zerrisz vnd ver-
brenne in dem füre, vnd nam darmit das papir vnd zerraisz
das m manigfidtig stdeklL Ynd^als sy oft mit jren fttssen
dar yf getrat oneh die verspuwt, warf sy die Jn die Sschen
deä füres vnd sprach. Ach daz Jch sölich straff an dir be-
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geai sfilt« die wirdiger werat des Ares dami wines. Aber
^ng bald hinweg das dich min man nit ergry£f ynd die radie
öu ich dir nachgelassen han, eist an dir volbring. vnd hdt
dich wolt das da nit mer komeet für mine engen. Dia fiow-
lin hett Jt wirsz gedreht» Aber sy b^nt die sitten sftliclier
frowen. vnd redt Jn Jr selbs. Nu wil du uUemiaist, dwyle
dieh enaigest nit wollen. Tnd 8|irech daruf Vergib mir frow
Jcb wand redit t6n ynd dir kernen sollen zö gefieiOen. wyle
es aber anders ist, so tu ablassen miner torhait. Wilt du
daz ich nit mer kom Jch wirt dir zu gefallen, du lug was
liebbaberB da Teracfateet vnd verachmadieBt. vnd schied also
mit disen werten Ten Jr angesicht. vnd als sy eoriolum fand,
sprach sy enpüiche mut seliger liebhaber, die &ow hat mer
lieb dich, danne qr werd lieb gehabt Ton dir. Aber yetz was
ir nit mtaae sesehriben. ich &nd sy truiig, als bald ich aber
dich nampt vnd ir ganb dinen brief machet sy ain fiöLich
angesicht. vnd tett das papyre e& tosent itialen kossen» hab
nit zwyfels wy whrt dhr bald ahtwert geben, vnd i^cfaied das
alt wybe hier mit abe vnd hüt sich daz man sy furo nit
mer iunde, vmb das sy nit vmb wort straiche tragen wurd.
laereda aber, de das alt wyb hinwegkomen was, sftdit die
stücklin des santbriefs vnd legt vnd satzt züsamen die t/er'
rissnen worte. Vnd do sy dar us ainen leslichen briefe ge-
madiet ?nd den sü tnsmt malen gelesen hatt, tett sy den
noch dicker zn tosent malen kfltesen ynd znletseht winden in ain
sydin tüchliii vnd legen vnder ir köstliche klaiuat, yetz das
wort dann dissb wort wider vmb sücbend lesent vnd erwegende,
da mit sy von stunde zA stände Jr liebe tett zftnemen wachsen
vnd meren. vnd nam ir lur euriolo zeschriben vnd sandt Jm
ainen brieöe vii' nach geschriben form gestellet.
STell ab enriole zehoffen das, das sich nit gebflrt zeer^
folgen, vertrag mit hotten vnd briefien mich zebekümbern vnd
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— 113 —
gdoQb mich nit am ysz der schare der ftowen die sich yer-
kooffeni jch bin nit die als du mainst, oder dero du schicken
söUest ain verlümbde frowen. Such ain andere ze bülen. mir
8ol kain liebe dann die finom erber Tnd kfisch ist nachfolgen,
mit andern wikrek vnd t& als dich gelöst von mir beger
QüUit freuels oder vngebürlichs got pfleg diu in gesuntiiait
JCh mag dir nit mer Tersagen noch widerwertag sm
eariole, noch dich Mro mer miner liebe aszschlachen. Du hast
gesigen vnd ich bin yetz din. Ach mich arme, daz ich dine
briflf ye hab enp&ngen. jch bin zu vil sorgen nu mer Tnder-
wfirHig. Es syg dann daz din trüw vnd wyshait mir tQg
helften. lüg daz du haltest dasz du mir geschriben hast, joh
kuffl jetz in din liebe, ist daz du mich verhissest, so bist du
ain wiktryoh vnd Yerreter vnd ain aller bOster aller menschen.
Es ist lycht ain frowen zebetriegen, Aber als vO es lychter
ist, als vil ist es schandthcher dem betiieger. Disz ding ist
noch ganta vnd vnuerhönt, mainst du mich zeverlassen so sags
vor vnd ee die liebe mer wird brinnen vnd t&, daz wir nit
anfahent das, daz vns darnach angehept gerüwen weid. Jn
allen dingen ist anzesechen das ende. Ich als ain frow verstee
wenig. Da bist aber ain man vnd müst för dich vnd mich
tragen die sorge. Ich gib mich yets dhr vnd folg nadi diner
trüfv, Vnd heb ouch nit an diu zesin, Dann daz ich ewenklich
din sjg, Got päeg din min hilfi' vnd f&rer mins lebens etc.
Vierter Brief der Lucrecia,
8
Viertes Cai^teL
Die prosaisohen Tacetieii- oder Sobwaukbaotier des X7.
Das vorhergehende Gapitel hat uns eiii Büd von den An-
fängen der dentschen Prosaepik gegeben, sofern sie ans ritter-
lichen Romanen bestand, zu denen die classische italienische
Novelle als willkommene Ergänzung herbeigeholt wurde. Die
letztere Gattung mnszte sieh neben jene ritterlichen oder doch
wenigstens mittelalterlichen Romane stellen, weil sie ihrer
ausgeführten Form, ihrer behaglichen Breite, ihrer plastischen
Sitnationsmalerd wegen nicht mit den kleinen und klänsten
Erzählungen zusammengehört, die einen sehr wesentlichen Be-
standtheil der ünterhaltungslectüre des XV. und beginnenden
XYL Jahrhunderts bilden, und weil beaonderB zu betonen ist,
dasz die knappe Form des Vortrages hn Gegensatz zu dei
breiten der italienischen Novelle den kleineren Erzählungen,
von denen wir sogleich zu reden haben werden, durchaus
wesentlich ist Dieser Unterschied hat um so mehr auf sich,
als wir schon im XVI. Jahrhundert die kleine prosaische Er-
zählung in der deutschen Literatur zu einer volksthümlichen
Blüthe gelangt sehen, die aber von der Blüthe der italienischen
Novelle ganz unabhängig ist. Geist und Inhalt, Umfang und
und ZVI. Jahrhunderts.
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— 115 —
Aioflttinmg der Anekdoten und Facetien oder Schwanke '),
welche schon im XV. Jahrhundort höchst l)eliebt zu werden
anftogen und bald in eine eigenthämlieh deatsch-volksthüm»
Me Bichtimg dnlenken, sind mit den Werken eines Boccaccio,
GBÜiio, Bandello ganz und gar nicht zusammenzustellen. So-
ml endieiDt es nicht angemesBen, yod 'den Geschichten, die
jefact m Bespredrang kommen, die Bezeichnnng NoveUen zn
gebrauchen, so wenig, wie es passend wäre, Albrecht Dürers
Holzschnitte Gemälde zu nennen.
Ißt diesen Bemerkungen glaube ich der einen Gefahr,
welche der sacligemäszen Gruppirung der nunmehr vorzulüh-
RDden literarischen Erzengnisse drohte, YOi^bengt zn haben.
Koch aber sind einige Worte znr allgemeineren Orientirung zn
sagen. Die liitterroniane, welche gerailsz den zu Anfang des
tilgen Gapitels erörterten Grundsätzen den ersten Platz ein-
nelnnen mnszten, nnd die Novellen, welche sich ihnen am
besten anschlössen, waren unschwer als reine ünterhaltungs-
schriften nnd als Erzeugnisse der erheiternden nnd erfrenenden
Kunst zn erkennen. Eine. Yerwechselnng nnd Yermischnng
derselben mit wissenschaftlichen , erbauliclien und überhaupt
einen der Kunst eigentlich Iremden Zweck unter deren Form
verbergenden Erscheinungen war nicht leicht möglich, wenn
weh dergleichen Zwecke sich bisweilen mehr oder weniger
mit in die Werke der Dichtung hineindrängten. Wir sehen
Ngar, wie sich nrsprftnglich belehrende B&cher z. B. Beise-
beridiie yollständig in reine ünterhaltnngsschriffcen umformten.
Anders verhält es sich mit den kleinen Erzählungen, welche
<) IHe AasMcke F«oetien imd Schwiake bedeuten Töllig das«
leSbe. LindiBer ftbenetste Bebelü faeetiae mit «die Geschwenck H..
Bebefit^ und Montaniis bezeichnet in der Vorrede nun Wegkürtser den
Inhalt semea Baches als Facetien.
8»
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— 116 —
meist in Gonglomerateii, oft in ziomlich nnftrmlichen and
breiten, auftraten. Legenden, moralische Beispiele, Fabeln,
Anekdoten, witzige Antworten, Sentenzen und Anderes, Alles
Iftoft häufig durch und untereinander, Bines geht in das Andere
über, dasselbe erseheint, je nach der Absicht, in welcher es
vorgebracht wird, baM als dies bald als jenes, ümsomehr ist
es nötbig, sicher und bestimmt das zu unserer Au%abe Ge-
hörende Yon dem ihr Fremden zn unterscheiden, das nach In-
halt und Form als Gattung oder Art sieh Feststellende anf-
zufassen und es von dem noch Unbestimmten und Formlosen
zu trennen, sowie auch die £ntwickelang dieses aus jenem zu
erkennen. Wir werden zu diesem Zwecke einen begrifflichen
und einen historischen Ausgangspunkt zu nehmen haben. Der
begriffliche ist bereits mehifach angedeutet worden. Nur das
gehört ihm zufolge ganz und voll in unsere Aufgabe, was sidi
als wirkliche ünterhaltungsliteratur ausdrücklich oder doch
unter vorausgesetzter Selbstverständlichkeit darstellt. Denn
hierin liegt die Verwandtschaft der kleineren Ghtttungen mit
dem Bomane, dessen historische Entwickelnng den Kern unseres
Gegenstandes bildet. Demnach sind alle Erscheinungen, deren
Hauptzweck hiervon abweicht, wie Fabeln, moi-alische Beispiele,
erbauliche Legenden, nur nebenbei und in Rücksicht auf ihren
mehr oder weniger engen literarischen Znsammenhang mit
unserm eigentlichen Gegenstande heran zu ziehen.
Hiernach ergiebt sich unser historischer Ausgangspunkt
von selbst Denn eine ganz bestimmte und die interessante
Signatur ihrer Zeit tragende Gruppe bilden in unserer Literatur
die sogenannten Schwank- oder Facetienbücher, deren Blüthe-
zeit das XYL Jahrhundert ist Sie sind es, die in diesem
Gapitel betrachtet werden sollen, wdches Capitel also, wenn
Goedekes Schwankbücher des XVI. Jahrhunderts gedruckt
wareu, bereits besser würde vorhanden sein, als ich es werde
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— 117 —
schreiben können. Wegen ihres immerhin noch zu einem
bedeateoden Thdile — eins mehr, das andere weniger —
nü importirfteiii Stoff Termisefaten Inhalts und weil sie
blosze Congloraerate sind, trennen wir sie von dm in der-
üelbeo Zeit entstandenen Erzeugnissen, welche durchaus ur-
^gMM^i deatsehen Stoff enthalten nnd dadurch einen hemerklich
Muren Grad Ton Einheit besitzen, dasz sie wenigstens an
filier Person als Helden fedthalten, wie Eulenspiegel, Claus
Nair, Doctor Faost.
Diese Faoetienhftcher hftngen nun aber stofflich wie in
Hinsicht auf ihre stilistische Darstellung mit älteren Literatui--
piodncten mg zusammen, sind gleichsam aus ihnen heraus-
gevaehsen und ohne sie nicht historisch zu begreifen. Auf
diese Grundlage musz daher zuerst ein Blick geworfen werden,
venu die sie bildenden Erscheinungen auch mehr oder weniger
innerhalb der Grenzen fidlen, welche wir unserer Aufgabe zu
lieben hatten.
Die Neigung und Emsigkeit, Stoff anzuhäufen, ist verschie-
teen Renschen, Lebensaltem, Perioden und Kreisen der mensch-
fiehen Gesellschaft eigen, deutet aber immer auf einen Zustand
innerer geistiger Unfreiheit und Unfähigkeit zu eigenem, selb-
sttodigem oder gar schöpferischem Denken. Während in
gewissen Periodoi der antiken Literaturentwickelung dieser
Zustand mit seinen S\Tnptonien auf Alterschwäche zurückzu-
führen ist, rührt er, wo er sich im Mittelalter findet — und
er findet sich überaus hftufig — hat immer yon Unreife her.
Und me sehr erinnert in dieser Beziehung noch die erste Zeit
des neuen geistigen Lebens, welches von der Wiederbelebung der
Alierthumsstudien henrorgerufen ward, an die vorhergehende
Mode, wie penetrant secnndanerhaft schmecken nicht des
Petrarca „res memorandae" und seine und anderer wohlstilisirte
Abhandlungen Aber alle möglichen Dinge, über die sich mit
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— 118 —
höchst nngenttgender Sachkenntnisz gut lateinisch schreibeD
läszt! Das durch den Entwiekelungsstand der Zeit bedingte
Kindliche und Schülerhafte der Gtoistesprodacte jener Zeiten
zu Yerkennen, heiszt ehenso nnhistorisch Torfhhren, als wenn
man sie, mit dem Maszstabe einer 500 Jahre älteren Cultnr
messend, an sich für werthlos und keiner Beachtung würdig
erklärt Denn in beiden F&llen versperrt man sich den W^,
das Werden der Menschheit, den Gegenstand aller geschicht-
lichen Wissenschaft, zu erkennen.
Das Mittelalter hat nicht blos solche Werke des griechisch-
rOmischen Alterthnms, anf welche die eben gemachten Bemer-
kmigen Anwendung finden, hochgeschätzt, wie z. B. den
Valeiius Maximus, sondern ist aurh theils selber äuözerst
fruchtbar im Herrorbringen ähnlicher Sammlungen gewesen,
theils hat es sie, selbst von sehr fem her, herbeizuziehen und
sich anzueignen gewuszt. Von den Werken der ersten Art
will ich die des Yinceutius Bellovacensis als die colossalste
Anhftuftmg ?on Stoff in encjdopaedischer Form aufRkhren, und
als Quelle sehr vieler folgenden, als ein höchst bezeichnendes
Machwerk, die bekannte Schrift desCäsarius von Helsterbach,
beide aus dem XIII. Jahrhundert Näher gehen uns diejenigen
an, welche durch üebersetzungen oder Bearbeitungen in unsere
Niitionalliteratur wiiklicli {^ingotroten sind, wie das Buch der
Beispiele, die sieben weisen Meister, die Gesta Bonianorum,
der Aesop, dem Heinrich Steinhftwel die in unserer Literatur
verbreitetste Gestalt gegeben, und ihnen schlieszen sich erst
auf deutschem Boden entstandene Zusaninienstellungen an,
z. B. der Seelen Trost und der Väter Buch, welche beiden
nebst anderen weniger bekannten als mdnohische ünterhaltungs-
lectüre bozoielinct werden können.
Die erste Stelle verdient das Buch von den sieben weisen
Meistern. Denn es kann nidit nur am besten dazu dienen,
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— 119 —
eme Anachanang ?oii dem Charakter dieser gesanunften Idie-
ratiirgattung zu geben, sondern steht auch unter allen Seines-
gleichen der eigentlichen Unterhaltungsliterator am nächsten.
DieNs pfoiensartige Weltbneh, welobee seinen ersten üispnmg
im alten Indioi hat'), ans dem sdion in früheren Zeiten des
Mittelalters einige Geschichten in Deutschland poetisch bear-
beitet worden sind und welches im späteren Mittelalter den
Bäheier und einen ungenannten Dichter als Bearbeiter fiuid^
erschien in deut>rlit'r Prosa datirt zuerst 1473^), war aber
Schon längere Zeit vorher auch in dieser Form in Deutsehland
aahr Yerbreitet« und die bis über die Mitte des siebzehnten
Jahriranderts hinans äoszerst zahlreichen Ausgaben beweisen,
^ Die Ctesehiehte des Stoffes, die Entstehung der Tersehledenen
Bsdaettoneii und tJebenetsimgeii ansageben, gehört nieht hierher.
Weitere Kaebweisnngen geben die neuesten Anflagen von Koberstein
snd Oerrinns iu genügender Menge, anf welche ich daher verweise.
Von den sehr nnter einander abweicbenden Gestaltungen dflrfte als
dis nichste Qndle der in Bracken verbreiteten dentschen die lateinische
ftesa »De cafamnia noTeroali** xn betraohten sein, Ton der c. 1490
ii Antwerpen eine Ausgabe in 4* erschienen ist
*) Augsburg. B&mler in FoL Ausserdem: 2 Ausgg. o. 0. u. J.
Fol — Augsb. 1474. FoL — ebenda Sorg. 1478. FoL — ebend. 1480.
FsL — ebend. Sehtasperger 1481. FoL — ebenda bei dems. 1486. FoL
Asgsb. Sorg. 1487. FoL — Augsb. 1488. FoL — ebend. 1497. FoL —
Süasib. M. Hüpftiff 151S. 4. — Augsb. J. Frosdiauer 1515. 4. —
Stnnb. 1536. 4. — Eine mit Erzählungen der Gesta Born. Termehrte
Ausg. unter dem Titel „die alten Römer* ersehien Strasib. Cammerlftnder
15S8. FoL ~ Ingolstadt W^yssenhom 1544. 4. — ebendas. bei dems.
1546. 4. — Strassb. W. BibeL 1549. 4. — Frkt Weygand Hau 1556.
6. ~ Frkt G. Babe u. W. Hau Erben 1565. 8. — Stiassb. Chr. HtUler
1577. 8. — Frbf. 1577. 8. ^ Augsb. K. Franck o. J. — Augsb. Mich.
Hanger o. J. 8. — Cöhi H. Netessem. o. J. 8. — Strassb. M. Heyden
1617. 8. — Frk£ M. Bruck, o. J. (c 162a) 8. — Frkfl 1664. 8. —
Ktenb. J. F. Endter 1670. & ~ o. 0. u. J. 8. — Leips. o. J. 8 (c.
1840^) - Erneuert Shnr. Yb. XII, 4 Marbaoh Nr. 80 u. 31. — bei
CMirca Kro. 22«
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— 120 —
wieyiel Gefikllen jene Zeiten an dem sonderbaren Werl» mtaen
gefunden haben. Wir haben wirklich Ursache, die Menge der
Drucke ins Auge zu fassen, da es uns bei diesem Buche
schwerer als bei irgend einem der bisher besprochenen werden
ddrite, allein auf seinen Inhalt hin an eine so grosse Beliebt-
heit zu glauben. Dieser Inhalt nun ist nach der verbreite tsten
Bedaction folgender*). Kaiser Pontianns von Rom übergiebt
nach dem Tode seiner ersten Gemahlin seinen Sohn IHocktianiis
den sieben weisen Meistern Bancillas, Lentnlus, Cato, Wal-
dach, Josephus, Cleophas und Joachim. Nach sieben Jahren
pAdagogischer Thfttigkeit stellen sie ein Eiamen mit ihm an,
welches eine geniale Torenitachnng unserer analogen Abita-
rientenprüfungen bietet, sie legen ihm nämlich, während er
schläft, unter jeden BettstoUen ein Eichenblatt £rwachend
bemerkt er sogleich, dass er der Decke der gemanerten Kam-
mer, die zugleich Wohnung und Auditorinm ist — denn die
sieben freien Künste waren an die Wände geschrieben — sich
nfther befindet Inzwischen heirathet der Kaiser eine KAniga-
tochter, welche nnfirnchtbar bleibt, dennoch aber ihrem ihr
von Person unbekannten Stiefsohn in Erwartung noch mög-
licher Nachkommenschaft nach dem Leben trachtet Auf ihre
Bitten schickt der Kaiser nach seinem Sohne, der aber mit
seinen Lehrern, ehe Folge geleistet wird, die Sterne beschaut
und sieht, dasz er sein Leben nur erhalten könne, wenn er,
bei seinem Vater angekommen, sieben Tage schweige. Von
leteterem wird er mit glänzendem Gefolge eingeholt, sem Still-
schweigen erregt begreiflicherweise sogleich Änstosz. Die Kai-
serin übernimmt es, ihm die Sprache zu Wege zu bringen.
*) Ich folge in dem Anszoge der zu „Ingolstadt durch Alenmder
Weysscnhorn** 1544 gedruckten Ausgabe, Ton der die Stadtbibliothek
in Breslau ein Exemplar bedtrt.
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I
— 121 —
oinini ftm allein, und nun geht es ihm ganz so wie dem
Joseph mit der Frau des Potiphar, nur dasz er auch nicht
eomal soviel wie sein biblisches Vorbild redet Den Befehl,
den Plinsen sogleich, nachdem die Kaiserin ihre Terleomderiscben
Angaben gemacht, zu hängen, nimmt der Kaiser bis zum
Dichsten Morgen mrück. Gegen die Bäthe, weldie den Auf-
sdrob Teranlaszt, enfthlt die Kaiserin: Sm alter Baun mit
krankheitheilenden P'rücliten, der einen jungen Baum dämmte,
wurde um dieses willen abgehauen, «der junge verdarb aber
Ml OegMi den Befehl, den Prinzen am nftcheten Morgen
hinzurichten, erzählt Bancillas: Ein Hund vertheidigte ein
Kind gegen eine Schlange, die Mutter beschuldigte ihn der
Tfldtang des Kindes, der Vater ersohlng ihn und merkte erst
uebher, dasz das Kind noch lebte. Gegen die hierauf erfolgte
Begnadigung erzahlt die Kaiserin : Ein Hirt ging, einen wilden
Sber, dessen Erlegung die Hand einer Prinzessin verschaffte,
ni hdftmpfen, floh auf einen Baum und warf dem Eber die
Früchte herab, kraute ihn, bis er einschlief, darauf erstach er
Om. Gegen den nun wieder eriblgenden Hinrichtungsbefehl
antut Lentulus: Ein alter Bitter sperrte sane verbuhlte Frau
ans, sie sagte, sie stürze sich in den Brunnen, warf einen
Stein hinein, der Mann eilte erschrocken hinaus, jetzt sperrt
m ihn aus, er wird als Naditschwirmer gefimgen gesetet und
den andern Morgen in das Halseisen gestellt. Hiergegen er-
zählt die Kaiserin: Ein alter Bitter stahl mit seinem Sohne
dem Kaiser Octavianus Geld aus einem Thurme, beim zweiten
Tenndie fiel er in einen hingesetzten Xessel, der Sohn schnitt
ihm auf seinen Befehl den Kopf ab. Der kopflose Leichnam
waid durch die Stnszen geschleift, und als die ihn erkennenden
IMter ein Geschrei erhoben, schnitt sich der Sohn, um dies
zo hegiünden, eine Wunde und liesz den Körper .seines Vaters,
der au den Galgen gehängt wurde, ruhig hängen. Hiergegen
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122
onfthlt Oato: Ein Mann hatte eine Elster, die er hebrtliedi
reden lehrte. Sie berichtete ihm häutig von der Untreue seiner
Frau, diese mit ihrem Buhlen beschüttete die Elster mit Kies
nnd Wasser. Aof Befragen des Mannes sagte der Vogel, die
Frau habe gebuhlt und es habe gehagelt und geregnet, wo-
dmch der Mann die Elster als Lügnerin zu erkennen glaubte
nnd todtete. Sp&ter aber entdeckte er den wahren Sachverhalt.
Daranf ersShlte die E!aiserin: Sieben Meister m Born hatten
es durch ihre Zauberkünste dahin gebucht, dasz der Kaiser
anszerhalb seines Palastes ganz blind war. Auf den Bath der
Kaiserin mit dem Tode bedroht, wenn sie nicht hfilfen, reisten
sie fort und fanden den Knaben Serlinus (Merlin), welcher
eben einem Manne einen Traum richtig auslegte. Sie bringen
den Enaboi zum Kaiser, und er zeigt ihm sieben Brunnen
unter seinem Bette als die Ursache seiner Blindheit, die Brun-
nen seien durch Tödtung der sieben Meister zu stopfen. Das
sogleich gemachte Experiment bewahrheitet Merlins Aussage.
Gegen den erneuten Hinrichtungsbef«^ mfthlt Waldach: Eine
junge Frau eines alten Mannes beschlosz, einen Pfaffen zum
Buhlen zu nehmen. Vorher aber Tersnchte sie auf den Bath
ihrer Mutter, ob ihr Mann zommüthig wftre, indem sie ihm
seinen liebsten Baum verbrannte, sein Hündlein tödtete und
bei einem Gastmahle das Tischtuch mit Allem, was darauf
stand, wie ans Versehen herabzog. Der Mann Terzieh, liesz
aber den Bader kommen und ihr wegen ihrer ünsinnigkeit zur
Ader lassen, dasz sie zu sterben meinte, worauf sich das Ver-
langen nach einem Geliebten verlor. Hierauf erzählt die Kai-
serin: Der Zauberer Vergilius machte ein die Römer vor
i'einden warnendes Kunstwerk. Drei feindliche Könige ver-
gruben G^d und erwiesen sich durch dessen Auffindung als
Tranmdeuter, worauf sie der Kaiser Octevianus endlich auch
unter dem Thunue, auf dem das Kunstwerk stand, graben
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— 128 —
fieez. Der Thnnn fiel eün, die Verrfttiier entflohen, und dm
Kaiser kostete sein Geiz das Leben. Darauf erzählte Joseplius:
Hjpocras, der groeze Arzt, hatte- den Galeans zam Freunde,
den er tsdtete, weil er seine Eifnsncht erregt hatte. Dodi
muszte er zur Vergeltung auch sterben. Hiergegen erzählt
die Kaiserin: Ein Mai-schall verkuppelte seinem Könige seine
dgene Frao, wofür ihn dieser veijagte nnd die Frau behielt
Als er daranf Rom belagerte, wurde die Stadt durch die Klug«
heit und List von sieben weisen Meistern errettet (wobei frei-
lich die Pointe der £rzähiung scheint verloren gegangen zu
sein). Dann erzählt Cleophas: Die junge Frau eines alten
Mannes verlockte durch ihren Gesang drei Kitter zu sich, die
ihr Mann erstach und ihr Bruder, ein Nachtwächter, sie alle
ftr emen haltend, ins Meer warL Dann tödtete er noch einen
vierten, den er als ein Gespenst angesehen. Endlich aber kam
in Folge eines häuslichen Zwistes die Sache lieraus, und die
Schuldigen jOuiden iluen Lohn. Hierauf ei zählt die Kaiserin:
Bin Bitter verkehrte mit einer Königin durch ein Loch
in dem Thnrme, darin sie bewacht ward. Der KOnig selbst
sah seine Gemahlin bei dem Kitter, ja war bei ihrer Ver-
heirathung zugegra, da er, auf die Stärke des Thunnes
vertrauend, ftberzeugt war, ne sei trotz der groszen Aehnlich*
keit eine andere. Endlich fuhr der Ritter mit der Königin
davon, und der König merkte den Betrug zu spät Dagegen
enählt Joachim die Geschichte von der Matrone zu Ephesus
in eigenthümlicher Umbildung. Den achten Tag, denn sieben
Tage waren, wie» man nachrechnen kann, mit Erzählungen,
denen je umschichtig der Befehl zur Hinrichtung des Prinzen
und dessen Zürftcknahme folgte, hingebracht, eröffnet nun der
Prinz den ihm jetzt ungeßhrliehen Gebrauch der Sprache damit,
dasz er eine vermeintliche Hofdame seiner Stiefmutter als den
Buhlen derselben nachweiset. Daranf sagt er, warum er so
— 124 —
lange gesehwiegHh babe, und enfthlt, nadidem der Kaiser
durch die seine Gemahlin gravirenden Aussagen in höchsten
Zorn gerathen, noch folgende Geschichte : Alexander, der Solm
eines Bitters, wurde wegen einer Hocbmnth Terrathenden
Zeiehendentnng nach Art der Trftnme, wie sie Joseph hatte,
ins Aleer geworfen. Er wurde in der Folge Erbe des Königs
Ton Aegypten und Page des Titus. Als solcher erwies er
dem Prinzen Ludwig von Fianfareidi Dienste, die letzterem die
Hand der Kaisertochter verschafften. DafTir wurde Alexander,
der inzwischen aussätzig geworden war, von dem zum Kaiser
erhöhten Ludwig durch das Blut der eigenen Kinder geheilt
und bestieg den ägyptischen Thron, wodurch sein Traum in
Erfüllung ging. Nach dieser Geschichte wird der Kaiserin,
ihrem Buhlen und dem Buche von den 7 Meistern ein Ende
gemacht.
Das von den oben genannten Bfichem den sieben Meistern
zunächst stehende und uns zunächst interessirende sind die
deutschen Qesta Bomanomm, aber der Aufgabe, dasselbe nfther
SU charakterisiren, glaube ich überhoben zu sero, da es an
Geist und Inhalt den sieben Meistern äuszerst ähnlich ist, ab-
gesehen von dem Kähmen, welcher dem letzteren fehlt, der
weit gitaeren Zahl semer Geschichten, seiner abendltodisdi>
mittelalterlichen HerkunfkO vnd den jeder Geschichte beige-
>) Ich begnüge mich , hier auf die Literaturgeschichten und die
Ausgaben A. t. Kellers „Gesta Romanonim ed. A. Keller. 1S42** und
„Gesta Romanomm, das ist der Römer Tat (der deutsche Text der
Münchener Hdschr. o4.) heransg. y. A. Keller**, sowie die Uebersetznng
J. G. Th. Gräsze „Gesta Romanorora, das älteste Mährehen- und
Legendenbuch des christl. Mittelalters. Uebers. TOn 1842**, u. endlidi
die treffliche von durchgreifenden Untersnclninj^en über die Knt-tehung
und handschriftliche Gestaltung des Werkes begleitete Aasgabe des lat.
Textes von Hermanu Oesterley, Berlin 1872, m verweiseii.
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f>en moralisobeii oder auch dogmatischen oder mystischen
AnwendnngeiL IMeee Aebnliohkeit beider Werke mnss man
schon früh bemerkt haben, da sie in einer deutschen Ausgabe
feremigt erscheinen'). Schon im XIV. Jahrhundert ciistirte
one deutsche Bearbeitung der ,30mer ThaV^ im XV. nnd
in. kamen andere äaxa. Im Dmek erschienen die dentechen
Gesta nur einmal im Jahre 1489 zu Augsburg in Folio*).
Uma Umstand beweist, dasz am diese Zeit schon die Beüebt-
bflit des frfiher in anszerordenflich von einander abwddienden
Gestalten handschriftlich verbreiteten Werkes abgenommen
haben musz, wenigstens bei dem lieber deutsch als lateinisch
lesenden Publicum. Aber auch für dieses wurde schon im
XY. Jahrhundert eine Menge Ähnlichen Stoffes in Werken yer-
schiedener Art verbreitet. So nahm Steinhöwel in seinen
Aesop') die disciplina dericalis des Petrus Alfonsus auf, so
Ubersetste Anton von Fforr zu Botenburg das gleldi den sieben
weisen Meistern auf das alte Indien zurückweisende Buch der
Beispiele aus des Johannes von Capua Directorium humanae
nftae f&r den Grafen Eberhard von Wflrtemberg^). Viele £r-
dhlungen in schlichter nnd kindücher Form giebt das eigent->
lieh zu erbaulichen Zwecken bestimmte Buch „der Seelen Trost**,
welches in niederrheinisch- kölnischem Dialecte abge&szt ist
und zu Augsburg 1478 zum ersten Male un Druck erschien*),
>) Vergleiche die vorhergehende Aamerkmig.
') Vergleiche jedoch die vorige Anm.
') Heransg. v. H. Oesterley. Stuttg. 1873. Bibl. des lit V. CXVII.
«) Herausg. v. L. Holland. Stuttgart 1860. B. des lit. V. LVI.
^1 Aus einer Handschrift sind von Pfeiffer im L u. IL Bande von
Prommanns deutschen Mundarten eine Menge von Geschichten veröffent-
bcht worden. Wegen anderweitiger Nachweisungen verweise ich auf
<He Literaturgeschichten und namentlich auf Latendorf im Anzeiger für
Kunde der deutschen Vorzeit 1866, 307 ff. Mehrere der Erzählungen
»ind ihres Stoffes wegen höchst interessant, doch glaube ich auf das
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Hierher gehört auch der Ritter ?om Thum oder der
Spiegel der Tugend, welchen Marqoart von Stein am Ende
des XV. Jahrlianderis ans dem B^zOeiseben fibertnig, dne
Anweisung für Damen adeligen Standes zu Tugend und guter
Sitte. Es enthalt, wie sclion der Titel angiebt, eine Sammlung
Ton biblischen nnd weltlichen Historien und hat trotz sdner
anspmebslosen Trockenheit, wie die zahlreichen Aasgaben be-
weisen, eine Menge Leser gefunden')-
Doch kommen wir auf die eigentliche Facetienliteratur,
deren breitere Grundlage und deren Yorlftufer, weldie nicht
zu den eigentlichen Unterhaltungsschriften gehören, durch das
eben Mitgetheilte hinreichend charukterisirt sind. Wir haben
auch hier den Vorgang eines Ausländers zu Yorzeidmen, ob-
gleich sich diese Gattung sehr bald zu durchaus deutsch-
volksthümlicher Gestalt bildete, was schon in den lateinischen
Facetien Bebels, die wir sogleich zu besprechen haben werden,
deuüiöh hervortritt Der Begründer der sehr im Geschm^
der Zeit liegenden lateinischen Facetienliteratur und der einzige
der hierher gehörenden zahlreichen ausländischen Schriftsteller,
den ich erwfthnen will, ist der berühmte Italiener Foggio.
Seine &oeüae sind eigentlieh eine Sammlung von Zoten, die
Fischart mit Recht (im Gargantua) spurcitiarum opus nennt
und tili- weit schlimmer erklärt als die deutschen Werke ähn-
licher Art, Zoten oft der unflätigsten und schamlosesten Art,
aber dadurch bed^tend und für die Zeitgenosse noch viel
reizvoller als für später lebende Anhänger des priapischen Ge-
Buch seines Zweckes und des Charakters wegen, den der gröszere Theil
seines Inhalts trägt, hier nicht weiter eingehen zu dürfen.
') Basel 1493. fol. — Auirsburg 1495. fol. — Augsb. 1498 f(d.
Basel 1513. fol. — Straszb. 1519. 4. — Straszburg 1538. fol. — Frkf.
1672. föL — Im Buch der Liebe 1587. — Frkf. 1593. 8. — Nürnb-
1682. 12.
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— 127 —
tt]iiiiadE68, daaz der Vertoer sdnen Stoff ans dem IiAbeii und
der Geschichte seiner Zeit nimmt*).
Der beruhmteBte und geschickte&te l^achbüdoer Foggios
iB DeatBcUaiid ist Hemrich Bebel, weldier die Oattimg bei
QU einbürgerte und damit in der bewegten, zu Humor und
Satire wie zur Derbheit jeder Art geneigten Zeit einen glück-
ikheo Griff that, so dass sieh Deatschland hM mit gioesem
Sifir der Giiltiyimng dieser anspruchslosen und hier etwas
rnner, obgleich meist noch derb genug erscheinenden Art von
üakeiiialtiiiigBschriAen annahnL Auch hatte Bebel das Be-
wonlBeiD, dasi er eigentUch nur einen altnationalen Literatap-
zweig belebte und in ein neues Gewand kleidete, denn fer
kunte und schtete, was sohon Ton Aehnlichen in anderer
fvm Torhandeo war, namentlich den PfEiffm Ton Kalenberg.
Heinrich Bebel — seine Herkunft und sein Leben hängt
mit der uns interessirenden Seite seiner Schriftstellerei eng
nsammen — war em Banemsohn ans Jnstingen (im Donan-
bese des heutigen Königr. Würtemberg, Oberamt Münsingen).
Er studirte zu Krakau und Tübingen, hielt sich auch ander-
wärts zeitweise anf and wnrde 1497 Professor in Tübingen,
wo er die alten Bedner nnd Historiker erklärte. Er schrieh
eine Anzahl gelehrter und rhetorischer Werke, die sich durch
ihren patdotiseben Gehalt anszeidinen, nnd ward yom Kaiser
MaTimilian zum Dichter gekrönt, woranf er nicht wenig stolz
gewesen zu sein scheint. Des Griecliischcn war er niclit kun-
dig, so dasz er sich bei fieuchlin darüber Auf kliUrung erbitten
nrnsste, ob das Wort eleison drei- oder viersilbig seL Der
Aufenthalt eines Freundes, Petins Arelunensis, im Bade und
die schwäbische Sitte, den in Bädern befindlichen Freunden
<) Die beste AoBgabe ist die Ton Fr. Jos. Noel, London 1798
U, 18.
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— 128 —
kleine Geschenke zu übersenden, war
er, der nichta anderes sa schenken hatte, sein Werkdbeo ^Fa-
cetiarum libri III** im Jahre 150G zusammenschrieb, welches
1508') zu Straszbui'g gedruckt wurde und sehr viele Auflagen
erlebte, in denen meist des Poggio, Alfons ?on Anagon und
anderer ähnliche Erzeugnisse beigefügt sind. Die lateinisehe
Sprache=^), welche Bebel mit Bewusztsein leicht und schlicht
behandelt, erscheint als eine nur dünne Verhüllong des durch
und durch Tolksthümlichen Gehaltes*). Denn fis^t Alles ist
unmittelbar ans dem Volke gegiiften. Meist beschäftigt sich
der gemütliliche Professor*) mit den Schichten der Gesellschaft,
denen er dorch seine Geburt am nftchsten steht und die er mh
Becht för die beste Fundstätte derben Humors hftli Dumme
und unflätige Pfafleu, alberne Bauern, unsittliche Mönche, ein-
1) ICargarita facetiarum impt. per Jo. Graninger 1508. 4. — Arg.
1509. 4. Q. 1514. 4. - Tubingae 1542. 8. — ibid. 1544. S. — ibid.
ex oft Ybrid Morhardi 1557. — Frkf. 1590. 8. Auch aufgenommen
in : Opera. Phorceac in Aed. Th. Anshelmi 1508. 4. — Opera teqaentSa.
Triumph. Veneria cet. Pborceae 1509. 4. — üpnscala nova. Arg. J.
Gryninger 1508. foL — Opera. Arg. 1512. 4. — Arg. 1514. 4. — Paris
1516. 4. — Antwerp. 1541. 8. nnd in den Ausgaben Ton Frischlins
ÜMOtiae. Vgl. Beilage I.
\ergl. die Zuschrift ad benignom leotovem. fßi autem aliqui
forsitan fucrint, qui minoa elegans et vulgare diceadi genas in hi^i fa-
oetÜB reprebenderint, üb respondebo, fastidiosom esse eleganter diffi-
enlfterqne seribere Insns et jocos, com scilicet omnia ibi hilaritati et
amoenltati, non scrio senrire debeani. — Dasz die Facetienscliroiber
wie Pogio und Bebel ihre Bücher gern den Stoffsammlungen durcliaus
emster und lehrhafter Art an die Seite stellten, beweist dieselbe Zn-
sehrift kurz vor der «ngeftihrten Stelle,
3) „Quas summa cum difficultate ad Latinum eloqninm commn-
tavi'' sagt B. in der Widmung an Petrus Arelunensis.
*) Der originelle und liebenswürdige Charakter Bebels spricht
sich namentlich in den beiden schon erwähnten Zuschriften und in der
in Distichen abgefasxten Apologia de Stirpe aus.
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^üäge oder schnippische Weiber und lose Handwerksgesellen
flmd die beliebtesten Figuren. Einzelne Gestalten stechen be-
sonders hervor, so Paul Wüst und andere grobe Narren, der
nfrdmeiderische £ftber Oantharopolitanns (ein Schlossergesell
an Cannstadt), ein Münchhansen in Gestalt eines Handwerks-
bnrschen'), der joviale Abt Georg von Zwilalden und der rittor-
üdie Conrad Bütael von Tübingen. Aach zerstreute Gelehrte,
Ehrende Schiller, des Latdns unkundige Kleriker, kleinstädtische
Rathshen n müssen herhalten, um dem Freunde in den „thermis"*
nnd Leuten in ähnlicher Lage den Humor zu Verbessern.
Bebel, welcher eine bedeutende akademische Wirksamkeit
im Sinne der älteren volksthümlichen Humanisten entwickelte,
lud zu dessen SchüJem auch Melanchthon gehörte, starb 1514.
Auf die Uebertragung sdner Facetien ins Deutsche und deren
Verbreitung werden wir unten zurückkommen. Als Verfasser
lateinischer Facetien in Deutschland sind noch zu nennen
Olhomar Luscinius, ein Benedictiner, der wenig, aber um so
lotigere „Sales mire festivi^^^) lieferte nnd zu einem anderen
Werke „Seria jocique"^) den Stoff aus Flutarch und der grie-
chischen Anthologie schöpfte, femer noch aus dem XVL Jahr-
Ikondert der auch sonst literarisch bekannte Nicodemus Frischlin,
diüsen Facetiae jedoch erst nach seinem Tode herauskamen*).
Von den späteren Verfassern derartiger Bücher, deren bis weit
ins XViiL Jahrhundert hinem inuner neue erschienen, die aber
meist nur die alten ausschrieben, will ich nur den Otlio Me-
laoder seiner Beichhaitigkeit wegen noch namhaft machen,
') Vgl. die Anm. in Cap. V bei Erwähnung des Finkenritters.
') Aug. Yindel. typ. 8. Ruff, impeusa Sigm. Grimmii. 1524. Ö.
3) o. 0. u. J. (Ar^. I')-i9.) 8.
*) Mit Bebels. Alfons, Pn^j^ios, Adolphns, Heinricluna'ins ähn-
lichen Schriften Lips. IGOO. i>. Argent 1609, IG12. 1ü2j. 12. Ain-
^lod. 1660. 12.
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und weil seine Geschichten zum ^nösztvn Theil schon von
seinem Vater Dionysius gesaounelt sind. Nur der geringere
Theil seiner ^ Jocomin et seriomm libri dno" sind flbr^ens ans
dem Voikslehen der Zeit dej? Saninileis i^eschöpft, yie müssen
aber vielen Anklang gefunden haben, da sie auch ins Deutsche
übersetzt wurden*)*
^) Die dcut^clicn Ansgabcn erschieilfn: Lichae 1605. J*. — Darmb-
stadt 1617. a — Lftteinischc: Mühlhaiif^en \m\ 8. 1603. 160:>. 1612.
— Lichae s. a. (160n). IGOl. S. _ Marburg 1609. 8 — SchnialcaUliftc
ex oir. Kc7.eliana 1610. 1611. II. 8. — Frcf. 1G03. 1608. 1617. 1G26.
1(»43. — Der Verfasser gieht zu Anfang einen Ausweis* über sein Ver-
fnliren, welchen ich als sehr charakteristisch hier vollständig mittbeile:
Catalogtut eonun auctomm, qui Sales atque Faeetits ante nos scripse-
runt. — Ne criticus aliquis de eorum grege, qnibus sua duotaxat i»la-
cent, aliena antem seniper sordent, sibi forte persundeatf novo quodain
nog exemplo facetias edere, ecce tibi proferimos Catalogmn tum reeen-
tium tum Tetemoi praestantissimorum viromm in omni ecientiarnni
facaltatc, qni ante nos facetia.<« scripserunt, nt ita Mond calamniis ob
Viani eamus. Cacterum ex illorum nos libris, quos huc annotarc visum
ftiit, nc ypu quidem, quod tibi saucle, Lector, confirmo, in hunc nostnun
transtulimus. Seqnuntur autem nunc auctores ipsi: Adriaaus IJarlandas
scrii>sit jocorum veterum atque rcccntium libros quinqae. Alexander
ab Alexandro Juriscoiisultus. — Antonius Mizaldns scripsit conturtas
novem memorahilium et jucundorum. — Conradns Pentingeru?! . Juris
ntriusque Doctor, scripsit serinoncs convivales. — Eclcebertus Lcodi-
ncntis Ecclesiae Clericus, nationc Germanus, scripsit nictro cleganti de
aenigmatibus rusticanis libros duos. — Franciscus Philelphus de JoeU
et Serii.s scripsit libros sex hoxanictris vcrsibns. — Henriens Bebellus.
— Honricus Euticns, Francus Orientalis, scripsit carmine doctissimo
nrbanos et lepidos juvenom jocos. — Johannes Bocatins scripsit multus
libros jocosos Hetrusco scrraone, ab alio in latinum conversos. — Jo-
hannes Gastius, Basiliensis Ecclesiae minister. Theologus doctissmiiis,
scripsit jocorum sive sermonum convivaliuni Tomos tres lectu dignisai-
mos. -> Johannes Heitfeldius scripsit Sphyngem aenigmaticam, librmn
admodnm jocosum. — Johannes Lotichius Hadaraarius scripsit libmro
aeiiigniatum. — Johannes Lelandus Antiqnarins Londiuensis. — Johan-
nes Manlius in Locis communibus scripsit roulta jocosa ex Domini i
Philippi Melanchtbonifl praelectiouibus. — Johannes Nobletna, Gume-
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— 131 —
Weit mehr aber als alle diese iateimsehen Facetien, von
denen anch keine Sammliing an Volksthümlichkeit und Origi-
nalitüt entfernt init Bebels zu veigluicheu ist,, interessiren uns
dtt deatsohen Schwanksammlangen. Eine Mittelstellang sowohl
kt Zeit nach als andi in spraehlicher Besiehung nimmt ein
Buch ein, welches seiner Zeit nur handschriftlich existirt hat,
nenerdings aber durch Adelbert von Keller, dem wir schon so
fiel Teidanken, zngftnglieh gemacht worden ist, nämlich Angnstin
TOngers Facetiae*). Das Buch ist dem Ora&n Eberhard dem
Uta, natione Gallas, scripsit centiloqoiam aenigmatam. — Johannes
Peregriniis Petrosilanns scripsit librum conTivaliiuD sermonnm joeis ae
nlflnis lelortiiin, in quo admixtae snnt nonnnnqiuun jnenndae et Terae
MintioneB. — Ludns Domitiiis Bruceuns (beisst Brnsonins) scripdt
warn mdmorabiliom, sententianim, bistoriarom miraculonun» fiieetia-
ramqoe libro« ooto. — Hacrobins Anrelins m Ubns suis mnlta jocosa
Inbet ema de (Seerone, tum de alüs. M. T. C(ieero) scipsit jociüarem
fibeUimi, qni iiguria temponun intercidit. ~ Hartiniis Lntberas» Theo-
logQs OpL Max, qni multa babet jocosa, et lectn digna, nimpantur ut
ilia Co^o, in suis sennonibns mensalibns. — Nicodemns Friscblinos
Qntor, Pbilosopbus et Posta praestantissimns, scripsit etiam Ubrom
iseatianim ante bienninm editnm. ~ Otbomarns Lnsdnins, Argentora-
tensis, scripsit etiam jooos atqne seria.
Wenn man die von Heiander immer gewissenbaft citirten Quellen
a diesen nicht bentttsten Werken binsnnimmt, bekommt mau ein Bild
aieht nur der grosien Ansbreitnng solcber lateinischen Unterhaltungs-
sehriflen, sondern anch der groszen Manichfaltigkeit der Fundorte fOr
ihren InhalL Sp&ter erschienene lat Facetienbüchcr siehe bei E. Weller,
Aimalen der \)oei. Nat.-Lit der Dentschen. II. 8. Freiburg im Breisgan
1S62/G4. Bd. U. S. 306., Ton denen übrigens ehiige, da sie nicht von
Dentseben stammen, kaum am richtigen Orte stehen. Auch die früherer
Zeit angehörigen schwankartigen Disputationen De lido concubinarum
iasMsrdotes, De fido meretricum in suos amatores, De generibus cbrio-
•onin et ebrietate yitanda (Gocd. Grundr. S. II ').) stehen den Facetien-
tedttm sehr nahe und mischen schon vielfach Dentsches ein, und
ihnen wieder Terwandt sind die lahlreichen Macaronica nnd Pasqnilla
jener Zeit.
*) BibL des Ut. V. xu Stuttgart Bd. CXYllL T&bingen 1874.
Vgl Beilage HL
9»
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132 —
Aelteren Yon Wftriemberg und Montpelgard gewidmet, 1486
nfesohrieben und enthält 54 lateinische Facetien, denen, da
Graf Eberhard kein Latein verstand, die deutsche Uebersetziuig
beigeiUgt ist. Der Inhalt ist durchaus ▼olksthümlich und aus
dem Leben der Zeit und der Umgegend von des Ver&ssers
Wohnort Coni>tanz am liodensee genoramen. Die Sprache ist
ein mit sudschwäbischen Elementen vermischtes Hochdeutsch %
Von allen deutschen Schwftnken jedoch gebflhrt ohne
Zweifel der hervorragendste Platz denen des Johannes Pauli,
eines getauften Juden, ursprünglich Ptedersheuner geheiszen.
Er waiHl Barföszer- Mönch und war ein seiner Zeit beliebter
und sogar berühmter Prediger, 1515 Lesemeister im Kloster
seines Ordens zu Schlettstadt, 1518 zu Thann. Hier schrieb
er 1519 sein Buch und starb nm das Jahr 1530. Das Buch
hat den Titel Schimpf nnd Emst, es ward im Jahre 1522
zum ersten Mal zu Stiaszburg von Johannes Grieninger in
Folio gedruckt und erschien bis ans Ende des XYII. Jahr-
hunderts in sehr zahlreichen Ausgaben^). Schon der Titel
Fünf durch die Bcdcnsart ..icl) schetz nein" verlumdoiic Fa-
cetien des XV. Jahrhunderts thoilt Ii. Köhler aus einer Handschrift
des Generallandesarchivs zu Carlsruhc (M^>) mit in Uüplncrs und Zachers
Zeitschrift 1873. S. ;U)4.
') Auszer der ersten Ausgabe sind folgende nachgewiesen: Straszb.
Knoblauch 1525. fol. — Augsb. l'rJG. fol — Straszb. 1533. fol. — -
Augsb. 1534. fol. — Straszb. 1535. — Augsb. 1535 fol. — Augsb.
1536. fol. — Augsb. 1.537. fol. — Frkf. u. Straszb. I53S. — Bern 1.542
fol. - Bern 1543. fol. — Augsb. 1.j42. fol. ~ Frkl. 1543. fol. —
Frkf. 1544. fol. (mit Rein. Fuchs i — Augsb. 1544. fol. — o. 0. 1545.
4. — Bern 1540. fol. — Augsb. 1.546. fol. — Augsb. 1.549. S. _ Frkf.
15.50. fol. null A, v. Kvbes Uebers. zweier Coniödien des Plautus u
der Pliilugiiniia de? rgolimisi. — Frkf. 1556. - Frkf. 1.557. 8. —
Frkf. 1563. G. Rabe u. W. Hau Erben. II. S. — Frkt. 15G7. (bei Lap-
penberg Nro. 20.) — 1567. S ( vielleirlit mit der voriLrcn identisch, vg-l
Oesterle| in .seiner Ausgabe S. 8). — Frkf. 1570. >. — Frkf. 1574. 6.
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— 188 —
sagt, dasz es? auch andere als komisclie Erzahluncfen enthftlt,
ond hierdurch erscheint es alterthümlicher und solchen Büchern
wie der Seelen Trost nfther stehend als die folgenden. Die
einEelnen C^chichten, 693 an der Zahl, zn denen in den spä-
teren Ausgaben noch 39 hinzukamen, sind auszerordentlich
venehiedenartig, Scbw&nke, Fabeln, Beispiele, Legendarisches,
Eolenspiegelstreiche , Geschichten Yon Narren, welche damals
besonders in der Mode waren, und de»'gleiclu'n mehr, ohne die
^iemisehe Tendenz Bebels, aber vorzüglich erzählt, klar und
seUieht, leicht nnd schalkhaft. Es ist ganz augenscheinlich,
dasz Pauli wie sein Freund Geiler von Kaisersberg, dessen
Predigten er sammelte, mit diesen Facetien seine beliebten
Kaozebeden ansschmückte nach der Weise der BariQszer, welche
dw Volksthfimliche, freimüthig Derbe und Demokratische
liebten Wenn auch, wie Ocsterley nacin\ eist, der Quellen,
ans denen Pauli schöpfte, sehr viele sind'), so waren doch
- 0. 0. 1577. 8. — Straszb. 1582. 8. — Frkf. 1583. fol. (mit Cento-
MTeU.) — o. 0. 15S3. .H. — Frkf. 1594. S. — o. 0. 1597. S. - o. 0.
1597. 8. - Frkf. 1602. 8. - o. O. 1609. 8. — Frkf. 1012. 8. - Frkf.
1613. 8. — Basel 1618. 8. — Straszb. 1630. 8. — Straszb. 1654. 8. —
^itnah. 1677. 8. — o. 0. 1699. 8. — Vormals zu Fr^ystadt 1771. 8.
— Auswahl v. G. Jördens. Simr. Gesch. etc. Leipz. 1822. Vorzüijliclie
Btmentlich ihrer vielen NachwtM'snnpon wot^en unentbehrliche Au.'^^abe
f«n E Oet>tcrIcy. Stuttgart 1866. BibL des Ht. Vereins Bd. LXXXV.
') Vgl. die folgende Anmerkung.
^1 In dem Buche selbst wird auszer den Alten nnd den Kirrh«'n-
Schrift stellern allerdings nur Petrarca als Quelle genannt, doch heiszt
^ in der Vorrede: vnd hat dise exempel zusamen gelesen vsz allen
'inchem, wa er es fanden hat. de. LXXX. Iiistorien vnd parabulen zu
l>^i<i'?ii hendlen, geistlich vnd weltlich dienende vnd ist dis buch
getanfft vnd im der nam vif gestützt. Sohimpff vnd Ernst, wan vil
vhiDipflflicher. kurtzweiliger vnd lecherlicher exempel darin sein, damit
«iie geistliehen kinder in den bosclilosznen klöstern etwa zu lesen haben,
<iarin «ie lu Zeiten iren geist mögen erlUstigen riid rnwen, wan man
nit alwegen in einer strenckeit bleiben mag. Vnd auch die vff den
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— 184 —
gewiss der grOszere Theil hn Volke bereits beüebie oiid auMsli
schon vieltacli mündlich uuilaulende Geschichten. Der Ver-
fiisser Tersteht die Emist, Alles so za enäbleo, als hftite er
es selbst mit angesebeo und munittelbar ans dem Leben gio>
giiffen. Auch ist anzuerkennen, dasz Pauli, wie es von einem
Prediger und Ordensbruder allerdingä za erwarten stand, bei
aller NaiTitftt und Derbheit doch nicbt allxn schmutog wird
und ein<^n für seine Zeit sehr anständigen Ton bewahrt, wenn
er auch dem Tadel des Eucharius Ejiing nicht entgangen ist,
der (Prro. cap. 2, 503) sagt:
Ein mirlein man ehe lemen thut
Dann ein gebet l6blich vnd gnt;
Marcolfhnn nnd finlnspiegel scbnSd
Lernt man eho dann des Hemi liehet;
Das Narrensc}iiif, Schimpf und Emst verätohn
bhelt man ehe dann den Salomon;
Die Bulenlieder wir ehe fassen
dann geistlich Psalmen die wir hassen.
Aber auf derartige moralische Kritiken ist nicht viel zu
geben. Jene Zeit war in den BegiilTea des Züchtigen und
Wohlanständigen sehr onddier, woTon wir noch mehr Bei-
spiele finden werden, nnd meistens begmnen die Verfiisser niul
Zusammcnstcller der Bü. her, von d*^nen wir jetzt reden, ihre«
Werke mit Anklagen ihrer Fachgenossen, versichern, dasz sie
ihre Schriften viel reiner gehalten, und dann bringen sie genau
jschlösserii vnd bergen woneii vnJ geil sein, t-rschrockenlichc vnd crn^it-
licliL- dlnj^ finden, da von sie gebessert werden. Auch das die prodi-
cantoii exempel haben, die >chl«'fferHcheu nienschen zu »n wecken, vm!
lüstii: zu hören machen, auch das sie üster^jdl haben zu ostern, vnd
ist nichtz her gesetzt, dan das mit ereu wol mag gepredigt irerden.
Vgl. Beilage IV.
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— 18» —
(ta 9oldm Zolen zu Markte, wie ne in der Vorrede wacker
abgek.inzelt haben.
Bücher wie Paulis Schimpf und Ernst sind an und für
mk aehr der Umarbtttong, Erweitemog und Yeratfiiiiiiieliiiig
ausgesetzt, zumal wenn sie, wie dieses, so sehr häußg von
Keuem herausgegeben werden. So fangen, namentlich seit
der Mitte des Jahrhanderts die Ausgaben des FaulisdieD
Bwlies an, sehr Ten eioaader abznweidien, und auch ein wesent-
lich verteil iedenes, „Scherz mit der Wahrheit**'), scheint du;j
Frodnct eines sehr weit getriebenen derartigen Verfahrens mit
Sdiimpf nnd Emst zn sein. Es enthftlt aoszer den Gescbich-
ten von Keineke no« li anderen fremdartigen Stolf, italienische
Novelk-n und drei Erzählungen von dem später zu erwähnen-
den Glans Narr.
Oröszere Bedeutung und weit mehr Originalität und dabei
echte Volk.sthQnilichkeit zeigt das Kollwagenbüchiein des Jörg
Wickram, eines Mannes, dem ich weiter nnteti eine wichtige
Stelle in der Entwickeinngsgescbichte des deutschen Romans
werde zuzuschreiben haben. Was man im XVI. Jahrhundert
Mwagen nannte« entspricht unseren Onmibus, und der Titel
giel)t, den Namen des Buches erklftrend, seinen Zweck an,
indem es „Ein nefnvs, v<»r vnerhoi-ts Buchlein'' genannt wird,
«dsrinn vil guter schwenck vnd Historien begrifi'en werden, so
man in schiffen vnd auff den roUwegen, deszgleichen in scher-
beaseren vnnd badstuben, zii langweiligen zeiten ei-zellen mag,
die schweren Melanit »lischen gemiiter damit /n (^rmünderen,
for klier men^klich Jungen vnd Alten sunder allen anstos
zolesen vnd zü h&ren, Allen Eaufleflten so die Messen hin
vDil wider brauchen zü einer kui tzweil an tag bmcht vnd zü-
') Ausgaben sind sicher n;icli/iiw«Mseji von 1550. Frankf. bei Ch.
Egenolf und 15G3 bei Kgenolfa Erben, lol. vgl. Lappcnberg. ülensp.
Oesteiley, Sch. o. £. 5. u. Amn. 1. S. 92 des vorliegeoden Buch^*
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— 186 —
samen gelesen ^ INe Geeehfebten des 1555^) zum ersten
Mal erschienenen Buches sind aus dem Lehen gegriffen, wt nii
auch ans Büchern stamm^de nicht versdimäht, und sehr gut
enählt in der gemftttilichen nnd hnmoristischen Weise, welche
der Verfasser am hesten zu handhahen weisz, und in der er
mit Pauli verwandt ist, von dem er sich sonst wieder durch
breüere Behaglichkeit der Darstellong nnterscheidet
1558 2) erschien dne deutsche Bearbeitung der Facetien
Heinrich Bebels „durch einen guten Gesellen aus Latein in
Deutsch gebracht.'' Wahrscheinlich war der gute Gesell der
poeta lanreatns Michael Lindener, dem wir sogleich wieder
begegnen werden. Diese deutschen „Geschwcnck Henrici Bo-
belii'' erlebten mehrere Anflagen, nnd ausserdem gingen Bebeh»
Schwftnke nicht nur einzeln in ähnliche Sammlungen vielfach
über, sondern wwden audi der Gnmdst<iok zu dem uiutang-
reichen Werke Hans Wilhelm Kirchhoffs, welches den bezeich-
nenden Titel Wendunmuth trftgt Dieses Werk erschien auerst
1565^ und yergröszerte sich durch den Eifer des Unmuth>
>) o. 0. 8. — o. 0. 1557. «. — ... (). 1557. s. — Mülhausen
h. Hans Scliirmbrami u. PotcT .Scliniid. s^». — Frkf. S. Foyerabeiul u.
Sim. Hnttor 1565. So. — 15(;S|?) Fraiikf. Nie. Hassäus 1597.
So. — Magdfb. Joli. Fraiicko <». .1. s. _ Aiiijsb. Micli. Manger o. .T.
8®. — In ilor Au><r;ibe 15'.)7 siü«! di,- witcr un1<n zu erwähnenden
Bücher ,.Gartengesellscliart" und ,.W.'a;liürzer** al^ /wtitor nnd dritt^T
Theil des Rollwair<Mi< Itcif^egeben. - H':'ran>gegeben und mit Erl.
versehen v. IT. Kur/. Leipzig isr)5. Deutsche Bibliotliek lid. Vll. —
lieber Wickranis rt.'rrson und Leben vgl. unten Tapitel VL
') <). (). 8. Samjit ciuer Practica \y. Heinrichiuami.j — Frkf. 1589.
8. — Frkf. IQOG. 8.
3) Frkf. S. — .>bonda 1.580. s. — ebenda 1598. S. — ebenda
IGTJ 8. — Kosmnpuli ... J. (c. 1670.) ] >. - III. Buch. Frkft. 1602. 8.
- IV. Buch Frkft. 1602. H. - V. Buch. Frkft. 1602. - VI. Buch
Frklt. 1603. — VU. Bucli. Frkft 1603. Ausgabe v. H. Otisterley!
Tübingen 1S69. Bibl. d. 1. V. Bd. XCV.
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weiden aUmflihlieh auf neben Bfteher mit 1840 StftckeiL In
den letzten Büchera finden sich zum groszen Theil nicht eigeni-
Mb Geschichten, aonclam nur ivitsige Bedan, Sentenzeui
jünlagenitta das ist fBrneme Kriegs Ansdilftge, Gldchnnss,
wohlgesetzte zierliche und nutzbare Orationes''. Sie sind meist
aus alten und neueren Schriftstellern zusammengeschiieben
mid schejaen an Beliebtheit hinter den ersten Bttehem zorftck-
geblieben zn sein. Allen seinen Geschichten hat Eirehboff
ein Morale angehängt, und auch in der Vorrede fehlt es nicht
10 Yeniehemiigen, daez Alles znr moralischen Belehrung dieoe,
Mwie an taddnden SeitenbUeken anf Fachgenossen. Ganz
ähnlich läszt sich der Verfasser der Gai-tengesellschaft, Jakob
Frey, Stadtachreiber zn Manrsmünster, in der Widmung seiner
QarteDgeaeUadHift Temehmen. Diese Fftcetiensanrailung er-
schien 155ß'), sie geht vorzugsweise auf Pauli zurück und
achöplt auszerdem viel aus Boccaccio, Poggio und Bebel. Die
Art und den Zweck seiner Geschichten bezeichnet Frey selber
indem er auf dem Titel (Ausgabe von 1575) sagt: „Wie ye
zu zeytten die selben in den sch6nen Gerten, bei den kulen
finmnen, auff den grtnen Wysen, bei der Edlen Music, auch
andern ehrlichen gesellschaften (die schweren verdrosznen ge-
aiüter wider zu recitieren vnd auß'zuheben) fr&lieh vnd freundt-
üch geredt, ¥nd auff die Ban werden gebracht, Allen denen,
M sich solcher gesellschafften gebrauchen. Auch andern jun-
gen vnd Alten kurtzweilig vini lustig zu lesen^*. In dem
Bache selber scheint Frey seine Moralitätsgrundsatze ebenso
mgessen zu haben wie sein Burckheimer Standesgenosse
Wickram, und ebenso handelt Maiün Montanus, der um 1557
') Auszerdem: Frkft. 1575. s. — l')57. — s. — Als
*oder theil des Kollwa^oTis Frkft. 1565. J.Frey ist auch als Drameu-
dichter bekannt. Yergl. Beilage II.
— 188 —
den „W^egkartier^'O hsanaagf^ Amt er denkt an ehrtmree«
weibliehe» Pnblioain, da» seine BnSiilmigen in GftriKn,
Zechen und auf dem Felde lesen soll, die Sachen aber, welche
er in seinen 42 Historien ans Pauli, Frey, Wiekram und Boc-
caccio aaftieclit, sind meist mdit yiel anatendiger als 4ie
öescliiditen von dem Klostor^firtner Masetto, dem Mönche
Albrecht und Hinaldo und dem Andreuccio aas Perugia,
welehe letztere Montanna, wie oben ezvfthnt, als beeonderea
Bflcblm herausgegeben bat. Anoh ein „Ander tfaeyl der Gar-
tengesellHchal't*' erschien von Montanus, dessen 118 Stücke
aofib anderen Stoff bieten^ als man nadi dem Titel vermathen
m(kdiie, nimlicii Legenden, MSicben, Baiteel. Die iU>rioalkai
mnsz etwas hastig vor sich gegangen sein, denn in einlüden Stücken,
welche aus in Prosa umgeschriebenen Schwänken des Uaiw
Sachs bestehen, sind hie und da Beima stehen geblieb^ auch
Poggio and Boccacdo sind wieder in Oootribvtlon gesetzt.
Gegen Ende des XVL Jalirhunderts mehren sich die Fii-
oeüenbücher eher, als dasz sie abnehmen. Sie bestehen auch
dnreh das ganze XVII. nnd XVIIL Jahrhundert fort, ja gehen
dgentlich in ihren äoszersten Abkömmlingen bis auf unsere
») 0. 0. u. J. 8. — Die Widmung ist unterschrieben: Datam
Dillingen am Ta^ Martini, Anno etc. :u. Martinus Montanus von
Siraszburg. Von Interesse ist noch folgende Stelle der Vorrede: Vnnd
wiewol discr schönen Büchlin hieuor vil geschrieben scindt/als natn«
Uch SchiDipff vnnd ernst, dio Garton Gesellschafft» der Bullwagen/
vond andere vil kurtzweylige llistoria mehr / denen disz mein Büchlin
vil EQ gering ist /so seindt doch dicselbigcn alle durchlesen / vnnd
ytä&tmBXl fast wol vnnd gnug derselbigen verstendigt ist /also das
wann einer schon ein Historien /so in disen vorgenanten büchlin gc-
schriben ist / erzelen will / so weizt man jren schon vorhin / vnnd (ist)
derselbigen verdrüssii^^ zu hören / ^'leicb wie man einer spe^aK so man
t&glicbs issi t / mitdt zu essen würdet.
Straszborg o. J. S.
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— m —
läL Man kan ab0r keiiMBW^ sa^lM^ dan «e ra^
des XVI. Jahrhunderts besser würden, weder an Witz und
Darstellungskanst überhaupt, noch an Originalität und Volks*
ftfcnKdikwtt SoniH T«rlierai schon die späteren Erseheimmgen
de8 XVI. Jahrhunderts immer mehr auch an literarhistorischem
Interesse. Wir werden an geeigneter Stelle aaf die schwächeren
tfidikoniBien der im Vorhergehenden bespvodienen Clnssiker
mkgt den SchwankbUciiem zurfteldtomanen, uk einer Stelle, wo
sie mit bedeuteuderen, einen Fortschritt darstellenden Ersclici-
DQQgen in Verbindung gebracht werden können. Hier mögen
mr noch einige derselben, welche aneh noch nm die Mitte
des XVI. Jahrhunderts erschienen, erwähnt werden, Michael
Lindeaers Katzipori nebst dem üastbüchlein und Valentin Schu-
nunis Naehtbüchlein«
Was Lindeners beide Leistungen anbetrifft, so erregen sie,
sbgeseben von ihrem Schmuts;, nicht geiiuges Interesse. Der
Verfasser mag ein etwas lockerer Patron gewesen sein, aber
leiiie Daretellnng zeigt ein Talent zmn bnrlesken Hnmor,
welches bei soliderer PÜege den ,:guten Cunipan*' vielleicht
m einem würdigen Vorgänger Fischarts gemacht haben würde.
Seine Geschichten, wenn man die zun grossen Theil nnr in
erzählender Form vorgebrachten KneiiM>nwitze so nennen darf,
sind meist aus seinem eigenen Leben gegriffen und zeigen am
deottichsten von allen Facetien den Zweck, zechenden nnd be-
leehten guten Freunden aufgetischt zu werden. Von allen
VtttMseni derartiger Bücher bezeichnet Lindener sein Publi-
cum nnd die Grundsätze seiner Schrifbstellerei am deutlichsten,
6r dflrfte wohl manches dem Babelais abgesehen haben. Für
die Sittengeschichte seiner Zeit gewähren seine Schrilten ebenso
interessante fünzelheiten, wie seine derbkomischen Ausdrücke
20 einem Glossar der Redeweise Fischarts manche unentbehr-
liche Beiträge liefern können. Die in den Beilagen zu diesem
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140
Capitel gegebenen Proben seines Stils werden das Gesagte
veranschaulichen
Die Eatzipori erschienen 1558 o. 0. 8., das Basib&ciilein
0. 0. Q. J. nnd o. 0. 1558>). Interessant sind stoffidie Be-
rührungen des ersteren mit den Faust- Schildbürger- und
Eolenspiegelgescbichten
Valentin Schumanns Nachtbflchlein zddinet sidi dorch
gewandte Darstellung aus. Es erschien o. 0. a. J.*) in zw«
«) Beilage V.
') Der Verfasser uiiterzeiclinet die Dedieatinii an Aiitlioni l>auiu-
g&rtner zu Baiiinj^Mrten , in welclier er nocli eine ..(.'^liroiiica iTir »ieii
gemeinen Mann und eiiuältigeu L&iüu'' beniuüzugebcu verspricht,
Michael Lindencr, Poeta L.
') Die 126 Nummern sind nicht lauter (leschicliteu , auch nicht
blos Prosa, sondern auch Lieder, niaoaronische und andere Verse. Der
Held der 3 Panst^feschichten lieiszt Schramnihansz, eine davon hat
auch der Wegkürzer unter Nr. J^. Die Gesch. vom Krebs au der
Deichsel gehört zu den Schildhürgi i eien, erwülint ist der den E.sel lesen
lehrende Eulenspi«>gel. In den K. nennt sich L. nicht als Verf., giebt
sich aber an mehreren Stellen ganz deutlich zu erkennen, indem er
seinen Vornamen und den Anfangsbuchstaben des Zunamens anführt
(au einer Stelle bcz' it lmet er sich als (.'^rrectori und Fischart Gar-
gantua 1590, 7 ri di t von M. Lindeners Katzipory gestech. Was den
Titel „Katzip'iii" bctritft, so kann ich dieses Wort selbst in ein. r ro-
manischen Sprache nicht mit Sicherheit nachweisen, di«» d»'nt>elie Ueber-
setzung „Schnndelbutzen" giebt aber den Sinn ziemlich d- ntlich. aueh
braucht es der Verfasser mehrfach zur Bezeichnung seiner guten Cum-
pane.
*) Valentin Schumann n< nnt -i<']i in der I)e<lication an Gabriel
Heyn den Jüngeren, Bürger und l>uclili;uidler zu Nürnberg, welche vom
25. Januar datirt ist, rin.Mi Sehrittgi<'>ser, auf dem Titel wird er als
aus Leipzig gebürtig b^ zciclmet. In der Erzählung Nr. 4 sagt er: Ich
hab auff ein zeyt im l.')49 Jar mit « inem gearboytet. Die .Abfassung
des Nachtbüchleins musz l.'».')'^ lallen, denn die Dedicati..n des U. Theils,
welche sich auf den ersten bezieiit. ist vom 25. .März l.'>5r> unterzeichnet,
und aus folgend<'r auch in an«b'r«'r riezi< linng interessanten St' U»' «Ir-r
Vorrede ergiebt sich, dasz der erste Theil nicht vor 1558 lallt: »auch
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— 141 —
TheOflo, TOD denen der errte 22, der zweite 29 Stück enthält,
& mit den meisten Stocken LindenerB den Vonnig der Yolks-
tWImlichkeit gemein haben. Zwei Stücke des ersten Theils
geben auf die nralte Sage vom Unibos')« die Andersen emeoert
hit, mfixk <5 a. 6), nnd die Gksehichte der Magelone ist
onter Torftnderten Xumen als Nr. '22 aulgenummen. Im zweiten
Theile findet sich die Episode von Elorens und Marcebilla aus
Kaiser Oetavianos nnd mehrere von Hans Sachs benutzte
Sdifftoke. Den Zweck des Werkes giebt der Titei mit den
Worten an: zu Nacht nach dem Essen oder auit' Weg vnd
StiaaBen, zn lesen, anch zu lecitieren, . . . allen denen zu lieb
Tttd gnnst, die gern schimpffUch bossen, lesen oder h&ren.
Ich glaube mit dem bisher Gesagten den Zweck dieses
Cipitels im Granzen und soweit es nöthig und des Baumes
wegen zul&ssig ist, erfftllt zn haben. Denn es galt, die An-
lage an:>t'rer prosaischen Uuterhaltungsüteratur in ihren Ei-
m manche schöne vand liebliehe Historien hab gelesen /als LiTiam/
Qnfon / Cento Norellam / Bitter Pontoa / Bitter Gahmy / Fortonatom /
Trutunt/ Peter von Provincia Tnnd Magelona / swey liebhabenden ansz
Fhnckreich md Engelland / der Bitter im (so) Thnrn, den grossen
Akzander, OetaTiaans / vnd die 7. Weysen Mayster/anch etliche Bflch-
Ws/als BoUwagen / Schimpff vnnd Emst/Schertai mit der Waiheyt/
Bait Bftchlein/Wegklirtier/ welches alles Qelerte ?nnd Woler&hrene
Gcicliichtsschreiber Tnd Studiosi haben beschriben/ deren meyn Historien
ni Fahlen gants vngleich sein etc. In der Dedication snm iweiten
Thefl pokmisirt Sehnmann sehr heftig gegen einen, der Ihm die Vn*
ilditigkeit einiger Geschichten des ersten Theils in einem Briefe vor*
gehalten hatte, in der nnmittelbar darauf folgenden Anrede an den
User, dagegen greift er einen, den er einen Ginaffen nennt, an, weil
^tta ihn bezQchtigt, er habe in dem ersten Theile die ^groben Bossen
vt klugen Worten verbiamet**. Man verstand es auch im XVI. Jah^
bsodert. Uterarischen Scandal in Scene in setzen.
*) Nr. 6 ist die Torlage za der Von Adolf Wolf in der Germania
(1871 8. S*22) ans einem Buche des XVIH. Jahrhunderts mitgetheilten
Goehiehte. YgL Beilage VL
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sdieimuigen geringem und geringsieiis UflifimgoB TonEiiftbim
Wir haben jetel auch viel dergleichen, Sammlmigen Ton Anek-
doten, Zoten, Witzen. ,.Qewaltsach»^n- und dergleichen, Müller
and Schulze wer weisz wo und pikante Erlebnisse wer ifeisi
wessen werden nns anf Bafanhitfen, in fiierlocalen nnd aa fthi^
liehen Oertlichkeiten von fliegenden Sosiem dargeboten. Aber
der Unterschied zwischen jetzt und dem XVI. Jahrhundert liegt
darin, dasz die modenien Produete derart darchana gegen beseen
und höhere Oattnngen znrMtreten, Ton der literarischen Kritik
und fein gebildeten Lesern kaum berücksichtigt werden, das«
dagegen in jenen Zeiten Werke wie Paulis Schimpff und Emst
und der Bollwagen eine Bolle spielten wie jetzt die gediegOB»
sten Erzi'imnisse eines Freytair nnd Heyse, deren Werke ja
noch lange nicht die Zahl von Auflagen erlebt haben wie das
aiuipnichsloee Bncfa des BarfOszers von Thann, wobei zu eriii»
nem ist, dasz die viel grOszere Stftrke der jetzigen Auflagen
in der geringeren Zahl des damaligen Puljlicuma ein Gegen-
gewicht hat. Und noch mehrerlei laszt sich zum Beweise der
groszen Beliebtheit solcher kleinen Geschichten in der Refor-
mationszeit anföhien. Wer sollte hier nicht an Luthers Tisch-
reden denken, unter denen sich so viele Schwfmkgeschichten
befinden? Der groeze Heros der Zeit, der ^theologns opti-
mns niaximus", war ein besonderer Freund dieser Gattung, er
galt für einen der besten Erzähler. Nichts kann besser die
Werthschätznng des Srzfthlens und der Erzählungen anschan-
lieh machen. Ja unbeanstandet hielten sich oft sehr derb
komische Schwanke auf Kanzel und Katheder bis an das Ende
des XVII. Jahrhunderts 0. Auch die Zimmemsche Chronik
wollen wir nidit vergessen, die unerschöpfliche Fundgrube der
Beiträger und Fiudlingünder, das Entzücken der Liebhaber
>) VergL die oben mitgetheilte Vomde des Melaader.
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pkinter Gnlturhistoie, denn anch in dieses naive nnd sonder-
bare Stück Arbeit bat sich eine uncndlidie Mengt' schwank-
artigen Stoffes und volksthümlichen Humors behaglich nieder-
gdassen. Beide Werke vertreten nur eine beträchtliche Anzahl
iliidieher, welche die allgemeine Geschichte der Nationallite-
ator aufzuiuhi'en und nach der hier in Rede stehenden Seite
IQ diarakterisiren hat. Bei der Betrachtung Grimmelshausens,
<b bedeutendsten Yertreters unserer Gattung im XVII. Jahr-
hundert, des volk.stiiümIichstcn Komanschreibers, den unsere
geeammte LiU^ratur aufzuweisen hat, weiden wir darauf auf-
molBam sn machen haben, wie iaef seine Poesie in dem Boden
der Sehwankdiclitung wurzelt. Hiti können wir am passend-
?l-n mit dem Hinweise schlieszen, dasz jene lui'chtbav ernste
Zeit des XVL und XVIL Jahrhunderts starker Gaben und
kriftiger Tränke bedurfte, um dem Traurigen, Gewaltigen und
ßennruhigenden, dessen jedes Jahr voll w;«r, das Gbiichgewicht
n halten^d dasz erst in neuester Zeit der humorietischen Bich-
tuDg des XVI. Jahrhunderts volle Gerechtigkeit geworden ist,
seitdem man angefangen hat, nicht blosz Kohheit, sondern
auch Geist und Kraitt nicht blos Wildheit und Schmutz,
sondern auch Genialität und echt volksthümlichen Witz in den
eben besprorlr.'neii Erscheinungen zu fiii<k'U. D.isz man in die
Aniangiperiodo der neuzeitlidieu Gultur zurückgehen musz, um
die hervorragende Begabung unserer Nation für den Humor
ridi mr Anschauung zu bringen, dasz hier mehr ist als Jean
PimL Lichtenberg und Hippel, werden wir ia den folgenden
Capiteh) noch tiefer erkennen.
«
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^ 144 —
Beilagen m Capltel IT.
Aus Bebels Faoetien. Tabing&e 1557.
De quibusdam simplicibuü rusticis.
Prope patriam meam est vicns agresüs, nomine MnndingB,
istic dicuntur inprimis esse simplices instici, illorum unus
semel ad forum Ehingense profectos, cum domnm rediret,
audivit in oanfimbnB dnos coeulos sibi invicem suo canta re*
spondentes. Erat autem unus in sylva Mundingensium , alter
in silua finitimae YÜlae. £t cum cuculus alterius sylvae suum
dameie superare videieinr, ille dimiaso eqao cm insidebat,
ascendit arborenif atque suum cucolmn stndore illo incompo-
sito adiuvabat. Interim lupus equmn illius devoravit: quai*e
rusticus repedans dommn, sm compaginis conqnestos est,
qnomodo piopter rdpnblicae honorem et oommnnis emolnmentt
gratia, quod suum cuculum iuvisset, accepisset hinc non mo-
diocre damnum. Vüde Uli consensu communi et impensis,
damnnm illins subleyaTenini, indignmn jadicantee, ut qui pro
ndute et honore pablioo laboraaset, inde jactmram pateretnr.
XL
Dieselbe Oescbickte aus Freys Qarteugesellscliaft. 157öt
Von em der seiner Gemein gaucli erhielt / vnnd jm der Wolff
ein Pferdt darüber Irasz. Gap. 27.
N.It weit von .Tustinge / ligt ein dorff das wird Mündingen
genant/ dariü warend vor zeyten gar gute/lrome einfeltige
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I
— 145 —
Leot (jetznnder seind sie basz abgetriben) deren Burgei- einer
rytt auff ein zeyt gelin Ehingen luül ein Marek / vn im heim-
her re}i;ten / sieht er im Mundiger Bann /ein frembden gauch
anff einem banm / mit jrem gemeinen gauch ein Scharmützel
balten/dann sie vor ein gutte weyl von zweyen Bawmen/
wider einander geguckt hetten. Wie aber der gut einfeltig
bawr Yon Mündingen sähe /das jener freinder gauch /dem
Mfindinger gauch mit dem gucken vberlegen was/zü zejten
15. oder IG. guck guck mehr guckt dann jhr gemeiner gauch
i6 Mündingen / ward der Baur zornig / von seinem Pferd ab /
süge auff den Bawm / zu seim gauch / vn half jm gucken also
lang vnnd vil/bisz der frembd gauch weichen must/vnnd
vberwunden was. In der zeyt / dieweyl Hans Wurst vona
Mfindingen / auff dem Baum sitzt / vnnd dapffer mit jrem gauch
liQlft gucken /So kompt ein WollF/vnd IHst jm sein Pfordt
Tndter den Baum / noch wolt er nit herab /so lang vnd vil /
bis der firembd gauch gar verjagt was / Darumb most er dar-
nach zü fhsz heim gehn. So baldt er heim kompt /last er
der gemein züsamen klöpffen / erzalt jnen / wz er von wegen
des gemeine nutz für ehr vnd rum / mit deren von gustigen
gauch begangen het/Nemlich/das er jrem gemeinen gauch/
gegen der von Justmgen gauch hilif vnd beystandt gethon.
Hergegen abei- / liah er nit ein kleinen schaden erlitten /
dann dieweyl er in den gr6sten ernst vnnd handel mit dem
üembden gauch gewesen /so sey jm sein guter gramen von
emem wolff gefressen / dz wolte er ]n% also angezeygt haben /
Ob sie /die gemein /jhme zu einem anderen Pferd /wider zu
stewr komen weiten. Da nun der Schulteusz / gericht vnd
gemeinde zü Mündingen / jrs mitburgers rede vemomen / haben
sie \Tihillich geachtet / das einer der so fleyssig vnnd ernstlich
der gant/fU gemein wolfart ' ehr • vnd tVeylieit br-denckt / des-
3eD schaden leyden soli Haben darauff mit einhelliger stim
10
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146
beschlossen /das jhm ausz den gememen gefisUen (dieweyl er
sich gemein halben so streng nid wol gehalte) ein ander Pferd
gekaurtt werde solle. Also ist dcrselb streng Bawr bemach /
sehr hoch bcy jhneD gehalten / vnd der ganch Ritter genannt
worden.
HI.
Aus Augostiii Tüngers Faoetien. Heranagi von At t. Keller.
Tübingen 1874.
Nro. 14.
Ain pfopur usz Hessen kämm in die stat Ertfurt. und als
er ongeverde für ain appoteg gieng ynd im sölichcr ge.^climack
nicht gewon was, viel er nieder gesdiwunden. Und wan aber
die lüt zno Inifen, in ze laben, nnd manigerlay ose der appo-
tegk raicliten, wenn sy an der band was und im es für buo])en,
riebt er sich nicht allain nicht dester mer uff, sonder ward
ün ie lenger ie onmecbtiger, bisz das ainer heivzno luff, der
erwnscht (mit nrlonb uwer genaden) knemist und huob im in
für die nasen. Da huob der gepur erst uff sme ougen gen
himel und kam wider zuo im selber.
Daromb gepürt sich, das am yeder sin natur erkenne
und die seilten niendert über-trete, wann uns niendert nüt ee
kumer an-gat, dann ob wir mit ungewonlicher spysz und an-
derm desgelichen in unser natur Sünden. Damit ist biUich,
das herren leben als beiren und puren als pUren.
Nro. 25.
Hei* Marquart von Emps, ritter, luod uff ain zit ainen
burgermaister von Lindow in sin schloaz Enips, und als sy
gessen hatten, fuort der ritter den gast in dem schlosz umb.
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— 147 —
das sdiloffi zao besichtigeo, bisz das sy komen in ain camer,
da allerley messer und schwort hiengen. Der ritter abiT, das
er dem gast dester &üotlicher wer, hiesz er in da erwelen,
weDus nuBser er wöli Anfiings widert sich der gast, das er
nidit so rerdient gegen im wer. Der ritter liesz aber nicht
nach mit bitten, so lang hm das der gast ander andern ain
OMser, 80 von arbait edel was, tet erwelen. Da sprach der
ntier: „Dem ist reehi Das messer sy Qwer, doch mit dem
onderscbaid, das es nicht dester minder da an siner sti\t belib
haogtti! vnd wer in Icfinitig zit da her kompt, dem wjl ich
ngen, das messer sy des borgermaisters von Lindow/^
Zu behalten aber menschlich früntsehaüt, so ye ain mensch
ZOO dem Yon angebomer natiu* hat, ist voruäzkumenlich milti-
lait, so ?enr si ondi m ierem zil behalten wirt, das ist, wenn
«wer gaben weder uns noch den unnseren, noch den, so wir
b^ben, zuo unstatteu dienen, wenn wir nicht usz hochfart
ood daramb, das wir ges^en werden, geben, wenn wir nsz
aignem fryen willen geben nnd den, so gaben wert smd, und
von tagenden unnd nicht üppiltait wegen unnd wann wir vorusz
die bedenke, so g^en uns verdient sin, damit wir in am
asten wil&ren und daby nidit vergessen menschlicher lieby
so ye ainem giioten menschen natürlichen mit dem andern ist,
dft-mit wir den selben nach ir nottorft, als vil in uuserm ver-
mg« ist, onch se hUff knmen« '
Nro. 28.
In dem dorff Mals, ain myl wegs von Ohur, ist gewesen
ain ftow, die, wie-wol sy ainen eeman hett, nichts dest>minder
wider die Satzung der ee andern mannen in liebe verwilliget.
Und wie-wol es dem man onlidenlich was, doch das er dem
vib siebt ze hert sin gesehen wurd, verhnob er rimliche straff
and ward se rat und sagt es dem sch weher. Der sch weher
10«
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U8 —
aber, wie-wol er wust, die dochter schuldig siii, yedoch, das
er dem dochteniian sinen kumer und der dochter die straff
de;»ter ringcr machte, naigt er sieli den dochtermau ze tröstcu
und sagt, das wer nicht an der dochter ze tmren, wenn sy in
sOlichem iror muoter nachschlüg; si wnrd. aber in die harre
da-von lassen, wen ir muoter sich ouch also in der jugend
gehalten hett, aber da sy sechtzig-järig worden wer, hett sj
da-Ton gelassen; also ward die dochter on zwiyel oadi tnon,
wenn sy sechtzig jar alt wurd.
Aber das zit ist der unseligest &bel-stratt'er, wann mit
dem als es den tod oder snst krankhaiten dem menschen zao-
fDget, enzücht es uns krafft ze sünden und verlassen wh* also
nicht das üUel, sonder verlast es uns. Die guoten aber nit
von Torcht des tods oder sust ajnicherlay straff, sonder von
liebe gots wegen, so die war tagend ist, das Ikbel nnd Übel-
täter miden.
Ain zanflbnaister vsz ainer stat in Schwaben, [die] mir
yetzo nicht gezymet ze nemmen, ward usz - geschickt in l>ot-
schatl't-wysz vnd kam also ufl' dem weg gen Buochom (jetzt
Friedrichshafen) an dem Bodensew, da euch denzemal etlicher
lursten und anderer steten botschafften waren, damit es sich
macht, das der wirt sy nicht all kund an bett gelegen. Also
belaib der znnfftmaister "mit einem knecht in der staben, in
maynnng, am morgen vor tag hin -weg ze ritten. Und als
aber der wirt ain kalh, so die selb nacht worden was, in dio
stachen traog and es neben den znnfftmaister 1^, wann es
gar kalt was, das es nich erMr, and aber der znnfftmaister mit
schlaft* beladen was, tronii.t im, er hett ain kalb bracht, das
er, so-bald ei* erwachet, begund dem knecht ze sagen. Dar
zno der knecht sagt: „Her znnfimaister, der troam ist der
warliait eben nach, wenn das kalb ligt da by uns." Welche
Nro. 44.
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— 149 —
wort dem zunfftmaistor ain söliche vorcht und schäm tet
raichen, das er dem knecht ainon morcklichen Ion verliiesz, die
ding xe bergen. Als aber der kneeht das annam, nam er das
fadb nff den mggen, dwyl es noch finster was, und warff es
in den see.
Wer ist aber so torreefatig, der troomen geloubt und sieh
vomist, etwas damsz gewisses ze wissagen, so kamerlich die '
ding, so wir wach<nid liandlfn und daivAio got und die weit
m zogen beraffen, iurgang haben Es sind euch der tiomnen
t(»iieh Ursachen; dann wann des menschen gemflt nymmer
niowet, bringt es unas schlaftendon die ding für, so wir wachend
gehandlet haben? Und wenn etwa unser lib mit spysz und
win beladet sin, nsz derselben dampf, so wir schlaffen, nns
mangerlay fignren begegnen ; zno dem sind wir ofit mit man-
gorlay anfechtung bvfiinget, als arbait umb gwalt und eren,
iioffiumg nnd forcht, das wur, als wenn whr schlaffen, ami-
weders haben oder mangeln gesehen werden.
IV.
ins Paulis Schimpf und Emst. Herausg. von H. Oesterley.
Stuttg. 1866.
Das drit von schimpff.
ES WAR EJN ABENTUBEB EJN GAUCKÖLMAN AN
einem abent spat sasz er vor eins bnren haosz vff einem bloch.
Da der bauer von dem feld kam, da salie er den cfesellen da
atzen vnd sprach zu im. Gut gesel wa^; sit/.estu da, warumb
gasia mt in etn haosz, das da nit da vnder dem himmel dy nacht
rnftst sitzen. Er sprach lieber guter meyer, ich hab ein ge-
wonheit an mir, ich bin das gantz doi'fi' vsz gangen, vnd wil
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micli niomans herbergen, ich wil recht die nacht hie bleiben,
morgen wüi t es vil leicht besser. Der buer sprach, gut gesel
was ist das fi&r ein gewonheit. £r sprach ich sag jederman
die warhdt, daromb wil mich niemans beherbergen. Der
raeyer sprach, das ist ein gute gewonheit, kum zu mir her^'n
du bist mir ein werder gast liab du es als gut als ich. Der
gesel gieng mit dem bner in dz hnsz. Der bner sprach Oreta
hauszfraw bach küchlin vnd schnitten, ich hab ein gast vber
kommen. Da sie also assen vnd also bei dem feuer sassen,
wie man dan in den dörfem th&t Da nam der gat gesel als
war, wie man hansz hielt da was niemans in dem hansz, dan
der buer, der het ein blotzlin vor dem aug hangen, vnd sein
hauszfraw Greta het nur ein aug, vnd ein katz der troft* ein
ang. Da man in dem besten essen was, da sprach der bner
Lieber guter gesel, du sprichst, du sagst alwegen die warheit,
sag mir auch ein warheit. Der gesel sprach, ach lieber bausz-
Wirt ur werdet zornig vnd bdsz vber mich. Der bner sprach
nem. Der gut gesel spmch, dn vnd dem fraw, vnd dein katz
haben alle nit me dan diu äugen. Da der bner das bort als
die warheit, da ei-wüscht er die otlengabel, vnd jagt d«'n guten
gesellen z& dem hansz hinusz. Also ist es noch vff ertreich,
das war ist, dz Osee der prophet spricht an dem 4. cap. (Non est
veritas) Es ist kein warlieitnoch kein ))armhertzikeit vff erdtreicb.
Disz eiempel ist auch wider vil menschen vnd predicanten, die et-
wan warheiten sagen, dy nit vü nutz bringen sunder schaden, vnd
besser wer geschwigen, vnd bringen etwan kriegen vnd zanckun.
Die warheit ist so edel, das sie nit von allen menschen an allen
orten zü allen zeiten soll gesagt werden. Als sanctns Paulos
spricht 2. Thimothenm. (Semum antem domini etc.) Ein
kneclit vnd ein diener gottes sol nit zancken vnd kriegen, er
sei senütmütig sein gen allen menschen, leilich vnd geduldig,
mit modestia, straffen die, die der warheit widerston. etc.
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Von schlmpff das xH.
Es ist in Franckreich geschehen da was ein upt ein grosser
ber, der het ein narren, das was gar ein früntlicher nar, der
niemaos beMbet, weder mit werten noch mit wercken, wie
zornig man in macht. Nun lugt es sich vif ein zeit, das der
apt der her em frembden erenman gehiden het, der het gar
dn fiist grose nassen, als es etwan knmpt, das einer ein ge-
brechen an der nassen hat. Da man nun also rh dem tisch
äasz vnd wolt anüihen essen, da sähe in der nar stetz an vnd
rorwnndert sich ab der grosen nassen, Tnd so er m lang an-
gesicht, da lag er ffir den selbigen herren mit der groeen
nassen mit den ellenbogen vff den tisch, vnd sprach zu dem
selbigen herren, wie hastu so ein grose nassen, wie knmpt es.
Aeh lieber got, der gAt man schampt sich vnd ward fost
roi Der her sprach den knechten, treiben den narren
hinusz. Die knecht schlügen den narren zu dem sal hinusz
vnd sprachen. Nar das du die träsz müsest haben. Der nar
gedacht, dn hast es warUeh verderbt, dn mnst es widemmb
gilt raachen. Da nun der nar meint es wer vergessen, da
gieng er widerumb in den sal, vnd nam sieh nichtz an, vnd
gieog vmb den tisch hemmb trossen, vnd hindennach 1^ er
aidi aber vff den tisch vnd sprach. 0 wie ein kleii» neszlin
bastn, da ward der gast noch me geschcnt, man treib den
oarren aber zü dem sal hinusz. Nach langem kam der nar
widemmb wie vor, vnd spiadi zA im. Qot geh du habest em
nasK oder nit was wil ich deiner nassen. Da het er es erst
gantz verderbt. Also geschieht allen Schmeichlern vnd kutzen-
sfareichem wie dem narren ist gesdieben, die ein etwan loben
und eiheben, vnd meinen sie sein liebe zA haben vnd gunst,
\n<l \o me sie in loben, ie feinder er inen würt wan sie lieben
sich wie ein huud der hoffen bricht.
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Von yaUer ynd müter eren.
Von ernst das ccccmv.
ES WAS EJN REJCHER MAN DEK HET DREJ DOCH-
teren, die versorgt er in die ee vnd gab inen man vnd darzu
was sich zimpi, vnd er behielt im selbs ein namng, vnd hielt
also Inisz mit einer kellerin. das was ein frume Ifraw, vnd er
wolt den Jdnden züiang leben. Sie lagen an im zubitten er
solt inen sein gftt geben, so weiten sie in alle sein lebfcag
ziehen, vnd sie weiten im ein eigen kamer 3m geben, vnd wei-
ten im des besten essen vnd trincken geben. Der vatter vber
gab inen als sem gät, vnd kam zu inen, vnd das erst iar
ward er wol gehalten von inen. Das ander iar, wan er me
zu einer doeliter kam dann 7a\ der andern, so sprach sie. Vattor
Ir ligen mir stetz vfi' dem bals, gon auch zü den andern, die
haben eben als vil emp&ngen als ich. Der g&t vatter sähe
wol (las er vnwert was worden, vnd liet rat mit einem burger.
Der ])urgcr gab im ein alten trog, da was sant vnd stein yn,
vnd liesz in in sein hosz tragen, vnd sprach zu der dochter,
sie solt im ein fierling vnd drei liechter leihen, er het etwas
zu rcchuen, vnd da sasz der vatter die halb nacht zu klinglen,
als ob es gnldin weren. Morgens liesz er mit fleisz ein
alten behemisch liegen in dem fierling, vnd gab in der dochter.
Ahm sprach, vatter ir liaben nechtig ircklinglet. als ob es guldin
weren gewesen, ich hab es wol gehört. Ei' sprach, ich hab in
emem trog nnr noch selber gelt behalten, vnd welche mir
vnder euch zu dem aller früntlichsten thut dem ml ich es
lassen. Da sie das horten, da wolt in ein jcirliche haben, vnd
kri^ten vmb in. Er ward wol gehalten. Vnd da er sterben
solt vnd meinten es wer kein blybens me da, da giengen sie
vber den üog, da lag sant vnd stein diuin, vnd ein kolben,
daran stund geschriben also m engelischer sprach. Kunt vnd
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maesa m aller weit, das man den mit äm kolben schlagen
sol der seinen kinden gibt, das er damach manglen musz, sie
ahen einander an vnd schampten sieb. Merck vff.
V.
Vorrede der Eatzipori.
Dem Brs«ffien vnd namhaffitdge Hansen Greütiier / Burger
fDd Papyrer th Landsperg / auf der Mfthle da man Lumpen
macht / meinem glitten Herren vnd Freündt etc.
ALles gtittes mit aller Ererbietug zdnor/sampt mdnen
Togesparten willigt diensten / Ersaffier freflndtlicher lieber
Meyster Hans. Nach dem icli biszher von Ehrliebenden leüten
giaklicb eriaren/wie das jr guter küchlin bey den Gesten
veradiiner ujt gewesen /ynd schier stAhl nn b&nck ttintssen
giemacht / vnd voller guter auszerlesener schwAncke vnd bossen
«yt/flab ich an euch offt gedacht /vnd von hertzen begert
ewer angencht zusehen: Dan ich anch.der g&tten Gesellen einer
Ini / die man die freyen knaben nennet / vnd nit vil sorgen was
dz korn gelte / Sondern mer lust vn lieb haben zu gutten
grillen /yiaierlichen scbw4ncken / damit man die zeit vnnd
vejrl zAu«rtreib^ pfleget / vnd daneben den wein verdewet etc.
Dieweil ich aber ijntte seltzame zottS zu-^afnen / in ein biich-
län/ verordnet vnnd gebracht habe /vnd yetzundt durch an-
htHien Tnd Mit yiler gftter frommer auszerlesenen / bnndten
vnd nindten Schnudelbntze / derer jrer auch einer seyt (Vnd
warlieh wan ich bey einer Haselüusz scliwÄren solt niclit der
letike/das ein gar grosz ding ist) welche man auf Welsch
Kanpori nennet / vnd anff Griechisch Bandj mandj / leüsz^ iffi
peltz die man nit darein setzen daril'/ sonder kouimen sonst
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wol hjnem/Tnd zieren anch/die warhait zusagen/die leflsz
ein peltz/ gleich wie einen Hnndt die flthe/Tnd alten Wef-
ber / nach dem Bawren liodlein / Die weyber mit den fl6hen /
haben ein süten krieg/ das ist den jungen M4gdlein gantz
vnd gar nit lieb.
Diee gAte ScMncker haisset mä auf tefttsch yn ynser
sprach StorchsclinabLi / entenfüsz / genszki-agen / SÄwrÄssel /
?]s(>l3ohren/ Bock8h6mer/ WolfGszihn/Eatzenschwentz/Hundffi-
zigel/Ochsenkipff/EalbsfAsz/gebachn sein sie nit btsz/issE
sie auch lieber dan Buttermilch / oder sonst ein sawer RÄben
krawt etc. dan es den Gelerten nicht gesandt ist / vnnd nur den
Bawren zogehirt/die st&ts zuflegeln pflegen / vnd holtz hacken/
Tnd em ding v^ftwen Unnen vnd mftgen etc.
Disps trefl'lich vnd zimor nye gesehen werck / hab ich
gleichwol nit wille lassen auszgehen oder Publicieren / ohne
einen Patronen vn g&ten freünd/dem ich es/als ein gAten
Nachtbawren / zuschribe / ohne spott vn alle verkleynemng /
darzü jr mir vor allen andern gefallen / nachdem ich vor etlichen
tagen/mit ewem leüten göter ding gewesen /jn/ von wegen
meiner gAtten bekandten/gesellschalft gelaystet/vnnd nit der
letzte ifn spyl gesein bin / Wolt gern das jr bey dem lerm
selb personlich erschincn / vh stürmen het helilen. Dann man
do wnnderharliche Miflsz gerissen / vnnd seltzame schnagkeo
anff die bahne gebracht hat / die villeicht ench dnreh andere
zu ehren kommen seind. Was aber dises FatzbÄchlein be-
langet / fi-eündüicher lieber Master Hans / vnd sehr güter
fineftndt vnnd günner/wiU ich ench anff das htchste gebetten
haben / wollet mir es niclit vwargen / Dann ich es furwar in
gutter maynung gethan / vnnd mich als ein vnbekandter bey
ench hab bekandt/vnnd gleich kundtschaft willen machen/
dapoit WUT (so wir einmal zn einander oder zusammen k&men /
oder auff Hochteutsch verschraubt wurden /em wenig /als für
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m biller) freündschafft hetien. Dann die warhait zusagen / es
tti6t mir treflich sanft wann man mich Jnngker Midiel haiszt
wn L. vn mich deucht ich f&hle es inn der grossen zihe /
Tnd in der Nasen / also wol / lieblich vnd wolgeschmacken
Rikcfai es / gleich wie gestossen Zi^lstein vnd gebratene Bocks-
Uner/den nichts zAnergldchen ist /dann nnr feAchten holtz
Föd alte Strohdächer / auch kloin hMtzlein ausz den zawncn/
das einem Salat gleich ist/ynd Monesterla haiszt/das die
Biwren in die s^el Stessen. Ynd bin mein leben lang nit
frMicher gewesen / dann do ich alle nacht mit der Lawtton
gieog/vnd den Ouidium vnter dem Ai-m tiug/ausz b6ltznen
faumen trnnck/Tnd Papyren fenster hette/vnd mein st&blein
nut einem alten Beltz gefutert war / do ich nit vil holtzes be-
iorff^e ^allein ein bmnnen hiller liecht in Ofen setzet /vnnd
die Kacheln zerschlüge / das man das grawsafäe fewr sehen
hndt / oder sonst ein yergebenen rawch machet / das nyemandt
bleybea kundte / sonderlich wan die zech vnnd i-aihe an mir
laur/das ich gest haben solt/vnnd dn Eatz för em Hasen
briete/das die Eflrszner Terdrosz/Tnnd nit leyden woHen/Es
i"-t aber der Krieg (dine bliitvergiessen gestillet worden / vnnd
fän seüberlich hingelegt / dai-auff grosz gelt gangen ist / für
Torgisdi Bier vnd rostige Hiring/die nit Tngesundt seind/
Bey nichtl icher weyl / ein halb stundt ziiuor ehe man schlaffen
gehet /ruhet einer trefflich sanfft darauflV^is wann man ein
Marcipan / drisznet / lorihl oder wormsaamen eynneme / damon
der heylige Prophet Galenns vnd seine liebe Schwester Hypo-
cras/der einen Bawren frasz/vnnd Auicenna schreyben / wie
ne denn alle generis foeminim sem/vnnd den Bawren vmb
jre Weyher gebMet haben. Dammb jr noch heflt bey tag inn
dem Almanach oder Calender gedacht wirdt. Icli nuisz bisz-
weylen auch Lateynisch reden / vnnd mit halb Welschen worten
Tin midi werffen/ob etwan em Spanier oder Italiau dr&ber
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kkme/äas er auch sem nirtz mdwifeB klliidte/daiin es leiden
göte Signor sein /den man schon tbün solt/ich vermein aber
hinden nanaz/wie die Bawim jre speaee tn^/wiewol ich
jn das eyaen daran wol gnnne/aber daa hoUz ist gftt anff
den Hirdt / das man Visoh darbey seüdt ' Vnd so ja etwas
vberig bleibt /das man die i&wlen Migdi Ynd Fktzenmiwler
mit aiiihre<^ / Ynd wa^to mache. Die kalter nator sein/
vnd gewirmbk stein mit in das Bett nemen / dasz sie nit er-
frieren / vnd an jrem gebein / natürlicher weisz erkalten« Vnd
am leib/ weicher sart / schmal / schlang /langk/ vnnd sobtü
ist/wie mn hewstock / schaden nemen / darüfar sie behAtSanet
Hipel vnd Hapel / der war zu Ptinsing ein Badkneehte / der
die Jongen holdseligen Diemlein im Badt wol reyben kvndt/
dem sie nit femdt waren / wie dann ein \'ede ein gikten Reyfaer
haben will / vnd ta^ vn nacht darnach lauflfen : vnd sagen doch
es soll sie keiner berÄren: Vö juckt sie doch die hawt so isehr/
dz mans nit genikg rqrben kan. Ynnd hat det Eselbader
yetzundt allte knechte / die stnmpe nagel haben / vnd nicht
anhalten können ja von der grossen hitz matt werden /vnnd
gerne tnmcken/das saltzes achten sie sich nicht /haben kein
mangel an den brocken inn d^ Weinkandel / WIewol sie den l
schneller / ein masz vmb ein pfenning oder beller auch nicht
aoszschlagen / wann sie es nicht besser wissen. Doch sagen
sie/es sey das fÖnfhaUer hier nit so gesnndt/als der Tra-
minner / der die Bintzker Bawrü lauften macht. Vnd Gott
erbarm es /welches auft' Latein heiszt/Deus misereatur nostra^
mentis, das ein yeder Teütscher yetaondt will Welsche nnsz
reden / so er doch kanm Haselnnsz Terstehen oder beyssen kan.
Vn«l wiit auch so gar gemein das es unter die Magdte kompt /
die do sagen: Schy / schy / Was sie mit mejnen / das wiQ ich |
einem hAhem vn dieffem znbetrachten geben. Dann es hat i
ein weyter bedencken / wie dann in den Hohen schulen dispu-
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üart wirt: Gott der Eiünder des Weins / welchen man Bachan-
teo neniiet/ der stehet jn mit seme gebOlffea Corouteii getrew*
ikh bey / das hie die hohe dieffe kniist / mit grossem nntz vnnd
^Niejiieo finden migen. Vnd hernach autl' die bahn bringen /
dtB armen fiawrn zur wal£ui / sonderlich wan Lendel vnd
GnM mit einnnder gehen /?nnd gAt geschirr machen /das
: :.iü oft dick vnd vil gebraucht / vnd doch nit schad ist. Aiiff
^ wir aber die sach mit recht angreiffen / vnd wie angeiangen /
lijiiaiiss Aren /Ist das der rechte natOrliche griff /das bej
liehtlicher weil ein yeder auff der gassen ein Windtliecht
tragen soll / das man sehen kan / wer bin vnd wider / oder auÜ
TDd Djder gehe/ dann bissweyloi grosse vnd hesymliche schiden
gesehehen / ynd sonderlich in den finstern winckeln / he3nnlichen
irl^zlein/ vnnd vnter den decklein /do man die Ochsson schlecht/
fiid k4lber sticht /das zä erbarmen ist/vn geht vngleich zä/
TB ist eben wie d* frome Baldns sagt: Dan ich den Voeabn-
larium vtriusque Juris einfürii musz / nämlich vnd klarlich /
Eueptionum Tariae sunt species, et variis temporibus oppo-
Modae/ Ynd yerderbst eben aUhie gar nidits / dan eben Yariae
Tri varüs / das ist auf Tefitsch : Es kompt bey nacht manches
ÜQtterkindt zusamen / verstehe / wah man mit dem Rogken
tugehet / Do gehet es denn durch änander / vnd ist den das:
IKe Weyher huptl'en / die Meydlein tantzen / die BAben sprin-
gen / vnd die allten Muterlein gumpen / daruo ich ein ander
lul weiter handien wilL Bitt fireundtlicher lieber Meister
Haas/wÜt dises Fatzbftchldn zfi einer yerehernng / als ein
?Äter IVeünd annemen / das will ich widerufü geflissen sein
«üligklich zuuerscbulden. Gott dem Herren sampt allen den
Kwren befolhen.
B. W.
Hans Compaa/
von Schledsing.
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Ans dem Kaiüpoii
Ein kunstreyches Muster / Carmina zumachen / iun der
statt £rdtfiirt/ Yon einem JkrJiantH / auf der holie schale ge-
ZU Erdtfurt auflf der Hohen schul / hoch in dem namen /
nydrig inn der kunst / war ein alter Bachant / me ein Schaal-
hond / geLdch wie Magister Gäntace zü Lejfptog/der sein ar-
goment / wen er disputiert / aosz dem Ifogno hondt nam / oder
ausz dem Petro Hyspan/in welchem steht: Queiitur, Arguitur,
der het TÜ gehört von dem trefflichen Poeten Eobano HesBO/
wie er so ein freyer Mann w&re / in Verse schreiben / das der
gute Pater gleich eine lust dazu bekam vn jichwanger gienge
nach der Kunst des Garmenschreybens / vnd kompt ohn alles
getiUir Ther ein Spalter/den der Helias Eobanos Heasos new-
lich het lassen in Track auszgehen / gedacht bey sich selber /
Hallt /kome ich dir allhie vber dein kunst: vnd nam ein
hiltalein ansa einem beaen vnnd maaa die Yeraz oder Oai^
mina / alle baide die grossen Ynd Ideinen. Setzt sieh ef lendte
vber /als waie es n6thig/Ynd macht halb Lateinisch vnod
halb Teütsch/so lang die zqrkn/als die Hiltzlein warea/
?nnd schribe es seii6n ab /dann der Badiant symlieh mahlen
knndt: vnnd eylendts ohn allen Verzug mit zu Eobano gehn
N&mbeig zü/vnnd bringt jm ein muster seiner Poetischen
kmiate/?nd fraget wie sie jm ge&lkn/ob de so gAt aeind
als die seinen /oder bSsser oder irger. Eoban der saget: Das
wirt ein Man werden / cü tempore et persona. So spricht der
Bachant: Ja herr Poet /ich waisa woi ea stehet im Donat/
Tn nit m der Gramatica. Sagt Eobanos: Jo. Antwortet der
Bachant: Es ist schier ein ding /Donat vnnd Grammatie/
vnnd ich glaub sie sein geachwisterte kind/dann man Decli-
niert vnd coningiert eben so wol inn der Qrammatic als im
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Dooai; doch ist der Donat weit vber die Grammatic / den die
Bfiben habeo |n mehr m der Schül als Orammatic. Die CSar^
mina aber die der gute Groll gemacht het (also biesz er mit
Namen) war das der anfang / vnnd waren nit vmb ein haar
Uoger/daiiii das hiMein/das er darzü pA^et zngebiaucheiL
0 Dee ommpotens, &c mir gftte Garmina machen/
Qui vims & regnas per cuncta foramina seclas
Diser Groll ist hernach em feyner Man worden/ das er
Garmina seenndom sine post lignom gemacht hat Ynd
ißt zu Scheüditz Schnlmeyster gewesen / hat auch sein leben
fielher beschriben / mit disen nachaolgende herrlichen aoszer-
iesenen Worten:
Grullius in treiiiulis ludimoderator in Scheüditz.
Ru^sticus iu Knebulis penglorum dant tibi rul/en.
Sehmurmins per pechins altschnchins dant tibi fleckns.
Klopholiz cum pedibns, haec snnt schnstralia corpns.
Busticus est quasi Rind, nisi quod ei cornua desint
Jam iaoet in dreck is, qni modo Grollus erat.
Hat anch noch yfl herrlicher yersz gemacht /wie einmal
grosz Wetter gesin ist / da die Katz den Visch genommen /
i ml mt durch das glasz/ darein der heilig Dauid geetzet
\ mr/zun fenster hinansz gesprungen ist/Ab diso:
iO Dee omnipotens, paupeiu defende potasti'um;
Per medio Dauid catus cum pisce volauit.
Hat auch einest seinen disdpeln die Eglogas Yergilii ge-
leseo/ynDd treflich wol teriefttscht/ynd sonderlich die zween
Syluestrem tenni Mnsam meditaris anena,
lytere in patulae recnbas snb tegmine fhgi.
Tenui, ich liab gelangen / sylve^tre Muüam, ein Bäurische
flum/anena« in dem baber/ meditaris, meines Nachtbawm
^ büitn: Tytire, O mein lieber hrnder Veyt / recubas, du rascht/
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sab tegmine, Tnder de schAppe / f>ata1ae fogi, deiner hraben:
Das ist / Hoc est , vnder deine stahl dach / da deine ttilhen
ynnd muter pfleget zu stehn. Vnd so er bey dem leben ge-
bliben were/Tod bette den Vergiliom also hinaosz TerteAtscbV
hette er einen grossen nutz geschafft. Dan man jetzundt dag
Lateinisch nur Ilgen leszt / vn sich die Teütschen jrer Sprauch
nit achten / die sie nit künnen / vnd willen nur Griediiscfa
reden /auf Polnische arth/vnd künnen letztlich gar nichts/
das der Par ausz ist etc.
VI.
Aas Schumanns Nachtbüchlein (Hr. 5).
Ein Hystori von einem Becken / der sein Weyb mit der Geygeu
lebendig oaachet/vnd einem £auffiuann.
£Jn Beck sasz inn einer Keichstat / der arbeyt sehr /vnd
liesz jns sanr werden / noch knndt er nichts bekomen / es war
das Getrayd iheQr/ynnd gieng jra gleich anlf der neygen/
das er schier wolt gen Straszburg auff die Hochzeit / da kam
jm za Nacht ein seltsame Fantasey inn sm/wie dann wans
einem also gehet / seltzame specnlaüones einfallen / vnd sprach
zu seiner Ifaiistrawen / mein liebes Weyb / du siliest das es vus
SO gar wenig zui^/was wir nur arbeyten darzu so werden
wir doch kein Heller za vmmtK ohn/wie straffet vns doch
Gott also / er fieng es mit Gott an / gieng auff seiner sevten
auch recht hinausz / darumb wann du mir weitest darzu helff'en /
so weiten wir sehen/ob sich das Qelück za vns wolt wenden.
Sie sprach: Mein lieber Beck /ich wolts von hertzen ^em
thun / wann es küudt mit Ehren sein / Er sprach ja nicht an-
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derst /nun sihe dir inn der Metzig vmb ein Kalbs blüt/sö
will ich dich an die Erden legen / vnnd dich mit dem Blut
beskeichen/ darnach ein finmor im Hanse anHahen/als will
ieh allee tn drfimmeni tnnd m boden schlagen / so kirr dn
wäidlich und schrey / wann dann die Nachbauren zu lauften so
lig da als s^est dn tod/so will ich mit meiner Geygen an«
fttgoi/fnd dich wider lebendig Geigen /darzn Icanst dn vn
mii^t mir helften / die Fraw war zu fryden/der Mann fieng
2a poldem an /als wolt er das gantz Hansz einweiffen/Da
sAnj das Weib/die Kinder/das erhtret man weyt ymbher/
Tnnd kamen die Nachbauren zugelauft'en / fragten was er fAr
ein lerman hatte /vnd das Weyb lag an der erden im blüt
sbinr sie todt/Tnd reget sidinidit/ das alle die erschracken/
d» da warend kommen / Nun hett der Beck einen Kauffraann
gegen ihm hinüber wonen / der war ein arger Laur vnd ein be-
•dieysser anff aller wahr/dammb ihn Goit villeicht straffet/
▼and jhnen dahin schicket /der kam auch gelanffen/vnnd sprach/
K) lieber Nachbaur / was habt jhr gethon / das ihr das Weib
^nchhigen? £y sprach er warumb hat sie mir dann solche
Use wert geben/es gehet mir sonst das GOTT eibarme/Tnd
Söll erst jhr hose wört darzu auftTclauben / ich kan sie wol
widtf lebendig Geygen /ich habs vor offt gethan/vnnd nam
fDB der Wandt seme Geygen/setzt sich hinder den Tisch/
liesz sich nichts anfechten / fieng an vü Geyget ein Liedlein/
Ettt da mich genommen / so müst du mich haben / etc. Das
Tvwnndeit sich lüle die/so dammb wareh/das er knndt fir6-
fidi sein / vnnd sein Weib wer tod / mainten er solt geflohen
9SIL Als er das Geygen ein weyle tryb/hüb die Fraw ein
Wang ein flsa suregen/er liesz sich nichts anfechtai / Geiget
jmmer sein werck Ar sich /zu letst fieng die Fhiw an /mit
mi\mr ynd krancker stimme / gleich als ob sie vom tod er-
wichet/adi lieber Mann wie magst da mich also zo todt
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schlagen / vnd darnach wider lebendig Geygen / wie magstu
mir nur so vi! plag anffithibi/ea wer tU besser du liessesk
mich also todt bleiben /so kern ich der marlrer ab. Keni
nicht also /sprach er/warumb gibstu mir so b6se wort/vn
heltst dein gejffermaul nicht still /Mit solchen worten die
Fraw anffstände gantz Schwach vnd EraffUosK / darm jr die
Nachbauren halffen / vnd legten sie auff dz Faulbeth / darnach
sie wider heim giengen / der Kaufmann aber ver/och / gedachte
was mag doch das für ein Geygen sein/das sie todten leben-
dig machet / m6chte mir die Geygen weirden/ieh wolt rie
theür geniig bezalen/dann ich hab vil b&ser ehe mit meinem
Weyhe /sie will mir jmmer den Armen zn vü geben /Tond
anderen so ich Wahr oder Eom rerioinff/mv ein kleinen ge-
winn machen / das ich hab sorg ich werde sie auch ein mal
erschlagen / wann ich dann die Geygen liett / kundt ich sie
wider lebendig machen / vnd mem handel vnd wücher ohn alle |
widered treyben/Tn solchen gedancken den Becken iraget/
lieber Nachbaur lebet der Maister noch / der die Geygen hat
gemacht/das weisz ich nicht sprach der Beck/ich hab sie i
von Neapolis mit ransztrage / dacht der Eanffinann das ist I
weit / lieber nachbaur gebt mir die Gey gen zukauffen / ich will j
sie euch theür gnüg bezalen / da sagt der Beck / nein lieber '
Nachbanr dz thü ich nicht /ich het sorg ich m&st ein mal |
enthinffen/ sie hat mür oifl aosz not geholffen / lieber Nadn
baur sprach der Kaullmann/ich will euch dreyhundert Gul- |
den bar darumb geben /Daramb k&ndt jr euch eun vorrath
kanffen / das jhr ynnd ewer Weyb em r&wiges leben mtchten
füren / da für die Beckin flux lierlur vnd spracli : Ach nein
lieber Beck / verkauff sie nicht / du wirst dich warlicli ein mal
yeigreiffen/so most du «itlanifen / vnnd ich bin Todt /was |
ist dann den Rinden gehollTen. Da sprach der Eanffinann:
£y mein liebe Nachbeuriu / gebt mir sie zokauäen/ich will
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«dl ein gfttten Bdte znm kftkaiiff geben /Der Mann ward
ndt jhm eins / gab jhm die Geygen / das war der Kauffraann
fio/zaltB jhm bar/ymid tmgs heym. Nun nit lang siftndB
u/das der Eanifinan em boden toI Getrayd wolt hingeben/
rä kuntens jm die Becken nicht erzalen / für sein weib da-
nrisefa^ yü wolt de kaoff machen / das war jhm nicht gelegen/
firtet bias die Bedien anaz dem Hansz kamen/fieng er an
ai zancken ynd sprach / Wann du mir das mehr thust / sey dir
zngt^ort / 80 will ich dich abwalcken / vnd solt ich dich zu
ted sdilageii/ veriiesa alch also auf seine Geygen/sprach die
ftaw/wie thftst du wir/schlnd sie gar/da war er eomig/
oam sie bey dem Har/vn zocb sie im Hausz ymb/das die
f^w ward schreyen / alszbald zoch er sein waidnerlin ansz/
wdches er dami an der seyten bett/hieb jr grosz wunden in
bpfF / das da die gütte Fraw jren Gaist auftgab / vnd st^irb.
Der Sanffmann nam sein Geigen /vü fieng an za Geygen/
maittt sein Weib solt wider lebendig werden /als er lang bett
^emacljet / sähe er das sie sich nicht wolt rei,'en / gedacht er
wie hast du S. Veitin / wilt du nicht aufßstehen / ye lenger er
Qcygt/ye minder sie an&tvmde / des ward er zornig/ Tnnd
Midng die Geygen zn Stacken /nam die dHümmer vnnd lieff
iura Becken / vnnd sprach / was hastu mir für ein Geigen geben/
ieh hab mein Weyb erschlagen / Tnnd kan sie nimmer lebendig
Bsdien/da bist da schuldig an. Botz marter sagt der Beck/
»an dirs nitt ein güter dienst ist / so gib miis wider / ich will
(ür dein Gelt widergebe / Wa solt ers nemen/er hets erschk-
gw/gieng haira/nam em zerong zu jm vnd liefF daroon/
soll noch wider kommen / vn der Beck wun er lebet / braucht
dtt Gelt noch. Ausz diser Fabel lerne ein Junger Mann/
nm jhm aebon im Ehstandt zum ersten vbel gebet/das er
daninib nit von GOtt abweich / sonder Gott tag vnd nacht/
ttmpi seinem weib vnd kinden bitte / Er will jhm ausz aller
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noth helffen / nicht mit loser bescbeisserey als der Bedc/son-
der mit ehren nach seinem willen. Auch ein Weib soll ler-
nen das sie jhrem Mann sey willig inn allen dingen / was
nicht wider jr ehre ist/sonder jiem Mann helffe trewlich zur
narung inn allen dingen. Auch bey dem KauflfmaÄ / ein Geitzger
vnd neydiger/ welcher tag yn nacht nit kan vol werde/ vü seinem
nechsten nit gnnd/das jn ^ Sonn anscheint /scmder wann
GOTt anch sdn ntcbsten ehras bescheret / so weit der Geits-
halsz allein dz es in seinem sack stecket /ich weit das es
emem jeden solchen also gienge/gldch wie dem Eeyser an
Bom/das man jm anch den halsz vol Qold gnsse/das er
genug bette.
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Ffiuftes Capitel.
Die YolksthümiiobBten Anflbige der deatsohen Prosa-
diohtung.
Die Bimmehr noch zn beiraehtenden Eraeugnisse der An«
fiingsperiode unserer Prosadicbtnng nehmen das beste Yorar-
theil für sich in Anspruch, wenigstens das Vorurtheil, als die
unserer Nation eigensten die ans interessantesten zu sein.
Unser Interesse wird ihnen mit Becht in heherem Grade ge-
widiiiet sein als den vom Auslande herübergekommenen, nicht
aber soll sich unser Urtheil über ihren poetischen Weith und
flure historische Bedentong dnreh den Umstand irre machen
lassen, dasz sie nns mehr angeboren, nationaler sind als die
im dritten Capitel betrachteten Bücher und auch als ein im-
merhin beträchtlicher Theil des überaus bunten Stoffes, den
ODS das letstroiherg^ende geboten. Dasz wur dieser Erinnerung
bedürfen kOnnen, wird sich bald zeigen.
Wenn Alter und Berühmtheit des Stoffes und des Haupt-
hdden sowie unbestreitbare Zugehörigkeit desselben zn unserer
nreigenen Yolkssage allein den AuS&chlag zu geben vermochten,
so üvürde ein Buch die erste Stelle von allen eingenommen haben,
dem in Wahrheit gar keine herrorragende Stelle gebührt, näm-
lieh das sogenannte Yolksbnch vom gehOmten Siegfried* Denn
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welcher Stoff ist älter und ehrwfirdiger Ar ans Deatsche als
die Sage von den Nibelungen, welcher Hold stellt glänzender da
als Siegfried, welche Gestalt der Sage gehört uns eigenthüm-
lieber? Und doch wird sidi ergeben, dasz das erwähnte Ba<^
in unserer Literatur sowohl überhaupt, wie in der Entwickelang
der Gattung des liomans insbesondere, eine durchaus unter-
geordnete Bolle spielt Sein Inhalt ist folgender.
Um die Zeit, da der thenre Held und Bitter Herr Wigo-
leisz lebte, wohnte in den Niederlanden ein König mit Namen
Si^hard. Dieser zeugte als einzigen Sohn den Siegfried. Der
Knabe ward grosz und stark, hOrte wenig auf Vater und Mutter
und machte sich ohne Urlaub auf und davon, nachdem schon
die üathe des Vaters sich dahin ausgesprochen, es werde wohl
am besten sein, ihn ziehen za lassen, ob er sich wohl eines
Besseren bedenken möchte. Er gelangte in ein im Walde
liegendes Dorf, wo ihn ein Schmied aufnahm. Zur Arbeit
herangezogen schlag er das Bisen entzwei nnd den Ambos halb
in die Erde, nnd als ihn der Meister daflir zauste, warf er
diesen nieder, dasz ihm die Besinnung verging, desgleichen den
zu H&lfe eilenden Knecht Den andmn Morgen schickte der
Meister Siegfrieden nach Kohlen in den Wald, damit ihn ein
bei einer Linde wohnender Drache verschlingen möchte. Sieg-
fried aber erschlug den Drachen mit ausgerissenen Bäumen,
warf diese 'auf ihn nnd zündete sie an, nnd da er bemwkte,
dasz sein Finger, welchen er in das ausflieszcnde Drachen-
fett getaucht, hart wie Horn ward, überstrich er mit dem-
selben seinen ganzen Leib anazer zwischen den Schultern,
weshalb er der gehörnte Siegfried genannt wurde. Dai-auf be-
gab er sich an den Hof des weitberühmten Königs Gibald,
der ihn gut aufinahm. KOnig Gibald hielt zu Wonns am
Bheine Ho^ hatte drd Söhne nnd eine flberans sdiöne Tochter.
Als diese einst um. Mittag an einem Fenster stand, kam ein
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groszer Drache und raubte die schöne Florigunde. £r ent-
Ahrte sie auf den Dnchensteuit an einem Ostertage ward er
ni einem Menschen nnd bedeutete der Schönen anf ihre Vor«
Stellungen, er werde in fünf Jahren zu einem Manne werden
und da zur Frau nehmen, znletst m$8se sie mit ihm zur
H5]le, dort sei ein Tag wie ein ganzes Jahr. Die Jnngfran
bat Gott um Hilfe, und der König sandte vergeblich Boten
ans, worftber vier Jahre vergingen. Auf dnem von dem Könige
▼eranstalt^ Tnmiere gewann der inzwisofaoi zn mftnnlichen
Kräften gelangte Siegfried den Preis und ward zum Ritter ge-
schlagen, florigonde erschien ihm darauf im Traume, und
am nSehsten Korgen gerieth 8i^;fined, der auf die Jagd ge-
ritten war, dorn Draclien auf die Spur. An einem Löwen, der
ihm entgegenlief, verfuhr er wie einst Simson, einen Bitter
der ihn angrilf, verwundete er tMtiieh und hörte von dem
Sterbenden, dasz dieser aus Sieilia gebürtig und einem im
Walde hausenden Riesen WoH'grambär unterthan sei, aucli sei
hier eine schöne Jungfrau, die ein Drache gefimgen halte. Bald
darauf begegnete unserem Held^i der Zwerg Egwaldus anf
einem kohlschwarzen Pferde, in köstlichen Kleidern und mit
dnem Qeiolge von tausend Zwergen. Dieser begrOszte den
^egfried, zeigte sich mit seinen Familienverhftltnissen bekannt,
wollte ihm aber wegen der GefTihrlichkeit der Sache den Weg
nach dem Drachensteine nicht zeigen, wo König Gibaldi Toch-
ter Florigunde gefimgen gehalten wSre. Als sidi König Egwal-
dns den Fragen Siegfrieds durch die Flucht entziehen wollte,
ward er von diesem gegen eine steinerne Wand geworfen und
sagte nun, dasz der Biese Wolfgramb&r, der tausend Mann
unter sieb habe, den Schlüssel zum Drachensteine fthre, und
wies ihn auf den Weg zur Wohnung des Riesen in einer Fels-
wand. Siegfried klopfte an, der Biese sprang mit seiner eiser-
iwn Stange heraus, und es begann ein wüthender Kampf, in
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welchem der Riese von Siegfried zwei tiefe Wunden empün^,
worauf er sich in die Felswand zurückzog, wappneie und
darauf den Kampf fortsetzte, bis er durch sechszehn Wundeo
bezwungen dem Helden einen Eid schwören muszte, ihm die
Jungfrau gewinnen zu helfen. Darauf fahrte er ihn in ein
finsteres Thal und gab dem Arglosen von hinten dnen Schlag,
von dem Siegfried betäubt zu Boden fiel. Er wäre verloren
gewesen, wenn ihm nicht Egwaldus schnell die unsichtbar
machende Nebelkappe aufgesetzt hfttte. Als er wieder zu aii^
gekommen, schlug er dem Riesen noch acht Wunden, liesz
ihn aber leben, der Riese schlosz die Thüre auf, und beide
gelangten an&teigend zu der Jungfrau, die den Helden begrüsate
und Qott um Hilfe in der GeMr anflehte. Der Biese zeigte
Siegfried in der Steinwand eine Klinge, welche zur Bekämjjfung
des Drachen nöthig sei, und als dieser darnach griff, schlug
er ihm eine tiefe Wunde, worauf Siegfried ihn nach längerem
Ringen, bei dem er ihm die Wunden von einander risz, den
Drachenstein hinab warf. Hierauf verschaffte Egwaldus eilend
Speise und Trank, während aber Siegfried und die Jungfrau
a.szen, kam schon der Drache mit neun Jungen geflogen und
verbreitete eine solche Hitze, dasz Siegfried und die Jungfrau
sich unten in die Höhle fl&chten muszten. Siegfried waffioete
sich und begann den Kampf, Tor Schrecken flohen die Zwerge
in die Wälder. Da die Hitze das Horn am Leibe des Helden
erweicht hatte, muszte er sich wiederum in die Hdhle zurflck-
ziehen, hier ihnd er den Ton Egwaldus Söhnen dahin versteckten
Schatz. Inzwischen hatte der Drache noch sechzig junge
Drachen zu sich genommen, Siegfried betete zu Qott, nahm
den Kampf wieder auf, hieb dem Drachen zuerst den Schwanz
ab, dann ihn selbst in zwei Theile und warf ihn zum Felsen
hinunter. Als die Jungfrau nun aber herbei kam, üwd sie
Siegfried ohnmächtig am Boden liegen» worOber sie auch yor
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fidueekni rnnsaiik, so dasz de der wieder za sich gekommene
EM wnA der Zwerg Bgwald erst ins Leben snrflckrufen
raaszten. Die Zwerge dankten Siegfried, boten ihm ihre Dienste
an und erquickten ihn mit Speise und Trank. Floiigtmde gab
dem Helden den köstlichen Bing von ihrem Fmger, er ihr die
goldene Kette, die er am Hofe ihres Vaters im Toumiere er-
worben hatte, woraul' er sich zur Buhe begab. Am andern
Uoigen maditen sie sich anf die Beise nach Worms, nachdem
sie von den Zwergen anf das reidifiohste waren beschenkt
worden. Egwald begleitete das Paar eine Strecke und sagte
ih erfahrener Astrolog dem Siegfried yoraus, dasz er sein
sdiAMB Weib mir acht Jahie haben, dann ermordet, smn Tod
üm ?on seiner Gattin grausam gerächt werden werde. Nach-
dem sich Eg>vald von ilmen verabschiedet liatte, kehrte Sieg-
fried mit der Jungfrau wieder um und holte den Schatz, der
ihm spftter yeriiikngnissyoll ward und dessentwegen alle Helden
aaszer Hildebrand und Dietrich umkamen, denn er meinte
nicht, daäz er dem Egwald gehöre, sondern dem Biesen oder
dem Drachen, Noch hatte er mit zwölf Straszenrftubem um
Sdiatz und Bnmt zu kämpfen, ersteren aber verlor er, weil
er das mit ihm beladene Pferd hatte laufen lassen, um den
Florigunde fortführenden B&ubem nachziyagen« Nach ihrer
Ankunft in Worms Ihnd die Hochzeit unter glftnzenden Bitter-
terspielen statt, in denen Sie<?fried den Preis davon trug, aber
dadurch auch den Neid seiner Schwäger erregte. Zur Feier
Hochzeit wurde auch ein Zweikampf zwischen den beiden
Memmen Joreus und Zivelles veranstaltet, welcher sehr Ifidier-
lich verlief. Florigundens drei Brüder aber, Ehrenbert, Hagen wald
ond Wübert waren Siegfried ieind. Nach acht Jahren fand eme
Jagd statt, auf der sich SiegfHed erhitzt mit dem Qesicht in einen
Brunnen bückte. Hagonwald lief lierbei und stiesz ihm sein
Bappier in die yerwiindbare Stelle, so dasz die Spitze vom
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herauskam. Florigunde fiel in eine schwere Krankheit, ihre
beiden Ettern starben vor Gram, nach einiger Zeit begab m \
«eh mit ihrem Sohne LOwhardnB zn ihrem Schwiegervater,
der die drei Brüder mit Krieg überzog und zwei ins f)lend
vertrieb. Hagenwald hatte eich dem feigen Zivelles ergeben,
der ihn Im SchUife nmbraehte. Siegfrieds Sohn traf später
den jüngsten seiner Oheime auf einer Reise niicli Sicilien in
den elendsten Umständen, er selbst blieb, da auch seine ^Intter
ihren Geist in dem Kriege hatte aufgeben mflssen, bei seinem
Groszvater nnd ward ein brayer Held.
Was sich zunächst aus diesem Auszuge ergiebt, ist, dasz
es wohl eine schöne Sache wAie, wenn wir einen Boman des
XY. oder XVI. Jahrhunderts mit diesem Inhalte bestaen.
Aus dieser Zeit stammt aber nur das unter dem Namen des
Siegfiriedliedes bekannte Gedicht, welches mi unserem Buche,
ausgenommen die komische Episode von Jorcus und ZiveUes |
in dem Gange der Handlung so ToUstftndig ftbereinsthnmt,
dasz es als die Vorlage des letzteren zu betracliten ist. Alles
Interesse an der Herkunit des Stoffes ist daher zunächst too
dem Prosabuche auf das Gedicht, dessen ältester Drude 1545
zu Nürnberg herausgekommen ist (handschrifthch existirt es
nicht ')i übertragen, nui* der Memmenkampf ist dem Boman
dgenthämlich. Der in diesem Stück Torkonmiende Name
Jorcus weist auf französischen Ursprung hin, dodi dürfte audi
hier Zusammenhang mit altgermanischer Sage, wie er im Sieg-
Medliede unverkennbar ist, anzunehmen sein^). Aber die £nt- |
8tehuii^[aE6it des prosaischen Budies wurd schwerlich hober j
hinaufzurücken sein als ans Ende des XVIL oder den AnfiMig |
Vgl. V. d. Hagen u. Frimi^ers Heldenbuch Bd. U. u. Go«dcke
IL A. S. 549 ff.
>) Vgl. Jacob Grimm in Haupte ^«itecbriit, £d. VIII, 1 ff.
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des rvin. Jahrhondsri«. Denn es findet aeih ter den Zwan-
ziger Jahren den XVIII. keine Spur von dem Buche Y()m ge-
hörnten Siegfried (so und nicht der liörneme heiszt er hier^
gnde in den ftlteeten Draeken hat er die anf dnem groben
Hi^erstande bemhenden Hdmer), als dessen älteste datirte
Auögabe die von 1726, Braunschweig und Leipzig vorliegt*),
und welches ent nadi der Mitte des XVIIL Jahrhunderts
in anderen BOdiem bestimmt erwflhnt wird. Die Sprache
desselben ist die der in Rede stehenden Zeit, und grade die
Ton Mällenhoff richtig bemerkte fast wörtliche Uebereinstim-
mmig mit dem Liede nnterstfttst meine Termnihnng Ton dem
späten Ürspriinge, da sie sicli auf solche Wendungen und Aus-
drudce nicht erstreckt^ welche wohl noch dem XVI. aber nicht
mehr dem ansgdliendra XVII. oder beginnenden XVIIL Jahr-
hundert verständlich gewesen wären.
Unser Buch ist aber nicht allein höchst wahrscheinlich
spAt entstanden, sondern an sich eine blosze Handwerksarbeit.
Als solche charakterisvt es schon die Angabe, dass es ans
dem Französischen übersetzt sei, welche sich durch eine Ver-
gleiehnng mit dem Liede sofort als nnwahr erweist, ferner die
rohe und nachlässige Mache, welche andi sogleich anf dem
Titel durch die Bezeichnung Siegfrieds als des gehörnten in
die Augen springt und sich noch an vielen anderen Stellen
offenbart ünd dieser Entstehung entspricht die Thatsache,
das« es fast immer auf das schlechteste gedruckt und ausge-
stattet erscheint, last alle Ausgaben die elendsten Jahrmarkts-
aasgaben sind, voll der gröbsten fehler. Nur die Ausgabe
») Der Güte des Herrn Prof. Goedeke verdanke ich die Bekannt-
Mhaft mit ihr, sie findet sich in der Göttinger Bibliothek. Derselbe
theilte mir auch freundlichst mit, dajäz J. Grimm in seinen Vorlesungen
103^ von einer Braunschweiger Ausgabe voa 1720 geaproGb«ii habe.
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yon 1726 laacht einig^mafiieii eine Aasnahme, ausser ilir ist
aber b» jekt auch nodi keine daürte Ausgabe bekannt ge-
worden. Demnach ist der gehörnte Siegfried allerdings ein
Volksbuch, aber im schlechtesten Sinne, ein Bach, welches
seiner obscoien Entstehong genta ein (dracnres Dasein ge-
fHstet und m keiner Zeit der von den gebildeten Ständen
beachteten und geschätzten Literatur angeliöi-t hat
So sicher es also ist, dasz Si^gfiied stets die erste Stelle
unter den Helden unseres nationalen Epos einnehmen wird,
so zweifelhaft ist es geworden, ob wir ihm einen Platz unt^r
den liomanhelden der ältesten Zeit unserer Gattung anweisen
dOifen. Siegfried ist auch nieht snm populären Bomanhelden
geboren worden. Wie ein solcher l'üi- (his fünfzehnte und sech-
zehnte Jahrhundert beschaffen sein muszte, das lehrt am
deutlichsten der aüerbeliebteste, der weder Ton SiegMed noch
sonst von einem wirklichen H^den einen Zng an sich hat,
Till Eulenspiegel. Tiieils seiner Beliebtheit, theils dem Fleisze
seines gelehrten freundes Lappenberg verdanken wir es, dass
wir im Stande sind, uns über seine Person und die sieh mit
ihm beschäftigende volksthumliche Dichtung verhältniszmäszig
genau zu unterrichten.
Es ist als gewiss inzunefamen, dass in der ersten BJÜfbe
des XIV. Jahrhunderts in der Gegend von Bmunschweig ein
Mensch lebte, der Till ülenspiegel hiesz, mag nun der zweite
Name, der um dieselbe Zeit in der genannten Gegend urkund-
lich vorkommt, sein angeborner Familienname oder ein ihm
beigelegter gewesen sein. Eulenspi^el, denn so musz er hoch-
deutsch genannt werden, staounte aus dem Bauemstande und
>) AUes NShere rar Begrftndnng meiner Anaielit rnoss Soh als in
eine Arbeit wie die ▼orliegende nicht gehörig der HittheUimg en einem
andern Orte vwbehilten.
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ftluie das Leben eines ▼agabondurenden SpasmiMlMfSf theils
Tornebme, thefls Personen niedrigen Standes darcb sein Talent
in Contribution setzend, indem erstere freiwillig, letztere un-
freiwülig zn seinem Lebensnnterbalte beitragen oder wenigstenA
den doreh seine Streiohe angnridiieten Sehaden anf sich neh-
men muszten. Was die monumentalen Erinnerungen an die
wirkliche Person betrifft, so ist der Grabstän zu Danmae nur
m Folge einer entsehiedenen IfioBdeniang anf ihn bezogen
worden, wogegen der zu Mölln, wenn auch entschieden nnftohi,
doch auf das Vorhandensein eines ächten mit groszer Wahr-
scheinlichkfiit znrQckweist Somit kann anch das Datum des
Todes, nftmfich das Jahr 1360^ als sehr wabisdieuilieh histo«
risch bezeichnet werden.
Ein EulMispiegelbach hat schon existirt, ehe die bis jetzt
raüegende llteste Ausgabe vom Jahr 1519 erschienen ist.
Imnerinn aber bleibt ^ese Ausgabe unsere yomehmste Quelle,
und von ihr kann bei der Betrachtung der Eulenspiegeldichtung
nach ihrer Zasammensetzm^ nnd Entstehmg nnr ausgegangen
werden. Mit Becht ist yon dem kenntnisireiehsten und yor-
sichtigsten deutsclien Literaturhistoriker, Goedeke, darauf auf-
merksam gemacht worden, dasz die Untersuchung Ober diesen
Punkt jetrt, trote der Verdienste Lappenbergs, tou anderen
Grundlagen auszugehen habe. Hier ist nun nicht der Ort,
die Detailforschung in ihrem ganzen Umfange Platz greifen zu
liown, doch kann ich mich der Pflicht nicht entschlagen, die
Besoltate der nach Lappenbergs Ausgabe Mlenden Forschun-
gen und Funde sowie die meines Nachdenkens in gedrängtester
form TOrsubringen, es dem Leser (tberlassend, meine Behaup-
tungen an dem gewissenhaft benutsten Material, dessen Kennt-
msz vorauszusetzen mich der Umfang und Zweck dieser Arbeit
zwingt, zu prüfen.
Die beiden Haiq^tlliatsaehen, von denen wir hier aussu-
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gdi€ii liaben, wenn wir uns em Bild Ton der Entstehung un-
serer Diditung madien wollen, habe ieb bereits ansgesproehen,
sie sind die historische Existenz Eulenspiegels und die Geltung,
welche die Ausgabe von 1519, gedruckt yon Johannes Qiie*
ninger za Strassbnrg, zn beanspruchen hat. Daau kommt die
von Lappenberg sclion bewiesene, von Goedeke noch erhärtete
Thatsache, dasz es schon vorher ein Eulenspiegelbuch mosz
gegeben haben. Hai Buienspiegel wkklich existirt, so rnuss
sich der Grundstock der Gesdnchien yob ihm aus firirnierongen
an seine Person gebildet haben, und sind diese ächten Ge-
schichten überhaupt einigermaszen auszusondern, so musz dieses
Verfiihren die Ausgabe Ton 1519 zuerst zn Grunde legen,
andere alte und ihr gegenüber selbständige Recensionen tot-
sichtig zu Bathe ziehen. So wird sich, ÜEÜls dies überhaupt
möglich ist, eine Vorstellung gewinnen lassen, wie ein ftltens
oder llltere Eulenspiegelbücher werden besohaffen gewesen sein.
„Es ergiebt sich bald", sagt Lappenberg, „dasz die Er-
zBhlungen wedei* nach einer Zeitfolge, noch nach den Orten
der Begebttiheiten aneinander gereiht sind, sondern nach ge>
wissen Gattungen der Schwftnke. Als die Ordnung uuseres^
Baches ist die folgende zu erkennen:
Nro. 1 — 9. Herkunft und Jugendstreiche des Till Uien-
spiegel, wozu auch vielldcht Nro. 10 und 21 noch gerechnet
werden können.
Nro. 11—13. Tills Schwänke bei dem P£urrer zu Bu-
densleten.
Nro. 14 — 17. Marktschreier und Quacksalbernovellen.
Nro. 18—20. Drei Brot und Bäcker betreifende Schwanke.
Nro. 22—27. Sechs sehr wsohiedeaartige Geschichten«
welche aber darin übereinstimmen, dasz der Foosenreiszer in
denselben weltlichen Fürsten gegenübersteht, welche er uber-
listet
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Nro. 28 ond 39 TerhOlmen die Weusheit der Uuiveni*
täten sowie Nro. 30 diejenigen anderer Klugen.
Nro. 31 — 38 mit einigen Ansnahmeu betreffen geistliche
HnreiL
Nro. 89 — 62 enftUen stannllicli yen gefoppten Kund-
werkern; auch Nro. 74, welche später gestellt, wie oben
Kio. 18 bis 20, die Bäcker betreffend, voran gestellt waren.
Kio. 68 — 66 Mreffen verwandte QemeAe.
Nro. 67 — 73 enthalten verschiedenartige Schwanke, deren
Qoeilen meistens nachweisbar sind.
Hio. 75 — 86 beuehen sieh etaimtiich auf Wirthe und
Bewirthmiif, wohin also aneh Nro. 88 riditiger gehM hfttte.
Nro. 87 — 89 folgen drei anderweitige Historien.
Nro. 90 — 96 eizfthlen von der Krankheit, d«n Testament,
Tod mid Grab des Ulensplegel.
Diese TJebersicht wird lehrreich, wenn wir sie zu den bis-
her nachgewiesenen Quellen halten.
Es xeigt sich nftmlich, dasz diese sich gefonden haben
oder doch zn ermitteln sind Ar die meisten Erzfthlnngen,
welche nicht Tills Jugend und letzten Tage, so wie alle mit
den Handwerkern verübten Schwänke betreffen, also Nro. 39 — 62,
Bebst den vorher emgeoraihten Nro. 18—20.
< Diese bilden ersichtlich die eigenfUehe Tills-Legende, den
Kern, an welchen andere Sagen angereiht sind. Sie spielen
lUe in NiederBaehsen, meistens in den nach damaligem Spraeh-
gebtaneih sogenannten Wendischen Stftdten. Wenn man nnn
diese Handwerker-Erzählungen zusammen betrachtet, so wird
es znoachst auffallen, wie Uienspiegel, so vielerlei ein ver-
setattltKtor Yagahand aneh nach einander versndien kaon , es
vermochte, bei so vielen Handwerkeni hinter einander sich eine
Anstellung zu verschaften, da bekanntlich nach heutigen An-
eichten der Handweri^er« welcher eumal f&r ein Gewerbe ach
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bestimmt hat, dasselbe nidit leicht Teriasseii kami, weil
Auftiahme der wandernden Gesellen bei einem Meister triebt
ohne bündige Legitimation gescliehen darf. Wie kunnte denn
Ulenspiegel alle Jahte oder Monate ein neues Handwerk be-
treiben? Oder wie konnte der Dichter ihn so danastellen
▼ersuchen, wie etwa der angelsäclisische Scalde den Wanderer
von dnem zu dem anderen dm!ch Baom ond Zeit oft weit ge-
trennten Volksstarome ziehen lisztP Jeder himnf gest&tste
Einwand verliert aber an Gewicht iiiul fülirt vielmehr zu einiger
Begründung der Wahrscbeinlichkeiten, wenn wir annehmen
dfirfen, dasz die betreffenden Ordnungen und Gesetze der Hand-
werker erst der Entwickelung dts Städtewesens ihre Entstehung"
verdanken, und in der später lange erhaltenen strengen Form
eist im vierzehnten Jahrhundert sich gestaltet haben"*.
Nachdem nun Lappenberg im Bmzeinen das Zutreffende
der von ihm vorgeschlagenen Annahme nachgewiesen, schlieszt
er den Abschnitt: »durch die Folgerongen, welche ans diesen
Thatsachen sich ergeben, werden wir, wenn wir dem Treiben
des Ulenspiegel eine historische Gnindlage anweisen, dazu ge-
fuhrt werden, diese in den Anfimg des Yierzehnten Jahrhun-
derts zu legen, welches eme Zeit der fehlenden Handwerker,
wie der fahrenden Sänger und Scholastiker gewesen ist, dieselbe
Zeit, in welche sein bekanntes Todesjahr fällt, nnd andeie
Anzeichen von ihm Torkommen. Fehlten audi diese Angaben
nnd Andeutungen uns gänzlich, so dürften wur doch nicht
bezweifeln, dasz die Entstehung jener Handwerkergeschichten
in keine spfttere Zeit fiült, so wie auch, dasz sie keiner we-
sentlich froheren angehören kann*'.
Es wird nach dem Mitgetheilten kaum ein Zweifel mehr
darüber sein können, dasz wir in den Geschichte Nr. 18 — 20,
Nro. 39 — 62 und Kto. 74, zn denen noch Nro. 1 — 9, 10 und
21 hinzukommen dürften, wenn auch nicht alle und nur die
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fon Belenspiegel verübten Streiche , so doch unter ihnen die
verliältniszniäszig meisten ächten besitzen, jedenfalls die Ge-
achichtoi, aus denen ans das Bild des Helden, wie es am
iDBprfiiiglidisten und anschanlieheten in der YorsteUung des
Volkes lebte, entgegen tritt. Der die städtischen Handwerker
neckende, verhöhnende and beschädigende Abenteurer aus dem
Buemtande ist der Typus, an dem das Volk in Ealenspiegel
Medien fknd. Die ftditen und ftltesten Ealenspiegelgeschichten
sind sicherlich Standosgeschichten der Bauern und Landbewohner
öbediaapt, mit denen sie den ihrer auch mit Spott and Scha-
bernack mdit schonenden stftdtischen Handwerkeiii anfvrarteteD,
sie drücken eine umgekehrte Abneigung aus wie die schmutzi-
gen Fasznachtsspiele des XV. Jahrhunderts, weiche voll sind
von dar Verspottung der Baoam durch die Bürger.
Wenn wur uns erinnem, welche Rolle im geistigen Leben
des Mittelalters das Standesbewusztseiu spielte, so finden wn*
einen Giomd mehr iüi' die grosze Beliebtheit unserer Geschich-
tfliL Eolenspiegel, der Banevnsohn, weisz sich durch seine
hübsche Persönlichkeit, welche noch heute den Landbewohner
in den meisten Gegenden Deutschlands, besonders aber in
Niederdeatschland, Tor dem städtischen Handwerker ansaeich-
net, überaU einzufthren. Er ist so geschickt, dasz er bei yer-
schiedenen Handwerkern wenigstens eine Zeit lang einen pas-
sabelen Gesellen abgiebt, aber das Handwerkelieben und das
Stillsiiuii in den Siftdten geftllt ihm doch gar nicht. Er ist
endfich so schlau, dasz er allen Handwerkern, auch denen, die
sich auf ihre Klugheit und Vorsicht noch etwas Kechtes ein-
bUden, Schabemacke zu (fielen weisi, wodurch er noch oben-
drein berühmt whrd. Dass mehrere von den Gesduchten, die
Eulunspiegel in der Umgebung und in der Gunst von vorneh-
men Leuten darstellen, mit höchster Wahischeinliclikeit zu den
ftchtea SU rechnen sind, dieser Umstand fugt dem Bilde unseres
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Helden noch dnen wohl passenden Zug hinm. Mit dem Adel,
zu dem der Bauernstand in den besseren Zeiten und nament-
lich in niederdentschen Gegenden ein Verhftltnisz natürlicher
Zusammengehörigkeit hatte, weisz sich der ahenteaemde Bauern-
söhn, welcher die Abneigung des leichtlebigen weltlichen oder
geistlichen groszen Herren gegen den sich hebenden und beiden
unangenehm entgegentretenden Bürgerstand theüt, ganz gut
zn stellen.
Der Aufgabe, eine genauere Analyse der Eulenspiegel-
dichtung zu geben, kann ich mich wohl überheben, da sämmt-
liche Geschichten sehr bekannt smd and eben gesagt worden
ist, wodurch sich die wahrscheinlich ächten von den hinxu-
gekonmienen unterscheiden. Was den sich sehr häufig wieder-
holenden Kunstgriff, durch wörtliche Auslegung erhalteoer
Befehle ünfüg zu stiften, anbetrifft, so kann auch dieser Zog
selbst a])gesehen von seinem Vorkommen in den achten Ge-
schichten, wohl für einen ursprünglichen gelten. Denn wenn
auch diese leicht anzuwendende Schelmerei schon weit älter
ist als Eulenspiegel und bekanntlich auf Aesop zurückgefthrt
wird, so liegt sie doch einem Genie, wie unser Held ist, sehr
nahe und kann ihrer Natur nach sehr leicht you verschiedeiien
Leuten und an yerschiedenen Orten selhetftndig edbnden worden
sein.
Dem Gesagten zufolge werden wir uns mit einiger Sicher-
heit ein Bild von den sicherlich schon im XIV. Jahrhundert im
Yolksmunde umgehende Geschichten machen können, welche den
Grundstock des uns vorliegenden Eulens])iegelbuches ausmachen.
Unter den Er/ählungen, welche in der Ausgabe von 1519 fehlen^
befindet sich nur eine einzige, welche Anspruch erheben konnte,
zu den ursprünglichen Eulenspiegelgeschichten zu gehören, da
sie einestlieils nicht anderswo nacli weisbar ist, anderntheiis
ihrer Art nach mit den wahrscheinlich Achten abereinstimmi
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— 179 —
Sie steht in der mehr zu erwähnenden Ausgabe des Servals
Kniffler unter Nro. 92 und berichtet, wie Jlulenspiegel eine
Sdiuhmacherstiau um ein Paar Schuhe, prellt.
Man darf wohl die Frage anfwerfen, ob ein erstes Enlen-
spiegelbuch anzunehmen sei, welches nur oder annähernd nur
die bisher als die ächteeten bezeichneten Geschichten enthalten
habe, od« eins, welches bereits die erweislich auf fremde
QaeOen znrüekzoffUiTenden Stfteke anfWies, natürlich ohne ge-
nauer bestimmtu zu wollen, wie viele^ derselben und welche
sich in der ersten Ausgabe Yorgefünden. Einer Jj'rage g^en-
tlber, welche möglicher Weise noch einmal dnrch directe Be-
weise zu lösen sein dürfte, geziemt sich grosze Zurückhaltung,
und nicht ohne diese möchte ich mich dai'ur entscheiden, dasz
die filteste Ausgabe des Eiüenspiegelbuches in ihrer Znsanmien-
Setzung nicht wesentlich von dem uns vorliegenden Eulenspie-
gelbuche, zumal von der Ausgabe von 1519, verschieden gewesen
sei Die Grfknde hieran sind folgende. Erstens fehlt jede
Spur einer von der. uns Torliegenden in ihrer Dis])osition we-
sentlich sersciiiedenen Redaction. Zweitens weisen die verschie-
dsnen alten Ausgaben, die von 1519 eingeschlossen, s&mmtlich
auf eme in dieser Beziehung einheitlichen Redaction zurück.
Goedeke hat in dem Weimurschen Juhrbuche durgethan, dasz
schon 1515 ein Eulenspiegelbuch existirt hat und dasz die
Ausgabe von 1519 zusammen mit anderen alten Ausgaben ein
solches zur Voraussetzung hut'j. Drittens trägt die Ausgabe
von 1519 sowie die folgenden, abgesehen von der Mundart,
nach Stil und Darstellungsweise nicht nur ein einheitliches
Gepräge, sondern zeigt auch, dasz der Verfasser ein geschickter
Erzähler und ein Mann von Sinn für dergleichen l^roducte der
komischen Volksdichtung war. Sein m seiner Art guter Geschmack
^) lY, 15 ff. vergl. auch ebenda V, 477 und Germania Xll.
12*
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— 180 —
zeigt sich grade in den liin ^.ugelügtea Geschichten^ welche nach
Lappenbergs richtiger Bemerkung zum Theil die besseren sind.
Ein solcher Mann wird snr Bedaction der Bnlenspiegelgescbich-
ten einerseits eine grosze Belesenhcit in ähniichor Literatur
mitgcbmcht, andererseits Lust gehabt haben, dem ihm vorlie-
genden Stoffe Zugaben an geben, welche ihm einen weiteren
Leserkreis sichern muszten, wenn auch der oben aus den Ach-
ten Geschichten entwickelte Grundcharakter des Helden an
Sch&rfe der Zeichnung und an Abrundung etwas einbOsaie.
Unbrigens musz zugestanden werden, dasz der Bedactor oder
Vei fasser bei Auswahl der Zusätze auch insoieui geschickt
verfahren ist, als er rxhts zuiiesz, was den Chai*akter des
Enlenspiegel gradezu alterirt hfttte, wie dies der Fall gewesen
wftre, wenn er dem nüchteinen, echt norddeutschen Witzbolde
erotische Ahenteuer zugeschrieben hätte. Es musz jedenfalls
als ein durchgefubHer Charakteizug Eulenspiegels bezeichnet
werden, dasz er in gescbleehtl^cber Beziehung nach Worten
und Werken ein ganz anständiger Mann ist. Endlich ist h^er
noch anzuführen, dasz eine grosze Ar'.ahl der alten Ausgaben
sich als ans der S&chsischen Sprache übersetzt bezeichnen und
damit weder d^e hochdeutsche ?on 1519 meinen können, noch
auch d'e nieden-heip'sche von Servals Krulfter. Da d^e von
ihnen gemeinte niedersftchsische Ausgabe in Zusammensetzung
und Daistellung denen ?on 1519 und von Servlus Kmffter
wesentlich gleich gewesen sem musz, die Heimath Eulenspie-
gels, Niedei-sachsen, aher den meisten Anspruch hat, als Hei-
mathsland auch des Enleuspiegelbuches zu gelten, so ist zu
Termuthen, dasz der nIederBftchsiche Grundtezt, den jene Aon-
gaben erwähnen; das erste Eulenspiegelbueh und von den uns vor-
liegenden alten Ausgaben nicht wesentlich verschieden ge-
wesen sei.
Es liegt anf dar Hand, dasz Lappenberg die wesentliche
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— 181 -
IJebereinstimmung aller Becensnonen des Eulenspiegelbuches
und die genaue Abbänglgkeit aller uns bekannten Ausgaben
Vi« der anzimehmendeii niedersächsifichen Grundausgabe wurde
scharfer lier?org8hoben haben, wenn er nicht dem Thomas
Murner, der, wie Goedeke lichtig sagt, im äuszeri?ten Falle
zuerst ins Oberdeutsche übersetzte, niclit sammelte oder redi-
fft^ emen immerhin za noch grossen Antheü an der Aasgabe von
1519 zugeschrieben Mite. Es mnsz nach Goedekes Nach wei-
sungen als unbedingt; ausgemacht irelten, dasz das Verd'onst
der Auswahl der Zugaben und der tretHichen Darstellung einer
froheren Gnmdredaction znznscfareiben ist, die dann wohl keine
andere als die leider, wie es schemt, unwiederbringlich Terlo-
rene niedersächsische gewesen sein kann.
Nehmen wir dies an and lassen Mamer, wie es nicht
anders redit üst, so gat wie ganz ans dem Spiele, so ergiebt
sich alsbald noch ein weiterer Schlusz. Wenn wir niimliih
zusammenhalten, was sich aus dem bisher Gesagten ergeben
hat, dasz nämlich £ulenspiegel in der ersten H&lfte des XIV.
Jahrhunderts lebte und der Kern der Eulenspiegelgeschichten
aus wirklich von ihm verübten Streichen sich bildete, dasz
zweitens das älteste £ulenspiegelbuch den uns vorliegenden
spAteren Aufgaben wesentlich gleich ist, so erhellt aus der
Zusammensetzung desselben, dem Alter 0 eines grossen Theiles
der nachweisbaren Quollen und der geschickten Darstellung,
dasz es verhältniszmäszig spät musz abgefaszt sein, dasz es
jedenfiüls f&r den Druck redigirt wurde und dasz es sehr bald
nach 9fam Ablassung ins Hochdeutsche behufe waterer Ver-
breitung wild übersetzt worden sein. Der Umstand, dasz die
0 z. B. die Repac8 franched, Poggios Faccticn, Gonollas Streiche
k'innon zoi'tiY'stens gegen Ende dos XV. Jahrhuiulerts in Dout.-^cliland
benutzt sein worden, worüber dio betreffenden Stellen bei Lappenberg
zn vergleichen sind«
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ftchten (Jeschichten in dem Buche eine ziemlich compacte Grappe
bilden, giebt der Voi inutliung Raum, div^z sie dem Verfasser
des niedersächsiscben Originals handschriftlich vorgelegen haben
d&rften.
Ich musz hier daratif yerzichten, m zeigen, wie gut »ch
meine YermuthuiiLfen mit einzelnen Tliatsachen reimen,, welche
in den Znsammenhang memer Beweisfühmng nicht angenom-
men smd, nnd dem Leser überlassen, mich mit HfOie Lappen-
bergs zu controliren. Icli begnüge mich daher mit dem Hin-
weise dai'auf, dasz viele der Tliatsachen, welche Lappenberg
znm Beweise der frohen Berühmtheit Eulenspiegels anfuhrt,
femer die chronologischen Sinweisungen in der Ausgabe von
1511) und anderen, welche auf das Jahr 1483 als Datum der
ersten Abfassung schlieszen lassen, endlich eine Anzahl von
Beziehungen auf die Quellen der Zusatzgeschichten sich mit
keiner anderen Annahme besser yereinigen lassen, als dasz
g^en Ende des XV. Jahrhunderts die Eulenspiegelgesehichten
aus dem engeren Kreise der niederdeutschen Volkstradition
heraustraten, weil em gewandter Stilist sie vermehrte, zum
Draclr niederdeutsch auf^hrieb, worauf sie bald ins Hoch-
deutsche übertragen und viel (ach gedruckt wurden. Gegen die
Annahme einer hochdeutschen Uebersetzung vor 1519 dürften
schwerlich triftige Gründe einzuwenden sem.
"Was die Verbreitung unseres Buches anbetrifft, so hat
Lappenberg Recht, wenn er die Resultate des von ihm zu-
sammengetragenen Materials S. 295 f. folgendermaszen zusam-
men&szt: Es ist kein Volksbuch vorhanden, welches einer
gröszeren Theilnahme im Volke in vielen Ländern Europas
und selbst bei den Gebildeteren der Nation sich erfreuet hat,
als da^enige, welches seit mehr als drei Jahrhunderten als die
Historie des Eulenspiegel bekannt ist . . . Eulenspiegels Name
ist vermuthlich einer gröszeren Menge von Menschen in deut-
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183 —
admi und welschen Landen bekannt geworden, als deqenige
der berOhmteeton ond ansgezdclmeteten Minner nnd Heroen
der politischen Geschichte. Kein Mensch liört den Namen,
^im ihn zn veisteh^ nnd den damit verknüpften Begriff hei-
teren Spottes nnd mehr oder minder harmloser Schalkhaftigkeit
sich zu vergegenwärtigen. Keinem ühnlichen Helden der Fabel
und der Bühne ist ein solcher allgemeiner Uebergang in das
Bewnsztsein anderer Volker geworden, wie dem Eulenspiegel,
mdit dem Eleon, nicht dem Thraso, nicht dem Harpagon.
Die Namen der Gaukler und Hofnarren, welclie ähnliche Possen
wie er, verübt haben, sind nur wenigen gelehrten Forschem
bekannt, während der seine QOgar in mehrere Sprachen übei^
gegangen ist. Eulenspiegel bezeichnet seit Jahrhunderten einen
gewissen Charakter und hat dalier in den viellUltigsten An-
wendungen dem gewöhnlichen Leben so wie theologischen,
politischen, moralischen, bellettristischen Schriftstellern dienen
müssen. Die Espiegleries , sowie ein Hauptwort und Beiwort
e;ipi^le haben bei den Franzosen und bei uns die Eulenspie-
geleien ihr BQrgerrecht in den Sprachen längst erworben.
Zahlreiche Bilder und andere künstlerische Erinnerungen be-
ziehen sich auf Eulenspiegel und tragen wenigstens seinen
Namen, besonders in Deutschland, wo verschiedene Provinzen
mit Flandern sich nm die Ehre streiten, ihn als ihren Lands-
mann anzusehen.''
Dem von Lappenberg Gesagten mag wenigstens, das Wich-
tigste, was über die Verbreitung nnd Beliebtheit unseres Buches
beigebracht werden kann, zur Begründung und nftheren Beleuch-
tung hinzugefügt werden
>) Dasz ich den, welcher genauere Angaben wün>?oht, hier, cnt-
?''?en dem bisher beobachteten Verfahren, einfach auf Lappenberg,
Dr. Thomas Marners ülenspiegel, Leipiig 1854, verweise, bedarf wohl
Bichl beaonderer Rechtlerdgmig.
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— 184
Abgesehen von den ftnszerst zaUieichen Jahrmarktsaus-
gaben sind in dem sechzehnten Jahrhnnderi; naehweisbar:
1. 17 hoch<leutsche Ausgaben, dazu kommt die verrJ'^cii
Bes^beitongf ischarts (1566 — 7 1), ein nicht unbedeutendes Zeug-^
nisz far die Beliebtheit des Stoffes, 2. die eine in niederrhei»
«'scher Sprache von Senrais Fn[iflter 1520 — 30 in C5ln gedmckt,
die Zweitälteste von allen, 3. 4 niederländische resp. vlämische,
4. 7 französische, 5. 1 englische, 6. 1 dänische, 7. 3 latei-
nisohe, wovon eine in Jamben und eine in elegischem VenH
masz. Im Ganzen fuhrt Lappenberg 108 Bücher an, von
denen nur 4 nicht Bearbeitungen des im Eulenspiegelbuche
enthaltenen Stoffes sind, sondern nur mit Annahme des Namens
Ähnliche Charaktere schildern. Herrorzaheben dürfte noch sein,
dasz unser Held auch als Sowizrzal in die polnische Literatur
überge^^infren ist, indem unser Volksbuch, wohl auch schon
im XVI. Jahrhundert, m d^e polnische Sprache übersetzt ward.
Massenhaft sind nun anch die bildlichen Darstellungen Eulen-
spiegels in dem Buche und selbständig, sowie andere Producte
der bildenden Kunst, welche auf ihn hinweisen, ebenso zahl-
reich die ErwiUmangen in Büchern und Schriften, welche, wie
schon gesagt, bis in den Anfang des XYI. Jabrhnndenderts
zurückreichen, hinsichtlich deren aber hier nur auf die oben
angeiüiirten Forschungen ?erwiesen werden kann.
Betrachten ivbr-schlieszlich das Ealenspi^lbach aus dem
Ctesichtspunkte, der den Grund dafDr abgiebt« dasz wir uns
überhaupt hier mit ihm zu beschäftigen haben, nämlich seine
Stellung in der Entwickelnngsgeschichte der deutschen Prosa-
dichtnng. Es wh^ freilich keinen Ansprach darauf machen
können, die Gestaltung der uns wichtigsten Gattung, des
eigentlichen Bomans, gefördert zu liaben und deshalb we-
niger epochemachend für die Geschichte unserer Gattuog
erschdnen müssen als an sich weit weniger berühmte und be-
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— 185 —
deutende Erzeugnisse, z. B. Jörg Wik ams Romane. Immer-
hio aber nimmt es einen hervorragenden Platz ein. Denn es
ist die am meisten charakteristische Dichtang itkr d\e komische
ToQrsl^teratiir Deatschlands im XVI. Jahrhnnd^, wenn wir
uns nnier Volksliteratur, wie es durchaus richtig ist, nicht blos
dem Vei-ständoisz des gemeinen Manns Angemessenes, sondern
andi tberhanpt den Yolksgeist eines bestimmten Volkes Be-
zeichnendes, seinem Geistesleben selbständig nnd ureigen Ent-
stammendes voi^telien. Als wichtigstes Denkmal des deutschen
Yolkswitzes weist es uns am deutlichsten von allen den zahl*
leiehen Samminngen kom^'scher Ei'zfthlnngen, die das XVI.
Jahrhundert hervorgebracht, auf die Eigenart desselben hin.
Aber auch als urspiünglich in Prosa abgefaszt, und zwar in
dnrefaans mnstergflltigem Stile nnd geschickter, knnsterfiAhmer
Daistellnngsweise, ist ihm ein sehr bedeutender Einfinsz anf
die Gestaltung der komischen Prosaerzählungen zuzuschreiben,
die wir in verschiedenen schon im vorigen Capitel besprochenen
Erscheinungen in beachtenswertber BlQthe sahen. Wur dttrfen
wohl annehmen, dasz den Schi itU tollern des XVI. Jah'-hunderts
eingeleuchtet haben musz, wie sich eine solche Prosa in ihrer
Correctheit und Knappheit gnt und besser als der eintönige
Veisban der Zeit in seiner Zerfthrenbeit nnd mit seinen vielen
Flick- und Noth Wörtern zmn Gewände des Witzes und der
Scbalkheit eignete, wobei uns das Beispiel fischarts nicht irre
machen darf, der in der That der emzige Verafficator war,
welcher damals den Enlenspiegel in volksthümlich - metrischer
Form behandeln konnte, ohne ihn zu verunstalten. Die dem
Enlenspiegel so nahe verwandten Dichtungen vom P&ffen Amis,
vom Kalenberger nnd vom Peter Leu würden in prosidscher
Darbtellung viel gewonnen und dem norddeutschen Witzbolde
zum Theü mit £rfolg haben Concurrenz machen können, während
sie so von ihm m den Hintergrund gedrangt wurden, ja
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— 186 —
manche ihrer bestea StQcke selbst an £iileiispiegel abgetreten
haben.
Interessant ist es, dasz sich der dem Eiüenspiegel am
nächsten verwandte, an Schmutzigkeit der Späsze ihn weit
abertreffende Markolf eines Bessern besonnen und das metrische
Gewand abgelegt hat. Br mag daher hier, obgleich nicht yon
so zweifellos rein deutschem Blute wie Euleuspiegel, zunächst
Erwähnung linden.
Der Gedanke, den weisen EOnig Salome im Gesprich mit
einem ihn Widersprechenden darzustellen, ist jedenfalls nralt.
Es wird anzunehmen sein, dasz das vom Papste Gelasius 49 -A
verbotene Bach „contradictio Salomonis** auf ihm beruht hat.
Die älteste Erwähnung des Namens Markolf für den Wider-
l)ai t Salomes findet sich bei Notker Labeo, welcher in seiner
Psalmenparaphrase XVIII, 85 (in Schiiten thesaurus T. I. p.
228) sagt, dasz die Juden, jKletaer und weltliehe Sdui£k6Q
leeres Gerede ohne Wahrheit hätten, und dahin den Widerspruch
^larkolfs gegen die Sprichwörter Salomos rechnet. Mag hier-
mit immerlÜQ auch eine Sclmft oder Sage, welche dem Mar-
kolfbuche weniger ähnlich war, als man geglaubt hat, gemeint
sein, jedenihlls steht die frQhe Existenz einer Sage von einem
Itathsel Wettstreite eines Markolf mit Salomo fest, da Wilhelm
von Tyrus mit Berufung auf Josephus erzählt, wie ein gewisser
Abdhnus aus Tyrus mit Erfolg einen solchen Streit mit Salome
eingegangen und hinzufügt: et hic fortasse est, quem fabu-
losae popularium naii-ationes Marcolfum vocant, de (]uo dicitur,
quod Salomonis solvebat aenigmata et ei responclebat, aequi-
pollenter iterum solvenda proponens.** Der morgenländische,
genauer jüdische Ursprung der alteren Sage ist von Jacob
Glimm wohl mit liecht behauptet worden, doch ist sie früh
in Deutschland bekannt gewesen, da sie schon von Fridanc
(ed. W. Grimm p. 81) erwähnt wird und m Deutschland
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mebrere Bearbdtnngen in Versen gefünden hat. Orientalische
Gegenstücke sind mehrfach nachgewiesen, doch kann das
deatsche prosaische Volksbuch als ein in hohem Grade natio-
nales Sraeogmsz angesehen werden, von dem — und darauf
kommt es hier am meisten an — übrigens heiTorznheben ist,
dm es von allen Beai'beitnngcn die beliebteste und verbreitetste
ni sem scheint. Es schUesst sich nicht sowohl an die poeti«
sehen Bearbeitungen, als an mehrfiich vorhandene ktei-
nische Prosen, von denen die von v. d. Hagen Narrenbuch
S. 501 erwähnte auf der Bibliothek zu Berlin belindliclie
Handschrift den besten Text zu haben scheint, an. Die erste
hochdeutsche Ausgabe ist zu Nürnberg 1487 gedruckt'), auch
eine niederdeutsche Ausgabe ohne Ort und Jahr existirt, welche
Ger?!nu8 (II, 522) fAr die älteste hält Hanz Folz und Hans
Sachs ferarbeiteten den Stoff in EomOdien. Auszerdem sind
ilänischo Markolfe von 15-40, 1G99 und 1711 bekannt, auch
ia französischer Sprache ist er vorhanden und schon 1509 zu
Paris herausgegeben, und die italienische Literatur hat in dem
bekannten Bauern Bertoldo ihren Markolf. Obwohl es ein
neueres Markoll'- Volksbuch (vgl. die Anm. 1) ohne Ort und
Jahr, etwa aus dem Ende des XVII. oder Anfang des XVIII.
Jahrhunderts giebt, schemt die Beliebtheit des Markolf das
sechszehnte, während dessen zahlreiche Erwähnungen vorkommen,
nicht lange überdauert zu haben. Der Inhalt stellt sich nach
der Ausgabe von 1560, nach der es y. d. Hagen in seinem
Nairenbttche erneuert hat, folgendermaazen dar.
Ferner: Angab. 1490. 4. — üfaD 1496. 4. — Ulm 1498. 4. —
«. 1505-1515. 4. — 0. 0. a. J. S. (c. 1520.) — o. 0. (KOrnb.) 15m
8. - M&hUiaaeeo (Elaasz) o. J. (c. 1560.) S. — Nflznb. (Newber 1560.)
4. — Cöln 1593. 8. — o. 0. 1631. 8. — > o. 0. n. J. 8. (Ganznen ge-
aniekt)
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188
Zu dem König Salomon kam ein Mann Namens Muikulf
mit seiner Ehefrau Polikana, beide von äoszerster Hitezlichkeit
an Person und Eleidnng. Nachdem der König BeineiseitB und
das Markolf-Bhepaar desgleichen ihren Stammbaum vorgeföhrt,
begann Salome, von Markolf m^t der naseweisen Wendung
^Der übel singet, der hebe an"" angefordert, ein Gespifich,
in welcl^em der König theils sich rOhmend, theils Weisheits-
h'hren aussprechend, immer von dem Bauern [larodirt oder mit
sehr plumpen und schmutzigen Hedensaiten überboten wird.
Da schliesslich Salome erUäit, er wolle nicht mehr reden,
schreibt sich Markolf den Sieg m nnd yertheidigt sich mit
seinem groben Geschütz gegen die ihn an^hrenden Yornebmen.
Bei emer spftteren Begegnung mit dem Könige zeigt er wieder
seine Fertigkeit in Bftthselreden nnd witzigplnmpen Antworten,
versteht einen Auftrag des Königs in Eulenspiegels Art und
bringt infolge dessen ihm ein unsauberes Geschenk. Darauf
vom Könige aufgefordert, mit ihm zn wachen, sagt er jedea-
roal auf die Frage, ob er sdilafe, er gedenke, und auf die
Frage an was, giebt er Antworten, die er zu bewähren auf-
gefordert wird. £r giebt nämlich als die Besultate seiner
Meditation die Sätze an, dasz der Hase hn Schwänze so viel
Gelenke habe wie im Rücken, dasz die Elster soviel schwarze
wie weisze Federn habe, dasz auf dem Erdreich nichts weiszer
sei als der Tag, dasz keiner Frau zu ghiuben sei, endlich,
dasz die Natur stärker sei als die Nahrung. Der König
schläft endlicli, da die Gedanken Markolfs nicht allzuviel An-
regendes für ihn zu haben scheinen, ein, und Markolf geht
nadi Hause, um die Beweise seiner Aussprüche ins Werk zu
setzen. Hier redet er snner Schwester Fudasa vor, er werde
den König enuorden und dazu ein Messer unter seinem Kleide
mitnehmen. Dann begiebt er sich zum König und zählt ihm
die Hasengelenke und Elstemfedem vor, läszt den König in
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— 189 —
einer finsteren Kammer dnen Napf toU Milch zertreten, and
da der EOnig diese nicht sieht, ist bewiesen, dasz Salomo mit
der scharfsinnigen Bemerkung, die Milch sei weiszer als der
Tag, Unrecht gehabt Um sein Urtheil über die Frauen zn
flfhSrten, verklagt Harkolf sdne Schweeter wegen ihrer nnsiit-
lichen Aufführung, sie wird geholt und spricht von dorn Messer,
welches natürlich nicht gefunden wird. Seine Maiestat hatten
eine Katze, welche ihm beim Abendessen das Licht hielt,
Markolf Iftszt Mfiuse laufen, die Katze vergiszt ihre Pflicht
und beweist so die Starke der Natur. Es wird ihm zwai* ge-
droht, dasz man die Hunde auf ihn hetzen werde, wenn er
aidi wieder bd Hofe blicken lasse, er kommt aber, die Gefahr
durch einen lauten gelassenen Hasen vermeidend , wieder und
speit einem Kahlkopf auf das Haupt, da man ihn nirgend
anders hin als auf die blosze Erde speien geheiazen hatte. Auf
aOe Vorwürfe hat er nur naseweise Antworten. Die in der
Bibel erzählte Entscheidung Saloraos zwischen den zwei Frauen
kritisirt Markolf scharf, da den Frauen nie zu glauben und
Alks an ihnen der Verstellung beizumessen sei, Salomo Ter-
theidigt das schöne Geschlecht, Markolf fuhrt auf eine sehr
unehrerbietige Weise i^ie Meinung seiner Majestät auf subjec-
tive Ndgungen zurück und sagt Toraus, dasz der Kdnig nodi
Tor dem Sehlaiengehen die Frauen beschimpfen werde. Hierauf
brütet er unter den Frauen von Jerusalem aus, der König
habe geboten, joder Mann solle sieben Frauen nehmen, und
stellt ihnen Yor, weldbes Unheil aus diesem Gesetz entstehen
werde. Die Folge davon ist, dasz die Frauen, siebentausend
an der Zahl, des Königs Palast stürmen und, ihn mit entsetz-
hchem Geschrd anädlend, sinne Ungerechtigkeit verwünschen,
ohne dasz er sich mit ihnen yerstftndigen kann. Trotz seiner
ilnn von Markolf vorgerückten Galanterie läszt Salome sogleich
eine ganze Anzahl Ton Sprüchen gegen die Frauen vernehmen.
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worauf Markolf triumphirend die Sadie aaf klärt and der Köoig
die Frauen mit einer Menge schmeiehelliafter Sentenzen, welche
diese mit Amen beantworten, entläszt. Da aber MarkoÜ aufs
Neue vom Hofe verwiesen wird, lockt er, indem er in den
iiiFcb geMienen Schnee eine anflkllende Spar macht, den König
an einen Backofen, aus dem er mit dem wenigst ehrbaren
Theiie seines Körpers iierausi^ielit und sagt: „Willt du mich
anter Aogen nicht mehr ansehen, so siehe mär aber in*a A .
Das ist denn doch za arg. Salomen befiehlt, den Narren aaf-
zuliangen. Aber Markolf wcisz sich dadurch zu retten, dasz
er sich die Gnade erbittet, den Baum, an den er geUeakt
werden sollte, ansznw&hlen, and die Diener des Königs mm
im ganzen gelobten Lande hemmffthrt, ohne einen ihm passend
dünkenden Baum zu finden. Da gesteht der König, von Mar-
kolts Bosheit überwunden zu sein, und läszt ihm und seiner
Hausfrau alles Nöthige an Essen, Trinken and Kleidang ge-
wfthren.
Der Markolf ist der nächste Vorwandte des lAilenspiegel,
ohne dadarch weniger originell zu sein. Wenn auch in der
Gestalt, in der das Volksbuch uns ihn bietet, im wesentliehen
durchaus als Deutscher nationalisirt, hat er doch nicht die Be-
liebtheit seines jüngeren Vetters erreiclien können, was am
meisten darin seinen Grund haben dürfte, dasz das Markolf-
buch dne geringe Anzahl leicht zu behaltender und wieder
zu erzählender Geschichten darbot und schlieszlich wegen der
parodischen Behandlung vieler Bibelstellen Viele als blasphe-
misch abstoszen mochte. Auch ist das fiulenspiegeibuch geeig-
neter, das (^emeinbewusztsein der niederen StAnde ins Interesse
zu ziehen, da Eulenspiegel eine Figur ist, auf die sich etwas
einzubilden der Bauer keinen Anstand zu nehmen I)raucht«.
liarkolf dagegen ist zu abschreckend, brutal und schmutzig
geschildert, als dasz dies möglich gewesen wftre. Schliesslich
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— 191 —
sei danuif anfmerksaiii gemacht, dasz das Bach, wie sich aus
der Torstehenden Analyse ergiebt, aus zwei lose yerbtindenen
Beetandtheilen , dem Streitgespräche und einem kleinen l)ur-
kekeo Bomaoe, besteht, welcher letztere in sich gut und euger
ab die Geschichte Bntenspiegels zusammenhingt Die beiden
Bcstandtheile existiren in fmheren Gestalten der Dichtung auch
getrennt, worüber die Literaturgeschichten Auskunft geben.
Eine dritte, dem Eolenspiegel nahe verwandte Fignr,
Aesop, hat schon weiter oben unsere Aoiteerlcsamkdt unter
den aus Ireniden Literaturen in die deutsche herübergenommenen
Snengnissen der Prosadiditnng in Ansprach genommen. Er
ist seiner Art nach dem Sulenspiegel eher nodi nfther yep-
wandt als Markolf, und ihm wird die Prien i tat in dem Knnst-
grifl", auf Gruad wörtlich ausgelegter Befehle Possen zu reiszen,
iqgestanden werden müssen. Wie genau Aesop wieder seiner-
seits mit Markolf verwandt ist, bezeugt schon Fischart in der
Gescldchtklitterung, indem er ersterem den Beinanien des Mar-
kolfischen giebt (Ein- and Verr Bitt BL 5. 6), und dasselbe
flmt der Grilienrertreiber in der Vorrede (BL 5 a.).
Jüngere, aber durchaus nationale Verwandte Bulenspiegcls
sind Hans Ciawert von Trebbin in Brandenburg und Clausz
NaiT fon Altranstädt, mterer gewissermaszen sein rechter Vetter
und seiner nicht unwQrdig, letzterer als ein etwas entfernterer
und degenerirter Mage zu bezeichnen. Die sie behandelnden
Bucher gehen auf wirkliche Personen zar&cL Hans Claweii
Sohn des Peter Glawert, lebte um die lütte des sechzehnten
Jahrhunderts im Brandenburgschen, war ursprünglich Schlosser,
kieb aber nebenbei, darin und in den aus absichtlii liem Misz-
Terstehen abgeleiteten Possen dem Eulenspiegel ähnlich, auch
andere Handwerke, hatte ihm gleichstehende Personen zum
Besten und amüsirte seinen Gönner Eustachius von Schlichen
auf Trebbin und Zassen. Der Homer unseres Helden ist oime
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192 —
Zweifel Bai «lioloinaus Kifiger, Organ'st uiul Stadtschreibor zu
Trebbin, ein Mann, der nicht übel zu ei^klen verstand und
aach als dramatischer Dichter aufgetreten ist Die älteste
bekannte Ausgabe erschien 1587*), dann noch mehrere Male,
anch zwei niederdeutsche Ausgaben existiren. Die 06 Ge-
schichten, welche Krflger mit angefügter Moralisation in Ver-
sen Torbringt, sind zweifellos zum grOszten Theil echt nnd
nrspriuiglich. Ein besonderes Interesse bietet das Buch anch
durch die auf Ciawert zurückgeführten Lügengeschichten, welche
in ihrer Art gut und Vorbilder der erst im XVUL Jahrhnn-
deit nm den Namen des Frdherm von Münchhansen gruppirten
Lügen und Aufschneidereien sind. Münchhausen ist übrigens
nur der berühmteste Name, welcher diese Gattung rein repift-
sentirt, denn ein ftlteres, seiner Geringfügigkeit wegen nur im
Vorbeigehen hier zu erwähnendos Bucli, dor Finkenritter (auch
Polycaip von K'rlurissa) beruht auf demselben Grundgedanken,
den es freilich in der ärmlichsten nnd kindischsten Weise
durchflOirt^).
Um auf den Brandenburgischen Eulenspiegel zurückzu-
kommen, so hat ihm Goedeke mit Becht vor seinem berühm-
teren Vetter nnd Vorbilde den Vorzug der grOszeren Viel-
seitigkeit zuerkannt, seine Späsze sind weniger schadenfroh,
weniger schmutzig und etwas feiner als Eulenspiegels, jeden-
falls ist der Hans Glawert eines der besten wirklichen Volks-
«) Btiiin. 8. — Ferner: 1$89. — Berlin 1590. 8. — Berlin 1591.
8. — 0. 0. 1659. 8. — o. 0. 0. J. 8. — niederdeniseh: 0. 0. 1698.8.
— Erfort 1049. 8.
*) VergL das Cap. IV aber den faher Cantharopolitamis Getagte,
sowie Haupts Zdtsehriftll, 560 nndXIH, 578. Lügengcschichten sind
noch zn finden im Wendnnmnth I, 286. NachtbQehlein I, 15, Garten-
gesellsehaft 118. 119. 120 nnd in Heriog Heinrich Jnlins Comödie m
Vineontio Ladislao Sacrapa.
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— 193 —
b&dier and verdiente mehr Aafonerksamkeit, als er bis jetzt
gd'boden hat.
Dies kann man vom *Claus Narr eben nicht sagen. Der
wirkliche Claus Narr war nicht ein aufgeweckter Bursche wie
Eolenspiegel und Ciawert, sondern ein Narr im doppelten
eng^rn Sinne, von Natur und nach seiner Lebensstellung,
nänüich einer jener Unglücklichen, deren angeborene Schwach-
sisDigkeit mit einem gewissen blöden und kindischen Humor
Terauscht ihnen, Dank der Bohheit der Zeiten,' die Anfinerk-
samkeit groszer Herren und Anstellungen an den Holen als
Jloinarren verschaffte. Claus war ein Baueri^unge aus Altran-
sttdt, welcher die Gänse gehütet haben und dem durchreisen*
den Kurfürsten von Sachsen durch seinen possierlichen Aufzug
aufgefallen sein soll, so dasz dieser ihn mitnahm und seinen
Anhigen gemftsz placirte. Claus war von 14ö6 — 1532 Hofharr
und schon m seinen Lebzeiten in seiner Bpeeialitftt berfihmt,
denn schon Murner und Pauli kennen ihn. Kin groszer Theil
der auf ihn zurückgeführten Geschichten sind gewisz wirklich
authentisch, -vieles ist aus leicht auffindbaren Quellen hinzu-
gefugt, namentlich in den späteren Ausgaben. Die älteste
Ausgabe, welche bis jetzt bekannt geworden, ist vom Jahre
1572 und zu Eisleben in 8^ erschienen*), der Hedactor, der
sicher schon aus eigener Lectüre und Erihhrung Zusfttze ge-
macht hat, war der Pfarrer zu Wolflerstädt M. Wolfgang
Bfittner oder Buttner, der aus/erdem noch eine deutsche Logik
und einige populär theologische Werke geschrieben .hat.
Der China Narr kann auf eine gewisse Bedeutung nur
Anspruch machen, weil er wohl von allen deraitigen Büchern
*) Ferner: Frankf. 1578. 8. — Frkf. 1579. 8. — FnuikC 1587. 8.
- Frkf. 1593. 8. — Frkf. 1602. 8. — o. 0. 1616. 8. — o. 0. 1617. 8.
— £rt 1655. 8. — o. 0. 1657. 8. — o. 0. n. J. 8. — Beilage L zu
dieiein CapiteL
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194 —
das vollstftndigste Bild des Hofbarrenwesens gewShrt und die
Culturgescliichte Interesse daran hat, zu sehen, was man sich
damals an flauen und liipiüschen Witzen genügen liesz, und an
schmatzigen, namentlich der Sorte, die ich abdominale Si»ftase
nennen mOehte, ertrag. Und von diesem Gesichtspnnkte ans
ist auch darauf zu achten, dasz die Kreise, welche Claus be-
lustigte, in denen also auch das ihn verewigende Bach Leser
m finden hoffen dnifte, keineswegs untergeordnete waren, weder
an Bildung noch an Sitte, vielmehr die Kreise, welche des
Hof des Hauptes des protestantischen Deutschlands zum Mit-
telpunkt hatten, dasz der Bedactor des Glaus -Buches kein,
obscurer Schmierer, sondern ein auch sonst als Schriftsteller
thfttiger Geistlicher war, dasz Männer von literarischer Bedeu-
tung wie Mumer und Pauli an Claus etwas fanden. Unsere
- Zeit hat zwar auch Anekdotenb&cher von recht firalem, gen^
losem und schmutzigem Inhalt aufimwdsen, aber sie sind ui
allen Beziehungen obscui' und nehmen iu der Literatui* gar
kerne Stellung ein.
Der oben genannte Grillenvertreiber mag nun zunftchst
an die Reihe kommen, denn er ist kein anderer als das Buch,
welches, um mit Fischart zu roden, von Rathen und Thaten
der vollenwolbeschreiten Schiltbfirger berichtet, freilich nur
eine Bearbeitung des ftlteren ursprünglichen Werkes. „Die
Sehiltbürger" erscliienen nämlich 1598 mit den fingirtcn Namen
des Verfassers M. Aleph, Beth, Gimel und des Druckortes
Misnopotamia, auch unter dem Titel des Lalenbüches, getruckt
zu Lalenburg, sowie als Grillenvertreiber durch Conradum
Agyrtam von Bellemont Frankfurt 1G03. Dem Grillenvertrei-
ber ward ein zweiter und dritter Theil hinzugefügt, welche
nebenbei die Titel „Witzenbürger** (Frankf. lfK)5) und „Hum-
mehr (Frankf. IGOf)) führen. Die Scliiltl)ürger und (hs '
Lalenbttch stimmen übereiu mit Ausnahme der Ortsnamen,
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— 195 —
ohne da8E jedodi der Text des LalenbadieB in der Verflndermig
des Namens Schiida in Laienburg consequent wäre. Es ist
alä wahrscheinlich zu betracliten, dasz die uns erhaltenen äl-
iesteo Ausgaben nicht viel jünger sind als die.£nt8tehmig des
Biidies. Die Namen Scbüda nnd Schfltbfirger mag man anf
Grund irgend welchen Anstoszes, den sie erregt, umgeändert
haben. Der Grillenvertreiber ist eine freiere Bearbeitung.
Alle dm B&cher sind, nach den im XYÜ. Jahrhundert häu-
figm Ausgaben zu artheilen, beliebt gewesen').
Was den Inhalt betrifft, so beruht der ganze Stoff auf
dar m den meisten Nationen und zu allen Zeiten sich finden^
dn Neigung, die Bewohner bestimmter Gegenden und Ort-
ichaften als Träger lächerlicher Eigenthümlichkeiten zu be-
trachten, einer Neigung, die jedenfalls eben so alt ist als das
Bewositsein der Terschiedenen Volker von durch Oertiichkeit
und Lebensweise bedingten GegensätEen unter ihren TheOen,
aiis welchem zahllose Redensarten, Sprichwörter und Geschich-
ten, B&thsel, Gleichnisse Qberall hervorgegangen änd und vom
VoUonmnde aufbewahrt und lebendig erhalten werden, so dass
bei Völkern, welche überhaupt Literatur und Dichtung besitzen,
derartige Motive stets auch in die Literatur, ja sogar die
I) a. 8ehfltbeig«r. Ente Ausgabe: 1598 (nach Weller 1597 Paid
Brachfeld Frkf. a. K. doch. ?gL Goedeke Grnndr. } 173. 6). Femer:
1605. 1614. 1685 (?> o. 0. 1659. 1698. ~ Leipzig 1887. — Berlin
1848. — Reotlingen 1844. b. Laienbach: Lalenburg 1597. S. — 1614.
- 0. 0. n. J. 8. — Stattgart 1839. 8. c. GrillenTertreiber: Frankf.
\m. 8. — Frankfurt 1G05. 8. — Frankf, 1023. 8. — Frankf. 1670. 8.
Nörnberg 1678. 8. d. WitzcnLürrrcr (IL Theil des GriUenvertr.) Frkf.
1605. 1625. 8. e. Hummeln (III. Buch des Grillenvertreibers) Frkfii.
1605. 8. — 1670. 8. Emenert bei Marbach Nro. 4. Eine eingehen*
dere Untersuchung des Verh<iiieses , in welchem die einzelnen Aus-
üben zu einander stehen, wird noch Manches aofitakl&ren haben. Bei-
lage a ra diesem C^titeL
18*
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— 196 —
kftnslerisefa entwickelte Diohiang eingetreteD and, 8ei es als
ansschmlkekende Einzelnheiten, sei es als GrondmotiTe gauser
Dichtungen Der Verfasser eizälilt in der Vorrede, dasz dem
Könige ex teiia.ignota yon den Scbildbflrgern geträumt, worauf
er seine drei Tomehmsten Bftihe, einen Schleifer, einen Heciiael-
Schneider und einen Schlottfeger zu ilmon jreschickt habe.
Die Boten bestanden nicht nur als Redner schlecht, äondem
sie worden auch Zeugen so ausgesuchter Narrheiten, dass sie
beschftmt znrflckkehrten. Was die Abstammung der Sddld*
bftrger betreffe, so sei sie auf von undankbaren grriechischen
Staaten verbannte bedeutende Männer zurückzutühren. Sie
waren vordem so weise und eines so hohen Verstandes, daas
sie von allen Seiten zu Fflrsten, Herren nnd Städten Bathes
wegen berufen wurden. Ihre häufige und dauernde Abwe>en-
heit von Hause rief aber eine so fählbare Niederlage ihrer
wurthschaftliehen Angelegenheiten hervor, dasz ihre Frauen sie
brieflich auf das dringendste zur Rflckkehr aulforderten. In
richtiger Erkenntnisz der üebelstande, die aus ilirer Weisheit
entstanden waren, beschlossen sie nun, sich närrisch anzustellen,
* um die Bath Suchenden abzuschrecken. Dire Verstellung hatte so
ausgezeiclineten Furtijan«;, dasz sie nach und nacli zu wirklichen
Narren wurden. Die erste Angelegenheit, in deren Ausführung
sie ihre neue politische Maszr^l zur Anwendung brachten,
war der Bau eines neuen Bathhauses. Das geftllte und mühe-
voll über einen Berp geschleppte Bauholz trugen sie, durch
das Herabroilen eines Baumstammes auf einen bequemeren
') Goedeke iritbt 173. ein»' Anzalil Städte an, wolclio im Volks-
munde eine rilinliclic Rolle wie SohiMa spielen, und es macht mir be-
sonderes Vergnügen, den Mann, dem ich so viel Bolelirnng vordajike.
dahin berichtigen zu können, dasz Polkwitz in meinem Vattrlande
Schlesien liegt, \vu noch heutzutage dio „Polkwitzer Stückel" (IStreiche)
sprich würthch sind.
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197
Transport aufmerksam gemacht, wieder herauf, um es herab-
zurollen. Das dreieckige Rathhaus ist fertig, aber die Fenster
and Teigessen, mich langer Beiaümng Yersuchen sie, das Licht
in Gefitezen hineinzatragen, denn gerathe es wohl, so sei ihnen
der Ruhm einer feinen Erfindung sicher, gerathe es nicht, so
sei es ihrem Vorhaben der Narrheit halber dienstlich und be-
(pmou Nachdem sie der ürfolg belehrt, dasz ihnen der
letztere Yorthml besebieden war, gab ein LandstreichM* den
Batb, das Dach abzudecken, was sich nur für die schöne
Jahreszeit bewfthrte. Im Winter mnszte man das Dach wieder
kntellen, und die Verlegenheit war die alte, bis man durch
einen Mauerspalt dringendes Licht gewahrte, worauf jeder sich
za seiner Bequemlichkeit ein Lichtloch herstellte. Der beim
weiteren Ausbau vergessene Ofen kommt Yor das Fenster, und
80 ist der Bathhausbau zu Aller Zufriedenheit beendet Ein^
eingetretenen Theuerung des Salzes begegneten sie durch Aus-
Ton Salz auf ein Feld, üppiges Kraut ging auf, der Bann-
wart ward von vier Männern durch dasselbe getragen, damit
er beim Verjagen des Viehes die kostbare Saat nicht zertrete.
Zwar überzeugte sich ein Schiltbürger gelegentlich von der
ScbSife des Salzkrautes, aber das ganze Unternehmen seheiterte
an der Rathlosigkeit der Dorfbewohner, wie sie das Kraut mühen
sollten. Der ihnen inzwischen angekündigte Besuch des Kaisers
in Utopien bringt neue Sorgen, man musz eilig einen Schult-
bfliszen erwählen, und die Wahl ftllt auf den Schweinehirten
als den noch erträglichsten Versifei. Derselbe beweist seine
neue Würde zunächst durch grosze Zerstreutheit und dann
durch den Ankauf eines neuen Pelzes für seme Frau, mit
welchem prangend letztere zwar zu spät in die Kirche kommt,
aber ihre Bescheidenheit dadurch leuchten läszt, dasz sie die
«fih zum Fortgehen anschickenden Bekannten auffordert, sitzen
ZQ bleiben. Der Kaiser, der auf eine der Sdiiltbflrger würdige
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198 —
Weise empfkagen wird, nmunt mit Vergnflgen Ton ihren An*
gelegenheiteii Eenntnnz, erhftlt einen allerdings bei der üeber-
gabe verunglückten Topf mit Senf zum Gescheok, speist mit
ihnen nnter allerhand kemischen ZwischeoftUen, erh< durch
einen Klthselwetlatreit, in welchem zotige Bftthsel mit minr-
fängliclien Auflösungen vorgeführt werden, eine Probe des
Localwitzes, worauf sie ihn noch ihre Bürgerlnst sehen lassen,
eine Katze, der man ein^ Blase mit Erbeen angehängt Ueber
die Todesursachen eines Wolfscadavers gaben sie ein gericht-
liches Gutachten als Probe ihrer Rechtspflege ab und erhalten
einen Freibrief f&r ihre Narrheit Nach d^ Absdiiedsfeste ?ei^
wechseln sie ihre Ftlsze, nnd zwei Banem beschlieszen, ihre fflnser
zu tauschen, wiis sie so ausführen, dasz jeder dem andern
sein Haas stückweise auf sein Grundstück schafft Weiter wird
erzfthlt, wie des Schnltheiszen Sohn Hochzeit machte nnd
was sich Lftcherliches dabei ereignete, wie die Schfltbürger
eine Kuh auf eine Mauer zogen, das Gras abzuweiden, sie aber
dabei erwüiigten, wie eine Schiltbfirgerin mit £iem znr Stadt
ging, anf die ans ihnen zn lösende Summe groeze wirthschaft-
liehe Pläne baute, woniber aber die Eier zerbrachen, wie die
Schiltbürger eine lange Wurst machten und hmge nicht wuszten,
wie sie sie kochen sollten, wie sie ehiem Manne den emea
Berg lierabzuroUenden Mühlstein um den Hals thaten, damit
er ihm den Weg zeige, beide aber ins Wasser rollten, wie sie
emen am Wasser stehenden Nuszbaum trftnkten, wobei einer
den Kopf verlor, wie einer dem andern, weleher einen Wagen
von ihm leiben wollte, sagte, er schlafe, wie ein Schiltbürger
sein Pferd yerlor, wfihrend er dem einheimischen. Kuckuck
sehrmen half,' wie sie ihre Glocken in den See senkten und
eine Kerbe in das Schiß" machten, um sie wiederzufinden, wie
ein Schütbüi'ger meinte, sein Reitpferd habe ihn an den Kopf
gescUagen, als ihn em Bube mit einem Stein geworfen, wie
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199 —
sie einen Krebs für einen Schneider halten, zuletzt aber als
ein gflfihrlidifiB Thier eraftnfen, wie sie dem Kaiser Hil&trappen
sducfcen, wie ein Schiltbürger seinen dreiszigjährigen Sohn m
dfe Schnk geben wollte, wie sie endlich um Grund und Boden
kamen. Sie litten nftmlich durch Mäuse Noth, ein Fremder
forfcanfte ihnen eine Satze, und mit dem hohen Preise sich
sdinell dayonmachend , rief er dem Nacheilenden auf die
Frage, was der Mauahund fresse, zu: Was man ihm
beat Der SchütbOrger yerstand ^ Vieh und Lent'' , ond aus
Fordit Tor dieser Aussiebt sogen sie schfieszüch alle aus
liiiem Dolfe auf und davon und verpüanzten so ihre Narrheit
in alle Lande.
Die Aufgabe, welche ich nur gestellt, macht em genaueres
fingehen anf die Abweichungen, welche die freiere Bearbeitung
des Grillenvertreibers enthält, sowie auf den Inhalt der Fort-
setzungen nicht nöthig. Bemerkt sei nur, dasz sie gegen das
ursprüngliche Schiltbtbrgerbuch nicht unbedeutend abMen.
Dieser Unterschied ist auch dem Publicum meht entgangen,
denn während die Bearbeitung und die Fortsetzungen in der
Folgezeit vergessen wurden, hat sich der Kern m der Volks-
gunst dauernd erhalten« Diese Gunst verdient auch das Schüt-
bürgerbnch mit vollstem Recht. Die oben gegebene gedrängte
Analyse kann von seinen verschiedenen und glänzenden Vor-
tagen eb^owenig eine lebendige Anschauung vermitteln wie
verwässerte Vorf&hrungen einzelner Streiche, wie sie hie und
da immer noch erscheinen. Man kann den Geist und den Stil
Oüsei'e^ Buches nicht besser in Kürze bezeichnen, als wenn
man un Anschlusz an von der Hagens vortrefflichen Ausfüh-
rungen dasselbe ein im Geiste Johann Fischarts geschriebenes
"Werk nennt. Es wäre des gröszten deutschen vSatirikers in
der That nicht unwürdig gewesen, und auch mit dem genial-
sten Humoristen des XVIL Jahrhunderts, mit Grimmels-
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— 200
hausen, zeigt der leider durchaus unbekannte') Verfasser eine
auffiaUende Geistesrerwandtschaft Die Einleitong ist ebenso
passend und glücklich erftinden als der Anfban des Ganzen
einheitlich und gut angeordnet, der Sehlusz geschickt und sinn-
reich^ wir haben ein mit voU£sthümIicher Kunst gedachtes und
entworfenes Werk vor uns. Dem Stoff und der Anlage ent-
spricht die stilistische Darstellang. Die gleichmftszig ftberall
Torwaltende Ironie, die breite und mit Seitens[triingen und An-
spielungen sich oft aufhaltende, aber niemals schleppende and
flberladoie Art zn erzählen, die schalkhafte Grandezza, welche
sich namentlich in der kanzeleiniäszigen Satzbildung geltend
macht, bilden ein Gewana, das «lern an sich duichaus ironischen
nnd parodischen Stoffe ?ortre£dich paszt und einen mit wahrem
Kunstverständnisz arbeitenden Ver&sser yerrftth. Besondm
hervorzuliebcn scheint mir die Ursprüngiiclikeit der Auffassung
des Gesammtmotivs. Als SU^ff lag dorn Yeriasäer nichts weiter
Yor als eine Anzahl von Streichen, deren Gesammtcharakter
oben bereits angedeutet wurde, deren Entstehung n&mlich auf
die Neigung der verschiedenen Stämme, Gegenden, Oi tsclialtcn
zu gegenseitigen Neckereien zurückgeht. Einen anderen, tie-
feren Grundgedanken enthielt der rohe Stoff sicher nicht, weder
den Yon Leuten, die klug reden und nftrriseh handeln, nach
den metaphysischen oder mystischen von tiefliegeuder Verwandt-
•) Er hat seinen Namen auf dem Titel der ersten Aiispabe. welche
mir vorliegt, in einer Weise versteckt, die bisher anderen Bttrachtern
and aach mir gegenüber sich nur zu erfolgreich gezeigt hat. Um
Scharfsinnigeren oder Glttddieheren Gelegenheit zn geben, diese Eigen-
schaften zn zeigen, thefle ich die bezügliche Stelle mit:
H. Aleph / Beth / Gimel / der Festung
Ypsilonbnrger Ämptman.
Die Buchstaben so zu viel sindt/
l^b ansz/wkff sie hinweg gesehwind/
Und was dir bleibt /setz recht zusammen:
80 hastu dess Anthors Namen.
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201
sdiaft der Weisheit und der Narrheit EineD derartigen Ge-
danken hat der Verfasser allerdings hie und da durchklingen
lassen, aber dies ist nicht die Alles belebende Grundauffassung,
darin besteht nicht der eigentliche geistvolle Kunstgriff, womit
er der Darstellung einen, prieltolnden Reis verleiht. Den feinsten
Grift" hat der Verfasser unstreitig damit gethan, dasz er sich
eine bestimmte Art von Thorheit gewählt hat, n&mlich die im
piaktischen Leben sich geltend machende, dasz er diese ans
der Weisheit überaus praktischer Leute hervorgehen und dadurch
die praktische Lebensweisheit sich selber parodiren läszt. Wir
dfirfen uns wohl vorstellen, dasz der Yerihsser ein Gelehrter
voll Geist und Witz war, der sich gelegentlich Über die Super-
klagkeit commuoaler und wirthschaftlicher Praktiker hatte
Sigem müssen,, das wenigstens ist das eigenthümlich scharfe
Saht semer Darstellung, dasz wir fortwährend das schadenfrohe
Schmunzeln des geistvollen Mannes sehen, der einmal die prak-
tischen Leute miszhandeln kann. Die sophistische Weise, durch
wdehe er die absichtliche Narrheit, die ans Weisheit entstan-
den ist, mit der Narrheit, die sich für hohe praktische Weis-
heit hält und die im Leben selber leicht geuug zu studiren
ist, znsammenflieszen litozt, kann man durchweg beobachten,
man liest zwischen den ZeOen: Meine Schiltbflrger wissen sich
als Nanen und handeln als Narren, aber ich kenne andere
Leute, welche sich als grosze VerwaltungS' und Wirthschafts-
praktlker wissen und ganz ebenso handeln. Die Aehnlichkeit
zwischen der Aufi'a.s.sung.sweise unseres Verfassers mit der seines
freilich viel gröszeren Zeitgenossen Cervant<3S ist bereits von
Hagen erwähnt worden und trotz dem Ausruf eines hoch-
berühmten und verdientisn Literarhistorikers aufrecht zu halten.
8ie liegt meines Erachtens in dem soeben angedeuteten Punkte,
in der auch Swift eigenen und den gewandten Satiriker be-
i^chnenden Kunst der Darstellung, wodurch Oegensätze,* ja
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— 202 —
grelle Contraste, einander angenähert werden und die voll-
kommenste Ironie entstelii Wenn Oenfantes den Bitt^ von
der traurigen Gestalt die haarsträubendsten Abgeschmaoktbeiten
in der ernstesten und würdigsten Form, wie sie nur der hoch-
gebildete und geistrolle Mann handhaben kann, mit feierlichen
BedesehnOrkeln and Termischt mit den trefflichste Gedankea
vorbringen hiszt, wenn Swift die Ausgeburten einer ungeheuer-
lichen Phantasie, die allercrassesten Unwahi-scheinlichkeiten im
Tone eines gewissenhaften nnd bis zur Trockenheit genauen
Berichterstatters vorträgt, so machen sie freilidi ihre Sache
unendlich viel feiner, ihre Kunst ist in einem ganz anderen
Grade entwickelt, als wir dies von dem obscoren Deutschen«
der das Schiltbärgerbach geschrieben hat, sagen können. Aber
auf demselben Wege ist unser Landsmann anch gewesen, auch
er hat das Wesen der Ironie tief und klar erfaszt. Er läszt
zwar die Weisheit der zu ihrem Unheil bisher überaus prak-
tisch klagen Schiltbärger durch emen Entsdüusz in eine mr
nächst nur erheuchelte Narrheit äbergehen, aber sofort nach
dem Entschlüsse ist die innigste Verbindung der Contraste
vorhanden, fortwährend die änszerste Narrheit in der Form
und mit der Miene übergroszer praktischer Weisheii Wie
den Schiltbürgern es gegen ihren Willen mit der Narrheit
Ernst wird, so wird es zweifelhaft, ob der Erzähler es mit der
Freiheit jenes Entschlusses recht ernst gemeint, die Schiit-
bürger scheinen ihn im Vorgefühl des Ausbruchs ihrer Nanv
heit zu fassen, um mit Ehren Narren sein und die Miene der
Weisheit mit der Narrheit vereinigen zu können. Der Gedanke,
dasz sie das Hereintragen des Lichtes mit der oben erwähnten
Begründung versuchen, ist ein wirklich genialer, denn das
Verl'aiiren der Schiltbürger ist in der That das Urbild der
Handlungsweise einer Unzahl von Thoren, denen beim ärgsten
Aberwitz immer eine Selbsttäuschung mOglich wird, wobei die
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203 —
Sacbe än Yemünftiges Gesicht bekommt ond ganz praktisch
anssiehi Derartige Zfige müssen meines Erachtens den Yor-
urtheilsfreien umsomelir an Cervantes erinnern, als bei diesem
anerreichbaren Meister der Ironie und unübertroffenen Kenner
menscblidier Thorhdt solche Kunstgriffe weit entwickelter und
klarer vor uns liegen. Davon kann natürlich keine Rede sein,
unser Buch dem Don Quixote gleich zu stellen, aber es mit
ihm SU vergleichen, ist kein £in£Edl, über den Gervinos aus-
rufen dflifke: Was hat man nicht Alles bei uns schon urtheilen
dürfen I Der hochverdiente Mann hätte sich selber einen guten
Theil seiner literarhistorischen Vergleiche ersparen können,
wenn er keinen weniger treffenden und sur Klarstellung der
Eigenthüralichkeit eines Schriftwerkes weniger beitragenden
hätte machen wollen als den unsrigen. Es wird dabei bleiben
müssen, dasz wir in dem Schütbfirgerbuche eine bedeutende
Erschemung bedtzen, ein beachtenswerthes Denkmal volksthüm*
liehen Humors sowohl und iür sein Zeitalter hervorragender
Darstellttngskunst als auch einen Beweis für die schon früh,
beginneode und gedeihlidien Fortgang verhdszende Entwiche-
lui^g der Ghittung, die wir betrachten. Denn wenn auch das
Buch noch nicht in die Bahn einlenkt, welche der eigentliche
Boman zu nehmen hatte, so liegen unter allen bisher betrach-
teten Werken in ihm doch schon die Elemente am deutlichsten
ausgeprägt vor uns, welche in Grimmelshausens Simplicianischen
Schriften zu einer Art von classischer Entwickelung kommen.
Und grade die Vergleichung mit dnem Cervantes musz uns
darauf aufmerksam machen, dasz Deutschland auch in so
trüher, so weit von unserer dassischen £poche getrenntei
Zeit Krftfbe besass, welche unter günstigeren Yerhftltnissen
eh» Classik hatten verwirklichen können, deren Höhepunkt
wir um diej:e Zeit in anderen Literaturen theils schon über-
schiifcken, theila erreicht, theils im Begrifi', erreicht zu werden,
Digitizca by Cjcjü^Ic
sehen. Der weitere Verfolg meiner Arbeit soll, wie ich hoffe,
den Nachweis bringen, dasz, was auf den ersten Anblick als
Wirkung nationalen Miszgeschickcs und als ein groszes Uebel
erscheint, nichts weniger als dies ist, ja dasz die durch so
viele harte Prüfungen und StOnmgen verzögerte Beifb nnserer
Dichtung, das so spate Eintreten unserer Classik, auf das
engste mit der Bedeutung und Grösze unserer deutschen Lite«
rator zusammenhangt und nicht den kleinsten Theil zu der
Ueberlegenheit nnserer jetzigen Bildung beigetragen hat. Frei-
lich werde ich, ehe ich diesen Nachweis wirklich werde fuhren
können, die Geduld meiner Leser noch vielfiftch und hinge in
Anspruch nehmen müssen, noch ist der Weg nichts weniger
als grade und eben, noch das Ziel in weiter Ferne.
£s mag vom Schiitburgerbuche nun genug sein, denn wir
haben unsere Aufinerksamkeit nun einem volksthflmlichen
Dichtwerke in Prosa zuzuwenden, welches einen Gegensatz zu
den nun schon längere Sieit beti'achteten ^schijuptlichen"
Büchern bildet, ja dessen Name schon sich nicht allein für
jeden gebildeten Deutschen, sondern für alle Oeibildeten aller
modernen Nationen mit der Vorstellung der erhabensten und
inhaltsschwersten Dichtung verbindet Der Boman von Dr.
Johannes Fäust ist es, den ich jetzt vonEufÜhren habe. Was
dem Zwecke meiner Ar1)eit eremäsz davon und darüber zu sagen
sein wird, dürtle zur Einleitung die Bitte an meine Leser
nüthig haben, sich durch den Qütheschoi Faust und die eben
erwähnte auf ihn sich stützende Vorstellung nicht allzu sehr
beeinflussen zu lassen. Sonst könnte leicht der Blick für die
Auffiissung der literarischen Thatsache, die uns im Fanstbnche
des XYL Jahrhunderts vorliegt, getrübt und das ürtheil über
die Bedeutung und namentlich den Ideengehalt unseres Buches
irre geleitet werden.
Das älteste Faustbuch erschien 1587 zu Frankfurt am
Digitizca by Cjcjü^I
— 206 —
Ifiun im Verlag des Bachhftndleni Spies. Ans der Vorrede
des Verlegers geht hervor, dasz er ein älteres Buch nicht
kannte, dagegen die Geschichten des Dr. Faust damals schon
seit ¥ieleD Jahren überall umliefen. Spies giebt ferner an,
das Bach Ton einem Freunde in Speier erhalten zu haben,
und der Verfasser, welcher ein protestantischer Theolog gewesen
sein musz, verspricht eine lateinische Ausgabe.
Johannes Fanstne war naeh diesem Bache eines Bauern
Sohn, von Rod bei Wehnar gebflrtig, lernte gut und erhingte
die Würde eines Doctors der Theologie. Doch angeborene
öbele Neigungen und schlechte Gesellschaft brachten ihn auf
Abwege. Er ging nach Gracan, einer durch Zanberei berOhm-
tm Hochschule, wo er bald ihm sehr zusagende Lehrer und
Studien fond. (Dardaniae artes, Nigromantiae, carmina, vene-
fidnm, vaticinium, incantatio.) So wurde er e*n Arzt und
trieb ftrstliciie Praxis, nannte sich einen Dr. medicinae, da er kein
Theologe sein wollte. Sein Fürwitz und seine Leichtfertigkeit
brachte ihn zu dem Entschlüsse, den Teufel zu citiren, und
diesen Plan setzte er in einem dicken Walde bei Wittenberg
ins Werk. Der Teufel machte allerhand Spuk, endlich von
Faust bei seinem Herrn beschworen, willigte er darein, ihm
den andern Tag um 12 Uhr Nachts zu erscheinen. Die erste
Veriiandlmig fikhrte jedoch zu nichts, der Teufel ward von
Paust um die Vesperzeit wieder bestellt. Zwischen drei und
vier ühr erschien nun der Geist wieder und erklärte von seinem
Obersten Vollmacht zu haben, Faust mOge sagen, was er
wolle. Da letzterer Ndgung yerspfirte, kein Mensch zu sem,
«ondem ein l('il)lKiftiger Teufel oder ein Glied davon, so for-
mulirte er seine Wünsche, wie folgt: 1) dasz er auch die Ge-
schicklichkeit und Gestalt eines Geistes haben mochte, 2) dasz
der Geist AHes thun solle, was er begehren werde, 3) dasz
er ihm gehorsam sein solle wie ein Diener, 4) dasz er auf
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— 206 —
jeden Bnf zu ihm kommen solle, 5) dasz er in seinon Hanse
unsichtbar rpfrieren und nur mit seinem Willen dritten Per-
sonen sichtbar werden solle, 6) dasz er, wenn Faust wolle,
nnd in der Faust beliebenden Gestalt zu erseheinen habe. Der
Geist erUftrte sich einverstanden unter der Bedingung, 1) dasz
Faust sein eigen sein wolle, 2) dasz er ihm darüber ni't seinem
Blute eine Yerschreibung ausstelle, 3) dasz er allen christ-
glänbigen Menschen feind sein wolle, 4) dasz er den chrisüichflo
Glauben verleugne , 5) dasz er sich nicht von solchen, die ihn
bekehren wollten, wolle verfuhren lassen. Dagegen wollte der
Tenfel ihm etliche Jahre Ziel setzen, in .denen er alles das,
was er wünsche, haben werde, nach deren Verlauf er aber
vom Teufel geliolt werde.
Hierauf bestellte Faust den Geist auf den nächsten Mor-
gen, be&hl ihm, stets in der Kleidung eines Franziscaners zu
erscheinen und durch den K^ang eines Glöckchens sich anzu-
kündigen. Anf die Frage nach seinem Namen sagte der Geist,
er heiaze Mephostophües. Faust nahm ein Messer nnd liesz
ans einer Ader smner lenken Hand etwas Blut in einen Tiegel,
setzte es aut waime Kohlen und schrieb den verlangten Aus-
weis, m welchem eine Frst von 24 Jahren gestellt war. Durch
die anf der verwundeten blutigen Hand erschdnende Schrift „0
honio fuge" liesz er sich nicht abschrecken. Der Teufel machte
sogleich allerlei phantastischen Spuk, welcher Faust und seinem
jnngen Famulus Christoph Wagner recht wohl gefiel, andi
brachte der Geist allerlei Genuszmittel aus Kflche und Keller
anderer Leute in das Haus, welches Faust in Wittenberg von
seinem Vetter geerbt hatte. Ein vom Teufel gezahlter Jahr-
gehalt von 1300 Kronen schützte vor jedem Mangel an baaiem
GeUlo. Ali) si(h aber Faust verheirathen wollte, widersetzte
sich der Geist und gab seinen Erinnerungen an die gegebene
Zusage dnrdi Thfttlichkeiten Kachdmckf versprach jedoch,
Digitizca by Cjcjü^Ic
— 207 —
ttidarwdtig fOr Befiriedignng der Wollust Fansts ta sorgen«
Anf Fansts Fragen über dämonologische Probleme gab Mepho-
stophiles sehr aualuhrlich Auskauft, die gute Hälfte des ersten
TbeiJs besteht ans phantastischem und dabei geistloseni Unsinn,
wie er damals in den EOpfen spnkte, nnr am Sehlnss findet
sieb der anziehende Gedanke, dasz der Geist, wenn er Mensch
wäre, sich zu flott bekehren zu wollen erkl&rt, worauf Faust
anf einen Augenblick in seiner Abwendung von Gott wankend
wird.
Der zweite Theil erzählt zuerst, dasz Faust Kalender
madite, welche aus leicht erklärlichen Gründen in ihren Vor-
Bossagungen zuverlässig waren« Darauf folgen Gespräche über
astrologische, astronomische und physikalische Fragen. Auf
die m Faust, der traurig und schwermütbig geworden war,
gestellte Frage nach der Erschafiung der Welt gab der Geist
die falsche Antwort, dasz die Welt ungeboren und unsterblich
sei, das menschliche Geschlecht von jeher gewesen u. s. w.
Dem Doctor erschien der biblische Bericht glaubwürdiger.
Auch der Teufel selber erschien ihm nebst den höllischen
Geistern in corpore, deren vornelnnste ihm mit Namen vorge-
stellt wurdm, allerlei wunderliche Erscheinungen und Yer-
wandlangen gewährten ihm viel Interesse. Im ersten der aus-
bedungenen Jahre begehrte Faust die Hölle in Augenschein zu
nehmen, aber Beelzebub machte ihm ein Blendwerk vor. Dar
gegen that er eine wirkUche Fihrt in die Gestirne und im
sechzehnten Jahre eine Reise in allerhand Länder. In Rom
fiel ihm die Aehnlichkeit der dortigen Wirthschaft mit seinem
Treiben auf, auch vollführte er allerhand Possen gegen den
Pabst und seine Umgebung. In KlVln sagte er beim Grabmal
der heil, drei Könige; .,0 ilir guten Männer, wie seid ihr so
iire gereist, da ihr solltet nach Palestina gen Bethlehem in
Jodäa ziehen, und seid hierher gekonmaeu oder seid vielleicht
Digitizca by Cjcjü^Ic
nach eurem Tode ins Meer geworfen worden, in den Rliein-
strom geflOszty za KOln aafge&ngmi und dort begraben worden.^
Allda ist auch der Teufel zn St. Ursula mit den 11000 Jong*-
frawen: sonderlich getiel jra da die scliönheit der Weiber."
Zu Constantinopel erschien er dem Sultan als Mahomet und
beehrte den Harem des Herrschers Iftngere Zeit mit seinem Be-
suche. Den meisten Raum in der Reisebeschreibung fÖUen
allerhand topographische Notizen. Als sich die Reise auch
nach Asien erstreckte, sah er Yon ferne das Paradies. Den *
Schlnsz des zweiten Theiles machen Anf klftmngen, welche Fvuet
auf Befragen anderer Gelehrten über Cometen, Sterne, Geister,
Sternschnuppen und Gewitter giebt.
Der dritte Theil berichtetj wie Faust den Kaiser Karl V.
zu Innsbruck die Gestalten Alexanders des Groszen und seiner
Gemahlin sehen läszt, einem Kittor von des Kaisers Hofe ein
Hirschgeweih auf den Kopf zaabert und die Rache des Belei-
digten durch weitere Zaubereien Tcreitelt, wie er drei junge
Grafen aus Wittenberg nach München zur fürstlichen Hochzeü
führt, der Gräfin von Anhalt im Januar schöne Weintrauben
verschafft und eüi schönes Schlosz zaubert, worin er den Hof
bewirthet und mit allerlei Zauberkurzweil unterhält, ffierauf
folgen Fausts Fasznuchtsspäsze. Monta^-s fuhr er in den Keller
des Bischofs von Salzburg, bannte den Kellner auf einen Baum
und that sich mit seiner Bursch gütlich, Dienstags bewirthete
er seine Gftste mit Speisen und Weinen aller Weltgegenden.
Mittwochs machte er ein Mahl und allerhand Zaul)erspiel,
Donnerstags gab er eine Vorstellung von anderen Gaukeleien,
Sonntags stellte er den Studenten die schöne Helena vor.
Darauf folgt die (beschichte Ton dem Bauern, dessen Wagen-
räder Faust in die Luft flieg<'n machte, dann, wie Fau^t einem
Bauern bei Gotha ein Fuder Heu auffriszt sammt Pferden
und Wagen, denselben Spasz wiederholt er bei Zwickau. Eine
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209 —
imahl betamiikeiier Bauern yerzauberte er, so dasz alle mit
offmen Mäuleni in den Stellungen blieben, die sie grade ein-
nahmen, verkaufte fünf Säue, welebe zu Strohwischen wurden,
such ein Pferd, mit dem es fthnlicli ging. Einem Jaden, Ton
wddiem er Geld lieli, gab er sein abgeschnittenes Bein vom
P&nde, zwölf zankende Studenten schlug er mit Blindheit,
betaste xwei Bauern anfeinander, betrog einen Pfaffen um sein
Brerier, yerschaffte in einem Wirthshanse, wo es nichts zn
essen gab, Hechte und Wein, zeigte sich durch seine Kunst
als guter Artillerist und üng feindliche Kugeln wie Pillen auf,
TerscUnckte einen groben Hansknedit, zeigte sich anderen
Zauberern im Kopfabhauen und Wiederansetzen fiberlegen, hob
einen Schatz, liesz zu Winterszeit in einem Garten allerlei
Gewächs wachsen nnd verhalf emem Edelmann durch Liebes-
laaber zn der gewünschten Brant. Inzwischen hatte ein got*
testui'chtiger alter Arzt von Fausts und seiner Gesellschaft
losem Leben Eenntoisz genommen, berief ihn zu sich nnd
ermahnte ihn mit Beibringnng vieler Stellen ans Gottes
Wort. Faust nahm auch seine Rede mit Dank an, ging
nach Hause und faszte den Beschlusz, sich zu bekehren.
Sogleich erschien sein Geist nnd veranlaszte ihn durch Dro-
hungen imd die Yorstellnng, dasz es zn spät sei, m einer
neuen Versckreibung. Dies war im siebzehnten Jahre, die
Verschreibung ging aof weitere sieben Jahre. Dem gnten
Alten liesz Fänst durch den Geist viel Gepolter nnd Spuk
machen, konnte ihm aber nichts anliabon. Hierauf folgt wieder
eine Geschichte, wie Faust seine Gäste auf Kosten einer ^m-
den Hochzeit^iesellschaft bewirthet, nnd eine andere, wie er
einem Pftiffen den Bath giebt, den Bart mit Arsenik abzubeizen.
Im neiuizehnten und zwanzigsten Jahre seines Vertrags trieb
er Buhlschaft mit teuflischen Succubis und schönen Weibern,
die er ans verschiedenen Ländern sieh verschallte, endlich ün
u
Digitizca by Cjcjü^Ic
dreiimdzwaazigsteii Jahre hatte er die Helena aus Griechen*
land hei sich, welche ihm einen Sohn, Jnstos Fanstos genaimti
gebar. Als er später um das Leben gekommen war« ▼flp-
schwand Mutter und Kind.
Da sich nnn die festgesetzte Zeit ihrem £nde uahete,
machte Fanst sein Testament m Gunsten seines Famiiliis
Wagner. Auf dessen Bitte sagte er ihm auch einen G^eist
Namens Auerliulin, der die Gestalt eines Affen hatte, zn. Die
Nähe der Yeidammmss erpresate ihm die jammervoll^toi
Wehklagen, anf die ihm Mephostophfles mit satanischem Hohn
und Spott antwortete. ländlich erscliien der Geist, übergab
ihm die Verschreibung und zeigte ihm an, dasz der Teufel die
andere Nacht ihn holen werde. Fanst ging an dem Tage mit
semen Gefittirten in das Dorf Rimlich, eine halbe MeHe tod
Wittenberg gelegen, asz und trank mit ihnen und hielt ihnen
in muthigem Tone eine Ahsdiiedsrede, in der er ihnen seia
Ende als abschreckendes Beispiel emp&hl. Nachdem er ob
fortgeschickt, wnrde ein schreckliches Getöse in dem Hanse
gehört, und am anderen Morgen fand man Faustens Körper
gr&ulich zugerichtet aof dem Mist liegend. Er erschien
später noch mehrere Male als Geist
Die durch Göthes Faust auf diesen Stoll' hingelenkte Auf-
merksamkeit der gaozen gebildeten Welt hat zur Folge gehabt,
dasz wir über Alles, was mit diesem ältesten Faostbache mid
seinem hihalte znsammmhängt, gnt unterrichtet sind, dasi
aber auch andererseits die Faustliteratur zu einer ganzen Biblio-
thek angewachsen ist. Hier soll nur, was unser ältestes
Faustbach als Erzengnisz seiner Zeit and besonders seine Stel-
lang zn den schon betrachteten and noch zu betrachteiidMi
Werken verwandter Art betrifft, hervorgehoben werden.
Der unbekannte Verfasser und sein Verleger hatten ao-
zweifelhaft mit der Heraasgabe des Baches einen gaten Griff
V
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— 211 —
gelhttL Bewose dafOr li^lmi weitere Ansgiibeii und Beur>-
beüungen. Schon das Jahr 1587 brachte noch eine neue
Ausgabe'), ebenso 1588, 1589, 1590, IT)})! und 1592. Auch
eine niederdeatsche Ausgabe enöbien Bchon 1588 zu L&beck.
Yen den Bearbeitungen ftllt die ftlteete audi schon in das
Jahr 15872), denn sie wurde 1588 im Januar vollendet, ist in
Beimen nach dem prosaischen Buche abgefaszt und in Tübin-
gen bei Alexander Hock gedrudci Die Yer&sser muren Tfl-
Mnger Studenten, sie, wie auch ihre Verleger wurden bestraft
1594 erschien eine Fortsetzung als „Ander Theil", deren Held
Christ(^h Wagner ist, „durch Fiidericum Schotum^) Tolet:
Jelio zu Paris**. 1598 kam zn Hamburg ein 1., 2. und 8.
Theil heraus, der die Cksdiichten Ton ,,Dr. Johann Fausten,
sampt seinem Famulo Cristophori Wagner vnnd Jacobi Schol-
tm*" bringt 1714 erschien die Wagneigeschidite das letzte
Ifd m Berlin von F. J. M.
') Abgedruckt in Scliciblcs Kloster, wie auch die folgenden Bear*
beitnngen, bcaser in A. Kühne, Das älteste Fanstbucli. Zcrbst 1868.
Kühne bemerkt richtig, dasz die zweite Ausgabe des Jahres 1587 ein
Nachdruck igt. Sie unterscheidet sich von der ersten durch geringe
Veränderungen und Zusiilze. Der Name Spics findet sich nur in der
Unterschrift der ersten Vorrede. Aus dem Jalir 1588 sind zwei Auf-
gaben (des Prosabuches) bekannt, eine gedruckt zu Frankfurt am Mayn
durch Wendel Homm, in Verlegung Johann Spiessen, die andere o. 0.
giebt einen wortgetreuen aber niclit buchstäblichen Abdruck der ersten
AttBgabe von 1587. Die Aus|,'abe von 15S9 ist auch o. 0. Die von
1590 hat den Druckort Berlin und ist ein Druck des grauen Klosters.
Die Ausgabe von 1591 ist o. 0., die von 1592 stimmt mit der von
1590 überein, hierzu kommt noch eine o 0. u. J. Von noch G anderen
Aasgaben, welche Kühne anlülirt, steht nicbt völlig auszer Zweifel, ob.
sie hierher gehören, worüber desselben gründliche Erörterungen S.
XVU ff. nachzusehen sind.
'I Mlz. 1211. Es bleiben hiernach nur die 1. Ausgabe und die
Aüi>gabe von 1590 ünica.
») VergL Kühne 8. XVIU ff.
14»
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212
Eine nach yerediiedeiien Seiten hin erweiterte Behandlung
des Faustromans veii.L^zte Georg Rudolff Widmann, sie erscliien
zu Hamburg in drei Theilen 1599. Er benutzte nicht alleiu
das Spiessche Buch, sondern audi handschriftliche Sammlongen,
ja ftltere Schwankbticher, die ührigens auch schon m der ersten
Ausgabe Stoff gelieiert hatten. So glaubt er sich l)erechtigt,
sich als Herau^her d«r authentischen und voUständigen
Fanstgeschichte zn hetrachten, hemft sich auch aof Zeit-
genossen Fausts und seinen Famulus, den er Wäiger nennt,
und behauptet, das rechte Original in den Händen gehabt zu
haben, ohne dasz an eme wirklich mehr kritische Behandlung
zn denken wäre. Seine Darstellung ist breit, langweilige
Moralisationen unterbrechen die Geücliicliten, unter denen viele
titere Zanbergeschichten freilich ein stoffliches Interesse bieten,
aber das Ganze seiner Form nach nnr noch weniger ansprechend
inaclion , indem sie es mit untereinander nicht zusanmicnhan-
gendea Einzelnheiten als einem blot^zen Ballast überladen. In
diesen ümstftnden dflrften die Grflnde zn Sachen sein, ans
denen Widmanns Faustbuch weniger beliebt wurde als das
ältere, das zwar von derartigen Fehlem auch nicht durch-
ans frei ist Lange Zeit fehlen nnn nene Ausgaben der Faust-
romane, denn erst 1674 erneuerte der Nftmberger Arzt Johann
Nicolaus Pfitzer die Widmannsche Ausgabe, aut die er sich
als auf die erste ün Titel beruft, fugte auch noch nErinne-
rungen, Fragen und Geschichten** hinzu. Dieses Buch wurde
neu aufgelegt 1681, 1H85, 1695, 1711, 1717, 1726 zu Nürn-
berg, 17*26 zu Frankfurt und Leipzig. Die zu Reutlingen
1834 als «Yolksbuch** erschienene Ausgabe in 12^ bietet den
Pfitzerschen Text mit We^^dassung der Widmanschen und
Ptitzerschen Erinnerungen. Endlich ward das Buch durch den
Anonymus, welcher sich den Christlich Mejnenden nennt,
dner beliebten Kfhrze zusammengessog^". Diese Bearbeitung
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— 213 —
gefat aaeh auf die Widmansehe zarQck, Iftsit aber alle Morali-
sationen we^^ Sie erschi* n 1728, und auf ihr beruhen die
später erschienenen Jahrmarktsausgaben.
Die frühe Wandenmg des Fauststoffee auf die englieehe
Bühne und yon dieser, wie wenigstens mit ziemlicher Wahr-
scheinlichkeit anzunehmen, auf die deutsche Volks- und Pup-
peoböhne mag hier den eben angeführten Thatsachen hinzu-
gefügt werden, nm mit änszeren Grflnden die Beliebtheit des
Rrat zu beweisen. Auch aus inneren Gründen läszt sie sich
unschwer begreifen, und mit liecht wird Dr. Faust in dieser
Be&ehiing dem Bnlenspiegel an die Seite gesteUi Enlenspie-
gel wie Faost sind durch und durch deutsche Typen, beide
TOQ hervorragender Bedeutung für den Charakter des geistigen
Lebens jener Zeit und unseres Volkes.
Die Vorstellung yon Menschen, welche mit bösen Geistern,
mit dem Teufel Bündnisse schlieszen, sich ihm zu eigen geben,
am dadurch Vortheile zu erlangen, ist in verschiedenen Zeiten
und bei Tersehiedenen Nationen vorhanden gewesen, war aber,
wie ans der Blüthe des Hexenwesens im XV., XVI. und XVn.
Jahrhundert ersichtlich ist, diesen Zeiten ganz besonders
geläufig. Schon von dieser allgemeinsten Grundlage der Faust*
dichtnng musz behauptet werden, dasz sie bei den Germanen
nach deren ganzer Begabung einen besonders günstigen Boden
finden mnazte. Der Teufel w&re trotz den Elementen, welche
die vorchristlicbe Religion unseres Volkes zu seinem Bilde
lieferte, und trotz seiner gesicherten Stellung auch in dem
von aus/.en kommenden Christenthume nicht zu einer so be-
hebten Figur der Sagen- und Mäichenpoeaie wie des Aberglau^
bens unseres Volkes geworden, wenn nicht die geistige Ur-
anlage der Deutschen der Ausbildung dieser gegebenen Elemente
günstig gewesen wftre. Dem sorgfältigen Beti'achter des
Geisteslebens unseres Volkes kann nicht entgehen, dasz unsere
Digitizca by Cjcjü^Ic
— 214
Yerwandtsohaft mit unseren mdogermsnischen Tettm am Gan-
ges meist sehr deutlich zu Tage getreten ist, wo die Gelegen-
heit gegeben war, dasz der Verstand mit der Phantasie eine
in bedenklidiem Grade enge Freundechaft achliesien konnte,
nnd diese Gelegenheit ist immer dann yorbanden gewesen,
wenn das uns eigenthümliche starke Selbstgetülil von einem
denurtigen Bündnisse seinen Vortheil sah. Daher die Mjstik
mit ihrer maszlosen YergOtüidmng des Menschen, daher alle
die Versuche , Unerreichbares zu erreichen , Unerkennbares zu
erkennen und Unaussprechliches auszusprechen« die eine ganze
Beihe ?on edlen Bl&then dentsehen Geistes nur zu sehr kenn-
zeichnen, daher anch die Neigung, den Pürsten der BXXLe zn
sich in Beziehung zu setzen, einen unverächtlichen Gegner für
geniale Uehermenschen, dnen Bandesgenossen, dessen geheim-
niszvoU schanerliches Wesen den Phantasten sich selbst nnd
den phantastischen Betrüger Anderen in einem liöchst inter-
essanten Lichte erscheinen liesz. Auch der Humor, der sich
so oft inneriudb des dentsehen Aberghinbens mit der Tenfels-
vorstellung verbindet, ist grade ein Beweis, wie tief das Inter-
esse des Volkes an dieser Vorstellung war, denn der Humor
ist das Zeichen, wie sehr sich der deutsche Geist bei dar Ans-
bfldnng gewisser Ideen geftUt, wo er spielt, handelt es sieh
immer um etwas besonders Beliebtes und Interessantes.
Das den deutschen G^t in dieser allgemeinen Grundlage
des FftnstmotiTS sdion Anmnthende wurde nun aber noch ge-
steigert durch individuelle Züge. Faust ist nicht blos ein
Zauberer, er ist Gelehrter, Doctor der Theologie und Medido.
Es bedarf kdner Worte, um darauf hinzuweisen, dasz grade
das XV. und XYI. Jahrhundert, der Humanismus und die
Beformation den Grund zu den eigenthümlichen Zuständeo
legten, welche uns Deutschen den Namen des Volkes T<m Ge-
lehrten zu Wege gebracht haben. War doch unter den die
Digitizca by Cjcjü^Ic
— 215 —
Coltar repriUentireoden höheren Ständen der Stand der Gelehrten
der einiige, welcher die Einhdt der deatachen Nation darstellte,
waren doch die Gelehrten jener Zeit eben so wirklich national
gesinnt wie im Besitze der gröszten Achtung des Volkes. Man
erinneie sich, dass die grOszte Zierde des deatschen Qelehrten-
staodes, Lother, zugleich der ürheher der widitigsien poli-
tischen Bewegung, ein Volksmann im vollsten Sinne des Wortes
war. franst war Luthers Standesgenosse, genog Empfehhu^
ftr seme Zeit, um ihn interessant na machen und semen An-
spruch auf poetische Verklärung wenigstens kräftig* zn Qntei>-
siützen.
Faost ist aber nicht nur als Gelehrter eine durchaos
popnlftre Figur, sobald man ihn yon dem Standpunkte der
fieformationszeit in Deutschland betrachtet, sondern er iät auch
ab nganzer Kerl*' vom stadentischen Gesichtsponkte ans eine
specifisch deutsche Figur. Man kann ihn mit den Eunst-
uusdrücken sowohl eines „urgelehrten Hauses" als auch eines
«orüdeien Hauses"" belegen. Wer weisz nicht, dasz der Durst
hl allen deutschen Landen das beliebteste Uebel ist, die Fer-
tigkeit in seiner Bekftmpfiing in gewissen Kreisen Ansehen
verleiht? Gehört nicht noch heutzutage nach Vieler Ansicht
eine ungewöhnliche Leistungsfähigkeit nach dieser Bichtung
hm zu den Kriterien akademischer Bildung? Und audi em
.,gemüthliches Haus" war Taust, stets von „guten Gesellen"
ond wackeren Zechern umgeben, ihnen und ihren Gewohnheiten
bis lum Tode treu, nur, um vom Teufel geholt zu werden,
trennt er sich von seiner „Bursch''. Der durch geistige Ge-
tränke befruchtete Corporations- und Freundschafts-Idealismus
m stttdsDtischeii Kreisen mit semen barocken und oft klein«
Heben Formen „mit wenig Witz und viel Behagen"" mochte
einem Göthe so weuig gefallen, dasz er seinen Faust in einen
entsohiedenen Gegensatz dazu treten und sich durchaus ablehnend
Digitizca by Cjcjü^Ic
— 216 —
dagegen verhalten lääzt, aber der Faaät des alten Faustbucbes
fühlt sieh jeden&lls in diesem Etemenie wohl, und dieser ihm
dnrchans wesentiiehe Zog ist ebenso zdtgemfiaz wie echt
national.
Aach der Zug, dasz !Faust eines Bauern Sohn ebenso wie
Enlenspiegel ist, dürfte dazn beigetragen haben, ihn beliebt zn
machen. War doch das sechzehnte Jahrhundert auch ein goldenes
Zeitalter abenteuernder Emporkömmlinge, und in Geschichten
▼on Parrenns si^t non einmal jeder, der es werden möchte,
die Bürgschaft, es werden zn können. Endlieh darf hier noc^
das unstäte Wanderleben, wie der Doctor es wenigstens zeit-
weise in phantastisch vergröszerter Ausdehnung führt, als ein
der Zeit zusagendes und popnlftres Merinnal der Fanstfignr
bezeichnet werden. Freilich musz nicht übersehen werden,
dasz den Kern der Dichtung das dämonische Element bildet,
nicht sowohl in individaeiler und tieferer f assong, sondern m
seiner Allgememheit. Dr. Faustus ist ein Teufelskerl, das macht
den Faust unseres Buches in erster Linie interessant, ohne dasz
daran hrgend welche Moral oder eine tiefere metaphysische Idee
geknüpft werde. Die vom Yer&sser damit iUnstnrte M<»al,
dasz Hochmuth und Genuszsucht den ^lenschen dem Satan in
die Hände fuhrt, ist ein schriltsteüerisches Mittel, den bedenk-
lichen Stoff weniger anstOszig zu madien, dasselbe YerfiihreD,
welches Schüler in dem bekannten Xenion gekennzeichnet hat,
welches die Zimperlichkeit tausendmal jeden Tag anwendet,
wenn sie eine schmutzige Geschichte mit der JECedensart: »Non,
was es doch für sehlechte Menschen giebt!"* emleitet
In dem eben Gesagten habe ich die wesentlichen Züge
der Faustdichtung dargelegt, wie sie uns aus der ältesten Ge-
stalt, in der sie veiöffentlicht wurde« entgegentreten. Jeden-
falls waren die Hauj^tsachcn, war die Figur des Faust schon
einige Zeit vor der Abiassung des Buches, schon am Aolaoge
Digitizca by Cjcjü^Ic
— 217
des XVI, Jahrhanderto, in DeutscUand in mündlicher Erzfth-
]ttig, ja wohl auch schon schriftlich aufgezeiehnefe lebendig.
Was die Entstehung dieser lebensfähigsten Gestalt der neu-
bochdautachen Poesie betrifft, so ist es nnter irüheren ähnlichen
Sagm nnd Legendi nnr die von Theophilns, von der eine
Einwirkung auf die Gestaltung des Faust mit Sicherheit zu
behaupten ist, weil die Theophüusgeschiehte dem Verfasser des
Erastimchee nnd einem grossen Theile seines Pnblicnms nn-
iwdfelhaft bekannt war. Wer aber behaupten wollte, dasz
der Dr. Faust dem Theophilus seine Entstehung verdanke,
würde verkennen, wie nahe liegend das ganze Moti? dem Mit-
ielalter nnd der erwachenden Neuzeit lag, was grade dnroh
die weite Verbreitung der Theophüusgeschiehte und das Vor-
kandensein ähnlicher bewiesen wird. Es kann als Grundsatz
ao^l^esteUt werden, der Ar einen Enndigen und Vorurtheüs-
treien keines Beweises bedarf; Je weiter verbreitet poetische
Stoffe sind, je gröszer die 2ahl der stoftiich von einander
schembar abhängigen Gestaltungen der Poesie ist, desto mehr
ist anzunehmen, dasz sie unabhängig von einander entst^n
konnten.
Nicht zu übersehen ist, weil es zur Charakteristik des
Fkust, mit dem wir hier zu thun haben, gehlVrt, dasz der
Faust des XVI. Jahrhunderts nicht blos weniger tief uutgefas/.t
als der Göthes, Klingers, Lessings, sondern dasz auch die
Qrprianus" nnd Theophilus-Legende grOszere metaphysische
Tiefe und stärkere religiöse Empfindung ftr sich hat, so dasz
unser Faust die allgemeinste und einfachste, um nicht zu
sagen oberflächlichste, Verwendung des Motivs von dem Bunde
mit dem Teufel aufweist. Es darf aber behauptet werden,
dasz der Faust ungleich weniger popiiliir geworden wäre, wenn
der Verl'asser, anstatt die Anschaulichkeit und Greübarkeit
setiier Figur durch die oben von mir gezeigten mit dem
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218 —
dämonischen Moment nicht wesentlich zusammenhängenden
Individaalzflge henusteUoD, dem Helden durch bestimmteie
und mehr beeoadere Ftorong jenes Moments wie darch ein-
gehendere Entwicklung des psychologischen Problems die er-
forderliche Plastik verlieben hätte. Der unbefangene Beobachter
wird nicht umhin können, grade in dieser Wendung einen sehr
interessanten Beweis zu finden, wie tief in der Literatur des
XVT. Jahrhunderts der Zug zur entschieden volksthümlichen Aut-
fassung aller poetischen Motive lag, er wird erkennen, wie der
einer Zeit einmal eigene und charakteristische Geschmack seinen
Stempel auch solchen StoiFen aufeudrAcken weiss, weldie sehr
verschiedenen Völkern eigen und sehr auseinander liegenden
Zeiten interessant gewesen sind, denen man daher mit Becht
eben allgememen menschlidien Kern zuschreiben mag. Nur
sollte man sich dabei, wie nicht immer geschehen, erinnern,
dasz zwischen einem Stoff, einem allgemeinen Grundmotiv, und
einem Erzeugnisz der Dichtung em sehr groszer Unterschied
ist, der Unterschied zwischen abstraoter Möglichkttt und oon-
creter, anschaulicher Wirklichkeit.
Bisher ist nur von dem Charakter des Helden des Fausi-
buches, wie er im Qeiste seiner Zeit lebte, die Bede gewesen,
aber die persönlichen Absichten des Terfiissers dieses Buches
decken sich keineswegs vollkommen mit dem Gehalt des Stofi'es,
wie er ihn aus dem Geiste seiner Zeit und der frisch sich
bildenden Sage — wenn dieser Ausdruck hier nicht miszYer-
standen wiid — auihahm. Er hat mehreres liinzugetiian, was
dem Stoffe durchaus nicht wesentlich zugehört. In erster Reihe
gMti hierher seme Gegnerschaft gegen den Eatholicismus,
die sieh flberall» wo es ürgend geht, geltend macht, denn der
Faust ist ebenso absolut confessionslos wie der Teufel selber,
wenn ihm auch die Tradition als einen Protestanten sich dar-
stellen Itot, da er in Wittenberg lebt und gegen den Papst
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wie gegen die 11000 Jongfraaen eineii besonders starken
Widflrfpfllen ußgik, üebrigens mnsB gesagt werden, dasz die
Polemik keine ungeschickte ist, denn das Mönchsthum, der
Cölibat, die ßeliquienverehrung werden gewandt genug in die
Gteehichte selber hineingeiogen. Mepbostophiles mnsz als
lAhieh mshdnen, andi das ihn mikOndigende GlOoUein ist
wohl das dts Meszners, die Ehelosigkeit ist ein vom Teufel
besonders betonter Paragraph des Contractes, Faust spottet
nicht als eifriger Lutheraner, sondern als Freigeist über die
Heiligen nnd Beliqnien. Dasz auch die warnende Moral un-
seres Buches, welche sich in den späteren Bearbeitungen immer
mehr erweitert, als ein Beiwerk anzusehen ist, ist schon ge-
sagt worden. Auch dar viele geldirte, geogr^ihische, nament-
lidi fheologisehe und damonologische Kram ist Beiwerk und
stört den Eindmck des Gunzen. Das Buch ist überhaupt in
fiezBg auf seine Anordnung weit roher als das Schiltbfligerbuch,
' eine ebheitUdbe Handlung ist gar nicht beabeicbtigt, in den
langen Gesprächen steht die P^rzählung ganz still, das Interesse
an der Person wird kalt, der letzte Theil mit Ausnahme des
Schhuses ist eme völlig aiomistische Anh&ufung von Ueinai
Geschichten. Somit nähert sich das Buch den bloszen Con-
glomeraten von Anekdoten und Facetien, es ist hauptsächlich
nur der Beschafienheit des Stofi'es nach melir ein Ganzes als
die lacelienbflcher und flbeihaupt kaum mehr als Bulenspi^gel.
Was eme emheitliche Handlung darstellt, also was das Budi
einem wirklichen llomane ähnlich macht, ist vom Verftisser
aus der Tradition abemommen. Der gelehrte Dr. Faust
schlieszt aus Hoffiihrt und Oenuszsucht eroen Bund mit dem
Tenfel, büszt seine Lust, wird aber vom Teufel ins ewige Ver-
derl)en gerissen. Das ist freilich ein ßomanmotiv, aber der
Verfasser hat daran nichts erfunden, nichts zu seiner £nt-
wiekelang gethan, vidmehr durdi Beiwerk und atomistische
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Stofiaufliäufang eher gehindert, dasz es zur Geltung hätte
kommen können. Er konnte nur den guten edht epiaeheo
Kern nicht ganz nnkenntUoh machen, wfthrend der YerfiisBer
des Schiltbürgerbuclis es verstanden hat, einen an sich viel
mehr in £inzelnheiten zufallenden Stoff epischer Einheit und
Entwiokelnng fiUiig zu machen. Von den spftfteren Beaibei-
tungen sei nur gesagt, dasz sie in dieser Beziehung nichts
ändern. Auf die vou ihnen gebotenen an sich nicht uninter-
essanten Einzelnheiten einzngehen, würde mehr in einfir Gte*
schichte des Aberglaubens als hier der Ort s^.
Aus älinlichen Gründen darf ich in Bezug auf die Person
des historischen Faust mich mit einigen kurzen Andeutungen
begnügen. Sie spielt in der Frage nach dem literarischeD
Charakter and der Entstehung dee eben besprochenen Fanst-
buches nicht entfernt eine solche Rolle, wie die Person des
Eulenspiegel in der Frage nach der Vor- und Urgeschichte
des Eulenspiegelbaches. Indessen gehört die ErUarung hierher,
dasz meine Auffassung der Fausttradition rieh zwar nicht auf
die Annahme gründet, da:>z der historische Faust tniher ge-
lebt und seine Solle gespielt habe als in den dreisziger Jahren
des XVI. Jahrhunderts, doch aber die allmfthliche Bildung der
poetischen Figur des Volksbuches und namentlich die Anhäu-
fung des sehr bunten Stoffes um dieselbe besser mit der an
sieh selbst wahrscheinlicheren Annahme eines höheren Alters
der Person Fknsts stimmt Dasz hierbei der berühmte Brkf
des Trithemius für mich entscheidend ist, wird dem Kenner
der sehr weitschichtigen Faustliteratur, auf die ich nicht näher
emgehen kann, ohne weiteres einleuchtend sein.
Doch nehmen wur nnn yon Dr. Faust Abschied, um ihm erst
im XVIII. Jahrhundert wieder zu begegnen, und gönnen wir dem
ewigen Juden, der wenigstens eine gewisse Groszartigkeit der Idee
und das Dämonische des Stoffes mit ihm gemein hat, einen Udnen
Digilized by Goügl
— 221 —
Fiats neben ihm. Aach hier ist, wie bei Faust, ansdiHeklich
daramf aufmerksam zu machen, dasz wir es mit dem Vollre-
buche, welches um die Scheide des XVT. und XVII. Jahr-
hunderts entstand, za thun haben, nicht aber mit dem, was
sonst ans dem Stoffe gemadit worden isi Dasz der letztere
uralt und orientalisclier Herkunft ist, hatGräsze nachgewiesen'),
von OQäerem Yolksliuche aber sagt Görres sehr richtig: „Im
Qamai ist nor die Idee poetisch bianchbar und aaeh von A.
W. Sehlegel m seiner Bomanze trefflieh benntzt, das Oesdireibe
selbst aber ohne allen Werth und Zweck". Wenn wir diesem
ürtheile noch hinzufügen, dasz der Vei-fasser des Buches oder
doeh der gangbarsten Bedaetion sich Chrysostomns I>ndulftns
Westphalns nennt, dftrfle genug gesagt sein, um nnnmehr
noch einen Blick auf eine Gattung von Unterhaltungsbüchern
zu werfen, welche ursprflnglich auf der Grenze von beleh-
nnden nnd poetischen Schriften stehen, aber doch diese Grenze
mm Theil nach der letzteren Seite hin so weit überschreiten,
dasz sie hier nicht unerwähnt gelassen werden können.
leh meine die ältesten Beiseromane, die Anfinge einer
Qsttong, welche wir m allen Perioden der Entwickelnng des
Romans antretten, die wir aber im XVIII. Jahrhundert in
einem ganz besonderen Flor finden werden. Die wichtigsten
der mi Mittehüter Yom Auslände her bei nns eingef&hrten
Bdsebeschreibnngen, von denen wenigstens die des Manndevllle
ganz und gar zu einem Eoman geworden ist, sind bereits weiter
*l Dr. J. G. Th. Gräsze, Der Tamihäuser und der ewige Jude.
Zweite vielfach verbesserte Auflage. Dresden liSlU. Dies erste von
(iräi-ie nachgewiesene deutsche Buch vom e. .T. ist Haii^/fii 1601. 1.
erschienen, wegon der anderen, deren Verhültnisz init«T einander noch
nicht hinroiiluMid klar gestellt ist, verweise ich auf Griisze, Goedeke
uud Weiler, da ich deren Angaben nicht in £inklang zu bringen ver-
ng.
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— 222 —
oben im YorfibergeheD erwfthnt worden. Hier ist dieser Art
▼on Bflehem ihre Bedeatang für den besonderen Gesehmadr
grade unseres Volkes zuzuweisen und die Beschaffenheit der
ältesten unter ihnen an dem hervorrni^^endsten, dem Herzog
Emst, nachzuweisen. Das Bach vom Heraog Ernst kennzeich-
net sieh dadurch als ein echter Boman der Eindheitspenode
unserer Gattung, dasz es einen auch in versificirter Form nn'hr-
fach behandelten Stoff vorträgt, wenn es auch unmittelbar auf
dne latemische Prosa zurftokgefati). Sem Inhalt ist in der
verbreitetsten Bedadaon folgender:
Emst war der Sohn des alten Herzog Ernst aus Baiera
und Oesterreich und der Adelheid , König Lothars Tochter.
Kaiser Otto heunthete Adelheid nach dem Tode ihres ersten
Mannes. Der Pfalzgraf Heinrich verleumdete Ernst beim
Kaiser, woraut Emst jenen in Gegenwart des Kaisers ermor-
dete. Infolge hiervon muszte er mit sdnem Freunde, dem
Grafim Wetselo, das Land rftnmen. Sie wallfhhrteten ndt
einander nach Jerusalem. In Ungarn sowie auch in Constan*
tinopel wurden sie gut empfjangen. Von hier aus mit Schiffen
▼ersehen gelangten sie, nachdem sie mit ihrem Gefolge toq
Bittem und IKenem auf der 8ee grosze Oe&hr bestanden, in
das Königreicli Agrippa, wo sie Leute mit Kraniehköpfen zu
bek&mpfen hatten. Hierauf trieben sie an den Magnetberg,
') Sie ist von Haupt in seiner Zeitschritt Bd. VII, S. 193 ff.
herausgegeben, lieber die übrigen Bearbeitungen vergl. Herzog Ernst.
Herausgegeben von Karl Bartsch. Wien 1869. Hiernach beruht das
gedruckte Buch auf der etwa um 14(X) gefertigten deutschen Prosa,
welche der lateinischen in der Münchener Handschrift boigegfben ist.
Drucke: o. 0. u. J. (Augsb. A. Sorg) fol. — o. 0. u. J. (Stra^zb ) fol.
— 0. 0. u. J. (Augsb. A. Sorg) fol. — o. 0. u. J. (Augsb. A. Sorg,
mit dem Schildtberger u. St. Brandau.) fol. — Nürnb. u. Augsb. o. J.
— 0. 0. u. J. 8. — erneuert Suir. Vb. LH, 4. Marb. Nro. 34. — Vgl.
Görres Nro. 12. — Bartsch giebt den handschriftlichen Text.
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«
— 223 —
fOD dem sie nur mit vier Dienen In Hinte genftht und von
Gieifen geraubt loskamen. Mit einem Flosz MTen sie dnreh
einen hohlen Berg und kamen in das Land Arimaspien, wo die
Qydopen wohnen. In dieees Land fielen die Sdopodes ein,
wddie ihren einzigen aber sehr breiten Fnes ab Sonneneohirm
benützrii. Ernst schlug sie wie auch die Pannochi mit den
lang herabhängenden Ohrlappen. Darauf kamen die Riesen
an der Gegend yon Canani, nm aach von dem Hersog Emst
gaehbgen za werden, einen Ton Ihnen nahm er der Merk-
wftrdigkeit halber mit sich. Jetzt ging es nach Indien, wo
die kleinen Leute wohnen, welche stets mit den Kranichen
Streit haben, iimst besiegte die Vögel nnd erhielt Ton dem
dankbaren EOnige swel Pygmäen geschenkt. Daranf leistete
er dem christlichen Könige von Mohrenland gegen den heid-
machen Herrscher von Babylon Beistand. Nachdem er den
letiteran ge&ngen und einen Friedensvertrag zustande gebraeht
bitte, erhielt er von ihm Geleit nach (dem damals christ-
lichen) Jerusalem. Von da fuhr er über Bari und Rom wieder
nach Dentschhuid, wo ihm von seiner Mntter beim Kaiser
Veigebong auc^fewirkt wurde.
Jacob Grimm hat sich in einer Recension der deutschen
Gedichte des Mittelalters von v. d. Hagen und Büsching»)
vorfaraffiich nnd flberanxs lehneieh Aber die Dichtung vom Herzog
Snst geinseot nnd ihr den Charakter msr Nationaldichtnng
abgesprochen. Das bleibt ohne Zweifel bestehen, aber dennoch
ist der Herzog Emst ein fftr die Entwickelungsart unserer
Literatur wie Ar den Ursprung nnd die EigenthOmlichkeit
der Gattung des Romans auf deutschem Boden sehr bezeich-
nendes Erzengnisz. Denn der Trieb, fremde Länder kennen
^) Heidelberger Jahrb&cber 1809. Grimms kleinere Schriften Bd.
IV, Seite 22 fL
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zo lernen, m es aach nur dmek Bflcher, in denen mehr Auf*
Mendes als in den entfernten Gegenden selber gefunden wird,
ist ein stehender Charakterzug unseres Volkes und die letzte
Ursache einer groszen Menge von Literaturprodacten. Und
ebenso ist die Vorliebe ffir gelehrte und Entlegenes nahebrin-
gende Notizen, die als Ouriosität ein besonderes Merkmal der
deutschen Literatur des XVII. Jahrhunderts wird, tief in un-
serer Yolksthümlichkeit begrOndet Ein Beweis hierför ist,
dasz von dem Stoffe unseres Volksbuches nicht weniger als
acht verschiedene Bearbeitungen vorhanden sind, und wenn
überhaupt, besonders aber im XVI. Jahrhundert, unser Buch
nicht mehr viel gedruckt worden zu sein scheint, so liegt
dieses theils an der damals schon yielfiieh vorhandenen besseren
Leetüre, theils an der zunehmenden Aufklärung, infolge deren
wir die dem Ht'rzog Ernst ähnliche Eaise des Biundanus,
welche weniger Unterhaltung als Erbauung bezweckt^ schon
um den An&ng des XVII. Jahrhunderts in Gabriel Bollenhagens
indianischen Reisen verspottet sehen. Gar nicht hierher ge-
boren die sich in einem alten Druck mit Ernst und Brandanus
zusammenfindenden Beisen des Schildtbergeis, wdl sie wirkliche,
wahrheitsgetreue Reisebeschreibungen sind, die, wie noch manche
andere derartige Bücher des XV. und XVI. Jahrhunderts, eifrige
Leeer &nden und oft gedruckt wurden. An ihnen konnte die
oben bezeichnete Neignng Genflge finden, ohne in einer wenig-
stens in geograpliischen und naturhistorische u Kenntnissen
etwas fortgeschrittenen Zeit sich durch gar zu ai*ge Phan-
tastik abgestoszen zu fühlen. Hierdurch dürfte auch die Ur-
sache angedeutet sem, weshalb der aus des Johann von Wfirz-
bürg Gedicht in Prosa aufgelöste Wilhelm von Oesterreich nur
einmal gedruckt ward Auch die mit Sagen vermischte und
0 Angsb. A Sorg. 1481.
Digilized by Goügl
— 225 —
in nrd Beaibeitiuigen, emer mnfitti^eheii und dner Udneren,
TOlliaiMlene Geschichte Barbarossas*) gehört zu den Schriften
äfrr Anfangsperiode des deutschen Eomans, welche historisclie
Tfaatsaohen oder gei^phisohe Notueen mit Pliantastik yer-
hsoim. Wir werden in spftteren Zeften sehen, dasz Irir in
diesen Büchern £leraente haben, welche in der Geschichte des
BoBBttB ZU groeaer Bedeutong gelangten^). naag das
HÜMT sie 'Cfesifgie genügen, mii das VorbandenBem dieser Ble-
mente schon im ausgehenden Mittelalter nachzuweisen.
Beilagen zu Capitei Y.
I.
Aua Glaus Harr. Frankfurt 1579.
Der dritte teil/
Nim beginnt Glans in seiner Thorlieit/die sehtocht Ynnd
nin ist /zu Kunemmen / Deriialben irerden seine Worte vnd
Schwencke k&rtzweiliger / vnd zn guter Lehre auch dienstlicher
^ Soedeke Gnmdr. S. lie. Dan WtlWr M IL 8. 807.
Der Ton EtiMr Marimfliait entwoifoit vnd von teineiii Geheim*
idireiber Haz TrelnaiierwdB 1518 auifearbdteto Wein-König gehört
hOchfteiii in diese Anmerlniiig, da er In der Zeit seiner Enisteliiuig
fir keine BoUe gespielt hat imd «nt 1775 (Wien fol.) gedrackt wer-
dm ist Bb ist niehto als ein» CkMehiebte Maiitiiliana nnd selnee
TileiB, nur daai alle Sigeananiii veribidert sind. OMhurdi eneMit
er als ein Yorlftiifer vieler heroisch -galanten Bomane» welche, wenn
liekt Geaehiehte, so doeh Geaehiehten ihreir Gegenwart In iknlleher
V«kllfaiag dalbieten.
15
Digitizca by Cjcjü^Ic
— 226 —
ALS man za Hofe die Murtinsgans goHsen / sprach einer:
Claus /wir haben Sanct ^Faiiin seine Gansz vorzohrot / ■vnnd
ein fr\it Miithlein gehabt* Claus antwortet: Was haben wir
jhm dafür gegeben? Antwort: Er wolte nichts haben /Fund
bat sie nns gescbencket. Clans sprach: E7 wohin /so solte
man den ^ten GeseUen auch darzu gebetten haben / ein andere
fahrt bette er vns noch eine gescbencket /£r hette laam gnog
am Tische za sitzen gehabt
Lehre.
Sihe doch / vnd lerne woi hieran /
Danckbar zn seyn/der dir hat than/
Sem Freondtschafit andi an dich gewand/
Bin Narr ist der /der nicht drumb danckt.
Wer nicht wolthat vnd gunst verdient/
Den acht ich gleich seyn einem Bind.
Keller znschliessen.
Nach der Martini Gansz / erleubte der hoclil6bliche Gi.
F. dem Hofegesinde zn zechen / vnd frilicb zn seyn / vn sprach
zn Clausen: Diesen abend willen wir den Most allen ansz-
triiicken / vnd nicht ein Glaszlein lassen voll vlirig bleilien.
Davon lieff Claus zum Kellner / vnd sprach : Nimb die Schlüs-
sel / ynnd lege dich schlaffen / sie w&Uen diese Nacht den Most
allen ansztrineken / mache du zn/vn kehre dich an niemand/
man musz morgen auch ein TrAncklein haben.
Lehn.
Wer rAthlich ist / aufflicht vnd spart /
Der find vnd hat / wonns vbel jart
Vnd wenn man alles durch verschwend/
Schlegt man die Zoen dann in die Weod.
Digilized by Google
— 227 —
Vnd kompt/dasz man bedarff/auch borg/
Vor ¥08 nieht eiiier ist der soigt
Der First theUet das newe Jar atisz.
Der Durch. F. theilet den Hofedienem das newe Jar ansz /
fü be&hl/dan man froffi vnd trew were. Da fragt Glaus
sein Gl. F. G. Lieber sagt mir/ wie offt kompt das newe Jar/
in einem Jare? Der Fürst sprach: Es k6mpt nur einmal in
emem jare. Da sprach Glans: Das ist Üa dich gut /sonst
wenn es ftffter kirne /so mistestn auch 6fEter anstheUen / vnd
wurdest nicht viel behalten.
Lehre.
Sey nicht zu mfld/anch nicht zu karg/
Triff rechte masz / die ist nicht arg.
Wer gibt vnd geud in tag hinein.
Der hat viel Leut die Freunde seyn/
HeiTiach wenn er bedarff/vnd darbt/
Man spricht /du hast das dein vernairt.
Dmmb halt an dich/s^ nicht zu mild/
Wer weisE was noch der Weitzen gilt?
Glaus wü nichts zum newen Jar haben.
Der First sprach: Claus wir wttlen dir auch das neuwe
Jar geben / sage doch / was wiltu haben ? Claus fraget wider:
Warumb wüt du mir das newe Jar geben? Man antwortet
jhm / Dasz du auch froffi vnd gehorsam seist / wie andere trewe
Hofdiener. Desz lachet Glans /vnnd sprach: So solt du mir
nichts zum neu wen Jar geben / ich wil sonst wol froiii seyn /
Ynnd mich nach dir richten / dieweil du es ja so wilt haben /
dasz man solle froffi seyn/md sich in deine weise richten.
15*
Digilized by Google
— 228 —
Iiebni'
Am FAnterirefe stehts nkfat w«l /
An dem man freundtscliafft kauflfen sol.
Wer nicht ist from/man sehende jm cUknn/
Dir ist emi ziemilidi Christen Hium.
Vnd Glaus ist weit zu loben mehr/
Denn der ein Gabenfresser wer.
IL
Aus dem Schiltbürgerbuche. Misnopotamia 1598.
Wie die Sehfltbftiger BahtseMugen/das Idedit m {hr Baüi-
hausz zu trägem
ALs nun der-beetbmnete Bahts Tag iLonunen/enchienen die
Schiltbftrger fleissig / also dasz keiner anssblieb / dann es jlmen
allen gegolten / vmid setzen sich. Es hat aber jeder ein an-
gezunden Liechtsi»an mit sich gebracht / vnnd denselben / nach
dem sie nider gesessen/ anff sein Hut gesteckt /damit sie inn
dem finsten» BahtlMHiflz- einand^ sehen /Tnnd* der Sdmltes
einen jeden inn der ymbfrag k6nte seinen Nahmen vnnd Titul
geben. Da nn die gemeine vmbirag gethan wurde/ wessen
man sieh um f&rgefoUenem handel znyerhalten/ fielen viel
widerwertige Mejmnngen: wie gemeinlich inn zweiffelichen
Hindeln pflegt zugeschehen.
Vnnd als es sich schier ansehen Hess/ als wdte das merste
werdto/ ddSE* man den gantEen Btew wider anff den Boden ah^
brechen / anff ein newes auffP&hren / vnnd besser sorge haben
solte: trat einer / welcher wie er zuvor vnter allen der aller
Weiseste gewesen / also wolt er jetrand als der aller tborecb»
tigste sieh erzeigen / berühr / vnd sprach : Er habe in wirender
seiner Weiszheit / ehe er sich derselben verziegen / ofOtmaln
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fpeUti/dM iMii d«ndi'Ex«Dipel vmd Beyspiel viel lehren/
lernen vnd ergreiffen k6nne. Daher dann der Aesopus seine
Lehren durch Fabeln / in gestalt knrtzer Historien / för Augea
sieUe willen. Soldiem nadt/ wdle er aadi ein Geschieht er-
iden/so dd) mit seiner lieben GrosnaratterGrosmtters Braders
Sohns Frawen begeben vnd zugetragen habe.
Meiner Groszmutter Groszvatters Bruders Sohn/Vtis ge-
luiBsen/h&iet aiiff eme Zeit Ten einem/ dasz er sagt: Ey wie
tM die BepMner so gat: Hastn dan geessen / spi-ach meiner
Groszmutter Groszyatters Bruders Sohn /dasz du es so wol
weist? Nein saget der ander: Aber ee hat mirs einer vor
^aStiig Jaien gesagl/deesen Groemmttor Grosmtter sie Inn'
»iner Jngendt hat sehen von einem EJdelmann essen. Ausz
anlasz solcher rede/stiesz meiner Groszmutter Grosvatters
Broders Sohn ein Eindbettem gelost an/dasz er gern etwas
gntes essen michte saget deshalben zn semem Weibe/Ydena
geheissen / sie solte jm Küchlin bachen : dann Re|thiiner k6nt
er nit haben /so wüste er bessers nicht /als Kachlin. Sie
aber/als deren was das Batterhifelin vermAgens wehre besser
«Is jme bewnst gewesen / entschnldiget sich: sie ktnne jm
ausz mangel desz Butters / Auckens oder Schinaltzes (wie du
will) auff disz mal keine Küchlin bachen / bäte jhn derowegen
bin anif ein* andere Zeit der Efidilinr halb gednldt zn haben.
Aber meiner Groszmutter Groszvatters Bruders Sohn hatte
biemit keine Küchlin geessen / vnd seinem Gelüst nicht gebüsset/
wdte sieh mit so sohlechtem/Mageran/Dftnem/Trockenem/
lagesalfeenem vnd VDgeschmallEGenem beseheit/nidit ako schleoht-
lieh abweisen lassen / sprach derowegen nachmahln : Wie die
Saefa jmmer beschaffen were/das Auckenhafelin belangend/
»sdte sie sehen /dasz sie jhm Küchlin baehete: vnd bette
ae nicht Bntter oder Schmaltz / so solte- m es mit Wasser
versuchen. Es thuts nicht/ mein Vtijj/ sprach die Fraw Vdena:
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— 230 —
ich selbst wolte sonst so lange nicht ohne Eüchlin gebliebea
seyn/weil ich mich das Wasser nit heite bedaoren lassen.
Da weist es nicht / sprach melnor GrosznraUer Grosmtteis
Bruders Sohn / weil du es niemaln versuclit liast. Versuche
es erstlich: vnd so nicht wil gerahten / magst du alsdann wol
sprechen /es thoe es nicht.
Mit dnem Wort zusagen /wolte meiner Grosmmtter Gross-
vatters Sohns Fraw ruhe haben vnnd zu frieden seyn / so müste
sie dem Mann seines begerens halber williahren rhüret der-
wegen emen Eftchlin tegrg an/gantz dftnn/als ob sie wolte
Streublin bachen / setzet ein Pfannen mit Wasser vbers Pewr /
vnd mit dem Teyg darein. Mit nichten aber wolte es sich
schicken /es wolt sich eben gar nit zusammen wallen /dass
Eftdüin daransz wurden / dieweil der Teyg im Wasser zer>
flösse / vnd ein Musz oder Brey darausz wurde : dar« ib die Fraw
zornig / der Mann aber leidig ward. Dann sie sähe / dasz die
Arbeit/Holtz ?nd MÜ/desz Wasserbutters yngeachtet/ verloren
wehre: so stondt meiner Groszmater Groszratters seligen Bru-
ders Sohn darl)ey / hielt einen Teller dar / vnnd wolte das erst-
gebachene Küchlin also waim ausz der Pfannen geessen haben/
waidt aber betrogen. Bots kramet schem dich/sprach meiner
Groszmutter Grosmttere Bruders Sohns Fraw / guck / hab ich
dir nicht gesagt /es thue es nicht? Allzeit wilt du recht
haben /vnnd weist doch nicht ein dinglin darumb/wie man
Eftchlin bach§ solL Schwqrg mein Vdena / sprach meiner
Groszmutter Groszvatters Bruders Sohn / lasse dichs niclit ge-
rewen / dasz du es versuchet hast. Man veisucht ein ding inn
so viel wege/bisz es zuletzt gerahten musz.
Ist es schon diszmals nicht gerahten /so gerahtets etwan
ein andeimal. Es were ja ein feine nützliche Kunst gewesen/
wan es vnget'übr gerahten wer. Icli mein wol ja / sagt meiner
Groszmutter Groszvatters Brudm Sohns Fraw: ich wolte selbs
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aile tag Eftdüin geessen haben. Dasz ich aber spraeh der
dbgemelt Schiltbürger / diese geschieht auif vnser vorhaben
ziehe: Wer wei^z ob dz Liecht vnd dor tag sich nit in einen
Sack tragen iiesse/ gleich wie das Wasser in eine Eymer ge-
tragen wird. Vnser keiner hats jemaln yersacbt: dammb wo
es euch gefeit /so w6lln wir dran stehn. Gcrliatot es /so
haben wir allzeit vmb so viel zum besten /vnd werden als
erfinder dieser Kunst grosses Lob damit erjagen.
Oehets aber nicht ab /so ist es doch m vnserm yorhaben
der Xurrey halben gantz dienstlich vnd bequem.
Dieser Eaht geüel allen Schiltbürgern solcher massen/
dasi m beschlossen /solchem in aller ^le nachzukommen.
Kamen derowegen nach Mittag /da die Sonne am besten ge-
schienen / bey dem Eyd gemahnet alle für das newe Rhat-
bausz/ jeder mit einem Geschirre / damit er vermeint den Tag
rafiasen vnd hinein zntragen. Biliche brachten auch mit sich
Bickel/ Schauffein /Kirste/ Gab ein viul anders /auif ein fürsorg/
damit ja gar kein fehler begangen wurde.
So bald nun die Glocken eins geschlagen / da solte einer
sein Wnnder gesehen haben /wie sie alle angefangen haben
zuarbeitten. Etliche hatten lange Sacke / licssen die Sonne
drein scheinen bisz auff den Boden / knüfften jn dann eilends
zn/vnnd lieffen darmit ins Hausz/den Tag auszzuschütten.
Ja sie beredete sich selberst/sie trüge an den Sicken viel
schwerer / als zuvor da sie lihr gewesen Andere thoten oben-
deszgleichen / mit anderen verdecketen Gefessen/als H4fen/
Eessehi/Zftbern/vmid was dergleichen ist. Emer lüde den
Tag ein mit einer Strogabeln in ein Korb / der ander mit einer
Schauffein: etliche grul)en jn ausz der Erden herfür. Eines
Sehiltborgera soU sonderlich nicht vergessen werden / welcher
vermdnt den tag mit einer Mauszfollen zufongen/vnnd also
mit gewalt zubezwingen / vnd ins Hausz zubringen. Dasz
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I
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ichs kurtz mache: jeder hielte sich da /wie sein närrischer
Eopff 68 jhme an vod eingab.
Solchs trieben sie denselben gantcen tag /weil die Sonne
geschienen / mit solchem e}fer vnnd ernst / dasz sie alle darob
ermüdeten / vnnd Yon Hitee schier verlechten vnnd erlagen.
Aber sie richteten mit soleher aibeit eben so wenig «oss/als
vorzeiten die vngehewren Biesen /da sie vil grosse Berge zn-
hauffe ti'ugen/ vnd den Himmel zustürmen vermeinten. Darumb
sie dan letzlich sgprachen: Kon wehie es doch ein Isyne Eonst
gewesen /wans genhten wen». Also sogen m ab/md liatten
dennoch disz gewonnen / dz sie doiliten aufts gemeine Gut
hin zum Wein gehen / vnd sich wider erquicken and erlaben.
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Sechstes CapIteL
Anfinge eines deutschen Original-KnnstiomaDS
durch Qeorg Wickram. Johann Fischart.
Wir haben in den drei letzten Capiteln den gröszten Theil
der Prosadiclitungen betrarlitct. welche dem deutschen Publi-
emn des XV. und XVI. Jahrhanderts als Unierhaitangslectüre
dienten. Ehe wir uns nun zu dem literarisdien Ereignisz
wenden, welches am Ende des XVI. Jahrliundcrts einen durch-
greifenden Umschwung begründet und auf lange Zeit die Rich-
tung des bei weitem nmiiuigreichsten Theiles unserer Gattung
bestimmt — ich meine den Eintritt der Amadis-Romane In
die deutsche Literatur — ehe wir uns mit der Beleuchtung
dieser sehr weitschichtigen und Toluminösen Erscheinung be-
fiissen können, haben wir noch die schriftstellerische Thfttigkeit
eines Mannes eingehender zu würdigen, der in dem vorliegen-
den Buche jedenfalls einen hervorragenden Platz verdient, und
nicht Mos deshalb, weil er bisher vielleicht ftberhaupt zu wenig
beaditet worden ist Dieser Mann« ist Georg Wickram von
Colmar.
Um auf die Bedeutung Wickrams grade für die Ent-
wickehmg des deutschen Bomans das erforderliche Licht fiiUen
m lassen, dftrfte es nOlhig sem, uns des Ümfangs, namentlich
le
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— 234 —
aber der Beschaffenheit der bisher betrachtetea literanscheo
Erscheinungen von einem vorwiegend formellen Gedchtspnnkte
aus kurz zu orinnerii, von einem Gesichtspunkte, der auch
schon für die üruppirung des im IIL, IV. und V. Capitel be-
handelten Stoffes maszgebend war. Wur betrachteten zuerst
die nmfangreichen nnd ausgefahren Prosadichtungen, die
eigentlichen Bomane und Novellen, sodann die Schwankbücher,
Sammlangen > oft äusserst bunte Gonglomerate, kleiner nnd
kleinster Geschichten, denen sich hie und da um&ng-
reichere Erzählungen ganz äuszerlich und fremd beimischen.
Wir sahen, dasz alle eigentlichen Romane importirtes Gut
waren, ebenso die wirklichen Novellen, der Inhalt der Facetien-
bücher zeigte sich in Hinsicht auf die Herkunft der verschie-
denen Stoftelemente ebenso bunt wie in anderen Beziehungen.
EiDheunisches und Fremdes^ Altes und Neues, ur^rflnglich
VolkstihllmUches und Angeeignetes fknden wir in sehr mani^
fachen Mischungsverhältnissen untereinander gemengt Im
fünften Capitel endlich stellten wir Alles zusanunen, was bis
in die zweite Hälfte des XVI. Jahrhunderts yon ganz eeht
deutschem und unserem Volke unzweifelhaft zugehörendem
Stoff in Werken der Prosadichtung verarbeitet wurde, mit
anderen Worten die Bücher, denen eigentlidi allein die Be-
zeichnung „deutsche Volksbücher** im vollen Sinne gebührt
Wenn die im vierten Capitel besprochenen Facetienbücher im
Ganzen in Hinsicht auf ihre nationalen Quellen zwisohen den
vom Auslande entlehnten Bomanen und Novellen einerseitB
und den Volksbüchern rein deutschen Ursprungs andererseits
in der Mitte stehen, so bilden letztere wiederum in Hinsicht
auf ihre formelle Einheit ein Mittelglied zwischen den Sdiwanfe-
Sammlungen und den Komanen und Novellen, da sie wenig-
stens in den Personen der Helden jenen gegenüber eine gewisse
Einheit fiMthalten, eine Sinfaeitt weilte sieh bei allen weiter
Digitizoa by LiCJO^Ie
— 235 —
ak lof 4m bkaen Namen entredil Aber grade das ist m
betonen, dasz es in keinem dieser Bücher zu dem Grade der
£mheit der Handlung, der Begebenheiten und der Charaktere
kmunt, wie sie ^ französiBcheD fiomane vand die italienischen
KofeUen aufweisen. Es war desbalb n(H;faig, nns bei dem
Siegfnedbuche etwas aufzuhalten und es aus der Reihe der
iüteren Volksbücher zu streichen, weil sich sonst das Ergebnisz
der bidiflrigen Untersttchang liel weniger rein herausstellen
virde. Dieses Ergebmss isi, dasz wir eigentii<die Bomnie nnd
NoTellen bisher nur unter den aus der Fremde eingeführten
BAchem gefunden haben, was nach Stoff und Form deutsch
ist, sfeebt anf einer niedrigem Entwickeluigsstafe der Knnsb*
fbnn. Dasz mehrere der echt deutschen prosaischen Volks-
bücher sich der Stufe, auf der die importirten iiomane in
dieser Beaehung stehen, annähern, macht nichts ans, auch das
SdiStbfiigerinicfa nnd das Fanstbncfa sind doch nur Aneinander-
rnhmigen einzelner Geschicliten , wenn auch das eislere sehr
geschickt gruppirt ist und das letztere in seinem Stoße selbst
eine bedentende Anlage tu wirklicher Einheit der Idee nnd
der episdien McÜYe besitai Man wende auch nicht ein, dasE
das Buch vom Wigoleisz und der deutsche Prosa-Tristan Auf-
Itenngen aus deutschen Gedichten seien, sie wären nimmer-
mehr gemadit worden, wem sie nicht den üebersetEnngen
tos französischen Prosaromanen ans guten Gründen so ähnlich
gewes^ wären wie ein Ei dem andern.
Bs wird mit Becht einem Historiker scharf nnd mit
einigem Misztnuien anf die Fmger gesehen, wenn er die Nei-
gung zeigt, nicht allein zu erzählen, was sich begeben liat,
sondern auch zu beweisen, dasz es so kommen muszte. Trotz-
dm aber kann die Behauptong aufgestellt werden, man müsse
gegen IGftte dee XVL Jahrhunderts damnf gekommen eem,
das zu thnn, was Wickram that, nämlich eben solche Ge-
le •
Digilized by Google
— 236 —
schiebten za verfasseii, wie die aus dem Fruiizozischen über-
iseizten fiomane waren, ohne nach fremden Vorlagen za greifen,
oder mit anderen Worten, den dentschen Original-Eanstroman
zu begründen. Allerdings will ein Umstand beacbtet sein,
der einerseits beweist, dasz dieser Gedanke doch nicht so nahe
]ag, wie er nns za liegen sehdnt, and der eben dadnreh die
Bedentsamkeit des Schrittes, den der bescheidene Stadtschreiber
untornalim, erhöben wird. Es bedarf keines Beweises mehr,
dasz der Charakter der Ton ans im dritten Capitel betrachteten
Bomane ein miitelalterliclier ist, dasz diese ^ze Gattung,
abgesehen allein Yt)n ihrer prosaischen Form, noch ganz und
gar in der mittelalterliehen epischen Kunst wurzelt. Nun ge-
hört es aber zu dem Wesen der mittekilterlichen £pik, da9z
der Dichter die Stoffe nicht erfindet, sondern findet, sei es in
der Sagenwelt des eigenen Volkes, sei es in den Sagenkreisen
der Fremde, sei es in dem Legendenschatz der Kirche, in ge-
schichtlichen ürinnernngmi oder sonst wo. Stoffe za Enfihlangeo
ans dem Leben zu greifen ist modernes Verfahren, und dämm
ist die italienische Novelle, sofern sie dies mit Vorliebe thut,
weit moderner als die ihr gleichzeitigen Bitterromane. Lang-
sam and in keinem Werke ganz ToDsttadig sehen wir in den
französischen Ritterromanen die Abhängigkeit von der Kunst-
übung des eigentlichen Mittelalters sich lösen, und wir werden
sehen, dasz Wickiam wdt mehr that, als bisher in den fran-
zösischen Bomanen geschehen war, wir werden s^en, dasz er
in seinem bedeutendsten Werke einen bürgerlichen Familien-
roman lieferte, ein Unternehmen, zu dem ilun jede Vorlage
fehlte and welches in der That bisher onerhOrt war.
Bs liegt nicht in meiner Absicht, die Erscheinung Wick-
lams, den ich mit Bedacht den bescheidenen Stadtschreiber
genannt habe, za der eines groszen Mannes and meine Ajof-
tonng seiner Sdniftstellerei dadordi za einer grazen Bnt-
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237 —
deckimg aufzubauschen. Er war in der Thai zu seinem Berufe
als Bomanschreiber weit weniger mit nm&ssender Bildong and
wobl ancb weniger mit bedeutenden geistigen EigensebaAen
ansgerüstet als Heinrich Steinhöwel und Niclas von Wyle,
seine wichtigsten Vorarbeiter. Die viel günstigere Zeit ailän
war die Ursache, dasK er mit seiner Thfttigkeit weit entscbie-
dener in die Entwickelung der deutschen Prosadichtung ein-
griff. Ohne Zweifel aber verdient auch seine Person und seine
üterariscbe Thfttigkeit flberhaapt, dasz wir dabei einige Zeit
TerweQen, ehe wir uns znr genaueren Betrachtung semer Tier
eigentlichen Romane wenden.
„Es ist", sagt Heinrich Kurz mit ßecht, ..ein trauriger
Beweis von der Gleichgältigkeit der deutschen Gelehrten gegen
die hämische Literattfr, dasz wv von den meisten Schrift-
stellern der früheren Jahrhunderte keine oder sehr nothdürftige
Nachiichten haben."')
Wir wissen allerdings, dass die Wiokramsche Familie un
Elsasz, namentlich in unseres Wickram Geburtsort Colmar, sehr
verbreitet und nuch angesehen gewesen ist. Auszer Jörg
Wicknun sind noch nachweisbar Yincentius, Conrad, Peter und
Gregoiins Wickram ^. Welchem Manne dieses Namens zu Ehren
') In der Einleituiip zn der Ausgabe des Rollwagenhik-hleins.
Auszer dieser Einleitung ist über Wickrara zu vergleichen Dr. Kienlen.
Ein Colmarcr Dichter aus der Mitte des 16. Jabrbanderts in den
Elaässischen Neujahrsblättern von 18-4G. S.
*) Dieser (iregorius Wickrani wird von Ignaz Hub in seinem
Buche „Die komische und humoristische Literatur der deutschen
Prosaisten des sechzehnten Jahrhunderts. Nürnberg ISofi" mit Georg
Wickram verwechselt und letzterem deswegen die Uebersetzung der
„Biecher Vincentii Obsopei, Vonn der kunst zu trincken*' zugeschrieben.
Das Hübsche Buch ber&hrt sich vielfach dem Stoffe nach mit dem vor-
liegenden und enth< sehr umfangreiche Proben, seiner ganzen Be-
(dukffenheit nach aber konnte es mich nirgends fördern und ist nur
vH grooer Vorsicht zn benutzen, Yergi auch Kurz S. YL, Anm. %
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— 238 —
aber die Wicknungasse za Colmar so heiszt, steht nicht fest
Ebenso wenig ist bekannt, wer Jörge Vater gewetsn, nnd
wenn auch aus der häufig wiederkehrenden Bezeichnung „von
Colmar'^ mit ziemlicher Sicherheit auf seinen Geburtsort ge-
schloesoi werden kann, so fehlen doch andi hierftber noeh
nrkondlicbe Beweise. Von sdner Brziehnng nnd Bfldnng Itat
sich nach seiner eigenen Aeuszerung in der Zuschrift des Ovid
nnr etwas Negati?eB sagen, nämlich dasz er nicht lateinisch
yerstand. Dass er ein Handwerk gelernt habe, wie Goedeke
vermuthet, möchte ich mit Kurz kaum für ausgemacht halten,
wenn auch feststeht, dasz er Meistersänger war. Diese letztere
Thatsache ergiebt sich ans sdner eigenen handsehiiftlichen
Bemerkung in dem der Eönigl. Bibliothek zu Mönchen ge-
hörenden Meistergesangbuch, wonach ei* dieses Buch im Jahre
1546 am Thomas-Tage zn Schlettstadt gekauft nnd an dem
darauf folgenden Weihnachten die erste Schule (Sitzung der
Meistersängergesellschaft) abgehalten hat. Als Stifter der Col-
marer Schule bezeichnet ihn eine handschriftliche Bemerkung
▼on Hans Sachs in dnem anderen auch in Mönchen befind-
lichen von Wickram abgeschriebenen Liederbucbe. Von Wiek-
rams Lebensstellung wissen wir nur, dasz er Stadtschreiber zu
Burgheim war, ob dieses Burgheim aber das im EQsasz oder
das im Badenschen gewesen, Ist nicht festzustellen, die dahin
zielenden Versuche von Heinrich Kurz führten zu keinem
Besultat. Derselbe bemerkt über Wickrams Todesjahr: „Wenn
Jörg Wickram gestorben ist, Iftszt sich nicht ermitteln, so
wichtig es wäre, sein Todesjahr zu wissen, weil sich zum Theil
daraus entnehmen liesze, welche Ausgaben seiner Werke von
ihm besorgt worden sind. Der Buchdrucker Thiebold Berger
von Straszburg hat ihn in der bei ihm erschienenen Ausgabe
des Tobias vom Jahre 1562 als verstorben bezeichnet, ich
Yermuthe, dasz er früher gestorben ist, vielleicht schon Ende
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— 239 —
1556 oder 1557, weil keine einzige seiner Schriften nach 1557
in enter Ausgabe eisoheint, während seine Haupithätigkeit
gerade in die i&nfinger Jahre fiUlt^^ Vielleicht bringt ans die
von Goedeke in seinem Gangenbach S. 597, Anm. '2*2 in Aus-
sicht gestellte Monographie über Wickram, von der Kurz mit
Beeht beklagt, dasz sie noch nicht erschienen ist, noch yer-
schiedene Aufschlüsse, die Hauptarbeit aber bei der Feststellung
der äuszeren Lebensumstande unseres Schriftstellers musz den
sfiddeatsohen Gelehrten zageschoben werden, da sich selbst-
▼eniändlich hier nur durch die spedellste Localforschang
helfen läszt.
Umfangreicher und deutlicher ist das Bild, welches wir
ans über Wickrams Schriftstellerei zu machen im Stande
sind. Dem dramatischen Fache scheint er sich zuerst zuge-
wandt zu haben. Hierher gehören seine „Zehen Alter^* eine
Ueberarbeitung des gleichnamigen Spieles von Pamphilus
Gangenbach, gespielt von der Oolmarer Bürgerschaft 1531,
gedruckt zum erstenmale im Jahre 1533, ferner die beiden
Faaznachtsspiele „Das Narrengieszen*^ (gedr. 1538) und n^er
trew Eckart'^ (gedr. 1538), das Spiel vom „Verlorenen Sun^^
(gedr. 1540) und der „Tobias^' (gedr. 1551). 1539 veröffent-
lichte Wickram ein Loosbuch, eine damals beliebte und meist
harmloser Unterhaltong dienende Spielerei, deren Abkömmlinge
und Abarten bis auf unsere Zeit ihr bescheidenes und obseures
Dasein als Punktir-, Orakelbücher u. s. w. fristen. 1551 er-
schien eine Bearbeitung des Ovid des Albrecht yon Halberstadt
Mehr didaktischer Art sind der „Dialogus von der Truncken-
heit'' (0. J.) „Der Jrr Reitend Bilger'\ (1550) eine Zusam-
menstellung von moralischen Betrachtungen in Versen, die
^ßkhea Hauptiaster^^ (1S56), kleine prosaische Erz&hlungen
meist aus der Bibel, und die „Narrenbeschwerung" (1557).
¥mi von Wickrami> VVerkeu gehören der Gattuug an,
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— 240 —
welcher dieses Bach gewidmet isi, das Bollwagenbllclildn und
die vier Koiiiane Gabriotto und Reinhart, Der jungen Knaben
Spiegel, YoQ guten und bösen Nachbaurn und Der Goldtüaden.
Wir haben es, das sehen wir jetzt schon, mit einem rflstigen
Schriftsteller zu thun, und zwar mit einem, dessen gesammte
Tliiitigkeit sich als populäre ünterhaltungsscliriftstellerei be-
zeichnen läszt Diejenigen seiner Schriften, welche am ent-
schiedensten diesen Charakter an sich tragen, also dieselben
fünf Werke, welche uns am meisten interessiren , sind auch
die beliebtesten und verbreitetsten gewesen. Das fioUwagen-
bflchlein beschftftigte uns im vierten Gapitel, wir gehen daher
jetzt vor allen weiteren Bemerkungen an seine Romane.
1. Gabriotto und Reinhart erschien zuerst im J. 1551')
zu Straszburg bei Jacob Frölich in 4« Der vollstftndige Titel
lautet: Ein SchJne vnd doch klagliche History / von dem sorg-
lichen anfang vnd erschrocklichen vszgang / der biinnenden
liebe /Nemlich vier Personen betreffen / zwen Edle Jfkngling
von Parisz / vnd zwo schiner junckfrawS vsz Engelandt / eine
des Künigs Schwester / die ander eines Graffen tochter. Allen
junckirawen ein gute wamung fast kurtzweilig zu lesen.
Der Inhalt ist folgender. Zu der Zeit, als in Frankreich
der gewaltige und tyrannische König Ludolffus regierte, ward
ein armer Mann bei demselben ßüschlich verklagt und sollte ohne
alle Verantwortnng getödtet werden. Ein wackerer Ritter an
des Königs Hof wagte es, diesem Vorstellungen zu machen,
') Bei Goedeke, Grnndr. Ö. 370 fehlt die Jahreszahl, welche sich
aber auf dem letzten lUutt des der Brcslauer Stadtbibliothek pehören-
don Exemplars in römischen Zifforn befindet. Auch Kurz setzt in
seiner Angabc hinter l')51 ein V Weitere Ausgaben erschienen zu
Frkf. a. M. o. J. - im Buch der Liebe 1587. — o. 0. u. J. (Nürn-
bertx. Endter.) — o. 0. 1563. — Niederdnitsch : Ilamborch bei Her-
mann Mollern 1601. Nach Gervinus III. 167) auch unter dem Titel:
„Der UQbcsonncncu Jugend Arzueis^iicgel^' o. 0. u. J. (im XVIL Jahrb.)
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— 241 —
der Köni^,' ;iber gerieth hierüber in solchen Zorn, dasz er dem
tnffliehen Gernier Tom Hag gebot, biimeii Monatsfrist das liand
ZQ Terlassen. €Fernier setzte seinen sechsehnjährigen Sohn
GabriüttOf einen scliönen und wohlgesitteten Jüngling, von dem
verbftDgnisiETolleQ Vorgänge in Eenntmsz, worauf dieser es als
selbstrersiftndlich erklärte, dasz er mit seinem Vater in die
Verbannung gehen werde.
Gabiiotto begab sicli nach der Unterreduag mit seinem
Viter zu seinem Freunde Beinhart, und dieser entschlosz sich
sogleich, mit den beiden auszuwandern. Obgleich der König
inzwischen anderen Sinnes ward und Gernier durch Versprechun-
gien zorückzuhalten sieh bemühte, reisten der Bitter and die
beiden jQnglinge doch, nachdem sie ihre bewegliche Habe
verkauft hatten, ab. Erst gingen sie nach Portugal, sodann
nach England. Hier sollte gerade zur Hochzeitsfeier einer
Tom Könige aasgestatteten Dame ein Tamier gefeiert werden.
Die drei Fremden erschienen sehr .scliöii ausgerüstet am Hofe
und stellten sich dem Könige ?or, der sie freundlich aufnaliui.
Auf der Hochzeit ward „der welsdbe Tanz^* getanzt, welchen
Gernier auf des Königs Wunsch mit der Königin, Gabriotto
mit Philomena, des Königs Schwester, und Reinhart mit liosa-
mnnde, eines Grafen Tochter, aufführte. Bei dieser G^egen-
heit Terliebten sieh die beiden jungen Paare in einander.
Gabriotto hatte bald darauf das Unglück, auf der Entenbeize
za stürzen. W&brend er in Folge dieses Unfalls krank war,
sehidcte ihm Philomena dordi die anftnglich widerstrebende
und abratliende Rosaniunde einen Ring mit einem kostbaren,
gesund machenden Steine. Eine Unterhaltung zwischen den
beiden jangen Damen gab Bosamonden Gelegenheit, ihre Be-
bumtsehaft mit Florio and Bianceffora, Tristan nnd Tsalde
an den Tag zu legen. Beide warfen, um den Jünglingen zu
zeigen, woran sie wären, ans einem nach dem Ballspielplatz
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— 242 —
gelegenen Fenster Erinze auf sie heninier, Philomena anf
Gabriottos Achsel sogar ein Fatzanetlin. In einem darauf
folgenden Gespräch zwischen den beiden Freunden offenbarte
der abrathende Beinhart seine Belesenheit. Qabriotto Temfthte
emen Liebesbrief in einen Ball und warf diesm der Prinsess
Philomena ins Fenster, auf gleichem Wege erhielt er von ihr
eine sehr befriedigende Antwort
Bei einem Ballspiele, zu dem Philomena den Preis aus-
gesetzt, zeichnete sich Gabriotto aus, Reinhart fand Gelegen-
heit, mit Rosamunde zu reden. Ihn und sie belauschte der
Bitter Orwin, dessen Aufmerksamkeiten Bosamnnde früher
zurückgewiesen hatte, nnd rftohte sich, indem er des Königs
Papagei die Worte: „Orwin! Rosamunde liebt Reiuhart mehr
als dich!^^ sprechen lehrte. Der König wurde aufmerksam,
und es gehug ihm, nadidem ein sachverstftndiger Vogelhändler
ZQ Batbe gezogen worden, Orwin m entlanren. Letzterer
ward sehr ungnädig angelassen, ja ihm zum Trotz schlug der
König Gabriotto und Beinhart zu Bittem, und die Damen
b^glückwflnsditen diese voll groszer Fronde.
Bald nachher fand vermittelst eines abgerichteten Falken
wiederum ein Austausch von Liebesbriefen statt, auch landen
die zwei Damen in Lanreta, einer Ertzetin der Königin, eine
zur Hilfeleistung geeignete nnd geneigte Persönlichkeit, als
welche ein läntjeres Rendezvous zwischen den beiden Liebes-
paaren in den Zimmern der Philomena sehr geschickt zu Stande
zu biingen wnszte. In einiger Zeit &nd ein Turnier statt»
<}abriotto erraog den Preis und ward vom Könige des Abends
der Philomena zum Vortanz zugeführt. Da aber Reinhart an
seiner Rüstung als Abzeichen lauter Bosenzweige fEÜirte, so
schöpfte der König Aigwohn und firagte, aber ohne Erfolg,
Gabriotto über Beinharts Verhältnisz zn Bosamunde aus.
Durch die von Gabriotto erhaltene Antwort nicht befriedigt,
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— Ä4S —
bdUd er aeiiMD HofedeUeateo, auf B«uibart und BoBSiminde
adkniiierkeii. Dieser Befehl ward aber dueh einen Bittor
Namens Eberhard von Lilien dem Keinhart zur Warnung hinter-
hncht, und dieser verständigte durch Laureta seine Geliebte hier-
VKL Ein NigroinanüßDS ans Paris lehrte die beiden Jftnglinge
ciae Schrift schrnben, die nnsiehtbar blieb, bis man das Papier
in Brunnenwasser tauchte. Der König, durch Orwin darauf
aofinericsam gemachtf daaz Beinhart eines Tages im fraoen-
nmmer Bosammiden den Hof maditof fähr letrteren hart an
and redete mit Gemier von der Sache, welcher nun zu seiner
^oszen Bekümmemisz im Gespräch mit Reinhart and Grabriotto
bade laebesFerhftltnisse entdeckte. Die beiden jungen Bitter
bescUoesen, nm des EOnigs Verdacht zn vertreiben, von ihm
Urlaub zu einer Reise nach Frankreich zu nehmen, wozu sie
von ihren Damen sehr schwer die Einwilligung erhielten.
Kach thrftaenreidiem Abechiede schüften sich Beinhart
and Gabriotto nadi Franbdch ein. Sie litten Schiffbrach.
Zwei Hunde, die sie mitgefuhrt, retteten sich auf einen Felsen
and worden von einem nach England segelnden Schiffe auf-
gBBommeD; dieser ZoihU veradaszte die Yennntirang, sie seien
angekommen, während sie in Wahrheit glfleidich nach Frank-
reich und an den Hof gelangten. Yen hier aas sandten sie
Botschaft an ihre Damen, indem sie sich der von dem Nigio-
msnticas gelernten Eonst bedienten nnd Gemier die Briefe
fibennittelte. Der König von Frankreich machte unterdessen
dea Versach, die beiden Ritter in Frankreich zu verheirathen
aad ao an sich za fesseln. Den ihnen gelegten Schlingen
VQSEten sie sieh nor dnrch List nnd endlich nor dordi Qe^
walt zu entziehen.
Kaum aber waren Oabhotto und Beinhart wieder gl&cklich
ia England angekommen, als die EOnigin an Oabriottos Finger
den Bing erkannte, den ihm Philomima beim Abschiede ge-
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— 244 —
schenkt hatte. Nun beschlosz der König, einen Spion als
Narren zn verkleiden, damit er hinter Qabriottos Geheimnin
komme. Dies gelang auch, und der Narr erhielt den Auftrag,
öabriotto auf einer Jagd umzubringen. Doch letzterer, von
des Königs Eammerbuben gewarnt, zwang vielmehr den Narren
den vergifteten Apfel, den er ihm präsentirte, selber zq essen,
worauf er eiligst nach Portugal entfloh. Auf der Seefahrt
wurde er krank nnd starb endlich in einer kleinen fremden
Seestadt. Vor seinem Tode befieihl er seinem Diener, sein H«rz
der Geliebton zu bringen, sein Geist aber erschien der Philo-
mena bei Nacht und entfernte sich mit tiefem Seu£sen.
Vorher schon hatte Philomena ihrem Bruder, dem Könige,
ihre Liebe zu Gabriotto gestanden, weshalb jener in den Häfen
genau aufpassen lieaz uud auch den Knecht des Ritters ge-
fangen bekam. Dieser wurde, da de^ König seiner Aussage,
Gabriotto sei todt, nicht glauben wollte, mit der Folter be-
droht, weshalb er das Herz, den Ring und einen Brief vor-
wies. Der König lieaz diese Gegenat&nde seiner Schwester
überbringen, welche der Schmerz sofort tödtete. Bald staib
auch lieinhart vor Kummer. An seinem Sarge sank Rosa-
munde entseelt nieder.
2. Der KnabenspiegeL') Am Hofe des Hochmeisters
in Preuszen lebte, schon fQnfzig Jahre alt und noch nicht
verheirathet , der Ritter Gottlicl). Eines Tages fiel es dem
Hochmeister ein, dasz Gottlieb für seme Verdienste durchaus
noch nicht hinreichend belohnt sei, und da gerade sein Schenk
gestorben war, machte er Gottlieb zu dessen Nachfolger und
verheirathete ihn mit der Wittwe. Eine Zeitlang blieb das
1) Der Jungen Knaben Spiegel. Ein kurzweilig Histoiy ftweier
Knaben, deren ehier eins Bitters, der ander eines Bawem Son war.
Erste Ansgabe Strasxbnrg 1554. 4. — Femer: Strassbnrg 1555. 4. —
Frankf. Weygand Han. 1557. 8. — Oölbi 1595.
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— 245 —
Pfear m seiner grossen Bekümmerniss ohne Leibeserben, doch
lebte auf einem Gute Gottliebs ein sehr kinderreiches Baue rn-
Ehi^aar, Budolf und Patrix. Als letztere wieder einmal ihrer
Niedertoinft nahe war, nahmen sie die Bitterslente va sich,
ihren nach kurzer Zeit ge])oronen Sohn trug Gottlieb zur Taufe,
and sie nahmen ihn als ilir Kind an. Ein Jahr darauf gebar
Coneordia, GottUebs Gemahlin auch einen Sohn.
Als beide Knaben, nachdem sie das erforderliche Alter
erreicht, dem Schulmeister Felix übergeben worden waren,
nichnete sieh der Banemsohn Fridbert sehr bald durch seinen
Leneifer nnd sein gates Betragen vor Wilibald, seinem Ge-
sellen, aus. Der Schulmeister redete Wilibald ins Gewissen,
aber des letzteren Mutter nahm sich seiner auf unverständige
Weise an nnd verlangte eine mildere Behandlung.
Die Folgen blieben nicht aus. Wilibald achtete nicht
mehr auf die Warnungen seines Lehrers, suchte schlechte Ge-
sellschaft auf, so sehr ihn auch sein Genosse Fridbert hiervon
larflclanhalten suchte, und befreundete sich besonders mit
einem Metzgerssohne Namens Lotarius , einem äuszerst nichts-
naizigen Jungen. Als eines Tages der nunmehr elQfthrige
Fridbert den zehnjfthrigen Wilibald mit Lotarius in einer
Tabern fand „schlecken und spielen'^ machte er dem letzteren
heftige Vorwttrfe und drohte, es seinen Fflegeeltem anzuzeigen,
womuf ihm Lotarius h(ttinend seinen niedrigen Ursprung vor-
hielt und drohte.
Fridbert ging, nachdem er die Trotzrede mit Wenigem
beantwortet, betrübt von dannen und nahm Bücksprache mit
Felix, der ihm zuredete, die Sache sich nicht allzusehr zu Herzen
tu nehmen. Beim Abendimbisz war Wilibald nicht zur Stelle,
Fridbert sagte dem Bitter, wo er ihn getroffen, was dem Felix
Yorwflrfe emtmg. Bald- aber erschien Wilibald und benahm
sich bei Tische hOcbst unmanierlich zum groszen Yerdrusz
Digitizca by Cjcjü^Ic
seines Vaters. Doch die Matter meinte, dasz Witz nicht Tor
JahNB komme, mid es geschah zonftchst nichts, als dasz Felix
den Auftrag erhielt, strenger za sein.
Wilibald suclite und fand eine gelegene Zeit, seiner Mutter
Yorzuweinen, und Latte durch die Drohung fortzulaufen so
gnten firfolg, dasz Felix wiederum Weisung erhieli, seinen
Zögling milder zu bdiandeln, und wenn sioh der Biibsr in
die Erziehung des Sohnes mischen wollte, wuszte sie ihm auch
allewege einen Affen zu machen. Lotarius seinerseits ledeto
WilibaUi anfs Neue zu» sidi an Fridbert und Felix duniiaas
nicht mehr zu kehren.
Als nun aber eines Tages dem Bitter Gottlieb von seinen
Freunden ▼erkundschaftet ward, dasz Wilibald mit seinen
seilen in einer Tabem zeohte, schickte er nach ihm, aber der
ungerathene Sohn kam nicht. Nachdem Gottlieb den Felix
hart angefahren und letzterer die unheilvolle Xntercession der
Mntter hatte durchblicken lassen, ward Felix sdbst Yon dem
Ritter geschickt. Bor Schuhneister wollte, in der Tabem an-
gekommen, dem wohlbezechten Wilibald zum Behufe einer
Execution die Emm abziehen, wurde aber dabei von ihm
mit einem Dolche verwundet Als nun endlich Gotüieb in
eigener Pei-son in die Tabem eilte, entfloh Wilibald mit seinen
Gesellen durch einen Laden hmten auf die Straaze hinaus.
Lotarius stahl am nftchsten Tage seinem Vater ein gut Theil
Geld, und die beiden Knaben machten m(k aus Boszna foit
nach Prcszla in der Schlesi. Hier wohnten sie drei Jahre bei
einem Wirthe, der öfter nach Boszna geschickt ward, um von
der schwachen Mutter Geld zu hden. Als sdilieszUeh Lotap
rius des Wirths Tochter geschwängeii hatte, machten sudi
die zwei auch aus Preszla auf und davon.
Sie zogen nach der Lansznitz, über Glogav, Toigaw,
Hall, Korthansen, Oassell« lientz, Deveoter nach Antoiff in
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— 247 —
Bntauit, wo sie IMoüdn Leb» luiwtKteB, so lange
QM irgencl rei<^en wollte. Inzwisdien verstart) Concordia,
die Gemahlin Gottliebs, aus Gram über die Keden des lütters,
«teo Untersohied xwiaclwii ihrem reehten nnd dem angenom-
menen Solme betraffend, Patriz wurde dee BHtera Hanahftlterin,
Pridbert em selir tüchtiger junger Mann, der auf die Knechte
flei3zig Acht hatte. Gottlieb nahm Gelegenheit, dem Hoch-
meisfeer Fndbert mid f elix so empfehlen. Jener lieei die
beiden hoffirangsvellen jungen Lente woU aasriketen imd er-
klärte sich bereit, ihnen die Mittel zum Stadium zu gewähren,
worauf beide die UniTerait&t belogen und aich ei&ig der WiaseiH
Schäften su befleiszen anfingen.
Endlidi ging nun den beiden Schlemmem Wilibald und
Lotarius das Geld gänzlich aus, und sie muszten mit Zurück-
lassnng ihrer Garderobe eiligst ans Antorff fort Sie werden
Wehl nieht die lotsten gewesen sem, denen es dort so ergangen.
Pridbert aber wurde bald darauf Doctur und Felix Magister,
der Hochmeister ernannte jenen zu seinem Kanzler, diesen
snm Secretarins. Auf dem Wege Ton Antoiff ans machte
Wüibttld dem Lotarius Vorwürfe, ne gerietiien in einen Worir
Wechsel, welcher ihre Trennung zur Folge hatte. Lotarius
verdingte sich zu Prüssel einem Metsger und hielt sich zuerst
unstrtflich, machte aber nach ein^ Zeit enien Versuch, dem
Meister sein Geld zu stehlen, wurde ertappt nnd fortgejagt.
Er ging nach Hall und wurde Hausknecht bei einem Gast-
wirth. Dort yerftbte er emen Diebstahl und wurde in Dengen,
w(diin er geflohen war» ergriffn und an den fichten Qalgen
gehenkt. Wilibald seinerseits eilte aus Brabant, weil dort die
Arbeitsscheuen aufgehenkt werden, und gelangte durch West-
&len, Sachsen und Brandenburg nach Preoszen, wo er sich
als ffirten Tsnnietbete.
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— 248 —
Fridbert und Felix wurden eines Tages von dem Hoch-
meisier gefhigt, ob sie sich nicht Terheirathen wollten. Des
anderen Tages liesz der Ffltrst die Wittwe des froheren Kanz-
lers kommen, Namens Charitas, mit ihren zwei Töchtern Feli-
citas und Concordia, die er mit Fhdbert und Felix verlobte.
Wilibald fristete als Viehhirt mit schlechter Kost und
in Lnmpen gehüllt sein Leben, doch die Zerstörung, die ein
Haufen Wölfe unter seinem Vieh anrichtete, zw^ang ihn zu
entlaufen. In der Stadt Dobiin an dem^FInsse Wiell verdingte
er sich als Knedit bei dem Sftnhirten, wo es ihm dn wenig
besser als vorher ging. Dem Fridbert und Felix richtete der
Hochmeister in Boszna eine Hochzeit aus, auf welcher viel
Pracht entfaltet und Kurzweil genug getrieben wurde. Wili-
bald erlmte von seinem Meister das Spiel auf der Sackpfeife
und benützte die Ueberreste seiner Schulbildung zu eigenen
dichterischen Versuchen, die er gelegenthch voi'ti'ug. Einst
erschien ihm Lotarius im Traume in sehr k]i^[licfaer Qestali,
enfthlte ihm, wie er umgekommen, und bat ihn, nicht mehr
in seinen Liedern seiner als eines Verführers zu gedenken,
sonst könne seine Seele kerne Euhe finden. Wilibald beschlosz,
zu semem Vater zurückzukehren, und begab sich zunftchst
nach Vladislawia, wo er, von seiner Kunst lebend, oft Spott
in den Kauf nehmen muszte. In Vladislawia aber fand um
diese Zeit ein grosier Landtag statt, zu dem Fridbert und
Felix ab Gommissarien des Hochmdsters rdsten. Wilibald
trat vor ihnen unter dem Namen Heinz Ontrost als Spielmann
auf und ward an einem Liede, das er auf seine Schicksale
gemadit hatte, erkannt. Er wollte sich aber auf weitem
Befragen nicht zu erkennen geben, sie besehloszen, ihn auf
jeden Fall mit nach Boszna zu nehmen. Hierbei richteten
sie es so ein, dasz Wilibald, der sie scUau für Seelenverkftufer
V
I;
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— 249 —
hkHif nicht merkte, daez aie nach Boezna kameiit büeben, des
Ktefats aiigek<Anmeii, bei ihrer Schwiegennoiter, und Fridbert
berichtete am folgenden Morgen dem Ritter Gottlieb, dasz
er bald seiiieQ Sohn sehen solle. Den nächsten Tag wnide
ein Gastmahl gegeben, bei dem Qotüieb anwesend war, nnd
Wilibald, als Sänger eingeführt, sang und wurde endlich ver-
mocht, seinen wahren Namen anzugeben. Sein Vater erkannte
ihn, er warf sich ihm za Fflszen nnd bat, als sein Knecht anf-
genommen zu werden, dann erkannte er auch Fridbert nnd
Feüx, bat alle um Verzeihung und erhielt sie.
Der Hochmeister machte Wilibald in der Folge zn sdnem
Forstnmster, welches Amt dem geschickten nnd verwegenen
Manne sehr zusagte. Durch Erlegung einer Bärin mit ihren
Jungen erwarb er groszes Lob. Mittlerweile wurden auch
Fridbert nnd Felix von dem Hochmeister beauftragt, sidi nach
einer Gemahlin für Wilibald umzusehen. Sie faszten eine
reiche, adelich geborene Kaufmannawittwe ins Auge, deren
notorischen £ntschlu6z, nie mehr zu heirathen, sie wankend zu
machen hofften, fklls der Hochmeister dem Wilibald seines
Vaters Hoftneisteramt übergeben würde. Dies geschah nun
auch, und die erledigte Forstmeisterstelle erhielt auf Wilibalds
Bitten sein* IMener, worauf Fridbert und Felix ihre Werbung
bei der Frau Marina mit gutem Erfolge anbrachten. Die
Hochzeit ward mit groszem Pomp gefeiert, wähi'end der Fest-
liehluiten gewann Marina dem Hochmeister viel Qeld im
Sehach ab, und er, der sonst für unbesiegbar gegolten, schenkte
ihr in Anerkennung ihrer Leistungen das kostbare Brett.
Nachdem Marina dem Wilibald einen Sohn gebioen hatte,
starb Oottlieb, ihm folgte bald der Hodmieister. Wilibald
lebte mit seiner Gemahlin, die ihm viel schöne Kinder gebar,
glücklich bis an sem finde, ingleichen Fridbert und Felix mit
ihren Frauen.
n
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3. Von guten und bösen Nachbarn.') In der
Stadt Antorff in Brabant wohnte ein reieher und tngendbaflor
Kaufmann Namens Robertus, der mit seinem Nachbaren,
einem Tuchberȟter, wegen des ungezogenen Sohnes des letzteren
in groBzer Feindschaft lebte. Dee Bobertns Fran verfiel ib
eine schwere EranUieit, und als sie genesen war, starben ihm
alle seine Kinder bis auf die jüngste Tochter. Ein guter
Freund tröstete ihn zuerst veigeblich und bat dann einen ihm
befreundeten und sehr geMrten Hollftnder mit Bobertns zii>
sammen zu einem Mahle. Der Gelehrte sprach dem Robertus
Trost zu mit Kerbeiziehung der Beispiele des Hiob, David
und Anaxagoras, worauf ihn Bobertus f&r den nfldisten Tag
einlud. Als sie aszen, empfing Bobertus einen Brief von
seinem alten reichen Vetter, der ihn bat, zu ihm nach Lissabon
zu kommen und dort sein Erbe zu werden. Bobertus folgte,
zum Theil des Aergei*s wegen, den er tftglich mit dem Tuch-
bereiter hatte, der Einladung. Nach zehn Jahren starb der
Vetter, und Bobertus, nun ungeheuer reich, lernte auf der
Bückreise Ton London nadi Portugal emen jungen spanischea
Kaufmann Namens Reichart kennen, der sich in der Folge
um die Hand seiner Tochter Kassandra bewarb. Nachdem
mit der Jungfrau und ihrer Mutter yerhandelt worden war,
wurde die Verlobung gefeiert, festgesetit, dass Beiehart in
Lissabon bleiben sollte, und schlieszlich eine nur kleine Hoch-
zeit auszulichten beschlossen, da des Bobertus Schwester tot
Kurzem gestorben war. Zur Hochzeiisfeier wurden sehr vi^e
Arme gespeist, und es ging dabei so anständig zu, wie es
leider bei solchen Gelegenheiten nicht immer geschiebt. Den
andern Tag gab Beiehart seiner Braut eine sehr stattlidie
Morgengabe, gerieth aber mit einem der Gftste, der die aimen
Von Ckten und Bösen NaehVttoni. EMe Aufgabe Stnnboxg,
Knoblooh 1566; 4. — Ferner: Strassbvrg 1557. 4. . .
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— 251 —
Linke abgewieBen wissen wollte, In lebhaften Woriwedisel,
wobei er ihn mit Bibelstellen sehr ausführlich zurecht wies.
Nicht lange nachher gewann ein früher abgewiesener
Fnier Kassandras nebst seinem Freonde, zwei Biffiener, welche
Beidiart tSdten sollten, wenn er Ton einem Gastmahle rarflek-
kommen würde. Reichai-t aber yertheidigte sich bei dem
UeberMa mit Hilfe des ihm befirenndeten Juwelenhändlers
Lasaros so gut, dasz die swei Biffiener todt blieben and der
Nebenbuhler Eeicharts verwundet wurde. Den anderen Morgen
fanden ihn die zwei Freunde bei einem Barbier, er verschied
bald in Folge seiner Wanden, woraaf Beichart and Lasaros
die Sache der Obrigkeit anzeigt^ um den vierten Attentäter
aach zu entdecken.
Nach emiger Zeit kaufte Lasanis dem Bobertos für von
Bdchart vorgestrecktes Geld ein Haas ab,^ welches an das von
Keichart und seinem Schwiegervater bewohnte stiesz, damit
die beiden Freunde, weiche BrAderschaft gemacht hatten«
neben emander wohnen konnten.
Als Lasarus den Reichart auf einer Reise nach Spanien
begleitete, ward er von einem Riffiener verrätherischer Weise
aof ein türkisches Schiff gelockt and dort verkauft, Beichart
sndite ihn, traf emen Hann, der ihn hatte auf das Schiff
gehen sehen, und mit Hilfe des Gouverneurs ward Lasarus
befipeit, der Biffiener aber gebogen gesetzt and |gehangen.
Junge Leute, welche Beisen in fremde lAnder machen, sollen
sich der höchsten Vorsicht befleiszen.
W&hrend des Lasarus Abwesenheit gebar seine Gattin
Laeia einen Sohn und wurde von Eassandra, die auch ihrer
Niederkunft nahe war, auf das Sorgsamste gepflegt. Die bei-
den Manner wurden auf ihrer Rückreise durch Unwetter an
emer menschenleeren Insel angehalten, wo es aosserordentlich
viel Wildpret gab. ihidlich kamen sie wieder nach Lissabon
zur&ck, und Beichart erzählte das dem La^us zugestoszene
17*
Digitizca by Cjcjü^Ic
— 252 —
Abenteuer. Bald darauf brachte Eassandra eine Tochter zur
Weli Beide Kinder erhielten eine yortreffliche Fiziehaog,
lernten sehr gut, hatten alle erdenkliclien Tugondeu au iich
und liebten einander je mehr, je älter sie wurden.
Der junge Lasams sann stets darüber nacii, wie er seiner
Amelia Wohlgefallen erwerben könne, zeigte ihr seine wohl-
gelungenen Arbeiten und freute sich ihres Lobes. Als er einst
ans Gold und einem Bubin, die er sich vom Vater erbeten,
emen schönen Bing verfertigt, behielt er ihn, bis er memte,
sein Vater werde nicht mehr danach fragen, dann schenkte er
ihn der Amelia zum Neujahr, welche ihn ihrerseits mit schönen
gestickten Fatzanetlin, Schlafhauben und mit andern selbst-
gemachten Handarbeiten bedachte.
Ameliens Vater aber kam l)ald hinter den Zusammen-
hang der Sache, und es erfolgten sehr ausführliche Ansspradien
der zwei Yftter, der Eltern mit einander und mit den Sjndem.
Das Resultat war, dasz der junge Lasarus dereinst allerdings
Amelia heirathen, vorher aber sn seiner weiteren Ausbildung
nach Antorff in Brabant gehen sollte. Zwar zeigte er sich
als ilim sein Vater dies mittheilte, zuerst wenig erbaut und
wollte lieber nach Toledo gehen. Sein Vater warf ihm ein,
dasz er ja dort nur Portugiesisch lernen könne, wfthrend er
in Antorff Gelegenheit zum Studium aller möglichen Sprachen
finden werde. Nachdem sich Lasarus junior bereit erklärt,
nach Antoiff zu gehen, nahm er von seiner geliebten Am^
den z&rtlichsten Abschied, sein Vater gab ihm gnte Lehren
und ein schön gebundenes Buch , welches den Jesus Sirach,
das IV. und XIV. Kapitel des Tobias und etliche Spruche
Salomonis enihieli Am Tage der Abreise sagte er AmeUen
nicht noch einmal besonders Lebewohl, was sie sehr übel ver-
merkte, doch den folgenden Tag erhielt sie einen Brief von ihm
durch seine Mutter, welcher sie umstimroie. Sie bat Luden
infolge dessen sogar um der barschen Worte willent die sie
Digitizca by Cjcjü^Ic
— 258 —
ne beim Empfimge des Briafes hatte hdren laeseo, um Veiv
wtSkaag und wurde mit ihrer Matter zn jener Ungeladen, da
Edchart mit dem jungen Lasarus nach Brabant und auch
der ältere Lasarus auf eine längere Beise gegangen war.
Kaasandra wollte erst die Einhidnng nicht annehmen, da es
einer Frau nicht gezieme, in Abwesenheit ihres Mannes zu
Gaste zu gehen, willigte aber auf Ameliens Zureden ein. Ihre
Mägde nahm sie mit, damit sie nicht etwa zn Hanse allein
Unfug stifteten. Beim Essen enäUte Eassandra die Geschichte
der Lucretia, und Lucia scherzte, Amelia habe ins Kloster
gehen wollen, ihren Entsohlnsz jedoch nach Lesung Ton Erasmi
Tiigo misogamos nnd virgo poenitms geändert.
Der junge Lasarus erkrankte auf dem Schiffe aus ^le-
lancholie, genas aber wieder und gelangte mit Beichart nach
Atttorff, dessen herrUdie Gebäude seme Yerwundemng erregten.
Er fend dort auch einen früheren Schulkamenulen aus Lissabon
Namens Ferdinandus, der als Factor seines Vaters in Brabant
war, dem Lasarus die Sehenswürdigkeiten der Stadt zeigte
und ihn Yor zwei sehr Abel berufenen jungen Portugiesen,
Lorenz und Veit, warnte. Keichart lud den reichen Gold-
schmied Fiandscus in seine Herberge zum Essen und stellte
ihm Lasarus als seinen zukänftigen Gesellen Tor. Als die
Sache abgemacht war, fuhr er wieder nach Lissabon zurück.
Morpheus, einer von den vielen Traumen, die um den
Goti des Sdüafes wohnen, nahm die Gestalt Ameliens an
und erschien dem liebenden Jüngling mit kläglichen Geberden
und Worten, was ihm eine schlechte Nacht verursachte.
Lasarus hielt sich bei seinem Herrn sehr gut und betrieb
das Sprachstudium mit Eifer. Indessen stahl einer der oben
erwähnten losen Buben dem Franciscus ein Kleinod, denn
Lasarus hatte sie, von jenem wegen seiner Zurückhaltung
g^gen sie getadelt, zugelassen. Der Verdacht fiel auf Lasarus,
Digitizca by Cjcjü^Ic
— 254 —
aber sein Henr wendete sich an Ferdinand, worauf Ihm dieaer
ein Licht über jene zwei jungen Leute aufsteckte und auch
das Kleinod wieder herbeizuschaffen waszte. Lorenz ward
entianrt nnd sachte das Weite.
Nach einem Jahre ging Lasams {nni<Nr nach Venedig.
Sein dortiger Wirth wollte ihm seine nicht eben ehrbare
Tochter anhängen. Als er von dem JOngling hörte, daaz er
schon 7erlobt sei, ward er sehr wüthend und hescfaloss, ihn
zu ermorden. Lasarus aber w^urde von einer Magd, die eine
Deutsche war, gewarnt, übeimchtete, als das Attentat zur
Ansffthmng kommen sollte, anderswo, der Wirth tddtete semen
eigenen Sohn und warf ihn ins Meer. Den anderen Tag , als
Lasarus kam, um mit ihm abzurechnen, stürzte er sich selbst
ins Meer, Lasarus aher kehrte bald darauf nach Lissabon
zurück, heirathete Amelien, alle Familienglieder yereinigten
ihre Hauslialtung und lebten glücklich bis an ihr Ende.
4) Der Goldfaden. ') Im Königreich Portugal lebte
em armer Hirt^ mit Namen Erich, der auilallaid schöne Emder
hatte. Zu einer Zeit, als seine Frau nicht weit von ihrer
Niederkunft war, ereignete es sich, dasz sich zu Erich, während
er das Vieh hatete, ein groszer Löwe iand, welcher nicht nur
die Thiere keineswegs anfiel, sondern sich sogar von Anftng
an im höchsten Grade zahm und freundlich erwies. Ah Feli-
citas, des Hirten Frau, einen Sohn geboren hatte, erhielt er,
da er em Mal in Gestalt einer Löwentatze auf der Brust
trug, den Namen LewMed. Hermannus und Laureta, ein
*} Der Goldtfiiden. Eine schöne, liebliche vnd knrtzweilige
ffietorie von eines mnen ffirtm Sohn, Ldivfried genannt Erste Ansg.
Straesbnrg J. Frölioh 1557. 4. — Femer; Frankt Weyg. Han o. J. d.
— Ebenda. W. Han Erben o. J. 8. ^ Bieel König 1616. 8. — Strasib.
1628. 8. — NOnb. 1668. 8. Ebend. 1665. 8. — o. 0. 1670. 8. —
0. 0. 1687. ^ Erneuert CL Brentano. Heidelb. 1809. 8.
Digitizca by Cjcjü^h^
— 2ÖÖ —
rsiefaes Ehepaar in der nahen Stadt, waren Pathen nnd erzogen
Lewfiied mit ihrem gldchartigen Sehne Walter. Lewfried
zeichnete sich in der Schule auf jede Weise aus, kam aber
in die Lage, von seinen Genossen zum König gewählt zu
wwden« nnd, da er seine Stellung ebenso wie Gyros gegen
einen Yomehmen Knaben geltend machte, das Weite suchen
zu müssen. £r gelangte an eines Grafen Hof, wo er als
Küchenbube angestellt wurde. Bald gewann er sich die Liebe
des Meisterkoches dnreh seine Anstelligkeit nnd sein Wohl-
Terhalten, aber auch die schöne Angliana, des Gi-afen Tochter,
welche Arachne in weiblichen Handarbeiten übertraf und in
•mnsihalischen Leistungen der Sappho gleichkam, wurde durch
seine schöne Stimme auf ihn aufmerksam. Denn er sang uft
im Garten unter ihrem Fenster und gab auszer den von dem
Ho^eisonal gelernten fieuterliedlein auch eigene poetische Ver-
suche zum Besten.
Als zum Neujahr alle Diener von Angliana Geschenke
erhielten, wurde Lewfried zu seinem grossen Leidwesen ver-
gessen, doch bemerkte der Graf gelegentlich seine schöne
Stimme und machte ihn zu Ariglianas Aufwüiter, in welcher
Stelle Lewfried denn bald Gelegenheit fand, durch folgendes
Lied seine Herrin säuberlich zu treffen.
Im thon gang mir
ausz den Bönen.
0 Armüt du yntreglichs Joch/
wie bist so gar verachtet/
wer wolt didi gern behaussen doch/
So er ans grundt betrachtet/
wie gantz vnwerdt/
du bist auff erdt/
es m&cht eim vor dir grausen/
k&ntst schon all kunst/
Digitizca by Cjcjü^Ic
— 256
so ists vmb sunst /
niemant will dich behausen.
0 armnt du vntreglicb bürd /
wie liart bast mieli bpvrhwaret /
autf erd niernant erfunden wirt/
der dein zum frünt begeret/
kumbst eim zii bausz/
wilt nimmer drausz/
versperrest jm sein glücke/
dem sonst zur zeit/
gut bab vnd beüt /
m6cht werden o&i Yod dicke.
So giengs mir auch im neweil jar /
da müst ich dein entgelten/
ward hindan gestelt / tö Ur gezelt/
dmmb ich dich billig schelten/
mto tag Yod nadit /
dann ich yeracht/
ward vor allem ho^g[esmde/
die man snnst all/
begabt mit schall/
darnmb bin ick ß&t hmie.
Am nächsten Neujahr liesz Angliana den Knaben zwar
wieder au3, schenkte ihm aber dann von ihrer Stickerei einen
Qold&den. LewMed eilte damit nach seiner Kammer, wo er
dch eine Wnnde in die Brost schnitt nnd den Fäden darin
vernähte. Darauf dichtete und sang er folgendes Lied:
Im thon ach lieb mit lejrd.
GBosz 1^ vnd schmen/
Hat mir mein herts/
vor emem bdadra/
ZA diesem jar/
hat mir fürwar /
Ton rotem gold ein finden/
Als kfd xerstftrt/
Digilized by Google
— 267 —
md gar verkert/
mein trawren vnnd mein schmertzen/
Bin gante frftlich/
dromb jetznnd iclt /
wfl singen springen seherteen.
Den &d§ ich/
gante fleiszigUch/
hab in mein herte beseUoflsen/
nieniant jn mag /
bey nadit vnd tag/
mir nemen in dermassen/
In aterkem schrein/
▼nd herteen msin/
M diaer ÜEMton bdialton/
der den will han/
mtsi Ton stand an/
Vomen män bmst serspaUen.
Den &den schan/
der ehren krön/
hatt mir geben mit frend9/
Kein gstein noch goldt/
noch reicher solt/
sol mich danon nit scheiden/
▼om fade reich/
Tnd ob schon ich/
darum niüsz leide schaden/
will ich ön leyd/
in ewigkeyt/
lieb häm diesen Fftden.
Das Lied hatte den Erfolg, dasz Angliana nach dem
faden fragte. Lewfiried schnitt ihn wieder ans seiner Bmst
heraus nnd wies ihn Tor. Angliana, hienron gerührt, spielte
ihm bald darauf einen Brief in die Hände, welcher eine ebenso
bündige als tongendhalte und solide Liebeserklämng enthielt
und naiOrlich Lewfried in anszerordenfliche Fronde Ycrsetzie.
Als es der Anstand nicht mehr vertrug, dasz der nun-
Digiiizca by Cjcjü^Ic
— 258 —
mehr schon erwachsene Jüngling in der näheren Umgebung
\ AnglianaB blieb, machte ihn der Graf za seinem Eammerdiener.
Auf einer Reise ihnd sich in einem Walde ein sdiOner Bracire
zu ihm, dessen Besitz er gegen den sehr unhöflichen Diener
des eigentlichen fiigenthümers mit groszem Muth behauptete.
Dazwischen hatte Erich, von Hermann, dem Pathen und
Pflegevater Lewfrieds, zum Meier gemacht, sein Amt so wohl
verwaltet, dasz jener ihm den verwaltet'ju Hof nach Theilung
des Viehs als Erblehen flberliesz. Lewfried brachte den Bracken
mit zu Angliana, welche sich das Abenteuer erzählen liesi,
dem Hündlein ein kunstreiches Halsband fertigte und es zu
sich nahm.
Walter, Hermanns Sohn, erUtngte es nach vielem Bitten
▼on sdnem Vater, dasz er auf die Sache nach LewMed gehen
durlte. Auf dem Wege wurde er mit seinem Diener von
Mdrdem überlallen , welche sie ausj^lünderten und an einen
Baum banden, jedoch von LewMed, der auf einer Beise nach
Idssabon begiiffen war, beiVeit und gerftdlii Erst am Abend
in der Herberge erlblgte die Wiedererkennung. Walter be-
gleitete Lewfried nach Lissabon, wo sie zu ihrer freudigen
üeberraschung im Besitze des Königs Lewfrieds ältesten Freund,
den Löwen Lozmann, wiederfanden, der auch seinerseits Lew-
fried nicht nur erkannte, sondern darüber auch seine gröszte
Befriedigung ausdrückte. Hierauf kehrtoi die beiden Jünglinge
nadi dem Hofe des Grafen znrü<^. Allen Jungfrauen brachte
Lewfried einen schönen Kram mit. Angliana trldelt eine
kostbare Haube, von Gold und Perlen gewirkt, Florina, ihre
Vertrante, eine köstliche Schle]^ und ein Paar Handschuhe
mit einem sübemen Mahlschlöazlein, die Qbrigen aUe nor
Handschuhe. Von einer bald darauf erfolgten Reise nach
Lissabon, auf welcher Lewfried den Grafen begleitete, brachten
m anch den Löwen, welcher sich von Lewfried nicht mehr
Digilized by Google
— 259 —
tmiMi wfdüeti not Walter loigie ridi als gewandten Sehacii-
spieltT, und beide Jünglinge wurden sehr fr»^iindlich gehalten.
Doch ward das Vechältnisz Lewfrieds za Angliana, obwohl
äe von Fknna sclion gewarnt worden war, durch eine Fatzr-
ntitawin nnd geboiene KlbTin, wddie die Jv^fftan bei aA
hatte, dem Grafen verrathen. Dieser beauftmgte in seiner
Wuih einen ?erw^nen Schalk, LewMed aof der Jagd umzu-
bringen, aber kferterer ward Ton einem Kammorboben gewarnt,
fenmed den tOdilichen Speerworf^ and der Löwe erwfiigte den
Mdrder.
Während Lewfried nun seine Eltern anfirochte nnd aidi
dann eine Zeit lang in Satanumca anfhielt, batte Angliana
zuerst seinetwegen l>ei ihrem Vater böse Zeit Dodi besann
sich der Graf schlieszUch and sandte einen Boten mit einem
sdir gnädigen nnd Tenfthnlicben Briefe an Lewfried ab. Da
dieser ihm aber nodi nidit ganz tränte, so wandte er sidi
zunächst nach Lissabon, von dort aus begab er sich als Mönch
verkleidet nach dem Schlosse des Grafen, üntowegs erschien
ihm der Geist des mit seiner Tödtnng beanftragt gewesenen Bnben.
Zm GUldr brach nm diese Zeit em Krieg mit dem KOnig
von Kastilien aus, an dem sich der Graf und Lewfried, mit
dem er äch TOllig ausgesöhnt hatte, betheiligten. Was beide
Toabiedet nnd geheilt hatten, geschah: Lewfried leiehnete
ridii in dem Kriege ans mid nahm sogar den feindlichen König
gefangen, so da^z Um der König von Portugal zum Ritter
ichfaig. Sin Sehildbnbe eilte TOians nnd brachte Angiiana
die erftvnlidie BolMhaft, der Grsf nnd Bitter Lewfried wur-
den festlich von der frohlockenden Bürgerschaft und Angliana
empfangen. Nachdem Lewfrieds Tapferkeit noch einen An-
sehhig auf das Leben des Grata, den ein abgewiesener Be-
werber Anglianss madite, Tereitelt hatte, fimd die überaus
glänzende Hochzeitsfeier statt Nach einiger Zeit starb der
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— 260 —
Graf vor Sehreek über die gefthrliehe Verwnndang Lewfneds
dureli einen Hirsch, Lewfried wurde sein Erbe und nahm säne
Eltern zu sich. Waltern vermählte er mit einer scliOnen,
aber armen Jangfran von altem Adel. Auch Walters Eltern
zogen in LewMeds Ora&diaft, nachdem sie ihr Qni yerhanft
hatten.
Fridsam vnd gantz fründtlich lebt Angliana vnd LewMd
mit einander /die kind' so jn Got beschert zogm sie in
grosser Gotsforcht anif. Bammb jnen zft bdden Seiten jungen
vnd alten grosz glück vnd s4ld zu banden gicng / Bisz sie
Gott ans disem jamerthal zft der ewigen freud vnd seligkat
berAift/ zA deren alle die konunen werden/ so in dem willen
Gottes leben / Den wil er die ewig gloiy geben / darzuo helff
vns Got der Vater / Gott der Son / Ynd Gott der heylig
Gegrst Amen.
Wickrams Romanen kann man nur gerecht werden, wenn
man sie von dem Gesichtspunkte aus auÜ'aszt, den uns hier
die Aufgabe des vorliegenden Buches von selbst giebt, der
sich aber in emer Darstellung der gesammten deutschen
Nationalliteratui- darum weniger leicht in den Vordergrund
steUen l&szt, weil wur es jetzt noch mit einer im Werden be-
griffenen Gattung zu ihnn haben, deren Anfinge nur mfthsam
und mit besonderer Absichtlichkeit zusammenzusuchen und zu
einem einigermaszen einheitlichen Bilde zu vereinigen sind.
Das Verdienst unseres Mannes hat Goedeke trotzdem, dasz er
in seinem Grundrisz von dem allgemeinsten Gesichtspunkte
ausgeht, dennoch richtig erkannt, iudem er sagt, „dasz Wickram
durch seme Erzählungen von Beinhart und Gabriotto, von
Wilibald, von den guten und bOsen Nachbaren, und den Gold«
faden den deutschen Roman schuf.** Indem Goedeke weiter
bemerkt: «Seine Bedeutung liegt wie bei Hans Sachs, dem
er an Lebensglflck und Eunst nachsteht, in der Einfthrung
Digitizea by Google
261 —
der Diditiing in den Bflrgeretand, teils indem er ftbr ihn eohrieb,
teils indem er aus ihm schöpfte**, so ist in der That den
Qrundzügen nach Wickrams Stellung bezeiclmet, und wir haben
diesen Grandsfigen nur wenig näher Bestimmendes nnd Er-
weiterndes binKQziifBgfen.
Wickrams gesammte schrifkstelleriscihe Thätigkeit drängte
ihn «if die Gattong des Bomans hin nnd gipfelte in ihr.
Denn er war ünterhaltongssdiriflisteller ven Faeh, trieb das
Kich wahrscheinlich znra Erwerb, also mit liücksicht vorzugs-
weise auf das Bedürfiiisz des Publicums, welches ünterhaltungs-
leetllre suchte. In der verschiedenartigen TJnteriialtungsleetflre
jener Zeit, der Mitte des XVI. Jahrhunderts, nahm aber der.
Boman bereits die hervorragendste Stellung ein, und wenn sich
aneh Wiekram erst in der zweiten Hälfte seiner Thätigkeit
als Schriftsteller der Prosaerzähinng hauptsächlich zuwandte,
so mag er doch bald inne geworden sein, dasz er in seinen
Bonuinen seine begehrtesten und bestrerkäuflichen Werke ge-
liefert hatte. Die Abhängigheit Ten dem €(esdmiaeke des
groszen Lesepublicuras ist also bereits in der Kindheitsperiode
des deutschen Kanstromans zu bemerken und bleibt in Deutsch-
land wie überall ein unserer Gattung wesentliches SchicksaL
Aber wir werden auch in Bezug auf unseren Stadtschreiber
schon anzuerkennen haben, dasz bei den bedeutenderen Vertretern
deiBelben nicht der Produoent allein Ton den Oonsnmenten
abhängt, sondern auch «dnerseits den Geschmaclc seines Publi-
cums bestimmt und gerade, indem er ihm entgegenkommt,
auf ihn emwirkt. Wir bemerken dies bei Wickram sogleich,
wenn wir seme Tier Bomane einer Betrachtung in ffinsicht
ihrer Aufeinanderfolge würdigen. Gabriotto und lieinhart ist
von ihnen den iranzüsischen Bomanen am ähnlichsten, er be-
wegt sich ganz und gar in h(^chen und ritterlichen Kreisen,
in der Welt, die der Schauplatz des mittelalterlichen Bpos
Digiiizca by Cjcjü^Ic
ist, und aus dem Schatze des dieäem angehöi'enden übeiTeichen
Stoffes hat er auch noek am meisten entlehnt, ohne doch aof
irgend ein bestimmtes Werk als Quelle oder Vorlage, so weit
wir dies übersehen können, zuriickzngehen. Aber er unter-
scheidet sich doch auf den ersten Blick von jener ausländischen
Waare, denn das höfische und ritterliche Wesen ist so be-
handelt, dass man die IdembOrgerliclie Stdlnng des Yei&sseiB
sofort heraus erkennt, die Personen heiszen Könige, Kitter nnd
Prinzessinnen, doch sie sind streng und tüchtig, aber eben
ganz bürgerlich gesinnte Leute. Von der Art, wie die Bitter
des mnden Tisches nnd die Paladine Karls politische, religiöse
namentlich gesellschaftliche und Liebesangelegenheiten behan-
deln und wie diese Angelegenheiten auch zu Wickimnä Zeiten
noch in den Kreisen, denen seine Helden dem Naman nadi
angehören, behsndelt wurden, ist keine Spnr. Lehnsfeihilt-
nisse und die aus ihnen erwachsenden Verwickelungen und
Leidenschaften sowie die Glaubenak&mpfe, welche in den eigent-
lichen Bitterbfidiem kein Ende nahmen, werden gar nicht
hereingezogen, so dasz von Politik und Religion als öffentlichen
Angelegenheiten keine Kede ist. Die geschlechtlichen Ver-
hältnisse werden mit einer Beinheit und Tüchtigkeit der Ge-
sinnung aufgefosit, welche nicht allem dem Verfiuner sondern
seinem ganzen Volke zur Ehre gereichen. Ganz eigenthümlich
ist unserem Dichter, denn dieser Name wird ihm zuerkannt
werden müssen, die sentimentale Innigkeit, die er seinen Lieben-
den zu geben weisE, und wodurdi er gesdiiekt, ja mehr als
geschickt, denn echt poetischer Sinn ist mehr als Geschick-
lichkeit, die Gefahr vermeidet, in der Darstellung der Ge-
scfalechtsliebe bei seinen bürgerlich strengen und reinen Qnmd-
sfttsen hausbacken und spiesKbfirgerlich su werden. Dieser
sentimentale Zug tritt am stärksten in Eeiuhart und Gabriotto -
henror, der auch der einzige von WickramsBomanen mit einem
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— 263 —
tnmnig«!! Ausgaag ist, doch mag Mar gesagt meatäau da» ^
«ksh aooh in den andmn als ägenihQmfiches Etement der
Auflassungsweise des Verfassers leicht herauserkennen läszt,
und dasselbe würde, wenn sich der Bitter Galmy in der That
einmal als Wicfaams Arbeit erweisen sollte, anch anf dieses
Bveh Anwendung Hmlen.
In JDer jungen Knaben Spiegel*" bat Wicki-am die Qe-
sdiiehte Ton dem yerlorenen Sohne mit grossem Qesehick auf
Vorhaltnisse seiner Gegenwart Übertragen nnd dnreb gut ge-
wählte Staffage von Nebenpersonen und Zwischenhandlungen
ein lebeosTolies» buntes nnd doch einheitUches Bild hergestellt,
durdi die Einheit mid den flotten Fortgang der Handlang
zeichnet sich dieses Werk sogar vor der „guten und bösen
Kaehbacschaft'' aus, welche meines Erachtens allerdings der
beste Boman unseres Mannes ist, weil er sich hier aussehliesi-
lich in solchen Kreisen bewegt, deren Anschauungen, Sitten
und Lebensweise ihm durchaus bekannt und ihm selbst eigen
nnd. Hier kommt er niemals in Ge&hr, Fürsten und Heraen
si^ benehmen und reden ku lassen, wie tflehtige Bürger des
XVI. Jahrhunderts, und so wurde diese Erzählung die lebens-
wahrste, aber auch die Tolksthümlichste, ein nicht zu unter-
scbüwndes Denkmal deutsdi-bürgerlicher Gesinnung und Bil-
dung. Dasz der Stolz des Bürgers in Wickram lebendig war,
dass der Gedanke an persönliche Tüchtigkeit, welche auch
oiiiie die Hülfe ?on angeborenen Yortheilen zu Bhren bringt
und Erfolge im Leben sichert, zu seinen Lieblingsgedanken
gehört, sehen wir aus der Figur des Fridbert im Knabenspiegel
und ans dem Helden seines letzten Bomans, dem zum Bitter und
Grafen gewordenen Hurtensohne Lewfried, aber in keuiem sdner
Werke hat er sich den socialen Schauplatz so gut gewählt
wie in der guten und bOsen Kachbarschaft, und auch der
Onrndgedanke oder die Itüan des ganzen Buches ist em Satz
Digitizca by Cjcjü^Ic
echt bürgwHeher WeUieit, clasz nftmlidi enger Zoflammeii-
schlusz sittlich tüchtiger Menschen von Bildung und Lebens-
erfüurang nicht allein zum Gedeihen der wirthschaftlichen An-
gelegenheiten, sondern aaeh rar Fdrderang jeglidien Lebena-
glückes führt. Das den Roman abschlieszende Bild, die Ver-
einigung mehrerer Familien und Generationen in einer Kau^
lidikelt, zeigt onsdas mit tief dentecher Stunmnngan^gefiuBte
Ideal des VerÜEMsers ?on einer behaglichen Existenz, nnd dar
Gedanke, eine musterhafte Familie sich organisch erweitem
zu hisseo, beweist, dasz es Wicknun auch nicht an Tiefe
der socialen Anfihssnngen fehlt, wie er Tiefe des Ge-
mUths stets oflfenbai-t, wo er vom Familienleben, von dem
Yerh<nisz der Eltern zu den Kindern spricht Wir werden
weiterhhi zu sogenannten Familienromanen kommen, wel^
wir als solche in ihrer Einseitigkeit und gespreizten Mittel-
maszigkeit werden zu erkennen haben, aber in der Zeit, Yon
der wir reden, und auf dem Punkte der Entwickelnng onsenr
Gattung, den wir augenblicklich betrachten, war die Abfassung
eines Familienromans ein groszer Fortschritt, und wir sind
berechtigt zu sagen: Wickrams ^ff^id und böse Nachbar-
sdiaft^ ist eben deshalb der hervorragendste Boman mtseres
Dichters, weil er ein deutscher Familienroman ist. Der Gold-
fiiden ist die einzige Erzählung Wicknuns, welche in unserem
Jahrhundert m wenig erneuter Gestalt von Clemens Brentano
der Aufmerksamkeit des gi öazeren deutschen Publikums empfoh-
len worden ist £s dürfte zuviel behauptet sein, wenn wir
erwarteten, dasz das heutige Publikum an der UnterhaLtungs-
leetOre, welche Wickram seiner Zeit bot, als solcher (Geschmack
finden werde, aber ohne Zweifel würde die Erneuerung der
guten und bösen Nachbarschaft TerdienstToUer gewesen sein.
Doch soll nicht yerkannt werden^ dasz auch der Goldfiiden
seinem einheitlichen Bau nach den Vorzug vor dem vorher-
Digitizca by Cjcjü^I
— '265 —
gehenden Roman verdient, wenngleicft der Yerfiisser seinem
Helden und sich selbst das f^ute Fortkommen des wackeren
fanrenus etwas gar zu leiclit gemacht und es an einigen Un-
wahrsehemlichkeiten nicht hat fehlen hissen. Wenn sich
Wickram in dem Motiv von der Ungleichheit der Lehensetel-
Inng zweier Liebt.-nden. das er bereits in Gabriotto und Rein-
htft ansgeföhrt, wiederholt hat, so hat er wenigstens durch
den tragischen Ausgang in der einen und den glftcUichen in
der anderen Geschichte der Sache eine neue Wendung zu
geben gewuszt, und nicht mehr gethan, als auch heut zu
Tage nicht die unbedeutendsten Bomandichter häufig genug
tiion.
Wickranis Sprache ist für seine Zeit etwas mehr mit
alterthümlichen und provinciellen Formen behaltet, als es bei
eniem Manne von nmfiissenderer Schulbildung und allseitigerer
yorhereitnng auf den Schriftstellerberuf vielleicht wflrde der
Fall gewesen sein. Was aber seine Darstellung hiervon ab-
gesehen anbetrill't, so theilt sie die Vorzüge der besseren
Schriftsteller seiner Zeit, Anschaulichkeit, Kraft und volks-
tUtanlichen Ton, ohne jemals ins Bebe zu verfallen. Neigung
zum Sehwulst, welche ihm von Gervinus vorgeworlen wird,
tritt denn doch nur an vei'einzelten Stellen hervor, im Ganzen
schreitet seine Erzählung, allerdings mit behaglicher Breite
nod einem gern he! Lieblingsgegenständen veiharrenden Humor,
aber doch sicher und wirklich episch fort Die etwas langen
Gespiftche, in welchen er seine Personen seine Gedanken nnd
Qfundsfttze vortragen Ifiszt, lassen allerdings erkennen, dasz
seine Leute keinen Mangel an Zeit hatten, gehören aber doch
immer weit mehr zur Sache als die endlosen und ganz aus
der Geschichte herausführenden Unterredungen im Fäustbuche
and Aehnlichea m Bomanen Älterer Zeit.
Weon Wicki-am üi dem Ideengehalte seiner Werke sich
18
Digitized by Google
— 266 —
dmcihaiui auf den Ereb toh Gedanken and Er&hrangen b&-
sdirtiliki, welclie sich anf das PrivatLeben beziehen, nnd poli-
tischen wie religiösen Zeitfragen fem bleibt, so läszt das eine
Schranke seines geistigen Gesichtskreises erkennen. Man wird
sogar Tennathen dürfen, dasz hierbd vielleicht die Bftcksicht
•of die onanstOssige Verkftnflichkdt seiner Bflcher eine Bolle
spielte, es ist aber zu bemerken, dasz diese Schranke mit den
besonders in der guten und bösen Nachbarschaft hervorgehobenen
Yoixflgen in Verbindnng stehi Unser Schlnszortheil über
Wiekram können wir im Ansdilnsz an die schon von Qoedeke
angedeutete Parallele mit Hans Sachs zusammenfassen: Wie
die Dramen des Nürnberger Schusters diese Grattung durchaoB
in ihrer Kindheit, aber als ein lebensfthiges and mit den besten
Anlagen sn einer gedeihlichen nnd selbständig-nationalen Eni-
Wickelung begabtes Kind darstellen, so sehen wir auch in
Wickrams Bomanen den ein gutes Wachsthom verheiszenden
Anfimg eines sich dnrchaas national nnd TolkaUiftDificfa ge-
staltenden deutschen Romans dnrch bewnszte nnd omslehtige
Ennstübung sich bilden.
Dass der Yergleich zwischen dem Hans Sachsschen Drama
und dem Wickramsohea Bomane noch weiter, als eben gesagt,
zutrifft, dasz die folgende Entwickelung unserer Gattung sehr
bald Wege einschlug, welche von der nationalen und volks-
thümlichen Qestaltang weit abführten, dasz eine Periode ein«
tnty in welcher die dentsche Bomanütemtnr gerade die am
wenigsten deutschnationalen und am meisten aristokratischen Pro-
dncte lieferte, werden wir bald ausführlich nachzuweisen haben.
Jetzt drftngt sich zonftchst noch eine Srschemnng in den
Erels der Werke, die wir zn betrachten haben, welche dordi
ihre Berühmtheit die ßomanschriftstellerei Wickrams sowohl
zu ihrer Zeit als auch in dem Interesse der Literarhistorie
nrfloktreten za lassen geeignet ist, aber aach doroh die mit
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ihrer insBenscliafllichen BehBndlung Terinittpfteii flbergfromn
Schwierigkeiten von jeher den an sie herantretenden Gelehrten
eine gewisse Scheu emgeflöszt hat, bis W. Wackemagel durch
seine ^rtreffliche Abhandhing „Johann Fischart ▼on StnsE*
bürg und Basels Antheil an ihm'* (Basel 1870) den Grund
zu einer der Wissenschaft unserer Zeit und der Bedeatong
des Mannes würdigen Behandinng Fischarts gelegt hat.
Mag Wackemagels Annahme, dasz Fischart von Geburt
aus Straszburg war, dmch weitere Untersuchungen fester be-
gründet oder wankend gemacht werden, wir yerdanken seiner
andringenden und hingebenden Genauigkeit jedenfiüls das Beste -
und Vollständigste, was wir über Fischart haben, und auch
das hier über ihn zu Sagende wurde ohne Wackemagels For-
sehnngen nicht haben gesagt weiden können.
Fischarts Bedeutung für die Entwickelung der deutschen
Frosadichtung ist nicht leicht abzuschätzen und genau zu
ebarakterisiren. Dies beruht einerseits auf seiner Allseitigkeit,
anderersdts auf seiner ausgeprägten und sugeepitzten Besonder-
heit, Fischart vereinigt alle Elemente der Bildung semer
Zeit in sich, alle die Zeit bew^enden Ideen und Bestrebun-
gen zieht er in den Kreis seines schriflstellerischen Wurkens,
alle Strahlen des damals im Culturleben unseres Volkes an
den verschiedensten Stellen henrorbrechenden geistigen Lichtes
sammelt er wie in einem Brennpunkt Und wie im Inhalt,
80 erscheint er in der Form allseitig, Aberall zu Hause, in
allen Sätteln gerecht und fest, die meisten der in seinen Tagen
beliebten und gangbaren literarischen Gattungen weisz er zu
t) Vgl. aaner den betreffenden Abschnitten bei Eoberstein, Ger-
vinus und Wackernagel (L. G.) namentlich: Yilmar zur Literatur J.
Fischarts. Frkf. a. M. 1865, H. Kurz J. Fischarts säramtliche Dich-
tungen. Leipzig 1866. HI. Bd. L Einleitung und G. Dederding „zur
Charakteristik FiscbartBi Progr. der Lolsenst Qew. Sch. L Berlin 1876*
18*
Digitizca by Cjcjü^Ic
268
behandeln, in Prosa wie im Vene ist er Mdster, ja Virtoos.
Auf der anderen Seite zeigt Fischart die bestimmteste und
nur ihm eigene Eigenthiimlichkeit in seiner Weise, die Dinge
anzusehen and zu behandeln. Sein Stil in der prosaischen
Rede wie im Vei*se und hier seine Verskunst sind so eigen-
artig, dasz seine Schriften, wenigstens die, in denen er selbst-
stftndig and frei sich bewegt, leicht schon daran za erkenoen
sind. Ganz and gar em Sohn seiner Zeit entfoltet er eine
staunenswerthe, aber das Verstfindnisz seiner Schriften oft er-
schwerende Yerti-auiheit mit den Zeitverh<aissen und dem
kleinen Leben des Volkes, and, obwohl ein wmtgereister Mann,
hängen seine Erzeugnisse mit unzähligen örtliclien Anspielun -
gen an dem Boden fest, auf welchem sie entstanden sind.
Die Hauptsache aber ist sem Hamor, eine Eigenschaft, welche
mit seinem ausgeprägt dentsch-nationalem Charakter im innigsten
Zusammenhange steht. Es ist hier nicht der Ort, eingehend--
Erörterungen über diese in unserer Literatur dne grosse und
vielleicht noch nicht genug gewQrdigte Bolle spielende Geistes-
richtung anzustellen , und eine philosophische Deduction dej?
Humors unterbleibt aus mehr als einem Grunde, aber es wird
auf die historische Stellong, welche der Humor des XVL Jahr-
hunderts als eine mit der geistigen Bewegung jener Zdt ur-
sächlich zusammenhängende und andererseits gerade unsere
Nation kennzeichnende Erscheinung ehmimmt, anfinerksam zn
machen sein. Deutlich und glänzend zeigt sich der Humor
des XVI. Jahrhunderts als ein Ausdruck des gesteigerten, sich
seiner Energie und gewaltigen Freiheit bewuszten geistigen
Lebens. Niemals hat der denkende Mensch, das der Welt
gegenüber stehende Snbject, sich als solches so vollkrftftig
und jugendfrisch fühlen können als damals, in dem an geisti-
gen Fortschritten reichsten Jahrhundert, welches die Geschichte
der eoiopaischen Volker kennt Ueberall neues Licht and
Digitizca by LjOO^i^
— 269 —
folglieh neue Belencbtunc^ der Dinge, wodiurch die Welt den
Lebenden anders erschien als bisher! Wie sollte da nicht der
dankende and bildende Geist sich seiner Gewalt über die
Welt 80 bewmzt werden and sich in sevm iVeiheit so be-
rauschen, dasz er seinem eigenen inneren Leben das über-
mütbigste Spiel mit den weltlichen Dingen gestattete? In
diesem Verhftltniss zu der yerschiedenen Intensität des geisti*
gen Lebens finden wir den Hnmor im Oaltnrleben yersehiede*
ner Völker, die besondere Neigung, welche sich bei uns zu
demselben bekondet, steht aber mit einer bleibenden Eigen-
thfimlidikeit anseres Volkes in Yerbindong, mit seinem Zage
zur Innerlichkeit und Vertiefung des geistigen Lebens, oder
sagen wir mit seiner starken Subjectivitat. Dasz diese Sub-
jeetivitftt, diese geistige Innerlichkeit, im Charakter onserer
Nation dareh eine ebenso starke Beoepti?itftt, eine bospiellose
AuÜ'aööungsßihigkeit ihr Gegengewicht findet, mag diese letz-
tere nun in der Aufeinanderfolge der Zeiten als Beaction aaf-
tieten od^ mag sie sich als gleichzeitiges Gomplement geltend
machen, darauf ist bereits hingewiesen worden, und ist hier
nur zu erwähnen, um an Fischart den letzteren fall zu exem-
[dificiren, weil sich kein besseres Beispiel im gansen Gebiet
anserer Literatur finden läszt. Es läszt sich aber von diesem
Gesichtspunkte aus ein Einblick in das mehrfach complicirte
Verhältnisz des groszen Mannes za anserer Frosadichtang ge*
Winnen, and* hierbei masz znnftehst etwas verweilt werden.
Dasz der Trieb zur Vulksthümlichkeit, zu einer echt
deatschen und für unsere Nation charakteristischen Gre-
tftaltang schon in der Zeit, wfthrend der wir bis jetat
die Entwickelnng der deutschen Prosadichtung unserer
trachtung unterzogen haben, sich in derselben voi*findet, ist
hinreichend nachgewiesen worden. Ebenso deatlich trat aber
za Tage, wie beaeichnend gerade für die Gattung des Bomana
Digitizca by Cjcjü^Ic
— 270 —
und seiner Verwandten das massenhafte Einströmen firemdeii
Stoffes wie fremder Formen In nnser Idteratargebiet ist Wii
können schon für das XV. und XVI. Jahrhundert das Zn-
sammensein dieser Gegensätze als das eigentliche Entwickelungs-
prlndp miserar Frosadichtnng anspreehen. Zorn Theil drocheiBt
nns dieses Znsammens^ nnr als die Gleiebzeitigkeit starrer
Contraste, oder historisch- anscliaulicher ausgedrückt als der
Ausdruck der tiefen Verschiedenheit in der Bildung verschie-
dener Schichteii unseres Volkes, ünlenspiegel, Boland« die
Schildbürger und die Karls des Oronen, der Gelehrte
Faust und der „Löflfler" Tristan sind Gestalten, welche nicht
verochiedener gedacht werden können. Schon bei Wickram
sehen ivir Elemente dieser so disparaten Vorstellungskreise
einander angenähert, bei Fischarfc finden wir sie innig mit
einander verschmolzen durch die Alles kurz und klein schla-
gende Gewalt des Humors. Arioste, Babelais» Fischart und
Gervantes and die einzigen Vorarbeiter mittelalterlidier Stoffs,
welche sie von der Höhe ihrer Bildung, welche sie als Männer
ihrer Zeit im besten Sinne anzufassen wuszten. Entweder
misite man über das lachen, was der Lächerlichkeit einmal
TO&nen war, oder man musste sich selbst lächerlich machen,
wenn man ernstliaft behandelte, was den eigentlichen Ernst der
Zeit, die fortgeschrittene Weltanschauung, nicht mehr vertrug.
Arioste, „det Göttliche", hat seine Aufgabe am wenigsten mit
dem Geiste der neuen Zeit einheitlich durchdrungen, durdi
und durch negativ und zersetzend bleibt er beim bloszen Spott
und verletzt uns dadurch, dasz er doch immer wieder das
Verq^ttete durch sich selbst glänzen lässt, weshalb auch die
mit reinem Hohn bduindelte Figur des Medoro, des dummen Jun-
gen von Gottes Gnaden, entschieden als seine genialste Schöpfung
ZU bezeichnen ist Babelais hat ganz andere Züge aus dem
Bom der Erkemitaisz geUian. In ihm sehen wir den Jüngling,
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welolMr snm erateii Male die Ideen mlimlidieii Srnetee und
mimilidier Tttcbtigkeit gefiuzt bat und voll Begeisterung seb
Knabenspielzeug und seine Schulbucher zerschlägt und zerreiszt.
Der groaze hilfreiche Arzt hatte daß YoUkommenste Bechti die
ganze Möncherei und den andern abergUUibisclien Plnnder,
mit dem man der Menschheit hatte helfen wollen, wie Blöd-
sinn zu behandeln, der denkende Politiker durfte mit der
gttnen Selbbenrlichkeit des Genies die ritterliche Banfboldig-
keit als pibrocholiBche Hnrnverbranntheit hinstellen, den beneble-
rischen Minnedienst seiner Zeit mit den unfläthigsten Possen
besudeln, der Mann, welcher seinen Geschmack an den besten
Quellen hannomscher Bildung, den classischen Griechen, g&»
bildet, sah sich gedrungen, zu zeigen, wie sich in seiner Seele
das Bild der Verkehrtheiten seiner Zeit spiegelte.
An Babehiis knüpfte Fischart an, und gerade hierin xeigt
sich sfflne geniale Ader am deutlichsien, denn die Yerschieden-
heit seines Standpunktes machte seine Bearbeitung des Gar-
gantua zu einem selbständigen Werke, zu einer neuen Geistes-
tbat. Babebüs hat nichts heftiger bekftmpft und nidits bit-
terer geharzt als das katholische Kirchen- und Mönchswesen.
Aber er hat nicht die Genugthuung genossen, seine Nation
ton diesem Yerderblichsten Gifte nationalen Glückes geheilt
zn sehen, ja er durfte dies nicht einmal hoffen. Fischart mur
Protestant, und er betrachtete seine Nation als im Siege gegen
die römische Kirche fortschreü^id, er war grOndlich geheilt, seine
Umgebung und seine Heimath, ja sem ganzes Vaterland war
in der Heilung begriffen. Daher des Rabelais wüthender
Hasz, der dem furchtbaren Feinde wenigstens seine volle Ver-
achtung ?on Seiten seiner Person zn zeigen beeifert ist, daher
Fischarts freudiger Eampfesmuth, dem in der That die Stif-
tung des Jesuitenordens ein recht gefundener Handel gewesen
zu sein scheint, denn die „lausigen Barf&szeimdnche*' wann
Digitizca by Cjcjü^Ic
schon Lather viel za dumm and wären dem Fischart sehr
bald langweilig geworden. So enoheint das Vorwiegen des
Witzes bei Rabelais, das des Humors bei Fiscbart, als Aus-
druck auch der historischen Stellung beider Männer, wie es
allerdings andererseits in der bleibenden Vorliebe der beiden
Nationen, denen sie angeh((ren, begrfindet ist. Das Aufgehen
beider Männer in ihrer bistorisclien Stellung ist es, was beide
von dem groszen Spanier, zu dem sich unsere Blicke immer
wieder snrftckzawenden haben, unterscheidet. Die ftnszerliche
Thatsaehe schon, dasz Rabelais und Fischart späteren Zeiten
nur vermittelst gelehrter Mühe verständlich werden, Cervantes
Don Quixote noch heute em ziemlich leicht lesbares und viel
gelesenes Buch ist, kennzeichnet diesen Unterschied. Als
Spanier konnte Cervantes auch keine Stellung in der politischen
Entwickelung seines Vaterlandes emnehmen, denn Spanien hatte
die wichtigste Frage der Zeit, die Idrchoipolitische, ein&ch ab-
gelehnt, es war dadurch allerdin^'s zuerst von den europäischen
Hauptvölkem mit seiner politischen und kirchlichen Ent-
wickelung fertig geworden, aber fertig im bedenklichsten Sinne,
fertig, wie ein Eanfinann fertig wird, es hatte keine Zukunft,
wenn unter der Zukunft eines Volkes mit Kecht nicht die
Zeit seiner Existenz von emem bestimmten Zeitpunkte an,
sondern sdn Fortschreiten von einer bestinomten erreichten
Stufe an verstanden wird. War somit der historische Hint-er-
grund im Don Quixote ganz von selbst nicht ein sich bilden-
der Staat und eme sich bildende Eürche, so war schon dieses
ffintergmndes wegen seine ganze Weltbetrachtung auf da^
Bleibende und nicht auf das Werdende gerichtet, seine Be-
deutung wurde aber dadurch, dasz er das im Dasein dßs
Menschen auch neben dem historischen Werden Bleibende zu
ergreifen wuszte, eine allgemeinere als eine historische.
So zog der Genius auch aus scheinbar ungünstigen Be-
Digitizca by Cj
— 273 — •
dingniigen QewiDD, mid weil kein Zdtbuch entstehen konnte,
entstand ein Weltbuch, bei dem der Geist der Zeit gegen den
Geist aller Zeiten zur Nebensache und zur Aeoszerlichkeit
wird. Was ich hier nur im Groszen und Ganzen anzadeaten
nntemehnien konnte, scheint mir die Weise zu sein, wie anch
eine stieng historische Betrachtung einer solchen Erschei-
nimg, wie Cervantes Don Qoixote ist, gerecht werden kann,
freilich will ich hiermit eben anch nur eine Seite der Ep>
scheinung beleuchtet haben, welche Yon verschiedenen Seiten
beleuchtet auf die verschiedensten hier uns au^stoszenden
Fragen licht zu werfen geeignet ist
Gehen wir nun von der Höhe, aus welcher uns verstattet
war, in weitere Umkreise unsere Blicke schweifen zu lassen,
herab and treten an die besondere Erscheinung, die wur noch
in ihrer nftheren Umgebung in Augenschein zu nehmen haben,
heran. Nur die Geschichtklitterung gehört von Fischarts
Werken entschieden in unsere Gattung, während allerdings
auch seine andern Sduiften, nicht allem die prosaischen, son-
dern auch die versificirten, ihrem eben angedeuteten Charakter nach
nicht ohne Einwirkung auf die Entwickelung der prosaischen
UnterhaJItungslitefatur Deutschhinds geblieben sind und ihren
Einflnsz bis in die neueste Zeit, vrie nachweisbar z. B. auf
Jean Paul, geltend gemacht haben. Der als Einführung eines
halbantiken Bomanstoffes schon erwähnte Ismenius konnte
eben nur vorfibergehend erwähnt werden, da hier Fischart
nicht der eigentliche üeliersetzer, sondern nur poetischt^r Vor-
redner und im besten Ealle bessernder Bedactor war ') und
Mit dieser Heiming stimmt das von Ooedeke in seinem Pam-
pliilns Genxenbech S. 527 1 Gesagte gnt fiberein, snmal da sich wohl
kanm wird annehmen hissen, dasi Artopens, der als Ucbeisetxer ge-
nannt wird, seine Arbeit ohne jede gelehrte Beihilfe gefertigt habe.
YergL aneh W. Wackemagel, Lii-Oesoh. 8. 491. Anm. 10. Der Yer-
Digitizca by Cjcjü^Ic
— 274 —
was das im n&chsteii Capitel za erwähnende VI. Bach des
dentsehen Amadis betrifft, so war Fisdiart andi hier gewiss
poetischer Vorredner, vielleicht üebersetzer, dann aber blo8zer
üebersetzer, und es gehOit diese Arbeit zu denen, die er
lediglich uns Brot machte, wenn anch seine BeihiUle rar BSin-
fthrnng des weltbekannten Bomans in Deutschland, namentiich
aber seine versificirte Vorrede in den Amadis weiter unten
nicht übergangen werden darf. Zu thun haben wir es hier
demnach ägentlioh nnr mit der berühmten Gesohichtklitterong.
Ihre Bntstehnng fftllt in die Zeit des längsten Baseler Anfent-
haltes Fischarts, und schön und trolTend sagt hieiTon W.
Wackemagel (S. 24): „Unmittelbarer, gehäufter, durchgängiger,
.zweifelloser (als in dem 1576 erschienenen „Glückhafken Schiff'')
zeigt sidi der Einflnsz, den das Leben in Basel anf Fisoharts
Denken und Dichten geübt hat, in einem zweiten umfang-
reicheren Werke, das zuerst 1575 >), also gleich nach seiner
Promotion gedni4^ erschienen nnd in der Beihe der vielen, die
wir ihm danken, das bOchstgestellte , die strotzende Blüten-
krone seines und alles deutschen Humoreö ist, dem Gargantua
oder wie man mit anderer Efirzong des Titels, aber erst nach
dessen späterer Fässnng, za sagen pflegt, der Gesehicfatlditta-
mng d. h. mit einem Fremdwort ansgedentet, Geschicbts-
lasser der griech. Urschrift ist Emtitliiiu oder fimnatliiai, nieht eiii
Philoeoph EostiobiiiB, wi« der Titel sagt, die Vorlage aber war
die ital Uebenetntng des Lelio Canai. Aoagaben o. 0. 1579. —
0. 0. 1594 — 0. 0. 1610.
*) 0. Ort und Namen des Druckers, welcher aber nach Wacker-
nagd S. 88. Fiscbarts Schwager Jobin in Stnuiborg war. Weitere
Ansgaben: Grensfaig imGenseiiöh 1582. — Ebend. 1590.— 1593.— 1594. —
1596.- 1600.- 1606.— 1606.— 1612.— 1617.— 1620.- 1626.— 1681. —
1657 n. einmal o. J. Tgl. Weiler Nene Orig. Poes. J. Fisoharts. Ein
Abdruck t. Scheible. Stuttgart 1847 u. ebe Bearbeitung t. EcksteiB
(Sander). Hamb. 1785.
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iNwniDoii 1): nrspranglicli baHe es Ckeehiditschiifl; geheiszen,
das mochte ihm aber nachher zu gewöhnlich oder auch unbe-
scheiden dünken. Ganz von ihm selber freilich rührte dieses
Werk nieht lier, er entnahm die Grundlage daza Ton Franz
BslMiais, ans dessen Yie, Mets et diets herolqnes de Gar-
gantna et de son fils Pantagruel, führte jedoch bei weitem
nicht alles wieder auf Deutsch aas, was der Franzose ihm bot,
nur das erste Buch, eben den Gaigantna, wflhiend er bis an
den Fantagrnel, der hei Babelais die drei nooh übrigen Melier
fUttt, den auch sein eigener Titel mit ankündigt, gleichwohl
Bieht gelangte, aus £rmüdang, aus Uebers&ttigang: schon
gegen das finde der Gargantna ist ein Nachlassen und Sinken
des Bearbeiters wahrzunehmen, weil er nicht mehr den gleichen
vollen Reiz wie früher und namentlich nicht mehr Anlasz
genog für ein eigenes freieres Schaffen £uid. Denn allerdings
wer hier eine üebersetsnng, wie man sonst diesen Ansdmck
nimmt, erwartete, wäre schwer getäuscht: Fischart ^vertirt"
er sagt das auch selber, „nur ungefährlich" sehr ungeiUhrlich
„obenhin"* 2) : Alles in der Art des Anschanens, des Denkens
sad Empfindens ist, nm (ftr jetzt nnr diese ehie Seite der
Abweichung ins Auge zu fassen, halb mit Bowusztsein, halb
naiv „auf den Teutschen Meridian visirt''; nicht mehr der
fianzOsisehe, es ist dnrdiweg «der leutsch Babelais**, der
ZQ ans spricht, nnd wie dieser in der Schöpfung unerhörter
neuer Worte kühner und glücklicher sein kann als sein Vor-
gänger, weil er sie ohne lateinische und griechische Hilfe rein
ans dem Deatschen selbst zu schöpfen Tormag, so sind anch
') Dieses Fremdwort ist durchaus unnöthig, und Wackernagel
hätte dafür das mit Klitterung etymologisch identische Kladde setzen
Blässen. S. Grirams Wörterbuch a. v. Kladde und EUttemng.
*) „Wie man den Grindigen lauBst'* sttht aaoh dabei und ist
edrt Fiscbartisch.
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die zahlreidißii, zahlloflen, wahrhaft sich drflagenden Bezüge
aaf die Sitte der Zeit, auf die Bewegangra des Geistes in ihr,
auf Sage und Märchen, auf Lied und Sprach und Sprache
des Voike.s, fast sämmtlich sind sie (nur zur Ausnahrae an-
ders) aas Deutschland geholt: hier denn namostlich sieht man
mit Stannen, wie genan Johann Fischart bis an die entlegensten
Kndon und von den höchsten Schichten der Gesellschaft bis
zu den uiediigäteu hinab Menschen und Dinge der Ueimath
kennt, wie er gewandert, wo er geweilt, von wem allen er
gelernt hat, und nicht blosz um von seiner Lebensftthrung,
von deren Sinn und Art ein Bild zu gewinnen, sondern viel mehr
noch für die ganze deutsche Culturgeschichte des sechzehnten
Jahrhunderts ist dieses Bach eine Fondgrube wie Tielleicht sonst
keines, bat aber schon aner unserer Gnltdrhistoriker siebefthren?*'
Wackernagel giebt hierauf eine reiche Auswalil von ver-
glichenen Stellen, welche deutlich zeigen, wie Fischart auf
jedem Schritt und Tritt seine franzOeische Vorlage durch locale
und nationale Anklftnge and Benehungen „auf den tentschen
Meridian zu visiren", l)etlissen war. Tretflich wird dann unser
Mann mit Sebastian Brant, dem er durch seine engen Be-
ziehnngen zu Basel so nahe steht, verglichen, ein Yeigleich,
der selbstverständlich nur zur Anfweisung der bei weitem höheren
und allgeiueineren Begabung und Thätigkeit Fischarts führt.
Noch eine Steile Wackemagels kdnnen und müssen wir
uns hier zu eigen machen, welche von dem Verh<niBse
Fischarts zu dem nur lehrhaften und auch die Satire nur um
der Lehre willen übenden Brant ausgehend, treüend die Stel-
lung des groszen deutschen Humoristen zu seinem groszen
französischen Fachgenossen weiter bezeichnet ^Auoh Fischart*'
sagt Wackernagel auf S. 80, .JüMint und übt die L 'lulraltig-
keit, kennt und übt die Satii'e wohl, beides in Prosa und in
Versen . . . Aber für seine eigentlichste Art ist die Lehr-
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haftigkeit nur Nebensache und das Geringere, nnd die Satire
tritt erst dann voll in seine Eigenart ein, wenn der Spott
zur yernichtendeo Ironie sich steigert und veredelt. Die Besonder-
heit jedoch, die ihn Torans bezeichnet, wfthrend Brant davon
nichts empfangen hatte, ist die entsprechend geadelte Laune,
der Hunn»r. Auffallend genug, er war sich dessen beinahe
bis zu Idarer Theorie bewuszt, worin das Wesen des Humors
bestehe: das zeigen die Vorreden zum Chirgantua und schon
zum Eulenspiegel ; ') und dennoch wo er nun selbst die Dinge
mit Humor erfaszt, waltet darüber sichtlich jene naive Genia*
litftt, die kemerlei Bechenschaft von ihrem Thun zu geben
vermöchte. So hat er denselben auch nicht etwa erst von
Babelais gelernt : den kannte er wahrscheinlich noch gar nicht,
als er den Eulenspiegel und nur noch von fem, als er zuerst
die FlOhbatz dichtete, und vergleleht man nachher seinen
Gargantua mit dem des Franzosen, wie steht er diesem, der
oft mehr witzig als humoristisch ist, auch in Bezug auf Letz-
teres voraus, und wo nicht das, doch mit der vollsten Selbst-
ständigkeit neben ihm, mit Selbständigkeit, wo es den frohen
Uebermuth des Humors uud noch entschiedener, wo es auch
dessen ernstere Seite herauszukehren güt: Beispiele das achte
Oapitel, in dessen strömende Fülle er kaum ein Wort ans
Hat>elais herübergenommen , und gar schon vorher das fünfte,
dessen Lobpreisung des ehelichen Lebens, humoristisch wie
spftteriiin die Unterweisungen des Ehezuchtbüchlems schlicht
lehrhaft sind, er vollkommen für sich hat. Gleichwohl
ist nicht in Abrede zu stellen . . . , dasz Eischart,
seiidem er zuerst an Babelais Boman herangetreten, das Wirken
seines Humors je mehr und mehr an diesen geknüpft hat:
sind doch sogar in die Flöhhatz, die ursprünglich und an sich
sdbst auszer aller Beziehung auf Babelais stand, nachträglich
0 Siehe die Beilagen sa diesem CapiteL
Digitizca by Cjcjü^Ic
— 278 —
solche gebracht worden und ebensolche, gleich bei dem ersten
Srscheineii (im Jahre 1577, demselben, wo die ümarbeitang
der Flöhhats kam), in das Podagrammsdie Trostbtehldn, dne
Schrift deren Inhalt, zwei Reden zu Schutz und Ehren des
Podagras, vielmehr in jene Verquickung von Ironie und Humor
einschlug, welche Erasmus durch sein Lob der Narrheit und
Cornelius Agrippa durdi sein Lob des Esels beliebt gemacht
Fischart hatte es nicht vermocht dem Romane Rabelais bis
in den Fantagruel nachzufolgen; aber der Faden blieb ihm
doch stets in der Hand: wie locker immerhin, die FKäihata^
das Trostbüchlein wurden mit in die Reihe der EUoposclerischen
Schriften eingeflochten, und noch kurz bevor er sterben sollte,
nahm er den Faden selbst wieder auf und übertrug unter
dem Titel Gatalogns Gatalogorum perpetuo durabilis und indem
er sich dieszmal Artwisus von Fischmentzweiler nannte, aus
Rabelais siebentem Capitel des zweiten Buches des repertoire
der librairie de samct Victor in deutsche Sprache und auch
diess wie einst den Gaigantua in raicfaate deutsche Besllg-
Uchkeit.**
Um, was von Wackernagel in Betreff der Beziehungen
Fischarts au Babehüs beigebracht wird, zu TonroUstftndigen,
füge ich noch Folgendes (Seite 60 f.) hinzu : „JedenÜilIs
zeigt uns die Praktik (zuerst gedruckt 1572.) die ei-sten Spuren
des von Babelais auf Fischart geübten Einflusses: der Eulen-
Spiegel so noch nicht .... wohl aber ist jene ein starkor Ver-
klang und schon ein Stflck Vorarbeit auf den Gargantua. Nur
hat damit Fischart gleichsam von hinten angefangen: denn
was ihm hier den Anstosz gab, die Pantagnieline Prognostir
cation u. s. w. par Maisire Alcofribas Ardütridin dudit
Pantagruel, ist bei Rabelais an den Sehlusz des ganzen Romans
gehängt. Es gab jedoch letztere eben blosz den Anstosz und
hie und da einen wolübenutzfcen Wink her, nicht die Urschrift
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— m —
ftr doe fortlaiifende üeberaetenng, und niclit dnmal so wie
weiterhin der deutsche Gargantua zu dem französischen ver-
hält sich die Practik zu der Prognosticfttion: der Unterschied
iit laßt neeh um vieles grOszer, die Selbstlndigkeit des
Deutschen noch ausgeprägter und schon die Menge des Stoffs
und dessen Yertheüong und Rinr^hiD^ing bei ihm eine mehr-
&ch andere neue/'
Ich habe den hochverdienten Hann so viel selbst reden
lassen, weil ich den angeführten Worten über die Dinge, von
denen hier die Bede ist, nichts iünzuiügen, noch etwas davon
hmwegnehmen und nicht, was er vortrefflich gesagt, anders
sagen wollte. Es bleibt nun nur noch übrig, die Bedeutung
der uns hier zunächst interessirenden Schriften Eisch&rts grade
ftr die historische üntwickelnng unserer Gattung vollstSndig
und mehr im Besonderen als bisher zu beleuchten, denn über
die bedeutenden Einwirkungen, welche Fischarts Thätigkeit
anf die Literatur seiner Zeit im Allgemeinen und dadurch
soi^eidi auf die prosaische Unterhaltnngsepik ausübte, ist
genug gesagt worden.
Zuerst das Positive. Wir haben im vierten und fünften
Oipitel eine Anzahl Schriften kennen gelernt, die in Betraff
des Humors als Vorläufer Fischarts bezeichnet werden können
und zu denen er in einem directen Verhältnisz steht. Eulen-
BjgMgA hat er trefflich versificirt, und wie gut er ihn ver-
slanden, davon giebt seine Vorrede das beredteste Zeugniss.
Er kennt, wie aus namentlichen Anführungen hervorgeht, nicht
nur die Schwankbächer, welche wir kennen gelernt haben,
soodeni noch ehuge, die wir nicht kennen lernen konnten,
weil die Ungunst der Zeiten oder vielleicht auch eigener Un-
werth sie hat verloren gehen lassen*). Wenn man von der
>) Vgl. die Beilagen zu diesem Cftpitel und die in denen vm
Tierten gegebene Vorrede der Eatiipori
Digiiizca by Cjcjü^Ic
Leetüre Bebels, Paulis und der anderen derarügen Schriftsteller
zu Fischart kommt, so kann man erst beortheUen, wie tief
Fischart nicht blos — wius bereis hervorgi'huljcn ward — im
Volksleben überhaupt, sondern iasbesoudere in der komischen
Literatur seines Jahrhunderts wurzeli Und wenn seine Qe-
schichtklitterang ebenfiills schon mit Wackemagels Worten
als die strotzende Biüthenkione seines und alles deutschen
Humors bezeichnet ward, so kann auch hier noch genauer be-
stimmt werden, inwiefern sich Fischart über die Erzeugnisse,
welche wir im vierten und zum Theil im ftmften Capitel be-
trachteten, emporschwang und die organisch aus diesen
Erschwungen sich entwickelnde hühere Gestaltung der Gattung
darstellt. Es liegt dies, wodurch er zugleich modemer, neu-
zeitlicher als alle jene erschemt, um mich eines zunächst
möglichst allgemdnen Ausdruckes zu bedienen, in seiner Fro-
heit dem Stoffe gegenüber. Er überliefert nicht mehr den
schon Jahrhunderte lang von verschiedenen Nationen immer
wieder verarbeiteten epischen Stoff, er schreibt nicht aus zehn
Büchern eia elftes zusammen, wie wir dies, wenigstens beinahe,
die grössere Anzahl der Schwanksammler thun sehen. Aber
er ist auch insofern dem Stoffe gegenüber freier, als es hei
ihm viel weniger als bei seinen Vorgängern auf den Stoff als
solchen ankommt» Hatte schon Babelais mit seinem epischen
Stoffe gemacht, was er wollte, so wiederholt Fischart dieselbe
Procedur noch einmal in höherer Potenz an dem schon humo-
ristisch und höchst subjectiy bearbeiteten. Will man unter
den Schwankbücbem der früheren Zeit diejenigen herausheben,
welche Fischarts Schriften am nächsten stt^lien, so sind es die
des etwas unsauberen Gesellen Michael Lindener und das
Sehiltburgerbuch. Ersterer nfthert sich in seiner freilich viel
roheren und von viel weniger Ideengehalt erfüllten humoristi-
schen Darstellungsform am meisten der Fischartschen Fülle
Digiiizoa by Cjc,
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md Fifldiarts spnidelndmi Uebennathe ao und rerdient unter
seinen Vorläufern jedt'ntalls besonders genannt zu werden. Das
Schiltbürgerbuch, der Zeit nach zwanzig Jahre später als die
Geflchichtklittoniiig, mfiazte als eine gate und selbatftndige Naeh-
iHldoDg der Fischartseheii Schreibweise beiEeiebnefc werden,
wenn zu beweisen wäre, dasz sein Verfasser Fischart gekannt
und ihm nachgestrebt habe, ohne ihn nachzuahmen.
Doch nnn anch die Kehrseite. Gleich die Erwfthnnng
der ScfaQibürger bringt uns anf einen hierher gehörigen Pnnki
Dieses Buch bietet auch in seinem Stolle nur wesentlich Deut-
sches, nirgends hat der Verfasser nachweisbar direct aus einer
finmden literator sein Material geborgt, wfthiend Fischart
beim bmenins nnd beim sechsten Bnche des Amadis sidi in
den Reihen deijoni<ien befindet, welche das, wie wir gesehen,
schon im XV. Jahrhundert im Gange gewesene üeberfluthen
der franzUsischen Literatur in die unsere Tennitteln. Und so
fest alles, was Uber die grflndliche imd voUstftndige Ter*
deutschuDg des Babelais gesagt worden ist, stehen bleibt, so
hat er doch anch hier sich an eine franzAsiache Vorlage an-
geschlossen. Er hat , dies alles aof eine seines Gmns völlig
wORÜge "Weise gethan, er hat sich m Babelais wenigstens so
verhalten wie später Le Sage zu seinem spanischen Vorbilde,
Iber er bat doch mit semer nnserer Gattung angewendeten
dichterischen Thfttigkeit dem Znge der Zeit Folge nnd gam
ohne Zweifel dem Verfahren Späterer, welche das nicht konn-
ten, was er mit Leichtigkeit vermocht, — nämlich deutsch
zu Ueiben — Yoischnb geleistet Somit erscheint er nicht
bks als Vollender der SchwankHteratnr Ar seine Zeit, sondern
auch als Furtleiter und Vervollkommner jener schon lange
Zeit auf das Aneignen fremder Erzeugnisse gerichteten Be-
strebungen, mit deren Betrachtung wir unsere Aufgabe zu be-
gknien hatten und die wir bereits als einen durchaus be-
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zeichneadeD Zug der Entwickelong der deatschea Prosadiclitung
genaaer kennen gelernt haben. Er liat — um die Sachlage
nun so Ta sagen mit dem bewaszten Interesse an nnserar be-
stimmten Gattung, als Anwalt des Kornaus, anzusehen — dieser
Gattung nicht das geleistet, was Grimmelshausen hundert
Jahre spftter unter wenigstens durchaus nicht günstigeren Be>
dSngungen geleistet hat. Und dies in dop})elter Beziehnng.
Grimmelshausen schuf einen nach Form und liilialt <luicliaus
Yolkathümliehen , ja den Tolksthümlichsten deutschen ßoman,
und swar im Gegensätze zu dem damals en Yogue befindlicheii
heroisch-galanten Kunstroman, der ganz und gar auf französi-
schen Vorbildern beruht und seinen Simplicianischen Schriften weit
un&hnlicher gegentlber und beim Publicum im Wege stand,
als es die deutsch-firanzOsiBehen Bitterbücher des XV. und
XVI. Jahrhunderts gethan haben würden. Die Herbeiziehung
Grimmelshausens iuhi-t uns aber noch auf einen zweiten Punkt,
der uns eben gem&sz unserem besonderen Interesse an unserer
besonderen Gattung scharf ins Auge fidlen musz. Grimmele-
hausen ist durch und durch ei)ischer Dichter , er ist als Er-
zähler unübertrefnicb, sowohl was das Einzelne seiner Darstel-
lnngswirise, als audi was die Architektonik seiner um&ng-
reicheo epischen Dichtungen betrifft Fischart dagegen kann
kaum mehr als episclicr Dichter, seine Geschichtklitterung
kaum mehr als eine erzählende Dichtung bezeichnet werden,
80 sehr ist der Stoff, sind die epischen Motive durch den
Humor erdrückt und überdeckt. Auch Grimmelshausen ver-
dient als Humorist erster Ordnung bezeichnet zu werden,
aber bei ihm schwebt der Humor als ein den tiotten und
doch behaglichen Gang der Erzählung nur heller und lebhafter
machender Duft, als eme das Gemälde hebende Lasur, über
dem Ganzen, bei Fischart wogt der Huniur um und über die
eigentlich epischen Motive wie die Wellen des Meeres in
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emein Semtficke um em paar Klippen branseiif welche nur da
sind, um die malerischen Brechungen nnd üeberstfinnngen der
Wellen hervorzuheben und zu motiviren. Daher konnte Fischarts
Geschiehtklitterung auf die Enbvickelung des Romans als
epischer Dichtangsgatfcong nicht so wirken, dasz die Einwirkung
den eigentilichen Kern der Kunst, welche in dieser Gattung
zu üben ist, traf, nämlich die Kunst des Erzählens, und darum
uam seine Thätigkeit in ihrer Beziehung aul' unsere Gattung
ünmer mit dem Bewusztsein betrachtet werden, dasz sie ein
anderes Gentrum hatte, als die Bomandichtung haben musz,
wenn sie ihrem Wesen, dem Wesen der erzählenden Dichtung,
gemäsz bleiben will.
Trotz alledem aber, was jetzt zuletzt gesagt ward, ver-
diente Fischart immerhin die Beachtung, weldie wir ihm hier
haben zu Theil werden lassen. Er bleibt für unsere Gattung ein
wichtiger Markstein der £ntwickelung. Denn er ist derjenige,
welcher am Ende des sechszehnten Jahrhunderts die beiden
einander entgegengesetzten Entwickelnngstriebe, den nach Volks-
tliümlichkeit und den nach Aneignung der Fremden, innig in
einem Werke Tereinigt, nach ihm sehen wir sie sich wieder
trennen und, bedingt durch die allgemehien Gultnrverh<nisse,
sich weiter von einander in ihren Aeuszerungen entfernen als
je. Dieser getrennten Entwickelung der deutschen Prosadich-
toQg wird von nun ab eine ziemlich geraume Zeit unsere Auf-
merksamkeit zugewendet werden mtlssen.
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Beilagen zu Capltel Tl.
L
Aus ,^einliart und Qabriotto." 1551. Cap. XVL
Wie Philomena dem hofifgesind ein kleiDot vazgab / mit dem
ballen darnmb sikselilageii.
Eines tags sich begab / das die jiinckfraw Philomena mit
jiem firawen zimmer för die statt auff einen schinen anger
spaeieren gienge / vnd mit jne vil des Ellnige boffgeBind / vnder
denen was aiicli Reinliart vnd Gabriotto / als sye nun an das
lustig ort kummen waren / die junckfraw Philomena welche
allzeit ein wolgefallen an jrem allerliebsten jflngling nemen
tbet, damit sye jn aber mer dann die andren preisen m6cht/
gedacht sye jr / den jungen edlen ein gab ausz zugeben / mit
dem ballen die zügewinnen/dan sye woszt Qabriotto also ge-
schickt vnd behend mit mn / das jm nyemandts an dem hoff
geleiche mocht / das so die junckfraw auszgab was eine reiche
schnür / mit goldt vnd perliu meysterlick gesdimuckt / also
das sye ein Graff mit ehren wol het m6ge tragen / Philomena
schliff die zu hencken an ein sch6ne grÄne linden / da sye jr
dann jren sitz sampt jren junckfrawen auszerkoren hat / die
jungen edlen welcher an der zal bei dreissig wz / sich all
zftmai nach jrem besten vermAgi darzö schickten / dann ein
yeglicher die gab vnderstund zu erlangen / da sah man
manchen behenden jüngling dem baUen entgegen sprin-
gen / gleich als wann er geflogen wer / vnd dann den ballen mit
seiner band von jm weisen / so behendt / das man jm
nit bald genüg hett m6ge zu sehen / wie vil aber dere waren /
noch ward keiner vnder jn / so dem jüngling Gabriotto mit
behendigkeyt / weisz vnd geberden geleichen mocht /des Philo*
mena jr sunder grosse freüd nam / dieweil sye menigklich
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Frawen Tnd junckfrawen dem jfingling den preisz geben hört /
Keinhart sich auch nach allein seinem vermögen brauchet/
Tuid zu aller zeit der junckfrawen Bosamonda warnam / die
jm mt minder jre eQglin zA taosent malen sehieseen Hees/
den jüngling in solch gedancken setzt / dz er seinselbs g^ntz-
Hell vergessen thet / vn als jm einer seiner Gesellen den ballen
z&8chläg/er in solchen gedäcken jm den ballen meynt wider
zibchlagen /jn aber gegen Bosamnnda schlagen thet /des er
Ton hertzen seer erschrack / auch von allen andren seinen gsellen
grWlich verlacht ward / jhn damit bewegten / das er sich den-
selben tag des Ballens nit mer rnderziehen wolt/ also schamrot
zA Bosamnnda sich fftget / sye mit züchtigen werten freflndtlich
bitten ward / die junckfraw die yotznnd sampt Philomena ein
klein von der Linden / vnnd den andren junckfrawen gangen
waren / Kemharten mit mancherley schimpflEworten vmbtriben/
der jn zft aller Zeit zflohtigliche antworten knndt / zü letst
Philomena anhüb vnd spracli / liirwar Reinhart ' jr mir auff
«lisz mal nit mer schuldig seind / dann jr euch mit ewerem
miszschlagen ein vrsach gennffien haben / mit Bosamnnda zt
reden / welehes ench / als mich bednnckt / mer IVeQd geboren
thflt dann der ballen / der jüngling Reinliart sich von wegen
der wort Philomena seer schämen ward / züchtigliclien anhüb
vnd sprach / ach allergnidigste jungfiraw / es ist nit on / mir
ein mnlichs grosse ftefid bringen thnt / wie wol ich wo! dencken
mag / alles vmb ^unst sein / noch musz ieli bekenne / mir gr6.^ser
t'reüd nit beknmen micht/dann so ich mich wiszt ein diener
sein / einer semlichen wolgebomen züchtigen schinen junck-
frawen / als dann mein gnädige jnnckfVaw Bosamnnda ist /
Philomena / sprach Keiuhart / so ieli wissen m6cht / dir sem-
licher wort ernst sdn / vnd das du nit deinen spott mit vns
treiben thetest/ich dir warlichen etwas zft wissen thün wblt/
dauou dir grosse ü eüd bekummen mScbt / der jüngling anhüb
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▼nd flpraoh/Adi goldige jnnckfraw/ des sand jr sonder swesjifel
an mir sein / dann ich mich des nimer gege euch vnderston
dirfft/als jr mir vertrewen/ja das ich mich spottwort gegen
eoeh oder d'jonckfraweoBoeamonda gebraocheo solt/dan ich
michs gegeo einer mindern nye ynderstandai hab / ich eprieh
wie vor / mir grÄszer freüd nymmer züston m6cht / dann so
ich mazi einer solchen schönen jonckfrawen zu dienen / also
das jr meine diepst aagenem weren / Sagend mir doch / ob
sich ein jüngling auch seliger schetzen m6cht / dann in einem
solichen stand wie ich euch anzeygt hab / Philomena also
sprach/ Non wohm Beinhart/ so bisz du des sonder sweyffel /
das dich jonckfraw Bosamonda vor lang von gantzem hertzen
gehuldet hat / darumb du dich sein l)illich erfrewen magst /
die junck^w Bosamunda z^gege stund / allen werten von
Philomena der jonckfrawen geredt z&hort/derhalb sye sich in
jrem angesicht entferbet/dz sye ein klein wenig r6szlechter
ward / das dann jr ein sundere zier gab / Reinhait sprach zu
der jonckfiuwe Bosamonda / wolgebome joockfraw / die wäl
jhr mich dann zft einem diener nit verschmähen wend / demnadi
Philomena mit mir geredt bat / so bitt ich euch mit höchstem
fleisz/jr w6llend mich in keinem dienst nymmer sparen /vnd.
mir z& aller zeit gebieten eoch zft dienen / in allem so ewer
gefallen ymmer sein mag / ich mich nimmer in keinen weg
sparen will / die junckfraw liosamunda dem jüngling seiner red
mit groszen freftden z& gehört hat/ anhüb vnd sprach / edler
jüngling ewer trostlich züsagen mich von gantzem hertzen er-
frewet/vnd wiewol ich mir fürgcnummen hat / euch seralitlis
zä oerbergen / vnd mein liebe so ich euch lang zeit getragen
hab / nit z& iffhen / so mag ichs doch nymmer geleOgnen/
dieweil euch Philomena deren zum thevl bericht hat / so wissen
das ich euch fürthin für meinen lieben bülen halten will/
damit aber wir jetzond nit den £Edschen zongen vrsach geben/
Digiiizea by CjOü^iv
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etwas args wider tiis zdgedencken / wAUend wir auf diesz mal
gmftg danon geredt haben / den nechsten tag aber / so jhr mir
auff dem platz mit ewcrem grellen Gabriotto allein zü gesiebt
kmnineD / will ich euch den yrsprong meiner liebe in gschriffb
anuygen / dammb gond non zAmal mit fireflden wider z6 ewerer
gsellsehafft, vnd schaffend euch freüd vnd kiirtzweil mit jnen /
dann vas die zeit lenger nit vertragen will bei einander zft
bleiben / der jlkngling mit zAchten vrlanb von den beden
janekfrawen nam / frölich vnd wol zÄmut von daüen gieng /
Gabriotto dz lang gesprAch mit fleisz wargenumen hatt / kaum
gewarten mocht/dz er allein zü seinem gsellen kirn/ damit
er vememmen m6eht / was doch Rosamnnda mit jm geredt
hett / in dem sich begab / das man de schiniitff yetzt ein end
gab / alle so zügegen waren / Ghibhotto de preisz gaben / des
jm dann Philomena von hertzen gftnnet/jhn bald zA jr kom-
men schaff / der jüngling das mit groszen freüde volstrecket /
Als er nun zü Philomena kam / syc mit zÄchtiger reuerentz
giissen thet / dem die jnnck&aw zühandt züchtiglichen danck
saget / anbAb vnd sprach / edler jfingling / ich glanb eneh ein
sundfTo giiad von Gott verleyhen sey / dann euch yederman
aafi' disen tag den preysz geben thut / dai'omb jr dann billich
mit disem kleinot sollen begabt werden / jm mit solichen
Worten die schon vnd wol macht schnür zü seinen banden
geben thet / die er mit grussen i'reüden von deren / so jhm ob
atten weihen liebet empfing / demnach yederman wider heym
20ch / Reinhart vnd Gabriotto vnder allen andern die frtlichsten
waren / ausz der vrsach Keinhart von seiner Rosamunda einen
Stehern trost empDangen bat / Gabriotto von seiner liebsten
jaoflkfrawen Philomena ein rei(ch)liche gab / dammb sye sidi dann
billichen mer dann der andren keiner erfrewen mochten /
deszgieicbeu di*' heyden juncktrawen / mit grossen ireüden
wider an den Kfiniglichen hoff kamen.
Digitizca by Cjcjü^Ic
— 288 —
(17.)
Hie würt Beinhart ?on seinem geellen z& red gestellt / der
jonekfrawen Bosamnnda halben.
GAbriotto noch in gedancke hat das freundlich gesprach
80 sein gsell Beinhart mit Bosamunda der jimckiiawea gehabt/
dämm als i^e yetzmid an ort vnnd end kommen waren / da
sye sich gantz einig wuszten / Gkibriotto anhüb vnd sprach /
mein lieber Beinhart / ich bitt dich / so du änderst ein recht
▼nd war vertrewen z& mir hast/du w6llest mir sagen/wi die
jonekfraw Bosamnnda mit dir geredt hat / als dn den hefitigen
tag bei jhr gestanden bist / Keinhart anhul) vnnd sprach / mein
Gabriotto/ dn bedirffest mich nit ako hoch ermane/ dan du
wsjyst mich allzeit in allem yertiawen gegen dir ston / ich
hatt mir aach zAnor f&rgenummen / dir ein semlichs nit züuer-
halte / du seit wissen / das mich heilt zu tag Kosamunda (als
ich mit andren den ballen schlüg) mit so jnbrOnstiger liebe
entzftndt hat / das ich ziün theil nit wissen mocht / was ich
thet / sye mit sulichen gedancken ansah / vnd moynet meinem
gsellen die ballen zu züschlagen / in solchem anseilen schlüg .
ich der jnnokfrawen jr den ballen zA/des mich zühand grosie
schäm vmgeben thet / von stund an mich zu Bosamunda fuget /
des Philomena bald warnam / als ich nun Bosamunda mit
gantzem fleisz dariOr betten thet / fieng mich die jonckfiraw
Philomena mit schimpflichen werten an zü kützlen/ateob ich
mit fleisz Bosamunda de hallen zu geschlagen hette / mich
darbey jrs gunsts zü mir trage vnderiichten ward / des mich
grosse frefld umgeben thet / in de mich z& Bosamnnda der
junckfrawen keret / die freündlich batt / sye inicli für ein ii
diener nit verschmähen solt/ des s^e mii' zuhandt voröpiuch/
auch nit lefignet / das ^e mir vor lange jr hnld gern zu
wissen gethon hette / aber vmb minder nachred willen sye
mich batt / dz ich wider zü meinem geseüeu kere solt/ dem-
Digitizca by LjOO^i^
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oadi wolt sjB den nechsteo tag (so syo nuch Tud dich aUein
hinden an dem Palast finde micht) mir jr liebe zü wissen
thün ' (larauff ich mit gantzem fleisz harren will / was grosser
freüd Gabriotto von seines gsellen red empüng / nit wol zu
beschreiben ist / dann er Tor langem nichts anif erden mer
begeren tbet / dan das Rosamnnda van Beinharten aneh lieb
gehalte/auch der maszen Rojamundu jhm liebe tragen thet/
das alles nun Torbanden was / wie jr dann solichs wol vei^
nmmnen hand.
Aus „Von guten und bösen Nachbarn 1556.^* Gap. L
Er het einen zanckischen / arglistigen ' vntl aluontzischon
oachbauren / der was ein Tiichbereiter / der hett vil knecht
ansz fremde nationen ynd landen / wann die also bey einander
waren / erzalt jr yeder was in seiner haimat landüenffig vnnd
broucliig wer. Nun het der Tüchbt'reiter einen sun gar ein
argen / verlognen / mutwilligen / e\ gensinnigen / bösen lecker /
der nam yeder zeit mit flds acht / vff die reden so die geselle
mit einander betten / wann er von jn kam / wnszt er vil mer
danion ziVsagen / dan keiner vnder dem liauHen kam dan also
zu herr Koberte kindern / sagt von der sach / als ol) er dieselb
gesehen vn er&re het Das het der gut Bobertus war g^
nunmen / den jungen (der dan yetznnd fest die vierzehen jar
vll' jni het) mit guten werten gestrafl't / jni dal)cy anzeigung
geben / wie gar übel diss einen jüngling zieren thue / so er
seiner wort so milt sey / dann man Sprech gemeinlich / wer
YÜ redt der mAsz tU erfkren vnd gelesen habe / oder aber
uiüsz vil darunter liegen / so sey er nocii nit dor jaren / daü
das er die ding alle <deren er sich rh^e) erkondiget habe/
ob er gleich wol ein jar / zwey bey seinem Tetteren zü Mecheln
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hl
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gewesen / mig er doch der ding nit sooil erfare habe. Mit
eemlielien td deren gleiche woiten / reimeint der gAt Robertos
etwas gäts bey dem jungen anzurichten / aber sein mhh vn
arbeit gar vmb sunst was. Als aber der jung seiner weisz
nicht abston wolt / sonder gantz daraoff beharret / verbot
Robertos seinen Idndem (damit sie nit der Ingen bey jm ge»
wonten) dz sie gedencken vn Wgen solten / kein gerne inschaflft
mit jm zu haben / jm seiner logen vn dant gar nit zu losen / sonder
wan er sieh also vnder sie mischen wolt / solten sie von jm
gon / vnd jm sein wesen allein lassen. Disz stAnd nit sehr
lang un / d' Tüchbereiter nam sein acht / satzt seine sün zu
red / was die vrsach wer / das des naclibauren kind so ab-
schenlich ab jm sich stalte / die weil sie doch allwegen seiner
geeelschaift begert betten. Der jong so zA seinem alter gar
zii listig was / zaigt seinem vatter eine lange tant an so
Robertus mit jm solt geredt haben / jn so hart der lugen ge-
strafft / so er jm doch sein lebenlang kerne nie gesagt hett /
demnach seinen kinden verbotten / kein gemeinschalTt mer mit
jm zu haben / diss allein wer die vrsach so er von jhiii beiro) t
zü wissen. Der Tücbbereiter (so von art ein hochbruntzer
was / vn aber dameben / gar wenig vnd schier gar kein ghmben
anif jn zA setzen) nam sich die sach gar sdiwer anff / vermaint
nit / das man seinen kindern (wie übel die handleten) Jm\den
solt /er was gantz vnd gar über den guten herren Kobertum
erzQmet / lieff mit angehencktem schwort ffir sein thOren / find
jn von vngeschicht in seinem laden sitzen / sich in etlichen
registem zu ersehen / Vngewarneter sach ticng der Tuchbereiter
an / mit greosziichen Worten zo reden / Nachbaur sagt er /
sagend an / was hat mein sAn schantlichs oder listerHchs
verwurcketP oder bin ich nit so gAt noch der ehre /das ewre
kinder geselschaft't mit <len meinen haben müge / das beger
ich einmal von eoch zu uememeni* Der gut herr dem diss
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2^1 —
gar do raube sacb war / so bett er ancb sonder zweii^l der
red / so er mit seins naclibaurn sün geliabt / lang in vergess
gestelt / derhalben er von solchem grenazUohen anfiuren etwas
sehiecken empfleng / so scbambt er sich auch Ton wegen der
flirgonden weiber / vn manner / das er also von seinem
nicksteD nachbauren solt über rumplet werden. Er sagt mit
stnfftor stim/Lieber nachbanr/ jr überforend mich gar vnge-
waneter sacbe / ich. bit euch von wegen gftter nacbbanrscbaflt /
habt jr etwas mit mir zu reden /gond zu mir in mein hausz/
es ist euch doch zä jeder zeit offen / vnnd gar nicht verbotten
bann z6 gon. Das geschieht (so mir S. Antonios helff) nimmer /
sagt der Tuehbereiter / Dann welch liausz vnnd hoft' / meinen
kinderen verbotten sind / deren kan vnd will ich mich auch
wol enthalten / das ich nit tU stein an dem piQaster darinnen
lerbet / eh weit ich das himlisck fewr yerbrant ein sollich
hausz / vnd hoUVeitine. Kobertus sagt / Da w6lle Got vor sein /
wie m&gen jr einen semliche freflichen wonsch thün / nun würd
es eowerem haosz gar ?ü zü nahend sem / so dem memen
etwas args widerfaren solt? Lieber nachbaur nit also / wir
w6llend gute liebe freundt mit einander sein / Ynd vns der
Idnder sachen nichts beladen/dan sich in jre Sachen gar
nicht zfi legen ist. Das mag em anderer ihngon / nur aber
ist meiner kind eins lieber / dann alle nachbauren so hinder
mir Tnd vor mir sind. Bobertus stund auff von seinem sitz /
weit dem vnnützS man seiner ttding nit mer zft h&ren/vnnd
er gieng in das liinderist theil seines hauses / damit er nit
Trsach gewün / seinem nachbaure(n) weiter antwort zu geben«
£rst kam semes nachbaorenweib / ein schäum von einer
btsen beiftzin/die fieng erst an /das kind mit dem kflbel
vrabzuwerfen / vnd ausz zu giusstn / Da was aber niemant / so
auff jre red antworten wolt / nicht dest weniger / bal sie für
vnd fftr/wie em jagdhflndlin/so vorlaot/vnd doch kein wüt-
Digitizca by Cjcjü^Ic
bret vorhaaden ist Aosz solchem jrem jimerlichen geschiey /
sich gar yU volks vor herr Bobeitos haasz Tersamlet / zu
dem was diser b6sz mutz / aller weit jres b^sen maiils halben
wol bekant. Als aber niemants zu gegen was / so jr antwurt
geben wAUen / hat sie zoletst van jr selb nachgelassen. Es
ist aber disz ein anfang gewesen / eines ynabltelichen hader
vnd zancks / so da nimmermer hat auszleschfii wolh-n , bis
zoletst / der gut Kobertus hatt einen weiten geben müssen /
Dann er kund spflren nnd sehen / das jm der T6chbereiter /
alles / so er erdencken mocht / das jm ein leiden Tnd verdmsz
was/ anfing / vrl was er durch eygne person nit kund oder
mocht zu wegen biingen / da rieht er seine knecht / vn magt /
weib ynd kind an / damit dem gftten herre gar tU tmtz
bewisen ward. Es waren des TAehbereiters migt dabin abge-
rieht / wann sie nur ein Spülwasser auszschutten / gesoliahe
es dermas/das dem guten herren sein laden damit verun-
reiniget yn besprentet ward / Des nadites / schütten seine knecht
aUen Tnrhat von oben ab / alles dem gäten Roberto fSr sein
hausz / dauon dann sumerszeit ein armer gesclmiack entstund.
Nän spricht man / wan ein Jad / einem gar übel wünschen
wAlle / so wQnsdit er jm einen bisen nachbaoren / das sey nun
oder nit /so ist es ftrwar ein biser yn arger wünsch /Gott
behüt eynen yeden Irumen menschen daruor/
Ich müsz bekennen /das es ein kngwings ding ist /dann
ichs ztm tbeil auch Yeraftchet hab / So hab ich auch ein
reiche witfraw erkät/dere mocht ein nachbanr leicht ettwas
über zwerchs in weg legen / so gieng sie hinacli ein jai* oder
zwey on reden mit jm / wiewol sie snnst ein grosze geistern
was / l&g Üür fewr in der kirche / vnd ob dem Hortulus Anime
sass sie gantz gedeicht / tagiich jr siben zeit betten / als wan
sie ein ciosterlraw gewesen. Ob aber soliichs aus eim güte
gnmdt geschehe sey / oder aus einem spiegelfechten vor der
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weit / ist mir Torborge. Das aber wais ich wol / als sie in
eine grosze vnd lang^nrige kranckheit ^eMeii ist / batt sie nit
sonderlichen vil nach gaistlichen dingen geforschet / Dan gar
wenig tag vor jhrem absterben /hatt man sie über jren schätz
(wie schwach sie gewesen ist) f6ren mAssen/bald darnach ist
jr aller yerstand vä red empfiiUen / hat weder wortreichen
noch nichts geben mfigen / das so man jr zugesprochen / ist
alles vmb sunst gewesen / vnd nachdem sie lang in eynem
ernstlichen wesen gelegen, ist sie zü letst on alle verounfft
Tngeredt / ansz disem jamerthal gefhre / Der Abnechtig
Gott verzeihe jr armen seelen vnd vns allen amen. Diss hab
ich allein darum hierin geflicht / ob doch yergent solche hart-
nlddge lent / ynd Tnhrantliche nachbanren / dise wäre geschieht
hftren lesen oder selb lesen / sie jr bAsen weisz abstanden / jr
red gegen jrem nächsten / nit also aus neyd vnd hass sparend /
damit jn / an jrem lotsten end / nit an jrer sprach manglen
werde / Danon sey zik disem mal genng gesagt Jetzt knm
ich wider an den Bobertnm / der sich seines nachbanm halben
giosziich bekümmert / Jedoch nam er jm mit andren nachbaure
gät gesellschafft/ rieht zu vil malen gute malzeite zn/beräfft
sie / damit sie frilidien vnd gftts mftts mit einander weren / Das
wolt dann den TAcbbereiter schellig vnd vnsinnig machen / ynd
vermeinet / die weil er dem Eoberto feind wer / es solt jn yeder-
man von seinetwegen hassen / wie man daä vil solchen dopleter
stocknarre findt/wann sie eun femdschafft trage/mnsz als jr
gesind den selbigen hassen / sie ziehe auch jr kinder darzü / ver-
meine auch dameben, jre guten freundt sollend deiyenigen feind-
schafft tragen / so er jn doch all sein tag leids nie gethon hat.
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— 294 —
III.
Aus der Vorrede der Geschichtklitterung.
(Ausgabe von 1590).
An alle Klugkiöpffige Nebelverkappte Nebel Nebuloner/
Witzei*sauffte Gurgelhandthirer vnd vngepalirte Sinnversauerte
Windmülleriscbe Dürstaller oder Pantagiuelisten.
GRoszmkhtige / Hoch vnd Wolgevexirte tiefl' vnd ausz-
gelirte / eitele / orenfeste / orenfeiszte / allerbefeistete / dhren-
hafFte vnd hafftiren / orenbafen / vnnd hafenoren oder basen-
asinorige insondere liebe Herrn / g6nner vnd freund. E. Keinnad
vnnd dunst sollen wissen / dasz die alte Spartaner / das Sprich-
wort (Ein vnflat erleidets dem anderen) warzumachen / kein
bessere weisz gewuszt haben / jhrer jungen Burgerschafft die
Trunckenbeit zuerleyden / alsz dasz sie zu gewissen Festtagen
an offenem platz in beisein jhrer Kinder jre Knecht sich red-
lich voll vnd doli sauffen Hessen / auff dasz so sie die also
hirntobig vnd schellh6mig vnd hirnsch6llig von Wein rasen /
balgen / walgen / schelten / gauckeln / fallen / schallen / burtzeln/
schrien / g6lern / prellen / wüten / sincken / hincken / speien vn
vnllAtig genug sein sehen / sich vor solcher Vihiscben unweis
forthin zu hüten wüszten: Gleich wie auch zu \Ti3erer zeit
ein namhaflter Fürst de Lumpeböszlem vnd Zotten junghem
jhr zottengelümp zu erleiden / eins tags einen Hencker / in der
neuen Kleidungsweisz / die damals Braunschweigisch hiesz / an-
thun liesz / vnnd den auff die Schloszbruck / da alle Hofleut
fürzogen / stelen / damit er jhnen durch disz sch6n schinder
muster das gesasz gefresz versauerte / vnd bat danoch darmit
so vil geschafft / dasz die Lumpen an Hosen sind abkommen/
vnd in diis gekr6sz geflogen / vn in die vorgewelbte bauch ge-
schloffen. Deszgleichen pflege nit auch noch heut etliche
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filtern jre Kinder / sie von Lastoro ynnd Babenst&cken abzu-
flchracken / rar warnang mitzimeffieii / wann man einen Vbel-
thtter Tom leben zum todt zurichten anszftretP alda die
8cb6ne LeicliprtMÜj^ / so der Dieb scbwanomnasig zur letzt aüfl'
der leiter jm selbs zu spat Galgt-nreulich vnd andern zu fr&he
Oalgentrewlich ihnt/ anzuhören. Vnd zwar / welche sich soldie
bod wflsle vnd schrecklich spectacnl nit erschamroten md ab-
manen lassen / werden nimermehr durch gliiiipfflicliere vnd ver-
nÄnffügere mittel fruchtbarlich zu reciit zubringen seyn.
So nnn beides die alte vnd auch heutige weit / solche
beyspilige spigelwelsK ynd spigelweiszliches beyspiel / vn Come»
dische art der leut schäm vnd zucht (wo anders noch einige
im hindersten spolwinckel bey jne verborgen) zuerwecken vnd
anffiramuntem / gebillichet vnd nutdich beihnden: wie solten
wir vns dann derselbigen bereit bewirten weisz nnn hierin
vnd zu andermalen anderswo zugebrauchen / vnd ein verwirretes
vngestaltes Muster der heut verwirrten vngestalten Welt/ sie
von jrer verwirrten vngestalt vnd vngestalter verwumng ab-
zuf^iren und abzuveiiren / fÄrzuspiegeln beschämen? Sintemal
doch auszfundlich / dasz es der Welt auff solchen schlag
nichtig wol ge&llt/ vnd ohn nutz nicht abzugehen pfleget/
weil sie augenscheinlich spArm / dasz jnen daselbs / da der
Wirt ein Dieb ist / nicht wird zu stelen sovn : (doch dem Autho-
rem vnvorglichen / sonst mhst er auch wie der Schultheisz von
Hundsfelde mithetsche). Solt aber darum ich oder ein anderer
schumpfieriKMz (wie ich wol weis etliche Wechseilum schliessen)
ein VnHat seyn / weil wir villeicht euch vnd euers gleichen
Vnflater vnfliUig beschriebe? (gleichwol solchs vnserm Hand-
werck nit schad / dann wir dirffen nit kochen). Solten darum
die Spartaner / weil sie trunckeubtltz vorstellet^/ trunckebiltz
sein y der Fürst / weil er einen Hosenbutz auffstellt ein Hosen-
lump? die Eitern /weil sie galgenschwengel vorspi^eln/
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galgemnlssig helssen? Non seqiiit / sa^ der Abt: sondern
im ^egenspil mögen die / dent^n man solche vnn<l andere
saabere musier vorbildet / wol fhr sich sehen / solche Vnflater
nidit zu werden: weil sie sich on das zimlich darzn arten
vnd geberden. Was kan ein Spiegel dazu / dasz er einen
lützelhupschen lÄtzelhupsch anzeigt? der Kutreck / dusz er
eim die Nasz ausztmckt / nachdem er drein lallt? Die Blum /
dasz eine Spinn gifft aosz jr zeicht? der Paracelsns / dasz jm
der Hencker/ wie er schreibt / 21 Knecht gehenkt hat? I>er
Spi(»gel wird darumb nicht dunckeler / wann schon ein Schrautz-
kolb drein sieht: die Sonn wirt darumb nicht wilst/wann sie
schon Wasser ansz Pfitzen ziecht. Der Artzet mnsz darum nicht
kranck werden / wah er schon mit Krancke vmbgeht: Solt
ich nit » in geistlichen Text vnder eine Weltliche weisz singen
kftnnen? oder ein Weltlichen Dantz ansz der Psalmenweisz /
Der Thorecht spricht / geigen kAnnen? Dichten doch vnsere
Predicanten Gfistliche Lieder von einer Wilden Sau / das ü^oist-
liche wacker braun Meidlein / den geistlichen Felbinger cet.
0 mein lieben G48t / ich sähe den Bettlerdantz auch wol grosse
Herren dantzen / vnnd den PhiUpinadahtz / dantz anch wol
ein Bawer. Ich thu wie die Griechischen Pliilosophi / die zogen
anflf alle Kirchweihen / Messen vnd Markte / nicht dasz sie
kaufften / sonder alles / wie es zugieng/ begafften / wäre Gaffleat
Ar Eanfleut. Ich sorg nit wie jener Cardinal / der nit durch
Genff ziehen weit besorgend der Lulft macht ihn Ketzerisch /
wie jener zu Bom/gieng den Griechen zu neid / nit durch die
Griechisch strasz / firchtend / er ererbe die Griechisch Pesti»
lenil / oder wie jener Signor / der nicht durch Neapolis wolt
reissen / ausz sorg / es stosz jn die Ne apolitanisch sucht an /
das ist /er erb die RitterraAsigon Frantzosen: wie jene Mönch
.«M^^ckfort kein Latharisch B&cher in jr Kloster weiten em*
VstolM/Yor tngsten sie w&rden Ketzerisch: Hei /wie herrlich
«
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«
— 297 —
schioe Witstilpel: aie sind auch etlicher widertiulTer arfc/ die/
weö de durch ein Kirch oder Bahthansz gehe / die schnch /
wiewol nit auff Mo^is / sondern widersinniger meynung aus-
sehe / damit sie nit die geweihete schach aber nit die ge-
weihete Fftss entheilige / od* vil mehr den geheiligte Boden
?erunreinen / vnd den staub wie die Aposteln von Füssen
schüttle müssen. Darum nä michs offt wunder / warumb die
Dorchliechthelligste / die man anff Mistb4ren trage mnss /
vn sonst anff Lewen vn Otter gehen / damit sie keine Zihe
an ein stein stussen / jlmen auch nit die Z4hen wie die Finger
beschweren / versegne / weihen/ schaben / beschneiden / Terchri-
ttmen / verelementen vnd versacramenten lassen / alszdann
machte sie kein Pantoffel noch Schuch trucken / wie jenen
Predigkanzischen ti'opffen der die Schuch mit Chrisam schmieret.
Aber disz soll noch wol auff eim Oondlio berahtsohlaget wer-
den/wann mich einmal die Schuch nimer trucken: Nun ha/
reim dich Eisenhut an den Fusz oder Fut: das sind eitel
Satornische / tomische Windmüüer vn Letzk6pff : Die Leut
sind nidit Schlangenart /dasz sie sidi so laichtlich mit bftsen
werten soltmi beschweren vnnd vergifften lassen / dieweil sie
je den verstand gutes vnd bäses haben/ vnd nichts bises be-
schrieben wird / dasz nicht von jnen herkomt / vnd es selbe
biss orkennen. Yerwirfit man doch von wegen etlicher vnbe-
scheidener Wort mit jedes Buch: Kan doch das Ohrenzart
Fiauenzimmer wol etliche Zotten inn Bocatij Centonovel / desz
Jacob Winters Wintermeyen / der beiden Stattschreiber su
Bnrckheim vnd MaursmAnster Wickmm vn Jacob Freien frey
Boilengesprach vnd Gartenzech: Auch des M. Linders Katzi-
poiy gestech / vnd desz Straparole Historie vertragen: dass
ich jetzt ander Eulespiegelischer vn Wegkurtierischer art
buchern geschweige. Sie soynd dannoch weit nit / wie desz
Pog^ l^sjpurcitiarum opus. Verwirfft man doch in Schulen
20
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— 298 —
von wegen leichtfertiger reden nit etliche mutwillige Poete /
alsz den Martiale (wiewol jhn Nangerius jirlichs auflf gewissen
tag verbrcnt hat / wie Paracelsus den Dioscoridem) Ouidium /
Plautum / Juuenale / Pogium / Bebel iiim / vn schier alle Come-
dische vii Satyrische scribente / dene bossen zureissen ange-
bore : Teretius d' so gar sauber sein sol / ist im Eunucho
nit so gar lauter / so doch seine Comedie die ern [st J hafftosten
K6iner Lelius vn Scipio sollen geschmit haben
Ein vnd Vor Ritt / oder das Parat vnnd Bercytschlag /
inn die Chronick vom Grandgoschier / Gurgellantual vnd
Pantadurstlingern.
Jß meine Schlampampische gute Schlucker / kurtzweilige
Stall vnd TafelbrAder: jhr Schlaftruncene wolbesoffene Kautzen
vn Schnautzhin / jhr Landkündige vnd Landschlindige Wein
Verderber vnnd Banckbubcn : Jr Schnargarkische Angstertraher /
Kutterufstorcken / Bii'pausen / vnd meine Zeckvollzepfige Domini
Winholdi von Holwin: Ertzvilfrasz lappscheisige Scheiszhausz-
füUer vnnd Abteckerische Z4pfleinlÄller : Freszchnaufige Maul-
procker / CoUatzbduch / Gargurgulianer : . Grosprockschlindige
Zipfler vnd Schmärrotzer : 0 jr Latzdeckige Bluch / die mit
eim Kind essen / das ein Rotzige Nasen hat: ja den L6ff<'l
wider holt / den man euch hinder die thiir wurfft: Ja auch
jhr Fuszgramige Kruckenstupfer / Stdbelherrn / Pfatengramische
Kapaunen / Hdndgratler / Badenwalfarter: Huderer / Gutschirer
Jarmeszbesucher / jr Gargantztunige Geiermundler vnd Gurgel-
männer/Buttcrbrater/ safransucher/ Mesz vnd Marek tbesucher /
Hochzeitscliiffor / Auffhaspler /Gutverldmmerer/ Vaterverd erber/
Schleitzer / Schultrabreiser: Vii du mein Gartengesellschaftl;
vom Rollwagen / vom Marckschiff / von der Spigeleuten / mit
üweren sauberen Erndfreien HerbstsprÄchen. Jr Sontagsjüng-
herlin mit dem feyertiglichen angesicht/jr Bursch vn Marek-
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stooten / Pflastertretter / Neazeytangsp&her / Zeitongrerwetter /
KaopeDtOckische Nasen rnd Affentriher / Bauchverkenffer /
Oenclistecher / Blindmcusz vnd HÄtlinspiler/ Lichtscheue Augen-
nebeler: Vnd jr feine Verzuckerte Gallen vnd Pillulen / vnnd
floniggebeitzt« Spinnen. Sihe da/jhr feine Schnadelbatien.
Jbr Lmigkiizlige Backenhalter vnnd Wackenader / jhr Enten-
schnaderige/ Langzungige Krumschndbel / SchwappelschwÄble /
die ejm eyn Nusz vom Baum schwätzen: jr Zuckerpapagoi /
Hetzenamseler / Hetzenschwetzer/Staniai6rer/ Scherenschleiffer /
Borfinken/ EnnckelstnbischeGinsprediger/ Schirstobner/ Jndaa-
jagige Rftscher / Waffelarten / Babeler vnd Babelarten / Fabel-
arten vnd Fabeler / von der Babilonische Bauleut eynigkeyt.
Jr Hildenbrandsstreichige wilde Hameln / Binmaiuzreiaeer /
Trotstenffelslnokstellige Sticbdenteoffel vnnd PopponBcbiser/die
dem Teurt'L'l ein horn auszrauffen / vnnd pulferh^rnlein drausz
schrauffen. Vnnd endlich du mein Gassentrettondes Buler-
bibstlein / das hin vn wider vmbechilet/ ?nd nach dem Holiz
stincket / auch sonst nichts bessers thnt / dann rote Nasm
trincket / vnd an der Geysen elenbogen hincket. Ja kurtzumb
du G^uchhornigs Ynnd weichzomigs Hauszvergessen Mann vnnd
WeibsTolck/ sampt allem anderen dArstigen Gesindlein / denen
der roh gefressen Narr noch aaflfotoeei
20*
Siebentes Capitel
Amadis.
Wir haben durch das in den vorhergehenden Capitek
Gesagte nan schon ein beinahe Yollstftndiges Bild des Roman-
wesens in Deutschland in der zweiten Hälfte des XVL Jahr-
hnnderts gewonnen, wenigstens ein so vollständiges, dasz wir
ans die Bomanlectüre als eine sehr ?erbreitete und beliebte
Unterhaltung der mittleren, namentlich aber der höheren öe-
sellschaftsschichten in unserem Vaterlande zu denken haben.
Ein nicht geringerer äuszerer Beweisz von dei- Ausbreitung
unserer literatnrgattung ist die bekannte Thatsache, dass ▼e^
schiedene Bnchhftndlerfirmen der damaligen Zeit die Verviel-
fältigung und den Vertrieb von prosaischen Unterhaltungs-
b&chern zu ihrer besonderen Aufgabe machten. Den ersten
Bang nimmt die berfihmte Bachhandlang ?on Siegmand Fejer-
abendt in Frankfurt a. M. in dieser Beziehung ein. Wir haben
schon viele Bücher und Ausgaben kennen gelernt, weiche aus
der Feyerabendtschen Offidn hervorgingen, besonders anfinerk-
sam dürfte noch aof ein grOezeres Unternehmen za machen
sein, welches zeigt, wie bedeutend die Nachfrage auf diesem
dem höchst intelligenten Qeschäftsmanne genau bekannten Gebiet
gewesen sein musz. Ich meine das 1578 and 1587 erschie-
nene Buch der Idebei eine groszartig angelegte Sammlung von
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Büchern unserer Gattung. enthält nicht weniger als drei-
zehn ei-zählende Dichtungen in Prosa, nämlich Octavian,
Magelone, Galmy, Tristrant, Camillo und Emilie, Florio und
Bbnoeffora, Theagenen und Chariklea, Gabriotto und Beinhart,
Melusine, den Ritter vom Thum, Pontus und Sidonia, Herpin
und Wigoleisz, alles Bücher, welche wii* bereits kennen gelernt
haben. Es sei noch bemerkt, dasz die Exemplare dieser zwei
Folioansgaben ftnszerst selten sind, was in Verbindung mit der
sicher anzunehmenden nicht geringen Stärke der Auflagen
auf sehr zahlreiche und eifrige Leser hindeuten durfte.
Aber nodi weit bedeutender auch als blosses buchhftndle-
riscbes üntemehmen war die VerOflbntlichung eines zweiten
groszen Romanwerkes durch die Feyerubendtsche Officio, näm-
hch die der deutschen Amadisbücher. Denn nur m sehr geringem
Masze waren andere deutsche Firmen an der Vervielftltigung
dieses Riesen-Ünterhaltungsbuches betheiligt. Während wir
aber über das Buch der Liebe, da es nur uns schon bekannte
Werke enthalt, nichts weiter zu sagen habe, ninmit der
Amadis eine solche Stellung m der Entwickelungsgesdiichte
unserer Gattung ein, dasz wir ihm allein dieses ganzt- CaiÜel
widmen müssen. Denn erst die Betrachtung dieses Werkes
wird uns das Bild, welches wir uns von LectOre und Lese-
welt des gebildeten Deutschlands jener Zeit zu machen ver^
sucht haben, wirklich vervollständigen.
Als Wieland im Jahre 1771 seinen „Neuen Amadis'* ?er-
öifentlichte, sagte er im Vorbericht zu dieser ersten Ausgabe:
^Weder mit dem Amadigi des Bemardo Tasso, noch mit dem
alten Amadis de Gaula, noch mit irgend einem andern Amadis
in der Welt hat der gegenwärtige neue Amadis auszer dem
Namen (und auszer derjenigen Aehnlidikeit, die er sogar mit
den Contes de ma mhre Toye hat) wenigstens mit Wissen
und Willen des Dichters nicht das Mindeste gemein.^^
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Damit hatte Wieland Becbt, denn er bat weder die Ei^
eignisse, noch die Personen, noch den Ton, in dem das Ganze
vorgetragen wird, im Geringsten von dem alten Amadis de
Qanla enti^t, nidit weniger Becht aber hatte er, grade den
Kamen Ämadia seinem Qedicbt m gehen, da der alte Amadis
der berühmteste und in seiner Art originellste Vertieter der
irrenden Rittmcbaft ist und Wieland für sein komisch-satirisches
Bpos das die mnliebiis levitas snm Hanptgegenstand der
Darstellang hat, einen Chevalier errant als Hanpthelden nnd
Träger der an sich sehr losen Einheit der Dichtung haben
mnsxte. Es bedarf übrigens der Verwandtschaft des Amadis
de Oanla mit dem «Kenen Amadis** dnrchans nicht, am den
ersteren für uns hier im höchsten Grade interessant zu machen,
denn während Wielands Dichtung zu seinen weniger bedeuten-
den und epochemachenden Erzeugnissen gehört, war der um
dOO Jahr filtere Namensvetter seines Heldoi von seiner lite-
rarischen Geburt an das ganze XVI. Jahrhundert hindurch
bis tief in das siebzehnte — denn Grimmelshausen erwähnt
ihn in der Courage als vielgelesenes Modebuch — der er-
Uftrte Liebling der Lesewdi Wenn also der ftsthetisehe
Werth dieses Buches in neuerer Zeit sehr viel anders als
früher beurtheilt worden ist, and ich mir die Besprechung die-
ses Punktes auf weiter unten vorbehalten musz, so steht
seine ausserordentliche historische Bedeutung doch ausser allem
Zweifel.
Ich werde, wenn von der Geschichte des merkwürdigen
Buches wird die Bede sein müssen, Gelegenheit nehmen, seine
Belebtheit nnd seine ausserordentliche Verbreitung durch An-
gabe der sehr zahlreichen Ausgaben, üebersctzungen, Be-
arbeitungen und Fortsetzungen ausfuhrlich zu beweisen, halte
m aber Ar das Beste, jetzt sogleich zu seinem Inhalt, dem
Stoffe sdbst, zu kommen, än Verfidiren, wtMm um so melur
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gerechtferti<^t erschein"!! dnrf. nls doi- alte Amadis immer noch
zu den wenigst bekannten Büchern gehört, und es durchaus
Dfiizlicb, ja iwihwendig ist, ehe anderweitige Uriheile gefiUlt
wenleii, erst eine Vontelliing von dem Stoffe so haben, der
geeie^net war, ein so munströ.s urafangieiches Werk anzu-
fiillen und ein so zahlrei**lH^- Pul)licum so lange Zeit zu fesseln,
üm jedoch nicht auch in dieser Inhaltsangabe ein Monstmm
zn liefern, beschrftnke ich mich anf die ersten vier Bflcher.
So wild von dor ganzen Einrichtung der Erzalilung ein an-
schauliches Bild gegeben, und die Geschichte der gosammten
Amadisromane wurd zeigen, dasz nach den ersten Tier Bflchem,
webhe den Gmndstock nnd zugleich das Beste des Ganzen
luMen, al»zu.sohlieszen ist, um dann nur noch kurz und im
Allgemeineo anzudeuten, auf welche Weise der endlose Faden
weitergesponnen ward. In der Analyse folge ich der deutschen
Ausgabe Ton 1583.
ünlang nach dem Leiden und Sterben Christi regierte in
Klein-Britannien ein König mit Namen Qarinter. Seine jüngste
Tochter Elisena war ein Ausbund von ScbOnbeit, zog sich aber
durch hartnäckige Abneigr.n^ |i,'*^gen die Ehe den Spitznamen der
verlorenen Geistlichen zu. Als eines Tages der König Garinter
in der Nähe der Stadt Alyma jagte, verirrte er sich und
gewahrte zwei seiner Bitter, die mit einem ihm unbekannten
kämpften. Der Unbekannte erschlug seine Get,mer, stellte sich
dem Garinter als König Perion von Frankreich vor und
erlegte, wfthrend beide miteinander das Gefolge des ersterim
wieder anfeuchten, noch emen Löwen. Er wurde tou Garinter
herrlich enipftingen und beseitigte durch d- n Eindruck seiner
Perjiönlichkeit Elisenens vorerwähnte Antipathie so gründlich,
daez er durch Vermittelung der Darioleta, ihrer Zofe, noch in
der ersten Nacht nach seiner Ankunft den Amadis mit ihr
erzeugte. Schon nach zehn Tagen aber kehrte er nach Frank-
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reich vtirftek, namentlidi, um fttr einen in der gedaciiten Nacht
gehabten Traum dort eine Auslegung zu suchen. Das von
EÜBena geborene Kind legte DarioleU in einen Kasten, dazu
ein Pergament mit der Schrift: „Dieser ist Amadis Ooieit,
eines Königs Sohn", femer den Ring und das Schwert des
Perion, worauf sie das Behältn^sz dem Meere anvertraute.
Bin nnverforftchliches Landesgesetz bedrohte n&mlich alle ge-
fUlenen Jongfranen ohne Unterschied des Standes mit dem
Tode. Das gute Glück fügte es nun, dasz grade um diese
Zeit Gandales, ein schottischer Bitter, mit seiner Gemahlin
nnd semem neugeborenen Sohne Qandalm Aber das Meer in
seine Heimath reiste. Er fand Amadis, landete bei Antallia
in Schotten und gab den Findling für seinen leiblichen Sohn
ans. Etofg Perion- dagegen erhielt nicht nur in seinem
Lande eine anf seine SOhne bezügliche Auslegung des gehabten
Traumes, sondern eine ihm plötzlicii erscheinende und ver-
schwindende Frau versall ihn noch zum UeberHusz mit einem
Orakel, das ihm vor der Hand freilich ebenso dunkel war wie
fhst alle in dem Werke vorkommenden Weissagungen, die
auch post eventum meist nur mit Mühe und Scharfsinn zu
▼erstehen smd. Jene selbe Frau, die niemand anders als
ürganda die Unerkannte war, erschien auch dem €kudales
und sagte ^hm, er erziehe vielen Fürsten den Untergang.
Bald nachdem sie verschwunden, sah er sie wieder, und nach-
dem er ihr einen wesentlichen IMenst geleistet, oitdeckte sie
sieh ihm als ürganda, gab ihm eine Probe ihrer Zauberkunst,
indem sie sich vermittelst einer Salbe alt und wieder jung
machte, und erkl&rte schlieszlich, dasz sie dem Amadis ihr
Wohlwollen schenken werde, ein Umstand, welcher in der
ganzen folgenden Geschichte eine auszerordentlich bedeutende
Bolle spielt
Als nun nach einiger Zeit £6nig Languines Ton Schotten
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auf einer Roise zn Gandalos kam, fiel sein«»r G»mialilin, der
älteren Schwester der Prinzessin Elisena, Amadiä wegen seiner
Sehdnheit anf^ ond nachdem das königliche Ehepaar yon Gan-
dales fiber die Auffindung des Junkers vom Meere — so hatte
man den Knaben xubenannt — die Wahrheit erfahren Iiatte,
nahmen sie den letzteren nebst semem Pflegebruder Gandalin
mit in ihre Besidenz. Ktoig Perion ward inzwischen dnrch
einen Brief Elisenas benaclirichtigt , dasz ihr Vater Garinter
gestorben sei, worauf er sich zu ihr begab und sie heirathete.
Sie TerheimUchte ihm jedoch^ auch auf seine Frage, die Ge-
bort des Amadis. Später gebar sie ihm den Galaor und dann
die Melisea. Ersterer wurde in sehr zartem Alter von einem
Bieaen geiaubt, als sich seine Eltern mit ihm in der Seestadt
Qiangfl befimdeD.
Um diese Zeit starb der König Falangros von Grosz-
Britannien, und sein Bruder Lisuaii, der die dänische Prin-
lessin Briaena znr Gemahlin hatte, ward sein Nachfolger. Er
spielt in unserer Geschichte so dentüch die Rolle, welche
Karl, Artus und Etzel in ihren Sagenkreisen haben, dasz
eme Nachbildnng nicht verkennhar isi Seine zehnjährige
Toditer Oriana, die zweite Hanptfigor der ganzen Brzählnng,
liesz er aus dem Lande seines Schwiegervaters nunmehr nach
England fahrend, da sie von der Seereise allzu angeln iffen war,
bei König Langnines znrAck. Der zwölQährige Amadis wnrde
dieser Prinzessin znr AnfWartnng gegeben, in beiden keimte
bald eine gegenseitige Neigung. Unser Held kam mittlerweile,
freilich etwas sehr frühzeitig, auf den Gedanken, Bitter werden
IQ wollen, da aber König Langnines gegen das an ihn gestellte
Ansuchen des jugendlichen Aspiranten eben ni'^lits Erhebliches
einzuwenden fand, wurden von Gandales die sorgfältig aufbe-
wahrten Erkennnngszeichen herbeigeholt, welche dieser bei dem
neogeboreiien Knlbldn hi dem Kasten vorgeftanden hatte.
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— 306 —
Oriana nahm ohne besondere Absidit das Wachs, in welches
Darioleta das Pergament verborgen hatte, an sicli. Zufallig
kam Perion von Frankreich, welchem nach Erlangung der
Ritterwürde zu Hülfe zu ziehen, des jungen Amadis kindliche
Schwärmerei gewesen war, grade um diese Zeit liülfesuchend
nach Schottland, da ihn Abies von Irland aus seinem Lande
vertrieben hatte. Languines sagte ihm Hülfe zu und schlug
auch Amadis zum Ritter, der, Gandalin als Begleiter mit-
nehmend, auf Abenteuer auszog, allerdings in der Absicht,
dem Perion zu Hülfe zu eilen. Er hatte, um weniger wichtige
Begegnisse zu übergehen, auch bald das Glück, mit seiner
geheimniszvollen Gönnerin ürganda zusammentreffen, welche
ihm eine Lanze mit dem Bedeuten übergab, durch diese werde
er das Haus erlösen, von dem er entsprungen sei. Ferner
werde ein Ritter durch ihn die höchste Ehre erlangen, dadurcli
aber auch in grosze Gefahren kommen, wie seit zehn Jahren
keiner darin gewesen. Mit der Begleiterin ürgandas weiter
ziehend gelangte Amadis auf »'in Schlosz, wo er Perion aus
groszer Gefahr befreite. Er gelobte letzterem seine Dienste,
verliesz ihn aber dann wieder und setzte seinen Weg allein
mit Gandalin fort, nachdem er von der mit ürganda gekomme-
nen Jungfrau noch erfahren, dasz sie zu Oriana ziehe. Nicht
lange darauf begegnete er einer andern Jungfrau, welche von
dem Ungeheuer Galpan geschändet worden war. Amadis
richtet sogleich vor dem Schlosse des Riesen ein groszes Blut-
bad unter dessen Leuten an und erschlug schlieszlich ihn
selbst, worauf ein in der Nähe wohnender Ritter, den Galpan
früher besiegt hatte, ihn voll Freuden aufnahm und seine
Wunden heilte. Sein Ruhm gelangte nun an den Hof des
Königs Languines, wo um dieselbe Zeit Oriana durch Oefftiung
des obenerwähnten Wachses seine königliche Abkunft entdeckte.
Nach verschiedenen Zwischenfallen kam Amadis nach dem
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— 807 —
Schlosse Balduin, wo Poii«)n obon duicli Abies und Daganil
eine harte Belagei'uug mit Notb aushielt. Nachdem er da-
selbst sich zneret so tapfer gehalten, dasz er Ton seiner aner-
kannten Mntter Elisena entwaffnet ward, tOdtete er den andern
Tag Abies im Zweikampfe. Jetzt erfolgte unseres Helden
ErkennnDg von Seiten seiner Eltem, und eine Botschaft der
Chiana entbot ihn an den Hof ihres Vaters, wohin sie sich
inzwischen begeben hatte. Ton dem Wege nach Yindelisora
wnrde Amadis aber durch eine Botschaft ürgandas, die seiner
dringend bedurfte, abgelenkt.
Inzwischen war Qalaor achtzehn Jahre alt geworden nnd
finszte gemeinschaftlich mit seinem Pflegerater, dem Riesen,
der ihm eine gute Erziehung hatte zutlieil werden lassen, den
Beschlusz, za König Lisnart zn ziehen und sich von ihm zum
Bitter schlagen zu lassen. Da er aber nnterwegs auf Amadis
traf und sah, mit welcher Tapferkeit dieser einen von ürganda
geliebten Ritter befreite, liesz er sich sogleich von ihm das
Schwert geben, aber erst, nachdem er sich wieder von Amadis
getrennt hatte, erführ dieser von ürganda, dasz Qalaor sein
Bnider sei. Dieselbe erschien dann auch dem Galaor nnd
hielt ihm den nöthigen genealogisclien Vortrag, worauf Galaor
seinen Pflege?ater Oandaiach an Albadan, emem abscheulichen
Biesen, rftchte nnd jenen wieder in seine verlorene 'Herrschaft
einsetzte. Darauf extern porirte Galaor, dessen ganze Figur
dem Don Juan aufs Haar gleicht, mit der schönen Aldena
ein Liebesverhältnisz, bei welchem weniger Prüderie beider-
seits als halsbrediende Ffthrlichlreiten in den ftnszeren Um-
standen zu überwinden waren. Amadis aber gelangte, nachdem
er noch den trotzigen Dardan herausÄutordern Gelegenheit ge-
nommen, in die Nähe von Vindelisora. Hier stieg er anf
einen Banm nnd versank, wie dies seine Qewohnheit war, in
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elegisch-yerliebtes TrSnmen, ans dem ihn Gandalin nur mit
Mfilie erwecken kennte.
Den folgenden Tag besiegte er als Kaiiipo einer Dune
den Dardan in (Gegenwart des Hofes, aber nieht erkannt, von
Oriana nur ▼ermnthet. Mit dieser sich im Garten ein heim-
liches RendezTonfl m geben, glückte ihm durch Gandalins
schlaue Vermittelung, und erst am folgenden Tage stellte er
sich dem Hofe vor, nachdem er, wie es einmal seine Bigen-
thflmlichkeit war, mit sdnem Namen, ohne dasz man recht
erfahre, warum, sehr lange geheim gethan. Während dessen
fand Galaor schon wieder, wenn aucli noch schwer verwundet,
dne f&r seine nnplatomschen Galanterie erstaunlich zugäng-
liche Dame, und mit sdnem Vetter Agraies im Bunde be-
siegte er den Herzog von Briton, Aldenas Vater. Von diesen
Helden thaten brachte eine Jungfrau dem an Lisuarts Hol
weilenden Amadis Kunde, die Thrftnen aber, die unser Haupt-
heldaus Bfihmng hierfiber vergosz, erregten die nur durch genaue
Darlegung des ganzen Thatbestandes zu be.schwichtigende Eifer-
sucht Orianas, die ihm jedoch nun erlaubte, nebst Gandalin
auf die Suche nach seinem Bruder ausEudehen. Nach einer
Beihe von Abenteuern, die wie lange vorbereitet seiner auf
jedem Tritt und Schritt harrten, wurde er von einem Zwerge
auf ein Schlosz gelockt, wo sich folgende für eine Eigenthüm-
lichkeit der Geschichte recht charakteristische Begebenheit
zutrug. Das Schlosz gehörte nftmlieh dem argen Zauberer
Arealaus, dessen Tücke und exquisite Nichiswürdigheit in dem
ganzen Buche eine sehr bedeutende Rolle spielt und ihn zum
Gegenstfick und Gegeogewicht gegen ürganda macht Amadis
befreite in dem Schlosse des Unholds allerdings erst eine An-
zahl Gefangener aus scheuszliciiem Kerker, schlug auch den
Arealaus, der ihn zueist in ritterlichem Kampfe zu bestehen
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ttotemahm, in die Flucht, folgte aber dem fliehenden in ein
Zimmer, wo er dnrch Zanbergewalt alsbald kraft- ond lebloe
zosammensank. Arealaus beraubte ihn nun seiner Büstung,
gab ihn auffallender Weise, anstatt ihm den Garaus zu machen,
seiner an SchlechtiglKeit ihm durchaus nicht gleichenden Qe-
nnUin zu bewahren, und reiste mit den Spellen sogleich nach
König Liiuaits Huf ab. Kaum aber war er fortgezogen, so
traten in das bewuszte Gemach plötzlich zwei von Urganda
gesendete Jnngihioen, Stimmen nicht sichtbarer Personen lieszen
rieh hören, und ?iele schwebende Lichter erschienen, alle An-
wesenden waren an ihrt n Platz gebannt, und unter mysteriösen
Ceremonien ward Amadis entzaubert und erweckt, worauf er
die noch fibrigen Gefimgenen befreite und das Sehloez Terliesz.
Es ist kaum nOthig zu erwftbnen, dasz, sobald er den Fnsz
ins Freie gesetzt, sogleich die Abenteuer in Masse zur Hand
waren, während Arealaus an Lisuarts Hof durch die Nachricht,
er habe Amadis m ritterlichem Kampfe umgebracht, Alles in
grosze Trauer versetzt, Onana sogar dem Tode nahe bringt.
Von den zahlreichen Abenteuern des befreiten Haupthelden
sei nur die Begegnung mit der schönen Briolania, der er ver-
sprach, ihr sp&ter zu ffilfe zu kommen, erwähnt Ardan,
der den Amadis begleitende Zwerg, kam hierbei auf den (Je*
danken, zwischen dem Helden und der Dame bestehe ein
Liebesverhältnisz, und dieser Irrthum wurde dem uneischüt-
terlich treuen Cayalier späterhin sehr Terderblich, indem er
die wüthendste Eifersucht Orianius zu Wege brachte. Femer
gerieth Amadis den Andeutungen ürgandas gemäsz mit dem
onerkannten Galaor in einen überaus heftigen und gefährlichen
Kampf, welcher mit einer Kunst, die unter den Neueren last
nur Walter Scott besitzt, geschildert wird. Ein Zufall führte
die Erkennung schlieszlich herbei, aber beide Helden muszten
ihrer Wnnden wegen die beabsichtigte Beise nach Vindelison
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längere Zeit unterbrechen. Auch nachdem sie sicli auf den
Weg gemacht, folgten wieder Abenteuer in athemloser £ile auf-
einander, nur dasz Qalaor anch unter diesen ümstftnden Zeit
zu summarisch angeknüpften und abgewickelten Liebesverhält'
nissen fand.
Um diese Zeit beschlosz König Lisnart, ein glftnsendes
Hoflager zn halten, nnd berief daher alle Welt anf den Sep-
tember nach London. Vorher jedoch lies/, er sich unvorsich-
tiger Weise von einer Jungärau die EifuUung einer später aus-
zusprechenden Bitte zusagen, ein in nnserm Boman sehr oft
benfttzter Anlasz zn Verwickelungen. Die hierdurch erregte
Besorgnis/, seiner Umgehung vermehrte der König noeh dadurch,
dasz er von einem geheimniszvoll auftretenden Bittei* ein De-
positum Ton Kleinodien annahm und versprach, &lls er sie
nicht wiedergebe, jeden Preis dafür zu entrichten, den man
fordern würde. Hinter diesen Maszregehi steckte ein teuflischer
Plan des Arealaus, der den Barsinan, König in Sanschwegen,
Idsnarts Nachbar, in sein Interesse zu ziehen gewuszt hatte.
Barsinan begab sich auch alsbald, auf Venrath sinnend, an
Lisuaitö Hof. Die unterdesz ebendaselbst angekommenen
AmadJs und Galaor lockte eine im Einverständnisz mit den
Verrftthem befindliche Jungfrau in einen Wald, wo sie in die
Gewalt der Madasima geriethen und durch Todesandrohungen
genötliigt Werden sollten, dem Lisuart zu entsagen. Aber
hier hilft Galaors Virtuosität in der Buhlschaft aus der Ge-
hihr, vermittelst deren er Madisama dergestalt zn befriedigen
und zu gewinnen weisz, dasz beide Helden wieder auf freien
Fusz gelangen. £s war aber hierzu aucli hohe Zeit, denn
schon war der Inhaber der auf rftthselhafte Weise verschwun-
denen Kleinodien angelangt und hatte Oriana als Preis mit
sich fortgeführt. Desgleichen erschien auch bald die Jungfrau,
der Lisuart das unvorsichtige Versprechen gegeben hatte, und
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- 311 —
(ttiirte Ilm 2a einem Kampfe, wobei er verr&therischer Weise
gefimgen genommen ward nnd in des Arcalaos Gewalt'^rieÜL
Sobald nun AiiLidis und Galaor zurückgekehrt und des Ge-
schehenen kundig geworden waren, setzte der erstere den Ent-
fohrem Orianas, der andere denen des Königs nach. Nachdem
Amadis seine Qeliebte am nftehsten Tage glücklich befreit
hatte, war beider überschwängliclie und bei jeder Gelegenheit
gepriesene Tugend kein Hinderungsgrund, die Ehe zu antici-
piren, welcher Umstand deswegen zu betonen Ist, weil die
SQSzereheliche Erzeugung der Haupthelden in den Amadis-
roraanen traditionell ist und, wie ich glaube, eine Rolle unter
den schwer bestimmbaren Indicien der sagenhaften fiestand-
theOe imseres Werkes spielt Galaor, dem sich noch Gillan
der Spfculirer, und Ladasin anschlössen, befreite den König
Liäuart, welcher sogleich Botschaft an seine Gemahlin Brisena
sBikdte nnd auch durch Ge&ngene Kunde von den Plänen
der Arealaus und Barsinan erhielt. Letzterer erntete nach
einigen vorübergehenden Erfolgen, als Lisuart, Amadis und
andere Halden nach London kamen, den Lohn seiner Treu-
losigkeit auf dem Scheiterhaufen.
Nun war alle Gefsihr soweit beseitigt, dasz Amadis und
Galaor der schönen Briolaoia zu Hülfe ziehen konnten. Unter
den Abenteuern, die ihnen auf dem Wege zu dieser Dame
begegneten, ist die Auffindung ihres ältesten Bruders Florestan
m erwähnen, welchen Perion einst mit einer Prinzessin von
Seeland erzeugt hatte. Die Heldenthaten dieses nunmehrigen
Br&derkleeblattes, durch welche sie der Briolania alles Ver-
lorene wiedererwarben, machen den Schlusz des ersten Buches.
Vor der Lebenszeit des Amadis — so beginnt das zweite
Bneh — regierte in Griechenland ein König, der seinem
Schwager auf dem kaiserlichen Throne von Oonstantinopel
nachfolgte. Er hatte zwei Söhne, von denen der eine Apolidou
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sich aller ritterlichen Künste, aber auch der Nigromanci beflisz.
Er verzichtete aus Friedfertigkeit za Guusteii seines jüngeren
Bradere auf seine firbschaft, bestieg nach seines Yaie» Tode
ein Sefaüf nnd kam nach Italien, wo er taeh m die Tochter
des Kaisers Suidan verliebte. Er enttuhrte sie und gelangte
mit ihr nach der „beschlossenen Insel.'' Hier tddtete er einen
Bioaen nnd lebte nadiher f&n&ehn Jahre als Herr des Landes,
bis smn Bruder starb nnd er nach Constantmopel auf den
Kaiserthi'on berufen wuide. Ehe er abreiste, errichtete er
zauberische Gebäude und Kunstwerke zur Prfiiung tapferer
Bitter, treuer Liebhaber und schdner Damen.
Nachdem Amadis mit seinen Genossen die Hauptstadt
der schönen Briulania, Sobradisa, verlassen hatte, traf er unter-
wegs die Tochter des Isania, Gubemators der beschlosseneD
Insel. Sie zogen mit ihr dorthin, und Amadis allein bestand
das Abenteuer mit dem Schwibbogen der getreuen Liebhaber,
während die andern übel abfielen. Hierdurch wurde uuser
Held zum Herrn der Insel und empfing die Huldigung der
Emwolmer. Inzwischen hatte sich aber in Folge der oben
erwähnten Aeuszerung des Zwerges Orianas eine so heftige
Eifersucht bemächtigt, dasz sie dem Amadis einen höchst be-
leidigsnden Absagebrief schrieb, mit dem sie einen Edelknaben
Namens Durin abfertigte. Dieser kam auf die Insel, als
Amadis grade durch den seine Treue so glänzend bewähren-
den Schwibbogen ritt Als er das verhängmszvoUe Schreiben
gelesen, gerieth er m die entsetzlichste Verzweiflung. Br
schenkte die Insel und seine Waffen dem GandaUn und ritt
in die Weit hinein, bis er in einen Wald kam, wo er abstieg
und entschließ Nachdem er erwacht, brach er in lange Kla»
gen aus, welche you Gandalin und Durin, die ihm nadigezogen,
gehört wurden. Ein yorüberziehender Ritter sang ein Lied,
worin er sein Glück in der Liebe pries und aussprach, dasi
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Oriaoa die toq ihm Angebetete sei, vorber sei» die Königin
Strdaniira «eine Geliebte gewesen. Amadis wollte erst des
hervortretenden Gandalin AufForderuiig, mit jenem zu kämpfen,
Dicht böien, da er durch sein Unglück ganz kraftlos geworden
sei, endlich jedoch entschlosz er sich dazn nnd sching den
Ritter nieder, liesz aber seinen Bekannten durch Durin melden,
dasz er gestorben wäre.
Der von Amaüs wegen seines bedenklichen Liedes sdiwer
verwundete Ritter war Patin, Sidons, des römischen Kaisers,
Bruder. Er hatte sich von seiner Geliebten, Sardamira von
Sardinien, getrennt, nm ihre Schönheit in ritterlichem Kampfe
gegen Orianas Ruf zn yertheidigen , sich jedoch an Lisnarts
Hof in letztere verliebt und auch vom Könige eine ziemlich
günstige Antwort erhalten. Amadis, den zu suchen inzwischen
Gahior, Floiestan nnd Agraies ansgezogen waren, gehingte,
nachdem er sich von Gandalin durch List entfernt, zu einem
Eremiten. Dieser sprach ihm einigen Trost zu und nahm ihn
unter dem Namen Dankeihübsch in seine Gemeinschaft auf.
Gandalin konnte von Amadis nur die woggeworfene Rüstung auf-
linden. Oriana vcrnaiim von Durin, welche Wirkung ihr
Brief henrorgebracht hatte, ihr Sinn änderte sich, nnd sie
sandte die dänische Jungfhin mit einem Briefe an den Helden,
welcher die Folgen des ersten wieder gutmachen sollte. Die
Jungfrau wendete sich zuerst nach Schottland, da Oriana ihren
Geliebten bei Gandales yermuthete. Gillan der Speculirer,
welcher des Amadis Schild gefunden nnd mitgenommen, kam
mit demselben, nachdem er mehrfache Abenteuer bestanden,
an Lisnarts Hof, wo die yerzweifelnde Oriana nur mit Mühe
f on Mabila abgehalten wurde, sich aus dem Fenster zu stflrzen.
Da Dunkelhübsch mittlerweile zwei Träume hatte und
diese ihm von dem Kinsiedler als Glück verheiszende ausgelegt
wurden» raffte er sich soweit auf^ dasz er folgendes Lied rerfaszte:
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1. Die weil man mir die verdiente victori /
Vnbillich thut iiemmen vnd entziehen.
Aach sich als dann das erlengt lob vnd glori
Endet /so sol ich mich niin benilkhen:
Nacher verlornen rhura (wie denn luhüch)
Ausz dieser Welt zu scheiden williglich.
2. Dann eben dorch den todt hingenommen werden
Aller mein Knmmer/leid vnd anfiRhtnn^.
Deszgleichen mein habender trost aull' erden
Idebe/ derselben Inbrunst vnd hoffnong/
Dasz also, wenn ich jetso sterben ihne/
Ich allererst kom zur verlangton ruhe.
3. Doch wird ich stetigs eingedeneken tragen/
Desz zugefügten leidts vnd trawrigkeit
Dardurch man hat willen mem lob yerjagen
Auch dasselb stellfii in Vergessenheit.
Vnd dergestalt neben meiner ehr zumal/
Mich auch endtlich ausztilgen vberal.
Nadi einiger Zeit nun kam Corisanda, Ihren Geliebien
Florestan suchend, zu dem Armfelsen — so hiesz des Einsiedlers
Aufenthalt — und Amadis lehrte ihren Zofen sein poetisches
Erzeupisz, audi sagte , er ihnen, dasz er DnnckeMbsch heisee.
Als sich nun Corisanda nach Lisuarts Hof begab und ihre
Jungfrauen sich dort mit dem Liede hören lieszen, kam Mabila
auf den Gedanken , dasz der „Penitentzer*" Dunkelhübsch mit
Amadis identisch sei, was sie Orianen zum Tröste einzureden
suchte. Auch die dftnische Jungfrau, welche unverriditeter
Sache von Schottland , wo sie Gaiulales besucht hatte, nach
Grosz-Britannien zuiUckkehren wollte, wurde durch Sturm an
den Armfelsen yerscUagen. Sie erkannte den sehr entstellten
Amadis und gab ihm den versöhnenden Brief Orianas. Der
Held entächlosz sich sogleich, mit ihr uach Mireflor, wo sich
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Orians eben aufhielt, m reisen, ^e kamen in England an,
ud Amadis wartote .in einem Nonnenklostor, Iris Oriana dnrch
die Jungfrau auf seine Ankunft vorbei oitot war.
Florestan, Ghüaor, Agraies und Gandalin kamen verab-
ndetor Maszen nm diese Zeit nach London, nm einander von
d«m Erfolge ihres Suchens nach Amadis Bericht zu erstatten.
Lisuart bat sie, ihm in einem Kampfe zu helfen, der zwisclien
je hnndert von ihn und yon dem Tribut verweigernden König
CQdadan von Irland gestollten Bittom stottfinden soUto.
Hierdurch wurden sie abgehalten, ihre Nachsuchungen sogleich
fortzusetzen. Während sich Oiiana nach Mireflor begab, er-
sdden am Hofe ein fremder Bittor, der dem Könige die Ab-
sage folgender gefahrlichen Subjecte übermittelte : Famongomad,
des Biesen im brinnenden See, seines Vetters Cartadac, des
Biesen vom verbottnen Berg, seines Schwagers Mandafibel, des
Biesen vom grünen Thnm, des Herrn Qnedragant, weiland
des Königs Ab ies Vdii Irland Bruder, und endlich Arcalai des
Zanbereis. Alle diese woUton n&mlich dem König CQdadan
beistohen. Sie ftigton die schmfthlige Znmuthnng bei, warn
Lisuart seine Tochter Oriana der Madasina, Famongomads
Tochter, zu einer Jungft-aumagd geben wolle, so werde man
Qiiana mit dem Prinzen Basigant verloben nnd ihn in Buhe
hnen. Lisuart erwiderto natürlich die Absage, und Floreston
forderte den üeberbringer der unverschämten Botschaft für
künftige Zeit heraus.
Auf dem Wege nach Mireflor, den er natOrlich ohne
Abenteuer nicht zurücklegen duiite, besiegte Amadis erst den
Quedragant und schickte ihn gefangen zu Lisuart, dann stach
er sehn Bitter, die sidi als Gefolge derLeonore, Orianas jüngerer
Sebweeter, in Zelten gelagert hatten, herab, begegnete bald
darauf dem Famongomad und seinem Sohne Basigant, welche in-
iwischen Leonoren und ihre Begleiter gelangen genommen
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hatten und sie fortführten, um sie ihren Götzen za opfern, be-
freite die Qefengenen und schickte sie mit den Leichen der
ÜTijBfeheuer zum Köiii<;e nach London. Hii rauf erst feierte er
ein überaus wonnevolles Wiedersehen mit seiner geliebten
Onana. Während der acht Tage, die er sich in Mireflor auf-
hielt, kam ein alter Mann an den Hof des Lisnart, weldier
zwei Kleinode zur Fi üfung pretrouer Liebhaiier mit sieh brachte,
und es ward beschlossen, eine derartige Probe zu Yeranstalten.
Als Amadis und Oriana davon hörten, beschlossen sie, ver-
kleidet nach London zu ziehen nnd durch Bestehung der
Probe das Sehwert und den Kranz zu erwerben. Macandon,
der GreiSf welcher die Kleinode hatte, ein Neffe des vorer-
wähnten ApoUdon, sollte nur von dem, der die Probe be-
stünde, zum Kitter gemacht werden und suchte beiläufig be-
reits GO Jahre nach einem hierzu qualiticirten Individuum.
Unsem beiden Liebenden gelang es nicht mr, am Hofe uner-
kannt au bleiben, sondern auch die Probe zu bestehen. Da-
gegen gestaltete sich das llesultat für die anderen höchsten
und allerhöchsten Herrschaften sehr ungünstig. Der König,
Gahior, ilorestan nebst über hundert anderen Bittem ver-
suchten sich an dem Zauberschwert vergebens, ingleichen fiel
die Königin Briolania und eine Anzahl Damen bei der Pnifung
durch das Kränzlein durch. Amadis schlug Macandon zum
Bitter und Lisuart nebst QaUor gaben dem siegreichen Paare,
das sich nicht zu erkennen gab, das Qeleit bis vor die Stadl
Auf dem Buckwege schlug Amadis noch dem Arcalaus vier
Finger und dessen Vetter Lindoracq den Kopf ab, welche
Gegenstände er dem Könige schickte. Schon aber hatte dieser
und Galaor von Urganda Briefe eriialten, welche die bevor-
stehende Schlacht mit Cildadan betrafen und geheimniszvoll-
bedenklichen Inhalts waren. Nachdem noch einige wenige
wichtige Nadiriditen über das Verhalten der fBindliehen Partei
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«ingeknfaif wurde m Felde geiogeii, und ee kam m einer
forehibaren Sehlaolit mit den Irlftndeni, welche mit wirklieh
glänzender Kunst beschrieben wird. Amadis, welcher natür-
Uoh nicht fehlte und Wander der Tapferkeit verrichtete, gab
dch mitten im Kampfe sm erkennen. Gahior wnrde schwer
verwandet nebst dem Könige Cildadan von zwölf Jungfrauen
zu Schifte weggeführt, Briolania besuchte Oriana zu Mireflor,
dar letzteren Eifersucht drohte bei Anblick der Schönheit jener
nen zn erwachen, doch erllihr sie von Briolama selbst, dass
Amadis wohl anderswo heimlich buhlen müsse. Die beiden
verwundeten Helden, deren Wegächafiung Urganda veranlaszt
hatte, wurden von dieser geheilt, wobei sie Gelegenheit bin-
den, mit Juliane nnd Solisa, den Nichten ürgandas und
Töchtern von Lisuarts Bruder Falangros, jeder einen Selm zu
zeugen. Orianas Eilersucht entbrannte noch einmal, als Ama-
dis in ihrer Oegewart der Bhohwin vorschlug, das Abenteuer
auf der verschlossenen Insel zu versuchen, sie wurde aber von
der vernünftigen Mabila gehörig zureclit gewiesen.
Nachdem noch eine Anzahl weniger eingreifender Vor-
ftUe die in England versammelten Helden in Athem gehalten
nnd Urganda nrit zauberhaftem Feuerwerk am Hofe erschienen,
um eine Anzahl noch unveitjtändlicher Weissagungen auszu-
kramen, auch Amadis und Onana durch Anspielungen auf ihr
Vcriilltnisz in Verlegenheit zu setzen, zog sich wieder ein
höchst gefthrlichee Unwetter Uber den Häuptern der hervor-
ragendsten Personen der Geschichte zusammen. Zwei ßitter
nämlich, Brocadan nnd Ghindadel, flüsterten dem Könige Lisuart
ein, Amadis und die andern Franzosen sden nur darum in
England, um für einen Kriegsfall zwischen diesem und Frank-
reich, das im Kriege oft Nachtheil erlitten, Anhang zu ge-
whmen. Der KAnig, der niemals groese Proben von Verstand
ablegte, schenkte ihnen nur zu leicht Ghiuben, und als Ama^
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dis mit seinen Freunden, von ihren Wanden gelieilt, vor ihm
erschienen and baten, er mOge Chdiiaiies fliit Madaäna vipr-
heirathen und mit der Insel Montgaze belehnen, schlug er
ihnen die Bitte rund ab ^nd setzte lünzu, sie könnten gehen,
wohin sie wollten.
Sine solche Behandlung konnte sich unser Held meht ge-
lallen lassen, er setzte also sogleich seinen und seiner Freunde
Abzug nach der beschlossenen Insel ins Werk, fünfhundert
Bitter sogen mit ihm, wfthiend Lisoart bereits auf die beiden
Yerleomder argwOhnisdi wnrde und sie barsch aalifln. Bine
um diese Zeit aus der Insel nach England kommende Jung-
frau brachte Orianen den Bericht, dasz die schöne Briolania
alle Abenteuer der Insel bis auf die letzte Probe mit der
„yeihottenen Kammer'' bestanden habe, was natOrKch die
Prinzessin sehr befriedigte. Als Aniadis mit den Seinicren
schon eine Zeit lan^ auf der Insel war, kam Bakis von Oar-
santen mit der Nachricht dorthin, dase sich Lisoart rar An-
nahme dw Insel Montgaze rflste, derro Heransgabe Ihm yon
den Verwandten der Madasina verweigert wurde. Da der
Kdnig Madasina und zwölf in dieser Sache Torgeiselte Jong-
taaim tOdten lassen wollte, sandte Amadis zwW Bitter sa
deren Befreiung ab. Sie langten jedoch, nachdem die Sache
bereits im Wesentlichen beigelegt war, an, hatten nur noch
dnen Wortwechsel mit dem Könige und kämpften darauf
glücklich mit den Vertretern der zwd Verleumder. Oriana,
welche sich guter Hoffnung fühlte, zog sich nach einer Be-
rathung mit ihren Freundinnen nach ]Mireflor zurück.
Hier endet das zweite Buch. Der Anfang des dritten
berichtet, dasz König Lisnart gegen den Bath des Teratftndigen
Arban und auch gegen seine eigene bessere üeberzeugung
einen Kitter nach der Insel Forme (der beschlossenen I.)
sendete, um dem Amadis absagen zu hissen. Hieranf let"
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nmiDeite er seia Eiiegsralk, am die Insel Mootgaie mit 6e-
vatt beeelMn za lassen. Amadis erwiderte die Absage, liess
aller der Königin Brisena alle Höflichkeit entbieten nnd an-
zeigen, er selbst werde mit Lisuart nicht um die Insel Montgaze
kimpfm, da er allein sie ihm erobert habe. Die von Agraies,
der bei Amaiis war, miückgeforderte Mabila sog es vor, am
Hofe Lisiiaits zu bleiben, da sie allein um die bevorstehende
Entbindung Orianas wuszte. Nachdem Amadis seine Eitter
naeh der Insel Mootgace abgesandt hatte, bescblosi er, xnr
Yertrabong dtf Melaneoley nadi Frankreidi sa fidiren mid
Terliesz deshalb von Bruneo begleitet sein Gebiet. Widriger
Wind fahrte sie bald an das Gestade der „traiuigen InseV^
we Amadis den im Kampfe gegra den gewaltth&tigen Biesen
Madraqne begriffenen Oalaor nnd Cfldadon beistand, den Biesen
besiegte und viele Gefangene betreite. Darauf landeten sie
in MonstreiL ^v<» Perion eben Uof hielt, und die beiden Bruder
wurden toU Freuden Ton ihren Eitern aufgenommen. Der
dnreii einen Sdinsz von des Biesen scheusdiito Schwester
Andadova verwundete Bruneo wurde von seiner Geliebten
lidieta, der Schwester des Amadis und Gralaor, gepflegt.
Letilerar fühlte sieh, indessen veipltiehtet» dem EAnig Lisuart
mit seinen Gesellen zu Hülfe zn ziehen nnd nahm dazu Ton
Vater und Bruder Urlaub. Cildadon zog mit ihm, an beide
scfaless sich unterwegs ein junger Edelmann an, der sieb als
Neiandelf einen natfiiliehen Sohn Lisnarts, auswies. Als leirterer
auf dem Kriegsschauplatze ankam, gewahrte er den Schaden,
den die Kitter aus der Insel Ferme schon angerichtet hatten.
Er sddng sie in heisier Schlacht und behigerte sie lange
Zeit, bis er von semem Oheim, dem Grafen von Agramont,
die Nachricht erhielt, dasz sich sieben Könige auf Antrieb
des mdurerwähnten unermüdlichen Intricanten Arealaus
gOgen ihn rOsteten* Oeshalb nahm er die Oapitulation der
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Belageiteii an uiul sdieiikte odelmütliig der Mada^ina und
deui Galuanos die Insel Montgaze.
Während sich dies zutrug, hatte Oriaiia euien Sohn ge-
boren, den die dänische J^ngfi-an mit Dnrin hinwegbraditen,
untei'wegs nahm ihnen aber eine Löwin das Kind ab und trug
es zu dem Einsiedler Nasdan, der es von seiner Schwester
aufidehen liesz und Esplandian nannte, weil dieser ITame mit
lateinisclien Buclistaben auf seine Brust geschrieben stand.
Eine ebendort betindliche giiecliische Inschrift blieb vor der
Hand noch nnentzifiert. Der inzwischen wieder einmal stark
in Melancolej versunkene Amadis (derartige Anftlle treten bei
ihm stets in höchst acuten Paroxysmen aut) wäre beinahe von
der Biesin Andadova, die ihm rachedürstend nachgefolgt war,
erschossen worden, aber es-miszglQckte, und Oandalin erschlag
das Ungeheuer. Amadis erhielt von Oriana einen Brief mit
der Nachricht von der Geburt seines Sohnes, aber erst dis
Ermahnungen des inzwischen anlangenden Florestan rissen ihn
aus der ünthätigkeit, die bereite anfing, ihm üble Nachrede
zu bringen, und er zog mit Perion und Florestan dem Lisuart
zii Hülfe, welcher derselben allerdings sehr bedürftig war.
Selbstverständlich halfen sie ihm zum Siege, schieden aber
unerkannt von ihm. A))er auf der Rückreise überfiel sie ein
Sturm und trieb sie wieder nach Grosz- Britannien zurük.
Hier geriethen sie in die höchste Gteiahr und beinahe in die
Gewalt des Arealaus, indem sie Dinarda, deren Vater von
Amadis im zweiten Buche gelegentlich erschlagen worden, in
ein Schlosz lockte, wo man sie schlafend mittelst ^eines auf
Schrauben stehenden Bettes in eine tiefe Grube versenkte.
Aber Gandalin iiinktc den !M«'clianismus und schraubte sie
mit der Hülle anderer Gefangener wieder herauf, und sie setzten
ihren Weg fort, nachdem sie noch die bei Arealaus einge-
sperrte Danoleta gefunden und des Zauberers Schlosz in Flam-
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mio gesetzt hatten. Dieser traf auf' seiner Flucht Galaor nnd
NenuKlel, welche die drei unbekannten Ritter aus dem Kampfe
gegen die sieben Könige suchten, und nur dadurch, dasz er
aie Ober seine Identität t&oschte, entkam er ihnen. Dinarda
und eine andere Jungfrau, welche sich in des Arcalans Be-
gleitung befanden, gewährten den galanten Helden zwar
väbrend einer Nacht Unterhaltung, machten sich aber schon
im folgenden Tage dadurdi yon ihnen los, dass sie sie ans
der Burg eines Verwandten, bd dem sie übernachtet, mit
List aussperrten. Erst in Frankreich erfuhren Galaor und
Nonuidel, wer die drei Unerkannten gewesen nnd brachten
dem EOnig Lismurt diese Nachricht
Inzwischen erzog der Einsiedler Nascian den jungen
£splandian mit seinem eigenen KefTen, jenes Milchbruder, und
die oben erwShnte Löwin diente den beiden Knaben wie em
Hond. Amadis war bereits wieder anf Abenteuer ausgezogen
und gelangte nach Böhmen unter dem Namen des ßitters mit
dem grftaien Schwerte oder auch mit dem Zwerge. Tafinor,
der König von BOhmen, war eben in einen gefthrlichen Krieg
mit Patin, dem Kaiser von Rom, begiiffen. Amadis besiegte
die Feinde, auf deren Seite sich der hochmuthige Garadan,
der von unseren Helden ersdüagen wurde, nnd Arquisfl, den
er gefangen nahm, auszeichneten. Nachdem Amadis dem
Könige seinen wählen Namen gesagt, zog er nach der
Brauuiej weiter.
Anf einer Jagd ihnd KOnig Lisnart den Bsplandian nnd
nahm ihn, durch einen Brief Urgandas dazu ermahnt, nebst
seinem Gesellen Sargil mit sich. Oriana, welche dem Ein«
Siedler jenes Sizengnng gebuchtet, erkannte m ihm ihren und
des Amadis Sohn. Dieser kam in der Romaney zu Grasinda,
die ihn durch Meister Elisabet von einer erhaltenen Wunde
bcüen Uesz und sich heftig in ihn verliebte. Sie kain jedoch
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nicht dasQ, ihm ihre Liebe za gestehen, und nachdem er ihr
versprochen hatte wiederzukommen, fhhr er weiter zur See
nach Constantinopel. Vom Stnrm verschlagen gelangte er
auf eine Insel, des Teufels Insel genannt Dort hauste ein
Thier, das von einem Tenfel besessen wurde und für nnüber-
windlich, wild and giftig galt Es hiesz Endriagne and
war von einem Riesen mit seiner eigenen Tochter erzeugt
worden. Amadis tödtete es, ward aber so schwer in dem
Kampfe verwmidet, dasz er zwanzig Tdgp das Bett hüten
mnszte und nmr die Kunst Meiste Elisabets ihn rettete. Dann
setzte er seine Reise fort, in Constantinopel wurde er sehr
ehrenvoll empfangen, und es gab viel galante Reden. Die
Prinzessin Leonorina erwedEte in ihm die lebhafteste Erinnerung
anOriana, und er mu8zte*viel durch Fragen nach seinen Ge-
heimnissen leiden. Als er, seines Versprechens eingedenk, zu
Grasinda zurückgekehrt war, richtete diese an ihn die nicht
unbedenkliche Bitte, mit ihr nach Grosz-Britannien zu ziehen
und dort zu behaupten, dasz «e & schönste Jungfrau sei,
wie dies schon ihr Bruder, der Markgraf Saleuder, bei dem
Herzog von Basel gethan. Der Bitter vom grünen Schwerte
gerieth hierftber in nicht geringe Besttaung, beruhigte nch
aber damit, dasz Oriana keine Jungfrau sei und er ihr ja Aber
die Sache eine ziilViedenstellende Erklärung geben könne.
Grasinda, er und drei ihm befreundete Bitter, die er zuflüUg
auf einer Jagd getrolTen, gingen nun zu Schiffis um nach
Grosz-Britanniön zu fahren. Ebendorthin war aber schon
einige Zeit vorher eine Gesandtschaft des Kaisers Patin von
Bom gekommen, um die Hand der Oriana für diesen Fürsten
zu werben. Lisuart, der ihrem Antrage nicht abgeneigt war,
nahm sie wohlwollend auf, und die mit ihnen gekommene
m ^ Königin Sardamira ging von dem englischen Bitter Grumedan
und fünf rSmisehen b^leitet nach Mireflor, um Oriana sufim-
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Sachen und für Patin zn aünimen. Floreeton besiegte die
Bonner und übeniahm nnn selbBt die Begleitung SardamirM,
welcher Gnimedan den wahren Grund der Feindschaft zwisohm
Amadis und dem Kaiser von Born erklärte. Während sich
SardaBuia Tergeblich nm ihren Zweck bei Oriana bemühte,
gab auch Gabor dem EOnig Lisnart anf Befragen den Bath,
seine Tochter dem Kaiser nicht zu geben, da es sich aber
unmöglich erwies, jenen umzustimmen, ging er nach Frank«
rdch. Audi Floreetaa yerlien Gross -Britaanien und begab
sich nach der Insel Fenne. Im Begnff, in Grosz-Britannien
zu landen, trafen Graainda und Amadis, welcher jetzt unter
dem Namen des giiechischen Bitters auttrat, ein Schiff, auf
weldiem Dragonis und Enil, zwei englische Bitter, üm sndiend
reisten. Er bestellte sie zu einem BendezTons in adit Tagen
auf Ferme, dann ward die Jungfrau Gonisesa mit Grasindas
Heiaasfordemngsbrief an den König Lisuart gesandt, welcher
inzwisdiMi, za Tagades Hof haltend, gegen den Bath aller
seiner Edlen in die römische Heirath gewilligt hatte. Saluste
Quide, das Haupt der römischen Gesandtschaft, bat den König,
den Kampf gegen den griediischen Bitter für die britamischen
Damen aufnehmen sn dürfen. Lisaart, nm die bereits ge*
gebenen Beweise seiner Unkhigheit zu vervollständigen, ge-
stattete es zum groszen Verdrusz der einheimischen Herren,
zwischen Gmmedan nnd dem übermüthigen Börner kam es
darüber zil einer Forderang. Es toinchte kaam erwfthnt za
werden, dasz die Römer von Amadis schmählichst besiegt
wurden. Zufällig sah er nach dem Kampfe seinen Sohn
Bsplandian, woranf er nach Ferme absegelte. Oriana wnrde
an den Hof citht nnd erhielt onterwegs einen Brief Ton Amadis,
der ihr den Aufenthalt des Geliebten anzeigte und baldige
Hülfe verhiesz. Lisuart, wiewohl durch ihre Bitten undArga-
monts nochmalige Yorstellnngen ein wenig wankend geworden,
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versprach, sie den Römern die nächste Woche zu überliefern.
Mit Gewalt nebst Olinda, der dem Prahlbans Saloste Qaide
versprodienen Braut, auf ein Schiff gehmcht, ging sie nnter
Se^'cl, bald aber griff Amadis und die Seinigen die Römer
an, besiegte sie nach heftigem Kampfe, in welchem Saliisto
getddtet ward und nahm die Damen Oriana, Sardamira, Clinda
und Mabila mit sich nach der Insel Forme, wo sich Orasinda
noch befand.
Die Königin Sardamira, so erzählt das vierte Bach weiter,
beweinte des Prinzen Salnste Tod änszerst heftig, sie etklSrte,
dasz aus diesem und dem Raube Orianas die emstesten Ver-
wickelungen entstehen würden, und wollte sich von der öfter
in der Bolle der Trösterin auftretenden Mabila nicht beruhigen
hissen. Bei der Ankunft dbs siegreichen (Geschwaders an der
Insel begrüszten sieh Grasinda und Oriana freundlichst und
sagten sich Artigkeiten in Menge, letztere aber konnte in der
Nacht nach der Ankunft in dem Schlosse Apolidons, welches
uns mit groszem Aufwand von antiquarischen und mytholo-
gischen Kenntnissen beschrieben wird, theils wegen des durch
die See&hrt Teraidaszten Unwohlseins, theils aus Besorgniss
Aber die Folgen des gewaltsamen Eingreifens ihres Geliebteo
nicht schlafen. Sie berief am nächsten Morgen die Ritter-
schaft zu sich und nahm ihnen das Versprechen ab, dasz keiner
die Damen ohne ihre Erlaubnisz besuchen werde. Audi
Amadis konnte sicli ernsten Gedanken an die Zukunft nicht
entziehen, weshalb er mit den Seinigen darüber Rath hielt,
was unter den obwaltenden bedenklichen Umständen zu thim
seL Man beschlosz, durch eine Gesandtschaft an König Lisusrt
mit diesem gütlichen Ausgleich zu versuchen. Mit diesem
Beschlüsse erklärte sich auch Oriana einverstanden, und es
wurden Quedragant und Brian, des Königs von Spanien Sohn,
von allen gebeten, die Sendung zu tlbemehmen.
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— 325 —
Aniftdis besprach sich aach mit Grasinda, welche Meister
Elieabet nach der Romaney achickto, damit er Hilfevolk herbei-
hole. Gleiche Gesoelie bestellte Amadis darch denselben
Boten an den Kaiser zu Constantinupel, durch andere Gesandte
an Briohuiia, an seinen Vater Ferien and an den Ki^nig Taänor
Ton Böhmen. Agraies sendete an seinen Vater nm Hilfe,
Brune.) an den seinigen und Quediagant an die Königin von
Irland. In einem des Anstands wegen in Gegenwart anderer
gafthrten Gesprftche awischen Amadis und Oriana versicherten
sie einander anf das Ausführlichste ihre Liebe, kamen aber
dahin ülierein, dasz sie, ohne Orianas Ehre zu .gefährden, nicht
üreier verkehren konnten. Amadis erhielt bei dieser Gelegen-
heit andi durch Mabila darQber Gewisaheit, dasz er der Vater
des jungen Esplandian sei.
Der Eindruck, welchen der Bericht einiger dem Treffen
entronnener Börner auf die Eltern Orianas machte, war ein
sehr verschiedener, indem Lisnart Bache schnaubte, Brisena
dagegen eher Freude als Verdrusz empfand. Ein durch Darin
i[)e8teliter Brief Orianas kam an ihre Mutter an, konnte aber
vor Ankunft der Gesandten nicht beantwortet werden, nor
Hess die K((nigm ihre Toohter ermahnen, vor Allem ihre Ehre
zu hüten. Brian und Quediagant langten an, wurden aber
von Lisuart höchst ungnädig entlassen. Auf der Rückreise
tiafen sie Esplandian, welcher dem Amadis seinen dienstlichen
Gmsz entbieten liess nnd den Wunsch aussprach, dermalebst
von ihm zum Ritter geschlagen zu werden. In der Berathung,
welche Konig Lisuart mit den Seinigen über den zu unter-
nehmenden Bachakrieg hielt, wurde beschlossen, Gesandte zur
Erwerbung von Bundesgenossen aussnschicken , znnflchst zum
Kaiser Patin, dann zu den Königen von Irland und Schweden.
Arealaus, welcher von den Verwickelungen zwischen Amadis
nnd Lisnart Kunde erhielt, entwarf sogleich einen Plan zur
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Vernichtung beider. £r verf>e sich zum König Aiauigiia
und heizte ihn zum Kriege, deBgteioheii Barainan von Sanswege,
dessen Vater Lisnart hatte verbrennen lassen, dann in gl^ber
Absicht zu dem Könif^e von den tiefen Inseln und den Verwand-
ten des von Amadis j^etödteten Dardan.
Qaedragant nnd Brian trafen Tom Sturm versehlagra auf
Briolania, mit der sie die Heise nach Fenne fortsetiten, wur-
den unterwegs von Tiron, dem Sohne des Abiseos angegriffen,
gewannen den Si^g und erretteten Briolania, auf deren Ge-
fiingennehmung es abgesehen war, endlieh gelangten sie mit
dem gefangenen Tiron naeh der Insel. In dem Kriegsrathe,
welcher jetzt dort gehalten wurde, sprach Agraies, der Lisuart
am heftigsten haszte, für den sofortigen Beginn der Feind-
seligkeiten, man solle den König in seinem eigenen Lande
angreifen. Dieser Antrag ward angenommen. Die Mission
des Meister Klisabet in dei liomaney und Constantinopel
hatte guten Erfolg gehabt, desgleichen die Gandalins nadi Frank-
reidi nnd die der anderen (Gesandten des Amadis. Der you losaart
nach Rom gescliickte Wilhelm der Tichter hatte zwar na-
türlich auch den Erfolg, dasz ihm Hülfe zugesagt wurde, doch
geberdete mk Kaiser Patin wie ein Unsinniger und schickte
Wilhelm mit einer Elle zurAck, die den GescfaSftetrftgir be*
leidigen muszte, und da König Lisuart nach drei Wochen
immer noch keine Nachricht hatte, muszte er seinen Vetter
Qiontes als zweiten Boten mit einem Bennschi£Qflin naeh Bom
senden. Alle anderen Ittehte und Helden sagten ihm Unter-
stützung sofort zu, nur Galuanes bat, nicht gegen Amadis
kämpfen zu dürien, was ihm gewährt wurde. Giontes stiesz
auf Grasandor Ton Böhmen, dar ihn aber, nachdem er seinen
Auftrag erfahren, ruhig weiter ziehen liesz und dann nebst
Perion auf der Insel des Amadis ankam. Um die Damen zu
eigOtMnward hier eines Tages blinder Alann gesohhigen, Perioa
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und Graaandor lieszen sich der stets betrübten Oriana vor-
flMlen, TiroD erhielt, nachdem er Treue gelobt, Ton Briohuiia
yenseQiilog und den Oberbefehl fiber ihre Truppen. Ah Patin
nach England gekommen war und dort acht Tage gerastet
hatte, setzte sich das eoglisch-rdmische Heer nebst den Uilfe-
f<Ukara in Bewegung. Vorher hatte Amadis noch den Arqnisü,
welcher ihm verpflichtet war, zurückfordern lassen, ihm sein
Heer gezeigt und ihn dann hochJierzig wieder zu den Romern
geaehiekt. Während aneh das Heer Ton der Insel Forme, zu
dessen OberfeLdherm man Perion erwählt hatte, anfbraeh,
fielen schon die von Arealaus angestifteten Feinde beider krieg-
fährenden Parteien in Grosz Britannien ein.
£ui Zweikampf des Amadis mit dem Ton seiner Gelieb-
ten Pinela hierzu Teranhissten Gasquillen, König von Schwe-
den, eröfl'nete die ])hitige Schlaclit. Die von Ferme behaup-
teten, allerdings mit groszer Anstrengung, den Plats^, bewilligten
aber dem Feinde einen WaffenstiUstand von Tiemndzwanzig
Standen. Naeh dessen Ablauf begann der Kampf wiederum
und fülirte zu einem vollständigen Siege der von Ferme. Auf
des Amadis Wunsch und gegen den Einspruch des Agraies
wurde jedoeh nach Sonnenuntergang Ton der Verfolgung Ab-
stand genommen. Hierauf folgte ein viertägiger WaffenstilU
stand, um die Todten zu begraben. Den nächsten Tag hielt
Llfluurt eine Bede an die fi6mer., yon denen er besorgte, sie
worden, weil ihr Kaiser Patin* gefellen war, den Krieg nicht
weiter fortsetzen wollen, eine Besorgnisz, die er jedoch durch
seine Worte zu beseitigen vermochte. Inzwischen hatte sich
der Einsiedler Naacian au^nuu^t, um Flieden zu stiften,
kam SU Oriana auf die Insel Ferme, wo er Amadis nodi ver-
muthete und von ihr die Erlaubnisz erhielt, ihrem Vater be-
hois der rriedensvermittelung das ihm in der Beichte An-
Tertnaute mitsutheflen. Siligst begab er sich auf den Kriegs-
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828
Schauplatz, sein Zureden, seine .Mittheilnngm über das Ver-
hältnisz Orianas zu Amadis und Esplandian so wie die bereits
erlittene Niederlage machte Lisiiart geneigt, den Frieden an-
bieten zu lassen. Ton Esplandin geleitet übernahm der Ein«
Siedler diese Mission und fand auch bei Perion und Amadis
geneigtes Gehör. Wahrend die Unterhandlungen fortgesetzt
Warden, zogen sieh beide Heere eine Strecke zurück. Der
EQnig Aranigna aber, welcher schon lange auf die Gelegenheit
lauerte, eines der beiden Heere allein anzuj^eifen, erfuhr dies
nicht sobald, als er beschlosz, Lisuart» welcher sich mit seinen
sehr geschwftehten Heere nach der Stadt Lnbania zarflcl[g6-
zopfen hatte, zu überfallen und zu vernichten. Dieser wurde
jedoch gewarnt und wandte beim Marsche die höchste Vorsicht
an, auch fimden Esplandian nnd sein Genosse Sargil Gelegen-
heit, Arauigans Plan zu dnrdischanen, ond eilten, Amadis
nnd Perion davon in Kenntnis/, zu setzen, welchen es natürlieh
Ehrensache war, den König Lisuart sofort aus der Gefahr zu
befreien. Dazn war allerdings die höchste Zeit, denn er gerieth,
▼on Aranigna nnd Arealaus angegiiffen, in solche Noth, dasz
er kaum der Gefangenschaft onti^ing, rettete sich nach liöchst
bedeutt'üden Verlusten in die Stadt Lubania, und nur die eia-
biechende Nacht Terhinderte den Feind, der bereits zu störmen
ange&ngen hatte, diese einzunehmen. Schon hatte am ni&dislen
Tage der Sturm von neuem begonnen, als Amadis mit seinem
Heere anhmgte und Lisuart entsetzte. Arealaus und Arauigna
worden gefimgen, Perion kam eist an, nachdem der glänzende
Sieg gewonnen war.
Arquisil wurde an Stelle des gefalleuen Patin auf Amadis
Betrieb von den Hörnern zum Kaiser erwfthlt nnd bei dem
auf diesen Anhisz hin stattfindenden Festmahle sagte Idsiiart
dl III Amadis seine Tochter Oriana und auf die Bitten des
letzteren seine zweite Tochter Leonora dem neuen Kaiser zur
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— 329 —
übe nL Bs ward wabrodet, die beiden Hochaeiten aaf der
Insel Ferme za begeben, worauf dcb bdde Heere nnd ibre
Anführer trennten, um sich an die Ausgangspunkte des Feld-
zages zurückzubegeben. £Onig Lisaart bewies, nacb Vindelisora
behngxikotnmen, mehr Weisheit in der Betrachtang seines
Unglücks, als er im Glück gezeigt hatte. Auf der Insel Ferme,
wohin sich auch Periou mit seinem Heere und Gefolge begeben
bstte, worden jetzt sehr viele galante Gesprftdie gehalten.
Amadis Tersprach anf den Batii seines Vaters seinen Genossen,
ilinen bei der Enverbung der von ihnen gewünschten Frauen
beb&lflicb za sein, wobei er sich als einen ebenso eneigischen
Hniathsrennitaer wie Helden bewies, nnd theQte die LSnder
des Arauigna und Arcalaus unter sie. Drei Ritter wurden
von der Insel Ferme abgesandt, um Elisena und Galaor ab-
zuholen. Die Königin und der Prinz, welcher sich Ton seiner
Krankheit ziemlieh erholt hatte, kamen sogleich mit Unter-
wegs trafen sie die auf der Fahrt zu Amadis begriffene Königin
ans Dada, welche Hilfe gegen ihren rebellischen und Ter-
Tttherischen Schwiegersohn suchte, und die drei Bitter, Bruneo^
Angriota und Branfil beschlossen, sogleich mit ihr in ihr
Land zor&ck zu gehen. Sie kamen mit der Königin, der sie
sicfa ent, nachdem sie in ihr Schifflein getretm, Torgestellt
kaHen, in Dada an und wuszten die dortigen Angelegenhdten
in kui^er Zeit so zu ordnen, dasz der Aufstand niedergeschlagen
and der junge König, der Sohn der Dame, gekrönt wurde.
Letzterer begab sidi, um nach errdchter Volljfthrigkdt
von Amadis den Bitterorden zu empfangen, mit ihnen nach
der Insel Ferme*
Lisaart, Brisena nnd Leonore kamen inzwischen ebendahin
and in den Palast Apolidons, wo sich auch ürganda, mit dem
gewohnten Zauberpomp auftretend, einfand. Sie weissagte dem
Amadis noch viele MOhsale und gewaltige Thaten, Teihiesz
SS
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— 330 —
ihm aber auch ihren Beistand. JeUt fand deun auch die
lange yorberuiete and «sehnte Tranong der yerlobten Ihm
statt Die Briste yenmchten die Prfifangeabenteoer der Insel,
und nur Oriana kam, wie vorauszusehen war, ohne jeden Anstosz
durch. Nachdem die Hochzeitsfeierlichkeiten acht Tage ge-
wfthrt hatten, erklärte ürganda den yersammelteo Uenrschaften
Ihre froheren Weissagungen (was allerdings aneh post eyentnra
noch nothwendig war) und fugte neue hinzu, welche nament-
lich den jungen Esplandian betrafen, aber wieder durch ihre
Gomplidrtheit nnd Dunkelheit sehr nnyerständlich warm.
Das lanberisdie nnd brennende Fahrzeug, die grosn Sdilange
genannt, in welchem sie gekommen war, liesz sie in der Nähe
der Insel, verbot aber streng, sich ihm zu nähern.
Als sich Amadis eines Tages anf der Jagd befind, landete
Darioleta mit dem Leichnam ihres Sohnes nnd ercftUte ihm,
der Riese Balan habe sie, ihren Gemahl, ihren Sohn und ihre
Tochter auf der Beiae nach der Insel Ferme ange&llen, den
Sohn getOdtet und die andern eingesperrt, darauf habe er sie
zu Amadis geschickt, mit dem er um die Freiheit der G(e»
fangeuen kämpfen wollte. Amadis ging sofort, ohne von Oriana
Abschied zu nehmen, mit ihr zu Schiffe und gelangte nach
einer mehrtägigen Fkihrt an eine Insel, anf der ihm ein Bitler
dringend von dem Abenteuer abrieth. Dei*selbe begleitete ihn
jedoch, da er auf seinem Entschlüsse bestand, and sie kamen
zu des Biesen Bui^, welche eust Joseph yon Arimathia erbaut
hatte. Amadis besiegte Balan, aber Brayor, dessen Sohn,
überfiel ihn mit dreiszig Mann und brachte ihn in grosze Ge-
fahr. Erst die Vorwürfe des Amadis geleitenden Kitters und
die Yermuthung der Gemahlin Balais, dass der Uebeiftllene
ihr Jugendgespiele Oakor wfire, bewuttsn, dass man yon dem
schändlichen Geleitsbruche abstand. Der wieder zu sich ge-
V kommene Bahui war h^hst angebracht aber seines Sohnes
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I
— 831 —
Benelunen und lieferte ihn dem Amadis aus, seine Gemahlin
begütigte diesen, er yersöhnte sich mit Balan, bewirkte die
Heraiisgabe der Gefimgenen und stiftete eine Hdrath zwisdien
Bravor und der Tocliter Darioletas, aus welcher Ehe später
ein sehr beröhmtes Geschlecht entsprosz. Die inzwischen auf
die Sache nach Amadis von der Insel Ferme ausgeschickten
Btiter trafen ihn, nachdem er noch einige beiläufige Abenteuer
bestanden hatte. Grasandor, welcher sich unter ihnen befand,
und Amadis kamen anf eine InseL, wo Amadis ein saaberisches
Abenteuer iand, das jedoch, wie er ans Inschriften ersah, sei-
nem Sohne Es]>landian vorbehalten war. Gandalin, welcher
unterdesz auch Abenteuer <^'ehabt hatte, trat mit ihm zusam-
men. Als er auf seiner Insel eben angekommen war, wnszte
ihm die Gemahlin des Arealaus das Versprechen abzulocken,
ihren Mann, den man bereits in einen Käfig gesperrt hatte,
laufen zu lassen. Arealaus nahm seine Freiheit trotzig und
ohne sich auf billige Bedingungen einzulassen, in EmpSaag^
man sieht, dasz Niemandem auszer dem Terfinser an sdnem
Leben gelegen war. Zum Glück liatte Urganda an Amadis
und Oriana Hinge geschenkt, welche die Besitzer vor seiner
ZaubertQeke sicher stellten. Doch nur sie beide, denn es ver-
ging nur eine kurze Zeit, so wurde EOnig Lisuart auf der
Jagd durch Zauberei gefangen genommen und weggeführt.
Die Königin Brisena schrieb an Amadis einen Brief um Hilfe,
lOKwischen aber eiBchien schon ürganda auf der beschlossenen
Insel, liesz Esplandian und seinen Gesellen zu Bittem schlagen
und führte sie mit sich in der gi-oszen Schlange fort, indem
sie dem Esplandian zunächst das von seinem Vater schon be-
trachtete Abenteuer m Aussidit stellte.
Hiermit schlieszt das vierte Buch, und hiermit soll auch
diese Inhaltsangabe, die, so gedrilngt sie ist, doch schon lang
genug gewoiden, schlieszen. Zweierlei ergiebt sich zunftchst
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aii8 dem, was hier im Aussage mitgeUieilt wurde, erstens»
dasz nach der Methode des Erzählers die Oesebichte noch wer
weisz wie weit in dieser Weise fortgesetzt werden kann,
zweitens, dasz sie aber auch gegen Ende des vierten Baches
mit der Hochzeit des Helden and der Heldin einen gnten
Abschlusz findet. Da nun beides, die Fortsetzung in infinitom
und der Abselilusz mit dem Ende des vieiiien Bucbes, in ge-
wissem Sinne Thatsachen sind, mag zuerst andeutungsweise
die Fortsetzung des Stoffes gezeigt werden, allerdings nar an-
deutungsweise, wie es aurli iiiclit anders möglicb ist. Weiter
unten wird noch klarer werden, warum wir an einer Analyse
der ersten vier Bücher ToUkommen genug haben.
Das ffinfte Buch ist den Thaten Esplandians gewidmet,
welche er unter dem Namen des schwarten liitters ausfuhrt,
er bringt es in seiner Carriere nach siegreichen Kftmpfen
namentlich gegen die Ungläubigen bis zum Kaiser von Gon-
stantinopel, das sechste Buch erzählt seine Abenteuer weiter
nebst denen seines Bruders Perion und seines Sohnes Lisuart
▼on Orieehenland*
Das siebente und achte Buch hat Amadis von Griechen-
land, den Sohn Lisuarts von Griechenland zum Hauptbelden,
an seine Stelle tritt im neunten Buche sein Sohn Florisel von
Kiquea, und so spinnt sich die Geschichte an der Genealogie
der Nachkommen des ältesten Amadis weiter bis zum vier-
undzwanzigsten Buche und seinen beiden Hauptheld^ den
hochberAhmten Prinzen Safiraraan und Hercules vom Gestim.
Man kann den Stoff aller dieser Bücher im Allgemeinen
als aus vier Hauptbestandtbeilen zusammengesetzt bezeichnen,
1) Bitterliche Abenteuer. 2) H6fiseh-adlige ConTersation, ein
Ingrediens, dessen Wichtigkeit von der Lesewelt, Ar die un-
sere Bücher geschrieben waren, sehr hoch geschätzt wurde,
wovon weiter unten bestinunttte Beweise gegeben werden sollen.
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3) üebeaabeDleaer, durobaus in dem die lomaniBobeD Litenp
tnren insgesammt kennzdehneiiden sinnlicb-realistisehen Ge-
schmack gehalten. 4) Zauberspuck und anderweitige Nahrung
fär Aberglauben, Wunder- und Sensationsbedürfiiisz. Dies
mag zn Torlftnfiger Hindentnng auf die grosse oaltorbistoriscbe
Wicbtigkeit unseres Bncbes dienen, jetzt ist znnftcbst auf die
l&tstebungsgescbicbte der uns vorliegenden Amadisromaue
nflher einzugeben.
Die Yorbige onflerar Amadisromane in deutscher Spradie
sind die französischen, welche in der ersten Hälfte des XVI. Jahr-
bonderts zu entsteben anlangen, sie beruhen auf den spanischen
Amadisbftcbem, ?on denen die ersten fünf Garci-Ordonez de Mon-
talvo Terfiisst bat Dass vor dieser Bedaction der ersten fünf
Bücher durch Montalvo, der ältesten , welche uns erhalten ist,
— die Bücher VI — XIL sind sämmtlich später erst entr
standen — nocb eine filtere ezistirt bat, ist sicher nnd sowohl
durch eine deutliche Aussage Montalvos selbst festgestellt als
auch von allen Gelehi-ten, die der schwierigen und sehr ver-
wickelten Frage ihre Auünerksamkeit zugewendet haben, ohne
Zweifel angenommen worden. In wekber Sprache aber die
Vorlage Montslvos abgefaszt gewesen sei, und wer ihr Ver-
fasser gewesen, darüber sind die verschiedensten Traditionen
und Meinungen vorbanden , und erst in der allemeuesten Zeit
ist durch grflndlicbe nnd scharfeinnige Untersuchungen ttber
diese Sache ein befriedigendes Licht verbreitet worden. Das
Hauptverdienst haben sich Eugene Baret und Ludwig Braun-
fels erworben, der erstere durch sein Bnch fj>e TAmadis de
Qaole et de son influence sur les moeurs et la litttetnre an
XVIe et au XVIIe siecle cet. IL edit. Paris 1878, der letz-
tere durch die erst kürzlich veröffentlichte tretÜicbe Schrift
„Kritiscber Versuch über den Boman Amadis von Gallien,
Leipzig 1876.** Man bum tob dieser Schrift sagen, dass
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— aa4 —
sie in der dunkeln Sache auf das Gründlichste aufgerfturat
und in den Hanptpankten eine abecblieezende Entscheidnng
gebracht hat. Da beide Bflcher jedem nnschwer erreichbar
sind, sei es gestattet, hier ihi'e Besnltate nur kurz dai-zu-
legen.O
MontalTO hatte znr Vorlage eine spanische Erzählimg,
welche in Ii Hiicher zerfiel, und hiernach verfaszte er die vier
ersten Bücher seines Amadis, denen er als fünftes die Thaten
des Esplandian hinznfttgte. Die AnsprAehe der Portugiesen
anf die Priorität in der Abfiissnug der Amadisgescbichten
sind abzuweisen, und namentlich, dasz Vasco Lobeiia der eigent-
liche Urheber des berCihmten Romans sei, ist dne Fabel, deren
ünhaltbarkeit sich thals aas der Unsicherheit nnd Verdädi*
tigkeit der Zeugnisse ITii' sie, tlieils aus der ziemlich duieh-
sichtigen Geschichte ihrer allmähligcn Entstehung ergiebt.
Schon um die Mitte des XIV. Jahrhunderts ist die Amadis-
gesehichte, welche Montalvo umarbeitete, in Spanien bekannt
und bald ein sehr beliebtes ünterhaltungsbuch gewesen.
Letzterer Yollendete seine Bearbeitung der ersten vier Bücher
yor der Begierungszeit Ferdinands und Isabellas, viele histo-
rische Bezüge weisen auf die Zustände jener Zeit, den Esplan-
') Der iieuestt'ii Zeit gchürt aucli die Sclirift F. A. von Varu-
hagcns „Da littcraturu d r^ livrn'; de oavallarias cstudio brove o con-
sciencioso, Viouna. Na iiiipreiisa do Filho de Carlos Gerold 1872**
an. Die Ansicht Varnhagens, dasz Va.sco Lobeira der Verfasser des ältesten
Aniadisbuchcs sei, was im Gei^ousatz nameiitlicli zu Gayangos behauptet
wird , ist <lurch die Brauufrlssclien Untersuchungen meines Erachtens
nun nocli vollständiircr widerlegt, als sie es schon durch Tiayangos und
Jlarct (in seiner letzten Ausgabe Paris 1S73) war, v. Varnhagens Buch
enthält aber in lielrell' der liittcrromane wie auch der später zu er-
wähnenden Schäferruniane so manches (Inte, dit-z seine schwere Er-
reichbarkeit und seine Abfassung in portugiesischer Sprache, die denn
doch in Deutscblaud wcuig bekannt ist, bedauert werden musz.
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— 885 —
dian schrieb er in den achtziger Jahren des Jahrhunderts, und
die Vonede setzt schon die Kinnahme Granadas Yoraus. Die*
Beüebihdt nnd die dnroh den neu erfündenen Baehdrack be-
förderte Verbreitung von Montalvos Buch war so bedeutend,
dasz sie die ältere Eedactioa vergessen and infolge davon ver-
schwinden liesa.
Dies ist in knrzen Worten das, was Aber die Vorlage
Montalvos und die portugiesischen Ansprüche auf die Urheber-
schaft der Amadisioniane festKostellen ist, meist Besnltate der
Bnuinfiftlsschen Untersnchimgen. Es versteht sich von selber,
(iasz sich an diese Fragen die nicht weniger interessante nach
der Herkunft des Steifes unmittelbar und mit Nothwendigkeit
inscUieszL Wenn Montalvos Voriago auch ein spanisches
Biidi war, konnte nicht dieses ans einer andern Sprache fiber^
setzt sein? War das Buch, welches Pero Lopez de Ayaia,
Groszkanzler CastiUens, hochberflhmt nicht nur als Staatsmann,
sondern anch als Dichter und Schriftsteller, geboren 1882 und
gestorben 1407, in seiner Dichtung Rimado de Palacio als
der erste erwähnt, und zwar so erwähnt, dasz er es in seiner
Jagend gelesen haben muss >)« ^ spanisches oder war
es etwa ein ImaMBdmf Allerdings sprechen hiergegen alle
diejenigen Stimmen, welche in der früheren Zeit, das heiszt
un XIY. and XY. Jahrhundert, sich vernehmen lassen, dadurch,
dasz sie nur von einer spaniscben Amadisdichtang zu wissen
scheinen, der Unwerth späterer Stimmen wird sich weiter unten
ergeben. Aber die ursprüngliche Heimath des Stoifes macht
allerdings den Gedanken an die Existenz einer alten franzO-
Ploponii otrosi oyr muchas vegadas
Libros de devaneos e racntiras probadas,
Amudi's, Lanzalote e biirlas asacadas
Kn que perdi mi tiempo ä muy malas jornadas.
YgL Braunf^ls S. 94 ff. Barot S. 29 ff.
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nschen oder vielleicht prom9ali8clieii Bedaction immer wieder
rege. Einen Ungerzeig erhalten wir snr Auffindmig dieser
Hoimath durch eine Stelle des spanischen Chronisten Rimon
Muntaner (1265 — c 1330), welche Galaor als einen Ritter
der Tafefarmide zusammen mit Tristan und Lancelot erwfthnt
Es bedarf nnr dieses Fingerzeiges, um sofort anf eme ganse
Anzahl von Beweisen zu stoszen, dasz die Quelle der Amadid-
sage dieselbe ist, wie die der Lancelot-, Tristan-, fireo-, Iwein-
nnd Artasgesdiichten, nbniich der bretonisdiHMrdfhmaOaisciie
Sagenkreis. Es ist erstannlich, wie reichlich dort der (^uell
der Sagen geflossen ist, und man hat in der That aut' den
beiden Seiten des Oanals im MitteUilter ebenso fleisiig ond
geschickt gefabelt wie im Alterthnme an den Kfisten des
ägäischen Meeres. Grade um die Zeit auch, wo erwiesener
Maszen die anderen Stoffe ans diesem reichen Boro nach der
pyienSischen Halbinsel einwanderten, tancht anch der Name
des Araadis in Spanien auf, und eine ganze Anzahl von Be-
ziehungen auf Personen, Begebenheiten, Zustande und Oertlich-
keiten, welche in den bretonisch-nordfraniOsisohen Sagen top-
kommen, finden sich in seiner Geschichte.
Hierher gehört, um nur Beispiele und gleich das erste
beste zn geben, die Erwähnung des gransamen Gesetzes gegen
die geMienen Jnngfiranen, welches im Roman von Merlin eine
Rolle spielt'), und zu dem Montalvo bemerkt: ^EsUi tan
eruel costumbre dorö basta la venida del muy virtuoso rey
Artus*", ferner die ans der Graalsage stammende Erinnerong
an Joseph von Arimathia, ^que el Sancto Grial traxö k la
gian Bretana**, und folgende Steile des vierten Buches (Cap.
XL VIII. S. 377 der Ausgabe Ton Gayangos): que desto
BraYor, (yergl. Seite 330 des vorliegenden Buches) Qjo de
>) Yergl. Doolop-Liebrecbt IS. 65.
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I
— 337 ^
Baku, 6 de aqaella hija de Darioleta, nasdd an hijo qae hobo
nornbre Galcote, que ya este tomö de la madre, 6 non fue
tan grande ni tan desemejado de talle conio lo eran los gigan-
tes. £8te Galeote fnö senor d*aqaella insola despnes de la
vids de Brayor, sn padre, 6 caeö con nna fija de don ChtlTi-
nes 6 de la hermosa Madasima, su miijer; y destos naciö
otro liijo, qae hobo nombre Balan, oomo sa bisabueio; asi
qoe, venieron sneediendo anos en pos de otroe, senoreando
eiempre aqaella fneola tantos tiempos fluta qae dellos deoen-
di<5 aquel valiente y esforzado don Segnrddes, primo cohermano
del Caballero anciano qae ä la corte dal rey Artur Tino, ha-
biendo dento 6 veinie anos, 6 los eaarenta postrimeros qae
Inbia per su gran edad dejado las annas, i sin lanza denibd
d todos los Caballeros de gran nombradia que d la sazon en
la Corte ae hallaron. Paes este Segarädes fad en tiempo del
rey üter Padngon padie del rey Artar i senor de la Gran
Bretiina, y este dejö un hijo 6 seiior de aquella msohi
i BraYor el Brun, que por ser demasiado bravo le pusieron
aqoel nombre, qae en el lengnaje de entonoes por bravo de-
dan bnoL A este BraYor mattf Tristan de Leonis en batalla
en la misma insola, donde la fortana de la mar echö ä ^1
4 ä Iseo Labronda, hija del rey Languines de Irlanda, ^ a
ioda sa eompana, traytodola para ser major del rey Marte
de Comnalla, sa tio, 6 desto BraTor el Bran qaedö aqael
gi^n principe muy esforzado Galeote el Brun, senor de h\a
Luengas insolas, gran amigo de don Lanzarote del Lago; asi
qae, por aqnf podeis saber, si liabeis leido 6 leydrdes el libro
de don Tristan 6 de Lanzarote, donde se hce mendon destos
Brünes, de donde vino el fundaiiionto de sua linaje." Diese
Stelle sagt för jeden, der aacb nur einigermaszen in der roman-
<) T«rgL Danlop-LiebT6cht a. a. 0.
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— 338 —
tischen Poesie Beseheid weiss, genog, und es wftie nnb^grOii-
det, in ihr blos einen Znsatz des Montalvo zn sehen, denn
erstens gehört sie und ihre Umgebung nicht m den Zögen
des ausgehenden vierten Buches, welche bestimmt scheinen,
anf die Qesdiichte des EspUindiaa hinftbennleiten, zwdteos
fingt MontalTO seine Absehweifang mit den meines Eraehtens
auf die Vorlage hinweisenden WorUMi an: „Agora vos quiere
mostrar la historia la razon deste casamienfco.'* Somit können
wir die anderen einzelnen Bezdge des Amadisromans auf die
bretonisdi-nordfranzOsische Sagenwelt, namentlich anf die Ge*
schichten von Lancelot und Tristan deren sich noch eine
ganze Anzahl linden,^) hier unerwähnt lassen, nar auf ein
Hanptmoment, die Oertlichkeit der Geschichte sei noch hin-
gewiesen, welche tlbmns deutlich fttr die ursprüngliche Hei-
math des Stoffes zeugt Es wu-d also dem Vater des Tor-
quato Tasso, Bemardo Tasso, anbedingt Becht zn geben sein,
wenn er in einem Briefe an Girolamo Bnscelli sagt: Non
h dubbio que lo scrittore di qnesta leggiadra e vaga inveiH-
tione rha in parte cavata da qualche historia di Bretagna,
e poi abbelitola e rendatola a qnella vaghezza che ü mondo
cosi dUetta.«)
») Vgl. Baret S. 96 ff.
>) Vgl. den Abschnitt XIII. bei Brauufels S. 1G3 ff.
3) Gaula, das Vaterland des Amadis, das Reich seines Vaters
Perion, ist Wales, Vindelisora Windsor, Bristoya Bristol, lasnart Ist
Lych-warc'h, der Käme eines bretonischen Barden des TL JahrhutderlB
Elisena, des Amadis Matter, ist mit Heliene saus per hn Lanoelot sq-
sammenzostellen, wo aneh das Land Soreloys Torkommt» Norgalles ist
das ndrdliebe Walee, die «beseUoesene Insel** ist die Insel Km. Hiena
kommen eine AntaU Namen, welehe ohne jede ErkUning kenatlieh
shid wie Britannien, Sehottland, DSaemark n. s. w.
*) Komisch genug ist es, dass grade Bemardo dnreh die Be-
seichnnng Amadigidi FraaciaUrheber der geographischen Haaptconftisiom
in unserer Qeiohiehte warde.
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— 839 —
Auf welche Weise und auf welchem Wege der Stoff
dies»'s berühmten Romans in das Land gelangte, welches ihn,
soviel wir wissen, zuei'st gestaltet hat, ist unschwer zu sagen.
Die Tioiibadoiin, welche in der Blütheseit der pfovenyalitcheii
Dichtnng znm groszen Thefl dem sQdHehen Frankreich und
dem nönllieheii Spanien zugleich angehörten und bald auf den
Burgen and an den Höfen diesseits bald jenseits der Pvr* näen
wfllkommene GSste waren, haben whr uns ohne jeden Zweifel
ab die Veimitiler zu denken, wosn die damab viel grtaere
Gleichheit der in beiden Gebieten gesprochenen Spraclien und
der äaszerst lebhafte Verkehr der beiderseitigen ßitterschaft
kommt Andi liezt sich noch im Besonderen erkennen, dass
der Stoff seinen Weg dnrch Südfrankreich genommen hat, denn
eine hier spielende Sage zeigt Verwandtschaft mit wesentlichen
Zügen der Amadi^geschichte. Ich meine die Malegissage,
welche mit den ihr verwandten der Haimonskinder einen
Seitenzweig an dem groszen und vielästigen Baum der Karls-
.agen bildet. Die vielerwähnte ürganda des Amadis ist ohne
Zwei&l dieselbe Person wie die schone Oriande, die Geliebte
des Malegisi, denn anch ürganda hat einen Zaaberer sam Ge-
liebten, und die Vorliebe für nicht ehelich geweihte Liebes-
bündnisse bildet hier wie dort einen charakteristischen Zug.
Yidleicht Iftsst sich sogar veimnthen, dasz sich die schöne
Fee Oriande, die nnerschütterlich dem Zauberer Malegis, wie-
wohl nicht in ordentlicher Ehe mit ihn lebend, eine nihrciule
Treue bewahrt, in der Amadisgeschichte in die einen Zauberer
liebende Fee ürganda und die schOne und treue Oriana .ge-
8{Mdten hat, welche weniger, als gehörig ist, auf kirchliche
Trauung hfilt und diese laxe Praxis gleichsam auf die Damen
üu-er Nachkommen vererbt. Aber aus mehr als einem Grunde
stehe ich von positiven Behauptungen und weiteren Aus-
Ahrungen hier geiii ab und entscheide demgem&sz auch nicht,
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— 340 —
ob der onpranglicfa bretonische Stoff die mit der MAl^giesage
ihm gemeinsameii Bestandtheüe ans seliier Hebnath mitge-
bracht und in Fi-ankreich an don Zweigen der Karlssage
hängen lassen hat, oder ob er diese Elemente erst in Frank-
reich auf- mid nach Spanien mitgenommen hat Für beide
•Annahmen dflrften sich Grfinde finden lassen, 0 uns inteiesslrt
die am Tage liegende Verwandtschaft hier nur als ein Be-
weis, dasz Frankreich eine yermittelnde Rolle spielte, und es
mochte doch wohl anch als nicht nnmöglich hingestellt werden
dürfen, dass der Ämadisstoff noch einmal in dner fhmxOsi-
sehen oder provenyalischen Dichtung älteren Datums auftauchte.
Daran aber ist vor der Hand festzuhalten, dasz ?on einer
solchen Gestalt des Stoffes dermalen nirgend eine Spur so fin-
den ist. Es ist weder auf die Angabe des weiter unten zu
erwähnenden Herberay des Essarts etwas zu geben, dasz er
nftmUdi ein altes fragmentarisches Buch in picardischo' Sprache,
welches diesen Stoff behandelte, geAmden und benutzt habe,
denn er folgt Schritt für Scliritt dem Montalvo, und was er
zusetzt, kennzeichnet sich deutlich als seine eigenen Zugaben,
wozn die zahlreichen Analogien fingirter Vorlagen in der er»
zfthlenden IMditung der damaligen und sp&teren Zeiten kom-
men, noch haben die Vermuthungen, wonach der in einer
Handschiifi des XIII. Jahrhunderts vorhandene Tersifidrie
Boman Ton Amadas und Ydome die Gmndhige des Aooadis-
romans bilden soll, irgend welchen Anspruch auf Wahrschein-
lichkeit.^) Dagegen dürfte als feststehend zu betrachten sein,
dasz aus den schon im Mittelalter vorhandenen und beliebten
Bomanen von Tristan und Lancelot stoffliehe Elemente in den
*) „Der Qiispanische, echt pioYenfallBche Name B«lt0n«hn»
(le Beau Tteibrevx) ist em dentliehM Zdehen ftr den tSdfrantStitdMa
Ursprang di«66r Thefle dfls Bomaiie.*' Bramifels 8. 178.
') Vgl BMret Cbpt IV. S. 57 ff
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— 341 —
iimdii, und gwar wobl schon in den tot Montalro Tor-
biodineD, flbergegan^en sind. ')
Das bisher Gesagte musz als die Vorgesciiichte des ans vor-
fiegraden Amadis angesehen werden, denn erst mit der Arbeit
MontalTOs beginnt die «gentbche nnd sichere Geschichte dieses
Weltbaches. Der erste uns bekannte Drack des OTsten der vier
Bücher Montalvos, welche man von Anfang an als ein Ganzes
betrachtet hat nnd allen Fortsetinngai mit Recht weit vorzog,
geschah zn Saragosa im Jahre 1508,^) der zweite zn Salamanca
1510, und von da an folgen eine lange üeihe von spanischen
Augahen nnd Fortsetrongen, welche letsteren ansser den Thaten
dis £splandian von anderen Schriflstenem verftsst smd. Anf
mehr als zwölf Bücher^) scheinen es die Spanier nicht ge-
bracht zn haben, welcher Umstand dazu beitrfigt, die Be-
dratnng der firanzösischen Bearhdtnngen in das rechte licht
zu setzen. Alle spanischen Amadisromane sind wohl im XVI.
Jabrhandert erschienen, denn die in unserem Jahrhundert ge-
druckten Ausgaben von 1838, 1848 und 1857 verdanken ge-
lehrtem Interesse ihre Entstehung. Ohgleicb die Amadisbücher
<) Batet fofmaUrt die Reraliate sehier ünteraaehangen auf Seite
97 fblgeademaMMB: . . . mm aUoiia eMayer de meltn ml Inmitoe
Im üfmiuiU piiaoi^aaz qiä entreat daas la eoropoaitioa de TAaiadit
de Qavle. Vifnde da leite fera paraitre qo*il8 se rMaieeat k troii:
1* im Hdt primitif, d*origine bretonni, depnii longtempe et probable-
MBt k jamais perdv; llmitatloii trte-marqti^ du Tristan et aar-
toit da Lancelot; 3« nn ^Ument original qui embrasse roidonnaoce
Ott compoeition g4n^rale, le deTeloppement de la fable, lea eeatimenta
«t toi caract^res. VgL die weiteren Anaeinandenetauigen dieaea Ab*
lebuttes bei Baret.
«) YergL Baret 8. m t
>) YergL Baiet a. a. 0. doeh aveh Oajpaogoa, CMalogo nsoiiado
Mt in ^bUoteea de antoree Eapannolea eet librei de eabaUeriaa eon
aa diaeoito prellndnar yan eaUUege raionado por Don Paacaal de
QaiaBgee.«« Madrid. 1851
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— 342 —
ilircizeit zu den allergelesensten ünterliultungsschriften in
Spaaien müssen gehört haben, sind doch die alten Ausgaben
finszent selten geworden, nnd es ist ftst nnmOglidi, alle so-
sammenzabringen. ') Weit mehr Ikdeutung noch nnd unver-
gleichlich mehr Verbreitung und Beliebtlieit als die spanischen
Originale haben die iianiAsischen UebeisetKnngen, BearbeitongeD
ond Fortsetningen gefunden. Nicolas Herberay des Essarta
hat im Jahre 1540 die ersten acht Bücher des Amadis ins
Französische frei übertragen. Er hat den Ton des Ganzen
fransösirt und modemisirt, d. h. leichter, anmuthiger, phantasti-
scher und üppiger gemacbi Baret, jedenliills der beste Kenner
der Amadisbücher, sagt allerdings (S. 59) von dieser französi-
schen Ueberiragung: „On ne peat dissimuler tout d'abord que
k comparaison des textes (seines und des ?on Montalvo) ne
lui est pas fayorable. Des Essarts, il est vr», retranche ou
abrfege, quelquefois avec goüt, certaines gloses de Montalvo,
^videmment ^trangeres ä Tancien röcit, mais loi-meme gate
souvent et ftlsifie Torigina], taatdt a?ec le p^dantisme de
son sidcle, tantdt ayec la plus bizarre aif<^erie, tant^t arec
une licence d'imagination et de langage tout u fait digne
d*un contemp<H:ain de Brantöme et de Babelais. La con-
▼eoance m'üiteirdit de donner des preuw de ee dermer genre
d'alttotions ; alt^rations d'autant plus graves, qu'elles d^figurent
completement sur ce point le caractere de roriginal espagnol,
dontrauteur,a*ildtoitquelquefoi8oertaiDeBa¥entuxeeioinaDeBqueB
Bibliographisches Material findet sich bei Baret, GftJ&ngOS
nnd A. t. Keller (Eibl, des 21. Vereins XL.) Von älteren Werke«
liefern dergleichen der im ersten Kapitel erwähnte G. de. Pereel im
U. Baude nnd D. Clement in seiner Bibliotheqne curionse. Branct
und Graesse (tresor.) Die Angaben Clements in Betreff der Seltenheit
der Span. Amadif^e in Deutschland s«ind nach F. WoUi Abhandlung
in den Wiener Jahrbüchern 1S32 n berichtigen.
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343
an pen vi?e8, n'est da moms januus, n! par ,,miagiiiatIon, ni
eipffessioii, de oonnivenoe a?ec le fioe. Allein der hier
Ton Baret eingenommene Standtpunkt scheint mir kaum der
lichtige, da er nicht der Ii tei-arhis torische, sondern der morali-
sehe ist Die Sittengefthrlichkeit eines Werkes, welches vor
mehr als dreihnndert Jahren geschrieben worden ist, entzieht
sich vollständig der Beurtheilung in einem wissenschaftlichen
Werke, in weichem es sich darum gar nicht handelt, ob das
beorthdlte Bach in onseran Zdten, in denen es doch nnr Ton
Cklehrten gelesen wird, jemals Sitten gefährden kann, denn
TOQ dem, was seine Landsleute vor 800 Jahren vice, moeurs,
eolivMumoe a. s. w. nannten, wird Herr Baret nicht behanpten
wollen, dasz es dasselbe sei, wovon er spricht Es handelt
sich hier lediglich um den literarisclien Charakter der des
Essartsschen Arbeit, das heiszt mu den Grad, in welchem
das Bach das geistige Leben sdner Sieit ausdrückt und zu-
glddi beeinflnsst nnd in dieser Beziehong steht es ungemein
hoch, und von diesem Standpunkte aus darf wohl behauptet
werden, dasz der französische Amadis ein classisches Buch ist
und alle tortrefflichen Eigenschaften beeitst, welche man von
einem Werke seiner Art and der Zeit, welcher es angehört,
erwarten kann. Ich möchte es in seiner Art und innerhalb
seines Literatorgebietes den Novellen der Marguerite von Yalois
an die Seite stellen, mm Werk», das unverdieater Masm
asdi 80 onbekantt sn sein sciieint, dass es in der englischen
Literaturgeschichte von Shaw und Smith mit den Cent nouvelles
DOUTalles verwechselt wird. So kann es als einigennasaen
^tsehnldhir gelten, daiai sich des Bssarts einer liotion be-
diente, um das Buch, um dessen Gestaltung er sich eines be-
deutenden Verdienstes bewuszt war, als ein französisches er-
Mheinen zn lassen und sa behaupten, er redamiie mit seiner
üebenetsoig gleichsam nur abhanden gekommeoes National-
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— 344 —
eigenthum. Bei einem Franzosen ist es nicht eben wunderbar,
weoB ihn seine nationale Eitelkeit zu etwas dergleichen ?er-
leitet, vind ebenso natOrlich mnsz es erscheinen, dasz er Ins in
dieses Jahrhundert bei seinen Laiidsleuten liie und da Nach-
sprecher gefunden hat. ') Von den Ausgaben der des Essartaschen
Debersetzung nnd den Ueberaetsungen nnd Eortsetaingen an-
derer Franzosen gehören bei weitem die meisten nodi in dss
XVI. Jalirhundert. Doch hat auch das XVIL und XVUI.
das Interesse des franzAsischen Lesepnblicnms an diesem
Werke durch nene Besrbeitnngen an den Tag gelegt, nnd
80 giebt es von dem französisclien Amadis 24 oder, wenn
man will, 25 Bücher. Mehr als 52 französisclie Amadisaus-
gaben und Fortsetzungen sind bis jetzt bekannt Wer sich
Qber ihre Bibliographie unterrichten will und breitspurige
Darstellungen liebt, findet auszer bei dem in dieser Beziehung
immer unvergleichlichen Gräsze das meiste Material in Gordon
de Percels Bibliothdque des Romans und D. Gltoents Biblio-
theque curieuse. Das erste dieser Werke bietet die reich-
haltigste Bibliographie der französischen Amadise und ver-
dient wegen des beabsichtigten und noch mehr wegen des
unbeabsichtigten Humors, den es einem Literarhistoriker
grade bei den trockensten Bestandtlieilen seiner Arbeit zu
bieten vermag, der Beaditung empfohlen zu werden. In
Italien hat der Amadis nicht blos eine 4idur bedeutende Menge
von Uebersetzungen und Bearbeitungen in Prosa, von denen
die letzte in das Jahr 1606 fällt und welche sicher wenigstens
zumTheil auf den spanischen Urtext zurückgehn, sondern auch ein
episches Gedicht, den Amadigi di Francia des Bemardo Tasso,
des Vaters des Torquato Tasso, verursacht Jener Dichter
') Doch eben nur hie und da. Die französischen Gelehrten be-
handeln die Frage -mit einer aaeikeimenswertheu Vomrtheilsfteiheit
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— 345 —
nämlicli hielt sich 1'):).') in Spanien auf und l>rachte ron dort
den für die Zeit des Ariosto sehr passenden Stoff mit in sein
Viterland.
Die Enstenz emes ans dem FranzOeiscben in das Portogie-
sische übertragenen Amadis ist ebenso zweifelhaft wie die einer
portugiesischen Urschrift, wenigstens sind nirgends Spuren
«nes Drucks vorbanden. Von englischen hierher gehörigen
Werken sind zu nennen eine alte Ausgabe in 4® nnd Bwei
neuere, eine niederländische üebersetzung erschien ir)96 zu
Amsterdam, und nach des bekannten spanischen Literarhistorikers
OemeDcin Angabe ist der Amadis ancfa in das Hebr&iBche
übersetzt worden.
Endlich nahm auch Deutschland, und nicht am wenigsten,
an der Bewtmdenmg des vielgeprieseiieii Bomancyclos Antheil
and entwickelte einen Eifer, sich ihn zudringlich m machen,
welcher den Amadishücliein eine sehr ]iorv(»riagendc StdUing
in der Entwickelung dieser Gattung bei uns und somit auch
m nnsorer Betrachtung yerschaifte. Spanier, Franzosen mid
Deutsche bildeten das Hauptpublicnm der Amadlsromane, und
man kann sagen, dasz sie in unserem Vaterlande keine geringere
Bolle gespielt habe als bei jenen beiden Nationen, auch musz
behauptet werden, dass er fttr die Cultur und das geistige
Leben gewisser Kreise der damaligen deutschen Naüon eine
eben solche munumentalo Bedeutung hat wie in Frankreich,
wo er jedenfalls das beseichnendste Literaturerzeugnisz seiner
Gattung und semer Zeit isi Ausdrückliche Zeugnisse Ar
seine Wichtigkeit werden wir am besten unter die über seinen
poetischen Werth in verschiedenen Zeiten und Ländern sich
hören lassenden Stimmen einreihen« Hier sei zunächst nur
auf die sehr grosze Menge ?on deutschen Amadisausgaben
hingewiesen, und zu denen, die uns vorliegen, dürften immer-
hin im Laufe der Zeit bisher noch unbekannte kouunen. Die
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— 346
ODS Torliegenden erstrecken sich auf TieniBdzwaiizig Bflcher
mnd aind mit einer Ausnahme sämmtüdi von den franzOaisdien
Ausgaben abhängig.') Wie die Franzosen, wenigstens Dr.
') ücbcr das Verhältnisz der spanischen Fortsetzungen zn i1t»n
italieniHcheOi französischen und deutschen Büchern, welche sich als
Fortsetzungen der Aniadisbücher geben, ist bisher durchaus nichts
Befriedigendem ermittelt, und es wird dies so lanp^e unmöcjh'ch sein,
bis nicht allein die f^nf ersten Bttcber (die toh llontaWo verfaszten)
sondern ancb die anderen spanischen Aniadise in erreichbaren Ans^
gaben vorliegen worden. Ob von den spanischen Gelehrten das Un-
ternehmen eines alle unifassenden Nendrnekes zu erwarten oder auch
nur ihnen zuzumuthen sei, steht dahin. Jedenfalls ist, wie aus Gayangos
Catalo£r, den franzüsisclien und deutschen Ausgaben sich ergiebt, die
Vertheiliing de> Slcffes in den spaniscljen Fortsetzungen und «leuen in
französischer, deutsch«'r nnd italienisi lit r Spraclie vorscliieden und zwar
in der Art, dasz in dfii letzten-n dor StdfT auf mehr Bücher vertheilt
ist als in jenen. Dasz die deutsclie Ausgabe von 1583 die drei-
zehn in spanisi'lier Sprache erschienenen Bücher enthalte wie man
öfter anj^.'^'clM'ii tin iet . ist falsch (vgl. auch S. 341 dieses Buohi s)
denn das VI. d. r sjtanisilien Bücher, der Florisando, fehlt in der
frauzüsischen Uebtrsetzung (vergl. Gräsze. Literärgeschichte II.. 3,
1, S. 40S ff.) und di.ni;:oniäsz auch in der deut.schen. Weitere Beden-
ken tlnile ich hier niclit mit, da die oben angedeutete Unvollständig«
keit des vorliegenden Materials eine befriedigende Lösung nicht ru-
lisst. Ucber den Stoff der Fortsetzangen finden sich Nachweisnngen
bei Dnnlop-Liebrecht and bei Valentin Schmidt in dsn Wiener JnJa«-
büehera Bd. XXXIII. Von einer Bieht am framSaiflcher, sondon
italienischer Qnelle geflossenen dentsehen Ausgabe, welche bisher gaos
nnbekannt gewesen sn sein scheint, (vergl. OrSsie» Idterirgeach. II,
3, 1. 8. 417 ftX findet sieh ein Eiempter in der KtaigUehen nai
UniTersitäts-Bibllotiiek zn Breslan, dessen Titel lautet:
Dens Tierdten Bheha Der Hystorien vom Amadis ausz
Frankreich ander Theyl. Li welchem der erschreckliche Kri^ /
welchen die Heydensebafft/nach dem Einig Lisznart vM^Iom/
wider die Christenheit fibrgenommen vnnd getthrt hat/andi
in was gefthrligkeiten der Amadis vnd sein Brüder Qalaor
gewes«i / wie sie darausz erlediget / vnd endlich durch jre Bitter-
liche thaten / disen gransaraen Ejrieg in glAddichem end ge-
bracht haben/auf &b aller fleissigiäi heschiiben wild. Alto
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347 —
des Essarts, das spanische Buch mit groszem Geschick und
Glficfc firanztairt haben, so haben die dentsehen Bearbeiter
das fomzOsische allerdings mit etwas weniger von beiden
Ehrliebenden vom Adel / züchtigen Frawen vnd Junckfrawen/
sehr dienstlich vnd kiiiizweilig zu lesen. Newlich ausz der
Spannischen Sj^racb / inn das Italianisch verdolmetscht / vnd
volgends in (las Teutscli gebracht. Diu cli : A. F. V. L. Mit
B^m. Kay. May. Ereyheit / nit nach zu drucken. M..D. LXXVIIL
In der toh „Georgins WiUer von Aogsporg, Buchhändler" untere
MiduMteo Bedication vom 24. April 1577 an den PfUzgrafen Albrecht
bej Bhem etc. findet sich folgende Stelle:
„So hab ich mich vnderstanden / solche verteütschte Bächer
desz auszstendigen anhangs etlicher voriger Bieber vons Amadis
ausz Franckreich / vnd seiner Gesipschafft / Ritterlichen ge-
waltigen tbaten / vndertbenigist zu dedideren / vnd zuzuschrei-
ben ... . Vnd damit E. F. G., oder wer solche Bucher list /
ein genedige erfabrung haben migen / wolier vnd waruon dech
solche nacMolgende imnd zuuTor nie gedruckte B^icbor kommen
thun / weyl zuuor schon dreyzcbene in Teütcber Spi^ach ge-
druckt worden / so sollen E. F. G. gneJiglieli verneinen / das
ob wol schon droyzcbfnc in Teütsch / dannoclit in Spanischer
Sprach 24. vnd Italienischer *20. gefunden wt'iden / so nicht
besondere new erfundene Bucber/ sondern weyl etliclie/ wie
dann das vierdte Buch von Amadis ausz Franckreich / gleich-
samb abgekürzt vnd beschnitten worden ■ dero anhang gar in
Frantzösiscber vnd Teütscher Si>rarli vt i-scliwigen werden / so
kanman solche anders nielitals ebenanhenge nennen / so gleiclisam
ein Zusatz / was in den andein abgebet / erstatten vnd erfüllen."
Das Buch nn)f;is-/.t 583 Seiten 8^. ohno diis Kegister.
Von <len obigen Angaljcn ist sicher richtig, dasz die französi.sclie
Uebersetznng, und surait aucli die deutsche das vierte Buch ah-
kürzen (beide haben 38, die Urschrift 52 Kai)itel.) Das vorlie-
gende Bucli ist aber keineswegs eine ausführlichen Bearbeitung
des Stolle.- des IV. Buches, sondi rn fängt da an, wu König Lisuart
weggeführt wird, also wo das IV, Buch im Spanischen und Französi-
schen schlieszt. Auch mit dem Esplaudian stimmt es nicht übercin,
und da ein spanisches Buch, welches ihm entspriiche. nicht vorlianden
zu sein scheint, so dürfte seine Urschrift wohl ein italienisches Origi-
nalwerk sein. Der Inhalt beschäftigt sich mit m uenlntriguen des Arealaus,
Abenteuern den Amadia und anderer neuer Personen und füllt 150 Kapitel.
88*
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yerdetttscht, sie sdindden etwas weniges Y<m dem Schlüpfri-
gen wog und haben mehr Neignng znm Moralisiren nnd Be-
flectiren. Einige Büc lior, wie das erste und vierte, sind sogar
protestanüsirt, allerdings nur ganz äusserlich und ungesdücki,
so dasz eine komische Wirkung entstdit, wenn die frommen
Helden vor ihren Unternehmungen an Stelle der Messe schnell
die Predigt hören. Die Namen der schon durch das ehen
Erwähnte als yerschieden sich darstellenden dentsehen Be-
arbeiter sind, ansgenommen Tielleidit das sechste Bach, nnbe»
kannt, wie auch das genauere Verhältnisz der einzelnen über-
setzten Bücher zu ihren französischen Vorlagen noch nicht im
Einzelnen festgestellt ist.
Die erste Ausgabe erschien zu Frankfurt am Main bei
Sigmund Feyerabend im Jahre 1 560. die Jahreszahl des Titels
giebt durch einen Druckfehler 1561. Hierauf folgte eine lange
Beihe Ton Ausgaben bis in das XVII. Jahrhundert, und glddi-
sam den Beschlusz aller Fortsetzungen macht die Schatzkammer
schöner zierlicher Orationen, Sendbriefen, desprächen, Vortift-
gen, Vermahnungen und dergleichen aus den viernndswamdg
Büchern des Amadis von Frankreich zusammengezogen, welche
zuerst 1597 erschien und dem ähnlich ist, was wir jetzt ein
Gomplimentirbuch nennen.
•) Wenn auch die vollständige Reihe der 24 deutschen AmaJi»-
bOcher bekannt nnd zugänglich ist, so befindet sich die Bibliographie
die^ccr Bücher doch noch nicht auf einem Standpunkte, welcher ihre
Besoltate hier verwendbar machon würde, da eine ganze Anzahl der
von A. V. Keller (Bd. XL. der Bibl. des Stuttg. Litt. Vereins, Stutt-
gart 1857) angeführten Ausgaben auf frühere bisher noch unbekannte
nr&ckweisty also die hier nnr mögliche blosze Aufzählung kein auch
nur annKherndes Bild der Verbreitung des Buches geben würde. Aoi
diesem Grunde begnügo ich mich aneb hinsichtlich der deutscbeo
Amadise. nnr auf v. Kellers Angaben zu verweisen. Was ich dieMB
Angaben binzuznftgen habe, findet sieb im Folgenden.
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— 849 —
Die berühmteste and durch ihre Aasstattmig die Beliebt-
iMit der Bflcher am besten Qlnstrirende Aasgabe ist die, welche
1583 in Folio bei Feyerabend erschien. In Betreff derselben
aei bemerkt, dasz sie in den mir vorliegenden zwei Exempla-
len der Breslaoer Stadtbibliothek einen Band mit zwei Theilen
bildet, in diesen dr^ehn Bficher enthftlt nnd anch nicht mehr
enthalten konnte, wi-il sie eine Sammlung aller bis dahin er-
schienenen Uebersetzungen war, und 1583 es nur die dreizehn
ersten BOcher in deutscher Uebersestung gab, alle übrigen
sind, soviel wir jetzt wissen, erst spftter herausgekommen.
Beachtenswerth ist die in der Vorrede gegebene Notiz des
Bachhändlers über den rapiden Absatz seines Yerlagsbestandes.
Wenn in derselben Vorrede die sonst nirgend zu findende
Nachricht auftaucht, dasz der Amadis auch ins Griechische
übersetzt sei, so liegt auf der Hand, dasz sie mit groszer Vor-
sicht an^nnehmen istO
Der Binfluss, welchen die Amadisromane auf die Ent-
<) „Dieser Art ist non auch das gegenwertige Werck vom Amadis
ansz Franckreich / welches ein Sinnreicher vnd bochventäudiger erst-
nals in Frantzösi^^cher Sprach beschrieben / so denn nacbgehendts in
viel andere Sprachen / als Italiänische / Hispanische / Engelländiaehe /
Griechische / vnd cndtlich in vnserc Teutsche Sprach / wegen jres
sonderbaren Nutzen vnd lustiger kurtzweil / transferiert worden." Weiter
onten heiszt es: „So denn/ wie vermeldt / solche grosse Nutzbarkeit
darcli verstand vnd vberlcsung solcher herrlichen edlen Bücher erschöpfft
mag werden/ Als hab ich verrückter zeit dieselbe stückweisz /
nicht mit geringen Kosten/ mchrcrtheils vertiren/ vnd vermittelst
drucks öftentlich ausgehen lassen / Welche auch Jermassen ange-
nommen/auffgekautft/ vnd gelesen worden / dasz alle derselben Exemplaria
in kurtz abgangen / verkantet worden / vnd in grosse naehfrag gerahten.
Dero wegen denn ich von verständigen Leuten / solche Bücher von
Araadis / so viel deren in vnsere Teutsche Sprach vertiert worden / in
goter richtigtjr Ordnung in ein Werck zusammen zu richten / vnd widcr-
urob auszgehen zu lassen / bittlich angclanget worden bin / Vnd wegen
dess erschies/lichen fruchtbarlichcu Nutzens derselben bitt/so ich
Tor ziemlich erachtet / wülfahreu vnd im Werk nachsetzen wollen. —
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— 350 —
Wickelung unserer Gattung auch in Deutschland gehabt haben
und ihre Wichtigkeit als cnltaiv und sittengeechiditliches
Doonment, machen es nOthig. dasz wir uns Uber ihren poeti-
schen Worth und ihre literarhistorische Bedeutung sowie
namentlich über den Eindruck, welchen sie auf ihre Zeit
hervorbrachten, so klar als möglich werden. Hierzu genügt
es nicht , blos die in Deutscliland lautwerdendfn Stimmen zu
hören, sondern wir müssen auch die Urthcile, welche in auszer-
deutschen Kreisen Ton Lesern und Gelehrten gefUlt worden
smd, heranziehen, wenn wir anders das Buch, welches ein-
mal Weltbuch war, von allen Seiten im rechten Lichte er-
blicken wollen. Es wird sich sehr bald zeigen^ wie unerl&a^
Ueh eine solche Vernehmung von nahestehenden Sach?e^
ständigen einem Werke gegenüber ist, welches, aus einer von
der unsrigen sehr verschiedenen Zeit hervorgegangen, uns nach
der Mehrzahl seiner charakteristischen EigentbOmlichkeiten
fremd gegenübersteht. Wir sind in der glückHchen Lage,
hier Namen von yuteiu Klange unter denen zu linden, die
sich über den Amadis ausgesprochen, nicht ebenso gut wird
der Einklang der zu vernehmenden Vota ausfeilen.
Der Vortritt gebührt dem, der l)is heut in der gesamiu»
ten Weltliteratur als der erste aui dem Gebiete der Prosa-
dichtnng dasteht, Miguel Cervantes. Jene berühmte literarhistori-
sche Stelle im sechsten Kapitel des ersten Buches des üon
Quixote, welche mit liecht der Gegenstand besonderer gelehrter
Schriften geworden ist, enthält auch em Urtheil über unseren
Amadis, und zwar ein verschiedenes über verschiedene Theile
des Gesam Ulis Werkes.
Der Pfarrer also und der Barbier, Meister Nicolas, halten Ge-
richt über des sinnreichen Edlen von der Mancha Bibliothek,
welche aus l\itterbüchern bestand. ,,I)as erste Buch, welches
ihm (dem Piarrer) Meister Nicolas i*eichte, waren die vier
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— 851 —
Bttcher dee Amadn Ton GaoUi. Der Pflirrer sagte: Hierin
scheint mir das Geheiinnisz zu liegen , denn so wie man mir
gesagt hat, war das Buch das erste von den Kitterschafts-
eidieii (de caballerias), das in Spanien gedruckt wnrde» nnd
daa aUe flbrigen ihm ihren Ursprung nnd ihr Entstehen m danken
haben, darum musz man es auch als den Stifter einer so verderb-
lichen Secte ansehen und ohne Qnade zum Feuer verdammen!
Nein, mein Herr» sagte der Barbier, denn man hat mhr
anch gesagt, dasz dies Buch das beste von allen in dieser
Gattung sei, und darum könnte man ihm wohl als dem ein-
seiner Gilde veigeben.
Das ist wahr, sagte der Pfarrer, und aus diesem Qmnde
sei ihm das Leben für jetzt geschenkt. Wir wollen das an-
dere sehen, das daneben steht.
Diesee, sagte der Barbier, heiszt die Groezthaten des
Esphindian, rechtmässigen Sohnes des Amadis*?on Gaula.
Nun wahrlich, sagte der Pfarrer, die Tugend des Vaters
darf dem Sohne nicht zu Gute kommen. Nehmt, Frau Haus-
b<eiin, macht das Fenster auf nnd schmeiszt ihn auf den
Ho^ er soll die Grundlage des Scheiterhaufens sein.
Die Haushälterin that dies mit Freuden, und der wackere
fisplandian Üog in den Hof hinunter, wo er das Feuer, das
ihm drohte, mit grosser Geduld erwartete.
Weiter! sagte der Pfarrer. — Der nun kommt, sagte der
Barbier, ist Amadis von Grecia, und iille auf dieser lieihe
sind, wie ich gUube, Ton derselben Familie des Amadis.
So können sie alle in den Hof reisen, sagte der Pfiurrer,
denn um nur die Königin Pintiquiniestra verbrennen zu kön-
nen, und den Schäfer Darinel saromt seinen Ek logen, mit
den verteufelten nnd vejruchten Beden des Verfassers, wurd*
ich meinen leiblichen Yater zum Verbrennen hergeben, wenn
er sich in Gestalt eines irrenden Bitters ertappen lieszo. *
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— 35-2 —
Der Meinung bin auch ich, sagte der Barbier. — Ich
ebenfalls, rief die Nichte — Wenn 69 so ist, sagte die Haus-
hälterin, wohl, mit allen in den Hof hinunter! Sie gaben sie
ihr — und es waren ihrer viele — und da ihr die Treppe
zu umständlich schien, so warf sie sie alle aus dem Fenster
in den Hof hinab.
Soweit Cerrantes, denn die Bfleher nnd Helden, ▼on denen
zuniichst weitcrliin die Rede ist, gehören dem Amadiskreise,
wie er sich. in der weiter oben erklärten Weise gebildet hat,
nicht an, wenn sie auch zum grtaten Theil zu derselben
Dichtungsgattung zu zählen sind.
Nun noch einige Bemerkungen zum Verständnisz der an-
geführten Stelle.
Genrantes macht, das ist die Hauptsache, emen bedeu-
tenden Unterschied zwischen den ersten vier Büchern, also
dem Grundstöcke der Amadisbüclier, und den lulgenden, von
denen namentlich der Esplandian, also das fänfte Buch sehr
abstechen soll Dieses f&nfte Buch ist aber eben das, welches,
wie schon gesagt, Montalvo seiner Bearbeitung des alten Amadis
hinzufugte mit der albernen Fiction, es aus einem giiecliischen
Originale gezogen zu haben. Wie er gerade auf das Griechische
verfallen ist, geht aus dem Inhalt hervor, der sidi um die
Kämpfe des Kaisers in Constantinopel mit den Heiden dreht.
Da aber seine Nachahmung und Fortsetzung selbst gegen seine
dgene Bearbeitung des älteren uns leider verlorenen Werkes
so sehr absticht, dflrfen wir beiläufig den Schlusz ziehen, dasz
er an der ihm vorliegenden liedaction nicht allzuviel geändert
haben wird, ein Schlusz, der sich recht gut mit seinen eigenen
Worten in der Vorrede reimt'), und der bei einem Versuche^
*) . . . corrigiendo estos tres libros de Amadis qae por ialta de
los malos escritores 6 eompooedores may comptos y Tieiosos se leaa.
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— 353 —
daa Urspröogliche von dem Hinzugekommenen zu scheiden,
Beachtnng yerdienen wfirde. Doch da wir jetzt nicht nur
bei der Geschichte der ästhetischen und moralischen Würdi-
gung des Buches stehen, sondern auch die Entstehungskiitik
des spanischen Budiee schon, soweit sie neben der in einer
Oeschichte des Romans in Deutschland viel wichtigeren Frage
nach der Beschaffenheit des fertigen und bei unseren Vorfahren
beliebten Werkes im Allgemeinen ihren Platz .finden konnte,
abgeihan ist, werden wir den Iftngst ruhenden Don Oarda
Ordöüez de Montalvo mit einem Lanzenstechen nacli den
Toumierregeln der neueren Philologie unbehelligt lassen, sonst
dftrfte er wohl gar den gehörnten SiegMed zu Hülfe rufen,
der sicherlich des fünften Gapitels wegen nicht sondeilich gut
auf uns zu sprechen sein mag.
Eine Erklärung verdient auch die Stelle, wo Cervantes
jenes berufene Dictum Philipps n. umbildet , wodurch dieser
König genügend vorgebeugt hat, dasz er nicht zu dem Theile
des skrophulösen Gesindels gerechnet werde, welches an ver-
schwommener und sentimentaler Humanität gegen Andersden-
kende leidet. Die Königin Pmtiquiniestra nämlich, welche die
Galle des groszen Dichters so sehr erregt, dasz er sich im
dgentlichsten Sinne als feurigen Spanier zeigt, ist eine Persön-
lichkeit, die im sechsten Buche <) auftaucht und Perion, den
Sohn Galaors, den Neffen des alten Amadis vun Gaula, heirathet.
Der Schäfer Darinel kommt später vor und verliebt sich in
Süria, Lisuarts von Griechenhind und Onolorias von Trapezunt
Tochter, welche aus Pietät gegen die Familientradition von
ihren Eltern vor der Einsegnung ihrer Ehe erzeugt und in
der Verborgenheit erzogen wird« Sie erzeigt ihm, nur mit
1) Nach der Z&hlang der Bächer in der fhuisSsischen tind deut-
schen Bearbeitnog.
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— 354 —
weit gröszerer Hartnäckigkeit, eine Behandlung wie die, durch
welche Oriana den Amadis fxm Dunkelhübsch machte, was
ihn zu dem Entschlnsse hruigt, auf dem Gipfel des hitchsten
Berges im babyloni-^chon Koielio den Tod zu erwarten und die
rührendsten wie ausführlichsten Klagen auszustoszen. Seine
Fignr verdient insofern einiges Interesse, als mit ihm das
damals sehr beliebte pastoral-sentimentale Moment in die
Aniadisromane eingefüliit wird, sie mdi^, auch, soweit ich es
l)eurtheilen kann, nicht viel alberner sein als die scliaferlichen
Helden in den gleichzeitigen und wenig später folgenden Pastoral-
romanen, denen die Möglichkeit, einen Charakter an sich auf-
zuweisen und in greifbaren Situationen sicli überhaupt nach
menschlicher Analogie zu bewegen, gleichsam a priori durch
das Wesen dieser Dichtungsgattong sdilechtweg abgeschnit-
ten ist.
Doch uberlassen wir den Schäfer Darinel und die Königin
Pintiqomiestra nebst ihrer ganzen Yerwandschaft dem gmch-
ten Zorne des Cervantes. Es mag nun ein anderer Kritiker
als Zeuge ITir den Aniadis auftreten, ein Kritiker, der auch
zugleich ein bedeutender epischer Dichter ist, und wenigstens
von seiner Nation zu den grOszten Dichtem der Welt gesfthlt
wtfd, nftmlich Torquato Tasso. In der Vertheidigangsschrift
seines berühnitosten AVerkes, Genisalemrae libeiatii ') gegenüber
den Accademici della Crusca sagt Tasso, indem er zugleich
von der Bearbeitung seines Vaters berichtet: „Sappiate dnnque
ch' essende mio padre nella corte di Spagna per servixio del
Principe di Salerno suo padrone, fu persuaso dai principuli
di quella corte a ridurre in poema Tistoria favoiosa deir
Amadigi, la quäle per giudizio di molti, e mio partioolannente
h la piik bella, che si legga fra quelle di questo genere, e forse
<) In der Ausgabe Pisa Bd. X, S. 7.
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— 355 —
la giovevele, perohd nell* a£fetio, e nel oostome in lasoia
addietro tntte Vattre, e nella variet^ degli aoddenti non
Code ad alcuna, che da poi, o prima sia 3tat<i scritta.**
An einer Stelle seiner Discorsi del poema eroico >) be-
trachtet Tasso mehr die moralische Seite des Amadis, welche
er oben nnr kurz mit dem Ansdnicke giovevole berflhrt,
wodurch diese zweite Stelle noch interessanter wird. Er li^eht
aus 7on der Platonischen Trichotomie der menschlichen Seele
(voflic; imdufiia) die er dnrch .die Ansdracke ragione,
uppetito irascibile und appetito ooncupiscibile wiedergiebt.
Mit Kücksicht auf den verschiedenen Rang der drei seelischen
Elemente sagt er dann: Dnnque deir ira piuttosto, che dell'
amore dee prendere soggetto il poeta eroico: e ci6 peraTven-
tiira sarebbe vero se gli eroi fossero tutti, e sempre soggetti
alle pasäioni: ma se ramore e non solo una passione, e un
morimento dell' appetito sensitiTO, ma nn abito nobilissimo
delhi Tolont^ come yoUe San Tomaso, Tamore sarik piü lodevole
negli eroi, e per conseguente, nel poeina eroico: ma gli an-
tichi 0 üOD conobbero questo amore, o non vollero descriverlo
negli eroL Ma se non onorarono Famore come virtä nmana,
Tadorarono qnas! divina, per6 ninna altra dovevano slamar
piü conveniente agli eroi; laonde azioni eroicho ci potranno
parer oltre Taltre quelle, che son &tte per amore.
Ma i poeti moderni se non vogliono desmvere la divimtä
deir amore in quelli. che espongono la vita per Cristo, possono
ancora nel lorraarvi un Cavaliere, descriverci l'amore come un
abita constante della yolontä e cosi gli hanno formati, oltre
tntti gli altri, qnelli scrittori Spagnnoli, i quali favoleggiarono
nella loro lingua materna sonza ohbligo alciino di rime, e con
81 poca ambizione, che appena e passato alia posteritä nostra
*) Bd. Xn, 8. 54 it der erw&hnten Ausgabe.
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— 356 —
ü nome d'aiciino. Ma qaalnnqae fosse colui, che ci descriase
Amadigi amante d^Oriana, merita maggior lode, che aldmo
degli scrittori Franoesi, e non traggo de questo nnmero Ar-
naldo Daniello, il quäle scriääe di Lancilotto, quantuDque
dioesse Dante:
Veni d^amofe, e proee di romanzi
SoverehiÖ tntti, e lascia dir gli stolti,
Che quel di Lemosi credon ch'avanzi.
Ma s'egli avesse letio Amadigi di Qaala o qael di Gre»
da, 0 Primaleoiie, peraTventara aviehbe matata opinioiie;
perch^ piü nobilmente, e con maggior constanza sono descritti
gU amori da' poeti Spagnuoli, che da' Francesi, se pur oon
merita d'esser tratto da questo nnmero Girone ü Cortese, il
qnale castiga cofil gravemeoto la saa amoroea inoontinemn
aUa tbntana. Ma senza iallo e maggior lode avero in guisa
disposto l'animo, che alcuno iiifetto non possa prender lärme
contra la ragione; laonde pia perfetta sarebbe stata l*amicizia
di Girone con Danaino 8*ella non fosse stata pertoiiMtta dall*
Soweit Torquato Tasso. £s ist hier niclit der Ort, die
Schwftdien seiner Kritik ans den Gmnda&tsen seiner gan-
zen Theorie im Bmzelnen abznleiteD. Dabei mflszte auf die
nicht grade einfache Theorie, welche er seinen poetischen
Schöpfungen zur Seite zu stellen fiür gut befunden hat, ge*
naner eingegangen werden, wobei sich dann allerdings noob
deutlicher, als man es so schon aus seinen Betrachtungen
herausfühlt, ergeben würde, wie einem gelehrten Poeten, der
in der Weise der Benaissanoe mit reactionftrem Anfluge
reflecthi, viel gröszere Naivitäten passhren können, als einem
ungelchrten mittf'laltorlichen Volks- oder höfischen Dichter,
der zu seinem und seiner Erzeugnisse Gluck nicht erst in
GeÜEÜir kam, seine, Piatos nnd des heiligen Thomas Eat^rien
amore.
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— 367
auf dia Alten saus fiicon anzowenden und den A£Pecien den
Mund zu verbieten. Wir haben übrigens schon innerhalb der
deutschen Unterhaitungsliterator des XV. und XVI« Jalirhunderts
die Einwirkangen des italienischen Hnmanismi» nnd dadurch
den Chainlrter eines ^ten Theües dieser frfthesten Benaissance-
literatur soweit kennen gelernt, dasz ein jeder hieraus schon,
auch ohne Kenntnisz Ariostos, Pulcis und Fortiguerras ganz
tu gesefaweigen, den Eintritt einer Beaction nnd das Suchen
nach mehr Würde und Ehrbarkeit nicht anders als natürlich
finden wird. Von dieser Strömung war beieits Bemardo Tassos
Amadigi beeinflnszt« nnd es machte sich Ton selber, dasz sein
grOszerer Sohn von seinem Gesichtspnnkte aus grade auf den
Araadis verfiel und in der Liebe der beiden Hauptpersonen
ein anschauliches Beispiel zu der Lehre von der Liebe als
Tugend und als smnlicher Leidenschaft fand, wenn er auch
dabei die Sache nicht unerlielilich verdrehte. Aber interessant
ist das, was Tiisso vorbringt, dennoch und werth, dasz wir
bei etlichen Punkten noch einen Augenblick stehen bleiben.
Was nSmlich Tasso, wenn man allen gespreizten Wust weg-
liszt, ttgentlich sagen will, ist eine feine und richtige Be-
meikmig. Es ist, meint er, das oder ein Hauptverdienst jener
spanischen SchriftsteBer, dasz sie die GescUechtsBebe erstens
als einen dauernden, also der Entwickelung fähigen, Zustand
and zweitens als eine heldenmäszige Eigenschaft aufzufassen
and danostellen wnszten. Kam dies emerseits dem epischen
Gh8nd[ter ihrer Dichtungen in ästhetischer Beziehung trefflich
zu statten, so wurde andererseits dadurch eine Veredelung des
Beiden und demgemAsz der ganzen Dichtung in moralischer
Besiehui^ erreicht — ün Vergleich namentlich mit den
französischen Schrirtstellern, worunter Tasso die Verfasser ver-
siticirter Epen, namentlich aus dem Artuskreise, wie auch ohne
Zweifel die FaUiaux- und Contesdiehter versteht DafBr, dasz
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— 358 —
dieses ürtheil etwas schiel ist, kann Taüso nicht verantwort-
lich gemacht werden, denn er war nicht im Stande, diese
Idteratnr auch nor emigermaszen zn ttberblicken, andi zeigt
er durch die Erwähnung des Girone, dasz sein Blick für ab-
weichende Fälle geschärft genug war. Leider mischt er aber
fortwährend den ästhetischen mid den moralischen Standpunkt
untereinander, nnd so gelangt er nicht dazu, söne Bemerkungen
klar und nutzbar zu machen.
Gerrautes hat sein günstiges ürtheil über die vier ersten
Bftcher dee Amadis nicht begründet, sem ganzer Don Quixote
ist ja mne Eriiak der Amadisromane und fthnlicher. Jeden-
falls aber würde er es anders motivirt haben als Tasso, und
es ist sehr schade, dasz sich grade Cerrantes über seine
positiTen Qrflnde fflr den Stamm-Amadis in so tiefiBS Schwei-
gen hfOlt, dasz uns nicht möglich ist, sie irgendwie zu be-
stimmen. Wir dürfen aber d^halb annehmen, dasz er anders
als Tasso argumentirt haben würde, weil eben jenes Motiv von
der bestftndigen und edlen Liebe, welehes schon in den ersten
vier Büchern mit so viel Bewusztsein durchgeffthrt ist, dasz
ihr als Gegensatz eine unbeständige und rein sinnhche gegen-
übergestellt wird, andi in den andern Büchern, die Cerrantes
auf das SdiSr&te tadelt, ebenso auftritt Schon da Oervantes
einen Theil lobt und den anderen verurtheilt, Tasso beide
Theiie lobt, so kann das Lob, in welchem sie in Bezui: auf
den einen Theil zusammentreffen, unmöglich dieselben Gründe
haben, üm aber jeden Zweifel an meiner Vermuthung zu
heben, erinnere ich daran, dasz Tasso grade dasjenige Buch
des Amadis lobt, welches Cervantes am entschiedensten für
schlecht erklärt, denn Tasso erwähnt mit dem Stamm-Amadis
zusammen den Amadis von Grecia, indem er sagt, wenn Dante
den Amadis von Gaula oder den von Grecia oder den Primaleon
gelesen hätte, so würde er anders geurtheilt haben. Amadis
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TOS Grecia spielt o&nüich eine wichtige, ja die Haaptrolle
eben da, wo die Kl^nigin Fintiqaimestra und Darinel Yor-
loinmen, war also das Hauptobject des Antodaf(\ der am
schwersten Compiumittirte. Und was den Priiiiuiecn betrifl't,
den Tasso auch nemit, so kommt dieser zwar in des Cervantes
kritisoliem Yendehnisz niclit vor, aber er gehOrt sa der ge-
nealogischen Klasse der Palnierin-Romane, und von diesen
fuhrt Cervantes zwei, den Phitir und den Palmerin von Oliva,
der genealogischen BucksichteD zufolge an erster Stelle wäre
ra nennen gewesen, mit dem herbsten Tadel an, nnd es ist
kein Grund vorhanden, anzunehmen, dusz di r Prinialeon besser sei
als seine Verwandten. Doeli ist dies in der That zu unwesent-
lich, nm mehr Worte darüber zn verlieren. Das ist jedenialls als
aieber anzunehmen, dasz in des Cervantes kritischen Reflexionen
die stetige Liebe und die bessere Moialitut') keine liedcutende
Holle gespielt haben werden. Hören können wir aber aller-
dings, was Cervantes an einem Romane, wenn auch nicht
grade am Amadis, fftr lobenswerth hieli Er begnadigt
nämlich unter den Ritterbüehern überhaupt nur zwei, d. Ji.
aoszer den vier ersten Büchern des Amadis nur den Palmeriu
von England, der mit dem von Oliva nicht verwechselt werden
darf and den er mit folgenden Worten bespricht: „Esa pabna
de Ingaluterra se guarde, y se conserve como & cosa ünica,
y se haga para alla otra caxa, como la qoe hallö Alexandre
€D los despcjoB de Dario^ qne b diputd para goardar en eUa
las obras del Poeta Homero. Este libro, senor compadre,
tiene autoridad por dos cosas: la una, j^orque 61 por si es
muy baeno, y la otra, porqne es Huna qne le oompnao nn
diseieto Rey de Portugal. Todas bis aventuras del castiUo
de Miraguarda son bonisimas, y de grande ariificio, las razones
9 Vergl« auch, was er in demielben Kapittl ttW Aiiaato sagt.
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— 360 —
cortesanas y ciaras, que guardan v mii*an el decoro del que
habla, con macha propiedad y eutendimiento. Digo pues,
salva ▼oesia:o baen parecer, sonor Maase Nioolas, que este
y Amadis de Gaiila queden libres del fuego, y todoa los
demas, sin liacer mas cala y cata, perescan.**
Wenn sich hier, wie wir sehen, Cervantes rein auf den
ästhetischen Standpunkt stellt, den er ohne Zweifel auch bei
der Beurtheilung des Amadis entweder allein oder doch Yom
moralischen getrennt würde geltend gemacht haben, wenn da-
gegen Tasse den ästhetischen und moralischen Standpunkt
nicht gehörig auseinandemihalten weiss, so nimmt der dritte,
der hier zu Worte kommen mag, den Amadis eigentlich nur
in Hinsicht auf seinen moi*alischen , bezüglich unmoralischen,
Gehalt zum Gegenstände einer Besprechung. Allerdings ist
das Buch, dem diese Besprechung vorausgeschickt wird, nur
das sechste — eben jenes, wo die Königin Pintiquiniestra
auftritt — dafür aber ist der Beurtheiler kein Geringerer als
Johann Fischart und seine Worte beziehen sich auf den ganzen
Amadis. Vielleicht ist das ganze Buch von Fischart selbst
übei-setzt, ein Vielleicht, das nicht zum Gewisz erhoben zu
haben, mir und anderen jeder, der einigermaszen die unge-
meine Schwierigkeit aller Untersuchungen Aber Fischart zn
benrtheilen weisz, verzeihen wird. Aber sicher ist Fischart' der
Verfasser der dem sechsten Buche, Ausgabe von 1572, vorauf-
gehenden poetischen Vorbereitung in d^ Amadis. In diesem Ge-
dicht sagt Fischart, — zur voUstftndigen Mittheilung ist es
zu lang — EOnig Mithridates habe sich in seiner Jugend
durcli Gebrauch eines Krautes Namens Giltwend die Ver-
dauungswerkzeuge derartig gegen Vergiftung abgehärtet, dass,
als er, durch die 'Börner bezwungen^ m die Lage gekommen
sei, seinem Leben durch Gift ein Ende zu machen, nichts an
ihm habe verfangen wollen.
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— 361 —
„Also soll es auch hie gescliehen
In diesem Buch / darinnen jhr sehen /
Wie in Cumedij vnd im spiel
Beide guttes vnd aiicli hoses viel/
Das jhr euch machet vorgerüst
Mit guttem welchs das b6s verdrüst
, Vnd habt mit reinem kraut der Tugend
Vor ewer hertz erweicht von Jugend /
Vnd seyt bereyt mit Göttlich h'hren /
Darmit jhr m6cht dem b^sen wehren
Wa jr denn also seyt versehen /
Word ench von giftt kein schad geschehen/
Vnd wnrd den Bdnen alles rein
Ynd mag ench alles nutKÜdi s^/
Also wer in dem Büchlein bie
Nicht weisz was er ihn / was er flieh /
Weisz nicht das Thngend h^szt vom thun
Vnd laster von dem lassen nun/
Vnd hat nicht so viel witz bey jm /
Das er wisz was be}Ti öi>freln schwimm/
Vnd halten kan ein vnderscheid /
Zwischen der Zucht vnd vppigkeit
Derselb des Büchleins sich entheb/
Das jm selbst nicht mit vergeh/
Vnd volg das nicht zu volgen ist:
Die weil liierinnen seind vermischt/
Beide gutte und auch böse Leut.
Jen das man leid /die das man meid.
Deszgleichen welchem nicht geialt
Dieweil es fabeln in sich halt/
Der gibt sein vnverstand an tag /
Das er nicht giosses wissens trag
Vmb der Poeten jlire kunst
Die aller weiszheyt ist ein gespunst/
Wie fein sie vnder den Parabeln /
Vnd kunst gedicliten jhren fabeln /
Die schönsten lehren süsz verdecken . . . .
84
3G2 —
Dan wer den Namen Aniadis
Bedencket redit / der tindt jrewi^z /
Das er zu Teut^ch heiszt G(»ttes \'uA\ /
Darunib besteht or sfisz vnd trüh:
Gleicliwol laszt jhn Gott nielit erliegen/
Sonder nnisz allentliall) obsiegen /
Ja sein gfselilcelit genieszts auch darniit / ^
Dan Gott tliut wohl ins driito glied/
Darneben ward anch drin bedeit
Das Aiiipt der Rechten Obrigkeit/
Wie sie Iii«? solb^n Ringen / kanipffen /
Bisz sie die argen hüben diuuidlVn /
Sollen den Riesen / Rauber / Dieb /
Sein Hercules von Gottes lieb /
Dem bluthund Tvrann vnd dem Wiitrich
S'in kurl/.unib von Bern König Dietrich/
Sollen die Tnrcken / Tartern/ Heiden
Niclit zu nah hissen an sicli weiden.
Nun solche vnd dergleichen leinen
Kann man in dem Buch sehr viel hören
Es ist gewiss kein gering m achtender Beweis von der
Bedeutung unseres Amadis, dasz drei solche Männer wie Cer-
vantes, Tasso und Fischart sich über ihn auszuspreclien Ge-
legenheit genommen haben. Auch hieraus gewinnen wir den
Eindruck, dasz der Amadis in der That ein fUr seine gan2e
Gattung typisches Werk, ein Urbild der modernisirt^n Ritter-
bücher seiner Zeit war. Ehe wir aber noch andere Stimmen
anhören, mnsz noch mm geschichtlichen Verstilndnisz gerade
dieser drei Kritiken, oder richtiger gelegentlichen Auslassungen,
etwas bemerkt werden.
Zunächst Mt auf, dasz sich Tassos und Fischarts ür-
theile einigermaszen widersprechen. Denn während jener grade
vom moralischen Gesichtspunkte aus den dnreh die Amadis-
romane vertretenen Geschmack lobt und das Verfahren der
spanischen Schriftseller als einen entschiedenen Fortschritt
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3G8 —
gegen das der fnuz^toischeii bezeiehoet, Iftszt FischartB ürtbeil
den Malt des Werkes keineswegs als harmlos erscheineii, ja
der i's ohne Schaden lesen will, soll durch eigene wohlbe-
festigte Tugend gegen moralisches Gift ebenso gefeit sein, wie
es Mitbridates gegen leibliches war. Dieser Widerspruch ist
nicht daraus zu erklären, dasz Tasso etwa nur die ersten vier
Bücher im Auge gehabt, JTischart dagegen nur das sechste
gekannt oder doch nnr dieses gemeint habe. Denn Tasso
nennt ansdrficklich auch den Amadis von Grecia, womit ohne
Zweifel das sechste Buch gemeint ist, und es wäre ungehörig
Ton Fischart anzanehmen, dasz er nur den Theil des Amadis
gekannt haben sollte, den er bevorwortet, vielleicht auch über-
setzt hat. Und hierzu kommt noch, dasz sich ohcn jene
ersten vier Bücher, was Schlüpfrigkeit und Naivität in Aus-
malung die Sinnlichkeit reizender Situationen anlangt, in der
französischen Bearbeitung und der deutschen üeberset/ung von
dem sechsten und überluiupt von den tblgcndcn gar nicht unter-
scheiden, mit Ausnahme etwa des zwölften, das fast nur aus
Zoten besteht.
Auch die Erklärung des vorliegenden Widersiiruches aus
der verschiedenen Nationalität der beiden Beurtheilor und ihrer
dadurch bedingten verschiedenen Maszstftbe fAr das Schick-
liche und sittlich üngeföhrliche, ist abzuweisen, schon au sich
als banal und zu viel beweisend, vorzüglich aber, weil sie für einen,
der Tasso und Fischart auch nur oberflächlich kennte lächerlieh
isi Die einzig richtige Lösung, die zn suchen bei einer Meinungs-
verschiedenheit weniger bedeutender und berühmter Männer
etwas Pedantisches haben wflrde, liegt darin, dasz Tasso das
spanische Original im Sinne hatte und woU auch durch den
Amadigi seines Vaters in gewissem Grade beeinüuszt war ') •
Vgl. die weiter oben aogefthrte Apologie im X. Bd. der Werke
TttWM. Pia« 1884.
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364 —
während JPiscbart den Text des des £ssartB meinte, was aber das
spanisdie Original betrifft, nicht einmal ?on dessen Vorhanden-
sein etwas wuszte, da ihm wie seiner ganzen Zeit der franzd-
siscbe Amadis diircliaus ulä ein Originalwerk galt.
Zur Vervollständigung der zeitgenössischen Urtheile diene
hier zunächst noch einiges aus der Vorrede des mehrflu^h en*
wähnten französischen üebersetzers. Des p]ssarts richtet seine
Widmongsepistel an den Herzog von Angouleme, den zweiten
Sohn Königs Heinrich U., also den nachmaligen König Karl IX.
Kr erzählt, dasz ihm der Watlenstillstand zwischen Karl V.
und dem Vater des Angeredeten plötzlich sehr viel Musze ge-
bracht habe, und fährt fort: me suis mis (pour eviter la trop
pemideuse oysiuet^) ä lire plnsieurs sortes de linres, tant
vulgaires qu' estrangers entre lesqueiz m' estant tomb6 es mains
celuy d'Amadis de Gaule en langue Castillane, iequel münte-
fois plnsieurs Gentilhommes d'Espagne, mavoient lou^ et
estime sur tous leur Romans, et le trouuant tel que ilz me
Tavoient asseure, tant pour la diversite des pluisantes matieres,
dont 11 traite, que de hi reputation subtilement descrite, qn^il
fait des personnes suyuans les armes, ou amours: ay prins
plaisir a le communiquer par tiauslation (sous vobtre auctorit^)
ä ceux qni n'entendront le langage Espagnol, pour fiiire reuiure
hl renommde d*Amadis (laquelle par riniure et l'antiquit^ du
temps estuit ostainte en ceste nostre France) et aussi pour ce
qu*il est tout certain qu'il fut premier mis en nostre langue
Franjoyse, estant Amadis Gaulois et non EspagnoL Et
qu*anisi soit: JVn ay trouu6 encores quelque reste d'vn vieil
liure i'scrit ä la main en langage Picard, sur lequel i'estirae
que les £spaignolz ont fait leur traduction, non pas du tout
suiuant le vray original, comme Ion })ourra vour par cestuy:
car ilz en ont obmis en aiuuns endroitz et augmente aux
autres. Parquoy supliant ä leur obmission, eile se trouuera en
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865 —
ce liore, dans leqael ce ii*ay vonln coucher la pluspai-t de
leur (licte augnunitation qii'ilz n-unint^nt in\ lour langage
Consiliaria, qui yault antant a dire au nostre coiumc auis,
OH oonseil, me semblant tels sermons mal propres ä la matiere
dont parle Thistoire, laquello i'ay expressement mis an
lumiere, non pour esperance d'en raporter louange (estant
l'oeaare de trop peu de mente) mais seulement pour tesmoigner
tont le Rionde combien ce voudrois pouoir pour vous faire
tresliumble sorvicc, me.snioniont pour vous tlonner ([U('l(pu'sfois
ilequoy recreer vostre geatü cspru, lors qu'ii sera ennye de
lire choees plus hautes et ardues
Et combien que ce qui s'oflTre cn coste traduction d'Amadis
De seit tü'^ de nul autrc (uuteur?) laineux peur luy donner
conleur de verit^, si trouuera on en eile tant de rencontres
cheaalerenses et plaisantes, avec infiniz pK^pos d*amours si
delectables ä ceux qui ayment, ou sont dignes d'aynier que
tonte personne de bon jugement se doit persuader, voire quasi
contraindre k Iure son histoire, poor le passetemps et playsir
qn'il pouna reoeuoir on la bien voyant. A ceste cause mon
Sdgneur, ie m'ose asseurer, quo si eile trouue gracc devant voä
yenx, ou seit quelqne peu fkToris^e de vous, quo non seule»
ment eile sera estim^ beanconp: mais aquerra le premier
lieu entre toutes les autres histoires seniblahlos, qui est en
partie la cause pour ]aquolle i'ay entrepris la traduire, et aussi
pour faire cognoistre ä cbacnn mon intendon qui tcnd k exalter
la Qanle, en laquelle passe de }»n senl vn sieole bion hour»nix
. . . . et si vous aperceuez en quelque endroit que ie ne me
8018 assoietfy k la rendre de mot k mot, ie vous snpplte
mire qne ie Tay feit, tant pource quMl m*a semble beanconp
de choses estre mal seantes aux personnes introduites, eu re-
gard aux moenis et fii^ons du iourd'hny qu'auasi par Fauis
d'anenns mes amys qui ont tronn^ bon me delinrer de la
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— 3t)ö
commane superstitiou des translateors meamement qae ce n'est
maiiere oa soit reqaise gi scnipiilease observance.
Aehnliches bringt die Vorrede der dentscben Sammel-
ansf^abi' zur Empfeliliintr des Werkes bei, nur da.s/. liier aus-
drücklicher eine Apologie in Betreft* möglicher SittenschMgaug
Tersacht und darauf hingewiesen wird, wie ein jeder ans dem
Buche das verschiedenen Orten, Personen, Stftnden, Geschlech-
tem gegenüber angemessene und erforderliche Benehmen lernen
kdnne.
Es ist übrigens nicht zweifelhaft, dasz gerade anch in
Deutschland in gewissen Kreisen der schlüpfrige Inhalt des
Buches ihm viele Leser und eine nicht geringe Berühmtheit
verschafll haben wird, gerade so wie nenn Zehntheile von
denen, die jetzt in Deutschland und Frankreich den Boccaccio
lesen, eben nichts weiter snchen als was das Thier im Men-
schen kitzelt, wodurch allerdings daran nichts geändert wird,
dasz Boccaccio aus anderen Gründen ein lesenswerther Dichter
ist Dafür, dasz gerade die gedachten Schlüpfrigkeiten dem,
so zu sagen^ gemeinen Zeitgeschmäcke zusagten, spricht nament-
lich, abgesehen von dem Urtheil, weiches man sich auch
anderswoher von dem Vorwalten dieses Geschmackes in jener
Zeit sehr Idcht bilden kann, ein Gedicht vor der Ausgabe
des II. Buches von 1578, das mit den Buchstaben F. C. V. B.
übei*schrieben ist und beginnt:
Wann ich die Bnlschaflt thu erwegen
Ynd halt die Bitterschafit dargegen:
So find ich, dasz sie sich gar leyn
Vergleichen, vnd stimmen vberein.
Dann das ist gewisz, zu aller inst
Ein Buler auch ein Eriegsmann ist
Dann wird nicht ohne Geschicklichkeit und mit einer
Art von Witz, die einem in die Pi-aids der Buhlschaft £in-
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— 367
geweihten alle Ehre machen kann, eine ins Einzelne gehende
FftmUele zwischen der Bittenchaft und Bahlschaft gezogen.
Es scheint, dasz dieses Gedicht von allen Vorreden diejenige
sei, welche die meiste Einsieht in die IJedüi iiiisse der Mehr-
heit des vornehmen Lesepuhlicums verräth und am offen-
herzigsten ausspricht, was das nachstehende Buch Ülr diese
Schönes bringe.
In diesem Sinne spricht sich auch die in dfr l^uhlschaft
und anderen schönen Dingen sehr erfahi'ene Frau Courage
bei Grimmehf hausen aus, indem sie von ihrer Wirthin be-
richtet : ^Sie lehnte mir auch nur den Amadis, die Zeit darinn zu
vertreiben und Couipiinienten chuans zu ergreitfcn ; und was
sie sonst daraus erdencken konnte, das zu Liebes-Lüsten reitzen
mochte, das liesse sie nicht unterw^en.**
Doch hören wir eine gewichtigere und anstAndigere Per-
jiönlichkeit, dif niclit sowold . „was zu Liehes-Lusten reitzen
mochte"*, im Amadis sucht, sondern ästhetisch-gelehrte Be-
trachtangen darüber anstellte. Denn auch unser Martin Opitz
hat nicht versäumt, sich über dieses Weltbuch auszusprechen,
und es gewinnt seine Auslassung durch ilue Kücksicht vor-
zugsweise auf den deutschen Amadis ihr besonderes Interesse.
In seinem Aristarchus (Werke, herausgegeben von Bodmer,
Seite 78) sagt er: Ingenium certe verborum et tractus sen-
tentiarum ita decens est, ita lelix, ut nec^ue Ilispaiiorum ma-
jestaü, neque Italorum decenüae neque Gallorum yenustae
Tolubflitati concedere debeat. Cujus rei unicam Amadaei bis-
toriain, in nostnim idioraa conversam, optimae fidei testem
arcessere possumus. iinem quidem librum, «luod (luidum ita
atrod sfylo et indignanti pnngunt ac contodiunt '), causam
^) Es winl sich mit der l'lliclit dor Unparteiliclikeit ohne Zweifel
Teriragen, wenn ich die Leute, welche jenen „atrox et indignans Stylus"
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— 368 —
profecto non habent. Nihil sane est in tarn festivo opere, quod
non et ad moiuni comitatem praecepta ingerat, et honesta sua-
vitate conditum, vim quasi asperioribus naturis faciat, ac nil
geführt haben, iu ciuu Anmerkung verweise und auch nur einen von
ihnen ausführlicher zu Worte kommen lasse. Denn im besten Falle
halten sie einseitige und engherzige Moralpredigten, einige üherschüt-
ten unser Buch mit gradezu blödsinnigen Vorwürfen. Unter denjenigen,
welche in Deutschland dagegen geeifert, nimmt Buchholtz den ersten
Rang ein, welcher nicht nur in den Vorreden seines Hercules und
Herculiscus die Amadisbücher heftig angreift, sondern auch seine gan-
zen Romane ausdrücklich zu ihrer Verdrängung abgefaszt hat. Buch-
holtz kann jedoch aus chronologischen Gründen von Opitz nicht ge-
meint sein, dagegen dürfte sich letzterer über des Jesuiten Possevin
Auslassungen im XVI. Buche seiner Bibliothoca solecta, Sectio IV,
Cap. III. (ich benütze die Ausgabe Venetiis ir>0:^» fol.) geärgert haben.
Hier heiszt es: Et hinc quoque Satanao patebunt stratagemata. quac
cxpugnandia otiosioribus animis hoc seculo ndhibuit. Tentaverat enim
onmibus .seculis, omnique hominum generi varias , tamquam peritus
auceps, disponere pedicas, in quas illaqucaret incautas mentcs, vt
a Deo certissirao scopo obtutum auerterent. Itaque curauit, a paganis
spectacula edi, in Theatris homines caedi, ab Oraculis responsa peti,
vocatos Daemones adesse vocantibus, et plcraquc obijci spectra, per eos
ctiam, qui cum Romani tenerent Impcrii clauum, pojmlos ita retineri
in officio melius putabant. Accessit auctoritas quorundam Philosopho-
rum, qui altius sapere vi.sj sunt, Jamblicus, Psellus, Porphyrius, Apollo-
nius Tyanaeus; sed qui euanuerunt in dcsiderijs et fa.stibus suis; neque
vero haeresis pene ulla caepta est, quae talia non habuerit quasi pro-
gymnasmata. Tum enim dementatos istis i>racstigiis animos, securius
inuasit Spiritus nequam, et audenter sub Dei specie. diabolica quae-
<|uc semina proiecit, et abiit. Et quoniam post uires animi interio-
rcs deccptas, ipsae quoquc irascibilis, et concupiscibilis, obiectu fallacis
fortitudinis, atque libidinis. facile inccnduntar, factum est, ut et istis
machinis eipugnatae, nihil non audcrent perrumpere sepium, quibus
animum, tanquani diuinum hortum, circumsepserat Deus. Sic Poeta-
rum illorum veternni, de quibus diiimu.s, tetros et impios laborcä
cum Satanas band fuisse irritos expertus esset, fabulosa alia nobilitati
post multa secnla obtrusit, quae fere quingentos annos Europam, et
ipsas Prinoi])U)ii anlas peruagata sunt. Inde igitur quo non intrarunt
Lancelotus a Lacu, Perseforestu.s, Tristanus, Giro Coitesius, Amadisias,
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— 369 —
tale cogitantes expagnet. Delidanim omniiiiii pyxidem dixerim,
mirotheoiuiü Gratiaram, cunirum medelani, loiiiini iiiorum :
äbsque quo ncc ipsa Venus satis venusta. Vcrba siugula
majestatem spirant singularem et elegantiam, ac sensus
noetros non dncont sed rapiwit Adeo Inmtata fiicOitas,
Frimaleo, Boocacijque Decamero, et Ariosti poema? ne hic enamerem
alknum ignobiliornm Poetamm earmina male texta, et caro vendita:
Et plerbqoe igitar Istia omnibos nt snaiihu nenena inflnerent, dedit
de spirita sao Diabolns, doquentia, et inaentione fabolanim ditans
ingenia, qvae tarn miserae sappellectilis offieinae ftienint In nno
imadisio ista intaeamiir. Yenerat bic Uber aliena lingua in Gallias:
Lithero antem iam Satanas utebatnr taaiqnam maneipio in Germania,
qvae pene omnis, ant ceciderat, ant nntabat ad casnm; enroqne in
aoüdissimae fidei Regnnm Teilet innadere, Amadisinm enranit in Gfl3-
lieam lingnam eleganter verti. Haec igitor prima ftiit illecebra, et
Uaqnam sibflns, qno ineeeanit nobilinm Anlieoram ingenia. Sparserat
eidm eo in libro, qnieqnie eins fnit anctor, amores foedos, inanditoe
congresens eqnestres» Magicas artes. Sic bis mentes, illis corpora
perkiaxit in nassam, in qna innnmerae propemodnm animae perierunt
setemnm. Kam sie ablegata snnt stadia sacraram remm, diniuaeqne
historiae oblinioni snnt traditae, atqne bonun loca Pantagmeles, et
nunenta qnaeqne Tartari snceessemnt: praelia Tero Domini ignorata;
isToeatia omnipotentis Dei omissa, bla«pbemiae receptae, labes, et
Hbido tanqnam torrens inrecta; proqne veris railitaribns Stüdes, hic
nale sanns Saianae nonitiatns professionem müitiae peadmam prae-
cessii Qnitt etiam visnm est peccatnm lene, atqne adeo festinnm sapere,
n qnis Hagiam Vrgandae, et AlcbinQ, Arcelai, Meliae, Magni ApoUi-
donb passim recenseret; yt interim deaideria sensim irreperent eadem
experiendi, Magosqne accersendi, qni nonas ipd bnmanamm mentinm
libcrent primitias, et homines ad ipsam imaginem Dei factos senocarent
ab Tno vnins Dei syneerissimo cnltn. Hinc ergo scatnriere, quae
postea vignemnt, sortUegia, lamiae, augnria conqnisita, consnlti Dae-
moocs a niris, qni nidebantnr eminentiores, relataqne in sydemm aspe-
etof, et eoncntsns, enenta, sexcentaqne iUa alia, qvlbos mdentia ipsis
oeolis vidimns Begna, qni olim Tna Christiana, et Catbolica Beügione
per tot seeula steterant.'*
Wer mehr dergleichen wünscht, wird mit Httlfe Ton Grftsses nnd
ndsrer Nachweisnng leicht sehr riel auffinden können.
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— 870 — I
^ratia inexhausta ac lepos ita lectorem detinet, ut quo magis
eadoni ropetat, eo minus fastidium relectionis ullum sentire ■
sibi videatur. (juae omnia et pellicere nos ad se, et iaviiare i
ad eicogitanda plnra paris elegantiae ac festiTitatis debeni** I
Hieinächst raacf eine Stelle des bereits mehrfach erwähn-
ten Gordon de Percel, welche besonders für die lange Dauer
der Beliebtheit unserer Bomane spricht, ihren Platz finden. ^
„Jamals, Roman n*a en plns de vogue qne celoi desAmadis.
il se soutient encore dejuiis de deiix cens ans, malere les
changemens qui sont airiv^ k notre Langue depuis Ic Segne
de Fran9ois I. qne Ton a commenc^ k Thnprimor. H &nt
avüüer aussi qiie c est le meillenr de tous les Itomans de
Chevaleric, le plus amüsant et le niicux ^crit en son genre.
Cependant il ne se soutient point ^galement par-tout et com-
mence fort h d6cliner an troisi^me volnme. N^nmoins les
volumes ne sont pas egalenient reclierclies. Nicolas Desossars
u'a traduit que les holt premiei's; comme c'^toit TEcrivain le
plns joli de son temps, il releva encore par Fölegance et la !
l)nrete de son Stile la consideration que Ton avait poiir cet
üuvrage."
Die Beihe der Zeugnisse sowohl für den Eindruck des i
Amadis anf die Zeitgenossen seiner Verbreitung in Europa als
auch für das bleibende Interesse, welches er in Anspruch zu
nehmen gewuszt, mag eine Stelle aus einem Briefe Goethes
an Schiller beschlieszen, wo ersterer sagt: (Briefwechsel IL
Ausg. Stuttg. 185(3. 8. 2. 449.) ,.Ich habe v.n- langer Weile
allerlei gelesen, z. B. den Amadis von Gallien. Es ist doch
eine Schande, dasz man so alt wird, ohne ein so vorzflgliches
Werk anders als aus dem Munde der Parodisten gekannt zn
haben.*' Wenn auch l)ekannt ist, dasz Goethe gegen gleich-
zeitige Dichter und Schriftsteller meist ein sehr gutmüthiger
Kritiker gewesen ist, so ftllt doch sein Urtheil deswegen sehr
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— 371 —
ins Gewicht» weil dazQ mehi* Fähigkeit, sich auf den Stand*
ponkt hifitorischer Benitheilung za stellen, vorauszusetzen zu
sein scheint, als man in jener Zeit selbst von einem Goethe
Terüuigen und erwai teu kann.
Nachdem wir nun» wie ich glauhen darf, ein ziemlich
anschauliches Bild von der Eigenthümlichkeit des interessan-
ten Liteiaturerzeugnisses, von dem wir reden, und auch von
dem Eindruck, den es auf seine Zeiten gemacht, erhalten haben,
bleibt uns nur noch flbrig, uns Aber die Ursachen der wichti-
gen Stellung, welche der Amadis, sowohl in anderen Literaturen
als insbesondere im Gebiete unserer deutschen zu der Ent*
Wickelung seiner Gattung emimmt, khur zu werden. Hierzu
läszt sich der richtige Ausgangspunkt einzig und allein durch
einen vergleichenden Blick auf die grosze Masse der nächsten
älteren Verwandten unseres Buches finden. Ich habe schon
im II. Kapitel darauf hingewiesen, dasz unser Buch in Bezug
aul die Entwiekelung der ganzen Gattung, welche als die am
meisten internationale Dichtungsgattung zu bezeichnen war,
emen ganz besonders groszen Fortschritt bekunde und zwar in
der Richtung vom Mittelalterlichen zum Modernen. Und in
demselben Kapitel ist dem Amadis bereits seine Aehnlichkoit
mit den weit mehr mittelalterlichen Bomanen, welche ent-
weder Anfl^ungen von rein mittelalterlichen Epen oder doch
nicht viel nielir waren, vindieirt worden. Sie besteht in dem
Masze, in welchem dem Amadis noch eigentlich mittelalter^
lieber Sagenstoif zu Grunde liegt Dasz dieses wirklich der
Fall sei, ist unzweiti Ihalt , aber ebenso gewisz ist es, dasz
im Vergleich zu seinen älteren Verwandten dieses Masz l)eim
Amadis ein sehr beschränktes ist, dasz sich also unser Werk,
eine yennittelnde Stellung einnehmend, trotz sdnes ftcht
sagenhaftem Grund- und ürstoffes, sehr stark den völlig auf
Erfindung und Gestaltung eines Einzelnen beruhenden ganz
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— 372 —
uad gar modernen Bomanen annfthert, von denen die früheskn
Beispiele, welche eine internationale Verbreitung nnd Be>
deutung gewonnen hüben, die lieroiscli-i^nilanten Romane der
Franzosen, die unmittelbaren Nachfolger des Amadis, sind.
Dies Yoraosgeschiokt kdnnen wir den vortrefflichen AusfAhrangen
Ferdinand Wolfe') ToUkommen beipflichten, welche nur in-
sofern zu modirtciren sind, als Wolf meint, d;is/. der Aniadis
das rein subjecüve Gebilde der Phantasie eines Einzelnen sei,
und somit das unbedingt anzuerkennende, wenn auch von der
subjectiven Phantasii» und modernen Zuthaten durcliaus über-
wneherte sagenhafte Element eigentlich gleich Null setzt.
Zu der geringen Geltung dieses sagenhaften Urstoffes kommt
hinzu, dasz dem nach der pyrenftisclien Halbinsel gebrachten
und dort gestalteten die nationale Grundhigc fehlte, wodurch
er sich in Gegensatz zu den in Bomanzenform umgehenden
nationalen Erinnerungen setzte nnd dadurch eine ganz 'neue
und wesentlicli moderne Gattutii,' begründete. Eben dadurch
wurde er ja nicht nur handlicher fiir die freie subjective Ge-
staltung, sondern auch des üeberganges in fremdlftndische
Literaturen fthiger.
Treftiich sind auch die Bemerkungen Wolfs über den
veränderten Charakter der Amadis-Bomane gegenüber den
älteren Ritterbtichem, wie Ober die äuszeren Umstände, welche
seine Aufnahme und Verbreitung in so ausgezeielmetem Masze
begünstigten. „Er kündigt sich,'' heiszt es von unserem
Romane, „abgesehen von semem Ursprung und den an ihn
sich reihenden Nachahmungen schon durch Inhalt und Form
als ein gleich anlänglich in Prosa abgefasztcs Product einer
späteren Zeit an. Zwar ist der Gegenstand des Amadis, wie
<) Studien zur Geschichte der span. und portQg. Nat. Lil
Berlin 1859. S. 176 ff.
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— Ö73 —
der der älteren Hittergedichto, zonachst ebenfiüls das allge-
wan europftische Ititterthmn, aber wie ganz anders ist es in
beiden anfgefluzt! — In den ftlteren Gedichten nnd Romanen
aus (l«'m bretonisclien und fränkischen Sagenkreise erscheint
es noch in seiner ursprünglichen, rauhen, ja derben, aber <;iosz-
artigen Nat&rlichkeit, in kecken, trenen Umrissen nachgebildet,
ond dnrch das lebendige, religiöse oder politische Princip zn
einem univei-salhistorischen ^loraent eilioben. Das Ritterthnm
im Amadis hingegen ist ein künstlich raffiniertes, ideell poten-
zieiies, mit Tieler Soigfhlt ms Einzelne anqgemalt, aber nie
80 wirUicb dagewesen, nnd daher eine hohle, todtgebome
Form ohne ein belebendes Princip und einen realen Zweck.
£ine solche Anffassnng desselben konnte aber nur in der Zeit
seines beginnenden Yerfiilles Statt finden, denn nnr, wenn die
Wirklichkeit nicht mehr genügt, sucht man sie durch Ideali-
siren zu heben.
Nächst dem Bitterthume, ja noch als em eig&nzender
TheQ desselben erscheint die Gteschlechtsliebe im Vordergründe, .
aber auch diese zeigt sieh schon unter einer ganz anderen
Form im Amadis: es ist nicht mehr der mächtige, alle Schranken
dnrehbiechende Naturtrieb, der mit geheimer, unwidersteh-
licher Qewalt, wie dnrch dnen Zanbertrank (Tristan nnd Isanlt),
gerade den Mann und dieses Weib an einander fesselte;
aber, durch altgermanische Sitte und das Christenthum ver-
edelt, sich dennoch einer höheren Macht, der weiblichen An-
mnth nnd Schönheit, unterwarf, das stärkere Qeschlecht dem
scliwacluren liuldigen, es gegen rolie Gewalt beschützen, und
dessen Lob und Gunst, als den scliönsten Kampfpreis, erstre-
ben machte. Im Amadis erscheint diese Liebe, obgleich
Qanpttriebfeder der ganzen Handlung, schon mehr als ein
cx:»nventionelles Eriordernisz, eine verli<'bte Narrheit, eine eigen-
sinnige Grille, nicht das Weib als solches, sondern die
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schönste Prinzessin zur Herzonsgebieterin zu erkiesen; die
huldigende Anerkennang weiblicher ADmath wird zur mi*
mftnnliGh possenhafteD Sklaverei, das Streben nach dem Lobe
und der Gunst der Schönen durch adliges Thun zur ph;lnt<^^ti^ell-
iormlichen Galanterie und steifen Etikette, die Sprache des
Herzens zu wohlgesetzten, zierlichen Phrasen, der Ausdruck
der Leidenschaft znm abgemessenen Pathos, und selbst der
unwillkürliche, durcli die Macht des Verhängnisses herein-
brechende Wahnsinn (Jwain) zur hiunenhaft selbsterzengteo
und selbstpeinigenden VerrQcktheit; und sucht der Dichter
fftr so viele Unnatur, gleichsam unwillkürlich, durch den Ge-
gensatz zu entschädigen, so sinkt er in seinem Galaor zur
gemeinen Wirklichkeit, zur Libertinage herab. Eben so er*
scheint die andere Seite des Ritterthums, das Verhaltnisz der
gröszeren Vasallen zu ihrem obersten Lehnsherren und das
Feudalsystem zum Ednigthum im Amadis schon in einer gast
anderen Form. Im bretonischen Sagenkreise ist Artus nur
durch gröszereu Länderhesitz von den (ihrigen Rittern unter-
schieden, und sein glänzenderer Eoflialt nur fesselt sie an ihn;
sonst aber ihr völlig gleicher Genosse an derselben runden
Tafel, d. i. einer solchen, die ihrer Form nach nicht einmal
einen ausgezeichneten erhöhten Ehrenplatz gestattete.
Der fränkische C^dus zeigt uns das Ednigthum im
Kampfe mit den UbermSchtigen, groszen KrouYasaOen, die
nur ungern eine höhere Macht üher sich erkennen, häufig und
oft glücklich gegen dieselbe sich auflehnen und dessen schiecht
yerhflllte Schwäche zum Temporisieren und Eapitolieren
zwingen. Im Amadis erscheint dagegen das Königthum schon
als eine wohlbegrundete, absolut höhere Potenz, die Ei-sten
des Reiches sind gegen dieselbe doch nur Unterthanen,
Lisuarte regiert nach Laune, hört wohl seine Bftthe an, aber
läszt sich nicht durch den Ausspruch der Pairs bestiuuneD,
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— 370
dem Könige gegenüber ist Trene die höchste Pflicht, nur
Anuuiis, als imbhSiigiger Forst, darf ihn herausfordern,
Galaor, des Königs Vasall, ficht anf dessen Seite gegen seinen
eigenen, innig geliehttn Bruder. Vergleicht man endlich den
Amadis in Rücksicht anf Darstellung und Stil mit den älteren
Bittergedichten nnd selbst den späteren, ans ihrer Anfldsnng
her?orgegangenen prosaisehen Bmnanen, so wird sich eine eben
80 grosze \\rscliiedenheit ergeht n. In diesen herrscht fast
durchaus ein einüstcher, ansprachsloser Erzählongston; doch
wird der Gang der Erzählnng häufig durch Bpisoden unter-
brochen, Abenteuer folgen auf Abenteuer, die oft lose genng
zusammenhängen, was ihnen ein rhapsodisches Aussehen gieht;
die Beschreibungen smd meist gedrängt, manchmal nur fluchtig
skiiaiert, aber oft wahrhaft pittoresk, von grosster Anschanlieh-
keit und Natnrtrene; die sparsam angebrachten Reden und
Dialuge nnr kurz und ohne rhetorischen Sclimuck, aber
leidenschaftlich - lebendig, derb - kräftig, charakteristisch -
nair, wie der nowillkfirliche Ausbruch des fiberstrSmenden
Gefühls; die Sprache ist noch roli und ungelenk, arm an
Wendungen, und daher noch zu ungeschmeidig zur künst-
licheren Stmctnr des Periodenbanes; aber ansdmcksvoll, rdch
an OnomatopOien, und nicht ohne Numerus, natftrliche Anmnth
und Frische. Und haben auch die siȊteren prosaischen
Romane manche Veränderungen in der Darstellung, und in
Böcksicht des Stils und der Sprache natürlich eine noch be-
deutendere Umbüdung erlitten, so smd die ersteren doch leicht
als neuere Zusätze und Einschiebsel, und trotz der letzteren
der ursprüngliche, poetische Grundton und selbst die alter-
thämlichen Wendungen noch vielfach erkennbar. Nicht so im
Amadis; in diesem ist die Erzählnng yiel zusammenhängen-
der, tiüssiger; aber auch viel weitschweifiger, wortreicher und
manieriert; die eingewebten Episoden stehen nicht so vereinzelt
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in kaum merkbarer Vorbindung mit der Haupthandlung, sie
sind Tielmebrwohlbeiechnet zu dem folgerecbteu fintwickelungs-
gange derselben; die Bescbmbnngen sind viel sorgfiUtiger,
oft mit ermüdender Ängstlichkeit bis ins Einzelne ansgeffthrt ;
hal)en aber deshalb viel weniger TütaleÜect, verlieren durch das
Vei-waschen der Farben an Frische des Colorits, und durch
gesuchte Efinsteleien und phantastische üeberladnngen an in-
nerer Walirheit und Natur. Mit besonderer Vorliebe werden
Reden und Gespräche angebracht, meist von bedeutender Länge,
mit unverkennbarem Bestreben nach Eleganz und rhetorischer
Ansschmüdrang und nicht ohne einen bedeutenden Qnä von
Kunstfertigkeit; aber eben dadurch oft wahre Geduldproben
für den Leser, der sich durch einen Schwall von zierlich ge-
drechselten Phrasen, pathetischen Bedensarten und affectiert-
pretiltoen Gomplimenten hindurch arbeiten musz, um „der
langen Rede kurzen Sinn" herauszufinden. Natürlich fordert
eine solche Darsti'llung eine weit ausgebildetere, geschmeidigere
und feiner NQanoen fähige Sprache und einen in der Eunat
des Periodenbaues und der zierlichen Wortfügung gefibten
Stil, deren sich in der Tliat auch der Anja<lis rühmen kann,
daher er lange Zeit für ein stilistisches Musterbuch galt und
zum Theile noch gilt Dabei ist er reich an Sentenzen und
moralischen Tiraden undjiat überhaupt schon einen didakti-
schen Zuschnitt."
Wenn wir bei diesen Bemerkungen Wol& uns erinnern,
dasz sie sich auf den Stamm-Amadis und zwar den spanischen,
beziehen, dasz also, wie schon gesagt, die firanzOsiche Be^
arbeitung, die das Buch erst zum Weltbuche macht-e, den
Charakter der Darstellung in wesentlichen Punkten veränderte,
bleibt in der That wenig hinzuzufügen übrig. Den (Gegen-
satz, in welchem nach Wolf die Behandlung der Geschleehts-
liebe im Amadis zu der iu den firuheren liomanea und den
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diesen va Grunde liegenden ritterlichen Epopöen bildet« m()chte
idi weniger schroff hingestellt wissen. Denn der ganze Franen-
dienst des Mittelalters trägt durdiaus mehr oder minder den
Stempel des Gemachten und Kunatlichen, ja auch schon in
froherer Zdt nidit selten den des Unwahren und GrOlen-
baften. Es kommt meines Erachtens im Amadis wie in den
sich ihm anschlieszenden heroisch - galanten Komanen haupt-
siehlich nur ein höherer Grad des Baifinements und die aus-
fthrlidiere Form hinzu, welche die fortschreitende literarische
Cnltnr zur Zeit der Renaissance von selbst mit sicli brachte.
Mehr hervorzuheben scheint mii* dagegen die Kunst des Er-
zählers zu fldn, mag nun, wie es wahrscheinlicher ist, hierin
schon der Vorgänger des HontaWo das Beste gethan oder
dieser ein Haupttbeil des Verdienstes haben, lieber die
architektonische Gliederung des Romans dürfte nach der oben
Torangestellten austührlichen Analyse kaum noch etwas zu
sagen sein^ denn jeder TJrtheilstfthige wird die Vurtnosität des
Verfassers in dieser Beziehung bewundern, eine Virtuosität,
die sich allerdings fast im Uebermasz geltend m machen be*
strebt ist
Was die Gespräche und Beden betrifft, so sind sie fttr
unseren Gesclimack allerdings viel zw auslührlieh und künst-
lich, und für unser einen, der das Buch nur aus literarhistori-
schem oder culturhistorichem Interesse liest, ftuszerst ennüdend^
sie haben aber fttr ihre Zeit jedeniliiUs groszen Werth gehabt,
wie die schon erwähnten Zusammenstellungen von stilistischen
Musterstttcken') aus unserem Buche beweisen, und sie sind in
der That, wenn man aidi die Mflhe giebt, sie zu analysiren, sehr
gelungene Specimina ihetorioes und nach Disposition und Aus-
iuliruDg höchst sorgfältige Elaborate, welche in der Zeit, die
1) Yetf^ 8. 848.
25
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einmal für scliuiiuüszige und decente Form vor alleu Dingen
eingenommen war, Bewnndemng erregen muszten.
Anders ist der Eindmck, den die zablreichen nnd ans-
fuhrlichen Besclneibuni^f^n auf uns machen. Solche wie die
des Palastes auf d&t beschlossenen Insel sind freiHch ebenso
ermfldend ausführlich wie die Beden und Gespr&che, antiqnarisdie,
arcbitelvtonisrlie Gelehrsamkeit und magisclier Wust worden
mit allerdings bewundernswerther Ue])eisichtlichkeit und Klar-
heit, jedenfalls immer mit groszer Sorgfalt zu einem Bilde
verarbeitet. Die Beschreibungen bewegter Scenen, namentlidi
die von Kämpfen und Schlachten, verfehlen aber keineswegs,
auch auf uns einen guten und anregenden Eindruck zu machen.
Ich wüszte in der modernen Literatur solchen Partien nur
Walter Scotts j2:lfinzen(le Kamjifsrhilderungen an die Seite zu
stellen, und möchte die Veraiuthung aussprechen, dasz er, der
sich mit dem Amadis eingehend beschäftigt hat, manches aus
ihm gelernt, was er z. B. in seinenCi Quentin Durward und
anderwärts mit Vortbeil verwendet. Jedenfalls kann gesagt
werden, dasz, wer nicht beim Lesen solcher Eampfecenen ans
dem Amadis eine höchst befriedigende Aufregung der heroischen
Seite seiner Phantasie enii)tin(l('t, überhaupt von aller epischen
Poesie groszarti froren Stiles f«M n bleiben möge. Ferner ist die
geschickte Behandlung des Zauberhaften an einigen SteUen
Ton groszer und bleibender Wirkung, z. B. die Rettung des
Amadis aus dem Zauberschlafe durch Urganda kann auf keine,
auch noch so moderne, wenn nnr überhaupt noch erregbare
Phantasie ohne Effect bleiben. Die erotischen Scenen sind
alltidings in einer Art bebandelt, welche nur der sinnlichen,
oder änderet seits nur der künstlich-grillenhaften Seite der
Geschlechtsliebe gerecht wird, deshalb berfihren sie wn
oder fremdartig, hierin ganz deutlich die Zeit der Entstehung
des Kornaus und seinen romanischen Ursprung verrathend.
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— 379 —
Endlich aber musz erwälint werden, dasz die Hauptcliaraktere,
Amadis, Otiana, Lisuart» Galaor, Arcalans und andi eine
nennenswerthe Anzahl der Nebenspersonen wie Briolania,
Grasinda, Gandalin, Saluste Quide, gut durcligefulirt sind,
wenn auch oft in gi*ellem Contraste, namentlich Amadis and
Galaor, so doch mit Bewnaztsein, Umsiclit und Consequenz,
woher es kommt, dasz, wie z. B. in der Person des Hanpt-
helden wirklich sittlich ideale Anschauungen zu W(»hldurch-
dachter und gelungener Darstellung gelangen, wenn wir auch
seine Liebe zu Oriana keineswegs mit Baret als eine phito-
nische bezeichnen können, auch nicht in der Fässung des
spanischen Originals.
Unter den äuszeren IJmst&nden, welche die Aufnahme
und Verbreitung der Amadis begünstigten, hebt Wolf mit
Becht das beinahe gleichzeitige Bekanntwerden der Bnch-
druckerkunst, das Eindringen der Tiuken in Europa, wodurch
die Aufmerksamkeit des Welttheils nach den östlichen Ge-
genden gelenkt und die Erinnerungen an frühere Kämpfe der
Christen gegen Heiden und Unholde neu belebt wurden,
die Entdeckung von Amerika und überhaupt deu Uebergang
aus dem Mittehilter in die neuere Zeit herror. Hierzu dürfte
noch hinzuzufügen sein, dasz die Aufiiahme unseres Buches
erst dann eine glänzende und rapide wurde, als die französische
Bearbeitung vorhanden war, aber es ist von der Bedeutung
doselben für die Geschichte unseres Bomans schon genug die
Bede gewesen, und auch für das Buch in der E^usung, welche
ihm Herberay des Essarts und die ihn wieder übei*setzten,
gegeben haben, blieben jene äuszeren Umstände in ihrer vollen
Wirksamkeit Die Hauptsache, und auch darin künnen wir
nur mit Wolf übereinstimmen, bleibt einerseits das Talent und
die Geschicklichkeit des Verfassers und des französischen Be-
arbeiten und andererseits der Zeitgeist, welcher im Amadis
25*
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— 380 —
in emiDentein Sinne seinen Ausdiuck and seine Nahrang finden
mnszlie. Nehmen wir aber jetxt von dem Helden und «einer
ganzen erlauchten Sippe Abschied! Wir werden im Verfolge
unserer Betiiu litiinf]: auf seinen Einflnsz noch iiiolufach zurück-
zukommen haben, wie sich derselbe sowohl in unserem Vater-
lande als auch in Frankreich geltend machte, dessen Literatur
wir Ton jetzt ab noch mehr AufmerkHimkeit als bisher zn
widmen haben.
Bellagen zn Cnpltel VIL
Aus dem zweiten Buche des Amadis.
(Ausgabe Fraokftirt 1583 fol.)
Das 1. Capital.
VOB desz Amadis (von dem diese gegenwertige Historien
geschrieben) lebzeiten regiert Tund herrschet ein Ktnig in
Grecia / oder GriechenUuult / der nach absterbt'U des/. Keyseis
zu Constantinopel seines Schwagers weil vnnd er mit seiner
leibliche Schwester verm&hlet/ als der nechstgesipte nnd mäch-
tigste jm in dem Eeyserthnmb sncoediert/?nd bey erstgemeld-
ter seiner Gemaliel zwcen Sohne / die alle beyd mit herrlichen
Tugenden vnnd löblichen Gaben der Natur gezieret / bekäme
vnnd erzeuget Vnter denen war sonderlichen der eine/Apo-
lidon genannt / so wol aniferzogen Yud ynterwieeen / dasz sich
keiner in einiger lobwurdigen handlung jrae vergleichen ra6chte.
Dieser Apolidon jetztgemeldt / neben dem / dasz er sich auff
erlemung allerhand KAnsten b^be/?nd fleissig studiert /be-
flisse sich auch fermers in den Bitterspielen (wie einem seines
gleichen Herrn gebi^rlich vnd wol anstendig) etwas erfahrung
vnud vbuug zu erlangen / also vn der gestalt / dasz er endt-
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•
Hehen hiedurch beyde in Weiszheit ynd Yernanflft / auch Bitter«
sriiaßt vnd Mannheit / alle die jenige /so zu seinor zeit gelebt /
so weit vbertroffen / als der Mon an klarheit zu Nacht die
aodeni Stern vberscheinet/FAniemlichen aber leget er sich
Tie! anlT die Nigreinanci/odw (wie mtmB nennet) scbwartze
Kunst / durch w eiche er nachgehends andern Menschen vn-
m&gliche Sachen ToUbracht Ynd za ende gef&hrt.
Vnd dieweil non der Eeyser / dieser zweyen jungen Printzen
Herr Vattcr / alt vnd schwach / auch der wegen / natürlicher
weisz nach / wol abnemmen vnd auszrechncn kondte / dasz er
na mebr seinen abselued ausz dieser Welt nemen/vnd also
die ?on Gott Verliebene Eftnigreicb / Land Tnd Leut binderlassen
niuste. Daneben aber nicht vnnotwendig / sondern weiszlichen
betrachtet /dasz zu f&rkommong der embinuig/ vnrob/jnner-
lieben Krieg vn jimmerlicben Blntrergiessens / welcbffl* ynrabt
aller gemeinlich vnter den Erben /ja auch in schlechtesten
dingen / vnnd wie man sagt / vmb einer Herings Nasen willen /
dorch Tielltfley zanck/bader vnnd zwispalt sieb zutregt / gute
mitlel Tttnd fftglicbe wege zuvor anzustellen.
Demnach vnd damit er solchem / so viel jnMner muglich /
begegnet /Hesse er ein Testament vnnd letzten wiUen auff-
ricbten / darinnen er /wie es allerdings naeb seim t&dtiicben
abgang gehalten werden solt / disponiert / vnnd in Sonderheit
den Apolidon / als den eitern/ Successorem in dem Keysertbumb /
Tmid obersten regierenden Herrn yerordnet / Dem andern aber
all sein verlassenschafft an barem Gelt vnnd fahrender Haab/
vnter deren denn viel furtreffiicher vnd gant/, kostlicher Bik^her
waren /Termadit vnd testiert Sintemal aber solcbe theilong
dem ji^ngem nicbt gefellig / beklagt er sieb desselben gegen
seinem Herr Vatter / mit angeheft'ter bitt / dasz er Gnedig vnd
Vitterlicb zu Gem&t f&hren weite / wie er jhn durch solche
geringe Erbsdiafft arm vnnd bedArffig maeben / ancb sobier gar
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gegen ansehang seines Bruders / enterben w&rde. Ob wol non
der alte Keyser ab solchem seines Sons klag vnd vnvemÄgen
(welcbä er nur allein in seinem Testament zu furkomen / vnud
also alle vneinigkeit absoscbaffen verhofft) nicht wol za frieden/
sondern bekAmmert war/anch gern beyde sein Sfin vemAgt
liette / Jedocli wolt er das jenig / so liicvor von jhme statuiert
worden / ohne desz Apolidon Yorwiasen ynnd verwilligung/
nicht cassieren noeh widermffiBn. Als aber ynlang hemaeh
der Apolidon desselbigen verständigt / gieng er zu seinem
Herrn Vatter / vn sagt in seins Bruders gegenwertigkeit : Gne-
diger Herr Vatter /mich hat diser tagen von vielen gkablicb
angelangt / wie dasz meinBrnder bie zugegen der beschebemn
theilung/so E. Vätterlich G. der gestalt zu ordnen gefallen/
sich was beschweren thu. Dieweü denn mir nicht ynbewust/
zu was knnäer vn betrAbnng S. V. G. disz gericht/ indem sie
bey dei o lebzeiten sehen vnnd erfahren müssen / dasz sich
unser Brüderliche liebe zwischen vns beiden / albereit etlicher
massen trennen vnnd in vergesz gestellt werden wU/ So ist
derobalben vnd anff dasz E. Y. G. hiemit nicht beleidigt / sonder
derselben von vns viel mehr aller schuldiger vnd gebuiiiclier
gehorsam geleistet werde /mein vnderthenig Sdnliche bitt/
E. y. G. willen alles das /so sie mir hieuor auszgemacht vn
gegeben / meinem freundtlichen lieben Bnuier einbehendigen
vnnd zustellen / Denn ich mich für reich vnd ghkkselig genug
achte vnd halt / wo ich allein E. Y&tterlichen G. gehorchen
vnnd vemAgen / auch vnbemAbet lassen vnnd dann das jenig /
so E. V. G. jhm verlassen / haben vnnd bekommen mögen
wArde. Auff diese rede / weil vnnd der Eeyser ab seuies
Sons Apolidon gehorsam vnd frtmbkeit / ein sehr grosses vnd
vnbegreiffliches wolgefallen emptieng / wanle er dermassen ver-
zuckt / dasz er vor lauter freud in selbigen fuszstaplfen ent-
schiieffe / vnd den Geist Gott dem Herrn seinem Schöpfler
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auÖ'gabe. Narli be^ichehener herrlichen begiebnu^z vnnd be-
stetigang zur Erd^n / jlurea Herrn Yatters Leichnam, liesK
A[K)lidon etliche Schiff zurichten / vnnd mit allerhandt not-
törfftigor Prouiandt iiucli iindci iii versehen / sasse tolgendts
mit etlichen seinen geliebten Edelieuten darein / vnnd dieweil
der wind seiner fbrhabenden reisz nach / gnt vnnd gl&cklich/
befEihle er die Anckem auffiniziehen vnd das Segel aoszzn-
ötrecken / Demnach sie gar baldt ferr auff das Meer kamen /
Tod das Griechenland ausser dem gesicht verloren. Seitemal
aber hernach durch entstandnen vngest&mmen wind die Schiff
verworften / vnnd docli entliolien in Italium oder Welschland
angelangt / auch sie daseibäten auszstiegen vnnd solches der
Keyser Suidan verstendigt wäre / fertigt er etliche seiner Herrn
vnnd Hofdiener zu jnen ab / nut befelch / jn zu bitten vnnd
freundlich zu laden / dasz er zu jlmi gen Koni kommen vnd
jhn heimsuchen wolte/ allda jhm alle freundschatt't/ebr vnnd
gute tractation / so viel m&glich / widerfahren vnd geschehen
solte. Auf diese inuitation erschiene Apolidon zu Rom / da-
selbsten er vom Keyser gantz herrlich empiangen / aucli sonsten
mit allem so wol gehalte wurde/ dasz/ ob er wol f&rhabens
gewest / an solchem ort vber acht tag nit zuverharren / dennoch
selbige sem nieinung verendert / vnnd lange zeit allda ver-
harret/ innerhalb deren er denn solche gewaltige/ Bitterliche
thaten volbracht / dasz er nicht allein ein sehr grosses lob
vnnd ansehen bey den Romern / Sondern auch einer jungen
Prinzessin / desz Keysers einigen Schwester holdschatft vod
liebe erlanget vnd gewänne. Vnd ob gleich wol jhr liebe beider-
seits gleichmassig /jedoch wurde disz junge Preuwlin (so vber
allemassen schon vnnd Grimanesa genant war) mit solchem
fleisz verwaret/dasz sie jr beider tragenden liebe vnnd begerde
mit dem werck nicht gnug thun noch volziehen kondten. Als
jnen aber autf ein zeit gelegenheit zugestanden / dasz sie etwas
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freundlicher vnd mit melirer gemeinschafft mit einander reden
mögen / verwilligten sie beide vnd versprachen jedes dem an-
dern / dasz sie zu jhrer Term4hlaiig Yimd voktieckung dersel-
ben / von dannen weichen ynd heiuilichen in ein frembdes vn-
bekaÄtes Land / da sie in ruhe beysamen leben mochten / ziehen
weiten / welches auch in kurtzem hernach beschahe. Dann
die schAne Grimanesa käme aaff eine beetunpte Nacht za
jhrem geliebten Apolidon/ welclier vor dem etliche Schiff zu-
rtbten lassen / vnnd jhr am gestad des Meers erwartet/ von
dannen sie als bald nach jhrer ankunfft darren segelten /vnnd
durch starcken wind -inner wenig tagen in die beschlossoen
Insel getrieben wurden / welche dazumal ein Biesz innen hett /
dessen doch der Apolidon ynd seine Mitgeferten nicht Wissens
trugen. Demnach vnnd dieweil sie in sicherm ort vnd mwi-
gem w^esen zu sein vermeinten / stiegen sie daselbston auff das
Landt / vnd richteten jre Zelt auff / damit sie sich widerumb
erholeten vnnd erlabten / Denn die Grimanesa /von wegen d«r
vngewohnten mAheseligkeit vnd grossen Widerwillens / so jeder-
menniglich desz eretenmals autf dem Meer zusteht / befände
sich etwas bl6d vnnd schwach. Aber in dem sie verhofften
jr beste ruh zu habe / Tberfiele sie ein Riesz / der sie hieuor
anlenden gesehen so vnuersehener sach dasz Apolidon kummer-
lich zeit vnd weil hette / sein Harnisch anzulegen / Daromb
die Grimanesa dermassen erschrack / dz sie von emgenomnem
schrecken schier verstorben. Denn der Riesz nam sie bey der
band /vnnd sagte zum Aiiolidon: Knecht / wiewol es nit mein
brauch ist / gegen jemandts viel freundtUchkeit zuerzeigen/
jedoch bin ich zufrieden vnd wil dir auff diszmal zugeben/
dasz du allein wider mich in kämpft' tretten vn streitten
must / mit dem geding / wo du von mir vberwonden / dasz
diese schftne Fraw mir bleiben / vnnd du hemacher an diesen
Maszbaum gehenckt werde solt. Als Apolidon veruomen / dz
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durch obnegung einer solche abscheuwlichen Creatur / er zumal
sich selb« vnd sein hertegeliebt Qemahl erretten migen wArde /
faste er ein so gut hertz / dasz jn nit schwer noch mühsam
beduocket / denselbigen aaff den plats zu crimen vn umbza-
briDge / besonder schetzet sich auch fftr gl&ckselig / dz jm
also gelegenheit lurgefallen / da er vor seiner Grimanesa zn
erkennen geben k6ndte / was er mit seiner Mamihaü'tea
handt vmid Ritterlichen g^genwehr aaszznrichten yenii6chte.
Derwegen der Icampff ohne langen yenmg zwischen jnen bey-
den ungienge i welcher doch / weil der ApoIidoD hitzig auf den
Biesen dartrange also / dasz er hindersich weichen must/vnd
in selbigem stolpert / auch za rftck nider fiel / nicht hmg
. wehret ^ denn der Apolidon spränge als baldt aulV jhn vnnd
jichlug jhme das Haupt ab. Nachdem nun die Einwohner
dieser Insel solches innen worden /kamen sie alle /vnnd baten
jn yndertbenigsts fieisz / dasz er bey jhnen bleiben / vnnd jhr
Herr / Beschützer ynd beschirnier sein wolte. Vnnd weil er
jhn solch jhr beger yerwilligt / vnnd zu sonderm gnedigen
danck anname / f&rten sie jhn folgendts mit grossem pracht
durch das Land hin vnnd wider / vnnd zeigten jlini darinnen
alle Üestungen / die jhn so wol erbauwet vnnd mit aller noturfl-
tigen Monition dermassen versehen bed&nckten / dasz er sich
vor des Keysers Macht / im fall derselbig / von der heimlichen
liinwegfürung seiner Schwester wegen / sich was mit gewalt
wider ihn fürzonemmen vnderst&nde / gar nicht entsetzet noch
Arehtet. Nachmals aber liesz er / anff der Grimanesa anhal-
ten / ein solchen schonen vnnd köstlichen Palast bauwen dasz
man in allen vmbligenden Inseln seines gleichen nicht kette
finden m&gen / welchen er yber das herrlich gebew / inwendig
mit vbergÄlden vnd anderem reichturab dermassen geziert/
dasz auch der aller gewaltigst Potentat / einen andern solchen
nicht hette machen lassen kinnen. Aber es begäbe sich vn-
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geferlit'h liinfftzelm Jar nach s«'lbii(ein / dasz der Kf vsci zu
Constantinopel sein Bruder / ohne leibliche Erben / mit Todt
abgienge / der vrsachen denn die Landsf&rsten / Herren vnd
Stinde / ein anseheliche Bottschafft ynd Legation zu dem
Apolidon abfertigten / mit dieser Werbung / dasz vnd in be-
denckung er der rechte / naturliche Ynnd necbste Erb selbiger
£6nigreich vnd Landen were / er gnedigBt solche in sein
schntz ynd schirm anffhemmen / anch sich anff das ehest darein
personlich begeben wolle / welches er nun one viel weigerns /
gantz gutwillig (Menschlicher angeboraer Natur vnd art nach /
deren b^erd jmmer vnnd allzeit vnersettigt ist) anname.
Diew^ aber entgegen die Grimanesa solche Instige Insel nit
gern verliesso / bäte sie jren Herren vnd Gemahel gantz
hreundtlich / dasz er vor jhrem abreisen in selbigem ort / zu
erinnemng vnd eingedencken der daselbst eingenomen finead vnd
wolgefallens / durch sein Ennst vnd wissenheit solche ordnnng
anstellet / dasz niemaadts / derselb were / denn beides in liitter-
schaffit vnnd getreuwen tragenden Bulschafft/so auffrecht vnd
volkommen als er / der ends Herr vnd Begent sein kindte.
Auff solches antwortet jr Apolidon / dasz er jhr zu freundlichem
gefallen / nicht allein disz / sondern auch weiters machen vnd
verschaffen wolt / das jede Fraw oder Jungfraw / was standts
die gleich were / nicht da hinein komen solte / wo sie jr an
tugent vnd schone nicht gleichen mochte. Hierautf liesz er
zu eingang eins garten / so mit allerhand lüstigen Baumen be-
setzt vnnd wol gepflantzt ware/em gewelb banwen/vnnd auff
selbiges ein steinern Manszbild / welches ein Trommet / gleich
als ob es blasen wolt / in der band vnd am Mund hielt / auff-
hchten / auch bey seines Palasts pforten oder Thor / sein vnd
der Qiimanesa Bildnnsz so sehr künstlich anszgehanwen / dasz
man sie fÄr lebendig achtet /stellen /vnnd dann nechst dabey
ein hohe Seul von Jaspen / auch ein halben Bogenschusz dar-
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TOn ein amU rn Kiüeru Flosten / so vngelelirlich tim& eleu hoch /
setzen. Alü qiid disz alles gehörter massen veronbet / sagt
er zur Grimanesa / damit sie wisset» haben mtcht wanunb
er solches gethan / nachfolgende wort vnd sprach : Geliebte
Gemahel / ich sag £. L. gewiszlich zu / dasz weder Mann noch
Franw / so sein erste Bnlschaffb betrogen / vnnd derselben liebe
gefeiseht / vnder disem gewelb oder Schwibbogen nit hmm
komen können. Dann da sie sich desselben vnderfahen / wirdt
die Bildnusz so £. L. vor äugen sehen / so erschrecklichen
bhuen/anch dmch das hom solchen flammen ymid geetanck
herausser werffen / dasz jhnen vnmÄglich sein wirdt f&rder zu
passieren / zu dem sollen sie so grob hinausz getiogt / dasz sie
aufi' der Erden vor dem Gewelb gestrecket ligen werden. Im
Fall aber /dasz ein getreuwer Bnler oder Bnlerin diese Aben*
thenwer versucht / so wirdt das Bild so lieblich vnnd wol
blasen / dasz solches den ziihnrern grosses vnd angenemes ge-
&llen bringen: ?nd also daselbsten derselb oder dieselbe / one
einiche yerhinderang / fort hinem gehen migen wird. So dann
werde sie in diesem Jaspen vnser beider Abconteifeihtung /
auch jre namen geschrieben finden / vnwissent / wer sie darein
gehanwen / vnd damit £. L. sehen Ynnd erfahren / dasz dam
in waiheit also sey/so willen wir es halt / wo E. L. gefellig/
versuchen. Hiera uif name er die Grimanesa bey der band /
vnd als sie vnderm Schwibbogen hinein tratten / bliesz dasz
steinen Mansbild sehr vnd vber alle massen liebliche Melodey.
Folgendts giengen sie znm Jaspen / da sie jhre Namen nenw-
lichen darein gegraben sahen. Dieweil aber die Grimanesa
gern sehen wolte / wie es den andern / so jr nachfolgte / ergehen
iftadid I mffet sie etlichen Jonckherm vad Junckfirawen / anff
dasz sie die Abenthewr yersnchten. Aber in dem sie durch
das Gewelb hineyn zu passieren vermeynte / bliesse das Bild
80 erschrecklichen / yn schlng so gransamer flam fewr vn rauch
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lierausser / dz sie alle weit hiiulan auiVni Boilen oniuAi htig
danider gewoi-ffen wurde / dessen denn Grimanesa begundt zu
lachen / weil jr wol bewnst / dasz solchs ein forcht on gAht
war / vn daiieben iren Herrn Apolidon / dasz er solbiires vnib
jrent willen der gestalt angestellt vnd gemacht / gantz freiindt-
liehen bedancket Doch sagt sie / geliebter Herr vnd Gemahl /
wem wftUen E. L. dieses köstlich Gemach vnd Kammer /in
deren E. L. vnd ich so viel lusts vnd vernugens eyngenommen /
verschaffen? Ich wil es £a. L. jetst bald sagen / antwortet
er. Als den liesz er zwo andere Senlen machen / die eine von
Marber / welclie er fAnft' schritt weit von der Kanior setzen /
vnd die ander von Kupftier / so er abermal funff schritt weiter
f&r die Marberin hinansz anffrichten liesz / alldahin trag?.
Folgendts sagt er zu der Grimanesa : Liebe Gemahl / ich wil
E. L. nit verhalten / dasz hin! ü ran weder Fraw noch Mann in
dieses Gemach vnd Kammer kernen sol / bis dasz der oder die
liine3rn gegangen / so mich an Mannheit vnd BitterschatFt / oder
E. L. an schöner gestalt vbertreffen wirdt. Vnd da nun durch
Schickung desz gl&cks dieselbige / so dieses gewaltigen fi^rtreff-
liche orts wirdig seyen / hieher gelangen / werden de/vnd sonst
auch menniglich hienach / ohn einige Verhinderung / ausz vnd
eyn wandern m6gen. Nachgoliends liesz er an die KÄpfferia
Senl diese Wort schreibe: Jeder Ititter/so diese Abentheuwer
versuchen / wirdt seiner tugendt vnd starckm&tigkeit nach/
vnd also je einer weiter / nachdem er den andern in Mannheit
vbertrifft / diese Seul f&r&ber gehen. An den Marberin Pl6sten .
Keiner vnterstehe sich f&r diesen anf^erichten stein zu passieren /
vnd dem Gemach zu nahem / wo er nicht ein besserer Ritter
als der Apolidon st. Vnd denn zu eingang desz Gemachs
schriebe er vber die Th&r: Dieser / so hierein gehet / wirdt den
Apolidon in Kriegssachen vbertreffen / vn nach jm Herr vnd
Hegent dieses Lands seyn. Letzlich verordnet er / dasz ein
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jeder / HiYor Tnd ehe er za dem Gemach (von dem oben geredt /
Tnnd welches nachmals das verbotten Gemach genannt worden)
gienge / die zwo Sellien aiiriiren / vnnd daselbsten sein Mann-
heit versachen mhst Im fall aber einer oder viel sich vntei-
stdien / Tnter dem Schwibbogen der getrenwen Liebhabern
(denn also nennet man jn) hineyn zu gehen / doch widerumb
hinder sich hinausz geworffen würden / befahl vnnd statuiert
er/dasi man dieselbige ausser der Insel / als fiüsche vnd misz^
trenwe Lent / verjagte / Heigegen den anl!i*echten vnd ge-
treuwen alle elir vnd diensteibietung zum muglichsten erzeiget.
Benanntlichen aber selten man die / so die abenthewr der
Scalen versachen / vnd doch nit Ar die EApfferin Seul hlnansz
gehen wurden / zugleich wie andere falsche Buler halten.
Doch da sie vielleicht füi- solchen passierten / dasz jhnen allein
jhr Wehr oder Schwerdt / zu ynterschiedt der andern / abge-
gtrtet wArde. Aber wenn ein besserer Bitter zn der Marberin
Seal kommen kondte / dasz man demselben nur den Schilt/
Yond da er weiter hineyn / doch nicht gar bisz in das Gemach
gienge /allein die Sporn abnemmen solt. Ynd so viel die
Frawen vn Jungfrawen belangte / die gleicher gestallt diese
Abenthewr der getreuwen Liebhaber veisuchen / doch nicht
hin^. kernen /sondern hindersich geworffen wibrden / rerordnet
Tnd gebot er / dasz sie jhre Namen anzeigen mÄsten / damit
ma hemacher selbige zu eingang des Schwibbogen / benebe
Yermeldong der schritt/wie viel jede dahinein gegangen/anff
sehrdben michte. Nachdem aber die zeit kommen Tnd diese
Insel von dem Herrn / so jr versprochen / eyngenommen seyn
, wirdt / alsdann solten diese Zauberey kemem Mann mehr
schaden thun/ besonder desselben gefreyt Tnnd sidier sejm.
Gleichwol selten die Weibsbilder solcher gefahr nicht enthebt
werden / bisz auch die schöne Fraw oder Jungfraw hineyn
gehen /Tnd die andern alle dadurch freyen w&rde. Bndlichen
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TOr seinem abeclnedt setzt Apolidon einen Gubernatorn oder
Statthaltern in die Insel / damit derselbe mitler weil / bisz der-
jenige/so solcher wirdig ynd wehxi/ seinen reden tö beschelieiiflr
Ordnung naehkommen w&rde/alle Zinse /GAlten vnnd An-
kommen empfienge vnd einneme. Etlicli tag nun hernach /
als er all sein Sachen genügsame fteehung gethan / vnd die
Schiff allerdings znrästen lassen / segelt erdarron/niddieweil
er gnten Wind / kam er am gestad zn Oonstantino)M}l /
da man denn jn gantz herrlich vn mit sonderm Pomp empiieog /
gl&cklichen Yud wol an.
(Am dem S. Capitd des 2. Boches.)
Der Frincessin Oriana schreiben an den Amadis.
MBin Tn&bersohwencklicher knmmer vn schweres anligen/
so ausser vielen bewegenden vrsachen herkompt / zwingt vnnd
dringt mein schwache band / durch disz gegenwertig schreiben
das jenig ntrermelde / so mein trawrigs herte euch Amadis
anse Franckreieh / als einem misztrenwen ynd Meiniydigen
Mann nit lenger vorhalten kan oder mag. Dann seitemal
ewer misztrew vod vnbestendigkeit gegen mir (die ich allein
vmb der vrsach willen/dasa ich ench hie anff Erden ftr md
ob allen dingen lieb gehabt / ynselig vü von allem guten glAck
verlassen bin) Jetzunder offenbar vnnd hell am tag ist /für-
nemlichen aber jr endi also vnfaillicher weiss von mhr eni-
enssert vnnd hindan gethan /damit jhr sn deren /wdche (an-
gesehe jr jugend vnd vnbescheidenheit) euch doch keine gunst /
noch fteundtUchkeit zu erzeigen weisz / kommen m&gen: So
Inn ich anch bedacht/die ensserste inbrinstigo holdsehaIR
vnd liebe / so ich euch zuvor getragen / in ewigkeit von mir
zu verbannen vn zu vegagen / dieweil je mein bekümmert hertz
kein andere Bach nemmen kan. Vn da schon ich das vn-
redit / welches jr mir bewiesen / gern in gntem anfheniDien
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wolle / jedoch w^de es ein grosse thorheit an mich sein / dasz
ich einem Tndaokbani / za weldies ▼olk<»iimea Uebe ich mich
8^ / auch alle andre ding rerhasse / was ^ts erzeigte. Aber
ach / ach ,/ ich werde jetzunder (doch leider scliier zu spat)
gar wol gewahr / das ich mein freyheit einer so yndanckbaren
person zqyü vbel vndei^eben / in betrachtong dasz zn wider-
geltnng memes Tolbrachten seufftzens vnnd anliegens / ich mich
jetzt vnehrlicher / öchmehlicher weisz verspott vnd betrogen
sehe. Dem allen nach so verbiete ich euch dasz jhr euch
weder vor mir /noch an dem ort / da idi wohnen wbd / finden
lassen / desz entlichen Versehens gegen mir / dasz mein hertz-
liche liebe vnnd affection jetzo durch euwern dienst vnnd be-
8chuldeii/in feindschafft vnd grewliche w&t verendert ist
Dammb' jr hinf&rt an (mit ewer gefälschten meineydigen
treuw/vnd gezuckerten süssen wortlein) wol anderstwobin ziehen/
vnd andere voglückhafften Frauwen oder Jungfrawen / zu gleich
mich betriegen vnd am Karrenseil f&ren mögen / der vnge-
zweiffeite hoffhnng/dasz enwer entsehUdigung keine bey mir
statt noch platz werde liaben kondten / besonder beger euch
nimmermehr anznschawen / vnd daneben allein die vberige zeit
meines kummerhaften lebens mit vbeiflAssigen hauffeohtigen
zibem znklagen vnd zntrawren / welche nicht anffhiren wer-
den/denn nur wenn da sterben wiirdet.
Die / so gern sterben w6lt / wo allein jr
nit der todtachliger weret
Als nun dieser Brieff verferticft vnd zugemacht / liesz
Oriana ein Jungen vom Adel / der Jungirauwen ausz Denmarck
Bmder/Dorin genant /berÄffen/ welchem sie sonders wolver-
tranwet / vnnd ansztr&ckenlich befiihle / dasz er one einigen
Verzug zum Amadis in das Königreich Sobradisen ritte / vnd
ihm forderlichen das schreiben / so sie jm hiemit zustellet/
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vberantwortet. In Sonderheit aber solte er gut achtnnjr sreben /
vnd ein fleissiges aulfnierrken haben / wie er sich im losen
stellen / Timd wess er sich hernach whalten wikrde / doch d&rffle
er /ob jhm gleich Ämadis eine e) ubehendigen wolte/ kein
widerantwort bringen.
Das IIL GapiteL
NAchdem Durin der Prinzessin meinung vnnd befelch /
nach der leng verstanden / sasse er zu Eosz / ?od wendet
solchen fleiss ftu/ dasz er den zehenden tag hemadi in der
gewaltigen Statt Sobradisa ankäme / allda er die nengekrSnte
Königin Briolania fand / die jn das aller schonest Freuwlin
vnd Prinzessin bedunckt/ so er jemals nach der Oiiana ge-
sehen. Nachgehends veimeldet er jr/wie er aaszgesogen den
Amadis zn suchen. Aber sie antwort jhm herwider dasz tor
zweyen tagen jungsthin / er vnnd seine gesellen widerumb
nacher grossen Britanien abgereiset/ doch were jhr hieoach
bericht eynkommen / wie dasz sie jren we^ gegen der be-
schlossnen Insel zu genommen. Derwecren auch Dnrin ohne
lenger verharren vrlaub name / vnnd solang fort zöge / bisz er
. in der Insel eben m der stnndt ankam / als Amadis vnder dem
Schwibbogen der getrewen Liebhaber hienem gegangen. Dar-
umb auch der Durin gesehen / wie das steineiin bild mehr
f4r jhn denn keinen ander Ritter gethan / so jemals / wie die
Einwoner sagten / sich desselben vnderf angen. Vnd als Amadis
sampt dem Agraies seinen BrAdem / so heransz geworffen waren /
zuließ'/ vermeint Durin jn anzusprechen Aber Gandalin bähte
jhn solches zuvcrzielien / bisz er die gefahr desz verbottnen ge-
machs Tersncht/dieweil jm wol bewust/dasi er jm Bri^ von
der Oriana bracht / welche jhn Tiellflicbt an seinem Amenien
verhindero/ oder darvon abwendig machen m6gen. Denn
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Amadis wäre gedachter Princessin dermassen ergeben vnd ge-
iiorsam / dasz er nicht allein die beschlossene Insel / sondern
auch die gantze Welt zumal / da de jhm solches befohlen/
von jhrent wegen hette in die Schantz schlagen vnd verlieren
w6llen. Nachdem er aber alle Abenthewr vnnd wunderbar-
liche ding ToUendet/ auch die Vnierthanen jhme gehuldigt/
da praeeentiert mek Dnrin vor jhme / Welchen Amadis fraget /
was es für ein neiiw Geschrey an des K6nig Lisuarts Hof hette.
Gnediger Herr / antwort Durin / ich hab solches allerdings in
dfim stand vnd wesen verlassen/ als deiselbig in £. G. ab-
scheiden gewesen / vnd als er in seiner Bed f&rfahren weite /
nam jn Amadis bey der Hand / vnd giengen allein mit ein-
nand* in ein schdnen Lustgarten / folgends forschet er von jm/
wie er in die beschlossene Insel kommen. Qnediger Herr/
antwortet er / mein G. Fräwlein Orinana hat mich der sach
halber / so £. G. ausser dem schreiben vememen werden / ab«
gefertigt Vnd hiemit vberreicht er jhm den Brief/ welchen
Amadis empficng / vnd hemacher dem Durin den r&cken kehret /
damit er die verenderung seiner faib an jme nit spüret noch
vermercket Dann vor grosser freud fienge jme an dz hertz
aaff zuspringen / also / dasz er schier nicht wust / wie er sich
stellen seit. Aber diese newe verenderung ward bald in ver-
zweifflung verkert/ Seitemal er ausser demselbigen jhren ge-
raten hasz vnnd sein Verbannung verstünde/ vnd deszhalber
mit solcher grossen trawrigkeit vberfallen ward / dasz er selbige
nicht lenger verheHgen kondt / besonder so kleglich zu weinen
anfieng/ dasz es zu erbarmen / Darum den Durin sehr rewet/
dasz er jme so vnglAckliche vn leidige Brieff gebracht /ob
jhm gleichwol derselben Inhalt vnbewust. Jedoch mocht er
solches nicht mehr f&rkommen/ vnd dorffte sich auch nicht
zum Amadis hinzu thun/ welcher so verstockt vnd verwirt
waid/ dz er auff das Grasz damider fiel vnd das schreiben
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ausser der handt falleu liesz/ das er doch bald widerumb
aafihabe ynd von newem läse / denn ja gleich der anfong der-
massen betr&bt/ dasz er soldis nit hin zam ende lesen kinnen.
Als er aber die Subscription vnd wie sie sich vnterschrieben
(Die/ so gero sterben wölt/ wo allein jr niclit der Todt-
scfalftger weret) gesehen / da begandt er zn seofi'Uen / als wenn
jme die Seel anszgehen wolt / ynd schlag hindersich an rAcken
danider / dessen der Durin nicht weniger erschrack / vnd jme
Ztthelfl'en vnd auffzuheben zulieff. Dieweil er aber sähe / dasz
er wie ein todter Mensch / weder hendt noch titBz reget /auch
das hieransz entstehendt ybel vnd ynrath fftrchtet/ynd der-
wegen den Galaor oder einen andern zu berußen / doch da-
neben gedacht / dz was geschreyes oder rumor hierausz er-
wachsen m6chte / So yerzoge er demnach solches ansa gehirten
▼rsachen/ gienge nachmalen hinan ynd hnhe jn anff. Da
schrie Amadis / Ach Herr Gott / waruuib giljst du zu / dasz ich
also vnuerdienter sachen sterben musz. 0 mein trew/ was
danck ynd widergeltong empiahest da jetaunder Ar dein red*
Hcheit Nnn hat mich die yerlassen/ ymb deren willen ich
ehe tausent ibdt erlitten / denn dasz ich jhrer befelch einen
yberschritten haben w6lt' Nacher beschawet er den Briefi'
erbermlichen an ' ynd sagt: Ach glAckseliger BrtdS/ dieweil
dn dnreh die allerf&rtrefBidiste Person / so jetzt dw zeit lebet /
geschrieben worden / doch bistu noch viel vngluckhaffter / weil
du den allergetrewesten Liebhaber /so jemals ymb ein Frawen
gebolet / ymb das leben biingesi Aber ynd damit idi solehen
mein todt desto mein* befftrdere / so wil ich dich stetigs die
tag meins lebens bey mir behalten. Hierauff stiesse er den-
selben in sein Basen/ ynd iragt den Darin/ ob er befelch
hette jme was weiters anznhxingenP Neiyn / antwort er/ Wolan
sagt Amadis /ich wil dich btaldimit antwort wideramb ab*
fertigeD. Qnediger Herr / antwort Darin/ es ist mir auss-
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— 395 —
trÄckenlich befohlen worden / dasz ich keine empfahen sei.
Hat über / sagt Amadis / das Frewlin Mabila Tnnd dem
Schwester dir nidits anfferlegt mir anzuzeigen? Keyn Gnediger
Herr / antwortet er. Dann sie haben nicht von meiner Keisz
gewüst dieweil meine Gnedigste Prinzessin mir sonderlich in
befelch gegeben / dasz ich es niemands sagen soli Ach Gott/
sagt Amadis / ich sehe wol dasz weder htiff noch rath mehr
da ist. Demnach stunde er auf / gienge zu einem Bdchlin so
vberzwerch durch den Gai*ten lieff/ vnnd wusch daselbsten
seme angen/Folgendt befiihle er dem Darin/ dasz er den
Qandalin bemffet/md allein mit jme keme. Als sie nn bey
jme erschienen / fanden sie jn abermals in einer onmachb liegen /
aber er käme wider zn sich selbe / Tnd sagt zum Gandaün:
0 lieber Gandalin/es ist ansz mit mir/daramb hole Isanian
den Gnbematom dieser Insel / vnd bringe jn allein mit dir
alhero. Auif disz lieil üandalin dahin/ vnd bliebe nit lang
ansz / besonder giengen sie beide zu jhm / Tnd derwegen so
sagte Amadis zu jm: Isania )hr seid der pflicht/ so jhr mhr
gethan / wie auch der trcw so jr mir zu leisten schuldig /
gnugsam eingedenck. Vnd wiewol mii* nicht daran zweiffeit/
80 bitte ich euch doch/ w6llen mir femers/ als em ehrlicher
Bitter / versprechen / alles das so jhr ?on mir / bisz morgens
meine Brfider Predig gehört haben / sehen werdet / in still
vnd enge bey euch zu behalten. So dann solt jr auch heindt
die Nacht desz Schlosz Pfordten 6ffiien/ vnd da Gandalin dich
gerAst halten mit mdnem Boss vnnd Harnisch / damit wir
one menniglichs wissen hinweg scheiden m6gen. Als bald sie
von jhme hindan gegange / erinnert er sich eines Traums so
jm die vorgehende nacht fArko&en/ da jn bedAnckt/ wie dasz
er in seiner Ristung anlf dem Pferd aaflf einem hohen er*
hebten erdtreich mit viel Beumen gepflantzt/ vnd rings vmh
jhn viel Leut/ so da vber alle massen fir6lich weren/ vnder
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— 896 —
welchen jemands jme ein Buchsen furhielt vn sagt: Herr ver-
sucht was hieinnen ist / das er nun thete / vnnd derwegen
solchs gantz bitter vnd herb so essen befände/ auch in dem
er dasselbig hinweg weriFen wolte / jhme seins Boss z&gel
brachen / darunib dasselb anfieng gegen berg vbersich zu lauflen /
dasz jhm nicht m&glich wäre /selbiges anffzuhalten / Tnd die-
weil er ferr yon solcher frftlichen gesellschalt hindan käme/
bedunckt jhn / dasz er sich vrabsehe / vnnd jhr vorige freud in
grosse hohe trawrigkeit verwandelt were/ deszwegen er er-
birmbd mit jhnen hette/ vnd gern vmbgekert/ wo er sdn
Pferd meistern migen / dieselbige zu tr69ten / doch lieffe sdches
i&r in einen tieffen dicken Wald vnd verwachsen gestand / da
sein Pfordt/ weil es anff einem Felsen mit wasser Tmbgebeo
wäre / still stunde. Als denn ?ermeint er / wie er abstige /
damit er docli ein wenig ruhen mochte /vnd sich auszz6ge:
Aber vnlang auf solches ein gar alter Mann zu jm kerne/
jn gleich/als ob er sich seiner erlittnen mibe erbannet/bey
der handt neme / vnd etliche wort in einer auszlendischen vnd
vnbekandten Sprach / die er nicht verst^inde / zu Jm saget / vnd
als er in solcher pein wäre/ so erwachet er daran. Diesem
Tranm gedachte Amadis nun gute wdl nach / yn eiachtet bey
sich selbs / das selbige nicht alle mal gar in wind zuschlagen
vnd für nichts zu halten / sonderlichen weil er vermerckt / dasz
schon etliches zum theils in seinem Traom erttllet Demnach
gienge er zu der Pforten /da Gkmdalin vn Jsania mit seiner
Küstung warteten / walt'net sich daselbst / Sasse folgends zu
Bosz/ vn zöge one achtnng geben desz wegjs damon/ bisz er
zu einer Kirchen anff dem Feld käme/ alda stand er ab/
gienge hinein / fiel auff die Knie danider / vnd fienge an mit
inbriinstigcr andacht zu betten/ dasz jme vnser Heylandt
Christus/ als der rechte trister vnnd einige znllucht aller be-
kAmmerlen / gnedig seyn / jhm seine begangene sAndf^n vensrnhen/
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— 897
TTid vnangeschen derselben / vrä seiner grossen barmhertzigkeit
auch bittem Leidens vnd Sterbens willen / sich seiner armen
Seel (sa demt vnd aller Menschen erlAsnng er aoff Erden
kommen) erbarmen / vnd amner dieser eossersten not ynd an-
fechtung erretten w6lte / nach dem stund er widemmb auff /
rafft den Gandalin fast vnd truckt jn in seine Arm / yü sagt:
Oetrewer lieber Gandalin / dn vnd idi seind mit einer müoh
geseuget / vnd jederzeit mit einander anffenogen worden / also /
dasz ich weder m&he noch arbeit erduldet / die du nicht auch
gmigsam Tersncht Tnd einen guten theil dauon Angenommen.
So hat mich dein lieber Vater ausser den Wellen dess Meers /
als ich erst einer nacht alt gewesen / gefreyet vnnd errettet /
auch dein Mutter hernacher mich/ als wenn ich jr leiblich
Tn hertzgeliebtes Kind were/ gantz zartiglich/freundtUch vnd
wol aufferziehen lassen. Nun ob ich wol ferrers dein getrewen
dienst / so du mir von jugendt auff bewiesen / gnugsam er-
kennet Tnd erfiiren habe/ vnd derwegen (wie ich denn allezeit
in hoiliimig gestanden / mit der zeit vnd Gottes bAlff dich
deszhalber zu belohnen) wol geneigt were / dir solche trew vnd
fleisz zu widerlegen vnd zuvergelten / So ist aber / wie du selbs
siheBt/mir solch grosser vnftll zugestanden / welcher mür be-
schwerlicher vnd vberÜstiger denn der tod selbst ist / dasz ich
dich jetzundt verladen musz/ vnd daneben nichts zugeben/
noch kein andere gnad vnd gutthat dir znerzeigen wem/ denn
dasz ich dür die Insel / so idi erst on gestern bekommen /
schencke vnd zustelle. Darumb befehle ich dem Isania vn
aU meinen Ynderthanen / bej der pflicht vnd huldigung / so sie
mir gethan/dasz sie dich /so baldt sie meines tods Tergwis-
sert sind / f&r jren Herrn auff vnd annemen. Doch ist mein
wil vnd meinung / dasz dein Vater vfi Mutter solche jr leben
lang innbaben / vnd hernacher du dieselbe gleicher gestalt be-
dtaest / damit jnen etlicher massen die erzeigte trawYU liebe/
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— 398 —
weil ich jiMn je jhrem yerdiemt vnd mdner begirdt nacii/
nicht mehrers zu thun weisz / vergolten werde. So viel aber
euch Herr Isania betrifft / ist mein gesinnen ?nd beger / dasz
jr Yon dem emkommen dieser Insel / so jr nan lange leit hero
m eurer Gnbemierang empfluigen yü eingenommen / m Sdnd
▼nd denn ein armer Leut hausz mit geb&rlichem eintrasr zinsz
vnd gülden / zu der ehr Gottes / demasseu auffbaweu vnd so
stattlich TOisehen lassen / dasK dreissig personeo danon sich
wol erhalten mtgen. Ach Gnediger Herr antwort Gandalm /
dieweil ich Eu. G. (wie die selbs jetzo gesagt) niemals weder
Tmb arbeit noch gefahr willen verlassen / auch dasselbig ich
noch zuthon nicht weniger gantz Ynderthenigs fleiss gewüt/
So bitte E. Gn. ich / die wftlle mich bey jr lassen. Denn da
E. G. ausser dieser Welt scheiden solte (dauor doch Gott
lange zeit gnedig sein w6lle) b^er ich nach derselben ab-
sterben nicht mehr zo leben / in massen ich denn weder frend
noch knrtzweil haben ktndte. Dammb so migen E. G. dero
gnedigem gefallen nach / solche Insel deren Brudom / meinen
anch gnedige Herrn / presentieren vnd vbergeben / seitemal ich /
beneben gethaner yndertheniger danoksagung/ solche nicht an-
nemmen wil / vnd in keinerley weisz* zn haben verlange. Nnn
schweige / sagt Amadis / vnd gedencke dieser reden nicht mehr/
da da mir änderst nit miszfiülens enseigen wilt/ besonder sej
meinem befelch gehorsam / denn meine BrAder werden wol
herrlichere Lender vnd herrschafften fftr sie vnd jre freund/
den diese so ich dir jetzo zustelle / bekommen vn erobern raocren.
Was denn euch belangt/ lieber Isania / ist mir bey glauben
gantz Iddig / dz ich nicht zeit vnnd gelegenheit habe / eoch
ewenn verdienst nacli / zu tractieren vnd zuhalten. Nicht dest
minder aber bin ich der hoffnung / weil ich euch vnder so
fiel meiner lieben Herrn vnd gaten (reond verlasse / dieselbe
werden / was an mir ermangelt / erstatten in hereyn bringen.
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899 —
Onediger Herr / antwortet er/ich bitt E. O. Tiidertlieiug / die
w6llen mir allein gnedig vergönnen / dasz ich mit derselben
ziehea / ynd beides gut vnd b6ses / so dero zubandt stossen /
mit eionenmieii nige/ denn solche mein Yiiderttieiiigeii/
neigten willen mehr denn gnngsam Temtgen ynd contentieren
würde. Lieber Isania / sagt Araadis/ mir zweiffeit gar nicht
daran/ vnnd dieweil aber mein vnfall vnd widerwertigen zu-
Staudt 80 gton/ dass solchem nionands/ denn allein der
AIhneehtig helifen kan / so verharret jhr nnn hie / denn ich
keines andern Gleidsmans denn seiner G6ttlichen hülff (welches
der beste vnd verwarsamest) begere. Derwegen Gandalin / wo
da lost hast zn der Bittenehaft/ so nimb hin jetzo mein
Rflstnng vnd wehr / denn ich sdiencke sie dir / in bedencknng
dz billich ist / weil du solche zu anderer zeit so fleissig ver-
wahret vn auffgehalten / dasz selbige dir nun auch dienstlich
Seyen / angesehoi dass deren ich hinfko nit vielmehr be-
dAriTen werde / im fUl aber dn Heber solche ehr von
meinem Bruder Galaor empfahen woltest/ so sol der Herr
Isania jhne von meintwegen daramb bitUichen anlangen / Wie
denn an dich gleidiihls mem beger/ dasz da jme als mür/
getrewlich vnnd wol dienen thust / denn er mir so hertzlich
lieb ist dasz sein abwesen neben andern meinen bekÄmerlichen
ob vnd anligen / mir nicht den geringsten schmertzen gebiert
vnnd bringet / in betrachtang / dasz ich jhn allezeit getrew /
gehorsam / geliissen vnd dienstlich gegen mir gespAret vnd er-
funden. Du solt jm auch daneben anzeigen/ dasz er mein
Zwerg Ardan za sdnem Diener anneme vnd dasz er jme solchen
befohlen seyn lasse. Dem Zwergen aber wirsta vermelden / dasz
er jhme vndorthenig vnd wie sich gebürt Heissig diene. Als
er nun dieser reden pfleget / gieng es jme derraassen zu hertzen /
dasz er wie aach die andere / das weinen nicht verhalten
moehie/ folgende botte er jnen die hand vnd sagt: Wolan
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— 400
mein liebe / dieweil ich nit verhoffe / euch lortan mehr zusehen /
80 Ist an euch mein letzt beger vnd gesimien / wftlt auch Qoü
f&r mich bitten /vnd keiner /bey yerlienmg seins Leibs vn
Lebens / mir nachfolgen. Demnach sasse er widerumb auff sein
Rosz/ stäche dasselb an ynd reimet on Schilt / Lantzen vnd
Beckelhauben daaon. Ynd dieweil er sein Pfeidt ama ge&Ueos
laoifen liesz / ynd fast die gantie Nacht flmiset / baue er
gar weit in ein Wald hineyn / vnnd als das Pferdt jmmer
sein stapff fortgienge / Bitte Amadis vnuersehener sach wider
etliche ist/ die jhne so grob anff die Nasen traffen/ daaz er
znm theil seiner fkntasey vnd gedancken / denen er naehsinnet /
yergasse / vnnd derwegon vbersich schau wet / aucli also gewahr
wurde / dasz er in einem gautz dunckeln / einsamen vnd w^ten
ort / mit viel dicken hecken yerwadisen wäre/ dessen er sich
'sonders efrewet / weil er yermeynt / dasz man |n nicht Idcht-
lich alda finden oder suchen wurde. Dasei bsten st^^ige er ab /
bände sein Pferdt au vnd setzte sich smSl das grasz danider /
damit er semer Melancol^ desto besser nachgedencken michte /
Aber er bette so sehr geweynet/ vnd derwegen dz haapt so
toU vad lassz gemacht / dasz er bald darauff eutächliefie.
Das niL Capitel.
ALs Gandaün/ der da sampt dem Isania vnd Dnrin in
der Kirchen geblieben/ wie erst oben gemelt/ also halb
zweiffelt seinen Henn Amadis dahin ziehen sähe / fieng" er ein
gautz jamerliche^ klagen vnd trawren an / vnd sagt : Ob er
mur gleich verbotten/ jme nit nachzufolgen/ so wü ich doch
nicht da bleiben / sonder jhme nachziehen / damit ich jme som
wenigst<*n seine Rustunge bringe. Ich bin wol zufrieden /
antwortet Durin / auch diese Nacht gesellschafft zu leisten/
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— 401 —
wilie aber Qott/ dasz wir jlm in einer beeeem meiniug vnd
f&ilMbeD finden / denn als er ron hinnen gescheiden ist. Anif
solehs namen sie vom Isania vrlaub / sassen zu Rosz / vnd zogen
den weg so Amadis daraor genomen / vnd den femer in dem
Wald so lang hin vnd wider / bisz sie dnrch scbicknng des
glÄcks m dem ort da er schliefF / kamen / da fieng sein Pferd /
weil es die andere Temam / an zu wiolen / daher denn Gandalin
erkant / dasz sein Henr nich weit war / vnd damit er heimlichen
sdie/ wessen er sich verhielt/ stunde er ab/ gab sem Pfordt
dem Durin zn halten / vnd gienge so nahend zu jhm / dasz er
jhn neben einem B&chlein schlaffen sähe / derwegen er daselbsten
still stand vnd seines erwachens erwartet / aber sein schlaff
wehret meht lang / sonder erwachet bald darnach vnd wischet
auiT / als wenn er erschrocken were / damals war der Mon schon
vnder/ vnd die Soii ein wenig herfur gegangen. Nichts dest
weniger setzt er sich wideramb anff das grasz danider/ fieng
ein sehr erbirmlich klag an / vnd sagt weinend. 0 verblendtes
vnd vnbestendiges gluck / stieffmuttcr der wolfart / Emereiin
des vnfals / greuliche feindin der IViedfertigkeit / erweckerin der
kri^g / Widersacherin der rohe / Geleidtsminnin der wider-
wertigkeit/ ach warum wilt du mich so grausam verfolgen?
0 verfluchtes vnd vermaledeytes gluck / wie viel gewaltiger
Menner vnd herrlicher Lent hastu mit dieser deiner wanckel-
mAtigkeit angefochten vn nidergetruckt? Ach zu viel wanckel-
baies vnd vngegrAndtes gl&ck/ansz was vrsachen hastu mich
vber all andere furtreffenliche Bitter erhebt vn erliucht / damit
du mich hernach so leichtfertig widerumb in abgond st&rtzest?
Aber jetzonder sehe vnd er&re ich wol / dasz du einem
zn einer stundt mehr vnfals vnd widerwertigkeit znrftsten / denn
in taosent jaren gnad / ganst oder guts erzeigen magst. Denn
da du wir schon voncfaiener zeit was freud vnd wolgefallens
wideifuren lassen/ so hastu mur soldie doch jetzo in einem
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Angenblick alle wictonim entfkri/ Tnd mich in yberttstiger
irftbsal / die mir hAher denn der Todt selbe beschwerüeher /
verlassen. Da du aber je last gehabt / mir solch Pancket zu
schencken / So soltesta billich zum wenigsten eins dem andern
gletchmessig gemacht vnd getfaan haben / seitemal dir bewnst/
dasz / ob du mir gleich zn andern Seiten was ▼ernAgens gege-
ben/ dennoch solches nicht one angst vnd not mir zu theil
worden. Also soltest dn mir anch jetsmalen / benebe dieser
gienlicheit/ etwas hoffbnng vorbehalten / vnd midi nit so yn-
barmhertzig geplagt haben / dasz anch alle die / denen dn
günstig / solches in jhro godancken nit fassen k6ndten / Welche
zwar / weü vnd sie solch vbel noch nicht wissen vnd erkennen /
den Ruhm / glori / pomp / pracht vnd ehr / so dn jnen verleihest /
bestendig / sicher vnd jmmer wehrend achten / vn nit einge-
denckens tragen / dasz vber die schwere mhh vnd arbeit / so
jhre Leiber zn handthabnng derselben vberstehn / auch jre
Seel biszweilen in grosse gefahr der verdanmisz / vn also (wie
man zusage pflegt) auff der vbei thur gesetzt stehen. Derwegen
da sie mit jren jnnerlichen äugen desz veistandts vnnd ver-
nnnfft / welche der alimechtig jnen mitgetheilt / dein desz glAcks
wanckelbarheit sehen vnd beschawen kAndten / so wArden sie
(vngezweiflflet) viel ehe dein widerwertigkeit / denn vnbestendige
wolfart (ob die gleichwol jhren begierden vnd gelüsten geniAsz
vnd gleichförmig) begeren vh wibdschen / denn durch dein
sartigkeit vnd scfameichlerey dn sie verfftrest vnd verderbst
vnd entlichen dringest in den jrrgang vnd Labyrinthen der
bitterkeit vnd mühseligkeit zu gehn/ damit sie hernach nit
Mfar heranszkommen kindten« Hergegen aber so sind deine
widerwertigkeit vnd vnglÄcUicher zustand nützlich vnd fbrder-
sam / dieweil man hiedurch / da man selbige mit gedult wider-
^ehet / alle begierd vnd vnzimliche gelüst / auch ehrgeitzig-
1^ iiehet/ zn der rechten erkantnnsz vnsere Herrn Qettee
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— 408 —
angereitzt vnd von diesem aibeitseligen leben in die ewige
fread TDd gloh erhebt w&rdet. Dessen alles doch vnange-
sehen/hab ieh ToglAcUiaffter solchen gaten heilsamen weg
nicht erwelen mögen / in bedenckung / dasz wo gleich die gantze
Welt mein vnd mir durch dich hingenomen were/ vnd aber
ich allein meiner hertsgeliebten gonst Tnd huld nit verloren
hette / solches mich genugsam hedAnckt / mi^ in aller wolihrt
vnd gutem glück zuerhalten. Darumb seitemal mir selbige
entzogen / so ist auch vnm&glich dasz ich lenger leben kinne /
wie denn mein eüdg hitt/ wdl es je nit aQderst daran / das»
ich allein geschwind hinweg sterben m6ge / vnd nicht also
lang in diesem vnrauth verzablen vnd verdorre müsse. Als
er disz ansgeredt/ waltzet er sich anff dem grasz hin vnd
wider / als wen er in TodtszAgen lege / nachher schrie er: Ach
hertz aller geliebste Oriana / Jr habt mich durch euwer letztem
Terbott za dem todt verwundet. Denn ich wU ewere Befelch /
es begegne nur f&r gefiüur darüber was da wftUe/ nimmer
vbertretten. Wann da ich solchen nicht nachkeme / kowlU
ich auch one das / mein leben nit fristen. Jedoch weil ich
vnnerdienter sach also vnsch&ldig sterben mnsz/ so ist vmb
so viel desto mehr mir mein schmertz vnertrtglich. Aber
aeitemal eucli duich mein absterbe gnug beschicht / So bab icli
mein Leben nie so lieb gehabt /dasz ich es nicht von hertzen
gm vmb desz geringsten dings willen / so euch anm&tig / tansent
mahl / wo muglich / in die schiintz schlagen vnd auffopffern
w<e. Also vnd der gestalt / die weil euch angenem / eweni
zom wider mich anszznstossen vnd znnolstrecken / so ist mir
das anch wol gefellig / da änderst jr allein von wegg meines
kummers / färohin in ruhe seyn. In mittels aber bisz euch
mein vnschold bekand wirdt / so wU ich mich befleissen / meine
vberige Lebzeit vollends in trawrigkeit vnd knmmer zn ver-
oohliessen. Doch wirt mich allein disz anfechten/ dasz ich
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each / im fall euch was leids oder TOgUcks zn handen gehen /
nit helflfen noch erlösen mögen mri. 0 König Perion mein
Herr vn Vatter/ was geringe vrsach werdet jr habe / mein
todt/ weil euch solcher / wie auch die mach desselben ver-
borgen / zu trawren. Aber seitemal ewre klag vnd trawren/
da jr schon dessen bericht wdrden / mein anligen nicht mindern /
noch mein Lebai widerbringen kindten / So bitt ich den Allmech-
tigen irewlich / dasz euch solcher vn&l niffier geoffenbaret/
sonder ewer lebenlang verhalten / damit nicht erst ewer todt
gefürdcrt werde. Auff disz schwige er ein kleines/ begundt
doch bald mit noch grisserm seniltKen zu sprechen: 0 mein
anderer Tatter Qandales / es bekümmert mich f&rwar anch
sonders hoch / dasz mein widerwertig glück nit zugelassen/
euch die grosse gutthat so jhr mir erzeigt / zn widergelten.
Denn ob wol mem Herr Vatter mir das leben gegeben / so habt
jr mir doch solches erhalte / indem jr mich ausser dem vn-
gestümen Meer / da ich schier in der ersten stundt meiner ge-
hurt Terhissen worden/ errettet / vnd hemacher so ireundtlich
vnd wol / als wenn ich ewer eigen natArlich kind / erzogen.
Fürwai' löblicher König Arban / ich glaub dasz jhr wenig ge-
failens empMen werdet/ da jr meins k&mmerhafften todts
berichtet. Doch zum wenigsten wirdt Angriota yon Estmnas /
Gillan vn ander vnzalbar viel meiner freundt vnd Spieszge-
sellen / euch diesen helffen klagen vnd beweinen / der ewer aller
so getrewer freundt Bruder vn Diener gewesen ist Adi liebe
Mume vnd Schwester Mabila / wie hab ich es vmb euch / noch
vmb die Jungfraw ausz Denmarck verdient / dasz jr mich also
in dieser grossen not yerlassen? Hieuor habt jr mich offtermals
vor dem todt erhalten / ynd jetzunder (ob ich euch gleich
meins wissens / nie erzÄmet noch beleidiget) machet jr mich
den tribut vnd zinsz zu bezalen / in dem jr zu meinem todt
Terwilliget / dasz memo zuuor eingenomene freud tewer gnug
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— 405 —
gekauift worden. So habt jr f&rwar ein solchen Bitter an mir
gehabt/der sich in der not f&r eaeh aofigeopffert hetto/ aber
nichtB deet minder so ftrchtet jhr ench nicht s&nden daramb/
jn jetzt zuveilassen. Daher ich nu glduh vnd schliesse / weil
ewer hulif mir versagt vnd abgeschlagen / dz auch der Himel
ynd die erden mein vndergang begeren / dessen ich denn / weil
es je nit änderst gesem kan / wol zufrieden. In dessen als
Gandalin vnd Durin dieser klag zuhorchten / weineten sie / zu-
gleich er /ausser hertzliche mitleiden gantz bitterlich.
Das XVI. Gapitel.
DRey tag lang nach croherung oder gewinnung desz
Schwerts vnd Krdntzlins / blieb der Dunckelh^bsch bey iV Prin-
cessin Oriana zu Mireflor / vnd den nadifolgenden yierdten /
Tngefefarlidi zu mitiemacfat / nam er vrlaub von jr / vnd als
er armiert vnd allerdings gerust / ritte er die gantzo nacht.
Nun hette er dem £nil befohlen / sein in einem Schlosz / so
mderst am Beig läge / dab^ die Schlacht geschehen solte/ zu
warten / dasselbig Schlosz war eines alten Ritters Albradan
genannt / darinnen dann allen auszlendischen Eittern / wann sie
eiynkeren theten/alle ehr vnd gute tractation widerfiihre / sel-
bes naoht sohe der DunckelhAbBch zu nechst an desz Einig
Lisuarts LAger hin /vnd ward doch nit gesehen / vnd ritte so
lang dasz er den f&nfften tag in ermelts Albradaos Schlosz
^ynritt/allda er den Enil fimd / welcher onlang damor dahin
ankommen war. Treffentlich wol lieez der alt Bitter den
Dnnckelhübschen tractiren / vnnd als sie also allerley mit
einander sprachien / kamen desz alten Kitters zween Vetter /
die waren an dem ort gewesen / da die Schlacht sein solte /
die zeigten jnen an dz der Einig Gildadan vnd sein hauff al-
bereit allda ankommen weren / vnd hetten jre Zelten am gestad
desz Meers aufgeschlagen / eben hetten sie auch alda den
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— 406 ^
Grumedan / Ynnd Giontes desz Königs Vetter lunden / die betten
mit Jnen gehandelt / dasz kein theil gegen de andern nichts
ihiilichs fbnemmeo / bisz an dem tag/ da die SeUacht ge-
schehen solte / darzu solle keiner beyder Königen / melir nit dann
hundert ßitter mit bringen / in raassen beiderseits gesprochen
vnd geschworen worden. Liebe Vettern /sagt der Haosiherr /
was haltet jr von cÜesen Irllndem / die Qott Terflnche / Lieber
Vetter sagt jren einer / sie haben bey sich so viel Eisen / dasz /
wann Gott der Hürr vnserm frommen König nit wunderbarlich
hilff/so ist es vnmÄglidi dasz er jnen widerstehen m6ge.
Alsdann fieng der alt jr Vetter an zn weinen vnd sduie/O
Allmächtiger Gott / gib nicht zu so es dein Gottlicher will
ist / dasz der frombst vnd gerechtest Konig der weit / in ge-
walt vnd hende dieser yngttckselige art gerate. Lieber Hanss-
herr / antwortet der Dnnekelhtbsch / erschreckt noch nicht/
dann oft'ternialen das recht vnd die billigkeit/ den stoltz vnd
pracht der sterckesten vberwindet Ich bitt euch aber jr
wollet zum König reitten ?nd jm anzeigen / wie dasz in ewerm
Hansz ein Bitter sey / der Danckelhibsch genant / der jn bittet /
er w6lle jm durch euch den tag autl' welchen die Schlacht
gesehen solle / zu wissen machen. Wie? sagt der alt / seid
jhr der / der newlidi den Herrn Quedragant an seinen Hof
geschickt / vnd den Risen Famongomad vnd sein Sone / als
sie das Frewlin Leonora vnd jre Ritter fiengen / vnd gebunden
wegf&rten / get6dtet haben. . Bey Qott Herr / so idi je den
anszlindischen Bittem was gnts gethan habe / so halte leh
solches nicht vmbsonst angelegt seyn/ weil jetzund mein Hausz
dmrch euch geehret wird / wil ich auch dasjenig gutwillig ver-
riditen so jr nur befolen habt Sasz anch damadi alsbald
zn Rosz / vnd nam mit sich mehr bemelte söne beide Yettero /
vnnd kamen zum K6nig geritten / der hatte sich vngefehrlich
ein halbe meil wegs von semen Feinden gelegert / deme er an-
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— 407 —
zeigt / was jhm der Dunekelliubsch zu verrichten befohlen
lieite / dessen sie alle wol zu mui Tnd £r6lioh wurden. Darauff
aaeh der König aiitw<nrtet / weil wir den Donckellii^bschen atiif
Vilser Seiten haben / so hoff ich auch wir wollen vnser von
Laben mit ehren hinauszbringen. So ist auch die anzal der
hundert Bitter wo] erfüllt / wann wir noch einen hetten, Qne-
digster Herr /sagt Qmmedan/jr haben deren Tber die anzal/
dan Dunckelh&bsch allein / wol als gut ist als sonsten jr fönff.
Dieser reden halben wurden Galaor/ Florestan/ noch Ajjnaies/
nit mfrieden / dann sie dem Dunckelh&schen bisz aoff den Todt
▼bei gewolt/ln bedencknng dasz er jres Yermeinens dem
Amadis sein gut lob und ruiii zu nichten machen thet/ Jedoch
schwiegen sie still. Als aber Albradau widerumb von dem
Einig antwort bekomen hatte / ritte er wider za seinem Gast /
?nd aeigt ]m nach lengs an /was frende jeder menniglich
empfangen / von wegen der guten zeitung so er jnen von jm
gebracht hette / vnd dasz an der anzahl der liundert Kittera
nidit mehr dann einer mangeln thet/ Als na der £nil solches
▼emam/ sacht er mittel ynd wege dasz er seinen Herrn be-
sonders antreflfen m6chte / vnnd kniet vor jm nider / vnd sagt :
Mein Herr / ob wol ich euch so wol nicht gedient / als ich
biUich gethan haben solte/Hab ich doch nit vnderlassen
ktnnen each omb ein gab zu bitten / der mzweiffenlichen
hoffnung / jr werdet mir solche nit abschlagen. Beger was du
wilt / antwortet er / vnd stehe anff. Mein Herr / sagt Enil /
mein bitt ist /wollet mich zn Bitter schlagen /so wil ich fol-
gends zum Eftnig reitten / ynd jhn bitten / dasz er mich Ar
den hundersten Ritter annemmen wolle. Enil mein Freundt/
antwortet der Donckelh^bsch / meins erachtens soltesta dein
Bittetschafflt an ort Tnnd enden woiig gefiurlicher anfiihen za
bewdsen / dan in diser schlacbt / nit deszhalben / dasz ich dich
nit zu Bitter schlage wolle / diese bärde mochte dir aber zu
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schwer werden. Mein Herr / sagt Enil / ich weisz dasz ich
mein tag nit besser gelegenheit haben würde ehr za erlangen /
dann wo gleich ich vnder so viel ehrlichen Leuten vmbko&e /
80 wird mem lob desto grhaaer / komme ich aber davon / so
erlange ich einen ewigen rühm / dasz ich in der anzal der
hundert besten Ritter der gantzen weit gewesen bin. Als
nun der DonckeMbsch den Enil also dapffer hiret reden/
ansi sonderer lieb vnd mitleiden so er ab jn heite / sagt er
lenis bey jm selbs / du gibst wol zu erkennen / dasz du desz
guten Bitters Gandales (meines andern Yatters) yerwandter
bist/ Darauf er auch zu jhm sagt: Hastu so eiiien groBseo
lust darsu/als du angezeigt / wil ich dich nicht dauon abwen-
den / Gieng auch alsbald zu seinem Wirth / vnd bat jhn / er
wilte jm t&r seinen Diener ein B&stung geben / dann er wolt
EU Bitter werden / welches er Yerwilliget/ derhalben Enil die
gantze nacht in der Capel wachet / vnnd morgens so baldt
der tag angieng / vnd er Mesz gehört / wurd er durch den
DunckeMbsche zu Bitter geschlagen / Darauf sie auch alabald
zu Bosz sassm / vnd beleiteten sie jr Hauszwirth vrnid seme
beyde Vettern. Als sie nun in desz Konig Lisuarts Lager
ankamen / hatte der König allbereit sein Schlachtordnung an-
gestellt/bereit seinen Feinden entgegen zuziehen/ weldie sein
in emem ebnen feldt warteten. Da nun der Einig den Dunekel-
hübschen sähe / ward er sehr erfrewet / also dasz menniglichen
vnder dem hauffen das hertz dauon wuchsz / n&hert sich also
zum Kftnig vnnd sagt jm: Gnedigster Herr ich komme danunb
das jeoig zuhalten / so ich versprochen / bring auch mit mir
noch einen Ritter / dann ich bin bericht worden / dasz Ewer
Maie anzal nicht gantz sey / Dessen sagt jm der König son-
ders hohen danck. Vnd wiewol keiner vnder den Hunderten
gewesen / der nicht zuuor bewehrt / vnd vnder den besten /
berumet gewesen / Noch dann aber fieng der König an (nach
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409 —
dnn «r sem SchbMihtordniuig gemacht / vimd sähe seine Fond
nahen) vnd thet Jnen nachfi>lgende rede: Liebe Freund vnd
Gesellen / ich zweiffei nicht / es sey ewer keiner verhanden /
der nit gut Wissens trage / dasz wir diese Schlacht / mit guten
fugen Ynnd recht f&rgenommen haben / sonderlich die ehr vnd
Reputation desz Kinigreichee Engellandt zaerhalten / welche
der König Cildadan vnd die ausz Irlandt vernichten / in dem
dasz sie den Tribut oder Schätzung / so sie je vn allwegen ?n-
sem Yoieltem / von wegen der grossen gntthaten so sie toq
Jhnen yorzoten empfengen habra / gegeben / nicht mehr reichen
w6llen. So weisz ich auch gnugsam / dasz ewer keiner nicht
ist / der nicht behertzt vnd mutig sey / darumben on von n6ttffli
euch weiter wider die jenigen / mit denen jr msciiaffon haben
werdet / zuTormanen / weil jr die ehr vor angen habet / die
euch auch lieber ist / dann hundert leben / so m&glich were /
eiDB nach dem andern zu Terlieren. Derwegen liebe Freundt/
lasset vns dapihr za jnen treten/vnd nicht ansehen/ dasz sie
vnder jnen etliche Risen so greuszlich vnd voll bluts / Dann
der Mann wirdt von wegen seiner grossen vnbehobelten gliedern
nicht desto mehr gerhimbt/ sonder ymb seines dapfem Tnuer-
zagten Herteens Tnnd gemto wiUeii / Jhr sehet anch ciR
dasz ein windt den Ochsen niederreiszt / desgleichen den Sper-
ber oder Blawfusz den Weihen schlagen. Vnsere Feinde ver-
lassen sich anff die stercke / Tnnd gewalt dieser Monslroen/
Tnangesehen dasz sie vnrecht Tnnd kein reditmessige vrsadi
haben / So vertrawen wir nu auch dem barmhertzigen gutigen
vn Allmechtigen Gott / welcher als ein gerechter vns die krafft
Tnd stercke Terkihen wirdt / jnen obznsigen / So lasset m
kecUich an sie / vnd halte ein jeder von jhm selbs er sejr
gnugsam den allerf&rtreffenlichstcn vnder jnen zu vberwinden.
Dann ich sage euch f&r gewisz / so wir diesen tag die schlacht
erobern/ dasz /Tber das ?nser lob ?nnd rhnm m der gantzen
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— 410 —
weit erschallen wiidt / aach Tnser Feindt keiner sich gegen
ms mebr regen / oder in ^ngntem aasehen d&ilSBn. Also err
manet der K6nig Lisaart seine Ritterschafft / Vnd anderweris
thet der Konig Cildadan weniger nicht gegen den seinen/
dann er ritt von dnem glied zun andern /vnd ermanete sie/
sagend: Edle Bitter ansa Irland / so jr vermercket ans waa
vrsachen jr mit dem Feindt streitten sollet /so ist keiner vn-
der euch der nit seinen Vortfarn verweisen thet / dasz sie solch
l6UiGh flümemmen so lang anstehen lassen. Die E&nige ansi
Sngellandt haben als Tyrannische Vsnrpatores (mdit aUem
wider jre Vnderthanen vnd Nachpaum) hieuor ohne rechtmessige
vrsachen / auff vnseie Vorfai en/ein solchen Tribut/ wie jr wisset/
vnd offlmals bexalt haben / schhigen. Derw^gen wir vns allhie
▼ersaffilei / vnd ansamen kommen seyn / solch Joch Ton vns ni
legen / vnd wideiumb frey zu machen / welche freyheit mit
einigem gelt nicht kan bczalt werden / es ist ewer eigen sach
vnd recht/ vnd nich allein Eawer / sonder andi ewer Kinder
vnd Nachkommen / so bisshieher von denen (so jhr begierig
sehet / euch fenner in seruitut vnd dienstbarkeit auch vnder
dem Joch zu zwingen) f&r leibeigen vnd dienstbar gehalten
wordenseyn. WöUet jr dann f&r nnd f&r solcher geatalt leben /
wtUet jr [in] diesen Joch biss anif ewem Nachkommen verharren /
seid jr weniger behertzt oder minders Staudts als ewere Nach-
pauren / Ach so wir obsigen / müssen sie vns wider heraosa-
geben was ae von vns empfimgen. Ich bin auch gowin/
dasE vns das glAck gAnstig ist / dann jhr sehet wie yiel ehr-
licher Leut vns zu hu Iii' kommen / die vnsers befügten rechtens
wol bericht vnd verstendigt s^en/Imcket/ Trucket daraoff
jr Edle Bitter / dann ich sihe also haar /dasx d* Kinig Idsoari
ynd die seinen in zweiffei stehen / ob sie fliehen sollen / sie
sagen sie seyen gewonet obzusigen / so wolle wir sie jetzund
gewenen vnder an Ilgen. Emes will ich euch aber ermant
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— 411
haben / daas ein jeder aaineiii geseUen helfe vnd zuapriBge/
Tnd so nahe bey einander halten / als jr jmmer kennen. Ynd
lenger hette er mit jnen geredt / so er den König Lisuart
nicht bereit gesehen hette /jn anzugreifien. Derwegen stellet
er aich In mitten seiner Ordnung / vnd schrie zimlich laut:
Wolanff an sie / weil sie Inst danon m fressen haben / aoft
solch geschrey liesz ein jeder sein Visier ab / vnd stelleten
sich als vnoerzagie Leat / Vnd jhnen za beg^en / stelleten
sidi znnordeist der DunckelhAbsQh/ ?nd Enü sem gesell/
Galaor / Agraies / Florestan / Gandalac der Riesz / welcher den
Galaor / als er nur zwey jirig war / wegstale) mit sampt zweyen
seinen Sinen/Bramandil vnd Gannns (welche Galaor newlich
zn Bitter geschlagen hette) Damadi Nicoran ?on der sdiredk-
lichen Brucken / Dragonis / Palomir / Viuorant / Giontes des
K6nigs Vetter / der weitberhimbt Bruneo yom guten Meer/
Branfil sein Bruder/ vnd GniUan. Diese alle ritten nach dem
alten Gmmedan / welchiHr dess Kinig Lisnari» Hof Fahnen
führet. Auft' desz Königs Cildaduns suiten ritten zu förderst
die grausamen vnd vngeheuren groszen Bisen / mit sarapt
zwentzig gnten vnnd mannlichen Bittem/ alle desz Einig
Gildadans nahe frennde vnd verwandten / weldier als ein Ar-
sichtiger Oberster vnnd Haupt den Kiesen Mandafabul vom
Bosinfarben Thum /mit sampt noch zehen der fürnembsten
Bittem/ jhies hanffens/anff ein BÄhel allemechst dabegr Ter-
erdnet/mit dem befelch von dannen nicht zn weichen /bisz
sie gewisz sehen würden /dasz desz Königs Lisuarts beste
Bitter / gantz m4d vnd nicht mehr möchten / folgends
danuiif zn hanwen/vnd jhren kems/anch desz Kinigs person
nicht zn verschonen / jhn gefangen neffien / oder da sie jhn
groszen widerstand^ halben / nicht fahen oder dauon in jre
Schiff bringen k6ndten / jhn vmbzubringen / Auff solches ruckten
begrde hanfbn zusammen / vnnd griffen emander dapffer an /
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AlBdann bette man sehen Spiesz brechen / fiitter vmbst&rtien /
Harnisdi zerschlaben / arm yfi glieder abhawen / eüidie
schreyn / vnd etliche durch das getreng brechen / also / dasz
solcher Tag / ein tag desz Zorns vnd schmei-tzens für die
jenigen so da gewesen / genent mftgen werden / vnd wehret
solcher streit so lang/dasz der tag mehrertheils Arftber war/
ehe einiger vnder jhnen mochte ein wenig sich wider erholen
vnd Athem fassen / zu dem auch so heisz gewesen / dasz beyde
Bitter vnd Pfordt yber die massen lassz ?nd m&d waren/
etlicbe lagen auff der Walstatt / vnd die andere denen weniger
schaden begegnet / waren so schwach vnd abgearbeit / dasz sie
kaom zn Bosz sitzen kondten. Zur derselbigen stnndt besorgt
d«r Dnnckelb&bsch / die seinen mlchten die Sehhudit yerlieien/
derwegen er sich mehr dann zuuor gebrauchet / traff auch
keinen IrlAnder oder Risen/dem er nicht das lauter blut vom
leib fliessen machte/ Za nechst bejr jm hielt sich der Gross*
mechtige Kinig Lisnart / welcher wol sehen liesz mit was
dapflferkeit vnd mannlicheit er begäbet war / So ist jm auch
wol wissend vnd vnverborgen gewesen / was jm / K6nig Lisuart/
an dieser gransamen vnd grossen Schhicht gelegen /Dann so
er verlAstig / wftrde er ymb sein Etnigreich / leben / ehr / gnt
vnd gefier vnd alles kommen. Darurab er auch seiner eig-
nen person nicht verschonet / sonder trang dermassen auff seine
Feinde/ dasz sein rechter Arm von der Feinden blut/ so er
dnrch die scherpffe seines schwerts vrabbracht/ bedecket war.
Gleicher gestalt Agruios / Galaor vnd Florestan / als sie gleich
von anfang gesehen betten / welcher massen sich der Dunckel-
h&bsch gebraucht/ vnd was Ritterlicher thaten er wider jre
Feinde verbradit / ?nd anszrichten thete / fintscMossen sich
die jenigen / so jm lange zeit miszgunstig gewesen / zu sterben /
oder meniglichen zu erkeüen zu geben/ dasz sie so wol oder
basz als er /streitten k6ndten/ also dasz solch vibmnst znm
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theil Terorsachet / dasz sie sich dermassen gebrauchten / also
dasz sie schier alle dar&ber gaogen weren/ Dann Galaor als
em Uw I so man verfolgt / erhitziget / mitten vnder die Bisen
raiit / vnd traft an den Cartadaque / den Risen desz verbottenen
Bergs/ welcher mit einer Mordaxt mehr dann sechsz desz
Einig Lisnarts Bitter zn seinen FAssen gesttrtzt/ Wiewol er
von emem streiche / so jm Florestan geben hette / in einer
Schultern / dadurch er viel Bluts verlöre / sehr verwundet war /
Da nihert sich Galaor zu jm/ vnd von allen seinen krifften
scblng er jn anflT das hanpt/ also dasz er jm das Helmlin
ejmschlug / dauon das Schwert glitschet / vnd jm das Ohr ab-
hiewe / sanipt dem Helft seiner Axt / zu aller nechst bey der
Faosi/Derwegen als der Biese sein Waffen verloren gehabt/
tniog er anff den Galaor/ vnd erhebt jhn ansz dem Sattel mit
aller stercke / vnd nam jhn in seinen Armen / vnd trucket jhn
also hart / dasz man leichtlich seine Bein hett krachen hören
kennen/ Jedoch mocht sich der Bise so fest nicht halten/
sonder fiel mit dem Galaor zn boden. Dammb Gabor (welcher
sein Schwert noch in der Faust hielte) mittel vnd wege fand /
dasz er dem Bisen dasselbig durchs Visier / so tieif ins Haupt
eynstiesz / dasz er danon starb. Galaor aber nach dem er sich
▼nder dem Bisen herf&r risse / ward er dermassen athem losz
vnd schwach / dasz er sein Schwerdt nicht kondte ausz desz
Bisen Haupt ziehen / vnnd das noch mehr / ward er dermassen
von den Pferden zertrackt / dasz er verneint vnter jhren
FAssen zn sterben. Dann mancher gnter Bitter beyderseits/
der jren streit vnd gefahr gesehen / hatte sich genehert jhm
zu helffen/ danmib an solchem ort der streit grosz vnd hefftig
war. Dann der Einig Oildadan/ welcher ein jeden/ so jhm
ankam / den Sattel lehret / anch darzn kam / vnd so jhn der
Dunckelhubsch nicht mit dem Schwerdt zu boden geschlagen
bette/ were der Gahu)r darzumal erschlagen oder gefangen
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worden. Dft nun er den Kbmg Cildadan ni eeben Fteen
%eTi sähe / erwüscht er sein Schwert/ vnd wehret sich so
dapffor / dasz jm seine Feinde ranm lassen mosten / Jedoch be-
wegt er ridi demuusen/ dasE jm der Athem ragieog/ vnd
fiel stracks den langen weg anff der Wahlstatt nider / vnd reget
weder Hende noch F&sse/ gleich als were er todt gewesen.
Daran kam der Bise Qandalac/ welcher jn Ton jngendt aoffiei^
zogen bette/ vnd ward daroon so vmnfttig/ dasz ansz grossem
zora er sich zu Albadanor einem andern Risen / machet / vnd
gaben einander so manchen schlag mit jhren Streitäxten / dasz
sie vnd jhre Pferde zn Mm fielen / vnd fiel der Albadanor
einen Arm / vnnd Gandalac den einen Scbenckel ab / Sie wur-
den aber nicht allein vbel vertheilt / sonder man hette auff der
Walstatt melir dann hundert vnd zwentzig Risen vnnd lüttem
sehen Ilgen/ vnd war nocb^ nicht viel vber Mittag. Als vm
Manda&bnl der Bise ansz der Insel desz Bosinfiurben Thuns /
(welcher auff dem Böhel verordnet gewesen / von dannen nicht
zu weichen / bisz dasz die Schlacht am hefftigsten sejn würde)
ersähe dasz so viel Bitter todt/ verwnnd/ vnd abgearbeitet
waren / gedacht er seinem voihaben ein ende zn geben / vnd es
were jhm leicht den vberigen obzusiegen. Deszhalben beweget
er sich mit seinen Rittern/ vnd rannte mitten am dicksten/
seinen Biitem znschreiend: Sehet zn daez kemer lebendig damoo
komme / Sondern jaget sie alle durch die schirplFe des Schwerdts.
So viel mich antrifft behalte ich mir den K5nig Lisuart
benor/ lebendig oder todt Dien geschrey h&rte menigUch/
sonderlich der BnnckelhAbsGfa (welcher erst ein flfisoih Pfordt/
so jhm seines Wirts Vetter auffgehalten hette / genommen /
vnd darauf gesessen) sehr wol / vnd besorgt der Rise würde
sein flmemmen ins werck richten / Derwegen er/ AgiaisB /
Flomtan /Bmno vom guten Meer /Branail/ Gmllan der Tiehter
vnd Enil (welcher sich dermassen Ritterlich den gantzen tag
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gehalten / dasz jhm deszwegen grosz lob nachgesagt ward)
stdUeteo sich fdur den König / ?nd empfiengon den Mandatonl
besser dann er selbs Termeint hette / Dann als sie henn naheten/
ritte der Saimadan der Lew desz Konig Cildadans Vetter vnd
fbmemst Bitter in seinem Geschlecht ausz der Ordnung/ vnd
rennt eben stracks vnd so eben anff den DunokeMbsob / dass
er jhn in mitte seines Sddlts/ antiaff/ Tnd yerwnndet dodi
nicht sehr. Aber im f&rziehen schlag der Dunckelhübsch nach
jhm neben hin / Tnd traf jn dermassen auff das Visier / dasz
er jn beyde Augen mid das Angesicht entawey banwet/ vnd
stracks anif den boden todt niderfiel/ dessen MandaMnl Tnd
die seinen gar grosses leid empfiengen / vnd derwegen auflf desz
K6nig Lisoarts Bittem/ mit solchem grimmigen zom / trangen
vnnd sohlngen/dass Tnangesehen sie sich Mannlich Tnd Bit-
terlieli wehreten / ergriffe dannooht der Mandafiibnl den Einig
Lisuart bey dem Bingkragen / vnd hub jn vom Pferde / trug
jn vnder seinem Arm / vnd rant mit jhm damon zu seinen
Scfaiffien/Der Dunekelh&bsch aber ersähe solches/ vnd rante
binnaeh/ynd ereylet jn / vod schlag den Bisen anff den Arm /
also dasz er jm denselben neben dem Einbogen entzwey ab-
hiewe/also dasz von solchem streich der Einig auch so sehr
verwundet / dasz jhm das Blut biss auff die Erden abrann/
Der Mandafabul liesz ein laut geschrey / vnd endet alsbald
darauff ma leben. Derszwegen als der Dunckelhübsch sähe/
dasz sein streich so wol angai^n/ dasz er ein solchen Bism
vmbbraebt/( audi eben damit den Einig erlediget hetto/ fieng
er an vber laut zu schreyen : Gallia / Gallia / Ich bin Amadis /
vnd lebe noch / Vnd als er solches geredt / rant er vnder die
Feind / die gar nahe kein herta mehr betten / sonderlich weil
die swen itmembsten jhres Heers vmbkommen waren / vnd
dasz der Amadis (welchen sie lengst todt gehalten) jnen zum
vngl&ck/ schimpff/ spot vnd schaden/ aida vorhanden were/
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hetten m die flucht geben / wann der Gandacariel der stercke-
sbdü BiflOD einer / sie nicht anffgehalten hetie / £r hielt aber
fest/ derwegen der Amadis (seing Bmders todt/den er Ar
gewisz gehalten / rechen wolte) mitten am dicksten vnder seine
Feinde trang/ynd so weit vnder sie/dasz er nicht mehr
daoon koffien were/so ferr jhm der Kinig niefat zohiliF kern*
men were / Dann er wider ein Pferd bekommen / ynd bette
bey jm Bruneo vom guten Meer / Florestan / Guillan / Ladasin /
Ckdnanes / Olinae / vnd der alt Gmmedan (welcher dee Kivag
Idsoarta Hof Fahnen geAbret/ vnd noch in seinen Eenden
gantz zerhawen vnd zerrissen hielte) Die alle dem Amadis/
als sie sahen in was grosser gefahr er stecket (wiewol sie alle
selbst sehr verwnndt) znspmngen/ vnd an hJÜff kamen. Ynd
weil sie seinentbalben erfinewet waren / bearbeiteten sie sich so
viel / dasz vnangesehen den grossen widorstand / so die Irlender
theten / sie jme ansz sorgen halffen / vnd im f&rziehen traifen
sie an den Agraies/ Palomir/ Bransil vnd Dragonis / welche
mannlich zu Fusz wider die jenigen so sie von Pferden ge-
stochen betten /stiitten. Sie waren aber dermassen getrengt/
dasz sie solchem gewalt vnd n&ten nicht lange widerstandt Üm
m6gen. Wiewol sie sechs / so wol Risen / als Irlender umbge-
bracht / welche sie trennen wolten / wie sonder zweiffei sie von
jhnen nidit abgebissen hetten / so jhnen nicht hAlff zokonmieD
were. Derwegen die jenen so sie gewaltigen wtUen / folgendls
zu schaffen gnug bekamen/ von da an jhren saclien rath zu
Sachen. Dann Amadis sie wider jren willen trennet/ vnd mit
den seinigen dermassen stritte / dasa er seinen Vettern Agraies
vnd seinen Gesellen / wider zu Rosz halff. Damach stei cket
sich der Einig lasuart auff seiner seiten wider / vnd wurden
die Irlender dagegen geschwecht Welche aller hilif beranbt
vnd venBwdfTelt / lieffen jren Schiffen zu / so am gestadt des
Meers hin vnd wider von den wellen getrieben wurde /desz
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verraeinens jren plunder dauon zu bringen / so jnen nicht ge-
fehlt hette. Dann Amadis / der seiner Yietori nachhengen
wolle/ jaget jom nach mit solchem zorn/ daes der mehier-
tbeil der ^berwandenen jhr begrebnnsz zwiselien den wellen
des Meers viel lieber dann im Erdtreich von jrem blut geferbt /
vn begossen / suchen wolten. Da nun solches der geraelte
Gandacniiel (welcher vnder allen Bisen f&r den streitbarsten
gehaltoi wafd) ersähe / on ti/ag abschenhen dees todes / so er
vor seinen aiigen sähe / in willen sich vor seinem ende zu
rechen / fasset sein Schwert in beyden Feusten vnd wolt den
Kinig Lisoart erschlagen haben / Florestan aber kam jhm vor/
vnd gab jhm [einen soldien Schwertstreich anlF das Helmlin
dasz jm dasselb vom Häupt hinweg sprang/ Vnd der K6nig
so nächst darbej gehalten / säumet sich nit/ ?n also blosz
spaltet er jm dasselbig entzwey. Anif solches ward das tod-
schlagen der Irlender gross / dann sie wurden alle durch
den Amadis / Florestan vnd Agraies zu boden gesturtzt / welche
jnen bisz an dasz Meer nacheyleten / vnnd trangen sie / diisz
sie zwischen den wellen desz Meers ersanffen mosten / der*
wegen des Einig Lisnarts Yoldc von jnen abliesz. Vnd die-
wdl der Amadis acht geben hette / an das ort / da sein
Bruder Galaor niedergeschlagen worden vnd vmbgefallen/
Bäte er seinen Vettern Agraies vnd andere / Sie wolten jn
htüSm suchen Tnder den todten/ Jedoch betten sie jn nimmer-
mehr otoit / one Florestan / welcher jn bey einem grftnen
Ermel mit weissen BlÄmlein verbremt so er gefuhret / er-
kennet / Er war dazu mit blut vnd staub dermassen bedeckt /
dz sie alle jn kaum erkenen mochten/ Vnd solte ein steinems
hertz erbannet haben / so es gesehen hette /was grosser klag
vnd weinen sein bruder Amadis seinethalben führet. Dann
als er jn in solcher gestalt sähe / fiel er auff jhn so lang er
war / also dasz seine wunden sich wider iffheten / wieder welche
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das blut sich schon gesetzt bette / vnd glaub dasz der
Amadis auff jm vergangeii were / wann nit von vngefehr
zw^lff Jongfrawen sehr wol henuin gestrichea / fnd denen
jre edel Knaben ein Ueükli wol ragerieht Bett «Mdiflreten/
kommen weien
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Achtes Capitel
Znstand der Prosadichtnng in den flremdländisciieu Lite-
ratoren am Ende des XYI. und in der ersten Hälfte des
JLVJLi. Jahrkimderts.
Wir haben weiter oben schon mehr als einmal Gelegen-
heit gehabt zu der Bemerkung, dasz der ßoman die inter-
nationalste aller Diehttuigs^ttaiigeii sei Deshalb soll hier
nicht wdter an die Grflnde dieser Eigenihflndichkeit erinnert,
noch auch besonders daraof anfinerksam gemacht werden, wie
die in Rede stehende Erscheinung je mehr und mehr deutlich
an unserer Gattung zu Tage tritt. Das ganze vorliegende
Ospitel wird eigenüicb nnr solche Thatsacheii bringen, welche
sich Ton selbst miter diesen Gesichtspunkt stellen, und der
Umstand, dasz wir ein ganzes Capitel den fremdländischen
Erzeugnissen auf dem Gebiete des Komans zu widmen haben,
ist dadurch bedingt, dasz jetzt gerade deutlicher als je sonst
der internationale Charakter unserer Gattung in die Augen
springt. Freilich nicht allein aus in ihr selber liegenden
Gründen, sondern auch in Folge der bekannten Wendung,
welche unsere Nationalliteratur von den letzten Decennien des
XYI. Jahrhunderts ab nimmt, um sie das ganze XYII. Jahr-
hundert hindurch, ja tief bis ins XVIII. hinein beizubehalten.
Ich meine die Wendung zur Abhängigkeit ?om Auslande,
namentlich ?on Frankreich, Ton der wur zwar in Grimmels*
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— 420 —
hansens SimplicianischeD Schriften eine bedeutende Abweichoog
werden zn bemerken haben, die sich aber nichts destoweniger,
sowohl überhaupt als insbesondere für das Gesammtgebiet der
Prosadichtong als der Charakter der Periode aussprechen läszt,
schon wegen des überaus groszen numerischen Uebergewichts
der Werke, wefche ihn an sich tragen, ein Uebergewicht,
gegen welches die Simplicianischen Scbriiten Grimmelshausens
ihrer isolirten Stellung wegen doch nur um ihres inneren
Werthes willen Oberhaupt geltend gemacht werden können,
und dieser innere Wertli ist denn doch wiederum hauptsäch-
lich durch das Talent und die besondere Bildungsweise ihres Ver-
jfosseis, also durch subjeciiTe und isolirte Umstände, bedingt
Noch eine allgemeine, nicht sowohl literarhisterische als
culturlüstorische Bemerkung wird hier gemacht werden müssen,
ehe wir unsere Aufmerksamkeit den besonderen Arten und
einzelnen besonders charakteristischen und einfluszreichen Wer-
ken der Ausländer zuwenden, nämlich, dasz die Entstehung
des ?on allem Mittelalterlichen g&nzlich abgetrennten modernen
Bomans der Zeit nach mitder Feststellung der absoluten Monarchie
im Gegensatz zu der Lehnsmonarchie des Mittelaltei*s zusammen-
fällt. Und diejenige Art des Romans, welche unzweifelhaft
als die Hauptgattung des XVII. Jahrhunderte zu bezeichnen
ist, der heroisch -galante Boman, st^t in einem mehr als
äuszerlichen und zufälligen Zusammenhange mit der Begrün-
dung der absoluten Monarchie in Frankreich. Es ist leicht
zu sehen, dasz auch in dieser Beziehung der Amadis eme
vermittelnde Stellung einnimmt, denn, wie bereite bemerkt
worden, finden wir das Königthum im Amadis bereits stark
auf dem Wege zum Absolutismus und den Lehensadel im An-
fionge des XJeberganges zum Hofadel, wenn auch nur durch
hervorgehobene Betonung des ünterthanenverhältnisses. Wir
werden weiter unten hierauf zurückkommen, um mehr im Be-
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— 421 —
sonderen die Bemerkung zu machen, dasz die AendeniDg der
politiscb-sodalen Verhftltiusse in noeh maniehfiMheiram Za-
sammenhange mit der Gestaltung der von aller mittelalterlicben
Tradition nunmelir abgelösten Gattung steht.
Der füi" die Iiölioron Schichten der Gesellschaft berechnete
Knnatroman des XVII. Jahrhunderts seig^ dch in zwei Haupi-
gattnngen, dem SchftTeiroman und dem heroisdi-galanten.
Was sich auszer diesen beiden Formen, die übrigens sich viel-
fach einander annähern, findet, ist als Nebengattung oder aber
bald als Vorläufer späterer bald als Nachzügler früherer For-
men zu betrachten. Schäferroman und heroiseh-gahinter Boman
sind es, die den Geschmack der Zeit bezeichnen, sie sind es
auch, die von den ausländischen Literaturen bei weitem am
durchgreifendste auf die deutsche wirkten.
Dem Schäferromane gebührt als dem älteren unsere Au^
merksamheit zuerst, wenn auch sein höheres Alter ihm nichts
weniger als eine höhere historische Bedeutung verschaüen kann.
Denn er und die ganze idyllische Dichtung kann nur deswegen
zu sehr verscfaiedeneii Zeiten in Aufiiahme kommen und konnte
nur deshalb schon im Alterthume, ja schon yor dem chissl-
schen Alterthume, erfunden werden, weil sie einen durchaus
subjectiven und oft im schlechten Sinne idealistischen Charak-
ter trägt Jede idyllische Poesie ist entstanden aus dnem
Bedflrftiisz höhere Gnltur Tertretender Oesellschaftssdiiditen,
zur Betrachtung solcher Zustände zurückzugehen, die zu ihnen
in dieser Beziehung im Gegensatze stehen, ist daher immer
Xunatpoesie oder Poesie der Gebildeten und für Gebildete.
Es braucht nicht hnmer TJeberdrusz oder Krankhaftigkeit zu
Grunde zu liegen, blosze Neigung zur Veränderung der poeti-
schen Olyecte, wie sie in hochgebildeten Zeiten und Kreisen
sich immer sehr leicht finden wird, genügt schon, aber in
fielen Fällen, zu denen leider die Entstehung des pastoialen
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— 422 —
BonuuiB der Zeiten, die wir za betrachten liaben, gehört, hai
das Znrflckgehen auf das, was man Nator nnd Binfeebheit
nennt, etwas Affectirtes, und man geht deshalb auf eine afiec-
tierte, gemaehte, uinatfirliche Natur zurück. Weil die Bil-
dung der Zeit eines Theokrit weit weniger geeignet war,
UebeiTcizung und Sehnsucht nach dem üeberspringon in eine
möglichst entgegengesetzte Sphäre zu erzeugen, als die Zeit,
wo sidi das absolute Kömgthum feststellte, und weil die Kreise,
fßat die er scMeb, weniger diesen krankhaften Erscheinnngeii
ausgesetzt wai-en als der spanische, italienische und französische
Hofodel des ausgehenden XYL und des XYII. Jahrhunderts,
waren seine Anstrengungen, zur Natur zurflckzugehen, kam
ki-ankhaften, und er kam nicht, wie jene höfischen Schäferdich-
ter, so zu sagen, über die Natur hinaus in ein völlig unreelles
Arkadien. Aber der die Gattung erzengende Gegensatz ist
auch bei ihm vorhanden, sonst müszte nachzuweisen sdn, dasz
Theokrit nicht nur von Hirten und Personen anderer an der
Höhe der Zeitbildung unbetheiligter Schichte, sondern vack
Ar diese gedichtet habe, was doch wohl weder einem Philo-
logen a posteriori noch einem Aesthetiker a priori gelingen
dürfte.
Die Sdififerpoesie hat, wie das Beispiel des Longns beweist,
schon im Alterthume ihre Fähigkeit gezeigt, sich in der Fonn
der Frosadichtung darzustellen. Im Mittelalter tritt sie aus
Gründen, die bereitB früher entwickelt worden sind, nicht in
dieser Eonn auf, auch ihre Anfänge in der neueren Zeit wen-
den sich erst allmählich der prosaischen Erzählung zu. Es
dürfte hier noch auf die Stellung des Virgil aufmerksam zu
madien sem, welche dieser im Hittelalter selbst und der
Benaissancezeit in der Achtung der Gelehrten und Gebildeten
einnahm. Yiigil war von allen Dichtem des classischea Alter-
thums dem Mittelalter am bekanntesten, er war in der Zeit
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dar «raten Begangen der Benausaiioe dejjenige, an den man
aieh ziurat nnd mit der lebbaftesten BegeiBternng ineli Seine
Eklogen haben ebenso wie die Aeneis den Geschmack für
DichtungeD ihrer Art geweckt and Dichter zur Nachahnung
angereizt» irenn noch das Mittelalter Ifindliehe Diditongen
eelbständig herrombringen nnd dem herrsehenden Zettge-
adimack gem&sz zu behandeln wnszte. Als ersten Vorlftnfer
der uns hier am meisten interessirenden SchäfeiTomane können
wir den Am^ des Boccaccio betrachten, ein ans Prosa und
Venen bestehendes idjUisches Gedicht, welches anch m der
Hinsicht sehen seinen mehr entwickelten Nachfolgern ahnlich
ist, dasz es unter den erzählten Abenteuern wirkliche Be-
gebenheiten und den zeitgenössischen Lesern mehr oder weniger
bekannte Personen biigt An den Ameto schliesst sich zn-
nftdist Sannazaios Arcadia an, ebenlhUs ans prosaisdien nnd
rereificirten Abschnitten zusammengesetzt, hier waltet aber die
Poesie noch so sehr vor und die Prosa bildet nur die Ver-
bindnngen zwiscfaai den Btflcken in Yenen, dasz anch disse he-
rflhmte Dichtung nnr als Torlftnfer der dgentlichen pastorakn
Romane zu betrachten ist, denen sie jedoch durch den Beifall,
den sie fand, und durch ihre weite Verbreitung einen höchst
gOnsti^ Boden bereitete. Der ente wirkliche Sch&fenoman
Ist die ifareieit in ganz Europa berlkhmte Diana des Jorge de
Montemajor, der, obgleich von Geburt Portugiese, in Spanien
in der nächsten Umgebung Philipps n. lebte und in spanischer
Spradie schrieb. Er starb 1562, zwm Jahre nach der Yer*
Qflfenilichnng seines berflhmten Werkes, welches gleich dem
Amadis mehrfach fortgesetzt nnd vielfach nachgeahmt worden
ist Natürlich fehlten auch üebersetzungen und Beai'beitungen
in anderen Sprachen nicht» und wenn anch die Bedeatmig,
wakhe die Diana m unsemiii Vaterlands erlangte, deijemgen
des Amadis mcht gleich kam, so hat sie doch ihre BoUe yon
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von Anfang bis nach der Mitte des XVIL Jahrhondeiis bei
der deot8cli6D Lesewelt gespielt und ist, wenn nicfat die atter*
b^ebteste, go dodi sieberUch in Dentscbland eine der be-
liebtesten Erzählungen ihrer Gattung geworden. Man erkennt
dies 80b<m aas der Geschichte ihrer Uebersetsungen. 1619
erschien sie zom ersten Mal ans dem Spanisdien ins Deutsche
fibersetzt von dem Preiherm von Euffstein. Diese üeber*
setzung, welche mehrmals') neu aufgelegt ward, genügte dem
durch Opitz gereinigten Geschmacke in Sprache nnd Yerdconst
bald nidit mehr, so dasz Georg HarsdOiiTer eine neoe üeber^
arbeitung unternahm, die zuerst 1646 zu Nürnberg erschien^)
und für eine nach dem Maszstabe der damaligen Zeit in jedem
Betracht musterhafte gelten kann.
Da unter den originalen Schiftmmanen, weldie von
deutschen Verfasseni geschrieben worden sind, kein irgend
bedeutender, unter den übersetzten kein in seiner Art besserer
SU finden ist als Montemayors Diana, und das Buch in unserer^
Literatur, wie schon gesagt, von nidit unbedeutendem Snflusi
gewesen ist, dürfte eine gedrängte Uebersicht seiner Gliederung
hier am Oite sein.')
Zu AnfiiD^ des ersten Buches finden wir den Sohlte
Sirene, welcher an den üten des Esla mit fielen Tbrinen und
Seufzern, an denen in dem ganzen Buche ein erstaunlicher
Ueberflusz vorhanden ist, die verlorene Liebe der schdnen
Diana beklagt Er biiqgt ein aus „dero weissen Euuran und
grüner Seiden^ geflochtenes Armband und einen einstnnls
1] Leipzig 1624. & (Goed. Grundr.) — Lins IBU, 8. (li«|rt nir
Tor.) Der UebersAtMK sagt in der Dediesftioiit dsss er anch Boeeseeiot
Fiammetta übertragen habe.
^) Noch einmal Nürnberg 1661. IS. —
3} In der Schreibung der Kigianainea folge ich dem spanischen
Urteite. Hihui 1616.
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f <» Duma ihm geBehhebeneD Brief zum Yoneheiii« worin sie
ihm ttber seine Büfenndit Torwflife macht, senst eher eine
beständige Liebe zeigt. Zu ihm gesellt sich der nicht minder
unglückselige Hirt Sylvano, welcher Diana immer auf das
heftigste geliebt, nie aber ?on ihr Gegenliebe gefanden hat
Syl?aiM> singtf nachdem sie einander ihr Lmd geUagt, ein
Lied, welches Sireno auf Diana gedichtet hatte, und ein
anderes, welches Diana einstmals wfthrend einer Abwesenheit
Siienos auf diesen gesungen, mid fügt noch andere Nachrichten
hinzu, welche beweisen, wie grosz früher die Liebe Dianas
zu Sirene gewesen. Endlich erzählt er von der Ehe derselben,
die sie vor Emaen mit dem wenig liebenswürdigen Delio ge-
schlossen. Inzwischen erscheint eine schöne Hirtin Namens
Selvagia auf dem Schauplatze und singt ein Lied, welches
?enftth, dass sie sich ebenfidls in dem Zustande unglücklicher
Ueibe befindet Sie beginnt mit den beiden an einem Brunnen
sitzenden Hirten eine Discussion über die Liebe und erzählt
ihre Geschichte. Sie stammt aus Portugal aus einer Gegend
in der Nfthe des Dnero. Dort ist ein bertthmter Tempel der
Mmerra. Bei einem daselbst abgehaltenen Feste spielte die
schöne Ysmenia der Selvagia gegenüber die Holle ihi'es Vetters
und Geliebten Alanio, der ihr ftuszeist ähnlich war. Dieser
Sehen hatte aber sehr bedenkliche Folgen, denn Selvagia
wurde dadurch in Alanio verliebt, dieser wurde der Ysmenia
abhold und begann Selvagia zu verehren, weder ein Brief-
wechsel Ysmeniens mit leteerer noch andere Mittel wollten
etwas verfangen, bis sie sich, um Alanios Eifersucht zu er-
regen, in Montane verliebt stellte. Aber hierbei verliebte sie
sich wirklich in diesen, schlieszlich geschah dem Montane
mit Sehagia dasselbe, es half nun nichts, dasz Alanio zu
seiner Leidenschaft für Ysmenien zurückkam, die sechs guten
Leute liebten unglücklich im Kreise herum. In Folge dieses
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— 426 —
eroüselieii Rattenkönigs wurde Selvagia von ihrem Vater aus
ihrer Heimath entfernt, Montano heirathete Ysmenien, und
Alanios Hochzeit mit ihrer Schwester Sylvia stand be?or.
Nach AnhOrang dieser Geschichte gehen die dm, Sirene^
Sjlvano und Sehagia, singend nach Hanse.
Den andern Tag (Anf, des II. Buches) kommen sie wie-
der an demselben Orte zusammen. Sie vernehmen in der Nähe
dnen mehrstimmigen Gesang, and hinsngehend bemerken sie,
dasz derselbe von drei Nymphen, Dorida, CSnthia und Polidora
geheiszen, ausgelührt wurde, und Sirene hört zu seinem Er-
staunen, dasz sie seine eigenen Schicksale besprechen und be>
singen. Nachdem sie den sehr ansführlichen Gesang beendet,
wurden sie von drei wilden MSnnem angegriffen und ftbel
tractirt, die beiden Hirten und Selvai^qa eilten zur Hülfe her-
bei, den Kamjjf entschied aber erst eine andere schöne Hirtin,
welche hinzukam und die drei Unholde erschosz. Während
daranf Selvagia mit ihren zwei Begleitern nach Nahrungsmitteln
geht, stellen sich die drei Nymphen ihrer Befreierin vor als
zu einem Tempel der Diana gehörig und bei dessen Vorsteherin,
der weisen Felicia, welche allen Verliebten fiath giebt, weilend.
Felismena, die tapfere Hirtm, erzählt daranf ihre Geschichte.
Sie stammte ans der Stadt Soldina in der Landschaft Tandalia.
Ihre Mutter hatte, während sie guter Hoffnung war, mit ihrem
Gatten ein Gespräch, wobei sie die Behauptung aussprach,
dasz Fans nicht der Venns sondern der Minerva habe den
Apfel geben sollen. Venns erschien ihr un Traume und ver-
kündigte ihr unter Vorwürfen, sie werde einen Sohn und eine
Tochter gebären, bei der Geburt sterben, und beide Kinder
wflrden in der Liebe höchst nnglflcklich sein. Dvanf erschien
ihr sogleich Pallas und verhiesz ihren Eindom VFaffenglftdL
Während nun nach dem Tode der Mutter und nachdem die
Geschwister herangewachsen waieu, der Bruder an den Hof
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kam, blieb Felismena bei ihrer Alinfrau und machte die Be-
Iranntschaft des Don Felis, mit dem sie bald die heftigste
Liebe mlNUid. Sein Vater schidcte üm an einen frem-
den Hof, sie folgte ihm in MännerkleidQng, ftnd ihn in Oelift
▼erliebt and trat unerkannt in seine Dienste. Da sie die
Corrospondenz des Don Felis mit seiner neuen Geliebten ver-
mittelte, 80 verliebte sich Celia in sie, die sie iftr einen
Jflngling hielt, dies fAhrte swar zaeist ^en An&ehimng des
BrielWechseis, sehliesdieh aber den Tod der Celia herbei.
Don Felis verreiste aus Verzweifelung fdotzlich und wird von
da an ?od Felismena gesucht. Mit dem Ende der Geschichte
kommen die Drei sorück, nnd es werden nodi einige Lieder
gesongen.
Beim Weitergehen (Anl. des III. B.) kommen die beiden
Hirten, die drei Nymphen, Felismena und Selvagia auf eine
Insel in einem See, wo sie die schdne Hirtin Beiisa schlafend
finden. AnfiKewacht erzählt sie ihnen, dasz sie mit ihrai
Thränen die ganze Gegend bewässere. Die Ursache ihrer
übergroszen Traurigkeit war folgende: Arsenio und Arsileo,
Vater nnd Sohn, waren in sie verliebt, sie liebte den Sohn.
Bei dnem Stelldichein erschosz der Vater den Nebenbuhler
mit einem vergifteten Pfeile, und als er ihn erkannte, stürzte
er sich in sein Schwert, worauf sich die trostlose Beiisa in
die iänsamkeit zurückgezogen hatte.
2a Anfimg des vierten Baches wird die durch Beiisa ver-
mehrte C^llschaft bei der weisen Felicia prächtig aufge-
nommen, wobei der Verfasser seine Stärke in der damals so
beliebten beschreibenden Poesie zeigt uud mit Gold und Edel-
steinen eine eben solche Vemchwendang treibt wie die Dichter
der zweiten schlesichen Sdinle mit Zncker nnd Ambra. Es
werden Gesänge aufgeführt, die Kostbarkeiten und Kunstwerke
des Palastes und des Tempels vorgezeigt, dann Gespräche über
2&*
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die Liebe geführt. Felismena erzählt auf Verlangen die Ge-
schichte des tupleien Mohren Abindarraez, welcher von Bodrigo
Karvaez gefangen genommen ward nnd durch diesen Un&ll
in den Besitz seiner geliebten Xari& gelangte.
Den nächsten Tag (Anf. des Y. Bnehes) giebt die weise
Felicia dorn Sireno, dem Sylvano und der Selvagia einen
Zaubei'trank, wodurch der erste seiner Liebe zur Diana ledig
die anderen beiden in einander verliebt werden. Felismena,
▼on Feiida entlassen, findet bald daranf den Arsileo lebendig,
denn sein und seines Vaters Tod waren nur ein von dem
neidischen Alleo gemaclites Zauberblendwerk gewesen. Arsileo
gelangt zum Tempel der Diana nnd findet Beiisa, Sireno kehrt
mit Sylvano und Sehagia in die Hdmath znrOck, wo sie die
dem Sireno nun gleichgültige Diana finden.
Zu Anfung des sechsten Buches vereinigt Filismena die
Amerilda, welche dem Arsileo angehangen hatte, mit Filemon,
ihrem bisher znrfickgewiesenen Liebhaber. Shreno, Sylvano ond
Selvagia unterreden sich mit der unglücklichen Diana über
ihre früheren Verhältnisse und Leidenschaften. Felismena ge-
langt (An£ des VII. B.) auf ihrer weiteren Wanderung in das
Königreich Portugal, wo sie zuerst die Bekanntschaft zweier
sieh Uber Liebesangelegenheiten unterhaltenden SchSferinnen
macht, dann aber Gelegenheit findet, einem Ritter gegen drei
Angreifer beizustehen, welcher erstere sich als ihr geliebter
Don Felis zu erkennen giebi Zum Glflek erscheint auch eine
▼on Felidens Nymphen, welche nicht nur den ohnmlchtig
Gewordenen erweckt, sondern auch durch einen Trank seine
Liebe zu Felismena in der alten Stärke wiederherstellt
Wenn uns auch die Diana für ihre Gattung nicht sonder»
lieh einzunehmen im Stande ist, so musz doch gesagt
werden, dasz sie sich als das Werk eines ungewöhnlichen
Talentes und als eines der besten seiner Gattung daratellt
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— 429 —
Es ist ein Gabinetsstftck höfischer Poesie des ansgeheoden XYL
Jahrirandeiis, rierlich, glatt nnd toU schöner nnd höchst wohl-
gesetzter Reden und wohlgereimter Vei*se. Man kann leicht
ermessen, wie sehr eine solche Dichtung dem höfischen oder
doch vornehmen nnd eleganten Deutschland des XYII. Jahr-
hunderts zusagen muszto, wie sehr sie die Nürnberger Schäfer
in ihren Tändeleien bestiirkte. Wie schon in dem Orginal
nichts irgend welchen wirklichen Verhältnissen entspricht, wie
die unTereinbarsten nnd unnatfirlichsten Verhältnisse und Dinge
— heidnische und christliche Zustände werden vermischt, die
Schäfer reden die Ho&prache mit gelehrten Anspielungen, der
ffirt Arsileo besucht eine Universität, Tempel, Nymphen,
Ritter, Zauberer, adlige Fräulein, Mauren laufen durchein-
ander, daneben bestimmte googrnphische Angaben — ohne Ver-
mittelong nebeneinandergestellt sind, so war die ganze Schäfer-
poesie der Nfimberger und ihrer anderen deutschen Anhänger
beschaffen, und Harsdöi-ffer-Strephon fügt zu diesen ünnatür-
lichkeiten noch die Allegorie hinzu, indem er seine Leser
folgendennaszen benachrichtigt: «Durch die Hurten oder Schäfer
werden yerstanden die Poeten, durch ihre Schafe die Bücher,
durch derselben Wolle ihre Gedichte, durch die Schat-Hunde
ihre Tom wichtigen Studiren mOssige Stunden. Welches dem
Teutschliebenden Leser auch dieses Orts kürzlich anzumelden
für nöthig erachtet wurden." Wie wenig diese Allegorie, aus
einem andern Elrzeugnisz der Pegnesischen Muse genommen,
hier angebiacht erschemt, ersieht man auch ohne besondere
Vergleichungen, aber es eröffnet einen tiefen Blick in die Ver-
kehrtheit der Zeit, welche durch etwas derart den Werth des*
Buches zu erhöhen gUiubte.
Ohne uns weiter auf die in Spanien erschienenen und Ton
den deutschen Bearbeitern mit übersetzten Fortsetzungen der
Diana noch auf ihre Nachahmungen, deren sogar Cervantes und
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Lope d6 Vega welehe geliefert,') einzalasseii, wollen wir, um
die intematioiiale BeMebfholt dieser Art Ton Romanen za top-
anschaulichen. noch den borühmtesten französischen und den
berühmtesten englischen Pastoi*ahomanen erwähnen, welche beide
in BeutBoldand so gut wie auf ihrem heimathlichen Boden znr
Geltung gelangten. In Frankreich trag Honor6 d* ürfiSe mit
seiner Astr^e, in England Philipp Sidney mit seiner Arcadia
die Palme davon. Wenn man die Astr^e mit der Diana ver-
gleicht, wird sofort klar, wie groszen Anklang die Gattung
auch in Frankreich geftmden haben mnsz, da d* Ui^ em so
yiel omfangreicheres nnd ansfflhrlieheres Werk zu Hefem un-
ternahm. Der erste Band erschien 1610, vollendet aber war
das Ganze erst im Jahre 1Ü47, die späteren Theüe erschienen
nach dem 1625 erfolgten Tode des Yer&ssen, zom Tbial von
anderer Hand redigvt. Schon 1619 hatte man eine dentsdie
üebersetzung der bis dahin erschienenen Theile, welche nach-
mals vervollständigt ward, freilich in einer ebenso von den
Opitsischen Beformen nnberdhrten Sprache wie die Knffiiteinsche
üebersetznng der Diana^. Von dem Inhalte dieses andi in
Deutschland höchst beliebten Schäferromans mag nur bemerkt
werden, dasz des Montemayor Diana im Ganzen das Modell
war, nach welchem der Franzose arbeitete, dasi er auch gans
analog seinem Vorbilde wirkliclie Penonen nnd Begebenheiten
— nftmlich die Vorgänge sowohl in der Umgebung Heinrichs
IV., dem der Anfang des Buches gewidmet ist, als in seiner
eigenen Familie — unter schäferischer Verhüllung Torbringt,
Vergl. den betref!". iiden Abschuitt bei Dunlop- Liebrecht Seite
350 ff. In der deutäcbon Diana ?0D 1661, welche mir vorliegt, finden
sich auch die Fortsetzungen.
') Von diesem seltenen Buche (vergl. Barthold, Fruchtbr. Ges.)
besitzt die KönigL und Univ.-Biblioth. zu Breslau ein Exemplar. Der
erste Theil erschien Hümpekart 1619, der dritte Hall in Sachsen
1625| der vierte Leipt. 1685.
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mid dasz der Name des Hanptbeldeii Celadon nicht nur in der
Idtermtor, sondern im sprQchwOrUichen Gebrauch nnsterblidi'
geworden ist.
Eine sehr ähnliche Eolle spielte Sidneys Arcadia in
Eogland uid auch anderwftrts, in Deutschland ging es ihr
ähnlich wie der Diana, denn nachdem 1629 eine deutsche
Uebersetzung von V«ilentinus Theocritus von Hirsch'berg er-
schienen, unterzog sich kein Geringerer als Martin Opitz einer
Ueberarbeitnng, welche 1638 zu Frankfiirt in 8. und nach-
mals öfter gedrackt wurde. ') Auch für diese Arcadia, die
nach der Schwester des Verfassers, welcher sie 'gewidmet ist,
die Arcadia der Gräfin von Pembrock genannt wurde (zum
üntersdiiede von Sannazaros und Lope de Vegas gleichnami-
gen Werken) war Montemayors Diana ila.s Vorbild, nur mischte
der Verfasser heroische und komische Partien ein, eine der
ersteren stammt aus dem Amadis yon Greda.
Wir werden weiter unten noch einmal, wenn auch nur
in Kürae, auf die wenigen original-deutschen Schäicrromane
zurückzukommen haben, das Gesagte genügt, um es berechtigt
eraeheinen zu lassen, wenn wür in Bezug auf Italien, Spanien,
Frankreich und England die Zeit von etwa 1560 bis 1G40
die elassische Zeit des Schäierromans nennen, und es sei noch
auf die damals streng innegehaltene Form, auch ein Merkmal
der Classicitftt, hingewiesen, üeberall Erzählung, Verse und
prosaischer Dialog oder lichtiger Conversation, denn es unter-
liegt keinem Zweifel, dasz wir in den Gesprächen, welche
Montemayor, d*ürfö und Sidney ihre Hirten und Hirtinnen
führen lassen, die nur ein wenig buckmäsziger redigirte Cou-
') Leydcn 161'J. \2. — Frankf. 1G43. 8. — Amsterdam o, J. 12.
— Amsterdam J. Jansson 1659. II. Ö. — Die erste englische Ausgabe
encbiea vn London 1590.
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yersation „derer CaTaliers mit dem hocbadligen Franamminer*
• an den Höfen eines Philipp II. , Ludwig XTII. und der
KdDigiQ filiBabeth vor uns haben. Diese Thatsache wiid durch
das Yorhandensrnn von AaszQgen aus derartigen BQdieni be-
stätigt, welche ganz ebenso wie die Amadis - Schatzkammern
eingeiichtet sind, und aack die zahlreichen Briefe welche in
den Sdiäferromanen Torkommen, stellen sich dnrohaos als
Mosterstttcke m praktischem (}ebranche dar.
Eine weit gröszere Bedeutung noch gewannen die heroisch-
galanten fiomane, deren Entstehung in Frankreich vor sich
ging und deren Blüthezdt ein wenig vor das glftnzende Zeit-
alter der französischen Literatur unter Ludwig XIV. fällt
Madeleine de Scud^ri, die zu den Hauptvertretem dieser Gatr
tong gehört, lebtci zur Zeit und bisweilen in der Umgebung
Lndwigs XIV., nnd Boilean, der Chorage der classiscben Bieh-
tung, war es, der dem Geschmack an diesen Dichtungen den
Hauptstosz versetzte. Die tie^eifende Einwirkung, welche
sie anf die deutsche FMadichtong unserer Landslente im
XVII. Jahrhundert hatten, sichert ihnen, wie schon gesagt,
unser Interesse, aber sie werden auch abgesehen von diesem
Einflüsse an sich selber als Ausdruck der Gultur ihrer Zeit
und namentlich der Sinnesart der Tomehmen Stftnde des Landes,
welches damals anfing ^an der Spitze der Civilisation einher-
zugehen^, stets ein allgemeines Interesse in Anspruch nehmen,
welches weit grOsier ist, als es nach ihrem poetischen VFerthe
allein sein würde.
Aus diesem Gesichtspunkte ist auch jedenfalls die Erdrte-
nmg über ihre Entstehung, über ihre Vorläufer, über die ver-
schiedenartigen Elemente, welche sie aus der vorhandenen
Literatur aufnahmen, anzustellen. Und hierbei scheint nicht
auszer Acht zu lassen, dasz diese „romans de longue haieine"
auch ihrer sprachlichen und stilistischen Seite nach in dnem
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nftberen Yerbältoisse za der Siuachweise und der Denkangs-
ark welche in den Tomehineii Kreisen Frankreichs damals
lebendig und maszgebend war, standen, als dies jemals bei
ähnlichen deutschen Erzeugnissen in Bezug auf die lebende
^piadie nnd die wirklichen Verhältnisse der höheren Stände
unseres Vaterlandes der Fall gewesen ist. Die ConTersations-
sprache des Hofes von Paris und Versailles ward die Sprache
des bei weitem grOszten Theiles der französischen schönen
Idterator. Das Hfttel Bambonillet lieferte den Schöngeistern
und Dichtern eine höfisch-zierliche, regelnia.^zige und zum
Aosdracke ihrer Ideen und Begrifte durchaus geeignete Sprache.
Man entging in Frankreich Tollständig der Ge&hr, dnrch Ent-
lehnung finrander Sprachen das zu leisten, was man der eigenen
nicht zutraute, die französische Nation gelangte schon in der
ersten Hälfte des XVII. Jahrhunderts zu einer durchaus national-
sdbstftiidigen Literatursprache, weil sie zu einer solchen
Sprache der Gebildeten und Vornehmen gelangte- Es ist auch
zu berücksichtigen, dasz die Verfasser dieser heroisch-galanten
Romane höfisch gebildete Leute waren, welche, wie schon
die erwähnten VerüBuser der wichtigsten Schäferromane, Monte-
mayor, d'ürfe und Sidney Hof- und Adelskreisen entstammten
und angehörten. So die drei Koiyphäen, Gomberville, Cal-
prendde und das Fräulein Madeleme de ScudM. Hieraus
schon ergiebt sich, wie viel fester ihre Schriften in den wirk-
lichen Bildungselementen der Zeit wurzelten als die der ihnen
entsprechenden Deutschen.
Und wie in sprachlicher und stilistischer Beziehung, so
schöpften sie auch in Bezug auf ihre poetischen Motive, ilire
Vorbilder und ihren Stoff unmittelbar aus der vollen Wirk-
Hchkeii Es ist daher dnseitig, die Entstehung des heroisch-
galanten Romans aus dem Sehaferroraane herzuleiten, wenn
auch eine Menge von Elementen, wie namentlich die Gonver-
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sationspartien und die Bi iefe in den etwas älteren S»*häfenomanen
ihre Vorlage von classischer Geltung fanden. Auch der ghe-
chisdie Boman fibte seine Wirfamg, Amyots Plntarch ist mit
seinem Binflosse Tertreten, die noch immer Toihandenen alten
Hittorbüchor , die Romane des XIV. und XV. Jahrhunderts,
lieferten namentlich stoffliche Motive in reicher Auswahl , und
SU beachten ist aach, ine sich die Bomandichtnng nnd die
GeediichtBschrmbnng damals viel nfther standen, als whr nns
heutzutage leicht vorstellen können, die nächsten Vorläufer
aber unserer Romane sind ohne Zweifel die Amadisbücher,
mid eine Yergieichang mit ihnen wird nns am besten am einer
ansdianlichea litenurhistorisdien Charakteristik jener Terhelfeo.
Im vorhergehenden Capitel bestimmten wir die Hauptbestand-
theile des Stoffes jener Bücher, indem wir sie in folgende vier
Gruppen ihrer Qualität nach sonderten 1) Bitterliche Abenteuer,
2) höfisdhadlige Conyersation, 3) liebesabentener« 4) Zanber-
spuck nnd anderwdtige Nahrung fOr Aberglauben nnd Sensa-
tionsbedürfnisz. Ein Unterschied zwischen den heroisch-galan-
ten Bomanen und den Amadisromanen springt sofort in die
Angen, wenn wir von dieser allgemeinen Analyse ansgeben,
nftmlich das Fehlen der Memmte der vierten Ebisse in den
ersteren, ein bedeutendes Zeichen der Zeit, um so bedeutender,
als sich auf den ersten Blick auch schon der Zusammenhang
dieser Geschmaeksverftndemng in einem beschrftnkten Liteiatar-
gebiete mit dem Fortschritte des Gesdimackes, wie er ndtk
im Allgemeinen in der französischen Literatur des XVII. Jahr-
hunderts kundgiebt, herausstellt. Es ist das Vorherrschen
des Verstandes imd des Eunstgeschmacks über die Phantasie,
jener so änsserst ftst ansgepiftgte Gmndsng der framOsischen
Classik, welcher sich hier kundgiebt, nnd insofern sind unsere
Bomane, die, wie schon bemerkt, sich der Zeit nach hart mit
den Ersengnissen der dassischen Blüthezeit berühren, Vorlftofer
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der Classik gewesen, wenn diese sie auch mit gutem Recht
als nicht zu sich gehörig abwies. Wir können also im Allge-
meinen — und nm eine gans allgemmne Charakteristik handelt
es sich hier nur — sagen, dasz das Zauberhafte und Wunder-
bare aus den heroisch -galanten Romanen verschwunden ist.
Ist es nnn dnrch irgend ein anderes poetisches Beqnisit ersetzt
worden? Diese Frage, dergleichen sich in der Geschichte der
(Jeschmacksveränderungen dem Betracliter oft aufdrängen, kann
höchstens theiiweise bejaht werden. Inwiefern nämlich durch
die Weglassnng des Zauberhaften und Wunderbaren eine Bin*
Wirkung weniger auf die Phantade des Lesers geschieht, also
gerade diese Seite des Seelenlebens etwas verliert, insofern
kann von einem Ersätze hier ganz und gar nicht die Rede
sein. Die heroisch-galanten Bomane sind merklich weniger
phantastisch — es sei gestattet, dieses Wort hier im guten
oder wenigstens nidit im schlimmen Sinne zn nehmen — als
die Amadisromane, und, um es gleich rund heraus zu sagen,
ebendadurch merklich weniger poetisch geworden. Die Prosa
hat gewaltig um sich gegriffen ?on der Zeit an, da MontalTO
arbeitete, ja anch von der an, wo des Essarts ihn ftbersetzte,
bis zu der, wo Gomberville, Calprenede und die Scudöri blüli-
ten. Wenn wir jedoch untersuchen, ob und inwieweit an die
Stelle der verbannten Urganda, Arcalans and ihrer Sippe
flberhanpt etwas anders getreten sei, nm die neue Art Bomane
bei ihren Lesern zu empfehlen, so werden allerdings sich
Elemente bemerklich machen, welche der älteren Art fehlen
oder wenigstens nur in weit schwächeren Bruohtheilen bei ihr
sa finden smd. Das letztere iSszt sich von dem sagen, was
wir Spannung und Ueberraschung nennen. Um diese hervor-
zubringen und zu steigern, sind Nüttel angewendet, welche
wir zwar schon in den älteren Bomanen, auch den Bitter-
btkcbeni finden, aber nicht in demselben Grade ansgebentet
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and gesteigert Hierher gehören in erster Linie Incognitos,
YerwechseliiDgen, Wiedererkeimiiiigen ond jene nameiitlich in
den griechiseheD Romanen eingt so hOcbst gewaltsam tat Dar-
stellung gebrachten Irrungen, wo der Leser und die bei einem
Vorgänge gegenwärtigen Personen vom Dichter getäuscht und
glaoben gemacht werden, es sei so oder so gewesen» und nach
vielen Seiten oder Oapiteln zeigt sieh, dasz es ganz anders
sich zugetragen hat nnd die Fignren des Bomans wenigstens
einen Augenblick ihre fünf Sinne nicht recht bei der Hand
gehabt haben mässen. So wird in Calprencdes Cassandra der
Prinz Artazerxes vor Hunderten von Zeogen in einer Schlacht
Ton den Seythen niedergehauen, was ihn keineswegs ändert,
nach Verlauf einiger Zeit wieder aufzutauchen, und man wird
hierbei an die überaas abgeschmackte Begebenheit im Achilles
Tatins erinnert, wo der Leakippe in (Gegenwart ihres Lieb-
habers und Tieler anderen Leute der Baach anfgeschlitzt wird,
nur um sie zu gröszerer TJeberraschung des Lesers später ans
dem Grabe auübtehen zu lassen.
Ist, wie das angeführte Beispiel beweist, die künstliche
and ftbenraschende Verwickelang ein Mittel, welches wenigstens
in seinem üebermasz verwerffich ist, so masz dieses Ton dem
an zweiter Stelle angewandten vom ästhetischen Standnunkte
ans ohne Bedingung gesagt werden. Ich meine die schon in
den SchSliBrromanen zum chankteristischeo Merkmale dar
Gattung gewordene Darstellung Ton Persönlichkeiten und Er-
eignissen der Gegenwart unter bald mehr bald weniger ver-
deckenden Masken aus weitabliegendem Zeitaltem und Län-
den, oder, wie der Kunstausdruck der Franzosen noch im
XVni. Jahrhundert lautet, les personnages d^guis^s. Wenn
beide Mittel combinirt werden, entstehen wahre Räthsel für
den Scharfsinn der liochgeborenen Lesewelt. Um die abstracte
Sache in eine abstiacte Fonnel zu fiissen, tritt z. B. die Person z
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in dem grOszten Theile der Geschichte anter dem Namen j auf,
aber eigentlich ist sie die Person z, wobei s eine PersOnlieh-
keit am Hofe Ludwig XIY., y einen angenommenen nnd x den
wirklichen Namen einer Eomaniigur vorstellt Auch gestatten
es die Eonstregeln, diese Algebra des Bomans wdter za ent-
wi^eln, 80 dasz dem z ein y, und ya, sowie ein x, nnd x,
entspricht, oder x=y=z, und Z2 und so weiter, das heiszt
eine wirkliche Person entspricht zwei fingirten, deren jede wie-
der nach dem Bedflrfiiisz der YerwiiMung mit zwei Namen
auftreten kann, und umgekehrt.
Doch genug hiervon, und wenden wir uns einer bessern
Seite der heroisch-gahmten Bomane Frankreiehs za, n&mlich
ihrer Behandlung der Gesehlechtsliebe. Es bedarf keiner Worte,
um zu sagen, dasz dieser Bestandtheil der Amadisromane so
wie der Schäferromane in den heroisch-galanten Bomanen na-
tftrlioh nicfat fthlen kann nodi daif , ja dasz er dn Hanpt-
erfordemisz, wenn nicht — wie es in der Meinung des grösz«
ten Theiles der Zeitgenossen wenigstens der Fall war — das
Hanpterfordemisz ist. Man mnsz es nnseren Nachbaren nach-
sagen, dasz sie dieses Thema ans dem Grande verstehen, nnd
hier tritt, wenn wir auf die Amadisbücher zurückblicken, na-
mentlich heryor, wie gat sie mit der Zeit fortzuschreiten
waszten. Wir bemeikten yor Eorzem, dasz die heroiseh-
galanten liomane in Hinsicht auf Verständigkeit und Gegen-
satz gegen das Phantastische eine die französische Classik an-
kflndigende Stellnng einnehmen, wir können ihnen dieselbe Be-
deatnng in Hinsicht anf noeh eine andere ehankteiistische
Eigenschaft beilegen, nämlich in Hinsicht auf die Decenz. Be-
kanntlißh war es bei den Helden der AmadisbAcher so gat
wie tradiiioneD, von ihren Mtem vor der Ehe erzengt za
werden, und Galaor und andere Ritter, die sich zu seinen
libertinistischen Qrandsätzen bekannten, Mden immer so yiel
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gleichgesionie Damen, dasz «die verbottne Kammer*' lange
Zeit auf ein ihrer würdiges Paar warten muszte, und wenn
diese Kammer nicht blos Treue in der Liebe, sondern auch
Beinheit mid Unschuld Terkngt hfttte. so w&ren auch Amadb
und Oriana nicht hinemgekommen. In dieser Besdehnng ist
es denn in den heroisch-galanten Romanen im Allgemeinen
erheblich besser geworden. Man sieht bei ihrer Leetüre sehr
bald, dass die Kreise, für die sie bestimmt waren, die Gren-
wa des SehicUichen sehr viel enger gesogen hatten, als ne
fftr die Leser der AmadisbQcher gewesen, es ging am Hofe
Ludwig XIV. ohne Vergleich viel decenter zu als an dem
Franz 1. und der ihm folgenden Könige. Wir wissen ans
der Geschichte, dasz es nicht wiridich sittlicher zngegan-
gen ist, dasz an die Stelle offener Zugellosigkeit groszentheile
nur Scheinheiligkeit getreten war, und deshalb sagen wir nur
decenter und nicht sittlicher. Auch von den Romanen kann nur
dies gelten, and man wOrde vergeblich sich bemühen, wenn
man nach Beweisen suchte, daaz die Dichter wurUidb Ton der
Vortrefflichkeit einer reinen, unschuldigen und unter der
Herrschaft sittlich edler Grandsatze gebaltenen Geschlechts-
liebe darchdrangen gewesen wftren« Ifen begreift viehmehr
sehr laicht, dasz die verhlUtniszmftszig grossere Beinheit dieesr
Leidenschaft nur von den hoffähigen Helden und nur als
höfische VoUkomminlieit gefordert wird, nicht als eine dem
Menschen als solchem zar Zierde gereichende Ghaiakteieigeii-
schaft. Man würde aber nnsersn Bomanen grosses Unrecht
thnn. wenn man verkennen woHte, daez sie in der in Bede
stehenden Beziehung auf dem Wege zu einer wirklichen Vcr-
edelang gewesen seien. Dasz sie diesz waren, sieht man aas
den sicfa an sie ansAlieszenden Bomanen der Grifin La&yette
nnd ühnliefaen, von denen nicht bestritten werden kann, dasz
sie die sittlich edelsten Liebesromane sind, welche es über-
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haupt giebt. Und hier musz darauf aufmerksam gemacht
werden, dasz den heroisch -galanten Romanen der Franzosen
ftbeEhaapt kaum etwas mdir zum Lobe gereicht, als jenen
Sproez, die heroisch-sentimentalen, getrieben zn haben, ein
Umstand, der sie voiiheilhaft Yon ihren deiitächon Gegenstücken
unterscheidet, von denen grade herauszusagen ist, dasz »ie
mit nichts Yemünitigem nnd iirspriesziichem weder in der
Idterator ihrer Zeit noch der Folgezeit in oiganischer Yer-
bindnng stehen.
Ein vergleichendes ürtheil über die ritterlichen Abenteuer der
heroisch-gahwten nnd der Amadisromane, wobei auch die spftte-
ren der eigentlichen Bitterbücher mit herbdgesogen werden
können, wird fthnlich wie das Aber die Liebesabenteuer ansMen.
Wenigstens insofern ist auch hier ein Fortschritt, wenn auch
keine Veredelung anzuerkennen^ als der Kreis nur ritterlicher
Abenteoer, die in den Amadiscflcheni Ihst, in den Bitterbüchem
mit Tersehwindenden Ausnahmen nnr ansEinzelk&mpfen bestehen,
sich zu der Darstellung nicht nur solcher, sondern auch kriege-
rischer Scenen groszen Stils erweitert. Allerdings herrscht
in diesen ein stark gascognisdier Ton nicht znm Vortheü des
Cksammteindntckes nnd oft anch in ermüdender Monotonie.
Die Helden erlegen soviel Feinde, dasz sie einen Wall von
Leichen um sich aufthürmen, und wenn sie einmal das Schwert
gezogen, geht es selten <^me die nnglanblichsten Wunder der
' Tapferkeit ab. Auch finden sich kriegsgeschichtliche Ab-
schnitte von ermüdender Breite, welche an übermäszig aus-
f^Iiche Chroniken erinnern und grade dadurch den Koman-
kser ermüden^ dasz sie absichtlich die Erfahrenheit ihres Vor-
fassers in mOitftrisohen Dmgen darlegen wollen. Nicht weni-
ger breit pflegen auch die Abschnitte zu sein, welche die
Auaeinandersetzung politischer Verhältnisse zum Zwecke haben.
Was endlich die sehr umfieuigreichen Cionversationen an-
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langt, so stehen die heroisch -galanten Eomanc darin den
Amadisbüchera und den Schäferromanen ganz gleich und bil-
den nnerschOpflidbe Sdiatzkammem schOner Baden, pcmipbaftor
Ansprachen, zierlicher Entgegnungen, und auch Musterbriefe
für die verschiedensten Fälle fehlen nicht. Nimmt man aber
Alles in Allem» so stobt fest, dasz die Gattung in dem Ueber-
gange von den Amadisen und fthnliehen BQchern, an denen
besonders die spanische Literatur reich ist, zai den heroisch-
galanten fiomanen der Franzosen einen Fortschritt in Bezug
anf poetischen Werth nicht gemacht hat Und wenn inr in
einigen Punkten die heroisch-galanten Romane als Vorläufer
des classischen Geschmackes bei den Franzosen erkennen konnteo,
80 mag doch anch ausdr&cklich henrorgehoben werdeo, dasE ddi
die psychologische Fdnheit,ManichibItigkeitnnd Folgerichtigkeit,
welche eine der besten Seiten der französischen Classik hildet,
jene durchdachte und künstlerisch durchgearbeitete Entwicke-
Inng der Charaktere, die wir von alloi gl&nsenden Eigenschaf-
ten Racines und Corneilles — von dem unübertroffenen Moli^re
ganz zu schweigen — vielleicht mit dem meisten Recht be-
wundern, in den heroisdh-gahmten Bomanen nicht henrorthat
Dieser Mangel, der grade der historischen, die TerBchiedeDOi
Gattungen und Epochen der Literatur in Verbindung bringen-
den Betrachtung auffallen musz, scheint auch historisch er-
klftrhar zu sein, wie er dadnrdi historisch wirksam wurde,
dasz er sich in verhängniszvoller Weise in den entsprechenden
Erzeugnissen unserer deutschen Literatur — mit sehr geringen
Ausnahmen — geltend machte. Ankge zur pBychok)gi8chA
Analyse und Dialektik hatten die Yerfiisser sidieiUdi, da rie
Franzosen waren, Gelegenlieit zur Beobachtung menschlicher
Charaktere und Leidenschaiten hatten sie auch, denn sie waren
Leute, welche sich in den oomplidrten und geistige An-
Spannung erheisdienden Lebensverhältnissen der vornehmen
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Gesellschaft bewegten, aber der schon gerügte Miszbrauch, das
Gopiren wirtdicher Y erhältnisse, legte ihnen fftr die kflnsüerisch
freie EntwickeluDg der Charaktere Fesseln an, welche jeden
Versuch eines solchen Verfahrens vereiti-ln niuszten. Das fort-
währende Versteckenspielen wurde Nothwendigkeit und machte
die ganze Darchf&hmng der Charaktere zn einer rein ftnssser-
liehen Handwerksarbeit, drängte die Dichter in einen durch-
aus falschen Realismus hinein, in dem sie die Wahrheit auf
Kosten der Wirklichkeit im schlechten Sinne, d. h. der Zu-
fälligkeit, Aeoszerlichkeii, des Nebensächlichen nnd Interesse-
losen, Temachlässigten. Daher die oft hst unerklärliche ün-
empfindlichkeit gegen das Passende und Unpassende in den
Handlungen und Beden der Personen von einem bestimmten
Charakter, eine iägenschaft, die besonders bei dem Fräulein
Ton Scudfri stark hervortrat und ihr den Spott Boileaus ein-
trug, daher auch die schablonenhafte Behandlung der Helden
und Heldinnen, der guten und bösen Menschen, die sich allein
durch mit ihrem Charakter nicht zusammenhängende Zu-
fälligkeiten und Situationen untwscheiden, als Menschen be-
trachtet aber eine abstracto Congruenz zeigen, welche das In-
teresse derer, die an den Aeuszerlichkeiten, weil sie zeitlich
oder öiilich den äuszerlich copirten Personen und Ereignissen fem
standen, nichts theihiehmen konnten, giadezu ertödten muszte.
Nach dieser allgemeinen Charakteristik des heroisch-
galanten Romans der Franzosen sei nur noch Weniges in Be-
zug auf die wichtigsten einzelnen Erzeugnisse dieser Gattung
gesagt*)« Als der erste Boman dieser Art gilt der 1632 er-
schienene Poldxandre von Louis le Boy de Ooqiberville. Wir
I) Jh Bmumgelnng ?on ▼o]Igtändig«n Ausgaben kann, wer eich
näher ftber den Ldudt dieser Bomane in nnteniehten wttnscht» die
sehr mnfangieiehen Analysen in der Bibl. nniv. des B. benfltaKn.
Yergl. ausserdem den beträffonden Abschnitt bei I>nnlop.
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bemerken an dieser höchst weitsciiichtigen Erzählung deutlich,
wie sich damals der Charakter der heroisch-galanten Bomane
«rat bildatOy denii das Vorhensohfiii dar Pliantastik stelli oe
den Amadiaroinaiiea nodi anffidlend nahe. Biii Biese ind ein
Drache, ganz von der Qualität der Figuren dieses Namens in
den Amadiäen und Kitterbüchem, eine Insel, auf welche, wer
sie verlassen, nicht mehr zurückkehren kann, und andere den
Cksdmuusk der framOsisehen Literatar der XYII. Jahiimiideris
nicht mehr recht entsprechende Dinge kommen vor. Ausser^
dem hat Gomber^ille noch zwei weniger berühmte Bomane,
Garit6e nnd G^rther^ geschriebeB« sewie eine Fortsetsong des
Pol^xBBdie unter dem Namen Le jenne AlddiaiM^ die er je-
doch nicht selbst vollendete.
Ungleich gröszeren Ruhm erwarb sich der Qascognische
Edelmann, Gardeofficier und tragische Dichter Gautier de
Gostes Seignenr de la Oaljoendde, der mit Beehi als der Srate
aaf dem Gebiete des haroisch-gaknten Romans angesehen
wird. Auch in seinen Prosadichtungen zeigt er sich durch
seine Begeisterung für kriegerische Abenteuer als Cavalier,
durch seine höchst pathetischen Dedamationen als TragOde und
durch seine Aber die Grenzen des guten QeschmaekaB und
der Wahrscheinlichkeit hinausgehenden üebertreibungen ab
Gascogner, und Boileau hat sich den letzteren Umstand nicht
entgehen lassen, indem er sagt:
.Tont a llinmesr GiMouie cn un antenr OtaeeB,
OtlpTen^do et Jnbft'parleiit du mSme ton."
Der König Juba, welcher mit seinem Homer in Gas-
connaden wetteifert, spielt eine bedeutende BoUe in Galprenddes
OTstem Bomane Cl^patre, welcher 1646 zu ersdieiBeB anfing
nnd die gewaltige Ausdehnung von zwölf Bänden erreichte,
also die landläufige Bezeichnung Bomans de longue haieine
vollkommen .lecbtfertigte. Hier, wie in seinem awaiten Werke,
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welches dem ersten die Palme streitig machte, der Cassandra,
hat akb Oalprendde an die EralgBisse emer bestimmtoB
Urtonseben Zeit sngesdiloflBeiL, nftmlich in jenem an dk der
Regierungszeit des Aiigustus — Cleopatra ist die Tochter jener
Cleopatra, die im Staats- und Privatleben ihrerzeit kaum mehr
Unheil gestiftet hat, als nach ihrem Tode in der Poesie —
in diesem an die Geschioke der grieeluscb-aaaliscben Welt
rar Zeit Alexanders, man darf sich aber keineswegs nnter
diesen Geschichten etwas von der Art vorstellen, die wh* seit
Walter Scott hiatoiiscbe Bomane nennen^ denn gerade daa,
was bei Seott das Wesen der Gattung ansmacbt, das genau
bislorisclie nur dm'eh diobierisebe Phantasie m griteESior An-
schaulichkeit belebte Colorit des Hintergrundes, der Zustände
und der Denkungsart der Personen, fehlt bei Calprenede, der
Tiehndur nur die Ereignisse und die Namen der Hanptpersooen
der Oescbicbte entlehnt, erstere freilich auch mit grosser
Willkür behandelnd, im Uebrigen aber Alieb durcliaus modern
zugehen und gesagt werden la^zt.
Der zweite der beiden berfthmtesten Homaae unseres
Mannes^ die Gassandra, weldie der Cleopatra aa BerlUiml-
heit gleich ist, an Lange nicht zu ihrem Nachtheile ziem-
lich hinter ihr zurücksteht, erschien zu Paris im Jahre
1^ nad erlebte eine sehr grosse Ansabl Ton Auf«
lag«. Die Titslbeldin beisst eigenfilieb Statiia und ist
die Tochter des Darins, des letzten Königs der Perser.
Oroondates, der Sohn des Scythenkönigs Matthäus, sah sie
als er in einem Kriege zwischen seinem und ihrem Yater einen
nftohtHdien Ueber&U auf das peisiscbe Lager machte^ und ver-
liebte si^ sterbUcb in sie. In demselben Kampfe hatte er
noch Gelegenheit, die Tapferkeit ihres Bruders Artaxerxes zu
hewundem und, ohne dasz er als Sohn des feindlichen Königs
efbami ward, mit ihm Freundschaft su sohliesien. Die Liebe
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zu Staiira trieb ihn, unter dem Kamen Orontes am penisclien
Hofe aufzutreten und beide Verbältnisse fortzusetzen, bis ihn
ein übereiltes Geständnisz in die Lage brachte, dem Freunde
seinen wahren Namen und seine Leidenschaft zu offenbaieo.
Der darauf von Neuem zwischen den Scythen und Persem ent-
})rennende Krieg findet üm daher in den Reihen der Perser«
Artaierxes filllt — wie sdion erwähnt» allerdings nur schein-
bar — in einer Schlacht, Oroondates kehrt zu Darius zurück
und leistet ihm in dem unglücklichen Kriege gegen Alexander
Beistand. Die Schlacht bei Issus bringt die Gattin und Tochter
des Darius in Alexanders Gefengenschaftv Oroondates bleibt
noch bis zum Untergänge des ersteren in Persien und macht
Versuche, seine gefangene Geliebte zu sehen, endlich kehrt er
▼eraweiflungsfoll in sein Vaterland znr&ck, wo er als Ver-
rftther in den Kerker wandern musz. Als aber Arsaces, ein
beim Könige in groszer Gunst stellender Fremdling, in Un-
gnade fällt, erlangt er seine Freiheit wieder und fuhrt den
Krieg gegen das Heer Alexanders. Zwar erfährt er zu seinem
groszen Schrecken von einem Gefiingenen, dasz Statira ihn für
untreu gelmlten habe und die Gemahlin Alexanders geworden
sei, es gelingt ihm aber, in Susa die Statira zu sehen und ihr
die nOthigen Aufklärungen zu geben, worauf er nach Babylon
eilt, um mit Alexander um Statira im Zweikampfe zu streiten.
In der N&he von Babylon trifit er mit Lysimachus zusammen,
welcher seinerseits der Statim Schwester Parisatis liebte. Es
folgen nun noch eine Menge höchst verwickelter Abenteuer,
und eine grosze Anzahl Nebenpersonen treten auf. Perdiccas
und Bozane, welche sich in Oroondates, als er Tor dem
macedonischen Kriege in Persepolis weilte, verliebt hatte und
daher die unversöhnlichste Feindin der Statira ist, spielen die
Rollen der Intricanten und bereiten den Haup^»ersoneD die
furchtbarsten Geföbren und Yerl^fenheiten. Jener Aisaoes,
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der wSliraiid des Oroondates ersten Aafenthaltes in Persien
am geythisehen Hofe emporgekommen war und des letzteren
Schwester Berenice liebte, enthüllt sich als der persische
Prinz Artaxerxes. Schlieszlich gelangen jedoch die Liebenden
EU der langersehnten Vereinigung, indem Oroondates die
Statira, Lysimaclms die Parisatis und Aisaces — denn diesen
Namen hatte er als den bleihenden angenommen — die
Berenice heirathete. Oroondates nahm den Thron seines Vaters
ein, und Arsaces wurde — allerdings höchst unchronologisch
— der Gründer des pai-tbischen Reiches.
CalprenMes dritter Boman, Pharamond (Paris 1641.)
ist nur zmn Theil von ihm selber, von den zwOlf Binden, die
er nmfiiszt, haben die fünf letzten den auch als Verfasser
weiterer heroischer Komane bekannten Pierre de Vaumoriäre
zum Urheber, auch hat dieses Werk nicht dieselbe Berühmt-
heit wie die Cleopatra und Cassandra erlangt.
Fruchtbarer als alle anderen, welche das Feld des heroisch-
galanten Bomans in Frankreich bebaut haben, erwies sich das
Fräulein Madeleine de Senden, deren Lob schon ihr Zeitge-
nosse Wagensoil, der Gönner der Nürnberger Meistersänger,
in Deutschland ausbreitete und die noch in unserem Jahr-
hmidert Ton Hoffinann in einer Novelle yerhenrlicht worden
ist, welche allerdings von ihrem Charakter als Schriftstellerin
kein richtiges Bild liefert. Mit Becht gilt Madeleine de
Scad6ri, ein vollkommener Blaustrumpf in einer Zeit, da diese
Speeles noch unyerhftltniszmftszig seltener als in unserer Zeit
auftrat, als diejenige, welche die Scliwruhen und Geschmack-
losigkeiten der von ihr gepflegten Gattung am meisten aus^
gebildet hat Denn sie hat es in dem Versteckenspielen mit
Personen und Begebenheiten sowie in der üebertragung durch-
aus modemer Zustände und Anschauungen auf weit entlegene
Zeiten und Volker entschieden am weitesten gebracht und
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ansBsrdem eine Menge von an ridi gesdimackloseii, ja liclier»
liehen Tändeleien bei sehr wenig passenden Anlässen in ihre
Erzählungen eingemischt. Ihr erstes Werk, Ibrahim ou Tiilustre
BasBa, hat für uns das Interesse, dasz es dem Ibrahim Baaaa
Philipps Ton Zesen m Gmnde liegt nnd avch den Stoff n
dem gleichnamigen Tranerspiele Lohensteins hergegeben hat,
weit iMjrühmter aber wurde ihr Artamene ou le grand Cyrus
(Paris 1650) und ihre Cl^lie, histoire romaine (Paris 1654).
Die Art| wie in jenem der Stifter der persischen Monardiie.
in diesem die Oloelia Tirgo der römischen Urzeit verarbeitet
werden, hat der Verfasserin allerdings reichlich den wohlver-
dienten Spott Boileaus, den wir sogleich zu Worte werden
kommen lassen, zngesogen, andererseits aber anch die vollste
Bewunderung der Tomehmen Herren und Damen an dem Hofe
Ludwigs des XIV. eiregt, und welche Wichtigkeit man den
zahllosen, den zeitgenössischen Lesern sehr interessanten, d&c
Lüerstargeschichte aber sehr nninteressanten, Ampelnngen
ihrerMit beilegte, beweist am besten der Umstand, dass man
zur Deutung derselben einen förmlichen Schlüssel herstellte.
£3 ist bekanntlich der Literatur unserer westlichen Nach-
baren beschieden gewesen, sich ton dem Beginne 'der Neizeit
an TO« den gftnst^stea yeihftltmsseB unterstltjft za entwickehi,
und 80 hat sie sich nicht blos in der Lage befunden, ver-
hältniszmiiszig früh einen Höhepunkt ihrer Leistungen zu er-
reichen, sondern hat sich auch des noch weit unbez weifeiteren
Vortheils zu erfreuen gehabt, dass die eneigiBche Lebense»^
Wickelung rasch und entschieden Auswfkchse mid IGszbildnngen
zu beseitigen im Stande war. Jedermann weisz, wie ver-
schieden in dieser Beziehung die Schicksale unserer National-
IHeratnr sich gestaltet haben. An der EntwidDeln^g des
heroisclft^galaBten Bemaas Iftszt sich dies redrt gut aoikeigeB.
Lange konnte seine Geltung bei der Energie, mit welcher die
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franziOsische Literatur ihren höchsten Zielen zustrebte, nicht
daotini, weoigstons nicht in den Kreisen, weldie in ihrer Ge-
sdimackBrichtong und ihrer LeciOre mit der Literatur wirk-
lich Schritt hielten. Den vollgültigsten und interessantesten
Beweis hierftlr bietet Boileaus trefflicher lucianiscber Dialog
Lee h^roB de xoman, wdcher sohon in den Jahren 1664 und
1665 entstand, also in einer Zeit, da wenig über ein Menschen-
alter seit dem firscbeinen der ersten Werke dieser Art ver-
flessen war. Wir weiden, wie es in den TodtengeBpiftGhen
LsciaBS geschieht, in die Unterwelt veraetzt Die Spitzen der
zuständigen Behörden, Pluto, Minos, Rhadamanthys, denen sich
Diogenes als lastiger Rath beigesellt, befinden sich in nicht
geringer Verlegenheit, da ein gefiUurlieher Anfttand der Yei^
dammten 'ausgebrochen ist Um diesen niedemiwerfen, be-
schliest Pluto, die Helden des Aiterthums aufeubieten, welche
aber erst, da man bedenklidie Symptome einer Charaktenrer-
todemng bei einer Annhl yon ihnen wahlgenommen, vor
den genannten Vorgesetzten eine Art Revue zu passiren haben.
Zaent erscheint Gyrus, Diogenes macht Pkto bemerklich, dass
jener jetat Artamdne heisze nnd dass er alle seine Thaten
nnr Tollbracht habe, um seine Prinzessin, die achtmal ent-
führte Mandane, zu befreien.
Minos. Voilä nne beavt^ qni passe par bien des mains.
Diogdne. Geb est vrai; mais tons ses ravissenrs
^toient les sc^l6rats du monde les plus vertueoz. Assur^ment,
ils n'ont pas os^ loi toucher.
Pin ton. J'en donte. Mais laissons Ii ce fon de Diegtee
n ftnt parier ä Cyms Ini-mtoe. Eh bien! Cyrus, ü ^nt
combattare. Je vous ai envoy^ chercher pour vous donner
le oommsodement de mes tnmpes. n ne r^ond rienl
Qa'Srt-fl? Vons diriez qn*il ne sait oü il est
Cyrus. £h! divine princesse!
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Pluto n. Ciuoi?
Cyrus. All! injuste Mandane2
Pluton. Plaitrü?
Oy ms. Tu me flattes, trop complaisant F^raulas. Es-ts
si peu sage que de penser que Mandane, rillustre Mandane,
pniflse jamais toorner les yeox sur rinfortun^ Artamene?
Aimons-la tbatefois; mais aimerons-Doos One enielle? Sem-
rons-nous iine inexorable? Oiii, Cyrus, il faut aimer une
cruelle. Oai, Artamene, il faut serrir ane insensible. Oui,
fils de Cambyse, ü adorer Tinexorable fille de C|yaiare.
Pluton. II est foa. Je crois que Diogeae a dit TiaL
Diogene. Vous voyez bien que voua ne saviez pas son
histoire. Mais Mtes appi-ocher son öcnyer F^raulas; ü ne
demande pas mienz qne de vons la raconter; il sait per
coeur tout ce qui s'est pass6 dans Tesiirit de son maitre, et
a tenu un registre eiact de toutes les paroies que son maitre
a ditee en lui-meme depuis qn'ü est an monde, avec un rooleaa
de ses lettres qn*il a tonjonra dans sa podie. A la liaM
vous etes en danger de bailler un peu; car ses narrations ne
sont pas fort coortes.
Plnton. Oh! fai bien le tempe de cela!
Cyrus. Mais, trop engageante personne
Pluton. Quel langage ! A-t- on jamais parl^ de la sorte?
Mais dites-moi) Tons, trop plenrant Artam^e, est-ce qneTOiis
n^avez pas envie de oombattre?
Cyrus. Eh! de gräce, g^nereui Pluton, souflfrez que
j'aille entendre Thistoire d'Aglatidas et d'Amestris , qn*on me
va conter. Bendons ce devoir k denz iUnstres malhenrenx.
Cependant voici le fidele Feraulas qu e je vous laisse, qui vous
instruira positivement de Thistoire de ma Tie, et de rimpossi-
bilit^ de mon bonheur.
Pinto jagt den Cyms im höchsten Zorne hinans, nach
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diesem erscheint Tomyris, die Königin der Massageten, welche
ihre Schreibtafel eifrigst sucht, denn sie hat ein Madrigal auf
Cym darin oiedergesdirieben. Hoiatiiu Coeles singt ein
Ecliolied verliebten Inhalts, Oloelia fftrchtet, dasz sieh Un-
ruhen im royaume de Tendre erheben möchten und setzt die
verschiedenen Arten des Tendre auseinander — eine überaus
abgeschmackte Spielerei der Scuddri^ welche die verschiedenen
Formen nnd Grade zftrtticher Zuneigung durch eine allegorische
Geographie darstellt. Dann kommt Liicretia, welche mit
Brutus ein Liebesverhältnisz unterhält und Gedichte aus ver-
stellten Worten wechselt Sappho tritt auf und giebt unter dem
Kamen der Tisiphone eine Personalbeschreibung des Frftnldns
von Scud^ri, eine Menge von erdichteten Helden setzen Pluto
in nicht geringe Verwunderung. Pharamond, der Stifter des
Frankenreiches, bat sich (nach Calpren^) in das Bild einer nie
von ihm gesehenen Fflrstin verliebt Nachdem noch einige
nicht hierher gehörige Schriftsteller ihr Theil Spott erhalten
haben, erscheint Merkur und klärt die Sache dahin auf, dasz
die eben gemusterten nicht die wirklichen Helden des Alter-
thums, sondern blosze Phantome und Masken modemer Per^
sOnlichkeiten seien, ein eben in der Unterwelt angekommnner
Franzose sieht alte Bekannte in ihnen, und sie werden sammt
und sonders in der Lethe ersauft.
Die Wirkung von Boileaus Satire war durchschhigend,
aber dies war kein ffindemisz, dasz die heroisch-galanten
Romane noch lange Zeit Leser landen, und leider hinderte die
starke Reaction, welche sich in Frankreich gegen die Ge-
schmacklosigkeit dieser Gattung erhob, nidit, dasz sie im
ürteit wie in Uebersetzungen in Deutschland eines überaus
groszen und allgemeinen Beifalls sich erfreute, ja hier euie
Anzahl Schriftsteller zur Nachahmung begeisterte, welche fast
noch fruchtbarer waren als ihre Meister. Mit diesen deutschen
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— 450 —
beroisch-galanten BomaneB baben wir uns mm EimädHt m
boscliäftigen. üeber alle Einzelheiten der Geschichte der
Begründung und Aufnahme dieser Dichtungäart, daher auch
über die Verbreitimg der fraazAsiachea Urbilder uid ihrer
UebersetsoDgett soll das nftehste Gapitel bandeliL
Sehftferroman und heroisch -galanter BomAn sind die
Huuptgattnngen jener Zeit und kamen daher auch am meisten
za internationaler Geltung, wenngleich es auch an Nebenarten
nicht ÜBhlte. Hier sei abor nur noch bemerkt, daai aidi die
BeliebÜielt der Somanform nm das Ende des XYL nnd dea
Anfang des XVII. Jahrhunderts grade darin zu zeigen be-
ginnt, dasz man auch ganz unepische Themata, zom Beispiel
politische Weisheit, in Form von Bomaneii Yortnig. Wir
werden Qelegenheit haben, zu bemeriren, dass onser» Lands-
lente, dem Lehrhaften immer zugeneigt, aucli hierin den Aus-
ländem, welche sie in allen Stücken zu bewundem entschlossen
waren, nachfolgten.
BeUage zu Capitel YUL
Aus der Diana, üebersetzt von fiarsdörffer.
Nümbei^ 1661.
Das ander Buch.
Bs begnnten allbmit/nach daro Gewohnheit /dJ^yemgeii
Hirteo / so bei dem liebliclien üfer des orystallinenen Esch ihre
Sohaliein zu weiden pHegten/sich nach einander dahin zu
finden / und vor Auffgang der Sonnen eine süsse Weide und
schattigen Ort /allda sich iwMifthtniün in der grOsaten Hitn
die satte Heerd unterstellen michten / an sadien / als die
schine Hutin Ö)lvagia ausz ihrem Dorff dem Berg herab gegen
I
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dem Wald gegaogen käme /ihn gedulüge Sehiflem vor aoh
hertrcibeBd / die ne dm iwter denen daselbst in grosser
Menge stehenden dicken Standen ' deroselhen nnter Nestlein/
zu stilkii ihres Hungers / abzwackend / verliesse / und sich
straehs gegen demBdenbanin / bey weldiem sie / neben denen
Hilten / den vorigen Abend zngebracbt hatte / begäbe. Folgends/
den Ort zu traurigen Einbildungen also gelegen sehend / bey
gemddtem Brtnnlein sich niedersetste/ dessen helles Wasser
■ut ilrai keissen Z4bren vermduete / und nach lang mit sich
selbst gepflegtem stumen Ansprach auff solche Weis zu klagen
anüei^:
Ach Alanio: Ists mAgUch / dasz da der jenige seyst /
dessen Alge ich niemalen in meiner Gegenwart habe trocken
gesehen / und der du so unzehlich otft / mit viel veriicbten
üisachen / kniend ?on mir die Gnad / so ich nachmalen zn
meinem Unglück dir erwiesen / gebeten hast?
Sage mir / du allem ntreuester Hirt ' so jemalen gewesen /
hat dann deine Liebe gegen mir kein weiteres Absehe gehabt /
als dasB da memer so behend Aberdrissig worden / and dur
▼ieHflleht einbflden weitest / dasz / gleich nach Erfthrang deiner
Untreu /ich selbige auch fhr mich erwehlen wfirde? Inmassen
die jenigen ferner / so die edle Lieb nicht nach dero Wirdig-
keit bdiandlen kAnnen / ihnen einzabilden pflegen / dasz anff
jede ihre eilende Einfalle dero Lieliste sich gleichmassig ent-
schliessen sollen* Ob zwar etliche unter euch dergleichen
Yer&ndenmgeQ xn einem Mittel / dardnrch die Lieb solte w»
mehret werden / gebranchen / andere dareh dnen seldien Schem-
Eifw ihre Nymphen dermassen einnemen wollen / dasz sie kein
Aog gegen einem andern wende diiffen and doch folgende
selch ihr Ftrgeben allgemach Selbsten yerrshten dardordi dann
ihre Untreue vor manniglith offenbar wird : Wiewol ja fi*eulich
zuletzt alle diese Umbstände niemand als uns blenden die
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wir ohne gnugsame Betrachtung dessen /so kUnfftig beschehen
mÄchte / uns in eucli ebon stark verlieben / als ubcl wir von
euch belohnet werden / zu Schaden und Schmerzen gedeyet /
allormassen do mir / die ich dich so hoch f^eliebei und noch
liebe / gante nnbillich erwiesen / ich aber gleichwol / welche
unter diesen allen dein anfAnglicbes Absehen gewesen / nicht
auszsinnen kan. Darob du denn dich zu verwundem kein
Ursach hast/ in Erw^ng der £iüschen Lieb nnd Vergessen-
heit gar geringe Erüihning seyn kan bey der jenigen / so in
Treu und Beständigkeit so vollkommen ist: Zu deme habe
ich ausz deinen auftrichtigen Worten gleichmassiger Worck
mich vesehen/ auch bey deinem FÄrgeben / dasz du mit solcher
Lieb nichts anders als nmb kensche Qegenlieb bey nur an-
werben wollest / ein wenig Beständigkeit verhoffet / deren ich
mich bey unehrlichem Vorsatz keinesweges getröstet oder ge-
achtet hätte. Ey / ey / ey / Ich ungl4ckselige / ob ich wol leider
deine Falschheit allznfirA empfinde / habe ich sie doch f Ar
mich viel zn spat wargenommen / nnd wire mir bey weitem
furtnVdicher gewesen / in steter Einsamkeit / allda ich dich
niemalen gesehen hätte / mein fr6liches und ireyes Leben /als
nonmehr in so trauriger Dienstbarkeit/ zn venehren/etc
Indeme diese so betrübte als schftne Hirtin solch ihre
Klag (so mit einem herztbrechomlon Seufftzen geendet ward)
angehörter Massen fuhiete / hatte allerneclist darbey der unge-
liebte Sylvano seine Heerde zu etlichen Myrten-Stauden / so
bey dem Brunnen stunden / getrieben / nnd / allda seinen trau-
rigen Einbildungen nachhengend / die klagliche Stimme der
betrübten Hirtin erhöret; darob er dann / gleichsam ausz
einem Schlaff erwachend / zu sich selbst käme / und auff die-
selbe genauere Achtung gäbe. Wann aber dieser betrübte
Hirt von Liebe dermassen hart gehalten / und von der sch6nen
Diana so übel gewolt wäre /dasz er zum Theil seiner Yer-
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— 453 —
nunift beraubet ward : Also beschahe za mehrmaln / dasz er
heut die Liebe anfe iusserste tadelte / morgen dieselbe nicht
weniger r&hmte / einen Tag mit sondern Freuden / den andern
mit nicht geringerer Traurigkeit verzehrete; bald von allen
Weibern mit h6chster Bitterkeit ubel redete / bald mit herta^
lieber Neigung selbige ansz dermassen preisete: Schlieszlicben
ein solch widerwertiges Leben ffthrete / dasz dessen Beschaffen-
heit mit Worten gnugsani zu erwehneii schwer / muglich /
fallen würde. Nachdem er aber obangedeute der Hirtiu
l^l?agia anmutiges Klagli^ angeh6ret/ und dardurch seine
traurigen Einbildungen zum Theil rergessen hatte / nam er
sein Geiglein hervor /und sänge nach dessen Ton folgendes
Liedlein:
1.
Der klaro FIusz, der kühle Myrton-Thal/
Die hohen Borg ermüden allzumal /
Mein stetes Klagen abzuhören /
Das matte Gras fleht Floren selbst umb Kach/
Weil es versehrt (ein' ungewohnte Sach)
Und wird verzehrt von meinen Zahren.
Du raubest mir den werthsten Lebens-Schatz/
Vemunfl't erlag und Freyheit in der Hätz/
Mein Leben wird von dir bestolen:
Ich war gesund / nun bin ich bUnd/
Die Einsamkeit sich nechsten bey mur findt
Ich brenn* m Liebe &8t zu Eolen.
3.
Der Hertzensschmertz, die schwere Jammerpein
Ist ungezihmt/ic^ musz wol traurig seyn/
Hertz, Augen, du mein schwaches Leben /
Bist halb und hidb Terfaauchet und dahin.
Mein bester Theil Vemnnfft imd alle Sinn
Bestehen /wie die V^l schweben.
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4.
Dein Angesicht vergleich ich / Schilferin /
Dem Marraorhals / die Lippen von Rubin /
So in das Tugend-Gold gesetzet:
Doch ist dein Hertz von Felsen-hartem Stein /
Das nicht erweicht von meiner Klage Pein /
So bin und bleib' ich jedeizeit verletzet.
5«
Ich bring* in FBreht nnd sonder waare Bah/
Mit alter Angst /meiB junges Lebea sn/
Das da dodi leichtlich kanst TersAssen:
Der Krieg in sich ist eine solche Last/
Dasz man die Leut und sich auch selbsten hasst:
Kovm Tod und weade mein VerdWiflsen!
IMeses war des nngellebten Sylvano iraoriger Gesang /an
welchem beynebens der Stimme er alsbald von der schönen
Sjlvagia erkant wäre / die dann / von ihrer Stelle auäätehend /
EU ihm sich begäbe /und nachdem sie beede einander mit
fipeondlichen Worten gegrftsaet hatten /setaten aie sich in*
sammen bey einem dicken Myrtenbanm / so mitten in einer
kleinen Wiesen stuude / deren mancherley sch6ne Blumen ein
yiel lieblicheres Ansehen von sich gaben / als die tranrige Ge-
dancken dieser bekümmerten Personen ihnen einbilden oder
anch wftnsehen moditen / inmaasen ihr beeder melanehoMschea
Gespräch zum Theil bezeugete : Denn bald / nachdeme sie sich
gesetzet / begonte der ungeliebte SylTano folgender Massen
an reden:
Es ist jemahi / meine schftne Sylvagia / nnmtglieh / daaz
man ohne sonderbares Mitleiden die viel imd mancherley Un-
glück / so ans elenden Verliebten zusustehen fliegen / erwogen
k6nne: Aber nnter teen allen/ venneiBe ich/ssy keines
mehrer an fbditen als die ibmdselige Erinnerung dess irgend
einmal genossenen glückseligen Standes / ob sich auch zwar / in-
massendu mir Torgestera fürgeworffe/ diesen Zustand wircklichen
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niemaln erfahre habe: So beweget mich doch mein unrtibig
und elendes Leben za mehmalen dahin / dasz ich durch
mancherky Einbildang mich flelbstMi wissentlich zu betziegei
tndiie. Dannenhero ofit besdiicht / dasz ich mir eine gute
Weil auffs allerstdrckeste nacbsinne/ ich werde von meiner
Hirtin auffs beste wieder geliel)et / auch in wai-endera solchen
Wahn alle widerwertige (Jedancken aosz dem Eopff schlage:
So bald idi abor durch Eriunemiig dar Wahrheit aur solche
fiilsebe Einbildang selbsten benimme/ist nnanszsprecblich die
BestÄrtzung / so ich ob mir befinde / die mich dann jederzeit /
ehe und dann ichs fsAi wahmimm/zu nicht geringer Unge-
duU beweget M mm eia blosier Wahn demasaan nnertriig-
lich/nein Goit/waa Schmertaeii mius nicht reelite Wahrheit
yerursachen.
Ich wolte/mein Sylvano / antwortet hierauff Sylvagia/
wfbschen/daaz ich von diesem/davon da redest/ fte^ wixe/
damit ich der Nothdnrflft nach dir hieranff antworten lAmidi
Du sollest aber gewisz dafürhalten / dasz die Grosse der Liebe
oder einer andern Gemütsbewegung nicht besser kan erkennet
werden als ans denen Beden dessen, so selbige zn empfinden
fkrgibot: Dann niemaleo ktts wichtiges Anügen ▼on dam
jenigen/so es leidet / auszf&hrlich mit Worten erzehlet kan
werden: Dannenhero auch ich/bey so Äberhkifftem Unglück
«nd beschwerlicher ünbillichkeit/die mir toii de Alanio be-
sefafliet/die Grtsia meiner Fem mit Worten nadi BognAgen
zn entdecken /gani^ nnmAglich befindend /das Unreeht dem/
so es begehet /in seine Beurtheilong ergibe/als deren Yoll"
kommenhfflt ich mich gar gerne Tertraae.
AniF solche Weise /antwortet ^vano seafteend/ weiden
wir /ausser e%nes Elagens/kdn Enthebung uneens Slendes
zu hoffen haben / da du nicht / mein Sylvagia, jrgead ein Mittel
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erdenckest. Ich habe allbereit eines gefunden / sagte die
Hirtin / das will ich dir sagen / lasse ab von der Liebe,
Trauest da dir / antwortet Syivano/disz Mittel bey dir zn
eDdeo? Wenn es halt (sagte Sylvagia mit an sich gezognen
Achseln) dem GlÄck und der Zeit also gefiele / was muste ich
anders machen? Ich schwere / sagte der Hirt /mit Verwun-
derung/dasz man dir einig Unrecht nicht erwiese/ wann man
gleich mit dir diss orts kän Mitleide tr&ge/in Erwegung
eme Lieb / so dem GMek und der nnterworffen / nimmer-
mehr so grosz seyn kan ' dasz sie der Person / so selbige
empfindet/ viel Ungelegenheit machen solte.
Wammb das/ mein Sylvano? fragte die schöne Hirtin:
Eanst du auch dafftr schweren / dasz entweder durch den Tod /
oder aber durch eine neue Lieb / oder mehrere Gewogenheit
an einem andern Ort / das Ende deiner jetzigen Lieb unmüg-
lich seyeu solte P Ich will / antwortet Sylvano / diesz Orts nicht
sagen / dasz ich dergleichen Yeribdemng bey einem andern
für unmÄglich halten solten: Aber bey mir wiids nimmermehr
beschehen / sondeni ich verfluche einen solche Verliebten /
der in seiner Lieb so unbestindig sich befindet / dasz / ob er
wol b^ einer andern soldie Wanckelmiktigkeit sihet / er bqr
sich Selbsten eine gleichmissige Untren besorget.
Ich bin ein Weib / antwortete Sylvagia / und inmassen du
selber sihest/so starck als niemand anderer verliebt: Aber
ungehindert dessen unterlasse ich nicht zu erkennen /dasz alle
Sachen in der Welt, wie starck auch selbige zu seyn scheinen /
dermaleins ein Ende nemen mi\ssen / weiln wissentlich / dasz
beede das Gl^ick und die Zeet eben darzu verordnet, dasz sie
bisz an das Ende der Welt ihre untzhero gepflegte Yertnder-
und Beschwerung wireken sollen : Wollest auch / mein Hirt /
keineswegs darfürhalten / dasz ich dieses / mit Fürsatz dessen /
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— 457 —
so meiner ohne Ursach nichts geachtet / zu vergessen / rede /
soodem bloez aon Er&hmng/so ich in dieser Sache erlanget
habe /etc.
Indeme diese beede angehörter Massen Sprach halten / er-
h&ren sie eines Hirten Stimme /so gegen ihnen die Wiesen
herab smgend kame/dene sie alsbald f&r den yergeasenen
Syreno erkannten / welcher nach Ebing seines Geigleins fol-
gendes Liedlein sunge:
Sonett
Ihr Geduncken harret hier/
Schauet /wie die Liebe blendet/
Die doch in mir nicht geendet
Die gelobte Licbs-Begier /
Dencket an des Spiegels Zier/
Welchen ich ihr zugewendet/
Der anjetzo wird geschändet
Von der Falsclilieit Ungebühr.
Der Bedenckens ist nicht werth/
Hat Diana Ruhm geführt.
H6r zuvor /wie es ergangen:
Nein /mein Wahn ist ein Prophet/
Der auflf sichern Wegen geht.
Ach Diana /mein Verlangen.
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*
Inhalt des L Bandes.
Capitel I. Schriften über Geschichte und Theorie des
Romans, Anfange der Theorie desselben in
Deutschland 1
Capitel II. Allgemeines über die Entstehung der Frosa-
dichtung in den europäischen Literaturen ... 99
Capitel m. Anfange der deutschen Ronianliteratur durch
üebersetzungen und Bearbeitungen zumeist
französischer Ritterbücher. Einführung der
italienischen NoTelle in die deutsche Literatur 55
Beilagen zu Capitel III 95
Capitel IV. Die prosaischen Faceticn oder vScUwankbttcber
des XV. und XVI. Jahrhuntlerts 114
Beilagen zu Capitel IV 144
Capitel V. Die volksthümlichsten Anfiinge der deutschen
Prosadichtung 165
Beilagen zu ('apitel V 225
Capitel VI. Anfiinge eines deutschen Oricrinal-K'uii^tromaus
durch Georg Wickram. Juliaim Fisohart .... 233
Beilagen zu Capitel VI 2S4
Capitel VIL Amadis 300
Beilagen zu Capitel VII 880
Capitel VIII. Zustand der Prosadichtung in den fremdlän-
dischen Literaturen am Ende des XVI. und in
der ersten H&lfte des XYU. Jahrhunderte . . . 419
Beilage tu Capitel VUI 450
Dmck Ton Fi*il«r t Ilenticliel, Bradta«
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Geschichte des Romans
und der
iliin verwandten Dichtungsgattungen
— in Deutschland
von
Felix Boliertagf.
Erste Abtheiluug.
Bis nun Anfange dea XVIIL Jahrhunderts.
Zweiter Band.
>m<
BERLIN.
Verlag von Leonhard Simion.
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Inlialt des IL Bajides.
Erste Hälfte.
Seit«
Oapitel IX. Alli^^nieines über die Entwickeluni^ der deutsclien
Prusiulichtuuß: im XVII. Jahrhundert. Die Zeit
votii Anfange ded Jahrliuuderts bU zum Auftreten
Z<'-.t ii< 1
Capitel X. l>ie Kniwickf^lnnüf des Kunstronians in Deutsch-
hind vom Aiü treten ZeseuB bis auf Anton Ulrich
Von Hl auQächweig 51
Beilagen zn Capitel X 143
Capitel XI. Der heroisch -galante Roman auf dem Höhepunkte
seiner Kntwickelung: Ziegler und Lohenstein . . . 158
Beilage zu Capitel XI 264
Zweite Hälfte.
("apit»I Xll, (irimmelHhausen 1
CrtiMi.! XIll III
Beüageu zu Capitel XUL 170
liegister zum 1. und Ii. Bande 191
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Geschiebte des Romans
und der
ihm verwandteü Dichtungsgattuugen
in Deutschland
Brote Abtheilong.
Bis zum An&nge des XVIIL Jahrhunderts.
Zweiter Band. — Erste Hälfte.
BERLIN.
Verlag von Leonhard SimioD.
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Ich t|:laubt', 8chon durch das iu der Vorrede des ersten Bandes
Gesagte veranlaszt zu sein, allen denen, welche jenen Band einer
öffentlichen Be.sprechun«,' jjewürdij^t haben, dafür an dieser Stelle mei-
nen Dank abzustatten, und zwar den Verlassern der un^äinstigen
Heurtheiluni,'en ebensowohl wie denen der ijünstigen. Teljer die letz-
teren auszerdeni etwas zu sagen, liei^t kein (inind vor, auf dit« erste-
reii einicre Worte zu erwidern, veranlaszt niit h allrin der Wunsch, nicht
zu denen i^^erechnet zu werden, weldie sich von bedeutenden und eiu-
flnszreichen Männern eine BeliandlunLc g:etall( ii lassen, i^'-eiren welche
sie Protest zu erheben verpfliditet wären. Wenn t in solcher Protest
niliiu: und hötiicli gclialten ist, kann er nur im Interesse beid«*r Par-
teien liegen, und um diese V(»rzüi;e dein, was ich auf ilie Kritik des
Herrn Professor Sdierer glaube o.ntwoitf'n zu sidlen, zu wahren, habe
ich von einer sofortigen Erwiderung Abstand geni»mmen. Das Wort
Erwiderung bitte ich nicht miszzuverst<dien. Es liegt mir fern, eine
solche ErwideiTing zu liefern, wie sie, leider nicht zur Ehre der dt ut-
»chen (telehrten, jetzt sehr in Brauch «^'■eknmmen zu sein scheinen,
krankhaft animose, den (Tcgner gcringsciiätzig und ungerecht behan-
delnde Invectiven, als deren Hauptzweck man sogleich die Erregung
von Venlrusz erkennt. Den Zweck, Herrn Professor Schcrer mit
solchen Auslassungen, die ich durcliaus verabscheue, zu verletzen,
würde ich wahrscheinlich auch gar nicht erreichen. Ich kann und
darf aber diesen Zweck auch einem >Manne gegenttl>er, d«!m
ich viel Belehrung und Anregung verdanke, nielit haben. Ich
mag und will ferner, weil meine Antwort wesentlich nur ein
P^inspruch gegen die Art der mir widerfahienen Behandlung sein
soll, keineswegs eingehende suehliehe Erörterungen vorbringen und
diese als Gelegenheit benutzen, mir eine sehr zweifelhafte Geuug-
thaong zu verschaffen.
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— IV -
' Zunächst rnnss ich dagegen Protest erheben» dMs Herr Pro-
fessor Scherer seiner ausflUirlichen Kritik eine dnrchMis TenrerCende,
aber mit Iceiner BegrUndnng versehene Besprechung meines Buches
▼orangehen Hess. Die (Gerechtigkeit erforderte nach meiner Ansicht,
dasz die öffentliche Vemrtheilung nach dem Process erfolgte, und
was hätte es geschadet, wenn Herr Professor Scherer die besttgllche
Anzeige in dem nächstfolgenden Hefte der Zeitschrift hätte elnrOeken
lassen, als seine gegen mich gerichtete Schrift in den Q. F. in aller
Händen war?
Doch das ist Kebensache. Die Hauptsache ist mir der Ton, welcher
in der kurzen Amieige des Herrn Professor Scherer sowohl als in seiner
ausfährlichen Kritik vorwaltet. Dieser Ton ist freUlch nieht infntUls
und grob, wohl aber in hohem Grade gereizt, animos, herab-
ziehend und macht den Eindmck, als ob er von der Absieht, aofeine
verletzende Weise Verachtung gegen mich an den Tag zu legen,
erzeugt sei. Ich erblicke diese Absicht ganz besonders darin, dasz
Herr Professor Scherer, wie ich nachzuweisen vennohen weide, nur
zu geneigt ist, auf das, was ich gesagt habe, gar nicht «rdentlteh
zu hören, und stelle mit voller Zuversicht allen Unparteisehen an-
heim, zu entscheiden, ob dies der Pflicht eines Kritikers entspricht
oder nicht
Ich setze jedoch, um keinen Zweifel darüber entstehen an bssen,
worauf es mir in erster Linie ankommt, den Fall, dasz alles, vras
Herr Professor Scherer in seiner Kritik sagt, keine KögUehkeit einer
Wideriegnng darböte, und glaube auch für diesen Fall sein Beoht,
mich in dieser Weise anzugreifen, verneinen zu dflrfen. So wie in
einer anständigen Gesellschaft, &lls Jemand eine ünlsche Meinung
geäuszert hat, bei Bestreitung derselben nicht blos gesetzlich »traf-
bare Injurien, sondern auch Gereiztheit, verletzende Wendungen, Hohn
und gcring8chützige Ausdrücke untersagt »ind^ m sollte es auch in der
wissenschaftlichen Kritik hergehen. Denn die deutseheu Ge-
lehrten sind olme Zweifel als eine anständige Gesellschaft im
strenf^sten Sinne des Wortes zu betrachten. Dasz Ich auf Herrn
Trofessor Scherer einen besonderen £indru<>k maclieii werde, wenn ich
auf (irund des obeu Gesa^:toii v^cf^en den in seiner Kritik herrschen*
den Toit ])r(>testire, f^laube ich nicht. Ich vermacf nicht zu hindern,
dasz Herr Professor Scherer si)äter vielleicht denselben Ton, gegen
den ich jetzt protestire, nur nodi stärker gegen mich anschla^j^e, es
kann aber an* h iiii iiiaiid hindern, dasz ich durch die vorstehenclt; Er-
klärung den Verda<-ht von mir abwälze, d* sst n MögUclikeit mich
überhaupt veraulaszt ^t, in dieser An^^elcj^enlieit das Wort zu er-
greifen. Mir ist das genug. Und so hätte icli denn vielleicht auch
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- V -
■eiaea Flotest genügend begründet, wenn der obw Toa mir uigtt*
noBUBene Fall, dan Hair ProÜMMr Sehenr anmahaiiloa Beeht UMa»
wirklich wäre. Daa M aber nicht lo, aad da mein Pioteat daieh
difiaea Uautaad baawr bagHkadet wlfd. ist aa arforMleh, dla Bldir
tigiceit meiner gegeatheiligen Behanptaag la bewelaeB. Ich heechriake
mich dabei aaf das geringste Haas. Dia Qali^gaBhalt; aiaaehaa» waa
Half Professor Scberer IrrthttBillch behanplet, richtig an steUen« wird
sich ffir mich md aadare spitar Kndan, iHa de sieh ti dar Thal lehoa
geftinden hat.*)
Wena ich diese Qetogaahaii aa mich kommen lasse, das Fol-
gende nur aas dea eben angegebenen Gesichtspunkten behandle und
somit hier Tnanche» nnerürtert bleibt, so liegt das in meiner Alh
sieht, und ich tlme es in dem Bewunzt^^rin, dasz dem Tone den Herra
Prof. Sclierer gegenüber eine umfangreiche Vertheidigung nicht an-
gebracht i>*t, auch habe nicht icli, »ondern die, welche ohne genügende
Prüfung HeiTU Professor Sclierer Recht gehen, den Schaden davon.
Auf Seite 4 ^'ird die Art hemüiigt lt, wie ich(S,27 f.) xwel Seiten (die
Seite hat in meinem Buche 32 Zeilen) mit Büchertiteln gefüllt. Die
Büch»Ttitel nehmen genau 27 Zeilen ein, jede angefangene Zeile mit-
gerechnet. Hierzu kommen lü Zeilen, in denen ich die aufgeführten
Bücher charakterisire and ordne. Die deutsche Bibliothek der Bo-
mane steht tot der fraosOsischen, weil sie ailr ihrem Zwecke nach
dar Geachiehta dea deatschea Ronaos alher aa stehen schlsn. Wie
man fibenehen kann, dasa Itfi a) awel Sammlangea yan alten Praea-
diehtaagea, b) awei Sammlangen ton Anialgen, e) drei bIbUografUaeba
Nadmehlagebttcher aaflUne, and anamfni kann: Und wenn dabei nach
eine gewisse Ordnung beobachtet wire! ist mir darohana nnerfindUdh.
Ich gebe gern aa, dasa ich an dieser Stelle hätte Ranm sparen kön-
nen, gUnbe aber doch das Recht an der Behauptung su haben: Die
In der Stelle vorhandene Ordnung fUr falsch zu erklären, war Heir
Professor Scherer berechtigt, aber da« Vorhandensein jeder Ordnang
aa leagnen, heUzt mir einfach Unrecht thun.
,DaH bekannte Buch von Cholevlns etc. erwähnt H. BobertAg
nicht" ht'ixzt es feiner Seite 4. Bei mir steht auf S. 28: , Alle übri-
gen Bü( her und Schritten mdgen aa den einseinen Steilen erwähnt
werden."
Seite 5 wird mir Tnri^'t woiien, dasz ich (tiraldi und Pigna nicht
berheii,'-ez(igen, währen«! die von mir (S. 5) eitirte Stelle den Httet
deutlich angiebt, warum mq nicht herbeizuziehen waren.
Da ich nicht kleinlich werden will, bitte ich diejenigen, welche
daan Zeit und Luüt haben, lecht genau alle die mir seaat im Bin*
1) Omaato Ulli. a. tSl.
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- VI -
aeltten snr Last gelegen Ungeuauigkeiten (s. B. das mir auf 8.2 hin-
tlchtUdi der Proben Vorgeworfene, die in der Anm. 8. 4. 5. anijge-
redmeten 84^% FMüer anf 100 Zeilen) nadusaprtUiBn nnd m benr-
theHen. Ich büde mir nicht ein, ein Üehlerloses Baeh geachrleben sn
haben« nnd werde In den Nachtrigen nnd Berlchtigongea« die m
bringen meine Pflicht nnd mein Recht Ist, allee, wofür ich Herrn
Prof. Sdierer in Dank Terpfliehtet Mn, anflIhrRn, mag aber weder
mich noch andere mit Streiten über Dinge anilialten, die mir eine
ErOrtemng nicht n<irhig xn machen scheinen.
Was niii Herr Professor Scherer damit Torwerfen will, dasz er
8. 8 meine Wendimi^r «nnser an die Illastrationen der Qartenlanbe
und ähnlUhfr Blätter gewöhntes Auge" sehr be<leiiklich nennt, weiss
ich nicht, jeder Uji parteiische wird aber finden, dasz ich hier diese
llluMfrationcn als Beweis der Fortschritte, wdoli«* die Holzschneide-
kunst seit dem XV. und XVI. Jahrhundert i^rmacht hat, anführe,
und jcd(> anderwcitiLrc Insinuation als etwas bezüiclmeu, was in eine
wissensrhat'tliclir Kritik niclit «^ohrtj-t.
Seit«' 15 liriszt es; „Bei H. Bubertai? liebt sich ni<ht einmal die
Zeit vor der Hct\trniati(»ii vnn der Zeit nach der Reformation ordent-
lich und deutlich al)." Wenn ich anders iu dieser Stelle mit Kecht
die Behauptung sehe, dass die Reformation als Epoche nnd swar,
wie die Worte «nicht einmal* tu sagen scheinen, als sehr einschnei-
dende Bpoche in der Oeschichte der deutschen Prosadiehtvng betrach-
tet werden soll, so kann Ich nicht nmhlri, bei allem Respeet Tor der
(Gelehrsamkeit des Herrn Professor Scherer sn meinen, daai er hier
entweder seiner Sachkenntniss oder seiner üeberlegnng eine schUmme
Blösse gegeben hat.
Auf Seite S5 sagt Herr Prof. Scherer: «Die Ansicht, das pro-
saische Volksbnch (vom gehörnten Sieirfried) sei nicht Uter als das
Ende des XVII. oder der Anfang des XVIII. Jahrhunderts, ISszt sieh
hOren, aber sie war leicht besser zn stützen." Darauf folgen Anga*
l>en, worin Herr Prof. Scherer dies thut. Wenn ich zu beachten
bitte, dasz ich Seite 172 die Anmerkung^ gemacht habe: «Alles
Näbere zur Bej^ründunjf meiner Ansicht musz ich als in eine Arb«'it
wie die vorlicßfendc nicht Lrohöri^'- der Mittheilnnir an einem anderen
Orte vorbclialtcu", >o liotte ich, dasz mein Recht zu dem Vorwurfe,
Herr Prof. Scliercr liöre Lr:ir nicht "nlentlich a\if das. was ich say^e,
Jiicht bestritten werden wiid. 1 ).i ii Ii al)er glanbe, dasz Herr l'n^fessor
Sciierer. was ja auch natiirli« Ii i.-^t, das XOrurtheii vieler meim^r Leser ftir sich
hat, will ich sclilies/Jich noch d»-r Beachtung anheimstellen, daszermir auf
Seite 63 mit hidmischen Worten („Daliei passirt folgendes reizende") vor-
wirft, dasz ich in der Anmerkung statt der Ausgaben des Gargentua die
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des Glüokliftften SchiiTes anftkhre. Dies wäre der ftrgste Fehler, den
ich mir hfttte zu Schulden kommen lassen, wenn nicht Herr Prof.
Sciierer hier der wSre, welcher die beiden Bücher rerwechselt.
Ich komme noch der Anstandspflicht nach in erklären, dass ich
die angefahrten Stellen au8 Herrn Pro! Scherem Schrift keineswegs
als Proben des Werthen alles dessen, was er darin vorgebracht,
betrachtet wissen will, obgleich ich mich berechtigt glaube, sie als
dtarakt« ristisch für seine gegen mich geübte Kritik zw bezeichnen.
Vor dem Erscheinen der Kritik df s Herrn Prof. Schererhaben
Herr Prof. Erich Schmidt und Herr Karl Schröder günstige, nach-
her ungOnstige Urtheile U))«jr mein Bach ansgesprochen. Ich könnte,
wenn es meine eigenen Ausfülirungeu nicht hinderten, an das Andle-
bnistschlagen des einen nnd das ,duu si faciunt idem, noii est idem** des an-
dern bosliafte Bemerkungen knüpfen, begnüge mich aber damit, Herrn
Prof. Erich Schmidt mitzutheilen, dasz er die Erklärung des ihm
räthselhaften Bildes (Archiv, für L. G. VIII. 3, S. 318) in meiner
üesch. d. K. S. 86 findet
Ich darf die an dieser Stelle gebotene Gelegenheit wohl auch
zn der Bitte an meine Leser benutzen, die iu dem nachstehenden
Halbbande getroffene Auswahl und Anordnung des Stuifes erst dann
endgültig zu beurtheilen, wenn der ganze Band vorliegen wird. Hin-
sichtlich der Zesenschen Orthographie bemerke ich, dasz alles, was
mit Text typen gedruckt ist, genau dem Zesensdieu Texte entspricht
mit einziger Ausnahme seiner Zeichen für die verschiedenen Modift-
cationen des u. Auszer u und ü hat Zesen noch drei verscliiedene
u, eins mit Uhergeschriebeueni e, eins mit üburgcscliriehenem Kreise
und eins mit übergeschriebenem Häkchen, verwendet, er vei-fiihrt aber
dabei so inconsequeut, dasz es mir schlieszlidi das Beste schien, alle
drei durch u mit ul)crgeschriebeuciii e zu geben. Dies mag vielleicht
auf den ersten Blick gewaltsam ersclicinen, wer aber den Zesensclien
Originaltext naclivergleichcu will, wird tinden, dasz es nicht so ist,
nnd dasz ich wolil bere<ditigt war, hier mit der Schrulle eines ein-
zelnen kurzen Proceäz zu machen.
Breslatt, Juni 1879.
Felix BoberCag.
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Neuntes Capitel
AUgemeiiies über die Entwickeiimg der deutschen Prosadiclitimg
im XVIL Jalirlmndert. Die Zeit Tom Anfknge des JalurhiiBderts
bis zum Auftreten Zesens.
Wir haben jetzt die Entwickelung der deutsclien
Prosadiciitung in einer Periode zu betrachten, w eiche sich
schon durch die ailgemeiusten charalcteristischen Züge von
der Torhergehenden unterscheidet, andererseits aber durch
ebenso allgemeine und wesentliche 3Ierknuiie ihren Zu-
sammenliang mit jener bekundet Denn wie es Jdar ge-
worden sein wird, dasz der deutsche Roman, von den
iXebengattungen ganz zu schweigen, während des XV. und
XYI. Jahrhunderts aus den Anfäugeu und Ansätzen nicht
herausgekommen ist, sofern man ihn als eine bestimmte
und einheitliche Gattung betrachten und demgemftsze For-
derungen an ihn stellen will, so deutlich wird sich in der
Folge zeigen, dasz das Heraustreten der Gattung aus je-
nem' Stadium während des XVII. Jahrhunderts eine voll-
endete Thatsache geworden ist. Hiermit steht im engsten
Znsammenliauge, dasz wii* die deutsche Prosadichtung zum
bei weitem gröszten, wenn auch nicht werthvollsten, Theile
im Xyil. Jahrhundert durchaus unter dem Einflüsse der
an den Namen des Martin Opitz sich anknüpfenden be-
deutenden Umwälzungen und Eeformen der deutschen Ge-
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— 2 —
sammtliterator finden. Andererseits wurde schon darauf
hingewiesen, wie sich Eigenes und Ausländisches in un-
serer Gattung während des XVI. Jahrhunderts getrennt
entwickelt, und wie sich diese Trennong, je länger je mehr,
zu einem denüich bemerkbaren G^egensatze gestaltet Die-
ser Gegensatz nun bildet in einer besonderen Modification,
welche sich erst allmählich deutlich herausbildet, ein Kenn-
zeichen auch der deutschen Frosadichtnng des XYII. Jahr-
hunderts, und zwar ein so tief eingreifendes, dasz wir
ihn von vornherein der Eintheilung des höchst umfang-
reichen und maniclifaltigen Stolies zu Grunde legön müssen.
Zwei literarische Thatsachen nämlich auf dem Ge-
biete der deutschen Prosadichtung sind es, welche im
XVII. Jahrhundert unsere Aufmerksamkeit vor allen an-
deren in Anspruch nehmen, der heroisch -galante Kunst-
roman nach dem Muster der Franzosen und die hervor-
ragendsten alten volksthttmlichen Bomane, die unsere Li-
teratur überhaupt hervorgebracht hat, die Simplicianischen
Schriften Grimmelshausens. Die Bedeutung der beiden so
sehr verschiedenen Gruppen von Erzeugnissen unserer Gat-
tung und ihre verschiedene Herkunft läszt es passend er»
scheinen, ihre Betrachtung zu trennen und beide in der
Art zu Mittelpunkten der Erurteiung zu machen, dasz
wii' alle anderen Erscheinungen von geringerer Bedeutung
und von nicht so ausgeprägtem Charakter sich ihnen unter-
ordnen und an sie anschliesaen lassen. Hierbei musz nun
der heroisch -galante Knnstroman den Vortritt erhalten,
nicht seines inneren A\'erLhes wegen, sondern weil er eher
begründet wurde, als Grimmelshausens schnftstellerische
Thätigkeit ihm eui in Form wie in Inhalt gleich unähn-
liches Gegenbild schuf.
Mau pflegt Dai^stellungen der deutscheu Literat ui^ des
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XYIL JabihradertB mit dem Hmmifie auf die AbUbig%f
loeit der dentedmi Liteiwtiir. von der- framOgtoctai al» anl
das, was ihrer Entwickelung in jener Zeit allmählich
immer mfihr eiuea bestimmten Stoiapel auHdrttckt^und mit der
Erl^rteniig der Gründe dieser luuaerem nadenalea Selbst?
geÜUü wwig schneiehellialtaii BraeheiAimg za beginne.!
Eine Geschichte des deutschen Komans kann sich an die-
ser Stelle einen solclißn Hiaweis ersparen ^ weil sie über-
haupt damit anfangen mnazte^ Der erste Name eines
deutschen Prosaromans, den wir ftberhanpt m nennen hat-
ten, war der des Lancelot, ein Name, der bereits jene»
Abhängigkeitsverhältnisz darstellt und so vollständig dar-
stellt, als nur von einem anschaulichen Beispiele gewünscht
werden kann. Und wer das dritte Capitel des yorher-
gehenden Bandes dieses Bnches nachschlagen will, wird
sich leicht von dem Umfange dieser Beziehungen einen so
zu sagen statistischen Nachweis herstellen können und
sehen, dasz in der Entwickelung des deutschen Bomans
das Ton AnHang an Plata greift, was man sonst etwa als
Kennzeichen der deutschen Literatur von der Mitte des
XVII. bis zu der des XVIll. Jahrhunderts beschreibt.
Bei der Betrachtung des Amadis sahen wir bernts jenes
Abhftngigkeitsyerhältnisz in ein weiteres Stadium treten
und die unter dem fremdländischen Einflüsse stehende Gat«
tung eine Gestalt annehmen, welche sie in einen entscliie-
denen und tiefeinschneidenden Gegensatz zu den volks-
thftmlichen Erzengnissen auf dem Gebiete der deutschen
ünterhaltungsliteratnr stellt Von da an wird, wie am
gehörigen Orte hervorgehoben ward, dieser Gegensatz in
noch höherem Grade für uns zum obei-sten Eintheilungs-
princip, als er es schon war, seine Aufhebung, seine Lö-
sung in einer höheren Einheit, eine That, an der Wieland
1*
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den bedeatendsten Antiieü hat, wird uns ^ter Ursache
geben, den Sintiitt nnserer Haaptgattnng: in eine nene
Periode» ihrer EIlt\^ickelun^r, in ilire classisohe Zeit, als
Tollendt t anzusehen. Doch bis dahin haben wir noch einen
weiten Weg zur&ckzulegen. Das, was mis jetit za be-
trachten vorliegt, ist nicht blos der Theil nnserer Prosa-
diehtnn?, sondern anch der Theil nnserer Gesammtliteratnr
überhaupt , der die AbhäniB^ij^keit von den Franzosen auf
ihrem Höhepunkte darstellt, und darum eben bildet der
heroisch-galante Boman des XVII. Jahrhunderts eine
Gmppe von Erscheinungen, die nicht nur mit gleichzeitigen,
soiidt rn ancli mit voraufprehenden und nachtbljrenden Er-
zeuguissen des unserem Volke eigenthümlichen Geistes iu i>ehr
geringer Verbindung steht, so sehr diese Erzeagnisse bei
blos oberflfichlicher Betrachtung mit ihnen von einerlei
Art zu sein scheinen. Ans diesem Grunde war es nöthig,
das vorhergehende Capitel, welches seinem Inhalte naeh
vielleicht manchem kaum in ein Buch mit dem Titel des
vorliegenden zu gehören scheinen könnte, einzuschieben,
denn nur so wird es möglich, die nunmehr nnserer Be-
trachtung vorliegenden Romane geschichtlich zu verst.» lien.
Hätten wir unseren Gesichtskreis durch die Grenzen der
deutschen Literatur allein beschränkt, so würden Zesens,
Buchholtzs, Anton Ulrichs und ihrer Fach- und Zeitgenossen
"Werke für uns in der Luft schweben.
Dni ch die Hervorhebung ihrer Abhängigkeit von fran-
zösischen Vorbildern sind unsere heroisch-galanten Romane
des XVn. Jahrhunderts allerdings noch lange nicht ge-
nügend charakterisirt. auch im Allgemeinen noch nicht.
Es wird sich bei der Besprechung der einzelnen hierher
gehörigen Werke noch Gelegenheit genug finden, aut die
verschiedene Stellung, welche jene Schrifteteller zu ihren
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Vorbildern eiimehmeii, das nöthige Liebt fallen zn lassen.
Deshalb uiag vor der Hand in dieser Beziehung nur da-
rauf hingewiesen ^^ erden, dasz sich in den deutschen
Kunstromanen des XYIL Jahrhunderts ^e Anzahl von
Elementen sehr dentlich vertreten finden, welche, allerdings
nicht irgend welchen Regungen eines national oder volks-
thümlich selbständigen Geistes, wohl aber Geschmacksrich-
tmigen und geistigen Strömungen ihren Ur^rung verdanken,
welche der deiitsclieu l^iteratur des XVII. Jahrhunderts
eigeuthünilich sind, ohne von der französischen ausgegangen
zu sein. Ich darf nur andeuten, dasz der Geschmack der
zweiten Schlesischen Schule grade in den Romanen des
XVIl. Jahrhunderts, die — wenigstens eine Zeitlang —
am meisten bewandert und gelobt worden sind, in Lohen-
steins Arminius und Zieglers Banise, einen hervortretenden
Charakterzug bildet, um das Gesagte zu veranschaulichen,
womit allerdings zugleich angedeutet wiid, dasz die Be-
sonderheiten, welche die deutschen heroisch-galanten Eo-
mane von ihren französischen Mustern unterscheiden, kei-
neswegs immer der deutschen Literatui" zum Vortheil und
zur Ehre gereichen.
Aber, hiervon abgesehen, dürften der Vorführung der
einzelnen Schriftsteller und ihrer Werke nocli einige noth-
wendige allgemeine Bemerkungen vorauszuschicken sein.
£m eigentliches Urtheü über den poetischen Werth, die
künstlerische Gestalt unserer Bomane, über ihre Auffassung
des Lebens und der sittlichen Probleme, über ihre Beur-
theüung und Darstellung menschlicher Persönlichkeiten
werden wir erst dann filUen können, wenn wir uns mit
den einzelnen Werken selber werden zur Genüge bekannt
gemacht haben. Denn um diese Punkte beuitheilen zu
können, müssen wir gesehen haben, was Jene Werke in
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.WiriüiofalMlt vwm «nd letetetoa. >V«r Am EmA lUt
WB 'mnr iIas ins ^Ange, ms «ie Miii wollleai, def^ntti 6(tor
«die Prätension, womit sie und worauf hin sie ihren Platz
in der deutsohdii Literator emuahmeu. Hierin tiegt, mei-
nes Sraehtens WM^islens, der am meisten aageaftUige
'Fortschritt des deuts^eii Bomaas des XVIL Jalirkiraderte
l^en das, was im XVI. seinen Platz einnimmt, die
Amadisromane mit eingeschlossen, und dieser Foitschritt
gewinnt wieder dadurch eine nicht geringe Wichtigkeit»
dasz er in geaaner Yerbindong mit den sehr erheblichen
ümgestaltnngen steht, welche die deutsche Natienailite-
ratur in der ei-sten Haltte dieses .Tahrhnnderts durch Opitz
und seine Anhänger erliüu'. Es besteht eine auöailende
Analogie zwischen dem» was Opitz um das Jahr 16fi5 fSar
die deutsche Nationalliteratur that, nnd dem, was dnrchFrie-
drich T. tunlundsiebzi^ Jahre später für die preuszische
Politik K^schehen ist, und man kann die (Tix)szthaten
-Friedrichs des Crroszen mit den geistigen Thaten unsmr
Dichterfaeroen der classischen Zeit yergleichen. Friedrich L
gab seinem Staate den Namen eines Köniprreichs, Frie-
drich der Gro>ze machte Preuszen erst zu einem Staate,
dessen Oberhaupt sich den andern Königen Europas an
die Seite stelle konnte, Opitz proclamirte die deutsche
Poesie als eine edle nnd Tomehme Knnst, Lessing, Schil-
ler. Gr>tlie machten sie erst zu einer Kunst, welche sich
neben die Künste aller Zeit^-n stellen und die Gresciiichte
an einem Urtheil aoftbrdem konnte. Die Zeit vwi den
ersten Jahrzehnten des KVII. bis zn denen des XVIIL
Jahrhmiderts war für beides, die pieuszische Politik und
die deutsche Xationaliiteratur, das Zeitalter der Titeier-
werbimg, des Antpmcherhebens, der Uebemahme von
Aachen, das XVin. das der 'Eiiangnng der Würde
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mnd Maehtf dM Besiteergreifens, der LOsoiig der gesteUlen
Anf^abeii. Wenn ein verschuldeter Geschäftsmann so auf-
tritty als ob^er eine wolilbegründete , achtbare Firma ver-
treten Wolle, wenn ein jnnger Anfiüiger In den Wissen-
-sehaften die 'ernste Miene eines gediegen Gfelehrten an-
nimmt^ so hat der Erfolg- zu entscht iden. ob er ein leerer
Prahler gewesen sei, oder wirklich das Scheinen der An-
ISftng des Seins war. Im letzten Falle gereicht ihm sein
selbstbewnsztes Anftreten, wenn es anch zunächst 'wenig
reellen Hinter/arrnnd j^ehabt haben majr. als Zeichen eines
ernsten Vorsatzes und des Bewusztseins seiner Kräfte zum
Lobe, und in diesem Lichte müssen wir die ans allerdings
oft recht leer erseheinenden Pifttensionen — ein deutsches
Wort findet sich kaum fttr die Sache — der deutschen
Literatur des XVI 1. Jahrhunderts autiassen. Denn sie
sind in der That das Wichtigste und Üeste, was die Poe-
sie dieser Epoche, insonderheit die erste Schlesische Schule
geleistet hat, wenigstens sind diejenigen nur noch selten,
welclie, die Tänschnnpr verpfanj^ener Zeiten bewahrend,
in dem, was jene Männer wirldich waren, und nicht viel-
mehr richtig in dem, was sie sein wollten und zu bedeu-
ten strebten, ihre geschichliche Stellung begründet finden.
\\^as nun dem Gesagten irt^mäsz als der eije^entliche
Kern der Üpitzischen Reformen anzusehen ist, das ist es
auch, was hauptsächlich die verschiedene Stellung und
Bedeutung des deutschen Bomans des XVn. Jahrhunderts
im Gegrensatze zu der deutschen Prosadichtnng des XVI.
.Talirhunderts bedingt. Opitz und seine Xaclitblger pro-
damirten die deutsche Poesie als eine Kunst, richteten,
so gut es ging, den deutschen Pamass ein, das heiszt, ga-
ben ihm ein anspruchsvolles Aushängeschild und seinen
Bewohnern durch Gesetze und Kitual il&a Ausehen einer
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geschlossenen feinen Gesellschaft, und in diese Gesellschaft
traten die Romandichter mit ihren Werken als geprOfte
und le«ritiinirte Mitpflieder ein. Von einer solchen Stellung
der GattunfT kann vorher nicht die Kede sein, das XV.
nnd XVL Jahrhundert lieszen es sich nicht einfallen, üher-
hanpt nnr einen Gesichtspunkt festzustellen, von welchem
aus man die Sache eben von dieser Seite hätte sehen kön-
nen. Dafiir steht dieser Gesichtspunkt nun aber auch im
XVII. Jahrhundert mit einer solchen Ausschlieszlichkeit
fOr die Hauptmasse unserer Literatur fest, dasz dar&ber
jeder andere Gesichtspunkt, namentlich der nationale und
der sachliche oder eigentlich poetische verloren jring.
grade so wie in ihrer juristisch-diplomatischen Fonnen-
seligkeit die deutschen Staatsmänn^er jener Zeit es oft genug
yergaszen, nach dem Selbstgeföhl der Nation und nach
den Mitteln zur Erreichung- wirklicher Macht zu fra<ren.
Es ist niclit schwer nachzuweisen, dasz die ileut^cheu
heroisch-galanten Itomane des XVII. Jahrhunderts an dem
allgemeinen Charakter der Literatur jener Zeit, wie er
soeben bezeichnet wurde, durchaus theilnahmen, nur mnsz
man einerseits nicht die der «ganzen Gruppe siemeinsanien
Züge über den Vei^clüedenheiten der einzelnen Erschei-
nungen anszer Acht lassen, andererseits ist es nöthig, das
Ganze anch wieder als Glied einer zusammenhftngenden
Kette aufzufassen und ans dem ursächlichen Zusaumien-
hange mit den voraufgehenden und nachfolgenden Stufen
der Entwickelung einen Maszstab zur Beurtheilung seiner
historischen Bedeutung zu suchen. Um der ersterwähnten
Anforderung zu genügen, wird man die Frage aufstel-
len müssen, in welchen Erzeugnissen aus dem Gebiete
des heroisch-galanten Bomans des XVIL Jahrhunderts
die ganze Entwickelung der Gktttung in dieser Zeit gip-
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feit» in welchen Bomanen die gemeinsamen Z9ge aller am
meisten ausgeprägt zu Tage treten, nnd welche dem Be-
diiifnisse nnd dem GeschiiKu ke (kr Zeit, aus welcher sie
alle hervorgiü^^eu , am vullkoiuiuensten Genüge geleistet
haben. Es kann kein Zweite! darüber sein, dasz dieses
Vorrecht Lohensteins Arminias und Zieglers asiatische
Banise in Anspruch nehmen. In ihnen hat die Entwii ke-
lung, welche der deutsche Kunstroman des X\'ll. »Jahr-
hnndeits nnn einmal zn nehmen hatte, nach dem Urtheiie der
Zeitgenossen ihren Höhepunkt erreicht Die freilich nach
unserem Geschmacke nichts weniger als vortheilhaften Eigen-
tliüuilichkeiten, welche au diesen Dichtungen am schärf-
sten hervortreten, sind diejenigen, welche der ganzen
Gruppe ihre Signatur geben und die Einheit der Ent-
wickeln n^( darstellen. Dies wird uns keineswegs hindern,
die schriftstellerische Tliätigkeit Zesens in ihi en hesunde-
reu Eigenthümliclikeiteu zu würdigen und seine verhält-
niszmaszig grosze Selbständigkeit und Eigenart anzuer-
kennen, nichtsdestoweniger' aber werden wir darum in
ihm den Hauptbeofriinder des heroiscli-galanten Honums in
Deutöchland zu erkennen haben, weil wir wahinelimen wer-
den, dasz nicht seine selbständigen YorzAge, sondern grade
sein Zusammenhang mit den uns als Yerirrungen erschei-
nenden Geschmacksrichtungen seiner Zeit das ist, was auf
seine }\achfolger gewirkt hat, was er also eigentlich als
dauernden Charakterzug der Gattung einführte, weil wir
bemerken werden, dasz er von dem besseren Wege, den
er ohne Zweifel in der Rosemnnd nnd Assenat einschlug,
später wieder abkam und dasz er zwar selbständig, aber
nicht klar und ausdauernd genug war, um in seinen Werken
der vom rechten Wege abirrenden Strömung einen Damm
entgegenzusetzen. Da wir bald genug Gelegenheit finden
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— 10
werden, diese Auffassung im Einzelnen zn begründen,
mag vor der Hand das Angedeutete genügen.
Was die Unterordnimi: der ttns jetzt Yorüegendfln
G^nippe von epischen Prosadichtongen unter einem allge-
meineren historischen Gesichtspunkt betrifft, von dem aas
ihr Werth im Gkmzen geschätzt werden soll, so sdieint
es das Sicherste zn sein, dasz wir hier wiebei jederin die-
ser Beziehung zu würdigenden Erscheinung: der Vergan-
genheit, sofern wir überliaupt im Stande sind, ihien Zu-
sammenhang mit dem Vorher und dem Nachher aosreichend
zn erkennen, genau beachten, Ton welcher Art der F<»i-
schritt zum Besseren gewesen sei, bestimmter gesagt, zu
ermitteln, ob der Eortschritt zum Besseren mehr von einer
Entwickelung oder mehr von einer Umkehr an sich habe.
Wenn wir nun den deutschen Roman des vorgeschrittenen
XVIII. Jalirhunderts als den Punkt festhalten, von dem
aus zurückzublicken und die angeregte Frage zu beant-
worten ist — und ohne Zweifel müssen wir das thnn —
so entscheiden wir uns oline Bedenken, dasz die vSache
hier in dem letzteren Falle ist. Die Literatur des XVIII.
Jahrhunderts, wie sie uns vorliegt mit ihrem Ideengehalt,
dessen Kern Humanität, Aufklärung, Befreiung des füh-
lenden und denkenden 8ubjectes ist, mit ihrer zur Natür-
lichkeit und Unmittelbarkeit des G^edanken<- und Grefühls-
ausdmckes erfolgreich hinstrebenden und nur deshalb dem
chissischen Geiste der Grieclien neues Leben verleihenden
Form and Kunstübung, sie ist hervorgegangen aus einer
Revolution. Der erste Vertreter der europäischen G^e-
sammtliteratur des XVIII. Jahrhunderts ist der revolu-
tiouäiste Geist, den die neuere Gesclüchte kennt, Jean
Jaques Rousseau, bei dem jedes Wort ein Schrei der Lei-^
denschaft, jeder Gedanke ein Angriff auf das Bestehende.
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ist. Bs wird Sich später zeigen, wie unsere Nation in
ftrer Weise 2U j^er Zeit das that, was andere in ande«
-m -Weise geiiiaii häbexif wie gcUbizend grade bei ihrer
Mitwirlning in dem groszen europäischen Concert der
deutsche Geist seine Tiefe und Selbständigkeit bewälirt
iiat, es mrd sieh dies auch in dem begrenzten Gebiete
leigen, welches wir m betrachten hfKben, und dämm sei
hier nur auf das Allfremeiiie liinpewiesen, aber grade das
Einzelne wird uns eine Fülle von Beweisen liefern, dasz
zwischen dem, was' unsere Gattung im XVIL Jahrdonhert
und dem, was sie «tnf der H5he des XYIII. darstellt,
eine radicale, negative, zerstörende Umwälzung liegt.
liiBe genanei^ und sachlich begründete Bestimmung der
Grenze ftr c^e uns jetzt beschäftigende Entwickehings-
periode der deutschen Piosadichtnng ist jedoch sclion an
dieser Stelle wünschenswertli und auch unschwer ausführ-
bar, da wir in jenem revolutionären Geiste des XVIIL
Jahrhunderts die Signatur der folgenden Periode sicher
erkannt haben. A\'o nur innner sich dieser Geist in
Dichtungen und sonstigen Schriftwerken als das leitende
und kennzeichnende Princip zeigt, da liegen uns Erschei-
nuiiiren vor. welche unserer Periode nicht mehr angeli()i en,
welche sich also innerhalb der Literatur des XVIIL
Jahrhunderts gruppiren mflssen. Die ersten Erscheinungen
in der deutschen Prosadichtung des XVIII. Jahrhunderts^
welche diesen (4 eist wirklich athmen, sind die zahlreichen
Erzählungen, die ihre Entstehung dem Kobinson des De
Foe verdanken, vor allen Dingen die Uebersetzung dieses
epochemachenden Buchs selber, denn die Nachbildungen
entfernen sich zum Theil wieder erheblich von dem Ideen-
gehalte und den Ghrundanschauungen des Originals. Die
enge Yerwandtsohaft der Bobinsonaden mit dem Gedan«
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kenkreise Itousseaus ist eine That^ache, welche zu allge-
mein aBeriEAimt und su dettUich ist, als dasz darftber mehr
gesagt zo werden branchte. Kurze Zeit nach der Blftthe-
zeit der Robiiisoiit» macht dann der englische Familien-
roman in Deutschland seinen Kiuflusz geltend, und Wie-
land bringt den deutschen Boman seiner Zeit dem Ge-
dankengehalte nach im Allgemeinen vollständig anf die
Höhe des XVIII. Jahrhnndei-ts. Schon in den ei-sten
Jahrzehnten des XVlli. Jahrhunderts haben wir also in
der deutschen Prosadichtnng das iNeue vor uns. Freilich
hört mit dem Hervortreten desselben das Alte noch keines-
wegs anf, denn um dieselbe Zeit steht noch die ordinäre
Bellettristik der Taiander, Menantes. Pallidor und einisrer
jüngeren Genossen in vollster Blüthe. und erst die Einwir-
kung Gottscheds und der Gottschedianer bringt diesB
Schriften in den Augen der Höchstgebildeten um das Recht
der Existenz als Literatuifialtnng. ^'icht (lottscheds
kiitische Dichtkunst, nicht die Anschauungen der Gott-
schedschen Richtung über das Wesen des Romans —
denn mit der Theorie desselben gab m^n sich fiist gar
nicht ab — bewirkten dies, sondern die erhöhten und
jedenfalls stark veränderten Ansprüche an formelle, na-
mentlich stilistische und ästhetische Regelmäszigkeit und
Vollkommenheit Die mit Erfolg von jener Richtung be-
triebene Schulung und oft schubneisterliche Disciplinirung
der poetischen Literatur, der grosze Auskehrungs- und
Säuberun^seifei j^ner Männer brachte, was in der ersten
Hälfte des XVIIL Jahrhunderts von der Frosadichtong
des XVU. noch lebendig war, um seine Geltung, so sehr
auch diese Einwirkung eine nur negative blieb und
so wenig ihi-e Vertieter selber von dem neuen bele-
benden Geiste, welcher schon in der Literatur ihrer Zeit
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hie und da seine Schwingen regte, eine Ahnung
hatten.
Jene durch und durch oberflächliche, nur dem unso-
fidesten ünterhaltun^interesse mit den wohlfeilsten Mit*
teln dienende Bellettristik hängt ihrerseits, wie sich uns
weiter unten ausiiUiriiclier zeigen wird, ebensowohl mit
dem heroisch-galanten Kunstroman der Lohenstein und
Ziegler, wie mit der volksthttmlichen Richtnnj^, in wel-
cher Grimmelshausen ebensoweit über alles Aehnliche wie
über das Andersartige hervorragt, zusammen, bald mehr
dahin, bald mehr dorthin sich neigend. Den praktischen
Gegensatz gegen Lohenstein nnd seine Vorgänger und
Nacheiferer vertrat zuerst Weise mit seinen überaus platt-
verständitjen Romanen, ihm aber lernten die Vielschreiber
der letzten Jahrzehnte des XVII. nnd der ersten des
XVIir. Jahrhunderts die bequeme Form oder Formlosig-
keit in der Anordnung des Stoffes, die grosze üngenirt-
heit in seiner Auswahl und die bis zum vulirärsten Tone
herabsinkende Anspruchslosigkeit in der Darst^^lluiiii ab.
die sich schon bei der Lectttre einer einzigen Seite durch
die geschmacklose Ueberladnng der dentschen Sprache
mit Fl enid Wörtern kundgiebt. Eiprenschat len. die wir we-
der bei den Vertretern des heroisch -galanten Romans,
noch bei Grimmelshausen vorfinden werden. Daher be-
trachten wir jene nnd diesen als die beiden einander ge*
genftberstehenden Höhepunkte der Entwickelun?, und
müssen, um uns ein richtiges Bild zu machen, zuerst den
emen, dann den anderen betrachten, um znletzt das, was
jenseits beider liegt, in Augenschein zu nehmen. Wir
werden aber auch von vornherein die AVahmehmnng ma-
chen, dasz die Romane und kleineren f^rzählungen, welche
in Deutschland während des XVII. Jahrhunderts und
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4er eraten Jahrz^hate XVIXI. eraeu^ wordfin, ket^
aeswegs dem LesebedQrMsz genügten, sondern dass dar
Eifer, fremde Waare zii importireii, dem fftr Originalpro-
'ducüou mindesteDS gleich war. Die Uebersetzimgen
treten zn den deutecben OriginaLwerken in ein clianüUe-
jistiscbes Verfailltnisz, und es Hegt in der Nator der Saehe,
■dasz wir bei weitem die meisten und bedeutendsten der-
•selben unmittelbar mit den keroiscä-galanten JELomanen
werden in Verbindung zn bringe haben, wenn aaeh die
volksthtimlichen Unterlialtungsschriftsteller, ja Grimmela-
hausen selber, keineswegs die Benutzung fremder 8tot)e
verschmähten. Ebenso gehörte, was sich etwa von deia-
43chen Schilferromanen findet, dorchaos mit dieser Gruppe
zusammen, denn im Auslande wie bei uns war diese Gat-
tung, das Nonplusultra Ton Kunst- und Modepoesie, uur
&ÜC die vornehmen und gebildeten Stände berechnet In-
dem wir uns nun der Betrachtun^j: des Einzelnen zuwen-
den, haben wir zunächst zu zeigen, wie keine der später-
hin zu Tage kommenden Erscheinungen, welche der gan-
zen Periode eine bestimmte Signatur verleihen, unvermittelt
aufti'itt, und \on diesem Gesichtspunkt-e aus bieten uns
schon die Leistungen der ersten Jahrzehnte des XYIL
Jahrhunderte mehr&ches Interesse, so wenig Anspruch
auf Beachtung sie als Zubehör der deutschen National-
literatur haben mögen. Demi was uns hier bis zu Zeseus
eigenen Arbeiten entgegentritt, sind mit ganz geringen
Ausnahmen nur Uebersetzungen, wenn wir von den spä-
ter nachzuliülendeii Sammlungen von kleinen Anekduten,
Schwänken und dergleichen absehen, die sich aus dem
XY. und XVL Jahrhundert durch das ganze XYIL und
bis ins XVIII. hinein fortsetzen. Zum Theil noch in
das XYI. Jahi'hundert gehören die Schäfeieien von der
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«cbODoii Jiüiana,. welche sich grosser Gunst erfreoit lialm
ntssen, da meii aiieli ans Unten, wie ans dem AmadiSy
j^chatzkammern" auszog.*) Auszer der schon im vorigen
Caiatel (Seite 430) erw&lmten Uebersetzong der AMree
(1619) finden wir in den beiden ersten Jahrzehnten keine
nennensweithen üebersetzungen französischer Werke, denn
des Aeschacius Major (Joachimus Caei^ar) Glücks- und
Liebeskampf ^) gehört, obwohl zunftchst ans einem fran-
*) Das erate Buch, Tentsch dnreh F. C. V. B., enehien m M ttm-
pelgart bei P. Fischer. 1595. 8^ femer Frankfiirt 1001. S^
(nach Orisxe Tr«8or)« ebeaiU 1605. a (Ooed. 480.) und 1616. 8^
(764 Sin.). Das swtite Buch, tUbersetct, wie auch die folgenden Bh.,
▼on J. B. B. B., Strasshnrg bei Las. Zetsner. 1616. 8^ (Dedicatioa
TOB Jacob FoUlet nnten. 1. Jan. 1616 (1550 Stn.;, das dritte ebenda
1616. 8^ bei Las. Zetsners Eihen (1200 Stn.), das yierte ebenda 1617.
9 (swei Theile 824 + 900 das fünfte ebenda 1617. 8» (1S27
Stn.). Die Uebersetsong scheint erst 1615 durch den zweiten Ueber-
setcer J. B. B. B. mit dem sweiten • Bande fortgeführt worden an
sein, denn der Dmelcer J. Foillet bemerkt in der Dedication des zwei-
ten nnd dritten Bandes^ dasz er ]^flnlieh die Uebersetsong yeran-
staltet. Die Schatzkammer ans der schOnen Jnliane erschien zn
Straszbnrg. Zetzners Erben 1818. 8^. — Vergi. noch Höpfher, Be-
formbestr. S. 81.
*) Leipzig (Niool nnd Ghtistoff Neriich) 1615. Bs dnd fBnf
Novelien ,so knrtz Tor unseren zeiten sich zugetragen, vnd erstUcfa
in Italienisclier, hernach In FrantzSsischer Sprache Teneiclinet, anoh zum
Theil Kön. May. in Franckreich dedidert worden.** 1. Eduard UL und
die Qräfin Ton Salisbury (Cäsar hat dieselbe Geschichte schon Halle
ma. ia> lateinisch unter dem Titel Baätmit et a^^pdÜHB ptigna ceL
herausgegeben und in der Vorrede liierzu Iwmerkt, dasz sie erst ita-
, iieni^^cll, dann deutsch, dann fhuizOsisch erschienen sei. (V^:l. noch
d. Percei S. 114.) 2, Mahomet und Hyrenea. Der Eroberer Ton
Constantinopel tSdtet die schüne Griechin, durch deren Liebe er weMi-
lieh geworden. 3. Romeo und Julia. 4. Von einem piemontesischen
Edelmann zur Zeit Maximilians 1., der seine ehebrec)u lisdie Frau
zwingt^ lliren Buhlen aufzuhängen, und sie dauu bei dem Leichname
'ünltommen läszt. 6. Von Didaco, einem ValeiK ianisclien Bitter, wel-
cher durch die Ton ihm betrogene Violenta schrecklich ermordet wird.
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— 16
zösiscben Texte geflossen, nicht zu diesen. Das Jahr da-
g^n, in welchem jener Anfang der Aströe ins Deatsche
ftbertragen ward, brachte die eben&lls schon anfgeführte
Kuffsteinsche Diana aus dem Spanisdien. Auch die
Auswahl der Novellen des Cinthio,*) neben denen die des
Boccaccio') nen erschienen und vermehrt wurden, gehö-
ren noch in diese Jahre, am meisten aber that sich jetzt als
Uebersetzer Aegidius Albertinus zu München hervor, der
seine Beiniiliiuigeii namentlich der spanischen Literatur
zuwandte. Seine Thätigkeii, die einen bewundeiusweithen
Umfang hatte, gewinnt dadurch ein besonderes Interesse,
dasz sie einerseits von katholischen Tendenzen geleitet
war. andererseits den i)icaresken oder iSchelmenronian der
•Spanier in Deutschland einführte und dadurch immerlün.
zu der Entstehung der Simplidanischen Schriften Grim-
melshausens eine Art Anstosz gab. Als Secretär des
Herzogs ]\Iaxiniilian von Baiern sUmd Albertinus mit dem
Mittelpunkte der katholischen Partei in Deutschland in
engster Beziehung, und jedenfalls war sein Fürst, wenn
neben Ferdinand auch nicht das Haupt, so doch der gei-
stig bedeutendste Vertreter derselben unter den Beichs-
tiii sten, nicht ohne Eintlusz auf di<^ Kic lituug seiner SchrilY-
stellerei. So widmete er den besten Theil derselben den
mehr ermahnenden ab erzählenden Schriften des Antonio
Ouevara, aus dem auchGrimmelshausen mehrfache Anregung
zog", und diese \'erdeiitschungen fanden überall im katho-
lischen Deutschland den stäiksteu Absatz, so dasz Alber-
*) Frankftirt a. M. Sdiomberger 1614. 13. Es sind 40 Ge-
schichten Ton den 100 der italienischen Vorlage, welche 1665 snerst
erschien.
-) Veigl. Bd. I. S. 89. Anm. 1. n. S. 94. Anm. 1. In den 88
hincngefii^eii Geschichten hefinden sich auch einige pleareske ans-
dem Spanischen.
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— 17 —
CiniiB dann auch anderswoher Aehnliches herbeiholte.
Seine sehr verbreitete Bearbeitung des Gnsman Ton AI-
ISmche^) von Mateo Aleman bedeutet übrigens keines-
*) Qoedeke (Qnmdr. S. 480X «vf den ich in Betreff der anderen
lieh nnr mehr oder weniger mit nnaerer Gattung berfihrenden* Sdirif-
ten des Aeg. Albertinns Terwelae« giel»t Ton dem dentaehen Gnsman
folgende Anagaben an: Hilneken 1615. 8^. — Mfincben 1617. 8^. —
1618. fi^. — 1633. 8^. — Frankf. 1670. 8P. Mir liegen aneaer diesen
nock tot: eine zweite Ausgabe Mftnchen 1615. 8^« eine ebenda 1616.
8^. (die Widmnag d. d. 1. JannaiQ 1615) gedr. dnreh Nie. Henrienm,
eine Ton 168L 8P. o. O. und eine Ton 1670. Franokf. J. G. Schiele.
Die Aiisgaben Ton 1616 n. 1618 geben den ersten und aweiten Tkeil,
die Ton 1631 n. 1670. 12. kahen anck den dritten, Ton dem ich eine
besondere Ausgabe nicht kenne. Dessen Titel lautet:
Der Landstdrtzer Gnsman Ton Alfarche oder Picaro genant.
Dritter Tnd Letzter Tkeil. Darinnen seine Eeiss nach Jenisalem in
die Türckey vnd Morgenländer auch wie Er von dem Türcken {gefan-
gen / will« mmb erledifi^et / die Indianischen Landsdiafften besuchet /
Tnd in Teutseliland selbst alle Stätte durchwandert / auch allerliand
Tnderschiedliche Dienste vnd Handwerck versuchet — Be-
neben anmutliiirer vnd eigentlicher Bcschreibong der Morgenländer / dess
H. Lands vnd der Indianischen Insalen — Ansz dem Spani-
schen Original erstmals anjetzo verteutacht Durch Martiuuni Fren-
denhold. (iednickt im Jalir MDCXXXU. Die Vorrede ist nnter-
seichnet 20. Martij laufendes Jahr 1626. J. M. F.
Der erste Theil des Oriiriuüls erschien 1599 zu Madrid, vor dem
Jahre 1603 kam eine Fortsetzung von einem anderen, der sich Saya-
Tedra nannte, heraus, 1605 folgte der echt« zweite Theil, ein
dritter Th»*!! ist nie erschienen, obwohl er verheiszen wurde. Vergl.
Tieknor. II, *212 ff. u. den Disrurco prcliniinar der Novelas anteriores
a Cervantes in der IHblioteca de Aut. E>i). III. ed. Madrid 1H58.
Der unechte zweite Theil liey;t mir in 2 alten Ausgaben vor: 1)
rarairora por Angeln Tauano, a. MDCIII. 8 (Stadtbibl. zu Bres-
lau), 2) Impresso en Milan i»or .leronimo Bordon, y INdromartir Lo-
carno. A. 1603, Der Nachdrucker hat den \amen Alemans auf
den Titel <_rpsetzt und so falsche Angaben der Bibliographen ((iräsze
Tr. I veiaula.^izt. Es existirt. aueli eine zu I^eipzig 17r)l/r»2 8'^ er-
st hieiiene, alxT naeh einer französi.<( hen l'eliertragung gearbeitete Ver-
deutschung Von F. AV. Beer, eine andere T-itz. 17S2. s" luuh Le Saire
und (Gr. Tr. Suppl.) eine abgekürzte lateinische Bearbeitung. Col.
Agripp. 1623, 24 u. Dantisci 1652. 3 vol. 12.
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— 18 —
wegs einen Uebergang zn einer fnue anderen Gkittnng^, so
sehr auch der Picaro und der Fürsten unil Potentaten
äterbekunst auf den ersten Blick verschieden erscheinen
mOgen, denn grade des Albertinos Gasmann von Al£Butudie
enthftlt wenigstens ebensoviel asceüsclie Betrachtangen wie
Schelni»*nabeiiteuer.
Der Gang der Krzählung ist folgender: Zuerst giebt
Gttsman J^achricht von seinen Eltern, wie in allen Stel-
len seiner Geschichte, ndt Beif&gang einer Menge von
gelegentlichen Bemerknngen, welche an vielen Orten so-
gai' zu umfangreichen Disciirscn, Alh-goricn, Beschreibun-
gen and encyclopädisch-wiäseuschaftlicheu Abhaudlaugen
anschwellen. Sein Vater war ein betrügerischer und
wucherischer Kaufmann von maurischer Abkunft in Se-
villa, seine Mutter die ('(»ncubine eines Ordensherrn, der
ihn auch für sein Kind hielt. Nach dessen Tode heim-
thete sein Vater seine Matter, brachte ihr and sein Geld
durch und starb. Gusman begab sich aus Noth in die
weite AV'elt, sein erstes Abenteuer bestand in schlechtem
Essen in einem M'irtUsüause. Er befand sich in Gesell-
schaft eines Eseltreibers und zweier Priester, einer von
diesen ermahnte ihn eindringlichst snr Tagend, aber vei^
geblich. Er trat in den Dienst eines betrflgerischen Gast-
wirthes, verliesz diesen aber bald wieder und kam nach
Madrid, wo er ein „Picaro oder Öchwarack" wurde, dann
Kflchenjunge, als weicher er durch seine Spielwuth und
das böse Beispiel anderer Dienstboten zum Stehlen ver-
leitet wurde. Nach einiger Zeit führte dann seine Un-
treue auch zu seiner Entlassung. Er waid wieder Picaro
und Packtr&ger, bis ihm der Diebstahl einer nicht un-
bedeutenden Summe Geldes gelang, womit er nach To-
ledo entfloh. Hier von einigen schönen Frauen, denen er
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nadüicf, um flinen Theü a^aes Geldes betrogea, vermichte
er in Ahiiftgro, Soldat sn werden, wurde aiber seiner Ja-
gend wegen nicht angenommen. Nachdem er mit einem
fiaaptanann seinGkld verthan, nahm üm dieser als Borscken
mit nach Italien, enüiesa ihn aber in G^noa. Da sein
Vater aus diesei' Stadt stammte, hoffte er, dasz sich Ver-
wandte seiner annehmen w ürden, fand sich aber getäuscht,
£in alter Mann nahm ihn in sein Haus, aber in der Nacht
wurde er von Teufeln ftbel gephigt und lief den andern
Tag fort. El kam als Bettler nach Kom, wo er Gelegen-
imt fand, sich in diesem Handwerk sehr zu vei'VoUkommnen.
In Gaeta wurde er zwar wegen eines gefälschten schlim-
men Beines tüchtig abgeprügelt, aber in Kom gerieth ihm
die Sache besser, ein Cai'dinal nahm ihn zu sich, mit den
Aerzten verständigte er sich, ward als Gesunder sechs
Monate curirt und trat dann in die Dienste seines TVohl-
thäters. Seine Mausereien und Lügen setzte er hier fort,
unterhielt aber seinen üerm durch seinen Witz. Gele-
gentlich beschreibt er die römischen Kirchen und zählt
deren Reliquien auf. Seine Spiehruth ward schlieszlich
Ursache, dasz ihn der Cardinal fortschickte. Er ti'at bei
dem franaösischen Gesandten in Dienst, dieser benfitzte
ihn als Spasemacher, besonders aber dazu, Schmarotzer
zu vexiren und dadurch zu entfernen. Endlich bestahl
er seinen Herrn, abei* die Beute waid ihm sogleich
▼on zwei Landslevten, mit den«i er ans Born flttchtig
geworden war, wieder entführt, worauf er bei einem ita-
lienischen Grafen, wiederum sich durch seine spaszhaften
Unterhaltungen empfehlend, in Dienst trat In der Buhl-
schaft abermals betrogen, stahl er dem Grafen Geld,
ward ins Gefangnisz gebracht, aber wieder losgelassen
und £uid als Koch bei dem königlichen Statüialter in
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— 80 —
Neapel, wohin er sdion mit dem Grafen gekommen war,
ein Unterkommen. Dieser Statthalter hatte eine trunk-
süchtige deutsche Frau, mit der es oft heftige Auftritte
gab. Gnaman verliesz ihn, um nach Montserrat m ge-
hen, wo ihn ein Einsiedler ermahnte, von seinem lieder-
lichen Leben abzulassen. Dies hatte den Erfolg, da^z er
sich nach Alcala begab, wo er auch als Student aufge-
nommen ward. £r sollte die Bechte studiren, der Bector
unterrichtete ihn auch sogleich in den obersten Rechts-
gmndsätzen, anderweitige methodologische und encyclo-
pädische Voitiäge folgten nach. Er wuide Präceptor et-
licher anderen Schider, aber, wenn er auch den einen von
der Liebschaft mit einer Nonne zurückhielt, so that er
doch sammt seinen Pflegebefohlenen nichts Gutes, alle ka-
men auch zu Schaden und Schande, er seinerseits als „ein
Frantzösischer JÜtter'* ins Spital, wo er es sehr übel fand,
aber wenigstens geheilt ward. Darauf ging er wieder
nach Italien und kam nach Bononia in den Dienst des
dort residirenden Cardinais. Uebei' Tisch wurden bei diesem
HeiTn allerlei erbauliche und moralische Discui-se geführt,
über das Lügen, über Luxus, Keichthum, Weisheit, Adel,
warum die Gottlosen in der Welt floriren, yon der Gunst
der Welt, von der Ignorantz der Welt, vom Gewissen,
von der Einigkeit und Uneinigkeit, vom Eifer, vom Müszig-
gange, durch was Mittel der Himmel erlangt werde
— wonach Gusman selbst als der Dreizehnte von der edlen
Thorheit discurirte. Nach einiger Zeit stahl er einer
reichen Frau eine Menge Geld, kam nach Turin, trat als
Edelmann auf und heirathete ein vornehmes ^lädchen,
brachte aber in kurzer Zeit alle seine Habe durch. Da-
rauf ward er Gerichtsschreiber, und in dieser Stellung
kam er durch Uniedlichkeit und „Schinden'' wieder za
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— 21 —
einigem Gelde. Nun legte er eine Gastwirthschatt an und
erwarb durch ähnliche Künste noch mehr Vermögen, aber
Alchymisten brachten ihn theils durch betrügerische Vor-
spiegelungen, theils durch Baub wieder um alles, infolge
des Schrecks starb seine Frau, er wurde Hausirer, Dieb,
eingesperrt und ausgehauen. Hierauf ging er nach der
Schweiz und trat in ein Benedictinerkloster, hielt sich
zuerst zwar gut, dann aber risz er mit dem SchaiRier zu-
sammen aus, wurde gefangen, entkam aber wieder und
arbeitete kurze Zeit in Tirol als Bergknappe. Dann ward
er Comödiant, er erzählt, welche überaus schmutzigen
Possen er als Spaszmacher gerissen, be sc hreibt die deut-
schen Wii thshäuser und tadelt die Deutschen wegen ihrer
argen Unmftszigkeit im Essen und Trinken, Baiem wird
Wegen seiner Frömmigkeit und guter Justiz sehr heraus-
gestiichen, sobald er aber in andere „Provintzen" kommt,
beginnt wieder der Tadel der deutschen Völlerei und Trun-
kenboldigkeit — die Weiber thun es den Männern gleich.
Gusman durchstreifte mit seiner Trnppe Oberdeutschhind
und wandte sich dann nach Westfalen. Hier heirathete
er die Frau seines von Räubern getödteten Principals,
er und seine Genossen, deren Haupt er geworden,
verübten in Lüttich einen groszartigen Betrug an einem
Juwelier und entflohen mit ihrem Baube nach Amiens, von
da wandten sie sich nach Spanien, in Lissabon starb
Gusmans (deutsche) Frau infolge ihrer Trunksucht, er
heirathete in Valencia seine dritte Gattin, die Verschwen-
dung derselben machte ihn wieder zum Diebe, er ward ge-
fangen und zum Ghügen vemrtheilt, doch bei Gelegenheit
einer königlichen Hochzeil begnadigt und für diei Jahre
aot die Galeeren geschickt Hier schlieszt der erste Theü
des deutschen Gusman.
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— 99
Nach aiisifestaadeiMr Strafiieit (ans der sehlechtliiB
nichts erwähnt wird) kommt Gusman in einen Wald,
ein Einsiedler nnterrichtete ihn über die Busze. Diese
Discorse sind ftberans lang*, tqU sckolaatischer Gelehrsam-
keit, spielen mit Gleiehnissen nnd ktknstlich ansgedefanten
Allegorien und mischen, wie schon die früheren Reden,
in höchst abgeschmackter Weise massenhafte lateinische
Citate ein. Die Erklärungen bibliseher Stellen Inetea
zum groszen Theil wahrliaft abschreckende, aber jedenfalls
charakteristische Belege für die Auslegungs- und Predigt-
weise der damaligen katholischen Greistlichkeit Weiter
ist nun noch ganz in derselben Weise die Bede vom Fasten,
vom Gebet, vom A\"einen nnd einer Anzahl von theologi-
schen Materien. Nach geschehener Beichte und Gommunion
legt der Einsiedler Gosman eine Wallfahrt nach Jenisaiem
als Busze auf, worauf sogleich wieder ein sehr langer
paräuetischer Abschnitt folgt. Es werden nämlich cüe
reqnisita des geistlichen Pilgrims behandelt, indem alle
die Dinge, welche ein Pilger thnn oder besitzen rnnsz,
geisllicli gedeutet werden, oft. mit erstaunliclier Abge-
schmacktheit und Tändelei. Mit diesen Uiscurseu geht
der zweite Theil ohne alle nnd jede Handlung aus, und
Gusman verweist nun auf den dritten.
Von JMaita aus, so beginnt Martin Jb'reudenhold den
dritten Theil, wo Gusman von den Galeeren war entlassen
worden, fuhr er mit einer Flotte der Malteser, um nach
Alexandrien zu gelangen und djuiu seine A\'ullfa]irt weiter
fortzusetzen. Er ward Proviantsclueiber, aber wegen Be-
trugs bald zum gemeinen Bnderkneehte degradirt. Durch
einen Sturm zu landen gezwungen, wurden die Reisege-
iUluten von den Türken gefangen genommen und nach
Alexandrien geschleppt Hier verwandte man Gusman
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— 28
erst mit den anderes Gktftngenen snsammen eu harter
Arbeit, doch es gelang ilim, sicli durch Fuclisschwäiizerei
80 in Gunst zu setzen, dasz er als Aufseher beim kUustli-
ehen Htthneranehrttten angestellt ward. Dann miethete
er seinem Herren eine Badstube in Alcayr ab, wo er durch
seine scklechteu Künste viel Geld iri^vann. Sclilieiszück
führte er wieder einen grosse Diebstahl gegen einen
deatschen Grafen ans und machte sich dann in Pilgertracht
mit dem ersparten und gestohlenen Gelde davon. Die
Stadt Cayr wird ausführlich beschrieben. lieber Joppe
geht die Beise nach Jerusalem, die heiligen Orte Jeru-
salem, Bethlehem, der Sinai u. a. werden beschrieben4
Als Tyriakskrämer und Seifensieder setzte Giusiuan seine
Beise, nachdem er das Ziel seiner Wallfahrt erreicht, wei-
ter fort, um noch fernere Länder zu sehen. Zuerst blieb
er ein .Jahr in Tiii)olis, ging dann nach Aleppo, Städte
und Gegend werden ausführlicJi beschrieben. Weiter ging
die Beise mit einer Handelskarawane nach Mesopotamien,
Alt-Babylon, Bagdad wurden besucht, dann kehrte Gusman
nach Aleppo und über Tripolij» zu Schiii' nach Venedig
znrflck. Hier ward er wieder yon einem Alchymisten um
all sein gut und bOse erworhenee Geld gebracht, ein
Discurs gegen die Alchymie schlieszt sich an. Nachdem
Gusman einige Zeit sich als Gondolier erhalten, t&ud er
Gelegenheit, einon Juden viel Geld zu stehlen, und ent-
floh mit einem Spiegelmacher und Polierer nach Amster-
dam, ein Discurs vom Spiegelmachen und Polieren wird
beigegeben. In Amsterdam stahl ihm sein Gefährte wie-
der alles, und er wurde als Bettler ins Zuchthaus (Arbeits-
haus) gesteckt, wo er ein Jahr lang streng arbeiten
muszte. Als er entlassen wurde, verdang er sich auf ein
Schiff welches nach Westindien bestimmt war. Dieses
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24 —
gelangte nach einigen Abenteuern zunächst nach Brasilien,
dann ging die Fahrt weiter nach Süden. Gusman machte
noeh fttr sich eine Bdse nach Japan, welches Land be-
schrieben wird, nach Eorofia snrQckgekommen ging er
mit einem Calendermacher nach Deutschland*), die Kunst
seines Geföhrten erlernte er, und sie wird encyclopädisch
abgehandelt. Dann wurde er ein Apotheker, und eine
Phannacie in noce wird den Lesern nicht yorenthalten.
Seine Untrene führte znr Dienstentlassnng, er yerftnderte
seinen Auleiithali und wurde ein Kuftian oder Kuppler
(Discuis von diesem Gewerbe), dann Müller, dann Reiter
bei einem Edehnann (Discnrs Yom Adel), dieser schickte
ihn wegen Bühlens mit der Beschlieszerin fort (Discnrs
von den Pferden und ihrer Behandlung), darauf ging er
zu Gauklern und Tänzern (Discnrs von ihren Künsten),
dann zu einem Wahrsager, er erkannte aber die Ge&hr*
lichkeit dieser Knnst, indem er einen (natOrlich aosf&hr-
lieh mitgetheilten) Discui-s gegen sie in die Hände bekam.
Mit dem lakonischen Bericht, dasz er Busze gethan, bricht
das Buch plötzlich ab.
Wenn es anch hier nicht der Ort ist, auf das Yer-
hältnisz des deutschen Gusman zu seiner spanischen Vorlage
ausführlich einzugelien, so musz doch hervorgehoben werden,
dasz das Buch den Namen einer Uebersetzung durchaus
nicht verdient Der Inhalt des spanischen und des deut-
schen Buches deckt sich, wenn man Einzelnes gegen Ein-
zelnes hält, kaum zur kleineren Hftlfte, denn wenn sich
Albertiuus auch fast durchweg an die üeiseroute, welche
^lateo Aleman und der Verfasser des unechten zweiten
Theiles — denn diesem und nicht der echten spanischen
*) Bei dieser Oolegenheit läszt der Fortsetser den Helden sagen,
dasz er noch uidit in Deutschland gewesen.
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— S6
Fortaetzang folgt er haaptsächlich — und wenn er «eh
aadi im Ganzen an den Gang der Erzählung hftlt, so ist er
nicht allein schon zu Ende seines ersten Theiles da, wo
der zweite Theil des spanischen Uosman ausgelit, sondern
er Itet weg nnd setzt zn and zwar vielfiEM^h in einem
Mäste, dasz das Bach ein ganz anderes Ansehen erhftlt
Man kann aber nicht sajren ein besseres. Um nun ei-
nige ins Auge sprinp^ende Hanptsachen zu bemerken, so
heziehen sich die Weglassangen sehr h&ufig auf erzählende
Abschnitte, zogesetzt sind BLscorse. Umgekehrt ist es
fast nur bei den in Dentschland spielenden Partien des
ersten Theils, in denen aber mehr das besclueibende Ele-
ment vorwaltet. Auch die bis zum Widerwärtigen gehäuf-
. ten lateinischen Stellen sind meist Sttnden des Bearbeiters.
Aegidius Albertinas zeigt also darch seinen Gusman, was
auch in seinen andeni Sc lirifteu sehr oft zu Tage tritt, dasz
er eigentlich mehr ein Biichermacher als ein Schriftsteller
war, and Ton seinem Fortsetzer mnsz dies mit noch mehr
Entschiedenheit behanptet werden. Er ftgt bei gänzli-
cher Unfähigkeit, seinen aus Keisebeschreibungen und ei-
nigen bcUwaukbücheru geholten Stoti eiuigemiaszeu zu
gestalten and zn beleben, zn den Fehlem seines Yorarbei-
%m noch den gedankenloser oder ans Gedankenarmnth
hervorgegangener Wiederholungen. Wie naheliegend war
der ( Jedanke. den Helden nach den bis zur Albernheit
aosflthrlichen Bemühungen des Einsiedlers wirklich ge-
bessert oder wenigstens etwas gesetzter geworden sein zn
lassen, nnd ihn dann in nene Lagen zn bringen, die sich
wiedenini aus der l'mwandehing seiner selbst leicht wür-
den ergeben haben. DalUr bleibt aber Gusman so con-
seqnent ein nichtswürdiger nnd nicht selten gedankenloser
Lomp, dasz er ewig seine Schnrkereien wiederholt nnd
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— 26 —
wir alles Interesse an seiner durch und durch obeilUtohr
Hohen Natnr verlieren.
Der frerin^e Werth, den vnr sonach dem dent^hen
Uusman, an und für sich selbst betrachtet, zuschreiben
mflssen, schlieszt jedoch keineswegs den Anspruch auf Be-
deutung ans, den das Buch in Bezug auf die Entwickelung
der deutschen ünterhaltungsliteratur im Xvil. Jahrhun-
dert in der That maclien darf. Dasz es nach der einen
Seite als Vorläufer der freilich nicht blos den deutschen^
sondern auch den spanischen Gusman unendlich ftbora-
genden Simplicianischen Schriften Grimmelshausens anzu*
sehen ist, ward bereits antjedeutet, ebenso deutlich weist
es aber auf der andern Seite auf die zunächst von uns
zu betrachtende Entwickelung des heroisch-galanten Eo-
mans hin, zwar nicht durch seinen epischen Inhalt, aber
desto deutlicher durch den Hauptbestandtheil seiner Ne»
benwerke, der zuj2:leich an Umfan? der bedeutendste Theil
des Ganzen ist. nändich die lehrhaften Discurse und Be-
schreibungen. Wir werden im Folgenden noch viel mit
diesem wesentlichen, aber den poetischen Werth der Ro-
mane niemals erhöhenden Requisit unserer (iattuujij: zu
thun haben, denn nur wenige der uns aufstoszenden Er-
scheinungen halten Masz im Aufnehmen dieses BallaateSi
und darum ist es nicht nöthig, Weiteres von Albertiniia
und Freudenholds Gusman zu sagen, als nöthig war, seine
Besprechung auch liier, wo uns der heroisch-galante Ko-
rnau zun&chst am Herzen liegen musz, zu begründen.
Wir kOnnra eine Anzahl anderer Uebersetznngen ans
dem Spanischen hter sogleich mit erwähnen, und zwar auch
aus dem Grunde, weil sie für die Zeit vor der Ausgestaltung
des heroisch-galanten Eomans in Deutschland bezeichnend
und in den Mheren J ahraehnten hftufigw sind ala die Ueber-
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— 27 —
Setzlingen und Bearbeitungen französischer Origiiiale, de-
nen sie späterhin entschieden weichen mflssen.
Als Yerdeatscher spanischer Unterhaltnni^sschriften
fknd Albertinus bald Mitarbeiter und Naclifolprer. Xon
pic<iresken Erzähluugen ist Nicol. l'lenharts Yerdeutächuüg
des Lazarillo de Tormes und der Novelle Bineonnete y Corta-
dillo von Cervantes (Isaac Winkelfelder nnd Jobst von
der Schneid) zu ueuuen, welclie zusanuuen als ein Buch
erschienen.') Der Uebersetzer folgt im Lazarillo dem
spanischen Texte ziemlich genau, hat aber als guter Ka-
tludik die die Kiiirichtunpren der katliolisclieu Kirche am
meisten bloszstelleiideu Abschnitte ausgelassen oder ver-
Andert, falls er nicht etwa eine schon derartig verstümmelte
Ausgabe benutzt hat. Am Ende fügt er nicht ungeschickt
ein Lob der Deutschen an. l^azarillo nämlich, desseu El-
tern beide nicht viel taugten, wurde zuerst noch als Kind
FQhrer eines Blinden, bei dem er viel Uebles ausstehen
muszte, aber sich in allerlei kleinen Betrüfrereien vervoll-
kommnete, darauf kam er zu einem Geistlic lKMi. bei dem
er fast vor Hunger starb, bis er einra Nachschlüssel zu
dessen Truhe erwarb, noch muszte er aber allerlei Listen
anwenden, damit sein Herr ihn nicht als Dieb erkaimte.
^) Zwo kurzwellige, lustige viid IScherliche Hbtorien, die Ente
eet. Angsbnrgr 1617. 8. — Nttrnbeig 1666. — Die Novelle enehien
noch einm&l allein 1734. 8P o. O. — YergL Gosches Archiv. I, 295
ff. Wenn die B. d. R. 1781. Aonst S. 4. Ton dem Lazarillo, zu
dessen Ansso^ Übrigens eine interpolirte Ausgabe benützt ist, aagt:
. . en Allemagne . . . il est encore anssl recherch4 ponr le molns qoe
le divin original de Tiel Ulespiegle, so ist das blosze Faselei. Das
Original des Lazarillo von dem berfihmten Diego Hnrtado de Kendos*
erschien 1558 nnd gilt fdr den Mhesten Boman seiner Art. Ausser
der Uebersetzung von Bertiich j^iebt es ans dem XVIII. Jahrh. noch
eine (gereinigte) Um 1769. 8°. Die Novelle Rinconnetc y rortadlUoer^
schien als die dritte der Novelas exemplares 1613. Yergl. Iiierzu wie
ma der Ersähiong vom «nnseltigen Fttrwits* Tieknor I, 605 ff.
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— 28 —
Die Sache kam schlieszlich heraus, und Lazarillo wurde
arg gemifizhandelt fortgejagt Sein dritter Herr war ein
imner, aber ftberans stolzer Edelmann, der schlieszlich
Schulden halber das Weite suchte. Nach verschiedenen
anderen Stellungen <,^elang:t der Held zu dem anständigen
Amte eines öflfentlichen Weinansmfers, und als solchen l&szt
ihn XJlenhart besonders gnte Frenndschalt mit den Deut-
schen im Gefolge Karls V. schlieszen, welcher nach To-
ledo kommt. Dasz Ulenhart den unechten zweiten Theil
nicht mit Übersetzt hat, sondern hier abschlieszt. ist viel-
leicht Zufall, wenn nicht, so gereicht es ihm zum Lobe.
Femer gehört hierher die LandstOrtzerin Justina
Dietzin Picara «genannt*), ein Sclielmenroman, der sich
zum (iusraan von Aliarache so verhalten würde wie
Grimmelshausens Courage zum Simpiicissimus, wenn er
nicht unendlich viel schwacher und langweiliger wäre als
sein Vorbild.
Zu den religiösen Homanen spanischen Ui'sprungs ge-
hört der £deie Sonnenritter, welcher durch Matthäus Hoff-
stetter aus dem Italienischen übersetzt wurde und trotz
der Kürzungen des Verdeutschers (vergl. die Vorrede)
noch sehr weitschweiüg und langweilig geblieben ist.-)
Mit der Verdeutschung des bedeutendsten spanischen
Romans, des unsterblichen Don Quixote, ist man in der
Zeit, die wir jetzt betrachten, nicht weit gekommen. Das
erste Stück davon, welches meines Wissens verdeutscht
worden ist, erschien allerdings schon ziemlich üüh, im
Theil I Franckf: a. M. 1626. 8, Thl. II ebenda 1697. 8. Der
YerfMser des Oriipiiials« weichet 1605 enehlen, war der DomlnlcaDer
Andreas Perei, nannte sich aber aof dem Titel Francisco Lopei de
Ubeda. Die dentsche Uebersetsong flosi ans der itaUenischen des
Bareuo BarenL
*) Glessen 1611. a (StadtblbUothek an Breslan.)
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— 29 —
Jahre 1617. Es ist die Einsode yon Anselm und Lotario
und trägt den Titel „Unzeitiger Fürwitz".*) Die von
Pahsch Basteln von der iSohle 1621 herausgegebene Ue-
bersetzong scheint nicht über zwdnndzwanzig Capitel
herangekommen zu sein, so sehr die verständigen Grund-
sätze des Uebersetzers, seine (xeschicklichkeit und seine
richtige Würdigung des Werkes zu loben sind.^)
Das Jahr 1630 brachte einen auf französischer Vor-
lage fuszeiuleii Roman Honiiy soit qui mal y pense, Hi-
storie Von Aurelio und Isabeila') und des schon genannten
Freiherm von Knffistein Garcell de amor*).
*) Im Beslts der Stadtbibliothek sn Bredan. Der yoHstllndige
Titel lautet: Ynzeitiger Fonrits/ \ Eine Newe Ynd | schOne Historie. |
Dorinnen etlicher Mftimer vnsei- | Uger Eyfer / vnd der W^ber
schwaGUieit / i auch beyder anisgang abgemahlet | wird / Ntttadich vnd
lustig I an lesen | Jetao ans Spanischer Sprach | in die Deutsche
biaefat. t Gedruckt im Jahr / 1617. | 55 Blätter ffi ohne Seitensahlen.
Die Ausstattung, auch der Hoheschnitt auf dem zweiten Blatte, wo
der Text beginnt, ist ganz wie die der sogenannten Volksbflcher.
^ Diese Uebersetzung erschien l)C5then 1621 12.2) Franokfnrt
in Verlegung Thomae Matthiae GOtzen 1648. 12. Auf dem dritten
Blatt findet sich ein besonderer Titel mit der Angabe Holf Geiszmar.
Gedruckt bey Salomon Schadewits. 1648. (Das mir Torllegende Exem*
phur findet sich in Wolffenbflttel) Die EnUilung bricht da ab, wo
Sancho um seinen Esel klagt und von D. Q. getrOstet wird. Diese
Ausgabe ist sehr schOn ausgestattet, mit Bildern yersehen und zierlich
gedruckt. 8) Franckfort 1669. 12. Auch diese Ausgabe hat nach
Ebert 8944 nur 22 CapiteL Die Ton 1682. Basel n. Franckfl II. ist
nach Gräsze tr. gar nicht die Pahschsche Uebeisetzung, und wenn
Eberts Angabe richtig ist, so kann kaum daran gezweifelt werden, dasz
Palisch sein ISbliches UnCemelimen ttberhaupt nicht zu Ende gefährt hat
*) Nfimberg ffi. Unter der Vorrede Christian Pharemund. Das
Original ist Ton Juan de Flores und 1521 abgefiuzt G. de Pereel
Ahrt II, 29 eine ital. Uebersetzung ,con la traduttione Francese*" in
16^. Paris 1558 und eine franzSsische Ausgatte in 16^ Lyon 1555 auf.
Vergl. Tidmor II, 225 tl KotoL anter. a. a. 0.
*) Das Original ist von Diego de San Pedro, erschien 1492 und
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— 30 —
Von weit gröszerer Bedeutuug iiii* die £nut«liim^
des heroisch-galaiiteii Kimstromans in Deatsdüaad als
säramtliche andere während der ersten Jahrzehnte des
XVII. JahrhuüdertÄ angefertigten l^e])er!<etzungen aus
fremden Sprachen war Opitzens Uebersetzung der Aigenis
von John Barcley, bei der wir etwas länger zn verweilen
haben. Der Inlialt ist folgender:
Zui' Zeit vor der Herrschaft der liümer landete ein
fremder Jüngling in Sicilien. Als er sich, von der See-
fahrt erschüi)ft, soeben am Strande zur Ruhe niedergelegt
hatte, eilte Tinioclea, eine \urnehme Dame, in höchster
Bestürzung herbei, nm ihn für den von Käubem ange£EÜle-
nen Poliarchns zu Hülfe zn rufen. Beide begaben sich in
den in der Nähe befindlichen Wald kamen aber nnr zurecht,
um zu sehen, wie L'oliarchns die Räuber gloiTeich besiegt«,
worauf Timoclea die beiden Herren auf ihr unweit gele-
genes Landgut einladete. Hier ward der Fremde nach
seinem Xameu gefragt und sagte, er wolle sich einstweilen
Archombrotus nennen, und sei ein Aiiicaner. Poliarchos
erzählte ihm, dasz in Sicilien Bürgerkrieg herrsche, da
Lycogenes gegen den König Melcaiider eine HniiM'.iung
angestiftet habe. Dieser hal)e zwar gesiegt, wolle aber
Frieden schlieszen. Er, Poliarchns, sei auch ein Fremder
und dem Könige von Sicilien nur zugezogen. Aus den
weiteren Gesprächen ahnte Archombrotus, dasz Poliaixhus
des Königs Tochter Argenis liebe, und erhielt von ihm
noch einige Nachrichten über Zustände und Persönlichkei-
ten des Landes, in welchem er sich einige Zeit autlialteu
erfreute sich bald einer croszen "neUebtheit. Es lieiriiiiit mit einer
aHejJ^orischen ErzähliniL:, an die sich ein Stück heroisch-t^alanter Ko-
man anschlieszt. Kurtsttineis Verdeutschung Lpzg. 1630. ö*' und
Hambttig 1675. if, Tickuor II, 217.
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— 31 —
wullte, bis sie von Timoclea mit der Nachricht erschi kt
worden, ds&z die Signalfeuer, welche aar wegen bedeuten*
ier und geftJirUclia* Angekagenheiten angezftndet zu wer-
den pflegten, bräunten. Es wurde jemand ansgesandt,
um (It'shall» Erkuii(lij<iuigeu einzuziehen, welche dahin aus-
tieieu, dasz Poliarchus ak> Majestäteverbrecher gesacht
werde. Timoclea entschlosz sich, ihn zn retten, und yei^
barg ihn in eine Höhle, w&hrend Gtelanor, der Diener des
Poliarchus. weggeschickt ward, um die Nachricht zu ver-
breiten. da.sz sein Herr ertrunken sei. Er erluhr. dasz
die fiäuber, welche Poliarchas geUidtet hatte, Gesandte
des Lycogtties an den König gewesen, Poliarchus somit
das Völkerrecht verletzt habe, nnd erzählte dem Timoni-
des, einem (iroszen des Köni^rs. dasz Pfdiarchns todt sei.
(Inm Arsidas. einem anderen Herru vom Hole, dagegen mit
Antoig des Poliarchus den wahren Sachverhalt. Beim
Könige nnd seiner Umgebung erregte die Nachricht vom
Tode des Poliarclius grosze Bestiirzung, da er bei Mt>-
leander und dessen wahren i?'reandea sehr i>eliebt und
jetzt nur der geDährlichen Uegenpartei zum Opfer gebracht
worden war. Argenis wurde, als sie die Trauerbotschaft
vernahm, von ihrer Pflegerin Selenisse nur mit Mühe vom
Selbstmorde zurikkgehalten. Ai-sidas, der treue Freund
des Poliarchus, besuchte diesen in seinem Versteck bei
Timoclea und rieth ihm dringend, sich .ans Sicilien zu
entfernen, wozu Timoclea falsche Bärte nnd Verkleidungen
herbeischaffte, während Arclidnibrotus und Ai-sidas ein
Grespräch über bedeutende Mäuuer, und wie diese von
Fflrsten geschätzt zu werden pflegten, AUirten. Ein Haufe
bewaffneter Bauern drang in das Haus der Timoclea, ver-
haftete den Archombrotus anstatt Poliarclius und führte
ihn zu Meieander, der den Fremden wolüwoileud auliiahuu
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— 82 —
Arsidas brachte der Prinzessin Argenis die Nachricht, dasz
Poliarchns noch lebe. Noch einmal ward ein falscher Po-
liarchus, der blödsinnip^e Heracleon, welcher sich selbst ftr
den Verfolgten hielt, vor den König gebracht, an die
Aofklämng des komischen ZwischenfiaUs kn&pfen sich
sprftche Ober die Narrheit. Lycogenes, der sich schon frü-
her hatte anmelden lassen, kam zum Könige, nm Unterhand-
lungen zu beginnen, und es fand ein Gastmahl statt, hä.
welchem Gespräche Aber die yerschiedaien Begienings-
fonnen geführt wurden. Der weise Priester Dunalhius ver-
theidigte die erbliche Monarchie. Lycogenes zog ans ebeui»o
verwerflichen wie persönlichen Gründen die Wahlmonaiv
tihie Yor. Nachdem Argenis durch Arsidas an Poliarchus
einen Brief gesendet, verliesz dieser seinen Vei-steck. be-
schlosz aber, durch Verkleidung völlig unkenntlich gemacht,
Argenis, ehe er ans Sicilien scheiden wflrde, noch einmal
wiederzusehen. Dies brachte er im Tempel der Pallas,
deren Priesterin Argenis war, zur Ausfühi ung. Als ihr
Vater und Lycogenes in den Tempel eintraten, stellte sich
die schon an& Höchste Erregte wahnsinnig, um das Opfer
zur Weilie des unkhijien und verder])liehen Friedensver-
trages nicht bringen zu müssen. Diesen selbst vermochte
sie jedoch nicht zu hintertreiben. Der König faszte den
Entschlusz (Anfanp^ des IL Buchs) nach dem festen Epeir-
cte zu gehen, um erforderlichen Falls von dort aus den
Krieg gegen Lycogenes, dessen Ausbruch man erwarten
muszte, zu ftthren, oder anszer Landes zu fliehen. Er
hielt mit Arc^enis, die in alle Gelicimnisse ein^^e weiht war.
und mit seinen Getreuen Cleobulus und Archombrotus ge-
heimen Bath, es ward beschlossen, den Poliarchus und
zugleich den seiner Unterstützung des Flüchtigen wegen
verdächtigen Arsidas, die sich beide in Italien belaudeu,
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— 38 —
znrQclmnifeB. ArehonibrotM Terfiel^ von dem Interesse
an dein zwischen Poliarchus und Argenis vennuthlich
obwaltenden Verbältniaae ansg^MBd, seibat in liebe u der
Prinzesam, eine Wendnng, weldie dazn beatunnit 'vrar, die
grüszten Verwickelungen herbeizuführen. Inzwischen sti*eilte
Lycogenes in den Städten des Landes die Saat der Unen-
friedenheit and Smpt^nmg aas, an dtti poftitiscshen Wirren
kam noch die rellgiOae 8iMdtnng zwischen den Anhängern
der alten Grötterverehning und der Söcte der Hyperepha-
nier (in denen die Hnga^tlen gesdiüdert und bekämpft
werden), Aber wekhe der gelehrte Priester Ibbnranes den
Aichonibmtus in aiistiihrlicheni (4esj)räch helelnie. Eri-
jitenes. von der Partei des Lycogenes, machte den Plan,
den König and die Prinzessin aulenheben, das an Potiar-
chns Tom Könige als AnssOhirangsgeschenk zn sradende
Armband liesz Lycogenes duich Eristenes, der es im Aul-
trage des Königs gekautt batte, vergiften und sehrieb ei-
nen Brief an Poliarchus, worin er ihm den König ails
seinen Feind und einen ( iiftmischer darstellte. .Meieander
berief, um die AnHilirer dei* llebellen in seine (iewalt zu
bekommen, den Ljcogenes und seine zwei Genossen Oloo-
demus und ißristenes au eich, letztere beide wurden ver-
hattet, Lycogenes erschien nicht. Timonides, der Abge-
sandte des Königs an Poliarchos, hörte unterwegs von
einem Schiffbrttehigen, dasz andi Poliarchus Schiffbruch
gelitten habe, er muszte sich also damit begni\gen, Arsi-
daä aufzusuchen und mit ihm nach Epeircte zuriickzukehren,
wo sie den Gelanor mit der edreaüchen Naohricht .antra-
fen, dasz sein Herr noch am Leben sei. Poliarchus war
nämlich, als seine Schifte zu (Jrumle gegangen, von See-
räubern aufgenommen w<»deu, hatte diese besiegt und
sich ihres SchifliBB bemächtigt. Da die Seeräuber den Schatz
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— 34 —
der Königin von Mauretanien, den sie vor Kurzem ge-
raubt, mit sieh ftthrten, so besciilost. er, ihn nach Afiiea
znrttckziihrinjren. Bei einem Menschen, der in dem Kampfe
mit den 8eeräubeni umgekommen \vai\ fand er den Brietz
den Lycogenes an ihn geschrieben hatte. Nachdem er
glflcklich in der Hanfitstadt Lixa, deren Umgebung aus*
fiilirlich und anziehend beschrieben wird, angelangt war,
übergab er Königin Hyanisbe den Schatz, worunter sich
ein Kftstchra befand, Aber dessen Verlast jene inszenst
betrübt gewesen war. Er sandte jet«t den rechtmäszigen
Herren des den Seeräubeni eutrisseuea Schiffes mit Cjela-
nor und dem Briefe des Lycogenes zu Meieander nach
Sicilien. während er, in AMca snrückbleibend, infolge der
erhaltenen Wunden erkrankte. Die Königin, deren mit
Polia rebus ohngetiähr gleichalteriger Sohn Hiempsal iu-
cognito im Auslände lebte, pflegte ihn und bot ihm die
reichsten Geschenke, dif? er jedoch ablehnte. G^lanor be-
gab sich, als er in Sicilien ankam, zunäclist zu dem A poUo-
priester Antenorius, bei dem er Männer fand, die ihm
von Argenis erzählten. In einem Gespräche des gelehrten
Nicopompus mit Antenorius giebt der Verfasser in der
Person des ersteren eine den Mann von feiner Büduug,
Geist und Weltkenntnisz zeigende £r5rterang über den
Zweck und die Einrichtung seines Buches. Nicht lange,
nachdem Gelanor dem Könige den Brief des Lycogenes
und der Argenis Nachricht von Poliarchus gebracht hatte,
kam Timonides, wie bereits erwähnt wurde, mit Arddas
und dem Armbande zurück, das Gift ward gefunden, der
Verdacht fiel auf Eristenes und Oloodemus^ welche Uber-
führt wurden und den Giftbecher trinken moszten. Ein
Anschlag, den Lycogenes anftnheben, miszlang. auf beidcai
Seiteu rüstete man sich zum neuen Bürgerkriege. Ein
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AfJsyrer, welcher die zweilellialte Lage zur Geltendmachung
äeiuer Steradeuterkunst benutzen wollte, wurde von Nio-
pompus in Gegenwart des Königs gesclückt widerlegt,
aber doch, damit er nicht Schaden durch Unglflcksprophe-
zeinngen anrichte, vom Könige beschenkt. AVährend der
Krieg begann, litt Argenis an Sehnsucht, Archonibrutus
an Eifersucht; Gelanor wurde mit einem wenig freund-
lichen Bescheide an Poliarchus von dem immer
schwankenden Meieander entlassen. Die Einnahme von
Enna machte die Aussichten des Lycop'ues um vie-
les besser, da sie die Zahl seiner Anhänger und die
Zuversicht seiner Umgebung sehr vergrOszerte. Da
kam plötzlich der sardinische König Radirobanes mit sei-
ner Flotte dem ^leleander zu Hülle, während die Kr»nige
sich auf das Feierlichste begrüszten, dann die sardinischen
und balearischen Truppen ausgeschüft wurden, verdoppelte
sich die Eifersucht des Archombrotus. Als Meieander
denen, die sich ihm ergeben würden, vor dem Kampfe,
de,ssen Ausgang für ihn sicher war. Amnestie anbot, lief
der gröszte Theil des Hebellenheeres zu ihm über. Die bei-
den Könige unteihielten sich grade über Cyclopen und andere
Merkwürdigkeiten des Landes, als ein Ausbruch des Aetna,
durch welchen feindliche Heerhaufen beschädigt worden
waren, gemeldet wuide.
Lycog^es (Anfang des IIL Buches) machte in der
Nacht einen verzweifelten Ueberfall auf das Lager, wel-
cher aber gänzlich miszlang. Lycogenes selbst ward von
Archombrotus getödtet, die Flucht seiner Anliänger ward
allgemein. Argenis, welche in groszer Unruhe dem Tref-
fen zugesehen hatte, kam in das Lager, gl&nzende Sieges-
festlichkeiten fanden statt, die Empfindungen der Bethei-
liirten w aren sehr versclüedeue. Argenis kam auf deu.G^-
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— 36 —
danken. Archombrotus zu Poliarchus zu schicken, ihre
Annäherung erregte in ihm vergebliche Hoffhungen, iä
Badirobanes Eifermtcht. Nachdem Meleander mit Cleo-
bnliis ein langes Öesprfteh darftber gehabt, irie den bür-
jrerlichen l'nruhen in Zukunft V()raubeug:en sei. braclite
Kadirobanes seine Werbung um Argenis au. Er erhielt
Ton Meieander und Argenis ausweichende Antworten und
Terfid darauf, Seienisse zu bestechen. Diese erzählte ihm
die Vorgeschichte der Prinzessin und ihres Verhältnisses
zu Poliarchus. Einst war eine gallische Prinzessin, die
sich Theocrine nannte und aus ihrem Yaterlaade geflohen
war, zu Seienisse gekommen und hatte sie um Unterkunft
gebeten. Sie wurde unter die Jungfrauen der Argenis,
welche damals in einem testen Schlosse vor den verbi-e-
cheriscben Plänen des Lycogenes bewacht wurde, aufge-
nommen. Lycogenes machte bald nachher einen besonders
schlauen und kflhnen Anschlag, die Prinzessin sammt ihrem
Vater in seine (lewalt zu l)ekommen. Bei dem rebertalle
that Theociine Wunder der Stärke und Tapfeikeit. Bis
hierher erzählte Selimsse diesmal, Argenis, welche das Ge-
spräch unterbrach, merkte wohl, dasz sie verrathen werde.
Zugleich aber hatte sie die Nachricht erhalten, dasz Po-
liarchus da sei. Dieser nändich hatte sich durch ein küh-
nes Mittel vom f'ieber geheilt, war in Sicilien angekommen
und hatte, nachdem er Gelanor auf Kundschaft geschickt,
im Hause des Nicopompns ein As\ 1 geftmden. Hier hörte
er aus dem Versteck veiscliiedcne Reden der geleluten
und weisen Gäst^ .seines i?'reundes mit an. Den nächsten
Tag kam er heimlich mit Argenis zusammen, und die Lie-
benden schütteten vor einander ihre besorgten Herzen aus.
Sie muszten sich al)ei- bald wiedei' trennen, und Pnliart lius
bBsgab.Mohsi da er Ajgenis nicht heimlich eutlühieu wollte,
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- 37 -
wieder m wpa. von seiner Heimatli aus als König
um sie sa werben. Sdepisse er^sAhlte dem Badiirobaoes
weiter, d«8z Tbeecrine sich jf^ach Uiren ^eldenthnten der
Argenis nnd ihr als Mann entdeckt habe und verschwunden
sei. um bald darauf als Poliarclms wieder aufzutreten,
von der Identität dieser beiden Personen wuszten nur
Axgenis und Selenisse, den wahren Namen nnd Stand de»
Poliarehns aber kannte die Prinzessin allein. Die ver-
scliwundene Theoorine wurde Vdii tleiii Köiii^a^ und seiner
Umgebung für die Pallas gehalten. Argenis wurde von
dem Könige zur Priesterin dieser Göttin geweiht Die
ürheberschalt des Lycogenes an dem Ueberfalle kam ans
Licht, aber der König hatte es dennoch unterlassen, ihn
zu bestrafen oder unschädlicli zu machen. Der als Ritter
angetretene Poliarehns liatte die Gunst des Königs schnell
erworben und sich mit der Prinzessin heimlich verlobt.
Nachdem Radirobanes dies alles erfahren hatte, machte er
der Argenis einen m^uen Antrag, ward aber nun entschie-
den abgewiesen, Meieander redete seiner Tochter zwar
zn der Heirath mit Radirobanes za, konnte aber nichts
ansrichten nnd beschlosz, sie nicht zn zwingen. Radiro-
banes. (Ut sicli keineswegs mit der gegen wäitijien Lage
zuU'iedeu geben wollte, machte zusannnen mit der nun
völlig zur Verräthenn gewordenen Seienisse einen Plan,
Argenis bei Gelegenheit eines Festes nnd Feuerwerks auf
«einen Schitfeu zu entfuhren. Der Kr»ni<i: liatte mit I bburanes
lange IJerathuugen ül)er die \'erbessei ung des Justiz weseiis.
Währenddessen wnrde das Fest und die Verrätherei vor-
bereitet, aber Archombrotus entdeckte dieselbe, nnd alles
ward glftcklidi vereitelt,
Radirobanes (Anfang des ]\'. Buches), in furchtbarer
Wuth hierüber, entdecl^te aus Rache dem Könige das yo;i
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— 38 —
Selenisse erfahrene Geheimnisz. Als diese Teniahm, was
sie angerichtet hatte, entleibte sie sich selbst, Radirobanes
seofelte zoniiji: ab. J)vv Kinii'? Meieander berietli sich aii-
jresiclits der droheiidt n T.a<re mit Eurymedes und Duualbius
über die Vor- und Nachtheile stehender Heere und ent-
schied sich dahin, ein mftszi^es stehendes Heer einzurichten.
Um den inunerwäliivndfn rnrulieu und (let'aliren die Hanpt-
ursache zu entziehen, la;szte er den JBeschlusz, seiner Toiliter
den Ardiombrotns zum Gemahle zu geben. Argenis bat,
als ihr dies mitgetheilt wurde, um zwei Monate Bedenk-
zeit und pferieth in die <rri)s!zt€ Verzweiflung». Sie schrieb
einen Brief an Polian lius, sie werde sieli, falls er sie nicht
rette, am Ta^re ihrer Hodizeit mit Archombrotu^» t<>dten.
dann solle er den ihr von Badirobanes angethanen Schimpf
rächen. Diesen Brief erhielt Arsidas zur Bestellung und
erfuhr zn«rleich. dasz Poliaichus in (Jallien zu suchen sei,
wo sich sein Reich von dem Znsannnentiusse des llliodanus
und Arar bis zur See erstrecke. Auf der Reise dahin
kam er zu dem Fortunatempel in Antiuro, wo er auf
Geheisz der Prinzessin opferte. Mit den Priesteni führte
er interessante (bespräche über den tieferen Siim des For-
tunadienstes, setzte seine Reise fort, wurde aber unterwegs
Ton fremden Kriegsschiffen als verdächtig aufgehoben, je-
doch pnit behandelt. Der Capitftn des Schiffes, Gk)brias,
saprte ihm. er sei ans SUdfrankreich und schlosz hieran
eine für Arsidas. wie auch für den Verlauf des ganzen
Romanes sehr wichtige Erzählung. In jenem Lande näm-
lich herrschte ein kränklicher und unfähiger König. Die
Köniprin. Timan<lra mit Namen, hatte ihren Snhn Astiorist
aus Furcht vor dem nach dem Throne strebenden C'ommin-
dorix heimlich erziehen lassen und an seine Stelle ein
Mädchen untergeschoben. Der Knabe wurde von den
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— 39 —
Allobrogern geraubt, aber glücklicher Weise nach eiüer
Beihe ym Jahren in einem Kriege znfiülig wiedergewonnen,
nnd es war ihm während sdner unfreiwilligen Entfernung
aus dem Vaterlande nicht eben zu schlecht ergangen, na-
mentlich hatte er von dem König Aneroest, in deissen Be-
sitz er lange Zeit gewesen, eine ausgezeichnete Erziehung
erhalten. Als Gommindorix immer deutlicher mit dem
Plane hervortrat, den König gradezu abzusetzen, wurde
Astiorist von seinen Eltern Ofientlich als 8ohn anerkannt
und tadtete jenen, der ihm bei der feierlichen Anerken-
niuij^scerenionie gewaltthätig entgegentrat. Der Prinz,
mit den glänzendsten Eigenschaften des (Geistes wie des
Körpers ausgestattet, begab sich einige Zeit auf Belsen,
als sein Vater aber gestorben nnd das Land unruliig ge-
worden war, kam er zurück. .Jetzt war er auf einem
Kriegszttge begritfen. Das Gespräch des Arsidas und Go-
brias endigt mit der Feststellung der von Arsidas ebenso-
gut, wie von dem geneigten Leser schon geahnten 'i'hat-
sache. dasz Poliarchus nicht blos mit Theocrine sondern
auch mit Astiorist eine und dieselbe Person war. Arsidas,
welcher wohl errathen konnte, dasz der Kriegszug Sieilien
zum Ziele hatte — wie er auch später positiv erfuhr —
hatte jetzt keinen Grund mehr, die Flotte, bei der er sich
b^lhnd, zu yerlassen, sie wurde aber, ehe sie sich mit dem
andern Theile der Seemacht des Poliarchus, wobei sich
dieser selbst befand, vereinigen konnte, an die Küste von
AMca in der N&he von Numidien verschlagen. Poliarchus
gelangte, ebenso vom Ungewitter verschlagen, auch nach
Africa, aber au die Küste von Mauretanien. Die Königin
Hyanisbe war gerade in groszer Besorgnisz, weil ihr Kadi-
robanes von Sardinien plötzlich nnd ungerecht Krieg ange-
sagt hatte und ihr SohuHiempsal immer noch unter dem
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Nanen ArdKMobrotus — was wir auch sohoii lange hattm
atanen kfinnen — alnresend war« Sie erluelt emao Brief, ift
welchem er ihr seine bevorstehende Yerelielichung nüt Ar»
geuiä anzeigte, antwortete ihm aber sofort, da^z er die Verbin-
dmng mit der Pruusesam aii£Mbiebeii und zum Sohnlae aeiiifla
Vaterlandes nach Hanse kommen solHe. Die Nethwendig«-
keit, zum Zwecke der Rüstungen gegen Radiruhanes Steuern
zu erheben, veranlaszten ein aosföhrlicbes Gresprack des Poli-
archos mit der KOnigui ftber dae Geldbewillignigsrecht
des Volkes, welches in Mauretanien bestand. Während
ein 1^'est gefeiert wurde, gelaüg es dem Radirobane^», iu
Mauretanien zu landen, den andern Tag fand eine unent-
schiedene Schlacht statt, nach der Radirobanes in der all-
gemeinen Verwirrung unter die Feinde, ja sogar in die
Stadt Lixa gerieth, aus der er sich uui' mit äuszerster
MQhe und Gefieihr zu retten vermochte. Den nftchsten
Tag wollte Hyanisbe dem Satnmus einen Knaben nach
der Sitte der Maure tanier für den Sieg optern lasseu,
aber Poliarehns verhinderte es und bekam den alten Sitalces,
welcher sich auf der fSsindlichen Seite nach Art des
Kodrus dem Tode zu weihen beabsichtigte, durch Verrath
eines Dieners lebend in seine Gewalt Er liesz dies dem
Könige sagen, welcher ihn durch einen Schm&hbrief voll
der boshaftesten Anspielungen auf sein Verliältnisz zur
Argeuis in grosze AVuth versetzt Jiatte. iJeu Tag darauf
wurde die Schlacht erneuert, man kftmpfte auf beiden
Seiten mit der fttrehterlichsten Erbitterung, Poliarchua
jedocli Uidtete den Radii obanes mit eigner Hand, und so
wurden die Sardinier völlig geschlafen. Poliarckus er-
krankte lebensgefährlich an seinen Wunden, znm Glück
zogen die Sardinier eiligst ab. Ai-sidas und Gobrias
trennten sich in Kumidieu, . ersteier wollte deu ir^oliarcku;»
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kl Aftiea sueheii, letstmr mit dm Tbeil der Flotte» den
er bei sich hatte, nach Sicilien segeln, um den KM^
dort zu erwartea. Archombrotus eröltuete dem Könige
Jdeleeiider, wer er wäre, und erhielt von ilim eine Flotte
«nd eil Heer, mn fleiser Mvtter sn Hfilfe sa kommen.
^leleandei- gab ihm den Tiiuonides als Gesandten mit. um
über alles genaue und geheime JKachricliten haben zu
können. Wähvend nnn Anshombrotna, von Liebe und Misz^
tiauen gequält, nach Africa segelte, kam Gobrias nach
Sicilien und zu Argeiiis, welchei' seine Nachrichten einige
HoHämng boten. Sie bewirkte auch, daaz Qobriae, der
den K4nige ttb^ seine Absicht nicht die volle Wahrheit
SÄ<ren konnte, von diesem aiilgefordert w urde, zum Schutze
bicilien« dnige Zeit mit seiner Flotte an der Küste zu
bleiben. Arsidas landete inzwischen an verschiedenen
Orten der africaiiischen Küste, endlich hörte er von des
Poliai'chus Ankuult, Sieg und Krankheit. Leider verdarb
er sieh an Eis, welches ikm ein gastfreundlicher Herr
Torgeaetzt, den jVlagen, and wahrend seiner Krankheit
stahl einer seiner Leute die Tasche, worin er den Brief
4er Argenis und verschiedene Kostbarkeiten hatte» floh
zu Poliarchns, erzählte, Arsidas sei anter die B&iü)er ge-
fallen und lies« sich, den Brief als Erkennung.szeichen be-
nutzend, ein hohes Lösegeld auszahlen. Kaum hatte er
das Weite gesackt, so kam Arsidas an, und das Buben-
sifick ward aufgeklärt Haid erschien nun auch Archom-
brotus-Hieni]jsal, un«l der stumme Hasz, mit dem er und
Poliarchuft sich begegneten, brachte alle Betheiligten, be-
sonders aber Hyanisbe in die gröszte Unruhe. Als diese
von Timonides den Gmnd der Feindschaft zwisclien ihron
fc>ohne und ihrem Üetter eriahrcn, og sie beide, Frieden
m halten, bis sie den König Meieander würden . wiederge-
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sehen haben. Archomlnrottts benutzte die ihm dorch des
PoHarchns Krankheit anferlegte Yensogerung ihm* beab-
sichtigten gemeinschaftlichen Heise nacli Siciiieu zu einem
glücklichen Eeldzuge nach Sardinien* £r hatte interes-
sante ünterredongen mit den bedlMiiszlosen Priestern des
Jupitertenipels daselbst und nahm das eroberte Land für
seine Mutler in Besitz. Einer der von ihm mit nach
Africa gebrachten Priester wurde als der König Aneroest
erkannt, welchem Poliarchns so viel verdankte. Derselbe
begründete in Janger Rede, warum er sich aus der A\'elt
zurückgezogen habe. Poliarchus und Archombrotus fuhren
nun, nachdem ersterer seine TöUige G^undheit wiederer-
langt hatte, mit ihren Flotten und als Könige auftretend
nach Öicilien, Archombrotus hatte jenes einst von seiner
Jdutter so schmerzlich vermiezte und von Poliarchns ge-
rettete Kftstchen bei sich. Als er dies nebst einem Briefe
von Hyanisbe nach deren Befehl dem Meieander übergeben
hatte, kam an den Tag, dasz Archombrotus des Meieander
Sohn von der Schwester der Hyanisbe war. Hierauf ward
Poliarchus mit Argenis verheirathet, Archombrotus mit
der Schwester des Poliarchus verlobt, und aUes löste sich
zu vollkommener BeMedigung.
Da der erste Theil der Opitzischen Argenis-Ueber-
setzung, wie die vorstehende Inhaltsangabe zeigt, ein durch-
aus abgeschlossenes und wohlabgerundetes Ganze, der
zweite ein besonderes Werk bildet, das an Bedeutung de»
«rsten durchaus nicht gleich und von einem anderen Ver-
fasser ist, dürfen wir über letzteren hinweggehen. *)
*) Zu dem Original, weichet In latebüflcher Sprache hn Tode^jabn
lies VerfaflMts 1021 enohten« wurden xwei von einander veraoUe-
dene Fortsetzungen geliefert, die eine von Mouchemberg In franiQ-
sisclier Sprache (vergl. die Dedication des III. Theilea der lateinischen
Aufgabe Francoftirtl apnd fratree Anlnlos et Clementeai Schleieh
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Es bedarf dai'ül)ri- keiner lanj^en Aoseinander-
setzQug, dasz Barclays Argenis nicht allein ein gutes Buch
flberhanpt» sondern auch eincf gute Erzfthlung, und, tras we-
nigstens das Schwierigste, wenn nicht das Wichtigste
ist, ein auch in seinen belehrenden Theileu ansprechender
und geschmackToUer Roman genannt zu werden verdient.
Sie verdiente, noch jetzt ebenso wie früherund wie Fenelons
Telemach der Jugend zur Lectüie in die liand gegeben zu
162H— 27 III. 8.). Diese stellt sich als zweiu-r uivl dritter Theil der
Arj^enis ilar. Diesen zweiten und dritten Theil (der zweite ist d» r
Ht-nrit tte von Bourhon, K<>iiiLriii V(»n Eui^land, ir»*widmet) üherselzte
.Ti'jianiit'S Tjidnvicus (-lotlKtlridiis zu ( )rt»'iil>arli ins Lateinische und
wiilniete das Wi rk seinen Verleihern, den Aubri un«l Sehleieh zu Fninli-
fnrt. Dif l elMTsetzuni,' des zweiten Th«'iles des Moueheniheri; liisj;te
*)pitz, dl r aucli d» n er^tfu Tlieil nach fiin-r französischen l » liersetzunij
verdeursciit»-, diesem ersten Theile bei, und dies ist der zweite Theil
der beiden Ausi,Mben der Opitzisclieii Ar^-eiiis 1) Hresbui. David Müller
I löJO.'H. II 1631. 8* 2) Amsterdam Johann Janszon ltil4. 12". Die
andere Fortsetzuui; Ii it der bekannte Mauriner Hui;n<>t lateinisch ver-
faszt, dersejbr. wehller die .\ iiiiu rkun^-en zu dem ersten Theile in d»T
»chlinen Au^u^ibe I.uirdiini f?atav(innn I Uj64. 8 11 IHOtK H*' ircsclirieben
hat, wie aus der Dedicatioii seines Werkes uu Ludwii^ XIV. und
»einer Vorrede an den Leser (Bd. II d«-r i,a*nannten Au.sjj;.) hervor-
geht. Ob dieses Hui;n(»ts«-hc Buch, welches sich auch als II. und III.
Theil d»'r Artreuis bezeichnet (Archombrotus et Tbenjuniipus sive Ar-
genidis secunda et terthi pars, nbl de institutiuiie prlm ipis), und der
dritte Theil Mouchember^s ins Deutsidie übersetzt ist, weisz ich ni«dit,
da ich die Au.stjabe von Talander 1701. 12 und die mit ErkliiniiiLjen
Aui^sburi,'- 1770. 8" nicht kenne. Die Verdeutschunj; „von dem Ver-
faj<8er der irrauen Maupe** (.1. C. L. Haken) Berlin 1794 enthält nur
»Uri ursprüntf liehe Barclay.'«ehe Werk. Es «j^iebt von der Arypenis drei
Uebersetzunj^en in das Frauzrisische und einen l'ranzösiac hen Auszu;.,^
eine italienische Uebersetzung von Fr. Bona, eine spanische, eine Dra-
matislrnnp durch Calderon (obg-leich Hadirobanes Bhilipp II. vorstellen
ioll), drei englische Uehersetzungen und einen Auszug zum I nterrlcht
dnes Prinzen in lateinischer Sprache. (Vergl. Niceron; Nachrichten
tte. herausg. von S. J. Baumgarten, XIII, 175 ff. und v. Schaek
Geich, der dram. Lit. i. Sp. III, 204.)
- H -
werden. Freilich musz dem Kenner der deutschen Pros&dich-
trag des XVJUu Jabrhimderts kierbei die Bttnerkiuig lach-*
tenbergs eintaUen : „Der einzige Fekler, den die recht guten
Schriften haben, ist der, dasz sie gewohnlicli die Ui-sache
von sehr vielen schlechten (»der mittel mäszigen sind.**
wenn aach nicht za vergessen ist, dasz die heroisch-galanten
Romane der französischen Classiker dieser Gattong, welche
wir im vorigen Capitel betrachteten, stark aber verderb-
lich — auch ehe sit; übersetzt wurden — auf deu Ge-
schmack unserer Landsleute eingewirkt hatten, als der he-
roisch-galante Roman bei uns zur Blüthe gelangte. Wir
werden noch viel Gelegenheit finden, zu beobachten, wie
wenig vortlieilhai't sich eben die charakteristischen Kigen-
thümlichkeiten. welche wir in der Argenis finden, in dem
späteren deutschen Romane entwickelten. Zwei Dinge
sind es aber, die hauptsächlich in die Augen springen, die
Behandlung der in Verkleidung auftretenden wirklichen
Personen und die der lehrhaften Elemente. Bei Harchiy
sieht man deutlich, wie er die politisch bedeutenden Per-
sonen und Verhältnisse seiner Zeit scharf und geistvoll
anfgefaszt und in freier Gestaltung das. was ihm wichtig
und iiiteiessaut erschien, in sein Werk aufgenonuueu hat.
Die späteren französischen und deutschen Rouianschreiber
hatten aber weder sein politisches Urtheil. welches Uof-
klatsch und Liebesgeschichten der grossen Herren von
pi»litisclieii Krei<inissen zu untersclieideii w uszte, ]H»ch über-
haupt die J^'ähigkeit, das Hedeutende und bleibend Inter-
essante von dem nur Zufölligen und höchstens allenfalls
die Gegenwart Beschäftigenden zu trennen. Aehnlich ist
das Verhältiiisz in den belebi enden Abschnitten. Hau Liy
schaltet eine ganze Menge von Gesprächen über die ob-
jectivsten Dinge ein, aber er behandelt nur solche Fragen»
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l^elcbe seine l^eitgenoBsen mit eiben dem ttecltt und ebenso
lebhaft interessirten , wie die Jl^tren »eines Romans, er
behandelt sie in der besten \\ ei.se i)o|)ulär und beschränkt
sich darin grOeztentheils auf das Gebiet der Staatsweisbeil.
Jene aber bringen, soweit üire gelehrte Bildung dies ge*
stattet, alles Mögliche ohne Auswahl und Ueberlegung,
ob es nach Inhalt, Ort, Zeit, Umständen passend sei, mit
Vorliebe gelehrten Kram der langweiligsten nnd werth-
losesten Art. zu Markte. Daher kommt es auch, dasz M ir
z. B. bei Zesen und Loheustein überall an den kritiklosen,
den Stoff nicht geistig durchdringenden Charakter, die Vor-
nrtheile nnd ünvollkommenheit der damaligen Wissenschalt
erinnert weiden, während Barelays lelirbaftc Aust'iilirungen
entweder noch jetzt allgemeine Bedeutung beanspruchen
können, oder doch als geschmackvoUer nnd klarer Ansdmck
der zu seiner Zeit maszorebenden Ansichten und Zustände
unsere Aufmerksamkeit eiregen.
Beim Erscheinen der Opitzischen Argenis kam alles
zusammen, was dem Buche einen guten IBrfblg sichern
konnte, der Ruhm, den das Original bereits hatte, der
gute ^'ame des l^ebersetzers, der wirkliche Werth des
Buches nnd seine Uebereinstimmnng mit dem Zeitgeschmack,
der die nöthige Gelehrsamkeit darin finden und auch
bei den Personen und Ereignissen rathen und erratheu
konnte, was gemeint sei. Dasz solche Erklärungsversuche
in pedantischer, den Geeist und Geschmack des Verfassers
verkeiiuender Weise geschahen, brauclit kaum gesagt zu
werden, ein Blick in die vorhandenen Sclilüäsel bestätigt
das von Dnnlop hierüber Gesagte vollkommen. Anch
andere Requisiten des heroisch-galanten Romans des XVII.
Jalii'hunderts Huden wir in der Argenis schon vertreten, wie
die konstvoUe Verschlingnng der Erzählung, Neigung zu
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Beschreibungen von Festlichkeiten u. aber alles mit
Masz und Geäclück vorgebracht, ^\enn luich nicht immer
80, dasz es unserem G^lunacke doreihaas entspräche. Dasz
gerade Opitz der Verdentscher dieses Werkes wnrde, darf
wenigstens insofern als kein bloszer Zufall bezt-iclinet
werden, als in der That eine autfallende Geistesverwandt»
Schaft zwischen dem Yerfiasaer and dem Uebersetzer herrscht
Barclays Stftrke als Schriftsteller liegt wie die des Opitz
in dem durch gelehrte und AVeltbildunjr verfeinerten Ge-
schmacke. in der Fülle der Erfahrung und klai'em Blicke
in menschliche yerhälUnsse, in der Correctheit des Den-
kens nnd des Aosdmckes, Schwang and poetische Schöpfer-
kraft. Tiefsiun und gewaltigt* Ideen gehen btMdfU ab.
Barclay steht allei-dings an Klaiheit und \\'eite des ganzen
geistigen Umbiickes weit aber Opitz , der klarste Beweis
seiner Bedentang als politischer Schriftsteller liegt in der
ThaUsache. dasz sich seine Ideale vom Staatsleben Zug
tür Zug in der Regierung und der Pei'sönlichkeit Ludwige
XIV. glänzend verwirklicht haben, and die überaas grosze
Bewanderang der Zeitgenossen hat sich in der allerdings ko-
misch übertreibenden Anekdote ausgedrückt, dasz Hichelien
ans der Argenis seine Staate Weisheit geschöpft habe. Alan
mag jetzt über den Al^erth, die innere Berechtigang
and die Daaerhafügkeit solcher politischen Formen denken
wie man will, jedenfalls macht es einen äuszei'st wohl-
thuenden i^Uudruck, wenn man sieht, wie gut der Mann
sich selbst verstanden, wie gnt er sich alles ftberlegt
hat, wie er die absolatistische Staatsform vorzieht, weü
sie ihm die nützlichste zu sein scheint, und nicht aus
Gründen, welche anszerhalb der Sache liegen und die
Sache von jeher nur haben verdächtig machen kOnnen.
Aber Opitz war, so weit Barchiy aach an Qesinnan^ Uber
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- 47 —
ihm gestanden haben mag. anter den in deutscher Sprache
literarisch thätigen Deutschen jener Zeit derjeiuge, welcher
eine geistige Arbeit, lyie die Bardays war, am besten zu
würdigen wnsEte, vnd ebenso mnsz man sagen, dass seine
ArjreDisverdeiitschung von allen unserer Literatur aus der
Fremde her angeeigneten Uuterhaltungsschhften diejenige ist^
durch welche die Deutschen am wenigsten auf fiüsche Wege
sind geleitet worden, die ihr gezollte Anerkennung kam ihr
mit Kecht zu, ilu* Einflusz auf die deutsche Prosadichtung
war ein ebenso wohlbegrftndeter wie bedeutender — wftre
er noch gritozer und nach manchen Seiten hin mehr aus-
schlieszend gewesen, es wären unserer Literatur manche
groszartige und monumentale Dummheiten erspart worden.
Wenn auch viel von dem Lobe, welches der Arg^is ge-
spendet wurde, in einer Zeit, wo man unschwer durch
gute Freunde ,.ein anderer Homer und Maro^ werden
konnte, 'nicht sehr hoch anzuschlagen sein mag, so hat
sie doch auch bei Männern von Bedeutung und selbst-
ständigem l'rtheil Beifiill gefunden. V) Der genaue Zu-
sammenhang, ihres Uterarischen Charakters mit dem des
beroisch-galanten Romans des XVII. Jahrhunderts wird
in der Folge noch weit mehr zu Tage treten, als bisher
angedeutet wurde. Ohne Bedenken aber kann man die
deutsche Argenis den Bemühungen Opitzens um die deutsche
Tragödie durch seine Antigene und Trojanerinnen an die
Seite stellen, und wenn wir uns seiner Verbesserung der
deutschen Arcadia erinnern und noch seine Schäferei
*) Flemings Margeiiis und des Andreas Gryphins Euebta sbid
swMT nkkt m Stande gekommen^ weiden aber Ton Qerrfnns (IIL 503.)
alt Reeht auf die Anregung der Argenis sarfickgefllirt^ wenn auch
GryphiiM sieh lonichst dnrefa RIcfateis Ariana angeregt lelgt Sehet*
teUoB lobt Opitaens Yerdentsehnng In der Ausf. A. S. ISOS u. welterhlm
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— 48 —
Ttm der Nymphe Herdnie ^) «rwälmeii — in der fieiM
das ei-zahlende Moment fost verseliwindet * — so wird
War, dasz sich unsere in ihrer Art classischen Roman-
Schreiber des XVII. Jahrhunderts ebensogut auf den Vor-
gang des Meisters bemlen konnten wie die Gryfhias ind
Lohenstein mit ihren Tragödien. Ja sogar die Theilung
des Kunstronians in die heroisch-pralante und die past(»rale
Art ^) liegt schon iä Opitzens Thätigkeit fftr nnsere Gat-
^) ciiet0t: (Mnidkt nun Btleg (bei AngasttaiM Grimfer), Ja
yerlegvng D«?id JCOUer Baohhftndlen in Brepslaw 16S0. 4.. Die
•Jahreszahl 1622 (Goedeke Gnindr. 443) konnte leicht durch Tenehea
ans der Unterschrift der Vorrede «61atz / an auszgange des 1999
Jalires* entstehen. "Wledeiigiidnickt wnrde die H. In der Saauaelr
ansgabe Ton 1644» dann in der FeligibelsGfaen Ton 1690. Bodner
und Breitinger legen den ältesten Text an Gnmde, bessern aber die
Orthographie anch sdion anf dem Titel, welcher in der mir vorliege&-
den Ausg. Ton 1680 lautet: Kartiu Opitsen Sefatlfor^ Von der
Ntanli« Henrinie.
*) Eine SteUe ans Bhidiens Teutschtr Rede-, Bhid- nnd Didit-
Eonst, Nfimberg 1679 (XI. Cap. S. 308 ff.) spricht die nahe Beziehong
des heroisch-galanten zum schftfierlichen Romane mehrüiMh an». Da
sie Ar uns noch m anderer Bedehnng Ton Interesse - ist und noch
einige Uate auf sie wird Besag an nehmen sein, mag sie hier ihm
Platz finden. «In die an4ere Gattung (yorher war Ton den Carmina
saecularia und den Panegyrlei die Rede) Roleber Gedichte, die die
Rede mit Gebinden mingen, gehören die neuen Ciesehkfat Gedichte,
welche ingemein Romaasi oder Romains genennt werden. Solefae sind
die Arcadia des Ritters Sidney, die Bbxymena des Ritters Biondi, die
Argenis BarclaQ, die Arlana, die Diana, welche aus dem Englischen,
Italischen, Latefniachon (liezieht sich auf Argenis \in<\ ut nngenaaX
FranzOsiftclien nnd Hinpanischen q-etewtsrhct worden. Die können wol
gleichen, die Teutsche Selbst Eiiindungen (eine sehr falsche Bezeich-
nun<r) zweyer Kriegs-Helden / als H. Obristt ns vom Werder und H.
Obrist Hagendorns die Dianna und drr Aeiqnan betitelt: worbei wol
zn betranren, das die übrii^o Theile von dem letztem seither «urii( ke
geblieben. Aber allen diesen tritt weit vor, die unveru'leirhiiclie
Aramena, eine Wnndergeburt eines Dnrchlinolitigsten T«'nt<«hen
Helden, welche iu Känge und Mftngung der Gesciüchten, und deren
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— 49 —
tnng begründet Durch die Argenis war der Hinweis auf
jene, durch die Arcadia und Heriinie auf diese ge-
geben, und zugleich war dai*ch beide Bücher die üichtung
auf diejenigen Vorbilder entschieden eingeschlagen, an die
man sieh später hei eigenen Erzeu<^niissen gehalten
hat. Was sonst in dem dritten und vierten Jahrzehnt
des XVn. Jahrhunderts aus dem J<>auzüsischen an Unter-
haltangsliteratur herttbergeholt wurde, ist von untergeord-
neter Bedeutung. Wir begnügen uns daher, das Theatrum
amoris, *) welches vier aus dem FranziKsischeii übersetzte
Erzählungen brachte, nur zu nennen, und auch Wolfgang
Seidels Lieb-, 1?ugend- und .Ehrenspiegel^) mit zwei Er-
sfthlnngen, von der groszmüthigen Clorinde und von der
liebseeligen Phoenicia (nach Belleforest) , sowie Öchssen-
bachs Verdeutschung von Andreas du Kyers Gulistan')
können weitere Aufinerksamkeit nicht beanspruchen. Der
Nachfolger des Opitz in der Pflege des deutschen Romans
wai-d Zesen, und dessen eigene Erzeugnisse stehen zeit-
lich wie der Sache nach in der engsten Verbindung mit
seiner Uebersetzerth&tigkeit In die Zeit seines Auftretens
Wieder-entwikkelunj?, alle »lerp^leiclien Schriften, auch die Sf)f(>uisbe,
hinter sich lasset: deren auch nun Octavia {treislich nachtuli,'-ct. Dasz
die Schäferj^edichte dieserlei Schriften verwandt seyen, erhellet, weil
sie mit denselben ^ewönlich vemiäntjet werden. Also tindet man, im
letzten Theil der Aramena, die ^lesoputaniische Schäfere nnd Schäfe-
rinneu, in der Arcadia die Diana und ihre Hirtcii-( Gesellschaft, im
Amadis die Silvia mit dem Darinel : gleichwie hinireijen die Diana ein
Schäfer^jredicht ist, und gleichwohl von vielen Helden (ieschichten
redet. ITnter die Helden- und Hirten (ledichte gehören auch, meine
Frled-erfreute Teutouie, der Ostliindische Lorbeerhain und die Guelfis:
a» in welchen allen die Hirten, und zwar meist von Helden, reden.*
*) Fruikf. 1696—31. IV. 8P. — ebenda 1644. IV. 0».
^ Cobnig 1637. 12».
^ Tabtaigen 1686. Vergl. die HoUandsche Anagabe d. B. dar
Beisp. Blbl. des Lft Ver. in Stnttgait. Bd. LVL S. 95&
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— 60 —
and bald nachher fallen anch die Uebersetzungen anderer
aus fremden Sprachen, welche zur Entwickelung des he-
roisch-galanten Kunstromans in Deutschland beitrugen.
Wir wenden uns nun diesem und seinem Anhängsel, dem
Schftferroman, attssdilieszlich zu, indem wir alles, was
einem andern Geschmacke entisprach, selbständige Er-
scheinungen der deutschen Literatur wie Uebersetzungen,
vor der Hand zarAckschieben, um sie mit der sdiriftstelle-
rischen Thätigkeit Grimmeishansens, bei dem wir an das
vorliegende Capitel wieder werden anzuknüpfen haben, in
Verbindung zu bringen. Denn durch Opitzens Wirksam-
keit ward die Trennung in eine nach der Zeitansicht vor-
nehmere und in eine geringere Literatur Thatsache, in
weUher Trenniui.2: sich bei unserer Gattung der Gegensatz
des vom Auslände Abh&ngigen und des Volksthumlichen
forterhielt.
A
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Zehntes Capitel.
Die Sntwickelimg des Kunstromaxui in Deatscbland Tom Auf-
treten Zesens bis auf Anton Ulrich von Braunschweig.
Der Ruhm, den heroiscli-galaiiten Roman als Gattung
(le^i deutschen Nationaliiteratur bei uns eingebürgert zu
haben, gebührt ohne Zweifel zom gröszten Theile Philipp
von Zesen, so dasz er mit seinen an Zahl nnd Ausdehnung
unveräclitlichen AVerken hier jedenfalls den ersten Platz
verdient Auszerdem können noch andere Gründe dafür
geltend gemacht werden, die seine Stellung zu dem Ent-
wickelungsgange unseres heroiscli-galanten Romans sogleich
nach ihrer Besonderheit in verschiedener AVeise andeuten.
Einestheils n&mlich knüpft Zesen von allen deutschen Ko*
manschreibem am unmittelbarsten an die im achten Capitel
besprochenen französischen A\'erke an, indem er seine Thä-
tigkeit mit drei Verdeutschungen französischer Romane
beginnt, anderentheils erscheint er in seiner adriatischen
Rosemund, welche zugleich mit jenen verfaszt wurde, als
selbständigster Vertreter der Gattung und als einer, der
einen Anlauf zu etwas anderem und unbedingt besserem
nimmt, so dasz wir grade an ihm sehen, wie damals der
deutsche Kunstroman sich not h gleichsam bedachte, ob er
in das heroisch-galante f'ahrwasser voll einlenken sollte.
Hierzu kommt dann noch, dasz seine Assenat und sein
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— 62 —
Simson beide auch noch in einer verhältniszmäszig bedeu-
tenden Unabhängigkeit von den französischen Romanen sich
halten, wenn man mit ihnen die Erzengnisse der Bnchholtz,
Auton Ulrich von Braunschweig, Lobeusteiu und Ziegiei', ja
anch die heroisch-galanten Bomane, die Grimmelshausen Tor
seinen Simplicianischen Schriften yerOffentlichte, Tergleicht»
und (lasz sie beide, obwohl von einander sehr verschieden,
oder vielleicht auch grade, weil sie so verschieden sind,
das Unfertige sowohl in der Bichtung der poetischen Gat-
tung als anch in der des Dichters selber mdir, als uns
angenehm i:st, an sich aufweisen.
Denn so nothwendig es ist» uns von Zesens schiift-
gtellerischer Individualität Oberhaupt an dieser Stelle ein
Bild zu machen , so schwierig ist die Saclie auch. Sowie er
uns bald als Philipp von Zesen, bald als Cäaius, bald als der
blaue Bitter, bald als BitterhoM von Blauen, bald als ans
Ftkrstenau , bald als ans Priorau gebürtig entgegentritt, so hat
es ihm beliebt, sich bald von der, bald von dieser, bald von
einer dritten Seite seines Wesens in seinen Schriften sehen zu
lassen, und man kann nicht sagen, dasz diese verschiedenen
Formen, die er annimmt, immer gut oder nur leidlich zu
einander stimmten. Ei* zeigt sich in nichts recht cousequent,
als im Abspringen von dem eingeschlagenen Wege, aus-
dauernd nur im Immerwiederaafiingen, jetzt pedantisch,
dann genial, jetzt als gelehiler Dichter, dann als phan-
tastischer Philologe. Hört man ihn an einer Stelle ganz
gesnnde Ansichten flbtf Stil und Satzban aussprechen, so
ubena.^cht er einen gleich darauf durch die sonderbai-steu
Einfalle, freut man sich, in seinen theoretischen Scluiften
Ergebnisse feiner und denkender Beobachtung zu finden,
so bringt er in denselben anch ebensoviele Schiefheiten zu
Tage, die sich keineswegs alle auf den noch kindlichen
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— *8 —
Einstand 4er Wisaensdialt seker Zdt rarMcAluM Iftssen,
sondern, aaeh mit dem Maszstabe des XVII. Jalnhunderts
gemeasan» weiter uichts ate eijia arge jpläditigkeU
oienteraiy und den ilm tob seinen OegBeim beige-
legten Spottnamett Saaaewind ala nieht nngereclitfertigl
erscheinen lassen. Bei alledem tritt doch uuu aber eine That-
sache deutlich hervor und bietet eine JEandhabe, in das
geistige Wesen des s<mderbaren Mannes und dadurch eini-
gemaszen ancb in seine Beziehungen zu seiner Zeit einzn*
dringen. Nur Oberflächlichkeit oder Voreinprenommenheit
kann es verkennen, dasz wii* es in Zeseu mit einem Manne
von ungemein vielseitiger geistiger Begabung nnd von noch
stannenswertherer geistiger Springkraft und Beweglichkeit
zu thun haben. Solche Naturen pflegen in Zeiten, wo be-
deutende und gewaltige Au%aben an bedeutende Menächen
bestimmt und klar herantreten, grosze und entsdieidende
Bollen zn spielen ^ fehlen diese Aufgaben aber, so bleibt
ihnen nichts übri«?, als entweder ihrer Zeit weit voraus-
zueilen und, so zu sagen, die en»t unbestimmt nahenden
Aufgaben der Zukunft v<Mrausnehmend zu ergreifen und
sie, von den Zeitgenossen unverstanden und ungerUhmt, zu
lösen, oder aber sich in Polyhistorie und Vielthätijrkeit zu
aerspilittem. Was von beiden geschieht, das hängt davon
ab, ob m genialer Mann neben her Grösze des Geistes
die GrOsze des Charakters oder vie]lei<^t auch die Buha
des Gemüt hes besitzt, als unerkannter oder misz verstan-
dener Weiaer, als einsamer Forscher und Denker sein
LeJyen zu voUendoi« Dann muas ihm ^ne Eigensohaft
fehlen, die sonst die Menschen zu den gröszten und zu
den kleinsten Handlungen treibt, der Elugeiz oder die
Bitolkeit. ]Siun ist als zweite sichere Thateache in Zeseas
Daaein undFenon abeo nicht zu vedusunen, daaz «r einsr
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— B4 —
der ehrgeizigsteii, Ja nAnisch eitdsten MeDSchen gewesen
ist, welche unser Volk hervorgebracht hat, dasz es ihm
geradezu unmöglich war, den Beifall und die Bewunderung
eeiiier Zeitgenossen za entbehren. Dadurch geschah es,
dasz ihm seine bedeutende nnd vielseitige geistige Bega-
hnng zugleich vortheilhaft und gefährlich wurde, ja ^\ir
können auch noch einen weiteren Contrast aufstellen, der
ihn zugleich za einer in seinem Zeitalter vereinzelt da-
stehenden Erscheinung nnd wiederum zu einem echtea
Sohne seiner Zeit machte. Es niiiszte ihm die ^-öszte
Befriedigung gewähren, dasz seine die manichfaltigsten
Gebiete ber&hrende schriftstellerische Thätigkeit ttberall
Anerkennung fand oder doch wenigstens Aufsehen erregte,
während ihn dei- unruhige Drang, sich in immer neuen
Dingen und anderen Eichtimgen als nach dem Maszstal)e
seiner Zeit tüchtigen Gelehrten und erfindungsreichen
Dichter zu beweisen, einer Zersplitterung zuführte, welche
wir grade hei ihm, der bei gröszeier Concentiation viel
Bedeutenderes hätte leisten können, mehr bedauern müssen
als bei irgend einem seiner Zeitgenossen. Und femer,
Philipp von Zesen war durch die Tiefe seiner geistigen
Begal)uiig von vornherein \iel zu sehr zur Selbständigkeit
bestimiut, als dasz es ihm möglich gewesen wäre, ganz in
den ausgetretenen Geleisen der geistigen Wege seiner Zeit
zu bleiben, sich einer aurea mediocritas zu befleiszigen und
die Poesie zumal nur als anständige und vornehme Ne-
benbeschäftigung zu treiben — denn das war eben die
Poesie des XVII. Jahrhunderts durchaus. Zesen steht
schon als Dichter und Schriftsteller von Fach in seiner
Zeit isolirt da, eist hundert Jahre später war es einem
Klopstock möglich, eine solche Kolle mit Glanz zu £nde
zu spielen, das XVII. Jahrhundert betrachtete einen
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— 6B —
M«m, der die Poesie zn seinem Lebensbernfe machte,
nicht viel anders als wie wir einen Briefmarkensammler
oder Schlittschahvirtuosen ansehen würdeui der eben nichts
weiter als dies wäre. Die Ungerechtigkeit einer solchen
Beurtheilung muszte dem feinsinnigen, lebhaften und em-
pfindlichen Manne einleuchten und ihn zugleich empören,
und so entstand ein gewisser Trotz in ihm, der dorch
entschiedene Anhänger nnd Bewunderer — denn Zesen
hat zwar keine Schule gebildet, aber doch viele begeisterte
Verehrer geliabt — noch genährt ward. Seine Anhänger
nnd Nachtreter aber konnten, da sie von sehr untergeord-
neter Art waren, und keiner der hervorragenden und masz-
gebendeu fcJciirütsteller zu ihm hielt, seine Eitelkeit nicht
beMedigen, nnd so trotzte er wohl seinem Zeitalter durch
allerhand Eigensinn nnd Schmllen, zeigte sich aber ande*
rei-seits wieder als den gehorsamen Diener aller geistigen
Modethorheiten, der Curiosität, Polyhistorie und Sammel-
wuth, die damals an allen Punkten, wo sich in Deutsch-
land in der bedrängten und schrecklichen Zeit geistiges
Leben zeigte, ins Kraut schosz. Ich musz aus nahelie-
genden Gründen darauf verzichten, die Besonderheiten
und Absonderlichkeiten Zesens durch Einzelheiten aus
seinen Schriften ausführliclier anscliaulicli zu machen, wer
aber auszer seinen Bomanen auch nur seinen hochdeutschen
Helikon nnd etwa noch den Bosenmftnd mit einiger Auf-
merksanikeit durchzulesen sich die Mühe nehmen will, wird
liir das Gesagte eine Menge Belege sammeln können.
Ingleichen ist aus anderen Gründen darauf zn verzichten,
Zesens bewegte und seinen geistigen Bestrebungen ent-
sprechende Lebensführung hier zu seinen ]\1 einungen und Lieb-
lingseinfiülen in ursachliche Beziehung zu setzen, denn noch
fehlt uns — und das ist eine hOchst empfindliche Lücke der
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— 66 —
Wissenschaft — eine Monographie über den höchst ia-
teressanten Mamü, eine Arbeit, deren Schwierigkeit Ton
coiupetenten Forsclierii richti<2: geschätzt worden ist und
zu deren Vorbereituiiti: allein ein jahrelanges Suchen
nach Material und ein Sichten des Stoffes, dessen Werth
die Schwierigkeit seiner Herbeischaffhng wohl oft sehr
wenip: loliueii würde, nijthig wäre. Daher müssen wir
uns hier auf das beschränken, was uns aus seinen Komanen
an charakteristischen Einzelheiten entgegentreten wird,
und dessen ist eher zu viel als zu wenig, auch schon hieraus
wird sich viel leichter ein anschauliches und zum Theil
grelles als ein übersichtliches Bild herstellen lassen.
Rasch nach einander trat Zesen mit vier Bomanen,
Lysander und Kaliste, Ibrahim, der adriatischen Rosemund
und Sofonisbe aui, denn der erste erschien 1644, die beiden
folgenden 1645, und zwar ist der Ibrahim als der ältere
zu beirachten. da seine Dedication an die fruchtbringende
Gesellschaft am 1. December 1644, die der Kosemuud am
30. Juni 1645 unterzeichnet ist Die Sofonisbe erschien
1646. Wir betrachten die drei aus der französischen Li-
teratur entlehnten Komane zuerst. Lvsander und Kaliste
hat D'Audiguiers zuerst 1606 zu Paiis erschienenen Ko-
man zur Vorlage, der zur Zeit Heinrichs IV. spielt Nach
der ,.Auf-traags-schrift an die uberirdische Rosemund", un-
terzeichnet „der Blaue Ritter", werden die Geschicke wirk-
licher Personen erzählt, und Zesen unterläszt nicht, dies
zur Abwehr des Vorwurfs, als tra^e er nur Erdichtetes
vor, entschieden geltend zu machen. Das Hauptmotiv der
Erzählung ist dasselbe wie im alten Galmy, denn Lysander
Terliebt sich in Kaliste, während sie glücklich an Oleander
yerheiratliet ist. aber die Reinheit des Verhältnisse.s ist
nicht so. durch^eliUu't \yie dort. Kaliste bewilligt ihiem
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f^dbh^ber^ der ihr nickte lyeniger als gleicbgiU% ist, «in»
Zusammenkaiifb in ihrem ScUafgemache, wohei aller-t
dings seine Ziuliiiij^lichkeit in Schranken zu halten weisz,
die ihr aber höcluit veihängniszvull wird, ihre ivamuier-
frau nämlich findet ebenfalls Geschmack an dergleichen
Stelldicheins, ftberschreitet aber hierbei die Schranken der
Sitte um ein bedeutendes mehr und benimmt sicli im Be-
sitze des Geheimnisses ihrer Herrin äuszei^t frech. Schliesz-
lieh ersticht ihr von Oleander ertappter Liebhaber diesen
und zwar mit I^sanders l)eo:en. der in seinen Besitz ge-
langt ist. Mau beschuldigt Kaliste des Einverstäuduis>5>es
mit dem des Mordes verdächtigen Lysaader, der sich anszer
Landes befindet Sie wird ins Gefangnisz gebracht, von Ly-
sander Ijefieit, und nacli vielen Hindernissen, die ziemlich
willkürlich and gewaltsam herbeigezogen werden, nimmt
alles mit mehreren Hochzeiten ein glückliches Ende» Neben
der Hanpterzähhmg buiteu noch Bericlite von den Schick-
salen der Nebenpersonen her. U'Audiguier liat eine Anzahl
Unterhaltnngsschriften, darunter anch die Novellen des
Cervanles, ans dem Spanischen übersetzt, nnd man wird
leicht linden, dasz ihm etwas von dem spanischen Geschmack
zu eigen geworden. Hierher gehören auszer der üoUe
der Kammerfrau und den vielen willkürlichen Verwicke-
lungen nocli die selu' häutigen Ehrensachen, welche aus^
gefochten werden..
Das Werk mnsz sich einer nicht unbedeutenden Ben
liebtheii erfreut haben, denn anszer den zahlreichen fran-
zösischen Ausgaben erschien eine lioUändische Uebersetzung,
und die Zesens wurde auch wiederholt auigelegt.^) G. Keu-
*) Nach der ersten Ausgabe von 1644 erschienen bei Ludwig
Elzeyier in Amsterdam eine 1B50 und eine 1670, und in demselben
Jahre wurde die deatsche UeberseUung mit dem frausttsisolieii Text»
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— 58 —
mark verarbeitete den Stoff als Drama.') Von Interesse
dttrfte noch sein, daisz in diesem Werke Zesens seine or^
tiioj^aphischen Gmndsfttze noch etwas wenigrer stark ent^
wickelt ersclieinen als in den bald darauf folgenden.
Der Ibrahim*) ist eine Uebersetzung des Erstlings-
werkes der ScndMy der Hanptschaaplatz Konstantinopel
und die Zelt der Handlung die Refneraiiprszeit des groszen^
Soliman, der nebst seiner ränkesüchtigen Gemahlin Koxelane
eine Hauptrolle spielt, wie denn beide Persönlichkeiten die
Phantasie der Dichter des XYII. nnd XYIU. Jahrhun-
derts sehr vielfach an^regi haben. Die Vorgänge an dem
türkischen Hofe nahmen schon damals so wie jetzt noch
sehr häuüg einen äuszerst acuten Charakter und rapiden
Verlauf an. Dieser Umstand ist der dramatischen Muse
jener Zeit nicht entgangen, denn so schOn wie türkische
Palastintriguen eignen sich selten geschichtliche Ereignisse
zur Herstellung von Dramen mit der strengen Einheit
des Ortes und der Zeit, auszerdem aber machte die Aben-
tenerlichkeit der Vorfalle nnd die Entlegenheit der Sitten
und Anschauungen die türkischen Zeitgeschichten tiir die
gesammte Poesie des curiösen Jahrhunderts zu einer sehr
beachtenswerthen Stoffqnelle. Der Held unseres Romans^ ,
Ibrahim, ist Groszvezier Solimans. Zu Anfong des Ro-
mans ünden wir ihn sogleich als Hauptperson eines hi»chst
pomphaften und sehr ausführlich beschriebenen „Siegsge-
prftnges", welches die glftnzenden Erfolge seines Feldzugea
bei Raveiisteyn in AmstenUm gedrackt, alle vier Male in 13". Ans*
mg: d. R. 1785. 3[ars.
Goed. Grundr. 452.
*) Die erste Ausgabe des Zesensclien Ibrahiips vom Jahre 1645
erschien zu Amsterdam bei L. Elzevfer, die zweite zn Zweibrücken,
beide IV, 12°. Dm Original, Jbrakim ou rühutre Jiasaa, erschien m
Paris 1635.
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— 59 —
gegen Taebmas, den Scliadi vam Permn, yerlieiTliclit.
Dadurch sind wir mitten in den Gang der Geschichte
hinein versetzt, deren Haupttheile und Episoden hier und
dort nachgeholt werden* Zonftchst er&hren wir ans Ibra-
hims eigenem Mnnde seine Vorgeschichte, da ihn der
Sultan um den Grund seiner Schwermuth fragt und ihm
seine Tochter Astede zur Gemahlin anbietet, auch den
Schwur hinznf>y dasz, so lange er lebe» Ibrahim keines
gewaltsamen Todes sterben solle. Er hiesz eigentlich
Justinian, seine Voifaliren waren aus dem erlauchten Hause
der Paläologen und nach der Einnahme Konstantinoi)els
durch die Tttrken nach Genna gekommen. Seine Liebe
zn Isabella, der Tochter des Ffirsten von Monaak (Monaco),
führte zwar zur Verlobung, aber damit zusammenhängende
Yerwicklungen zu seiner Yerbaouang aus der Vaterstadt.
Da er auch infolge, allerdings nngenaner, Nachrichten an der
Treue seiner Braut glaubte zweifeln zu mttssen, suchte er
das A\'eite und gelangte nach einigen Abenteuern zu So-
liman nach Konstantinopel. Diesem groszen Herrscher
leistete er so vortreffliche Dienste, namentlich als Feldherr
in dem schon erwähnten Kriege gegen Tachmas von Per-
sien, dasz er zu den höchsten Ehren gelangte und docli,
wenn auch heimlich, Christ bleiben durfte. Durch seinen
Freund Dorla, welcher bald nach der glUcldichen Be-
endung des persischen Krieges nach Konstantinopel kam,
erhielt er Kunde von der unwandelbaren Treue Isabellas
und von Soliman einen sechsmonatlichen Urlaub. Er eilte
sogleich zu der Geliebten, kehrte jedoch, da er es fttr un-
thunlich hielt, sie als Gemahlin mit in die tOrkische Re-
sidenz zu nehmen, nach Ablauf des Urlaubs allein zurück.
Hier fand er nicht nur in der Familie Solimans groszes
ünglflck, welches die Rfinke der Röxelane veranlaszt
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— 60 ^
hatten, vor, sondern er war auch selbst so niedergebeugt,
SoUmau, um übA wiode^ aufzurichten, Isabellen naak
K<MistantuMi»el h#leii 9a laasea bescj^low. kam, und
Sdiman yerlielite selbst ib sie, Roxelane, die heftigste
Feindin des Helden, schürte die FlanuiK^ und spann neue
Bänke. Kochmals schlug Ibrahim, der seinem sonst edlen
Bjerracber mclU im mindteetea mifivtraute, die Pecaer, ala
er znrQekkehrte, entdeckte er die Furchtbarkeit seiner
La^re. entfloh mit Isabellen, ward ergriÖen, und nun drang
Eoxelane auf seine schnelle Hinrichtung. Nach langem
Kampfe siegte aber Solimans ediere Natur und yerschait
dem Romane dnen glückliche Ansgang, indem die zwei
Liebenden zu ilirer Yennählung nach Genua zurückkehren.
Dies sind die Schicksale des Helden und der
Heidin, am welche sieh eine ttberaas grosse Masse von
anderen Begebenheiten, Personen, Yerwickelungen nnd
Schilderungen bald mehr, bald weniger locker grup-
pii-en.
In Bezug auf die dritte Uebersetanng Zesens, die
afrikanische Sofonisbe,') dflrfen wir uns kürzer fhssen,
da sie mit dem ll)rahiin ganz auf «gleicher Linie steht
Es sei nur bemerkt, dasz wir es hier nicht mit jener So*
fimisbe, welche verschiedene Dichter zu guten und schlechten
*) Das Original der Zesenschen Sofoni.sbe dürfte wohl M. Gersan,
Ilisfoire Africaiue de CliomMe et de Sofouisbc sein, welche nach G. d.
Percel II, 47 zu Paris 1&27 II, 8*' erschienen ist. Mit Sicherheit
kann ich es nicht sat,n'n, da ich das französische Buch nicht kenne,
aber der Name des (leliebten weist auch darauf hin. Die Scud^ri
hat (vgl. Cholevius S. 18) nie eine Sufonisbe geschrieben. Der erstön
Ausgabe der Zesenschen Sofonisbe von 1646, welche wie die zwei
vorangcfj^an^enen Verdeutschung'en bei Ludwio; Elzovier in Amsterdam
in PJ** erschien, f(dgte eine zweite zu Frankfurt, 1674, 12^, welche
der Sauberkeit dea hollaudischeu Druckes «iemlkk nahe kommt.
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61 —
Werinn begiistert btt «id d» ebeMBo wie Ibraldm
amm LoheKstein tsinen willlt!omi!ieDe& Stoff zu einer höchst
Mt verkml'endeTi Tragödie lieferte, zu thun haben, son-
tatt «it deren Tookter gl^ebeA NaiMis lliid ilu«m gt*
Hebten Kleemedee. UrSc^cksai gleicht detfi der erl»acbteii
Mandane im Jh and d/nis'* der Sciid^ri, indem sie. um mit
Boüe&u zu reden, „une bemU^*' ist „qti,i pcme par Inen des
maifu*', ohne einen merklicä^ Schaden sn nehmen« Un»
ähnlich der ihrer Mutter endet ihre Geechichte keineswegs
tragisch, sondern Kleomedes, der Genosse ihrer meisten
Abenteuer, wird König Yon Getmlien, md der Eoman findet
in emer Hochzeit den erwünschten und fibUchen Abechlnstf.
Wir haben bereits weiter oben den allgemeinen (.'ha-
rakter der Scuderischen Komane kennen gelernt und wollen
darauf nicht snrilckkoninien. Doch mag darauf anfinerkeam
gemacht werden, dasz Zesen, der die bmühmteste Bchrift-
Stellemde französische Dame seiner Zeit in die deutsche
Literatur einführte, auch in Deutschland sich beim schiHMn
Geschlecht dadurch Dank zu Terdienen wttsste, dase er
ihm, soweit es in seiner Macht stand, den ^Veg auf den
Parnass zu zeigen und zu ebnen bemüht war. Wenn er
hierin mit den Kflmberger Dichtm übereink(MBmt, so
steht dieser Punkt der tJebereinstimmnng nicht vereinzelt
da. und wir werden auf die Thätigkeit jener Gruppe zu-
rückkommen. Zunächst sei nnr darauf hingedeutet, dasz
äch dieser galante Zug in Zesens literarischer Wirksam-
keit, der mit seiner Auffassung der Poesie und Schrift-
stellerei eng zusammenhängt, in dem Entschlüsse, einen
Scuderischen Boman zu Terdentschen, ganz zweifellos kund"
giebt, denn schon dieser Entschlnsz kann nicht recht mög-
lich gedacht werden, ohne dasz sich der Uebersetzer mit den
Anschauungen seiner Vorlage einigermaszen befreundet
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— 62 —
hat, und die Ansduumngeii der ScudM von dep Bedeatung
und Emwirknng der Fraoen im Leben ttbeiiuMq^ty nameatp
lieh von der Bedeutung verliebter Beziehungeu in den
Geschicken der Völker und Pürsten, sind etwas, womit man
sich vielleicht von allen ihren G^eBchmackioeigkeiien wird
am wenigsten befreunden können, etwas, was schon Boilean,
der selbst ein feiner und galanter Mann war, das An-
stöszigate gewesen za sein scheint.
Das y erfiihren Zesens bei seinen Uebersetznngen, die
Gewissenhaftigkeit, mit der der damals noch jug:endlich
strebsame Dichter dabei zu A\'erke ging, und sein Sinn
für die deutlichen Vorzüge der damaligen französischen
Prosa vor der deutschen verdient entschiedenes Lob und
wurde als gutes Beispiel für andere, z. B. Stubenberg, in
weiterem Umfange wirksam, als man zu glauben geneigt
ist, wenn man sich nicht vergegenw&rtigt, wie weit die
Uebersetzungen Zesens und die, welche den seinigen folgt^^n.
über die Mehizahl der wenig älteren, besonders hinsicht-
lich der Sprachreinheit und Leichtigkeit des Ansdruckes,
hervorragen.') Nicht ohne Interesse sind daher die
Grundsätze, welche Zesen bei seinen Verdeutschun-
gen walten liesz. Sie geben einerseits Selbständigkeit
und gesunden Geschmack, andererseits aber auch wieder
seine ^Neigung kund, sich zu überstürzen und in Abson-
Sehr lehrreich ist def schroffe AbBtaml der Zeseniicheii nid
Stabenbergachen VerdeuUchaogen von denen der schönen Juliane and
der Astr^'e, namentlich aber von der noch 1(138 zu Leipzii; er«iclüe-
aenen der Clytie de la cmtr des ^ieur de la Serre (de Percel II, 47.)
TOB J. M. f., einem Boche, welches seinerzeit scheint ^at ao^
nommcn worden za sein, hier aber nur aln die schlechteste Ueber-
Setzung des XVII. Jahrhunderts genannt zu werden verdient. Bis
Sprach uiens^erei erreicht hier schon einen Grad« der nicht mehr flber^
troffen worden ist.
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— 63 —
derlichkeiten zu verreimeiu Er spricht sich darüber nach
der Sitte seiner Zeit, da die Schriftsteller immer bereit
sind, auch ihre Gedanken Uber das, was sie machten, aus-
einanderzusetzen, ausführlich aus.
Dem Ibrahim geht die „Schuz-rade an die unober-
w&ndlichste Dentschinne** vorans. Nachdem Zesen hierin
dem Scud^rischen Ibrahim sehr nachdrücklich den Vorzug
vor den anderen französischen Liebesrumaneu gegeben —
hik^hstens d'Urf6 will er noch gelten lassen — , sagt er
„Was nnsem ikbertraag betr&fEt / so wikrstu mich / aller-
folkomneste Heldin / bey denen / die mich vielleicht einer
verwachsel- und änderung der uhrschrilt beschuldigen und
tadeln w&rden / b&ster maszen vertr&ten; dan es ist ohne
.sonderliches Bedanken nicht das geringste gesch&hen.
Der Uhrschreiber ist ohne disz ehr-erbutig und Leutsälig
genug , und würd ihm nicht nüsl'allen laszen dasz ich
mich straks das Baches Nahmen zn Indem unterstanden;
dan naachdehm ich seinen Zw&k / dasz er ihm n&mlich
einen emsthaftem und naachdank liebem Nahmen gäben
wollen / unschweer errahteu kan; so würd er den meinigen
noch viel leichter sahen. In Wahrheit / ich mus be-
kennen dasz er sich diszfalls den alten (die d&m Deutschen
Helden-geblühte / daraus sie entsprungen seyn ; noch was
naher und ahnlicher waren) mehr als seinen heitigeu weich-
weiblichen und z&hrtlichen Landsleuten / vergleiche. Die
langen Getrikk* und GescU&ppe der Bäde / welche so
wohl die alten / als näuen Radnerische Gesaz-gäber p:anz
vei w ärfen / hat er fast wider aller anderen i'raiizosischen
^hreiber Gebrauch sehr vermieden / dasz ich in allen
semen sachchen dergleichen nichts / als nuhr bisweilen
ein geringes / das ich auch im übersazzen / so >iel als
mftglich / geändert ; befunden / Die Tuikischen / Persi-
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sclieii ttnd iwdefe ans-lAndische worter / die er ^ent-
Imlbeti / Wftti eis die Gelägtenli^it begäben / mit tinterge-
mischet / hab' ich meistenteils (ausgenommen etliche wenig
eigne Nahmen der Amts-lente / die der Sachchen einen
Naadi-tmk g&ben Mhneh) dentsch ftbergesibteet: Als ....
Die nun folgenden ^Einzelheiten sind hier ohne Interesse,
und Zesens Verfahren bei der Aussclieidung der deutschen
Fremdwörter, WorftbererdernnüberwündlichstenDeutschinne
gegenüber ziemlich Viel Worte verliert, ist tn bekannt,
als dasz es hier charakterisirt und urkundlich belegt werden
sollte. Dasselbe gilt von der Bechtschreibong, auf die er
gleicherweise isa sprechen kommt. Wie weitblickend er
trotz seiner Neigung, sich mit Kleinigkeiten abzugeben,
gelegentlich — leider nur immer gelegentlich — sein
konnte, geht aber daraus hervor, dasz er einerseits zwar auf
eine phonetische Orthographie dringt^ anderel^its aber doch
auch sagt: „Die AVort-erfündung und Schreib-richtigkeit /
oder vielmehr der Anfang dahrvon (dan / weil wier den
^nd der Sprache / ivie eih Wort voü d&m andehi hihr-
stammet / noch nicht recht erkundiget / und dahähr keine
folkommene Kichtigkeit darinnen haben mögen / kan sie
diesen Nahmen mit r&cht nicht besizzen) die ich in diesem
ganzen wirke / so viel müglich / und die Schrift-säzzer
gewohnen können in Acht genommen / hat mich ver-
uhrsachchet diese kleine Anweisung zu tuhn ....
Geg:en solche Aenszerüngeh fällt nun freilich sekr ab,
was wir in der afrikanischen Sofonisbe unseren Mann
hinter der Zuneigungs-schrift (so !) an die Königin Christine
von Schweden dem ,)Gunstgeneigsten LAser** sagen hören:
„Was ich Vor etlichen zelten zur m>lämung der franz4-
sischen spräche aus derselben in unseres hoch -deutsch
überbracht habe / dasselbe lasz ich izund auf viler anhalten /
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— 65 —
durch den offeutUchen trok vor deine äugen gelangen / mit
fremidlicher bitte / da wollest dir dise / meiner müszigen
stunden / neben erzililete fiüclite gunstig gefallen laszen
u. s. w.*" Das klingt ganz nach der landläutigeu Autt'as-
sang der Poesie im XYII. Jahrhundert und stimmt zu
Zesens Ehre nicht mit der Auffassung seines Dichter- und
Schritt stellerberules, welche er durch sein Leben selber
bewilhrt hat
Noch sei bemerkt, dasz, wie Zesen auch in der Stelle
Vf>r dem Ibrahim andeutet, die holländischen Schriftsetzer
und Drucker seinen luteutiouen in der That auf bewun-
derungswürdige Weise entgegen kamen. Seine in Deutsch-
land erschienenen Bttcher sind, mit der S. 60 Anm. erwähnten
Ausnahme, bei weitem nicht so sorgfältig nach den neuen
Grundsätzen gedruckt, wie sie auch durch ihre ganze Aus-
stattung den groszen Abstand der deutschen von der nie-
derländischen Buchdruckerkunst zur Zeit der Elzeviere,
Zevens Verleger, zeigen. Auch die t/ecimisch ausgezeich-
neten Kupferstiche der Zesenschen in Holland erschienenen
Werke tragen den niederländischen Charakter in hohem
(4rade an sich. Dieser (.'harakter stimmt, namentlich in
der Jiosemund, allerdings wenig zu dem dei' Dichtung, es
wirkt fast komisch, wenn uns der zeichnende Künstler
die Heldin dieses ^ sterbeblauen Seelengemäldes ^, wie es
Cholevius passend bezeichnet, als eine so wohlbeleibte und
muskulöse Dame vergegenwärtigt, dasz wir uns in einem
solchen Körper eine so zarte Seele nur mit Widerstreben
wohnend zu denken vermögen.
Diese zarte Seele aber, lütterholds von Blauen Adria-
tiscbe Bosemund,*) hat weit mehr Anspruch auf unser
Interesse als Lysander, Kaliste, Ibrahim und Sofonisbe,
Die sehr seltene erste Ausgabe (in der Kogl. Bibi. zu Berlin)
5
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— 66 —
und zw&r nicht allein, weil sie als der erste deutsche Üri-
ginal-Bomaii der dasse nnd der Epodhe, die wir jetst
ZQ betrachten haben, anznsehen ist, sondern aaeh wegen
ihrer Bedeutung an und ftlr sich, wegen ihi-er Eigenthüm-
lichkeit nnd selbständigen Stellung unter den ihr gattungs-
Terwandten Erzeagniasen desselben nnd anderer Verfiisstf . .
Der Anfang der G^hfchte ftthrt uns in die Kfthe
von Amsterdam, und wir tretien die Hehlin in hik-hster
Betrübnisz über die Abreise ihies geliebten Markhold,
welcher zn Schilfe nach Frankreich abgegangen. Nach-
dem er anf der Seereise einen Stnrm ausgestanden, ge-
langte er glücklich in den Hafen und setzte «einen A\'eg
nach Paris fort Die frauzösiseheu Damen hatten bereits
Ton seiner Liebenswürdigkeit Kunde erhalten, nnd sein
Eniptang war ein hOchst angenehmer. Seiner Rosemond
aber deswegen im jreringsten zu vei'gessen. lag ihm fpm.
Von Bönen aus hatte er sie knrz über seine glückliche
Ankunft benachrichtigt, als er in Paris ankam, erhielt er
einen Brief, in dem sie ihn dringend um einen ausführ-
licheren Reisebericht hat. Sie liesz schon alle Tage auf
der Post nach seinem Schreiben fragen, endlich erhielt
sie ein den gewünschten Beridit enthaltendes Lied und
einen Begleitbrief, worin er sie um nachsichtige Kri- •
tik seines i)()etischen Erzeugnisses bat und seiner tiefst^en
Ergebenheit versicherte. Der Ton, in dem dieser Brief
abgefaszt war, erregte in ihr, allerdings ohne Grand, eine
Menge qnftlender Gedanken, namentlich eine starke Eifer-
sucht auf die frauzOsis>cheu Damen. £s wai* ein Glück,
liegt mir vor. Sie hat nur einen Bildtitel: Ritteiholds Ton Blauen
Adrlatische Ko!«emimd (Devise: Last h> Lut) Ainsteldam. Bei Lud-
wig ElzeTihm (so!) 1645 fremaski durch den waclichenden. Hit aUen
Zugaben :)ß8 Stn. V>\ Weitere Ausgaben ersdiienen Amsterdam
1664. 1^ und Amsterdam 1666. 19^.
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— «7 —
diw ilm Freiadia Adelmnnd dm kan, deren Klaglieit
sie bald Rosemnndens veränderte Gemüthsstimmiin^ und
deren Ursache entdecken liesz. Als ihr letstere dea «a
das Feaster gelegt Bii^ mm Lewa geben wollte, eat-
deckte aie m ikrem grossen Schrecken, daos ihn der Wind
fortgeweht liatte. Dieser Verlust versetzte sie in die
tiefste Betr&bnisz, sie klagte sich selbst an und brachte
die I^adit vor Koanaer schlaflos aa. Den and^n Morgen
las sie sich nun Tröste die Mker ren Markhold empfan-
genen Lieder und betmchtete verscliiedene Andenken an
ihn, fand auch den gestern vergeblich gebuchten Brief im
Garten, obwohl von dem Wasser eines Grabens, in den
er gefallen war, ziemHeh rerdoiben. Einige Tage konnte
sie sich zu keiner Antwoit entsehlieszen, es kam ihr
der Gedanke, in ein Nonnenkloster einzutreten, doch gab
sie dem Einfalle, einstweilen als Schäferin zn leben, den
Yorzug. zn welchem Zwecke sie ein ^leichtes Sommerkleid /
von schahl- oder starlie-blaiieii zerhauenem alias ,' mit
^em rose-farben seidenem lutter / wi die ächahftehnuen
m tragen pfl&gen / an za l&gen gesonnen wahr.**
Markhold, welcher inzwischen heitere Tage verlebte,
erhielt eines Abends einen Blitzt" von Roseniund, er er-
bradi und las ihn im Beisein seines Freandea Haiz-
w&hrt, aber wie gresz war sein Schrecken, als er ersah,
in welchem Grade seine Geliebte zwischen Misztranen
und Liebe hin- und herschwankte. Einigermaszen ward
sein Kammer dadurch erleichtert, dasz er seinem Freunde
ansfilhrlich erafthlte, wie er zn Bosemnndens Bekanntsdiaft
und Tiiebe gekommen. Ein adlicher Schlesier, der sein
Btudieiilreund gewesen, war der Bruder Adelininids, und
an diese, welche mit einer vornehmen venetiauLschen Fa-
milie, zn der Rosemond als jüngste Tochter gehörte, sich
5*
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nach Amsterdam begeben hatte, war er, ate er auch nach
den Niederlanden reiste, empfohlen worden. Bei ihr sah
er Koseiniiiid, ))ei(ler Liebe entstand schon beim ersten
Zusammensein, Adelmund, welche selbst bereits Braut
war, machte die Vermittlerin, und auch Bosemnndens Va-
ter Sünnebald fand an dem ausgezeichneten jungen Cavalier
viel Gefallen, nur die verschiedene Ojnfession beider, da Mark-
hold Protestant, Bosemnnd als Italienerin Katholikin war,
bewirkte, dasz bei der Besprechung des Verlöbnisses ei-
nig:e Schwierigkeiten znrückblieben. Docli verk^bten die
beiden Liebenden vor der Abreise Markholds nach Jb'rauk-
reich sehr glückliche Tage, zu deren Verschönerung die
überaus prächtijare und geschmackvolle Häuslichkeit der
reichen I:>'amüie Kosemunds, von deren Einzelheiten man-
ches genauer beschrieben wird, nicht wenig beigetragen
zu haben scheint.
Zu Anfang des zweiten Buches lindeii wir die zwei
Freunde am Morgen nach der in Markholds Wohnung
gemeinsam zugebrachten Nacht wieder. Härz-währt war
durch einen schweren Traum greängstet worden, der auch
sofort in Erlüllung gehen sollte. Sein Kammerdiener
brachte ihm eine Herausforderung des Franzose Eiferich,
nnd beide machten sich znr Abwickelung der Ehrensache
sogleicli auf den Weg. Das Duell verlief für Harz-währt
ohne schlimme Folgen, aber sein J^'reund Lauter-muht,
welcher ihm zu Hülfe gekommen war, verlor dabei, ganz
dem Traume gemäsz. das Leben. In einer Gesellschaft,
der die zwei Freunde Abeuds beiwolmen nuiszten, hatten
sie Grelegenheit, sich von dem Wankelmuth der Franzö-
sinnen zu übei%eugen, da des inzwischen anch getödteten
Eiferich Geliebte von allen die wenigste Trauer zeigte.
Markhold gab seinem Freunde, der die I<^othwendigkeit>
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69 —
Fans zu yerlassen, eingesehen liatte, ein kurzes Geleit,
und als er znrftckkehrte, fand er noch ein bei EröiRrang des
gestern empfangenen liiietes von Kosunuind übei*sehenes
kleines Schreiben, worin sie ilim ihre Eutijcklieäzung hin-,
sichtlich des Schäferlebens mittheüte. Schon war aber
Adelmnnds Bmder in Paris angelangt, dessen Diener ihm
nirht nur einen versrilmenden. ja reuevollen Brief von seiner
Geliebten überbrachte, sondern ihm auch eine sehr ausi
ftibrliche Schildening ihres derzeitigen Lebens und Trei-
bens entwarf, ans welcher ihre Treue und Liebe gegen
ihn K^'iiii^^J^iii liervorginja:.
iMarkh(dd unterhielt sich mit seinem Freunde Huld-
reich auis Beste in galanter Gesellschaft mit Brettspielen,
und machte auch an eine französische Dame gelegentlich
Verse. R(»senmnd führte ihr iScliäferlehen, dessen Eiu-
äamkeit ilire Freundin Adelmuud durch Besuche unter-
brach, weiter. Auch sie machte Verse und bisweilen
hartnäckige Angriffe auf die Rinde dm* in der Nähe ihrer
W<dnuing befindliclien Bäume. Die aus dem (4htubens-
unterschiede mit ihrem Geliebten erwachsenden trüben Aus-
sichten kosteten ihr manche Thräne, auch ihre Neigung
zum Protestantismus — sie las sogar die Bibel in hoch-
deutscher SjiriK lie — liesz keine Beseitigung der Schwie-
rigkeiten er \\ arten.
Die Brttckreise Markholds kam nun — so beginnt das
dritte Buch — näher. Ehe er sie antrat, begab er sich
zur Demuht, der deutschen Kanmierjungfer einer zum
französischen Hofe gehöiigen Herzogin, denn er besorgte,
dasz ihn die letztere, welche groszes Wohlgefallen an
ihm hatte, mit allen möglichen Mitteln zurückhalten wttrde.
Demuht rieth ihm, sicli bei ihrer Herrin nur zu einer
Eeise nach Kouen zu beurlauben, von doit ans sich
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— 70 —
schriftlich zu empfehlen. Hierauf zeigte sie ihm die
Bäume des ScUosaes, «nd «r gab den Commentar zu <to
kier aafbewahrtoii Gtonftlden. Nadidem er dar Herzogia ge-
genüber den Rath seiner LandsmAimin in AisfÜhmng ge-
bracht, nahm er Abschied, wobei die reichlichen Thränen
der letsteren beiiiahe mehr Yemtbea hitleu, als im ihrer
Abaiohtkg. laHmien angelangt» belrsichtete er mitmduCTiii
Landsleaten die Maskenzlige, welche gerade snr Fastnacht
gehalten wurden. Den Best deü dritten Buches füllen
Meist zwei Gresehichten, wekhe von einem Freunde Msjrk«
holds mid ihm seiher erzählt werden« Aaeh in Bönen
hatte er übrigens die zärtliche Neigung einer Barne, der
schönen Luhdwichche, erweckt, ^ie muszte sich jedixh bei
seiner Ahreise mit einem Abschiedsliede begnlkgen, in
welchem er ihr seine Liebe zn Bosemnnd erklärte. Kack
einer zum Theil durch Stürme verzögerten Fahrt langte
er wieder in den Niederlanden an, blieb nui* eine Nacht
sa Botterdam und eilte sodann zm Besemund, die er in
yurer Schäferei am Mhen Morgen ttberrasdite. Sie legte
nach sehr freudigem Empfange anstatt der Schäfertraehl
wieder ihre gewöhnliche Kleidung au und kehlte in das
Haus ihres Vaters zurück.
Den grdszten Theil des vierten Boches füllen die Vor*
träge Rosemonds nnd Sünnebalds über die ToiK)graphie
und das Staatswesen von \'enedig. Zu Anfang des liinl-
ten wird erzählt, wie Markhold, der die Nacht im Hnase
Sftnnebals znbrachte» am frühen Morgen au&tand, zieh in
den Garten begab und an vier Bäume je ein GMicht auf
Rosemund heftete. In einem Veisteck sah er zu, w ie die
äeliehte sie £and, wie sie, als ein Windstosz die Blätter
wegwehen wollte^ ihnen eilig nnchlief und sie zur geiiane*
ren Betrachtung dann mit auf ihr Zimmer nahm. Daun
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— 71 —
folgten galante and «umreiclie GesprlUihe, weldie an die
Bimmen dee Gkirteis und «ndere iscböne XHnge angeknflp^
worden, hieraof ein V(»tr«g Markliolds ^ftber die alten
und izigeu Deutschen," in dem der Cavaiier mit stiipen-
der Gelehrsamkeit und lialsbrechenden Etymologien Un-
flanblidies leistet^ der ato* Ittr die Geschichte der Sitten
«nd Modra jener Zeitffli mehr Interesse hat als für die
unserer Dichtungsgattung. Am Ende dieser gelehrten Un-
terhaltung giebt Zesen seinem Schmerze über die Leiden
des dreissigjAhrigen Krieges lebhaften nnd höchst ach-
timgswerthen Ausdruck. Ein Brief Ton Adehnund langte
an, da er aber die glückliche Endschaft ihres Brautstan-
des preist, H ai' er nicht geeignet, andere als sehi* schmerz-
liche Empfindung^ in Bosemnnd und ilum liehhaber
zu erwedken. Ja, da Markholds Abreise wieder heran-
nahte, ohne dasz sich Aussicht auf Beseitigung der ihrem
Bunde entgeigenstehenden Hindernisse finden liesz, verfiel
Bosemund aus Kummer in eüie heftige Krankheit, welche
sie tlberaus sdiwächte.
Im sechsten Buche besucht sie ihr Geliebter, und
alsbald kehren ihie Lebensgeister wieder. £r erzählte
ihr eine Geschichte von einer adlichen Jungfrau und einem
Bittmeister, die mit der ihrigen viel Aehnlichkeit hatte,
in der aber eine Gewaltthat die Liebenden an das er-
wünschte Ziel brachte. Als nun Markhold wirklich Rose-
mnnden verlassen muszte, verbrachte sie ihre Zeit in lau-
ter Betrftbnisz. Hier bricht Zesen ab, denn anders kann
mau dieses Ende, welches kein Ende ist, nicht bezeich-
nen, auch ssgt er zum Schiasse ausdrücklich, was mehr
von Ros^nnd zu beschreiben sei und wie es endlieh mit
ihrer Krankheit hinausgelaufen, das werde eine ihrer
Jb>eundinnen auisetzeu, er wolle das unterlassen, was eine
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— 72 —
geschicktere Hand zu thuu sich vorgesetzt. £s folgen in
der ersten Ausgabe (die zweite kenne ich nicht) noch einige
Gedichte und Musterbriefe, welche zwar zum TheO auf
Ro.seniuiid Bezug iielniien, aber über dii^st^ in Aussicht
gestellte VervoUstäudigung der Erzählung nichts verrathen.
Ohne Zweifel ist die Adriatische Rosemund ein höchst
interessantes Buch, das Interesse, welches sie gewährt, ist
aber in sehr geringem Grade ein poetisches, vorwiegend
ein literarhistorisches. Denn das Interessanteste daran
ist, dasz wir daraus lernen, was dem Verfasser, der offenr
bar und eingestandener Maszen mit seinem Werke die
französische Kunsl in Deutsclihnid und unter deutscher
Form einbüi^gem, zugleich auch mit ihr wetteifern und sie
wo möglich überbieten wollte, das Wesentliche schien, was
ihm am meisten gefiel, worin er sich mit seinen auslän-
dischen \'i)rl)ildern in eiuen AVettkampf einlassen sollte.
Und wir können es mit Becht als einen Beweis seines
guten Talentes ansehen, dasz er das, woran ihm am meisten
lag, auch am besten erreicht hat Er lobt die Scud^ri
und neben ihr dT iie. Was den letzteren betrittt. so hat
er in der schäferischen Episode der Bosemund ein Ca-
binetsstttck von pastoraler Prosadichtung geleistet,') wel-
ches wir ebensowenig wie seine Zeitgenossen der Astr^e,
der Diana und der Arcadia an die Seite zu stellen, An-
stand nehmen. Die vomehme, galante, höfische Haltung
der Scud^ri hat er ebenso trefflich wiedergegeben, was
die Bedeutung, die er der Liebe einräumt, anbetrifft, so
hat er sein \'orbild an Einsicht weit iibertroffeu, deim er
geht in der Bosemund nicht über die Darstellung Ton rei-
') Ziir Vt'iiUi.sehaiiliL-huiii( der Zesenschen Oitho^rapliic uml zur
B( riclitii^uui,' <les v(»n (iei vimis III, 505 Gesagten ^be ich eine l*i-ube
dieser Schäferpoesie iu der Beilage.
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— 73 —
nen PrivatTerhältnissen heraus, und deshalb hat die Liebe
und die Verliebtheit hier einen Platz, der ihr weit mehr
gebülirt als dort, wo sie eine alberne Rolle in der Politik
spielt und dem schönen Geschlecht vorf^^eredet wird, dasz
es bei jedem Weltereignisz, bei jeder That jedes groszen
Mannes die Haaptnrsache sei. Was aber den uns nicht
empfindbaren Keiz der Scuderischen Romane, das Ver-
steckenspielen mit der zeitgenössischen W'irkiiclikeit, anbe-
langft, 80 gilt dies ganz sicher auoh von Zesens BoBemond.
Eine Anzahl von Stellen, namentlich die fettgedruckten
ge^en das Ende im letzten Gespräcli .Marklndds mit seiner
Geliebten, sind oöeubai* Anspielungen, und vieles trägt
deutlich allen Anschein, dasz es nur als solche von In-
teresse seih konnte.') Deutsch-national ist die an einzelnen
*■) Der znkiiiittiirt- Bio^rapii Ztsciis wird iiher das LifltesvtT-
hiilniisz des iiitercs.'antcu MauiU'S, welches dm tliatsiicliliclu'n K» rn
des?i-n, was er in verscliiedeiu'n Schritten Y<in Hi)St ii»und und zu ihr
sairt, bildet, und welches hekaiintlich von seinen Zeiti^cnnsst ii wieder
wenii^er ]»oetisf;h als klatschsüeliti«^ ausj^esehinückt wurden ist, y^enauere
nnd auf uinfaii!:i;^reicüt'res Material, als in den Handbüchern anjfegebt'U
und von mir benutzt worden ist, j^entützte Untersuchungen zu machen
haben, tleun ohne Zweifel spielte dieses LiebesverhältniflE in Zesens
EntWickelung als Xenseh und Sduriftsteller eine bedeutende RoUe.
Ich muBz mich hier damit begnügen. Folgendes als wahncheinlich
hinzustellen. Dasz Zesen, ehi Mann von «ehr bewegUdiem Tempera-
ment, groszer Eitelkeit nnd einer in seinen Schriften deutUch hervor-
tretenden Neigung zur Galanterie, verscUedCBe LiebesverhSltnisse
gehabt haben wird, dasz er aneh vorflbei^hende Liaisons mit hüb-
schen Vertreterinnen des weihlichen Geschlechts ans niederen Schichten
der Gesellschaft nicht ganz wird verschmftht haben, gehOrt nalner
Keinnng nach zu den Dingen, die auch ohne urkundliche Belege als
Thatsaehen anzosehen sind. Ss steht so Hast wie irgend ein Ergebnisz
historiseher nnd philologischer Kritik, dasz, wer ans eigener
Nator gegen aUe Damen ans besseren Ständen galant ist, auch httb-
sehen Kellnerinnen nnd dergleichen ire^enüber „gespaszi^^" zu sein
pflegt. Wenn also ang^enommen werden darf, flasz Zesen den vielen
verschiedenen Klatschereien, die sich bei Zeitgenossen nnd wenig
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Stellen hervorbi'echende Getuhlsinuigkait und die sterbe*
blaoe Sentunentalitätt aber in rem nnertcftglidier Wete
i&t dies alles von dem Modekram der Zeit, von den ttbeiv
aus laugen Beschreibungen, überwuchert! In epischer Form
kommt die Darstelliuig der LiebesleidenBchaft Mar nicfat
zn ihrem Recht, wir haben eine Dichtung mit erotischem
Motiv vor uns, aber keine Erzähhing: von der Liebe wie
in Euriolus und Lucretia, Rousseauä Julie uud Goethes» Wer*
ther, nur einzelne lyrische Motive gebende Situationen
der Liebenden wirken poetisch, neun Zehntheile ihrer Ge-
spräche selber sind Exercitien in der Complimentirkuust.
Dasz die Erzählung durchaus klar und durchsichtig sei^
kann nicht geleugnet werden, aber dies ist nur die Folgo
ihrer düiftigen Einfachheit Da wissen die Verfasser der
Späteren über diesen Punkt finden, wirklich Anlasi gegeben bat,
moBS doch hiervon die Frage, wer jene Bosemimd gewesen, {retrennt
werden. Es ist aber sehi* schwer, aicb In dieser Lieblingafignr, die
anch in der Assenat Terbenlicht zu werden ucheint, eine «Jongemagd*
oder eine Wäsclierin sn denken. Zeseu widmet ihr Lysander nai
Kaiiate, er macht sie zur Han])tfie^ur der I(o!<iemund, er kommt an
verschiedenen Stellen auf sie zurück, er giebt ihr eine Stelle in «Um
Rahmen des Kosenmands, an eine flüchtige Liehschaft ii^t somit nicht
so denken, und was sollten den>fleicliea schrifitstellerische Complimente
einem 3lä(lcJien ans nnteren Ständen oregenttber? Was ilire jahrelange-
Wiederholung, wenn es sich so verhielt, wie die Clegner Zesens an-
nahmen, oder die ganze Gtesoliichte eine Flunkerei war? En ist kein
Zweifei möglicli, dasz ein groszer Kreis von Eingeweihten vorhanden
war, welche die zahlreichen, deutlichen und nur als solche einen Zweck
hfll>enden Anspielungen zu deuten wnszten, und bei diesen hütte sich
Zesen doch nur wiederholt lächerlich gemacht. Sollte vielleicht der
Verfasser des Pamphlets »Juris eonsulti Nicolai Beckuianni ad. V. C.
Severin Wildschütz cet, epistola", welcher gut und direct unterriobtet
seheint uud von der Wäscherin uud .Tungenniagd nicbt.s weisz, mit »einer
Rosina, der Tochter eiues Adrian Tutzenhof, die rechte Rosemund
bezeicJmet haben und die (.Teschichte von der Wäscherin oder .Tuugen-
magd, der zu Ehren die adriatische Eosemund eutstandiiu, auf einer
Combinatiou meiirerer LiebesTerhältnisfle beruhen?
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— 7a —
«Heil Rifeterbicto, da wdM WieknA, da wimes di»
Amadisverfasser doch ganz anders zu erzählen, Aveil
sie wirklich episclie Stoifmassen bewältigen. Wir
fc^niif^ii schliefloEck wagtn, dasi ^teshal^ durch Zo86B0 Bo*
seniind kein Fortaehritt ia dar Kmitl der erdiebteteii
£rzahlimg bei uns vermittelt worden, weil er sieh mit
edaem vorzagweiwr aa£ die Auffaasttiig und Daratelluii^
daa AeiflaeriidheB garicktetea Talente and in einer im
Aeuszerlichen aufgehenden, funuenseligcu Zeit liier einea
Slof wählte^ der eine weder von seiner Individualität uock
▼an dem Geecbsack nnd der Knnstübang seinar Zeit m
erwartende Stärke in der Daratellnn^ dee inneren Ge-
mütliälebeus. der ei'zähleudeu Behandlung der Pl^siologie
der Leidensehafty erfordert Mite.
Sekr viel anders stdlten dck die stofflichen Voraus-
setzungen bei der Assenat.*) Die epische Ausgiebigkeit
des Stolieä springt hier schon dadurch in die Augen^ daäz uns
in Dentsehiaad aUein von Zeaen, G-riaunelshausen nnd
Melander Behandinngen in Romanen Torliefen.
Griiinnelshausens Josef kennt Zei>en genau, er zieht
ihn oft in den Anmerkungen an, wo er ihm Ungenauigkei*
ten in gelehrten Einaelheiten nnd willkfirliehe Abweichung
gen von den Quellen vorwirft. (8. 353, 394. 4u4, 425,,
434, 442 u. s. w.) Grinuaelskausen wollte sich nicht un-
gestraft „dichte Kappen geben^ lassen und antwortete aaf
Zesens Kritik im I. Theil des Vogelnestes CSap. Was
er zu seiner Vertheidigung gegen den Vonn'urf der Un-
genaaigkeit sagt, ist treilich und beweist, dasz er, obgleich
aicher nicht so gelehrt wie Zesen, doch mehr gesunden
^) Zaent Amleidaa 1690. S». — Feraer Nttrab. 1679L SP.
Narnb. 167a ^.
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— 76 —
Verstand besasz und ttbw die hktorisdie Glaubwürdigkeit
der Quellen weit vemflnftiger und kritischer dachte. Die
Uebt^rleofenheit seines gesunden Geschmackes zeigt sich
auch in dem Yüiwurle, dasz 2^äeu üeiue Heldin zu einer
halben Nonn mache. Wenn er aber sagt» daaz die Asee-
nat Zesens nicht yiel mehr in sich halte als sein Josef
und mit diesem ausgezogenen Federn ausgeziert oder viel-
mehr vermummt sei, so geht er ans verleUster ächrütsteller-
eitelkeit zu weit^ da das Werk Zesens, obwohl er sei-
nem «iiüszeren Vorf^äugei". wie er selbst anp^ibt, Einzel-
heiteu abgesehen hat, dennoch ein durchaus selbständiges
genannt zn werden verdient und schon durch Heranziehung
der alten „Historia Asseneth^« die Grimmelshausen un-
bekannt war, nicht wenig neuen Ötotf gewonnen hat.')
Zesens Assenat, die allerdings ebensogut und viel-
leicht besser den Titel Josef tragen könnte, stellt den
Htolt' in folgender (iliedei iiiig dar. Als Josef von den Is-
maeliteUi so beginnt das erste Buch, nach Memüs gebracht
wurde und dem Könige üelirem wegen seiner groszen
Schönheit zum Geschenk gegeben werden sollte« erregte
sein bloszer Anblick unter dem weiblichen Geschlechte,
zumal unter dem königlichen Frauenzimmer, eine so plötz-
liche und heftige Liebesflamme, dasz der alte König, wel-
cher von den sich ihm hierdurch eröliiienden Aussichten
nichts N\ eniger als angenehm berührt ward, das getäluiiche
Geschenk zurückwies. Josef wurde daher, da die Kauf-
leute nach Nubien Weiterreisen muszten, von ihrem An-
fühier Musai im Hause eines Kaufmanns zuiückgelasseu.
*) Die St«Ue, wo (Trimmelaliansen von der Assenat sai^rt, dass
de dem Josef «angedichtet'' worden T Vögeln. I., ir> bei Kurz. S. 392.),
Ifüt niclit etwa so za verstehen, als ob er das Vorkommen dieses Ka-
mena in der Bibel (Gen. 41,50) abersehen hfttte.
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— 77 —
Hille dwt eiaen Besuch macheDde Jungfrau vom Hofe
unterrichtete ihn dowohl von der Ursache, aus der der
Konitr ihn nicht am Hofe zu haben wünschte, als auch
Uber die Üeschafi'enheit und den Ursprung des Nils.
Auszerdem erfuhr er von ihr, dase dem Fürsten Potiüar
nach längerer Zeit unfruchtbarer Ehe eine Tochter sei ge-
boren worden, welche er zu Heliopel dfin Sminengotte
geweiht erziehen lasse. Denn in Bezug aul' sie sei ein
Orakel gegeben worden:
Imfal man dieses Kind mir heiligt straks itzund:
so wird es wan der Niel ist zwantzigmal ^resticgea /
in eines J?'rcindeii anir aul's höchst' erhöhet liegen.
Egipt^ / schikke dich zu ehren beider mund.
Die Dame konnte die äuszeren und inneren Vorzttge
der damals achtjährigen Assenat nicht genug loben, und
Josef verdiente sich ihi'en besonderen Dank dadurch,
dasz er die bisher unklar gebliebene zweite Hälfte des
GM^tterspruches dahin deutete, dasz das Mädchen in ihrem
zwanzigsten Jalire einen Ausländer heiiathen und dadurch
zu hohen Ehren gelangen werde.
Im zweiten Buche erfährt die Piinzessin Nitokris
Ton der Jungfrau, was diese von Josef gehörte desgleichen
erzählt ihr ein am Hofe angekommener Palästinenser die
Vorgeschichte Josefs. Das auf Assenat Bezügliche aus
den Beden Joseis wird dieser mitgetheilt Zwei Träume
der Prinzessin und der Jungfrau finden durch Josef ihre
Deutung auf die seiner in der Folgezeit harrenden Ge-
&hren, ohne dasz er jedoch die Betheiligung seiner Per*
soti daran vorausweisz, und werden noch durch einen ähn-^
liehen Traum der Assenat bestätigt
Der Hauptinhalt des dritten Buches ist das Verhält-
nisz Joseis zu Potifars junger zweiter Prau Bohra, die
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— 78 —
älm ka«ft. Zehn Jahre hkibt Josel m Hmne des Fttrü»
md Gegenstand der Leidensehaft, die Zesen «aveii^leidH
iich besser und feiner schildert als die anderen Bearbeiter
desselben Stottes. Auch der Charakter und das Verhalten
Josefe in dieser Lage ist lobf»i8werth dorehgeHUui, da ihn
.Zesen ebensowenig scUechtfadn mempflndUcfa, wie die Bb-
fira schlechthin siniilich-wollttstip: darstellt.
Das vierte Buch erzählt zunächst den Tod der Se-
fira, «ine Wendung, über welche C^olevios sdnr richtig
bemerM: ^Diesen Verianf bat kein Uosser Ransch der
Sinne. Zesen schwebte ein tieler, aufzehrender Seelen-
kampf vor, den er nur bei der »Sprödigkeit des damaligen
Stiles nicht deutlich darlegen konnte." Josef lernte im
Gefftngniss die Stemenknnst nnd gewann die Gmrat des
Gefönjrniszmeist^'i's. Als der schon friiher zum Nachfolger
des Krzbischofs von Heliopel bestimmte Fotüar diese
Würde erlangte, blieb zwar Jos^, obgleich jen^ Ton sei-
ner Unschnld Abersengt war, im G«föngnisz, da kein
Aufsehen jremacht werden s(»llte. jedoch bald trat durch
die Träume Xefrems die hekannte gitickliche Wendung
seines Geschickes ein. Josefe Erhebung gab Anlasz zu den
glänzendste Festen, welche ansitUniich beschrieben wer-
den und hei denen durch eine Wasserkunst ziemlich derbe
-Späsze mit den Damen zur Ausführung kommen.
Im fünüen Buche bereist Josef das Land, nm sich
über dessen Beschafienheit nftber zn nnterrtditen. Jetat
erst tritt Assenat ntehr in den Voixlergrund. Josef kam
nämlich nach Helioj)el. und da Potifar bereits an eine
Yerm&hhmg s^ner Tochter mit iluB dax^te, empfing äe
ihn. Er aber, dessen Erfohrnngen ihn dem weiblichen
Geschlechte nicht grade genei<rt gemaclit haben nniszten,
wies den daj^eboteuen Kusz hart zurück, indem ei* von
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einer GOtsendieneriii nicht bertthrt werden wolle. Doch
legte er der Niedergeschmetterten, auf die seine Erschei-
Aang den anflzerordentMchsten Eindmck gemadit, segnend
die Hand anf. Wfthrend nun Joeef sniftehst weiter reiste,
bekelirte sich Assenat zu dem wahren Gotte, ein Engel
erschien ihr, und Wanderzeichen begleiteten und unter*
stützten ihre innere üntwandlung. Als Joeef auf der
Rftckreise von dem Vorgefallenen erfhhr, schwieg er m-
Bächst noch, in Memfis aber theilte er dem Könige seine
Absicht, Assenat zar Gemahlin zu nehmen, mit. AVie
schon zn denken ist, war man aUerseits bald einig. Nach-
dem Josef nocli mt^lirere Keisen gemacht, die zn genaiu^i
Beschreibungen Anlässe bieten, fand zn Memfis die eigent-
liche Yerlobnngsfeier statt, bei der zugleich die sieben
Gespielinnen Assenats sieben Unterbeamten Josefs ver-
sprochen wurden.
Zn An£uig des sechsten Buches findet die natürlich
sehr prunkrolle Hochzeit statt, an der sich anch Nitokris,
die stets Josefs grosze Gönnerin gewesen war. mit einem
Libischen Prinzen verlobte. Die inzwischen eingetretenen
sieben ietten und die darauf folgenden sieben mageren
Jahre zeigen uns nnn Josef in seinem Glänze als Finanz-
mann und I^olitiker. P'erner treffen, was ganz nach der
Erzählung der Bibel wiedergegeben wird, Josefs BrMer
und in der Folge sein Vater Jacob in Aegypten ein. Mit
zwei Briideni Josefs in Verbindung beschlosz nm diese
Zeit der älteste königliclie Prinz, Assenat zu entführen,
bei der miszglttckten Ausführung der Schandthat von
Benjamin tödtlich vemnndet, starb er bald darauf, und
sein Vater Xefrem folgte ihm aus Kummer nach, so dasz
sich Josef genöthigt sah, für den noch im jSäugiiugsaitei*
befindlichen Tlux>nfolger die Begiemng zu Übernehmen.
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— 80 —
Docb, für Joselis persönliches Glück wenigateiui, noch
schlimmere Folgen hatte, wie das siebente Bnch berichtet^
der Zwischeiitall. Assenat war in Folge des gehabten
Schreckens krank geworden, und nun siechte sie langsam
dahin. Alles beklagte ihren Tod, da sie namentlich ii
ihrer letzten Lebenszeit eine ausgebreitete Wohltliätigkeit
entfaltet hatte. Auch Jacob starb jetzt und ward in
der Weise, wie es die Bibel erzählt, begraben and be-
weint. Auch im hohen Alter bewies Josef noch seinen
Verkleinerern zum Verdrusse seinen rüstigen Geist. Nach-
dem er noch durch die Nachricht von dem Unglück seines.
Verwandten Hieb betrübt worden und den Seinigen über
die Zukunft geweissagt hatte, auch dem König eine schrift-
liche Anweisung über Kegierungsangelegeiüieiteu über-
geben, starb er, von Aegjptem und Israeliten gleich tief
betrauert
Der Meinung von Cholevins, welcher die Assenat un-
ter den uns erhaltenen Zesensclien Komanen am höchsten
stellt, ist unbedingt beizupflichten. Sie war eine Frucht
jahrelanger Arbeit und — nach Zesens Art — gründlicher
Vorstudien, er weist schon imKosenmänd(165r) ant sie hin.'}
Wenn wir zunächst einen Blick auf seine (Quellen, die
ihm, wie oben bereits bemerkt, epischen Stoff in Fülle
boten, werfen, so sind diese nach seiner eigenen Angabe
im Vorworte auszer dei* Bibel Athanasius Kirchers Schrif-
ten, zumeist aber die Geschichte der Assenat und der
letzte Wille der zwölf Erzväter. Er meint mit den zwd
letzten die „Historia Asae^iethf filiae Potipharis, uxorii^
Josephi^ und die „Testammta XII Flatriarcharwn*^, welche
Ton Boherius Chrossetest, episcopuß Lincolmenm, coad-
*) Seite 159.
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— 81 —
jwjwnte magktro Nicoiao Oraeeo, derieo (Matis 8t,
htmif 1949 ins Lateinische ttbertrag;«! worden. Za dieeen
Quellen würde noch Ferrante Pallavicinis Giuseppe ge-
kommen sein^ wenn er Zesen bekannt geworden wäre.
Dies scheint aber nidit der fall gewesen za sein, so leieht
es an sich möglich war, da PaDavidni schon 1644 hinge-
richtet wurde und seine Schrilten in Deutscliland viel An-
klang fanden, denn auszer seinen üomanen ISansoue und
Taliclea ersehi^ien noch „Aosaerlesene (satirische) Werke^
nnd ,,Valcani Liebesgam** in deutscher Sprache.') Zesen
erwähnt aber Pallavicinis Guiseppe nirf^ends und würde
sich in der Stelle der Vorrede, wo er seine (Quellen nennt,
^er argen Unredlichkeit schuldig machen, wenn er ihn
benützt oder anoh nur gekannt hfttte. Die Vergleichung
mit der Assenat lelirt auch nicht allein, dasz Zesen einen
solchen Verdacht nicht verdient, denn 8tüll, Disposition,
Stil und Ausführung des fiinselnen sind ganz rerschieden,
sondern auch, dasz der Deutsche sls Erz&hler und Stilist
weit über deui Italiener steht, den er später aüerdinfrs ken-
nen gelernt und im Simson sehr zu seinem iScliadeu nach-
geahmt hat
Aus den Schriften des gelehrten Jesuiten Kircher
nahm er das antiquarisclie Beiwerk, die zwei anderen lie-
ferten ihm, obwold er an iluer historischen Glaubwüidig-
keit kritiklos festhielt — er habe die nackte Wahrheit ge-
schrieben — nur den rohen Stoff, den zu gestalten und
lebendig zu machen, keine kleine Aufgabe war, zugleich
*) Die Auszeii. Ww. Freyenwalde bei (rottiirt Treuniaun lf5f)3.
8. Vulcaiii Liebes^i^arn, übers, v. F. von \Vützenst« iii. Niiriib. Kiüy.
Vergl. Catalo^f. bitt. sei. cet quam . . . colleirit et adoiii. B. J. J.
Schwabe. Lii^s. I7S5. In den Aiueii. \\'w. ist SauBoue u. TaUdea
nicht enthalteiL
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82
aber evruig ihn die Masse des Steifes, ein wiriüich
selits Werk so ' TersnlageB, md dies war sefai GlQck,
denn nun, da er erzählen nuiszte, zeigte er, dasz er es
iBonaite, was in der AoseuLund ganz uad gar nicht gesoh^
hen war. Die sebr sablreiclM AiwspriningfB/) wddM
dem Romane nachfolpeu, beweisen, wie em^it er sich die
Vorstudien zu demselben hat angelegen sein lassen. Von
der in der Eoseninnd so s^ übertriebenen Sentimentatilit
ist in der Assenat wenigstens nicht so viel cn merken,
dasz sie unangenelim wirkte, nur seine Neigung zu den
Ätherischen, sterbeblanen, £ur diese Welt zu guten, xeitig
dahinwelkenden — die Heldin stirbt im Alter ron drd«
unddreiszig Jaliren — Frauengestalten tritt auch liier
hervor, und die Gelühiiiauäbräcke. dei* in Alt'ect beändli-
ehen Personen fallen, weil er sie zn viel selber reden
läszt. ans dem epischen Stil in den lyrischen oder andi
rhetorischen, aber man musz aiitikennen. dasz auch die
sentimentalen Motive in der Assenat mehr zar wirklichen
Darstellong gelangen als in der Bosenmnd, wo man grade
an solchen Stellen nur das Mehrwollen hinter dem Wenig-
können heivorblicken sieht. Wenn man nicht durch den
höchst verschrobenen Stil des Simsoo anf die kurzen Sätze
Zesens schon mit etwas Misefallen bücken gelernt hat,
so fallen sie in der Assenat wohl nicht grade übel auf,
jedentalls sind sie den endlosen verschachtelten Perioden
der Zeit- und Fachgenossen Zesens mir zu ihrem Yortfaeii
an vergleichen. Doch darf man auch in der Assenat die
Theüualmie Zevens au den Modeerfordeniissen eines üo-
') Die mir vorliegende Ausf^ahe von 1672 (aus der Kngl. B. rn
Breslau) hat die ^kurtEböndigea AnmArkiuigea'' vou Seite 346 — 6SS»
ygl. Clioleviua S. 91.
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— 8S —
maus jener Zeit und überhaupt die A'erwandtscliaft dieses
A\'erkes mit den iK i oiscU-galanten Homanen des XVII.
Jahrhmidertg nicht yerkenneii. Dasz er sein Weric nicht
mit 80 vielen Kriegen, Schlachten, VersohwOrangen nnd
Entführungen aussclnnückt wie die ancU^rn Ronianschreiber
der Zeit — denn auch Assenats Entliihiung giebt die
Quelle — mag Ihm zim Verdienste angerechnet werden,
aber es lag dies doch in seinem Steif, von dem er nicht
abweichen zu dürfen ofhuibte, und im Simson liat er das
Seine im Heroischen j^eleistet. Was dagegen die „Zier-
nnd Höflichkeit^ der Ckmversation anlangt, so stehen die
Ihr dienenden Ahschnitte ganz anf dem Niveau des Zeit-
romans, und \m den beschreiben<b'n Partien jrilt dasselbe,
man liat dabei das Gefühl, dasz der Verfasser no< li viel
dergleichen auftischen würde, wenn er nicht durch den
Stoff, dem er immer mit einer gewissen Ehrftircht gegen-
i'ibersteht, zum Ki zählen gezwung:en wäre. Was Cholevius
Über die Sprödigkeit des Stiles sa^:t, habe ich schon als
treffend anerkannt, aher man soll sidi hierbei ermnem,
dasz die verkehrte Geschmacksrichtung, der sich Ze-
sen aus Ehrbegierde nicht zu entzielien vernioclite, hiei-au
sdiuld ^var, man kann fragen : Hat (h'nn Grinunelshausen
einen spröden Stil? Dieser ist eben das einzige wahre Genie,
dem wir auf unserem Gebiete, im XVII. Jahrhundert be-
gegnen werden, und man tliut dem Groszeren Unrecht,
wenn mau den, der sich über die Mittelm&szigkeit etwas
erhebt, zu hoch schätzt
In der Vorrede zur Assenat sagt Zeeen, wenn dieses
AVerklein angenehm sein werde, so solle sein Moses und
Simson, auf eben dieselbe AVeise beschiiebeii, folgen. AVie
es mit der Abfassung des Moses geworden ist, wissen wir
nicht mit völliger Sicherheit, weder, was wahrscheinlich,
6*
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— 84 —
ob sie unterblieben*); oder ob dieser Koman nicht ge-
drnekt oder bisher verhireB sei. So viel ist aber gewisi,
dasz, fjftlls der Moses dem Sunson*) fthnlich gewesea ist,
w ir nicht viel an ihm verloren haben. Man kann von die-
sem Werke Zesens sagen, dasz sich der nunmekr gealterte
Dichter nur in seinen Fehlem und Absonderlichkeiten ge-
reift zeigt« sein Talent und seine geistige Beweglichkdt
aber sich so wenig bemerken la,ssen wie die Voi-züge sei-
ner früheren Werke, namentlich der Assenat Eine aus-
führliche Analyse des Simson nnt^rbleibt fttglich. Zesen
beginnt mit dem Zeitpunkte, wo sich der Held in die
Timnatterin. seine erste Frau, verliebt, die Vorgeschichte
Avird nach der bei ihm feststehenden Methode, die sich
nicht blos hier in ihrer mechanischen Aeoszerlichkeit dar-
Kobentein (II, S. 184. Anm. 21.) schlieszt allerdings aus
einer Stelle in Joachim Meiers Vorrede zu seinen «Dnrchlaachtigsten
Helnfteriiuien Jiska n. 8. w/, dass Zesens Moses wirklich erschienen
seL Sie lautet «Philipp von Zesen hat In seiner Assenatfa, Moses nnd
Simson gleidiüüls einen Versneh thnn woUen (Uldisehe Materien in
Bomanen m behandeln): Aber seine Erftndnngen seynd so elend nnd
PQbelhafft, ohne Abwechselnngen, Anmnth nnd Verwimingen, dass
man anch wohl eines Ck>ridons amonr geschickter nnd anstindiger,
als dieser grossen nnd berfilunten Lente auffahren können/ Diese
Stelle beweist aber naeh meiner Meinung nichts, als dass Aeler die
Stelle der Vorrele der Assenat gekannt Ebensowenig hat die An-
fllhning dos Moses bei Jöcher (IV, 3194) etwas zu bedenten, da sie
den Stempel grosser Flüchtigkeit trägt. Zedier führt den Moses
unter den Schriften an, die Zesen geplant, die aber nicht erschienen
seien, was sehr entseliieden durch das Fehlen des Moses in dem Ton
31<»ller (Cinibria lit. II. 102*2) nnd Jördens benützteu Vei-zeichnisse
Ze?ienscher Schriften vou Gabler und die Aufführuna: desselben durch
3Iu]ler unter den von Zesen in seinen erschienenen Werken ver-
sprochenen bt stiitii^'t wird. Veri^l. aucli l'liolevius, Vurr. VII.
*) Nur eiunial erscliicneu Xürnb. IfiTU. S'*. Den 593 Seiten des
Werkes folgen noch 189 Seiten Anmerkungen, ebenso Yoll antiqua-
rischer Uelehmuikeit wie die zui' Assenat.
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— 85 —
Stellt, nachgeholt Im Uebrigen efzftUt er die Schicksale
Simsons dann in der Reihenfolge, wie sie die Bibel giebt
Auszer ihr waren Josephus und der Simson des Ferrante
Pallaviciui seine Quellen. Leider zeigt sich hier, dasz
Zesoi in der Assenat zn seinem Gllteke dem Einflasz die-
ses Schriftstellers entgangen war, denn das, was er im
Simson durch den geistreich und blühend sein sollenden
Stil sündigt, kommt, wie eine Vergleichung der beiden
Schriftstell^ gemeinsamen Abschnitte l^irt,snm bei wei*
tem grOssten Theile anf Rechnung des wahrhaft wahn*
witzigen Bombastes, den der Italiener zu Tage fördert.*)
Dem hieraus entnommenen Stoffe fügte er eine nicht ge-
ringe Anzahl von Episoden ans eigener Erfindung hinzu,*)
auf welche er sich zwar viel zu Gute zu thun scheint,
denen man aber die Absicht, um jeden Preis das AVerk
auszudehnen, gar sehr ansieht Hierher gehören die Schick-
sale der Schwester von Simsoas erster Frau, welche Qe*
genstand eines Bntftthmngsyersuches wird und dann zu
einem Löwen auf ähnliche AV^eise wie Androclus in freund-
schaftliche Beziehung tritt, und die Einführung der noch
schöneren Naftalerin, deren PersonalbeBchreibung Chole*
▼ins mit Recht als ein. Praehtstlick nach der Meinung
des Verfassers ausgelioben hat, mit der aber der Dichter
schlieszlich nicht recht weisz, wohin er soll.
Ueber Zesens Stil ist, aUch abgesehen Y<m den An-*
') Zar YenuMehaallchiiiig des Verhaltnisseg theUe ieh in ^
BeÜagen den Absehiütt mit, welcher dem Yon CholeTlne S. IIS aus-
Zehobenen entspricht.
*) YetgL die Vomde: Und also hat mir, zu hiesiger Verfaa-
nmg niemand melir, als der eifwahnte OeschlehtHclu^iber de» Buchen
dar Richten «nd dan FlaTtns Josef nüt seinen Altheiten (Ut .luden
wie auch unter den neuen der berühmte Wälsche Schreiber Ferrant
PaUaTiaien, durch seinen Simson Torlenefaten kOnnen.
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— 86 —
giitteu uiul Vertheidigungeii, die er sclKtii von Zeitgenossen
ar£BÜu*6B hat, bereits genug gesagt wordeoit*) ^ dasz hier
nur aa die Hanpipuikto sn enurnem ist, ittd dies ge-
schieht am hasten hei sedoeai letateii Renane^ der alle
Absondeiliclikeiten mit Ausuahme der urtliogiaphischen
Sclirulieu, die wohl nicht aus Zesens eigenem AnU-iebe im
^nson weggeblieben sein mögtti, am dentUohsten sdgL
Zesens Pnrissiiis hal adne aehtuagsw^rthe Seite aJs Eeae-
tion gegen die uuertiägliclie Sprachmengerei seiner Zeit,
und ist auch von allerdings Yorübergehendery aber doch
segensreicher Wirkung gewesen. Aber seine Ueberstibv
srang hierin und die Abgeschmacktheiten, in die m*Terfiel. vm^
dienen eher noch mehr Tadel als stine ortliographischen
Neuerungen, von denen vielleicht die Hälfte als begriar
det und vemOnftag anauselien sind. Die Yermidie
Neaerer, üih von dem Vorwurfe puristischer Ue-
bertreibungen ;fu reinigen, sind jetzt als völlig ver-
unglückte erwiesen. Diesem Purisnuie an die Seite
stellt si<^ die Neigung, mit der Sprache gewaltsatt m
verfahren, wdche sich in einer ganzen Beihe von misa-
lungenen ^ieubildungen wie d&s-zu fiir desto und der 8ul>-
stantive wie Beutschinne, Lustinne, Kluginaa u. s. w.t
ftnszert Aber er hat sieh in versehiedeBen Gapiteln der
Grammatik versucht, auch die Satzlehre konnte er nicht
in Kühe lassen, und namentlich im Simson zeigt er einen
ebenso unversöhnlichen und blinden Hasz gegen die au-
sanunengesetztenSätze wie Gutzkow in seinemletztenBoman.
') Am vollstäuditifsten und besten von Cholevius. Die „Wolübe-
j^rüudt'tc Bedenksc.hrift über die Zeriwhe Honderbabre Abrt Hoch-
deutsch zu Schreiben und zu Reden. Durfh Andreas Danit l Habicht-
koreten." Hamb. 1678. H^. ist eine Vertheidlffung' der Zesenscheu (irund-
sitze. Vgl. auch d«s Gedicht vor der lüchterschen Ariana und
Schottel. Ausf. Arbeit. Si 12Ü1.
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— Ö« —
Zteaa ahnt IMirig«M, was Cflutonis mclit beneriot
zft kabeii scheüit, nemes EndrtMs iE^ der Zuiiiiimeiistol-
lung seiner Däumlinge von Sätzen entschieden selir häufig
den hebräischen Parallelismns der Glieder nach, indem
er zwiflohBB den stxmistiMh anfeiiiaBder lEÜgeadeB SfttsBeii
dadoFdi yrkiBr einige YertaintaigT hmt^H^ daaz er imaier
mehrere dasselbe sagen läszt, wobei man dentlich die Afühe
fiUüt, die es üuil machte, jedefimal ganz andere Worte
md eine andere AMtüdnang: der äalaUieäe an finden.
Am besten, weil ohne Animeeitftt md Seandalsaeht,
urtheilte unter den Zeitgenossen iiber Zesen, wie über
nele andere, Schottel in der AusilUirl. Arbeit 8. 1201.
,^PJiilil^n& Oaesias ha4 in Tmkk kommiNi teasen vleie «nd
mancherlei Poetistiie Traetätlein / aneh seist eia «nd än-
derst aus Frantzosischen und Holländischen ins Hocliteuts< he
abergesetzi, woraus wol abaoa^unen, dasz er der Teut-
aahen Sjpcaolie meohtig'/ and aosdevlidi ioP^yesi eine fer-
tige nieht nnfiehliche Art habe: AHes aber so vorhon
entweder Tent<?ches Herkommens ist / oder Tentsches
Verstandes aeyn kann / in anderweites Untentaches TeutscU
aaaetoen; oder «nek die TentselM Worte / der Schreibmig
md &ß&DiBm Anlieben naeh / in eine andav« Gestalt kleident,
oder jhnen das Kleid / worin sie überall kenntlich tisA
hergestammet / ohn gr&ndlieha Ukrsaoh a;nszielien / i»t ein
Werk eigener Ikfindang / ao sfok veratiMidigen Beyi»^»
wenig rersÄcheren kan • Zesens SHl md 9pnx^
der That so leicht zu charakterisiren, dasz dieses d«****
aaa aoAieiende Urthfiil geäUlt werden konnte (1663),
•iM Assenat and Sbnson wla dne groaee Zahl seiiie>F an^
deren Sdunften erschiene» wam«
Von mehr Wichtigkeit noch müssen füi^ ««»•
BeBtrkanga» aen^ die aioh ibber ZeaaA» L>airsteiIangaWCiB0
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— 88 —
insbesondere als Erzähler und über sein Verhältnisz zu
dier Form leicht machen lassen^ in der im XYIL Jahrhna-
dert nns die Ghittnng des Boraans entgegentritt» wenn wir
das Gkinze seiner Thfttigkeit anf diesem Gebiete ttbefbliclmL
Es ist entschieden zn betonen, dasz wir in Zesens ßoman-
dichtnng im allgemeinen dnrchaoa den An&ng des he-
roisch-galanten Ennstronaas vor nns haben, dasz er immer
mehr nnd mehr in die Richtnng einlenkt, die die spä-
teren Erzeugnisse dieser Art innehalten. AVir können hier
schon die Hauptmerkmale der ganzen Gruppe sehr wohl
walimefamen. Die drei Orig^nalromane Zesens, Bosemnnd,
Assenat nnd Simson, welche den Antog, den HOhepmikt
und den Niedergang seiner schriftstellerischen Thätigkeit
und geistigen Kraft durch den starken Abstand ihres poe-
tischen Werthes scharf ansdrlUton, sind doch wiederum
alle drei gleich sehr Knnstpoesie in des Wortes engerer
und tadelnder Bedeutung, die stets dann verwirklicht ist,
wenn die Beobachtung der Xunstregel, die Herstellung
eines Kunstwerks nach einem bestimmten StU oder eiier
Manier als Zweck der dichterischen Arbeit sich Tor die
Erzeugung eines bestinunten poetischen Eindruckes,
vor die unmittelbare Einwirkung auf den Leser oder Hö-
rer drtngt Ob man letalerea Hftuptsweok so oder als den
Trieb zur adftquaten DarsteUnng der in dem Dichter le-
benden jxjetischen Anschauungen faszt, ist lür die Sache
gleichbedeutend. Ueberau, wo wir e& einer Dichtung an-
merken^ dass bei dem Didhter das Wie seines Scliiffeiis
und das "Was nicht so snsammenhängt, dasz sich erste*
res nur aus dem letzteren zu ergeben scheint, wo wir
merken, dasz der Dichter meinte^ so oder so rar&hren su
mttssen, nicht weil der Stoff und seine Anschauung davon,
sondern weil die Hegel es so oder so verlangt, , da haben
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— 89 —
wir KoBStpoene im starengstoi und im bedenkliehaten Simie.
Man kaim ans der Poesie GMhes and Shakeqieares keine
Regel indnctiv abstrahiren, die sich nicht aus dem auf die
Seele des Lesers beabsichtigten Eindrucke deduciren liesze,
das einxige formelle Fnncip dieser eckten Dichter ist»
die Seele des HOrers in ilire Gkiwalt zn bekommen. Was
dazu dient, ist schön, ist künstlerisch gerechtfertigt. Kunst-
mittei ist nur das, was ihnen die Poesie, die in ihnen
lebt, rein nnd yoUst&ndig in Worten darstellen hilft In
dem gansen heroisch-galanten Boman des XYII. Jahr-
liunderts ist es andei-s, und bei Zesen tritt dem geschärf-
ten Auge sogleich die fehlerhafte Unabhängigkeit der
Knnstgnmdsätae von dem poetischen Zweck entgegen.
Sapere in meduu res wird vom Epiker gefordert, folglich
ist es schön und musz executirt werden, oh es zum Ein-
druck des Ganzen nöthig ist. thut nichts. Conversaticus-
parti^ gekörten zu den staiken Seiten, welche an den
Ihmzitaisdien Bomanen bewnndert wurden, nnd daher
stört Zesen durch die predrechselten Reden den Eindruck,
den der Leser von den in AÜect beündlichen Personen zu
erwarten berechtigt ist Ganz ebenso yerfa< es sich mit
den Beschrakongen. Es veii^t nnser Geftthl^ dasz die
Liebenden in der Roseniund grade in der Zeit ihres letz-
ten längeren Zusammenseins, da die ihrer Vereinigung
feindlichen Machte die dnrfiendste Haltung annehmen,
sich mit höfischen Redensarten und ellenlangen Vorträgen
über antiquarischen Kram unterhalten. Dieselben Fehler
aber treten uns in der Assenat und im Simson entgegen, in
ktaterem m ganz nnertrftglichem Qrade. . Nicht dasz dies
alles fttr nns arge AnstOsze sind, ist das ans hier auf
histurischem Standpunkt luteressirtiude, sondern dasz es
Dinge sind, die grade ihrerzeit bewundert und hochge-
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— 90 —
halten wurden. Ai istukraitisdie Ziererei und geschinack-
k)8& Cmiotttät, giade die AnswIkekBe, durch welche Zern
die Fr&ehte semee Talentes in immn Augei catwerthet
hat. sicherten ihm ihuiials den Platz in der literarischee
^guteii GeHeilt^chalt" imd machten ihn zum Tonaugeherin
dem Gebiete der JÜchtong, dem eeia» henrerragendsteii
Werlce angehöran.
Die Bedeutsamkeit der Tiiätijrkeit Zesens aher, und
dasz er ^rade durch die eben bezeichneten Chai'aJktei*zhge
Bttiiar ächriftstellerei diese Bedeateamkeit enangi wiid
ms erst recht klar, wem wir, seine späteren Werke eine
Zeit lang aus den Aup:en hissend, in die Zeit seines Auf-
tretens und die Glitte des Jahrhunderts zurückgehen, um
canen Blick auf die ttppige Saat m werfen, welche aof
dem Ten ihm eben betretenen Gebiete henrersprieszte.
"Wir bemerken von den vierziger .Jalu*eu an nicht alk^in
eine ungemein eitrige Thätigkeit in dei' ii^rzeugung von
Unterhaltongslectire nach dem neuen feinen Ciesckmaekt,
sei es durch Uebertmgungen ans fremdem Spraeken, sei es
durch allerdings seltene eigene Werke deutscher Schrift-
steller, sondern es genügt auch nm* wenig Aufmerksam-
keit, um das Yoirwiegea aristokralascher Eknente dentUek
wabrziinahmen. Vomefam wie die Werice sind auch meist
die Verfasser, und am thätigsten sehen wir in der l^nter-
stützung Zesens bei seinen Bemühungen um die vomehme
Unterhaltnigsliteiatur daeiienige Gruppe Ton Diohten nni
Scfariftstelliam, welche ctte wnelune Zieserei am weitesten
trieb und in das Exti-em kindischer Tändelsucht damit ge-
nethy nfluüich die JSümbeiger^*) an ihrer &ipita»den Chor-
agnn Harsdteffev.
*) Vergl. J. Titfmann. Kleinere .Schriften. Erster TheÜ. Die
Nttnibeüger Dichtenobnle. CtötUogen 1047.
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— yi —
SeiDid i^eliöngkeit der vob Zesen gesüfteten
deatschfeBiiuiiteiL GenoisenacliAft nod aein mit
Zeaen in der finchtbriiigenden Gesellschaft weisen
üuszeiiicli auf diese Veruaudtschaft des Geschmackes hin,
die persönlichen BezieUiiagen beider Aiänner mögen durch
Zesens Eitelkeit und Phantastereoi allerdivigs leicht haben
gestört werden können.')
Aber auch bei den Unterhaltmigsschrütstelleru jeuer
Zeit, die nicht voll und direct zu der Nürnberger Schule
gehören, lassen sich Beziehungen zu Zesen nnd den Peg*
nitÄSchäfera häufig bemerken, und wir sehen hier nebenbei,
wie sich um die Mitte des Jahrhunderts und wenig nach-
her noch die Yornehnie Welt nuch Mittel- und Süddeutsch-
lands an der Ausbildung nnd Anfhahme des heroisch-ga-
lanten Romans eifrig betheiligen zu wollen schien, wäh-
rend später durch die Weike des JBuchhultz und seines
Dnrchleuchtigan Fachgenossen diese Gattung bei weite-
ren Schritten zu ihrer schftrf^n Ansprftgung einen Charakter
annahm, der sie als ein Gew ächs des Nordens und Ostens
unseres Vaterlandes erkemien läszt.
Es zeigt skh darin ein interessanter Contrast, dasz
«ich grade neben Zesen, dem doch &st von i^n Dichp
lern des XVII. .Jahiluuulerts Puesie und Schriftstellerei
am meisten Lebensberui und wirkliche Herzenssache war,
die Leute stellten,^) bei dane» sich die henrsehende Zeit-
ansiclil, welche die Poesie als blosze ▼omehBL-aiist&ndige
Nebenbeschäftigung wollte gelten la.ssen, am schärfsten
nnd widerwärtigsten kundgiebt* Wenn sdionk Oj^tz und
^) Vergl. Zeltner. Theairum tnrorum erudUormn unter Sesen.
Ein aus Utrecht 20. Dec 1H44 datirtes Lobgedicht Zesens auf „den
Spielenden" findet skk im V. Theile der Gesprechsiitol« unter Kro. XL
^) Vergl. Tittuum S. 28. Viele Bmivngetk wxa Zeeea «Mit
im Fiygiez Aeness.
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— 92 —
seine nftchste Umgebung die Poesie auf yornehmey gelehrt-
höfische Weise ansznftben sich hemOhten, so stellten sie
sich doch noch nicht als voniehme Leute der Poesie
gradezu herablassend gegenüber und blieben fem von dem
ebenso bmtalen wie Mvolen Dünkel^ der da meint, das
Edelste und Schönste sei grade gut gemg zum vSpielzeng.
Diese Wendung zu nehmen, war den Nümbergerii vorbe-
halten. Der durchg^endste Gharakterzng in Harsddrtfers
Schrifkstellerei ist der, dasz er die Gonseqnenzen Ton dem
Verhältnisz zieht, in dem er sich zur Kunst erblickt, d. L
er ist der vornehme nnd angesehene mit ernsten, wich-
tigen Pflichten als Lebensberuf beladene Mann, die Poesie
ist der anständipre Zeitvertreib seiner mtiszigen Stunden,
und als solche behandelt er sie durchweg. Unterhaltung
ist ihr Zweck, die Geselligkeit seiner Zeit nnd seiner
Standesgenossen ist ihr Boden nnd Lebensgebiet, ans dem
ihre Eigenart und ihre Gnindgesetze eigentlich hervor-
gehen. Auf dieser Grandlage fuszt sein Poetischer Trich-
ter, der die Poesie so angreift, wie bentzntage sprach-
meisterliche Charlatane eine fremde Sprache, die sie in drei
Monaten richtig sprechen und schreiben lehren, von diesem
Standpunkte ans sind seine Ars apophthegmaüca und seine
Gesprächspiele erklftrßch, solchen Zwecken dienen seine
Schauplätze, kurz dies ist das A und das 0 seiner Schrift-
stelierei. Und es ist nicht anbemerkt za lassen, dasz man
diese Anffiusnng der Poesie anch aaf andere Gebiete geistigen
Lebens übertrug. Harsdörffer schrieb Matliematische Er-
quickstunden, welche in vielen andern schönen Dingen,
die die damalige Zeit hervorbrachte, ihre Analogien finden,
nnd dadurch eine iiterarhistoriscbe Wichtigkeit bekommen,
dasz sie uns die Kreise in ihren Anschauungen und ihrem
ganzen Treiben begreifen helfen, welche Xanst, Wissen-
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— 93 —
Schaft und Beligion zum Sport machten, denn ron einem
gesanden nnd achtbaren Streben nadi Popularit&t kann
hier nicht die Kede sein. Dasz man diese Dinge aus Vor-
nehmheit mit so wenig Ernst betrieb/) ist eines der tiau-
rignten Zeichen davon, wie viel von den edelsten Eigen-
schaften unseres Volksgeistes damals damiederlag. Grade
das aler. was uns in dem Gebahren der Pegnitzschäfer
so widerwärtig ist, machte ihre Erzeugnisse ihrerzeit zu
gangbarer Mttnze. Nürnberg lieferte der Kinderweit ih-
ren barmlosen Tand schon seit mehreren Jahrhunderten,
ein Humur des Geschickes machte es in jener traurigen
Zeit zu dem Hauptstapelplatze des literarischen Spiehseugs,
Denn nicht allein die Nflmberger Schiiftsteller griffen
durch ihre tftndelnde Weise um die Mitte des Jahrhunderts
meiir uachdriuklicli als segensmch in die Entwickelung
der erzählenden Prosadichtung ein, sondern auch iNüm-
bergs Verleger stehen in Bezug auf die Yervieltältigung
der zu unserer Gattung gehörigen Werke obenan in
Deutsclilaud, und es gereicht ihrer Thätigkeit nicht zum
Vorwurfe, dasz sie sich weit über die Erzeugnisse ihrer
Schriftstellemden nächsten Landslente hinaus erstreckte.
Doch wenden wir uns einigen einzelnen Erscheinunjren
zu! Unter den zahlreichen Schrillen, welche die Literatur-
geschichten bei Harsdöröers Namen yerzdchnen, verlan-
gen, von dem besonderen Gesichtspunkte dieses Capitels
aus gesehen, nur zwei Uebersetzungen, die der Diana des
Montemayor und die der Diauea des Loredano, eine be-
*) HandOdfors eilfertige und sorglose Art, Ja und mit seinen
Producten zn verfahren, ist mehrfacli bezeugt, (vgl. Amarantes [Her-
degen] historische Nachricht. S. 72 ff.) Wer in seinen Schriften su-
chen wiU, kann leicht viele zum TheU eigÖtsUche Beweise davon
finden.
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— 94 —
sondere Aufmerksamkeit Denn die anderen, swar alle
von Interesse für die Feststellnngr des Charakters seiner
Schi iftstellerei und des Zeitpreistes, aus dem aucli der
heroisch-galante l^»inan hervorging, gehören doch einer
anderen und sehr umüangreichen Gruppe der prosaischen
XJnterhaltun^literatnr an, welche einerseits sich mit der
erzälilenden nur mehr oder weniger l)erüliit, alier keinen
Bestandtlieil derselben ausmacht, andererseits aber auch,
zu den mehr komischen und volksihftmliclien Erzengniflsen
der Prosadichtnng des XVII. Jahrhunderts in einem min*
destens eben so nahen Verliältiiisse steht als zu der Gat-
tung, mit der wir jetzt zu thun haben. Daher lassen w ir
die ganze Masse der TerscMedenartigen Erqnickstunden^
Schauplätze, Bhnnenfelder, ^ieermc, Lustgärten u. s. w.
jetzt noch links liegen und lialten uns im (ianzen nur
an die wirklichen, das heiszt als solclie mit dem Ansprüche
auf Anerkennung als knnstgemftaze epische Prosadichtungen
heroischen oder pastoralen Inhalts auftretenden Romane.
Die Hai-sdörtfersclie Diana ist bereits im VIIT. Ca-*
pitel eingehender besprochen worden, w as aber die Diaiiea
betrifft, so m&ssen Harsdörfiers Verdienste um die Em-
führung dieses Romans in die deutsche Literatur uns min-
destens liöchst zweifelhaft werden. Denn es ist mir nicht
allein unmöglich gewesen, ein Exemplar dieses Buches
au&utreiben,^ sondern es ist auch die gröszte Wahr«
' scheinlichkeit vorhanden, dasz HarsdOrffer niemals die
Dianea des Giov. Francesco Loredano. eines Mannes, der
in Italien und Venedig eine ganz ähnliche KoUe spielte^
wie er in Deutschland und NQmbwg, übersetzt hat^
*) Das hn Scheiblcsrhen Catalog Xro. 82 nnter Nro. 401 ver-
seichnete, jetzt im Besitz der Kaiserl. Bibl. zu Straszburir, licirt mir
Tor, ist aber die Dianea Dietiiclis von dem Werder vom Jalire 1644.
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firsteas ntalioh felilt diese Arhät in dem Verzeietaisse seiner
Scbriften, weldies HarBdöitfer vor dem dritten Theile sei-
Ties Poetischen Trichters priebt. ntid es wäre sehr aultalleiicl,
wenn der aut seine allzeit tertige Productivität selu* eüi-
geliUdete Mann dieses Buch ausgelassen, dagegen «He
mbedentenden klemen Gelegienheitsschriften erwtkiit hätte.
Zweitens fehlt in der Dianea Dietriclis von dem AVenler
jeder Hinweis auf eine frühere UeberseUcimg, und es w&re
wiedermn selir anffailend, wenn der „ VielgekOmte^ seinem
„Spielenden** Gesellseliafter ntebt einmal die Ehre der Er«
wähnung angethan liätte.' ) Dasz die Nichterwähnung einer
Hiirsdörtferschen Dianea iu dem Biieiwecbsel Hai'sdöilfers,
Bietiicbs und anderer Zeitgenossen nnd Mitstrebeiiden als
ein wichtiger Hilfsbeweis für meine Yermnthnng hinzu-
kommt, wird jedem einleucliten, der diesen Briefw ei lisel,
wie er uns in den verschiedeneu Büchern über die Fmchtr
l^ringende GeseUschafl «nd die Pegniteer vorliegt, kennt
Auf das Fehlen der Dianea in den Vereeiehnissen, die
andere vor Amarantes- Herdegen von Harsdürtiers Schriften
geliefert haben, würde Herdegens ausdrücklichem Zeug«
usz gegenüber nichts zu geben sein, und auch 4te ande-
ren angeführten Yerdachtsgründe würden durch dieses
Zeugnisz sehr gescliwäiht werden, wenn die angeblich
von Harsdörifer gefertigte und 1684 in ^Nürnberg ersehie**
neue Uefbersetzung der Dianea, yon Jtkr Herdegen*) sagt:
„Es ist nicht zu wundem, dasz einige Gelehrte, die sonsten
der Schritften unsers sei. Herrn Harsdörfer Erwähnung
gethaa und solche fleissig zusammen gesuchet, gleichwol
in ihrem Verzeichnis diese Uebersetzung nicht angezeiget,
') Vergl. auch Bifcken tai der Vor-Aan^ndie nr Anunena.
Seite 5 in der I. Aus^.
*> Htotor. Nachricht S. S9 ff.
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— 96 —
wcdl er seinen Nahmen nicht beygefttget^y nicht eben —
die üebersetsung Dietrichs von dem Werder wtlre. Denn
d&s der vermeintlichen Harsdörltei-schen Dianea vorauÄ-
gehende Sonett (Was übetreicher Wehrt mag Dianea
gleichen? n. s. w.)f welches Herdegen zum Glflck mit-
theilt, steht vor der A\'erdersclien Dianea in beiden Aus-
gaben und bezieht sich auf die eine Purpuminschel zei-
gende Vignette derselben. Die Entstehung des Irrthoms —
dies masz znr Ehre Herdegens gesagt werden — ist aller-
dings sehr leicht zu erklären. Er verwechselte Diana mit
Dianea, femer verlas er die Zahl MDCXXXXIV (nicht
MDOXLIV) anf dem Titel der ersten Ausgabe von Wet-
ders Dianea, und endlieh liesz er sich von dem Briefe
Loredauos an Harsdörfier, in Aveichem allerdings die Dia-
nea gar nicht erwähnt wird, täuschen.') Das Gesagte
giebt uns jedenfalls das Recht, vor der Hand so lange
von der Dianea Dietrichs von dem Werder als der ersten
und einzigen Verdeutschung des italienischen Originahi zu
reden, bis die HaisdörffiBrsche Namensschwester wirklich
aul'taucht. womit es wohl gute Wege haben winl.
Die Dianea des D. v. dem W^erder erschien also, wie 5>chou
gesagt, das erste Mal zu Nürnberg 1644, 8® und es ist
nicht zu leugnen, dasz sie viel zur Aufiaahme und Ent-
wickelung des heroisch-galanten Romans in Deutschland
beigetragen hat Der Werth des Baches kann uns Mel-
lich dies nicht erklären, denn es ist eine sehr wenig ge-
schickte und unglaublicli deutliche Nachahmung der Ar-
gem»^), bietet die gewülmlichen Eequisite de^ hei'oiöcU-ga-
') Auf die Beziehung üfid Bedcntuni^ dieses an aich interessanten
ActenstUc-ke» einzugehen, ist hier nicht der Ort
=) fenier elienda 1671. tfK
Leider vermag ieh einen sicheren Nachweis Uber das Jahr der
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— 97 —
lanten Romans als fintfühiauigen, staunenswerthe Helden-
thaten, angenomiiiene Namen^ Verkleidiiiigeii, Erkemnmgeii,
imd enthfilt viel Zeitgeschichtliches, so behandelt, wie es
freilich Barclay niaimermehr würde gemacht haben, näm-
licli als möglichst treue Copie der Wirklichkeit mit nur
anagrammatisch yerftnderten Namen. Aber es kann kein
Zweifel darüber sein, dasz das Bnch grade dämm dem
coriüsen Zeitgeschmacke sehi' gemäsz war, und ganz be-
sonders mochte die eingeflochtene Gescliichte Wallensteiiis,
welche übrigens ihren Platz in der Dianea nicht dem Uebei^
Setzer,*) sondern dem Verfasser verdankt, in Deutschland
interessiren. Der Inlialt der Dianea verdient niclit. dasz
hier melu' darüber gesagt werde, von Interesse düi*fte
aber sein, was Dietrich von dem Werder über die Art
sagt, wie sie gelesen werden solle. ^Schaae nnd beschane''
heiszt es in der Widmung-) au Curt von i:5urgsd<)rrt', „dieses
schönste Fürstenkind zum öftern. Das erstemal k an nur
anf den Lauf der Gfeschichte; das zweyt- nnd drittemal
anf der Rede Fertigkeit / und der Sachen artige Beschrei-
bung genaue Acht gegeben werden. Das viert- und mer-
mal aber müssen die Gedanckeu auf tiettere Verstandnüsse
gerichtet seyn. Dann diese nnd dergleichen froiiche £r-
ersten Ausgabe des italieni<;chen Originals nicht zu geben,
aber auch an?i chronologischen Gründen musz das Bnch nach
der Argenis erschienen «ein, denn lfi21 war Loredano IT) .lahr alt.
Gi ä^J/es Anpfaben in der L. G. 3, 2, 54 f. sind mehr als ungenau. Die
Biographie universelle gieht li\'M\ als das Jahr, wo die Dianea erschie-
nen Hei, bezeichnet das Bach aber falsch als eine Sammlung von No-
Yellen.
•) VergJ. Koberstein II S. 183. Gervinus II, 8. 504. — Fle-
mings deutsche Ged. hersgeg. v. Lappenberg. (Stuttgarter Bihl. IT, 770.)
*) Die Unterschrift „Ich rede dir von Trewe" i^t das Ana-
grainm de8 Uebersetzers.
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findungen halten oft Geistreiche Weisheit / furti efliche Kaht-
aehUige / samt hohen Gtoheunnussen wichtiger Stadsachen /
in sieh verborgen / und pflegen mit / nichtgemdner / lieb-
lichen Belustigung / unter der Schale der Fabeln / viel war-
hoftte Greschichte l verdecketer Weise / mit eingewickelt zu
füren.« •
Zwei Bücher, welche zwar fast gar keine Erzählung
bieteUf aber doch hierher gehören, weil sie durchaus fer-
tige und ausgearbeitote Beguisiten des heroisdi-galanten
Bomans, nftmlich Musterstficke heroisch-galanter Rhetorik
liefern, sind Augspurgers Arnalte und Lucenda und die
von dem Uebersetzer von Fach W. von Stubenberg ver-
deutschten „Geschicht-reden** oder „Freywülige Gem&ths-
Schertze** des schon genannten Loredano. Es giebt keine
zwei Bücher in der ganzen deutschen Literatur des XVII.
Jahrhunderts, welche deutlicher als diese zwei Ueber-
setzungen erkennen lieszen, wie hoch man eine völlig
hohle, übertriebene und geschmacklos spielende Rhetorik
schätzte. Arnalte und liUcenda verleugnet durch das
steife und verstiegene Pathos seinen spanischen Ursprung
so wenig wie die Geschicht-reden ihren italienischen durch
ihre tändelnde Phrasenhaftigkeit, der es als das Hücliste
gilt, möglichst viele verschiedene rhetorische Piguren in
einen Satz zusammenzudrängen. Der Spielende (Hars-
dörfter) hat nicht unterlassen, dem Werke des Unglückse-
ligen (Stubenberg) in einem deutschen und einem lateinischen
Gedichte das Geleit zu gehen.') Paris von dem Werder,
') D. r \un seiner Liebsten VBELGEHALTENE A3IANT Oder
AUNAJjTK viul LUC1"'N1)A , . . durch A. Au^spurj^eru. Dreszden
1642. 8*' ist nadi (Ifiii Titel erst in griechischer Spracht', dann spanisch,
dann frunzüsiscli, daun italicaisdi, duim hocbdeutäch gegeben worden.
Vergl. auch Goed. Grdr. 469.
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der Sohn Dietrichs, gab swmnzig faeroiBche hochdeutsche
Frauen-Eeden, übersetzt aas dem Französischen dei' Öcu-
d6ri, heraus.*)
Mehr nehmen unser Interesse die folgenden Btt*
eher in Anspradi, wdehe ans dem Auslände oder
vom Alterthum bezogen wurden, um demselben Geschmacke
Nahrong zubieten, welcher die Bosemund, die Assenat und
den Simson erzeugt hatte.
Ganz nabe neben Zesen und die Nürnberger, jenen
in „cäj>ianischer Schieibart'* noch ül)erbietend, stellt sich
Dionys Lesman (Salemyndonis) mit seinem Frvgier Ae-
nans, der sich sowohl in Gestalt einer „Gesehichtschrift*^
wie eines Tranerspiels präsoitirt und hei nach Virgil er-
zählt wird.*)
Wohl etwas früher als dieses halbselbstäudige Mach*
werk, erschien die erste deutsche Uebersetzung der Ariana,
die von den hierher gehörigen Werken jedenfaUs das wich-
tigste ist. Dies zeigt sich schon darin, dasz bereits ein
Jahr nach der ersten Verdeutschung eine zweite bessere
▼on G. A. Bichter erschien und noch imAnÜGuige des XVIIL
Jahrhunderts Talander eine neue Ueberarbeitnng (der
Die Verdeutschung der Scherzi genicUi des Loredano von Stuben-
ber^r liegt mir in einer Ausgabe, Nürnberg 1652, 12*'. vor (Kngl. Bibl.
zn Breslau), eine andere erschien Nürnberg IHHl. K'. (Kngl. ö. B, zu
Dresden.) Die erste liede hielt der (Uber Patroklus Tf»*!) „wüttende
Achilles", die zweite die , verleumdete Agrippina", die dritte der , ver-
liebte Antoninus Caraealla**, die vierte der „wehmüthige Cicero", dieser
folgen die ^Eifersichtfgc Ennone" (die Ueliebte des Paris Oenoue) und
die „genohtzüchtigte LiK retia** u. s. f.
*) Naumburg lür)4 (Kgl. ö. B. z. Dresden) und 1659.
Stargard. o. .T. 12". — 1()58. 12". Die Ausgabe o. J. liegt
mir vor, doch steht das Trauerspiel (vergl. üoed. Gr. S. 482) am
Anlange. Koch, welcher den Yei-fasser einen Z&slaner nennt, bemerkt,
dasz die zweite Auflage den Titel führe .Nea eingekleideter Dentseher
Tirgiiius aaoli Art der Artaa» imd Araidia.*
7*
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— 100 —
ersten) unternahm.*) Die Bichtersche Uebersetznng wird
▼on einem Gedicht des Andreas Giyphios, worin er seine
Eusebia, die eine Schilderung der politischen und kirch-
lichen Wirren ^seiner Zeit enthalten sollte, der Ariana fol-
gen za lassen verspricht» empfohlen, und diesem reiht sich
ein zweites (yon J. G.) an, welches mit einer ausdrück-
lichen in einer Anmerkung gegebenen Hinweisung auf die
erste deutsche Ariana die gewaltsamen orthographischen
Nenerongen nnd die Ueberf üllong der deutschen Sprache
mit Fremdwörtern beklagt Hieraus ergiebt sich, dasz
man die Ariana mit der Argenis und Dianea in eine ( 'lasse
setzte wegen der darin enthaltenen politischen Weisheit,
nnd dasz der erste Uebersetzer wenigstens auf einer Seite
durch Zesen beeinfluszt war. Ihrem Inhalt nach ist die
Ariana weit mehr als die Argenis ein heroisch-galanter
Roman vom reinsten Wasser und verdankt ilu« Beliebt-
heit beim groszen Publicum ohne Zweifel vielmehr der
stark gewürzten Nahrung, die sie der I^iantasie bot, als
der von den Nachdenklichen gewünschten Staatsweisheit
und den von den Curiüsen gesuchten und gefundenen zeit-
geschichtlichen Anspielungen. Die Verwandtschaft mit der
Asiatischen Banise fällt immerhin mindestens ebenso in
die Augen wie die mit der Argenis. Der Schauplatz ist
') Das fruufiriadie OiigiMl ist von BesmuBtSi endiiMi ment
la Paris 1632 und erlebte viele Auflagen. OxttsM (L. Q.) erwähnt
eine niederlämlisuhe Uebersetznng 1658, mir liegt eine von 1641
(aus der Breslauer Stadtbibiiothek) vor. Die deutschen Ausgaben sind
1) Frankfurt 1643 (uicht mehr vorhanden ?). — 2) die Kichtersdie,
Leyden 1644. 12". — 3) eine neue Auflage derselbeu. Amsterdam.
Dan. Elzev. 1659. 12«. Vergl. Schottel A. A. S. 1205. — 4) eine
neue Auflage von Nro. 1. Fraukf. bei H. v. Sand 1667". — 5) die nach
dieser verbessernd bearbeitete v. Talander. Frankf. bei M. v. Sand
1708. S*\ Vgl. hierüber (la?< zweite Gedicht vor der Ausgrabe 1644
und die Vorrede der Talanderschen. Auszog d. K. 17bO. ii^vr.
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— 101 —
zunächst liom, die Zeit die der Regierung Neros. Zwei junge
Syraknsaner, Melintes und Palamedes, kommen nach Born,
jeder Iftszt in (Syrakus eine Geliebte znrOck, der treue
Melintes die Ariana, die Schwester seines Freundes, dieser,
der sich zu Melintes verhält wie Galaor zu Amadis, die
för eine SdaTin seines Vaters gelt^de Epicharis. Ein Lie-
beshandel des Palamedes mit der BOmerin Camilla, deren
Schwester Emilia den Melintes liebt, zieht beiden Helden
Wunden zu. Ariana und Epicharis erscheinen infolge
dessen ebenfalls in Rom. Um jene in die Gewalt eines
GflnstUngs des Kaisers zu bringen, wird der Brand der
Stadt in Scene gesetzt. Nachdem die Liebenden dennoch
glücklich nach Syrakus zurückgelangt, entstehen neue
Sehwierigkeiten durch den Vater der Ariana, der sie, an-
dern Sinnes geworden, dem Korinthier Pisistratus Termäh-
len will. Auch die verschmähte Emilia intrikirt gegen
Melintes und bringt ihn in Epiruä beinahe mit eigener Hand
um, Iftszt sich aber yon ihm zur Eingehung einer anderen
Ehe bestimmen. Den Höhepunkt der Spannung erreicht
die Geschiclite in Thessalien, wohin zuletzt beide Helden-
paare gelangen und wo ein Einiali der Scythen Gelegen-
heit zu Heldenthaten und Verwickelungen giebt Ananas
Vater erOfl^et sterbend dem Melintes, dasz Epicharis seine
Schwester sei, wälirend aber auf diese Weise das Hinder-
nisz der Verbindung zwischen Palamedes und Epicharis
hinwegger&umt wird, geräth Melintes noch in eine letzte,
höchste Gefahr. Um die entführte Ariana zu befreien,
beginnt er trotz dem strengen Verbote einen Kampf, in
dem er einen glänzenden Sieg davonträgt, dafür soll er,
nachdem ihm die Ehren des Siegers erwiesen, geopfert
werden, eine Situation, welche nur Ziegler zu flbertrumpfen
Terstanden hat. Der zur Vollziehung der heiligen Hand-
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lung bestimmte Priester erkennt in ihm zui' rechten Zeit
seinen Sohn. Zur rechten Zeit kommt auch die Nachricht
T0m Tode dee Kaisen Nero, der die beiden Helden on-
▼ersOhnUeh verfolgte, Melintes wird YicekOnig von Them>
lien, und alles endet glücklich.
Eine Anzalil von Liebes- und HeideDgeschichten nach
der allemeneston Mode worden mn diese Zeit ans der itar
lienischen Literator entlehnt, nachdem Dietridi von dem
"Werder durch die Dianea den Weg zu diesen Schätzen
gewiesen hatte. Ihm folgte J. Helwig mit einer Ver-
deatschung des Ormondo y<m Francesco Pona,*) eines klei-
nen heroisch-galanten Romans, den man anch als eine
Zusammenstellung von abenteuerlichen Novellen in einem
eben solchen JEUhmen bezeichnen kann. Der Spielende und
andere Ordensgenossen stenerten Eärengedichte bei, ge-
widmet ward die Uebersetsang dem nachmals bertthmteren
Fachgenossen Helwigs, dem Herzog Anton Ulrich von
Braonschweig. Die Dai^tellung erinnert sehr an den
Schwulst PaUavicinis, Loredanosnnd anderer Italiener die-
ser Zeit Helwig glanbt das Original dadurch ftbertroffen
zu haben, dasz er an einzelnen Steilen Verse mat^-ht. diese
metrischen Stückchen sind aber so kurz und unbegründet,
dasz sie sich recht lächerlich ausnehmen.
Hierher gdiQren auch die beiden schon oben yoraber>
gehend erwähnten A\'erke Ferrante Pallavicinis, bansone
«) Frankl\ 1»>48. 12". — ebenda 1658. 12". — ebenda 1666. 12«. ~
vgl. Schottel A. A. S. 1183. öräsze tr. s. v. Pona verwechselt den
Ormondo, welcher ein richtiger histori!»oh-galanter Roman ist, mit
desselben Schriftstellers Lmrrna <h KureUi Misoncolo, einem satirischen
Dialoge zwischen dem Autor und der Lampe desselben, in welche
eine Seele gefahren ist, die früher einen Bären, die Cleopatra, einen
Hund and andere Wesen bewohnte. Dm ital. Original des Ormondo
mslitflii sa Padua 16S5 und Iffter.
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- 103.-
und Talidea. Das enie (kbmetzte Stabenberg*), das
andere ein Ungenannter.^)
Aas Stubenbergs emsiger Feder flössen noch von
yier italienisclien Bonumen UebersetzongeOi der Wett>
streit der Verzweifelten»^ der Prinz KaUoandro,^)
der König Demetrius^) und die Eromena,") die alle
von Zeitgenossen des Uebersetzers verfaszt wur-
den. Die Stratomca Yon dem Verfasser des Demeüiiis
ftnd in J. L. V. A. ihren TJebersetzer.') Erst am Ende
seint^r schriftstellerischen Laufbahn wandte sich Stuben-
berg dem heroisch-galanten Roman der Franzosen zu, in-
dem er die Glelia der Sendöri übersetzte.^)
*) nach Goedeke Gr. S. 505. Wo und wann Stubenbergs Ver-
deutfichmig erschienen, weisz ich auch nicht anzugeben, da die bibliogr.
Handbücher darüber nichts enthalten. Von Schottelius Anst A. S.
1173 wird Stabenbeig als Uebenetier gelobt.
^ Pnudcftart bei J. G. Schiele ISSS. 8^. Der Itallenlaohe Text
beider Bomane liegt ailr vor in den Opere pmneste di F. P. Vmeäa
16fi&
Frankf. 1651. l^. — ebenda 1706. 1^. — Das Original Ton
Glov. Ambros. Marinl erschien Milano 1644. Auszug d. R. 1779. Mars.
*) Nürnberg ISSl. 12^ — ebenda 1656. 12*\ — ebenda 1667. 12<*.
— Das Original Ton demselben 3Iarini erschien (tiräsze tr.) zuerst
1640. Auszug d. R. 1779 OcL Eine deutsche Bearbeitnng von Völ-
lens BerUn 1796. II.
^) Nürnb. 1653. 12". — Das Original Ton Lnca Assaiino oder
Assarini erschien Bolog-na 1643.
•) Nürnberg 1650 (nach Koberstein § 212, 26). — 1656-59. 12«.
— ebenda lßB7. 12". — Das Orij^inal von Bioudi erschien zu Rom 1631.
Amsterdam 1663. — ebenda 1666. V29. — Jena 1675.12«.
— Das Original erschien Yenezia 1635. 12". — Wahrscheinlich ist der
zu Frankfurt 1668 erschienene Roman Almerinde (Goedeke ür. 507.)
eine Uebersetzung von A.s.«erinis Almerinda, Boloi^na 1640.
•) Nürnberg 1664. VIII. 12u. Nach einem v« rausgeschickten
Gedicht ist Stubenberg vor der Herau.sgabe gestorben. Witte Diar.
biogr. tum. II. S. 150 setzt seinen Tod 1. Mai 1688, wozu an bemer-
ken ist, dasz auch die Angaben Wittes über Stnbenbergs Werke sehr
ungenau sind. So macht W. ans dem Demetrius and den Franen-
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-^104
Die Uebersetzungen spanischer und französisclisr No-
yellen, yon denen einige schon um die Mitte des Jahr-
hunderts entstanden, stehen zu der Entwiekelnng des ko-
mischen Romans in näherer Verbindung als zu der „ernst-
haften" Art, weshalb wir sie jetzt noch zurückschieben.
Dagegen müssen wir auf den nftdisten Verwandten des
heroisch-galanten Romans, den Schäferroman, welcher sich
uns in Zesens Ro.semund ^venigsten^ als Episode präsen-
tirt und durch dieses vielgelesene Buch an Ansehen ge-
wann, einen Blick werfen. Wie leicht sich der schäfer-
liche Geschmack dem heroischen gesellte, haben wir in
der Fremde schon an der Astree, ja schon am Aniadis waiir-
genonunen. (Vgl. S. 48. Anm. 2.)Sehr ausführliche Besprechung
yerdienen die von Deatsdien ver&szten schftferiichen Erafth-
lungen, welche gegen die Mitte des Jahrhunderts zugleich
mit der Blüthe der Schäferpoesie überhaupt, wie sie die
Kumberger dai^tellen, auftreten, nicht. Denn sie sind
durchweg ohne jedes poetische Verdienst, ohne Gedanken-
gehalt, (ielej^enheitsschreibereien der gewöhnlichsten Art,
epliemere ^iodeartikel wie die Spitzenkragen und Schuh-
schnallen der damaligen distingoirten Kreise, in gezierte
und doch rohe Form ge&szte und schlecht maskirte Be-
gebenheiten aus dem gewöhnlichen Leben.
Durch Opitzens Hercinie fühlte sich ein Landsmann*)
desselben, der sich wenig geschmackvoll G. G. Y. G. A.
simmer>Beliutigiingeii (UeberseUong yon Grenailles, Lt filamr de»
Domes Paris 1641) DemtMi BecreoHonea nnUiebres. Diese sowie ei-
iiige andere Uebexaetcimgen von St (vgL Gtoed. Or.) gehören nicht
hierher.
Wenigstens ist dies aus dem Anfange, wo die Provinz Elai-
aien in Magemia und der Floas Erado als Localitäteu bezeichnet
werden, sowie ans der Datirung in den Ausgaben von 1641 n. lt>46
m Termnthen (siehe die folgende Anm.). Dass Elsisien in Birckeni
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— 106 —
S. D. D., sonst Sehindschersitzky geheisseii", unterzeichnet,
zu der Schäfferey von Amoena und Amandus*) begeistert.
Der Verfasser war ein echter Opitzianer und ein Cavalier
comme ü laut, ersteres zeigt er nicht nur durch seine ganze
Schreibart, sondern auch dadurch, dasz er den berOhmten
Landsmann als den Stifter der deutschen Poeterey bezeich-
net, .seine Aussprüche oft citirt und sich dii'ect auf die
Hercinie bezieht, letzteres dadurch, dasz er „den schmach-
süchtigen Zoüus" zum Zweikampfe mit der Faust sowohl
als der Feder herausfordert.*) Der Opitzischen Hercinie
Friederfreueter Tentonie «der Landgrafschaft Elsas" (Nothwcudiger
Vorberidit) bedeutet, beweist hiergegeu nichts. Soliindschersitzky für
den wahren Namen des VerÜMsers sn kalten, verbietet eine Stelle
in der V«>ne(le.
Mir liegen di-' Aus^^aben o. J. Königsb. 8" (Musikalische
Neu-erbauete S.) nml die \on 1645 Leyden, Franz Heyer 1645. 12*'.
vor. Die Vorrede in dieser ist unterzeichnet der scb. A. Behau-
sung zu R. im Jahre 1635", jene ,iu der A. Behausung zu H. im Jahre
1641', beide .>tiiiniieii in den 8. Buchstaben und dem Namen Sch.
überein. Die Xünit^.sbfTi^er Ausgabe ist , etwas in der {gebundenen
Rede corrigirt", mit Noten beilagen versehen und durch eine Anlei-
tung: zu deutschen Brieten vermehrt. Andere Ausgaben sind nach
Goedeke Grdr. 505. Leipzig 1632. 8° (durch S. S. D. D.) — 1635.
8P. — 1642. — Amsterdam 1659. 12° Hamb. 1661. 12«. Hierzuist
zu bemerken, dasz auf dem Biidtitel der Heyersihen Ausgabe die
Jahreszahl 1642 steht und der Haupttitel den durch nichts erklärten
Zusatz »übersetzet durch A. S. D.D." enthält. Die Ausgabe v. 1661
ist eine stark veränderte Umarbeitung mit mehr Personen, wie dttr
Titel (Bnch Koch, Comp. S. 248) anzeigt.
^ In der Yomde an den freondL Leser (In der Avegnbe tob
1645), welche in der KGuigsberger Anegabe fehlt, heifot es: Ich habe
hlerlmien, eoTlel mir meine wenige VnfermllgeBhelt erlaubet, Opltf 1-
nieeher Art im Sehreiben angehangeo, Tnd aoff Oeheiei seiner Pro-
sodi, alle Lateinische lYomlna in jhrem NondnatlTo gesetiet, welebes
du mir nicht Tor eine Ignorants beymessen wollest* VeigL Gervi-
nns in» 60S. An Eolenspiegel erinnern hOehstena einige Tolksthfim-
liehe qwichwOrtliche Badensarten, das game Bneh iat Opitiianiseh wie
irgend eins.
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— 106
unähnlich beschiltigi sich der Inhalt, soweit er überiiMpt
ersahleBd ist, mit einer im Sande verlaafenden Liebesge-
schichte. Amoena ist kalt gegen alle Liebeswerbnngen,
sie hat einen Traom, welchen ihre Hofmeisterin Dulci-
mnnda dahin ansieht, daas anch sie lieboi werde. Hier-
fiber ist sie sehr erzürnt, kaum aber begegnet der „Nimfe'*
der Schäfer Amandus, so geht der Traum in Erfüllung,
nnd zwar so vollständig, dasz sie an Amandus schreibt
nnd ihn znm Rendezvous bestdlt. Den nächsten Tag traf*
fen sie sich wieder auf der Weide, den darauf folgenden
erwartet er sie schmendichst umsonst, da ihr Vater von
einer Reise plötzlich zurückgekehrt ist Bulcimnnda kommt,
sie zu tiiitscliuldigen, war er doch eine Nacht im Freien
geblieben und von „Molosseni'' augefallen worden. Die
Liebenden werden getrennt — die näheren Umstände an-
zugeben, hat Amandus dem Ver&sser verboten. Philippua
besucht den Amandus, welcher sich in Sehnsucht zu ver-
zehren droht, hält eine Rede gegen die liebe, Amandus
widerspricht, kommt aber dodi dann von seiner liebe ah
und spricht sich in Versen hierttber aus, wie überhaupt
den Gesprächen viel Verse, theüs eigene des Verlassers»
theils Gitate, beigemischt sind.
Die Geschichte von Ooelinde und Corimbo') mag nur als
ein Machwerk derselben Classe genannt werden, obgleich sie
einMitglied der Fruchtbringenden Gesellschaft, Friedrich von
Drachsdorf (den Bestendigen) zumVerfasser hat. Sie ist noch
*) Mir liegt nur eine Aufgabe, Leipzig 1636, ^ vor (Wialw
Tags Schftfferey Von der sdhOnen Ck>eUndeii Vnd derselben erg^ebenea
Sefaftilinr Corlmbo. In der Bveslaner StadtbibliothelL) Nach dem
Sehwabeschen Kataloge Nu». 18188 mnu das Werlt soweit Anklang
geftmden haben, den der «Beitendige* es seiner in der Vorrede gege*
benen Verheiszang geaiftss Unrtgesetst hat, denn 1847 sind an Dres-
den »die vier Tage n. s. w.* eneliienen.
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— 107 —
unbedeutender als die vorige, wenn auch aospracbsy oller im
Tone imd in der Auaachmttckiuig.
Von gans fi^mlichem Schlage wie Amoena und Aman«
dtts ist „Die ver>\^tete vnd verödete Schaferey y Mit
Beschreibung desz betrogenen Schäfers Leoriandera Von
seiner vngetrenen Sch&ferin Perelina.^^) £in allzu ver-
traaensseliger GavaKer yerliebt aidi in eine jonge Dame^
die ihn weidlich zum Besten hat und in den unruhigen
Zeiten des dreis^igjährigen Krieges, von denen uns an
einigen Stellen ein siemlich lebhaftes Bild entgegentritt,
genügende Gelegenheit findet, ihrer Neigung zn Tertrantem
Umgange mit dem anderen Geschlecht nachzuhängen.
Endlich, nachdem sich der junge Mann mit ihr verlobt
hat, werden ihm die Angen geöi&iet^ nnd die Qeschichte
▼erltnft sich mit seiner liebe ziemlich matt im Sande,
ganz wie in Amoena und Amandus, welches der Verfasser
gekannt zu haben scheint.-) Die Sprache ist roh und mit
znweilen sogar halb oder &lsch verstandenen Fremdwör-
tern veranstaltet.
Wie Amoena nnd Amamlus, Coelinde und Corimbo
und Leoriauder und Pereliua beruht auch G^org Neumarcks
Oedmckt im Jahn 1042 (o. 0.). Der Titel lautet genau ivle
oben, mit Wfttaenstetna Cofilander hat dieser Leorlander nldite sn
Uran. Yergl. Ckiedeke artindr. S. 505. m Gräsze L. G. VI, 3i0
aauit als Verfasser Matthias Rabe, ohne die Quelle dieser JNotta an
namen, der Held heiszt nach ihm auch unrichtig Coriander.
^ Der Anfang stimmt aoffiallend übereint und auch hier fordert
dar Verfasser, der wesentlich ungebildeter war als sein Vorg&nger,
den «Zoilus" mit den Worten heraus «Als ich nun resolviit bin /
so wol die erzelte Historische actione« / als diese SchrifFtliche factio-
nes vffen fall desz bedai-ffs billiger maßsen vielmelu* mit der Faust
als Feder zu defendiren." Die anagrammatischen Ortsbezeichnungen
wie den Flusz Lasalee, die Adelphischeu Provinzen and die Libanischen
Gebirge luum ich nicht errathen.
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— 108 —
Hirt Füamon auf einer wirklichen Begebenheit, die der
Verfasser im Anftrage Toniehmer Leute „in ein PastonJ
gebracht und die darin stehende Lieder mit Melodeyen
und Symfouien ausgeziert'' hat. Die Gunst der Mode hat
auch diesem völlig unbedeutenden Machwerke drei Auf-
lagen zu Theil werden lassen.')
Endlich sei noch erwähnt Matthias Jonsohns Dämon
und Lisille. An diesen Büchlein kann man besonders
deutlich sehen, wie die Beliebtheit^) derartiger Erzeug-
nisse grade zur Xichtifikeit ihres Inhaltes in einem posi-
tiven Verhältnisz steht Denn die Erzählung ist hier
nichts anderes als eine Angabe von Situationen aus dem
Familienleben für die eingestreuten Gelegenheitsgedichte,
welche letzteren in ihrer Alt nicht übel und ihrer All-
gemeinheit wegen leicht verwendbar sind. Auch hier ist
das Schftferliche nur ein ganz ftuszerliches Geschnörkel und
besteht in nicht viel mehr als idyllischen Namen. ^) Der
Nach Ooedeke Gmndr. S. 452 snent Hamburg 1640 bei J.
Nanmaim. Die Ausgabe von 1648, EOnigsbeig, Peter Händel, 8^
liegt mir tot, deggL der Poetisch-Historisdiie Liutgarten Nenmarckf
(Frankf. 1666. 8^*), worin der «Lieberfrente Filamon" ais Nro. 6. wie-
der abgedmckt ist. Nro. I— V sind poetisclic Erzäblimgen in Alezan>
drinern, nur mit prosaisdien Zugaben. W rgl. Goed. Gmndr. S. 458.
*) Der Verf. hatte den I. Tbl. des Weikchens erst nur fWr grnte
Freunde drucken lassen, dann wurde ein Naclidruck dieses Theiies
mit einem ..abentenerliclien* Titel und unecliteu Zutliaten Teranstaltet,
worauf der Verf. 1665 (wie ans der Vorrede des II. Theils ersichtlich)
den zweiten Thcil erseheinen liesz. Einer jener gnten Freunde (A.
M. D.), welcher sich über den guten Abgang des nachgedruckten I.
TheÜs ärgerte, gab beide Tkeile, allerdings ohne Vorwissen des Verl«
heraus. Diese Ausgabe von 1672. l'J". o. O. (der II. Theil ist mit
1671 bejEeidinet)« welche der KöngL BibL sn Berlin geliOrt, Uegi
mir Tor.
Einen ergötzlichen Beweis, wie weit man in der gans ftnsser»
liehen Anwendung des Schäfergescbmaoks ging, giebt Schupp in sei*
nem •Bachsttchtigen X<acidor'* (o. 0. 1656.), einer Sdirift gogen die Pro
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zweite Tkeil giebt noch eine Beihe Grelegenheitsgedichto
lAme jeden Rahmen. Von den Ungeschieklichkeiten der
beiden säbelrasselnden Theokrite, die wir obenerwähnten,
ist Damou nnd Lisille frei.
Wir können annehmen, dasz noch eine Anzahl Ähn-
licher literarischer Nichtigkeiten ans dieser Zeit hie nnd
da verborgen sein mögen, haben aber nach den angeführ-
ten ihre Verborgenheit oder ihren Verlust kaum zu be-
dauern, nnd noch weniger ist zu glauben, dasz sich, wenn
Alles, was Ton erzahlender Schftferpoesie in Prosa gedruckt
worden ist, uns l)ekannt wäre, das Gesammtbild des deut-
schen Originai-iSchäierromans wesentlich ändern würde.*)
Uebrigens ist sporadisch auch noch später solche Litera-
tur aufgetreten, wie die ^wunderbare Liebesgeschichte des
Schülers Floridor mit der Florentine" (Frkf. u. Lpz. 1753)
beweist, dasz mau auf diese Form noch nach hundert
Jahren zurtlckkommen konnte.
Aus den eben angeführten Erscheinungen wird genü-
gend klar geworden sein, eine wie üppige Saat um die
Mitte des Jahrhunderts auf dem Gebiete, das Zesen mit
seinen ersten Werken betreten hatte, onporsprieszte, wie
entschieden sich der Geschmack des vornehmeren Publi-
cums dem heroisch-galanten Genre zuwandte, aber erst in
der zweiten Hälfte zur Zeit von Zesens späteren Schrif-
ten gewinnen die Originalerzeugnisse in deutscher Sprache
aensocht, die er eine SebSfer-Bede nenatjond In der er den« an welchen er
•eine Ermahnnngen richtet, nnd dessen Gegner Schft&r nennt
ob «der Eimen Nymffen InunergrOnendes Lnst-Gebta Enoch
Gliser. WnUfenbUttel 1660. q. & (Mls. II. lOfiS.) nnd Jaeob Schwie-
ger «Yerfllhrte Schiferinn Oynthle* hierher gehören (im Sehwnbe-
sehen Katniog wird sie anter den Romanen (II S. 106. Nr. 13197
anfgefilhrt), weiss ich nicht m sagen, da ich ilirer nicht liabe iiabiiaft
werden können.
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— 110 —
^entschieden die Oberhand, und dazu trug ebensoviel wie Ze>
«en Andreas Heinrich Bnchholis mit seinen beiden toU-
wichtigen Romanen bei, zu denen wir uns jetzt wenden.
Buchholtz lie&z „des christlichen deutschen Grosz-
fOrsten Herkules nnd der böhmischen königlichen Erftn-
lein Valiska Wnndergeschichte** im Jahre 1659 nnd „der
ehiistliclien königlichen Fürsten Herkuliskus und Herku-
ladisla anmuthige Wandergeschichte*' nicht lange nachher,
beide su Brannschweig 4^ erscheinen,*) nachdem er die
Arbeit an ihnen schon vor zwanzig Jahren begonnen.*)
Jahie lange Aibeit gehörte auch dazu, um die zwei nicht
blos stattlichen, sondern unförmlichen Werke in 4® zu fast
1800 und 1500 Seiten fertig zu stellen, und das für einen
Mann, welcher nicht nur anderweitig schriftstellerisch
thätig war, sondern auch noch arbeitsvolle Aemter beklei-
dete.*) Die mehrfach erschienenen Auflagen beider Bo-
*) Das VorliMideiiselii einer Aiugabe des Herkuliskus von 1659
l8t mit (foedeke entschieden in Frage zu stellen. Selbst die Biblio-
thek m Wolffenbüttel besitzt keine, die MeszkaUloge des Jahres 1660
kennen nur den Herkules, ebenso Schottel im Jahre 1668 (A. A. S.
1186, wo er den Herkules lobend aber eigenthümllcli znrackhaltend
beurtheilt), endlich ist die Dedication des Herkuliskus vom Jahn
1665 am 27. Februar 1665 unterzeichnet. Worauf sich die darin vor-
kommende Stelle, alsdann werden JSnre fftrstl. D. D. D. (drei
Braunsckweigische Prinzen) enaeht . . . dieses Buch (weichet Euren
Fttrstl. Durchlauchti^koiten zum teil nicht allerdinge unbekannt Ist)
In gnädi^ten Schutz aufzunehmen** bt zieht, weisz ich nicht zu sagen.
Mich. 1664 und Ostern 1665 erscheint der Herkoliskos in den Aleszka-
taiogen.
*) In der schon erwähnten Dedication sagt B., dasz er den Her-
kuliskus vor etlich und zwanzig Jahren entworfen, M-elche Zeitbe-
stimninnq: er in der Vorrede an den Leser mit dem Zusätze «bald
nach Verfertigung des Christlichen Teutschen Herkules* wiederholt.
B. war zuerst zu Hameln, dann zu Lemgo in Schulämtem,
dann Professor in Rinteln, von 1645 bis zu seinem Tod»' in Braun-
schweig Professor der Theologie, von 1663 an Superintendent» £ir>
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— III —
mane beweisen, da^iz Mit- und Nachwelt die gewaltige
Arbeit zu schätzen gewnsai haben.')
Beide SnsfiMnngen hängen gtoiFlieh eng miteinander
zusammen, und verhalten sich so wie die ersten vier Bücher
des Amadis und der Esplandian. Der Gang der Ge-
schichte ist in der ersteren in Kürze folgender:
Die beiden jungen Forsten, der deutsche Herkules
und der böhmische Ladisla, befanden sich zu Rom, als
Ladisla von seiner Mutter Hedewig die Nachricht erhielt,
dasi sein Vater Notesterich gestorben seL Die EUckkehr
nach Böhmen verzögeite sich durch maaich&che Abenteuer,
namentlich aber dadurch, dasz Ladisla zu Padua des Statt-
halters Fabius Tochter kennen und lieben lernte und die
Hochzeit festgesetzt wurde. Inzwischen werben in Prag
des Markomir, Groszfllrsten der Franken und Sikambem, 6e-
sandt« um Ladisias Schwester Valiska, Herkules Geliebte,
welche eine ausweichende Antwort gab und die Reise nach
Padna antrat In der Nähe dieser Stadt aber ward die als
Jfingling verideidete Heldin von Räubern geftmgen. Der so-
gleich nachsetzende Herkules bringt nui* in Erfahrung,
dasz sie schon wieder durch Seeräuber weiter entführt sei.
Diese brachten sie als Herkuliskus, welchen Namen sie
chin- und Scholeninspector. Von seiuen anderen Schriften (vgl. Goe-
dcka Grondr.; gehOrt noch halb und halb hierher die UebersetBong
▼OA Lueiani Wahrer Geaehiobte, 16S0. 8^ viid 1879. 8P. Solioii Gabriel
BoUenhagea hatte eine Verdentsohnng denelben seinen Indlanlscfaen
Beiaen ehiverldbt (Kagdebnig 1606. 4^)
*) a) Heiknles. Brannaehweig 16B0. 4® — ebenda 1666. 4*
(Uegt mir Tor) — ebend* 1676. 4^ — ebenda 1698. 4^ — ebenda
1728. 4^ verlegt dnreb Leopold Schräder 4* Oiegt mur vor). b)Her]ni-
Uakos. Brannsehweig 1665. 4® — ebenda 1676. 4«^ — Frankf. 1718.
4^ — . Vom HerknleB erechienen noch iwei Bmenemngen, eine an
Brannaehweig 1744. 8^ II, (gdifliat vad modeniiidrt) nnd eine andere
unter dem Titel «Die teatachen Fürsten aus dem dritten Jahrhundert.
Sin Original-Ritter^Roman. Leipzig 1781—88. IV.
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— 112 —
sich beigelegt, nach Greta und von da nach Tyi us, von
wo sie, dem Pai therkönige zum Geschenk bestimmt, nach
Oharas gefohrt werden sollte. Herkules reiste inzwischen
nnter vielen Abentenem ttber Korinth nnd Elis, Ladisla zo^^
ihm von Padua aus nach und traf ihn in Paträ, um ihn
aus Lebensgefahr zu erlösen. Beinahe wäre auch Mai*-
komir noch auf die Sache nach Valiska gegangen, wenn
er nicht inzwischen wahnsinnig geworden. Znm Glttck
kam nun Herkules nach Greta, wo er in einem Nuszbaume
eine von Valiska eingeschnittene Sclirift fand, die über
deren weitere Beise Auskunft gab. W&hrend er ihr nnn
über Jemsalem nnd Tyms nachreiste, wurde sie bis nach
Oharas geführt und dem Könige Artabanns geschenkte
Dieser wollte den schönen Jüngling zum Verschnittenen
machen lassen, Valiska richtete unter den damit Beauf-
tragten ein Blutbad an und entdeckte ihr Greschlecht Da
sie nun Artabanus heirathen wülke, schützte sie ein Ge-
lübde vor und erhielt ein Jahr Aufschub. In Ekbatana
trafen Herkules und Ladisla erst wieder zusammen, La-
disla nahm den christlichen Glanben an und beide zogen
nacli Gharas weiter. Nachdem Heikules mit seiner Ge-
liebten erst mehrere Male heimlich zusammengekommen
war, wurde seinerseits vergeblich versucht, sie von Arta-
banns gutwillig zu erhalten, worauf eine lange Beihe von
Kriegen, Gefahren und Abenteuern folgt, die natürlich
mit der glücklichen Vereinigung der zwei Hauptpersonen
endet. Hierauf kehrten alle ttber Tyms nach Padua zu-
rttck, nachdem in Jemsalem Valiska den jungen Herku-
liskus geboren. In Padua harrten ihrer herrliche Feste,
die Abenteuer fanden sich fortwährend noch in übeireicher
Auswahl ein, Heirathen wurden gestiftet, Bekehrungen zu
Wege gebracht u. s. w. Endlich brach man nach Nor-
den auf, aber auf dem Wege nach Prag wai* noch ein
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— 113 —
heimtfickischer Ueberiall der Pamumier eh bestehen. Als
die Helden und Heldinnen glücklich nach Böhmen gelangt
waren, fanden sie die Nachriclit von der Enlt'iilirung der
Eltern und der Schwester des Herkules vor, woraus sich
wieder ein langer Krieg und viele Abenteuer ergaben, de-
ren Heldin namentlich des Herkules Schwester ist. Aber
auch nach glücklicher Beendigung dieser Wirrsale trat
keineswegs Jäuhe ein, denn noch war ein äuszerst gefähr-
lieher Krieg gegen die Pannonier zu ffthren. Zuletzt
taucht der längst todtgeglaubte alte König Xotesterich,
Ladisias Vater, aus jahrelanger Gefangenschaft auf.
Es sei noch bemerkt, dasz dies nur die Schicksale
der Hauptpersonen in kürzester Uebersicht sind und die
Menge der mehr oder weniger in den Vordergrund tre-
tenden Nebenpersonen ebensogrosz wie die Masse der ein-
zelnen Abenteu^ und Verwickelungen ist.
Der Held des zweiten Romans ist der in Jerusalem
geborene Sohn des Herkules und der Valiska. Ihm steht
zur Seite Herkuladisla, des Ladisla Sohn, und nicht blos
die Gruppirung der Hauptpersonen, sondern auch der Gang
der Geschichte, ja zum groszen Theil die Schauplätze der
Handlung smd hier ganz analog dem H^kules. Denn auch
hier gehen die zwei Titelhelden nach dem Morgenlande auf die
Suche und zwar nach des Herkules Schwester Klara und ihrer
Tochter Damaspia, aber auch nach glücklicher Befreiung der-
selben haben sie noch mit bösen Nachbam harte Kftmpib zu
bestehen. Ich begnüge mich mit diesen Andeutungen, da
durch Cholevius längere und sehr übersichtlische Analysen
gegeben werden und dem, der mit diesen noch nicht
zufrieden wäre, die Originale wegen ihrer bedeutenden
Verbreitung nicht allznschwer erreichbar sind.
Der Charakter der Schriilstellerei unseres Mannes
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dürfte uns snBftckst den Eindruck einer Art Eeaction ge-
gen den in einem groazen Theite der omnilielbar vor ihm be>
sprochenen ünteiiinltnngBlitmtnr herrschenden GeisI mtt
cheU) denn Buclilioltz tritt durchaus, obgleich auch er dem
Ziele zusteuert, welches wir im Armiuius und der Bauise al«
erreicht betrachten mftssen, mit dem Bewnsstaein an^ da»
das von ihm anzubauende literatnrgebiet bedenhtiche Sei-
ten habe, er will Besserung;; und Umkehr bewirken. Zu-
nächst richtet aich seine Polemik gegen die Schlechtigkeit
nnd Sittengefthrlichkelt eben der Art von Dichtungen,
durch die er p:rade sowohl die sittlichen und religiösen
Zustände bessern als auch Ruhm erwerben wollte, gegeu
die Romane, die seinerzeit die beliebteste Lectüre der Ge-
bildeten waren, nnd als Repräsentanten dieser verwerf-
liehen Schriften betrachUit er, wie schon erwähnt ^\ urde,
den Amadis. Da seine AuslUhrungen nicht blos den Ama-
dis, von dem bereits genug gesagt worden ist, sondern die
Uebel, (leiRii Buchholtz zu steuern gedachte, im Allgemeinen
betreten, und einen Beitrag zur Erkenntuisz des Maszstabes
liefern, den man seinerzeit an Bomane anlegte» will ich
das Wesentiüchste mit seinen eigenen Worten anülliren.
Nachdem er den christlichen Leser ausdrück-
lich gebeten, die Geschichte nicht vorzunehmen, ehe
er die folgende kurze Yermahnung durchgelesen nnd ver-
nommen habe, sagt er, dasz „seine Andacht in diesem
ganzen Wercke eigentlich dahin gerichtet sey, dasz des
Gemttths Erfrischung, so man im durchlesen anmuhtiger
Geschichte suchet, allemahl mit gotf&rchtigen Gedanken
vennischet seyu inuge, und die Erkaiitnis der hinilisclien
AVarheit auch daselbst be£odert werde, da mau sichs
nicht vermuhten wahr; massen dadurch andächtige Seelen
offt veranlasset werden, ihi'e Seufizer mitten in solcher
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— 116 —
Leming gen Hittnel »t schicken, damit die irdische G^e-
sonnenheit am Zeitlichen sich nicht zu heütig vergaö'eu,
noch den Lttsten zu iriel Baum geben möge.
Dis scfaaodsftehtigie Amadis Buch hat mamiicheii
Liebhaher, auch unter dem Franenzinimei , deren nocli keine
dadurch gebessert, aber wol unterschiedliche zui' unziem-
lichen Frechheit angespornet sind, wan sie solche Be-
gebnissen vor Augen gemahlet sehen, welche wol die IJn-
vers< liänitesten vor der Sonne zu verrichten scheu traj^en.
Dasz ich alhier nicht allein der handgreiflichen Contra-
dictionen und Widersprechnng^, wondt der Tichter sieh
selbst zum oftem in die Backen hauet; samt den ungläub-
i3cheinlichenFällenund mehr als kindischen Zeitverwirrongen,
deren das ganze Bach durchgehend toI ist; sondern auch
der teils n&rrischen, teils gotlosen Bezänhemngen ge-
schweige, deren ^o vielfältige jMchliing gescliiehet, und
doch HO wenig Geschmak als Glaubwürdigkeit haben, nicht
desto weniger aher diese teoilische Knnst nicht allein vor
gut und zugelassen, sondern wol gar Tor Christ- und got-
lich wii gehalten werden, als deren sich Christliche Käy-
aer, Könige und Bitter ohne Gewissens-Anstosz gebrauchet^
und dadurch manmchem Unglök, aus sonderbabrer Schickung
Gottes entiissen, auch viel Gutes zu volfuliren gestärket
sejn sollen. Wil nicht sagen, wie leicht unbesonnene
lAsteme Weibeshilder hiedurch der Zauberey sich zu er-
geben, m6chten veranlasset werden. Woraus dann zur
gnüge erscheinet, dasz der leicht bewaglichen Jugend mit
obgedachtem Buche nicht besser gedienet w&hre, als wann
es nur den Schaben und Motten durdizublättem, und der
ewigen Vergessenlu'it übergeben Avurde.
Ob dann einiger Amadis-Öchiitzer eiuwerflen wolte,
die lustbringende Erfindungen macheten diesem Buche sein
8*
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— 116 —
Anbellen, und eDtrisseu es der Verwesung; so ma^ ehr*
liebenden Herzen dieses noch lange nicht gnng seyn.
Dann die Leichtfertigkeiten hecheln gar m grob, nnd di^
nnziemliclie Hetreibiinpren zwischen jungen verliebeten ho-
hen Standes-Leuten brechen so unverschämt losz, dasz von
keuschen Herzen es ohne argernis nicht wol kan gelesen
werd^;
Mii zweiffeit niclit, der tretiiilie Barklaius mit seiner
beruniten Argenis; Herr Sidnei mit seiner Arkadia; Herr
Marets mit seiner Ariana, und andere dergleichen zuch*
tige ehrliebende Geschieht Schreiber, haben, der Jugend
den Amadis ans den Händen zu reissen. nicht die geringste
Ursach geuommen, jhre Schrilten hervorzugehen; Und
musz ein jeder gestehen, dasz jetzt gedachte B&cher ohn
Anstos und Ärgernis wol kennen gelesen werden; aberdio
wahre (Gottesfurcht ist in denselben niclit eingefuhret, viel
weniger des Christlichen Glaubens einige Kleidung ge-
schehen; daher mein Sinn und vielleicht anderer mehr,
durch solche nicht vergnüget ist . . .
Nun führt Bucldioltz im Folgenden sehr breit aus»
wie er in seinem Wei'ke diesem Mangel abgeholfen habe,
hebt dann auch hervor, wie er durch Darstellung böser
und lasterhafter Charaktere die Tugenden in ihrem Wi-
derspiel beleuchtet und auch kurzweilige Scenen der An-*
nehmlichkeit wegen eingemischt habe. ^Jedoch sol der
Leser hiemit Christlich vermahnet seyn, dieses Buch nicht
dergestalt zu lesen, dasz er nur die weltlichen Begeb-
nissen zur sinlichen Ergezlichkeit herausnehmen, und
die eingemischeten geistlichen Sachen vorbey gehen wolte;
sondern vor allen Dingen die Christlichen Unterrichtnn«
gen wolbeobachte insonderheit den zum Ende
gesezt^in Begrief des algemeineu Christlichen Glaubens
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— 117 —
nach allen seinen Stücken recht tkbse . . . Nachdem
er Gott zum Zeugen seiner guten und ernsten Absicht
gegen diejenigen^ welche die Theologie in dem Boman
allzQreichiich vertreten erlauben könnten, angerufen, bemerkt
er noch, dasz er keine Streitigkeiten der Lehre (als welche
la jenen Zeiten noch echlieffen) habe einmengen wollen.
Das hätte nun auch grade noch gefehlt! Bnchholtz
meint den lutherischen Superintendenten nucli mit sehr
groszer Mäszigung in seinen Romanen zur Geltung ge-
bracht zu hsrben, wir müssen aber sagen, dasz diese Her-
vorkehruug seines Standpunktes iiidit j>()Wohl als seines
Standes die ästhetisch schwächste, zugleich aber auch
historisch bedeutendste Seite seiner Schriftstellerei bildet
Wie wir bei Harsdörffer die Poesie die Miszhandlungen
des vornehmen Philisters nmszten erdulden sehen, so se-
hen wir hier die erzählende Dichtung dadurch ruinirt, dasz
sie von einem eifrigen Seelsorger und herrscblustigen Su-
perintendenten zum Mittel für seine pastoraien und sonstigen
amtlichen Zwecke gemacht wird, im Grunde das immer wie-
derkehrende Elend des XYII. Jahrhunderts, Dichtung
ohne Dichter von lieruf und Begabung. Alan würde aber
Üuchlioltz ein groszes Unrecht thun, wenn man alles Wi-
derwärtige seines Gebahrens ihm persönlich zur Last legte,
der Charakter seiner Erzählungen ist der seines Standes,
wie er diesem von den Verhältnissen der Zeit aufgezwun-
gen wurde. Die unermüdliche Zanksucht und Bissigkeit,
die breite und trockene, polternde, gespreizte, anmaszende
Art des Vortrags, die an jeder Stelle und zu jeder Zeit
das Wort verlangt, um seelsorgerische Vermahnungen vor-
zubringen, die Anmasznng, mit der gefordert wird, man
solle theologisches (ierede immer und überall schön finden,
weil es von üeligion handelt, die herrschsüchtige Un-
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— U8 —
(luldsamkeit, welche jeden, der auch nur ästhetische Be-
denken haben köimey mit Annifongeii Gk^ttes mn Schwei»
gen nnd snr TJnterwerfting rarweiset, macht dnen am so
häszlicheren Eindruck, weil sie mit dem crassesten Aber-
glauben in Bezug auf Hexerei und dergleichen verbunden
ist. £he er noch zn erz&hlen angefimgen, erbost sich
BnchholtB schon gegen die mAgliche Kritik und setet Aber
die Inhaltsangabe noch einen Vers „An den Nase-Klug-
liug, worin er noch einmal sagt:
Was wol gemeynt, und sor Erbaonng di^et»
Das fidite nicht mit Lasler-Beden an** n. s. w.
und um gleich zu Anfang zu zeigen, dasz er ein Theologe
von Berut sei, dem die B^gion ein gewöhnlidies Ding
tttglicher Handwerksttbong ist, Iftszt er seinen Heiden
beim Erwachen ein nicht kiuxes G^bet eigener Erfindung
beten ,,Hierauff sprach er das heilige Vater Unser, den
Chrislichen allgemeinen Glauben^ und etliche Busz Gebebt
Davids" woranf sogleich ein Gesfirftch ttber Beligions-
sachai mit seinem inzwischen anch erwachten Freunde
Ladisla folgt.*)
So geht es nun in seinen Bomanen fortwährend wei-
ter, man glaubt, er mflsse hin nnd wieder seine Predigt-
concepte bogenweise ausgeschrieben haben» nnd nicht am
wenigsten verletzt uns die fortwälirende Hervorkehrung
der bloszen Lehre, des trocken Begrifflichen in dei' B«li-
gion, eine Einseitigkeit, welche bekanntlich die verh&ng-
niszvoUste Schwäche des Lntherthums jener Zeiten war.
Aber so war Buchholtz, weil er lutherischer iSupehiileiident
war, und so waren seine f'ach- und Standesgenossen da^
*) Die Hauptleistung des Btarbt'iter8 von 1744 besteht darin,
dMZ die ascetischen und theologisdieB Ausführniigeu Buchholtxens aus
dem Romau eatferut sind.
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ttftls alle, weil de w eeln nmszteiL Wir eehen jetst nur
noch die Schattenseiten ihres Wesens, dürfen aber nicht
vergessen, dasz ihre unermüdliche, hartnäckige und wort-
reielie Polemik nOthig war, mn das dem ProtestaatiamiiB
gehörige Gebiet ztt Tertheidigen, und dasi die meisten von
ihnen Charakter genug besaszen, für die Meinungen, für
die sie sich ihr ganzes Leben liindurch lierumzankten und
MsseU) anck Hans nnd Hof, Weib und Kind, Leib und
Leben anf das Spiel zn setzen. Wnrde doch Bnchholtzens
Landesherr und Fachgenosse im Romanschreiben, Anton
Ulrich von Braunschweig, nachdem er schon lange Hin-
ndgnng snr katholischen Beligion gezeigt, endlich 1710
Oifentiich katholisch, nnd wenn ihn unseres Mannes 1671
herausgep:ebene Schrift gegen den Uebertritt zum Katho-
licismus vielleicht auch nichts angelit, so geht aus dei- Ab-
fikssung derselben doch zur Genüge hervor, dasz Buchholtz
in ihm n&her stehenden Kreisen Grand zn solchen Befürch-
tungen musz geftmden haben.*)
Für die unangenehmen Empfindungen des Literar-
historikers bleibt es schlieszlich gleich, ob er die deatsche
Dichtung jener traurigen Zeit bei dem oberflächlichen
vornehmen Herni oder bei dem grobkönügen theologischen
Eifer»'!' das Bett^lbrot essen sieht, denn in beiden Fällen
ist die betrübende Thatsache vorhanden, dasz ein Gebiet
der Cnltnr, und zwar eines, zu dessen Bebauung in unse-
rem Volke die herrlichste Begabung vor banden ist, wegen
*) ,€hrnnd- und Hauptnnach, wanun ein Teratändlger evange-
Uscher ChrlBt lüeht rSmisch-katholisch weiden, soBdem eTangeUsch-
kathollteb eeyn mid Uelben wUl und nw.* Die stemUeh aui-
flluUefae Schrift »ith< gw keine besonderen nnd penOnUehen Beittge»
▼ielleicht aber weist dies grade daranf hin, dasz sie für den damals
SS^fthrigen Prinsen, mit dem B. wShrend seines Aufenthalts in Bronn-
sdiweig (164S— 71) 9fter snsammenkam, ^stimmt inat.
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120 —
Mangels an selbstftndiger und sacligemäszer Pflege als
karggehalteues Nebenfach eines ihm heterogenen Grebietes
yerkttinmeru musz. Wenn wir dies bedenken, werden wir
auch die relativen Yorzflge, die Bnchholtzens Bomaae tot
anderen jener Zeit voraushaben, überhaupt die Eigenthiim-
lichkeiten die^ Werke, welche sie, rein als Jäomane be*
trachtet, besitzen, nicht unterschätzen.
Wenn Cholevins unzweifelhaft mit Recht sagt, dasz,
wenn mau diese Eomane nicht durchlese, sondern nur in
ihnen lese, man sich fdr berechtigt halten kOnne, ihremTer^
fasser jede dichterische Begahung abzusprechen, so will
ich gleich von vornherein annelnueii, dajsz fast alle meine
Leser in diesen Fäll kommen werden, wenn sie es nicht
etwa vorziehen, nicht einmal in dem Herkules und Herku-
liscus zu lesen. Wenn aber Cliolevius weiter zu Gunsten
des Dichters sagt, dasz es doch nur die Kraft der Phan-
tasie gewesen sei, welche so viel wechselvolle Begeben-
heiten ersonnen und solche umfassende und zusammege-
setzte Pläne entworfen habe, so möchte ich dodi, und
dieSf um hier schon eine Grundlage für die Beurtheilung
der andern Koryphäen des XVIL Jahrhunderts, Anton
rhicli, Zie<rler und Luhenstein zu gewinnen, behaupten,
dasz man nicht jede iu Ertindungen und Plänen leistungs-
föhige Geisteskraft Phantasie, geschweige d^in dichterische
Phantasie nennen könne. Wenn sich ein betrügerischer
Gründer oder Börsenspeculant einen höchst umfangreichen
und verwickelten Plan zur straflosen Leerung der Geld-
beutel seiner Nebenmenschen aussinnt, oder wenn sich em
Mensch, der eine mit den Gesetzen in AMderspruch ste-
hende Handlung vor Gericht zu verantworten hat, eine lange
Geschichte mit groszem Scharfsinn zusammensetzt, um den
Geschworeneu die Beurtheilung seiner Schuld zu erschweren,
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— 181 —
90 ist das keine dichterische Phantasie, sondern nnr eine
verständige VerbiiKliiii^ von aus dem Gedächtnisz ge-
schöpften Begebenheiten und andern Erfahrungen zu ei-
nem logisch geordneten Ganzen, wobei dann dies und je-
nes nach veretändigen Erwägungen wieder mit aus der
Erfahrung gesammeltem Material verändert oder ergänzt
wird. Auf Anschauliclikeit, auf Geschmack und künstle-
rische Wirkung kommt es dabei nicht an, sondern auf
praktische Duichf iilu barkeit oder einleuchtende U aluschein-
lichkeit.
Eine wesentlich andere geistige Thfttigkeit kann ich
bei BiU'hhoItz nicht erblicken, ul)ge>ehen davon, dasz er
moralische gute Zwecke verfolgt. Er hat viel gelesen
und erfahren, er hat Menschen kennen gelernt und ge-
lernt^ über Menschen verständig zu reden. Dies war ge-
nug, um mit l leisz und einiger Anlage zur Consequeuz
und viel Gedächtnisz solche BUcher zn schreiben, kurz
seine Phantasie, wenn man dieses Wort stehen lassen will,
ist Gedankenphantasie, seine Boniane sind erdacht, aber
nicht erdichtet
Dasz er dagegen wegen seiner moralischen Grund-
sätze Lob verdient, darf nicht geleugnet werden. Alora-
lisch gereinigt hat er den üomau ebenso, w ie dies von
Zesen gesagt werden mnsz. Was uns vielleicht noch an-
st^zig scheinen könnte, smd nnr Derbheiten, die auf die
gemeinsame Bechnung der Zeit konunen. Anschaulich
und voll warmer Empfindung sind seine Darstellungen von
reiner Liebe und Trene, von Freundschaft und AnhAng-
lichkeit allerdings nicht, aber man niusz es ihm lassen,
dasz er gesunde Ansichten über und klai*e Einsichten in
den sittlichen Werth menschlicher Handlungen nnd Zu-
stände hat, dasz er verständig, klar und namentlich recht
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ansfUhrlich zu 8ag<eii ireiss, worin die Tugenden und
Laster bestehen.
Was insbesondeie Buchholtzens Stellung in der Ent-
wickelong^gesohichte nnserer Oattnng anbelangt» so ge*
Winnen seine Romane ein historisches Liteiesse, aneh wem
wir ganz von ihrem theologisch-past oralen Stempel ab- und
• nur auf ihr Verhältnisz zu dem, was voraotging, and den,
was folgte, sehen. Ja man mnss sagen, dasz sie sich in
den Gang der Entwickelung, welchen der Kunstroman
des Xyn. Jahrhunderts genommen hat» noch entschiede-
ner organisch einfftgen als die Schrift«! Zesens. Chole-
vius hat schon auf die mittlere Stellung, welche der Her*
kules zwischen den Amadisromanen einerseits und der
Banise und dem Arminias andererseits einnimmt, anf>
merksam gemacht, nnd man kann seinen Bemerknngen
nur beistiiiiiiien. Einestheils nämlich scheinen wir gänz-
lich in die alte AVeit der irrenden Ritter znrttckversetst
za sein. „Es werden gefangene Jnngfranen beft«it, man
sÄubert die 8traszeii und die Wälder von Häubem, stobse
und unhöfliche Trotzer müssen Bescheidenheit lernen, und
die Helden durchziehen mter fremden Namen fieme Meere
nnd Länder, um allenthalben in Gefahren und Abenteuer
verstrickt zu werden. Ja, eine Heroine n ie Valiska reihet
sich an die gl&nzendsten Gestalten der Ritterpoesie. An*
demtheils, wenn man sich die Begebenheiten und Perso-
nen genauer besielit, findet man, dasz die phantastisclien
Auswüchse der Ritterpoesie, besonders aber die noch in
den Amadisbüchem, obwohl in modemisirter Gestalt, dnrch-
brechenden Elemente ans der AVeit der Sage beseitigt sind.
Herkules und Ladisla sind keine eigentlichen iirenden
Ritter, denn sie abentenem nicht planlos, blos am Abeor
teuer za finden nnd dem Herkommen zn genttgen. I^ok
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— 123 —
lud 2aab«rei and nir iamweit zugelassen, ab der Yer»
fisu^^ser selbst daran glaubte, und wenn auch sein Aber-
glaube uns stark genug yorkomnt, so war er doch gegen
die Phaataaiey welche eine Urgaada nnd einen ArealaiiB
schuf, sehr gemäszigt und gereinigt. Riesen, Drachen,
Ungeheuer und Kobolde sind weggeräumt, kurz wir be*
finden nns aaf dem Boden der Wirklichkeit, nnd das
historische Element macht sich in der bestimmten welt-
geschichtlichen Zeit und den geographisch denkbaren
Oertlichkeiten überall geltend, auch die Beden nnd Mei-
nungen, die sehr gelehrten Dispntationen, welche sich
selbstverständlich auf dem Gebiete der Theologie und
maiu'Jim&l dei' Philosophie bewegen, kennen allenfalls und
im Ganaen wohl in der Zeit der Handlung Torgekommen
sein.
Durch alles dies wird aber, wer Lohenstein und
Ziegler kennt, an die Art^ wie sie, namentlich der erstere,
ftre Aufgaben anfassen und behandeln, erinnert. Das
Historische spielt bei Buchholtz und Lohenstein dieselbe
Bolle, die Ueberlast von historisch-antiquarischer Gelehrt
samkeit hd Lohenstein ist in den Augen der Zeitgenossen
eben nui* eine Vervollkommnung der Kunst gewesen, ge-
gen den Amadis und die Bitterbücher gehalten, bewegt
sich Lohenstein auch auf dem wirklichen Gebiete der
Prosa, auch hier sind die erotischen Motive moralisch
reiner behandelt, wenn von Helden und guten Ijeuten die
Bede ist» das Verhalten lasterhafter Personen ist bei
Buchholtz und Lohenstein gleich grell und derb geschildert,
und in Spuk und Zauberei schränkt sieh auch Lohensteitt
aaf das ein, was seiner Ansicht nach der Wirklichkeit
entspricht Zu diesen AehnlichkeLten kommen aber noch
Widere Punkte, welche die Verwandtschaft deutlich er-
— 124 —
kennen lassen imd nach denen Bnehkoltz als der nSchslp
stehende \'oi^äuger der zwei berühmtesten Kuinauischieiber
dieses Jahrhunderts erscheint, und wiederum springt auch
die Parallele zwischen Bndiholtzens Romanen und dem
heioisch-gahiiiten der Fiaiizuseii in ihrem YerhältnLsz zu
dem Amadis in die Augeu. Unter diesen Gesichtspunkt
gehöity dasz die französischen wie die deutschen Schrift-
steller^ wenn sie auch die phantastische Qualität ihrer
Kilindungen nicht auf der gleichen Höhe wie ihre Vor-
gänger glauben halten zu dürfen, doch in der Quaintität,
der Menge und Verwickelung der dargestellten Ereignisse,
der Ausüihrlielikeit und Küustlichkeit oder in Deutsch-
land der Gelehrsamkeit der Unterhaltungen das Ihiie thun.
An Stelle der Wunder und Unmöglichkeiten schieben sich
Geschichte, Alterthumskunde und Politik, nicht zui Er-
höhung des poetischen Werthes, aber zui* Vermehrung des
Beiialls der verständiger und „curiöser^ gewordenen Zeit
Alle diese Dinge finden sich dann bei Lohenstein in hö-
herer Eutwickelungy und der Braunschweigische Herzog
giebt, wie wir sehen werden, dem Braunschweigischen
Superintendenten darin wenig nach. Aber in noch bedenk-
licheren Dingen ist Buchholtz Lohensteins Vorgänger und
für dessen Geschmack vielleicht Vorbild und Bestärkung
gewesen. Die Neigung, in abgeschmackter Weise Ge&li-
ren, Heldenthaten und Abenteuer zu übertreiben und, so
zu sagen, mit völlig kaltem Blute und berechnendem Ver-
Stande dem Staunenswerthen immer noch etwas Staunen»-
wertheres hinzuzufügen, die — auch augenscheinlich 6m
iVanzosen abgesehen — Ueberraschungen durch Wieder-
erscheinen längst verloren und verstorben geglaubter Per>
sonen, mit der Lohenstein uns sehr zu impcmiren meinte
besitzt auch Buchholtz und scheint sich ebensoviel, darauf
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— 125 —
«0 Gate zu thun. Bas Schlimmste an dieser Keigung kommt
dum zu Tage, wo aaf «Uts ätr&abeii der Haare des Le«
gers gewirkt werden boU, bei Sehildenmgeii tob grftsxli*
chen Schlechtigkeiten und deren Strafen, z. H. wo im
Herkules die beiden böhniisckeu Edelleute, welche den
alten König Notesterich hatten yerschwinden lassen, ab«
genrtheilt nnd hingerichtet werden, und, nm die Erzeug-
nisse der Folterkamnierphantasie in gehörigem Rahmen
erscheinen zu lassen, noch obendrein Valiska dem Gerichts-
hofe präsidirt Lohenstein hat in diesen Effecten den
Bnchholtz eigentlich nnr noch dnrch die Hinzufügung der
Scliamlosigkeit in Behandlung geschlechtlicher Dinge über-
boten.
Was die sprachliche Darsteliong Buchholtzens an nnd
für sich anbelangt, so kann man ihr die Anerkennung
"Wohl nicht vei-sagen. dasz sie frei von Auswüchsen und
rein von Fremdwörtern, khir und correct sei. Man merkt
an seinem Stil, dasz er als Prediger nnd Universitätsleh-^
rer in der Lage war, was er schrieb oder entwarf, auf
einen verständlichen mündlichen Vortrag zu berechnen,
und dies ist in der Zeit der Buchdichtung, die nur für
das Auge, nicht fSar das Ohr ezistirte,. ein Vorzug, wenn
er auch grade am Romane, bei dem man jederzeit das
lautlose Lesen voraussetzt, am weiiigstrn vci niiszi werden
würde. Wenn Bnchholtz dem Leser bisweilen es nicht
leicht macht, den Zusammenhang zu ttbersehen, so liegt
das nicht an seinem Stil, sondern an der wenig ttbersicht-
liclien Anhäufung der Sachen, und auch hierin erreicht
er trotz dem ansehnlichen Umfange seiner Romane Lohen^
Steins schwerfällige Ueberladungen und Einschachtelungen
bei weitem nicht.
An Zesen und Bnchholtz schlieszt sich als dritter
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im Buade der Benog Anton Ulrich Ton Branih
sehweig. Denn sowobl der Zell nach stellen akh
seine Erzeugnisse neben die jeuer beiden, obwohl
die Yollendimg der spftt reifenden Erftchte erst nui
der Blüthe Ziegtos und Lohensteins aMammenftllt, imd
aucli iu der Beschaffenheit seiner Schriften, namentlich
Mras die scharte Ausprägung des erst durch jene beiden
vollendeten Gattnngscharakttts anbelangt» steht der Her-
zog Zesen und Buchholtz näher und noch um ein Ziem-
liches hinter den beiden berühmtesten Vertretern des he-
roisch-galanten Bomans zurück. durchleuchte;^ Dichr
ters dnrchknchtige Syrerin Aramena erschien zuerst in
Dürnberg 1669 — 73 in tiiuf stattlichen Octavbänden, die
' Octavia ebenda, wahrscheinlich 1677/) in sechs BiUiden.
^) In Bezug auf den Bestend und die Aufeinanderfolge der Auf-
gaben beider Romane ist einiges zu berichtigen. Was zunSebstdle An*
mena anbetrifft, so steht die Existenz Ton swei Ausgaben^ der im Text
erwähnten ersten und der zweiten Nttmberg 1678 fest. Der IL Tkttt
^dteser zweiten Ausgabe erschien 1679, der fünfte 1680, letitaier imtar
4em besonderen Titel: Hesopotamisdie Schäferei Oder die dnreUeseli-
tige Syrerin Aramena der Fünfte und letste TheO. Ehie Bearbei-
tung «für unsei-e Zeit** liefern Sophia Albredbt 1789—86. III. Tos
der OctoTla aber sind sicher im Chuuen drei Ausgaben anwinehmei^
1) die TOB GoedelLO mit Nürnberg 1677 (Joerdens 1678) beselelmete^
von welcher allerdings selbst die Bibliothek zu Wolifenbüttel, wie ich
durch die Gttte des Herrn Geh. B. Heinemann erfahre,
keinen ersten TheÜ besitst. Der IL Band mit der 8cmde^
baren Datimng Anno Christi LXXGC befindet sieh auf der
Köulgl. Bibliothek zu Breslau. Eine kurze Vorerinnerung weist aus-
drOcklich auf den ersten TheÜ hin. 2) Nürnberg 1685 ff. VI. 8^. Der
Bweite Band dieser Ausgabe enclüen erst Kflmberg 1702, «der Be-
schloss* 1704. «Der DonMenchtigsten Herzogin gewidmet^ die dieie
Römerin von ihrem mehr als zwanzigjälirigem Schlaff aufiierwecket*
Im Vorbericht an den Leser helszt es: ^Ob man zwar wolfermeinet
dir mit dem Besddnsse «nch das Ende des Werckes mitsnthellen; so
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— 127 —
Eine wirkliche Analyse der beiden unendlich weit-
schweifigen und durch zahllose Episoden attlige»chwellteii
Bomane wttrde, am den guBaamnentang des Stoffes an*
haben doch einige wiihti^^e Vurfalleuheiten und noch ein ander wi-
driger Zufall solches vor dasiiiahl bebindert: derohalben du deine
Curioi^ität vorei^st liiemit zu conteutiien ersuchet und daneben zugleich
versichert wirst, dasz mit nächsten besagtes Ende unter dem Titel:
Zugabe des Beschlusses der Römischen Octavia, so Gott will, ohnfehi-
bar eifolgen soll." Nach Joerdens scheint die Zugabe 1707 erschienen
zu .sein. Es geht hieraus hervor, dasz die erste Ausgabe nicht zu
Ende geführt, die zweite auch erst allmälüich vollendet worden ist
8; die Aufgabe von 1712, Braunschwei^ bei J. (i. ZiUinger in VI
Bänden 8^. «Auf Veranlassung einer hohen KOnigl. Printzessin Narh
dem ehmahligen Entwnrff geändert und dnrcbgehenda Temehxet Nun-
mehr von neuem ao^eleget.* Die Angabe Uber die Verändenmg
ud Vennehnrng ist, wie eine Yergleichung leicht beweist, niehts
weniger als nichtssagend, In der Ansgabe von 1712 liegt In der That
ein ganz TerKndertes nnd veimehrtes Werk vor, nnd die Yerftnde-
rangen erstrecken sich auch auf die einzelnen Worte. Der kurze Vor-
berieht an den Leser sagt: ,Es ist ans der vorigen Auiage der
»Isdien Octavia bekannt, welcheigestalt, nachdem die diey Ersten
TheÜe derselben für mehr dann swantrig Jahren im Druck heransge-
geben worden, nnd es sich mit den folgenden von Jahren zu Jahren
verzögert, eine hohe Königliche Persohn, es veranlasset hat, dasz die
ttbflgen Theile nachher a«cb an das Tages Licht gekommen. Wie
man aber bald darauf angemercket, dasz, wegen gar zu groszer Eil-
fertigkeit, nicht in allem dem ersten Entwui-ff ist gefolget worden,
und obermeldt« hohe Persohn es verlanget, dasz der Bes( lilusz dieses
Wercks machte der ersten Erfindung nach ausgeführt werden. Als
bat mau aus schuldigster Verehrung für dieselbe die Mühe übeniom-
men, und nicht allein die letztern Theile verändert, sondern auch
denen erstem neue (yeschichte hinzugefüget, und also das gantze Werck
diirchgehends vermehret . . Von dieser Ausgabe existirt eine
blosze Titelautiage Braunschweit;, Hey Ludolph Schröders \\ ittwe. .T.
(Könis:!. öfFentl. Pihli(»thek zu Die.silen.) In ihr fehlt das von dem
Verleger für die dritte Ausgal)e besonders erworbene Kuiserl. Privi-
legium d. d. 4. Oct. 1712 und das „Dauck-Opffer An den hohen Ver-
fasser dieses Werckes, über den glücklich geendeten Schlusz** von
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— 128 —
schaolich zn machen, sehr ausftthrlicli sein müssen, dem
Bilde aber, welches wir uns von dem Entwidcelnngsgange
der Gattung zu machen haben, keinen neuen Zug hinzu-
fügen, der sich nicht ohne ausführliche Inhaltsangabe eben-
sogut geben liesze.
Wir werden dem Herzoge niclit zu nahe treten, wenn
wir seine T^eistung für die Ausbildung und Aufnahme des
heroisch*galanten Bomans in Deutschland haaptsächlicb
darin finden, dasz er seinen Romanen einen ^durchleuchti-
gen"* Verfasser gab, wenigstens weisen zahlreiche Aeusze-
mngen yon Zeitgenossen darauf hin, wie viel Ansehen
dieser Umstand der immer noch yiel&ch angefochtenen
Gattung verlieh.*)
Wie bei Buchholtz und bei Zesen in der Assenat und im
Simson und spftter bei Lohenstein sind es Personen und
Begrebenlieiteii aus der alten, bezüglich biblischen Geschichte,
welche den (Grundstock des Ganzen ausmachen, und zwar
ist dieser historische Bestandtheü in der Octavia um vie-
les umfangreicher als in der Aramena. Denn diese spielt
in der Zeit der Patriarclien. wo die historischen Quellen
auch für die kritikloseste Auflassung sparsam flieszen, jene
aber in der des Nero, die ja grade für den Geschmack
und die Phantasie des XVII. Jahrhunderts Geschichte ge-
nug liefert, welche sich zum Roman eignet Was die
Titelheldin der ersten Erzählung anbetrifft, so ist es cha-
rakteristisch für den verwickelungsvollen Gang der Ge-
schichte, dasz es drei Aramenen giebt, Nro. 1 ist die ei-
H. K 8. Nach Joeitet enehteii 1769 la Wten ein Bnichstlldi ciMt
VII TheUea der Oetaria.
^) Man Tergleirhe s. B. die Y<»reden zum AmünhiB, sa Heteit
HebrieilinieBt die 8. 48 angeAhrte Statte Birekent aiid dendbeii
Tor-Anapraclie aar Ataiaeiia selber.
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— 129 —
gentliclie, nimiich die Erbpiinzessm von Syrien, zuerst als
Delbois von Xinive auftretend, Nro. 2 ist ilire jüngere
Schwester, Nro. 3 heiszt eigenüidi Jülcaride und glaubte
eine Zettlang selber die syrische Prinasessin zn sein, wel-
cher Irrthum ihr übrigens eine glückliche Ehe mit dem
Prinzen Hemor yon Ganaan zu Wege brachte. Aber da-
mit ist es nodi nicht genug, denn auszer den Aramenen,
welche entweder wirklieh oder in gutem Glanben solche
sind, giebt es noch eine mala-Me-Aramena, die niclit ein-
mal eine Dame ist, s<mdem der Prinz Dison von 8eir.
Neben den orientalischen Persönlichkeiten treten auch
abeudländisclie, wie der deutsche Marsius und Tuscus 8i-
canus, der König der tuscischen Aboriginer, der allerdings
Ton Basanischen Riesen herstammt, auf, der erstere
nimmt sogar einen sehr liervorragenden Platz ein, denn
er ist es, der schlieszlich die Hauptheldin heiratliet, die
Tranung verrichtete kein Gkrii^perer als Melchisedek, und
das glückliche Paar residirte in Trier, Aber Gelten und
Deutsche herrschend. Bei diesem Schauplätze und dieser
Zeit sollte man nun freilich patriarchalisch-heroische Ge-
stalten erwarten, aber ihr Charakter, ihre Reden und ihre
Sitten sind genau nach der Art und Weise Ix'liandelt, wie sie
der heioisch-galante Jioman der i?Yauzosen einmal eiugelühi t
hatte, d. h. nur die Namen sind orientalisch oder antik
(wo nicht etwa die eigene Schöpferkraft der Autoren mit
zum Theil unmöglichen oder ihr Käthselwitz mit anagram-
matischen Neubildungen aushilft), alles andere gehört der
Zeit des Dichters an.
Die Octavia ist die edle und unglückliche Gemahlin
Neros, der Roman beginnt aber erst gegen das Ende der
Regierungszeit desselben, und die Heldin wird nicht wirk-
lich getüdtet, sondern verschwindet in die Katakomben
9
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— 130 —
ZU den Christen, welche Katakomben überhaupt als eine
Art epischer Versenkung voa dem Herzoge au& fleiszigste
benfttit weidei* Nach wuuchftchm Schkksakn wiid
Oetavia die Gatte des Iftngst geliebten Kdnigs Tyridatoe
von Armenien. Auch in diesem Roman finden wir die
Maskeraden und Doppelgänger über alle Grebdhr vertreten.
£in Beispiel nOge dies anschanlieb machen, und sogleich
aeigen, wie inteasiT schensslich der YethMa» die uner-
freulichen Familienverhältnisse in der römischen Kaiser-
fEUttiiie darstellt Grermanicus und seine ihm ähnliche edle
Gtemahlin, die Altere Agrippina, hatten xwei Kinder, Noo
und Agrippina die jüngere. Diese waren ihren Elteni
sehr ungleich, denn sie trieben Blutschande mit einander
und erzeugten zwei BÖkob Namens Nero, yon denen der
ältere der Kaiser Nero, der jOngere der politische Nero
war, so genannt) weil er in Pontus geboren wurde. Je-
ner ältere Xeru fügte aber der Blutschande noch den Ehe-
hmch hinzu, indem er mit der Plautia, des Kaisers Clanr
dins Qemahlin, ihr unhewnsst, eine Tochter erzeigte,
welche Claudia genannt ward und f&r des Kaisen redit-
mäszige Tochter jralt. Dieses Geschwisterkleeblatt hatte
nun die tiar den Herzog Anton Ulrich sehr schätzbare
Eigenschaft, dtsz aäh alle drei snm Verwechseln ftlailich
sahen. Was hieraus nun alles entstand, kann man sich
leicht vorstellen, aber es setzt uns oft in die höchste Ver-
wnndenmg, dasz die waghalsigen Inthken, welche von
Claudia sowohl als von dem pontischen Nero im Yertnaen
auf ihre Aehnlichkeit mit ihrem ältesten Bruder gespielt
werden, nicht zu Tage kommen.
Mit Kecht hat Gholevius hervorgehoben, dasz das
eigentlich Heldenhafte in beiden Romanen des Herzogs
verhftltniszmäszig zurücktritt, dasz vielmehr beide mehr
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— 131 —
moralischer Art sind. Was der Verfasser veriierrlieheii
will, siiid nicht flaldan* und Bageateatiifeiitoi, MnAm
attsgexeielmete nmere EigenscbAften priyater Art, nament-
lieh aber begeistert üm Edelaiim im Unglück und die
Stärke der EedgnatiOB ia groszartigeB DvldemtnmL
Bm belehrende Bleaient imd der gelehrte Kran tritt
bei Anton riricli weniger hervor als bei Zesen, Buchholtz,
Iiohensteiiiy er steht in dieser Beziehung zwiacfaea diesen
«nd Zi^er. Um so mehr haben wir an der I'rage Ver-
anlassung, woher der Herzog den Stoff zu diesen überaus
stoffireichen Erzählungen genommen habe. Wie bereits
bemerkt, war das ihm zur Compositioii der Aramena Ge-
gebene ftnszenrt gering, aber auch in Beamg auf die Octa*
via, ilir die er die Geächichtächreiber der römischen Kai-
serzeit von Glaadius bis zn den Wirren nach Neros Tod
benfltzen konnte und ideliiich benAlzt hat, hat er anszer-
ordentlich viel selbst gethan. Die Masse dessen, was er
ans jenen Quellen gar nicht hat nehmen können, ist höchst
imposant, and wie er ndt den Ton ihtfendaiigestellten
Verhältnissen und Personen umsprang, beweisen die oben
gegebenen kurzen Andeutungen, wenn man nicht das Werk
selbst oder wenigstens die von Oholevias gelielidrten Ana-
lysen nachschlagen will.
Es war kein Wunder, dasz man sich unter solchen Um-
ständen schon seit langer Zeit nicht mit der Annahme hat be-
^nUgen wollen, dasz des Heraogs ttbemiche Phantasie der
Boi n des TJeberflusses sei, dem die auf andere Quellen nicht
zuruckzulUhrenden Stofimassen entsprudelt seien. Die Ana-
logie mit dem der Zeit gelftnfigen von denFranzoson gelernten
Verfahren, vielleicht auch die Verprleichung mit dem
bezi eh imgs weise klar vor uns liegenden Verhilltnisz Zieglers
ondLohensteins zu den verschiedenen ArtenihrerStoffqnellen
9*
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— 182 —
Hessen die Leser in einer groszen Menge von nicht histo«
rischen Partien sowohl der Haupthandlnng als auch na-
mentlich der Episoden inaskirte Zeitgeiscbichte erblicken.
In der That fand diese Annalime für einzelnes eine
objective Best&tigong^X gehofifte AnfQndnng
des allgemeinen Schlttssels nicht erfolgte. Eine Bemerkung
von Gervinus regte die Frage dadurch von neuem an,
dasz die eben nach den Gründen ihrer Entstehung be-
leuchtete Ansicht von ihm auf die Spitze getrieben wurde
und begrftndetem Einspruch yon CSiolevius begegnete, ja
letzterer konnte jenem mit Recht den harten Vorwurf maelieii,
dasz er sich mit der Aramena selbst nicht näher bekannt
gNuacht haben mdge. Die Worte, Welche Geryinus
gelHraucht, „auch dieses Werk musz ganz allegorisch
gelesen werden", kann allerdings nur jemand gebrauchen^
der die Aramena nicht gelesen hat, und nur einem solchen
kann es auch begegnen, dasz er sich durch die in der
Vorrede des Romans hingeworfene Bemerkung, „Unter
•den geliebten Prinzessinnen werden in dergleichen Schrif-
ten zuweilen Ivönigreiche und Länder, welche ihre Werber zu
haben pflegen, oder sonst Tugenden, Künste, Aemter, Gü-
ter und andere Sachen, die man yerianget, verstanden . . .
irre machen läszt. Schon das „zuweilen" in diesem
Passus \\ eist darauf hin, dasz sich mit einer solchen Art
allegorischer Auffassung gegenüber dem Ganzen der Er-
zählungen, anch geg^fiber den einzelnen wirklich epischen
Episoden nichts anlangen läszt, wenn auch hie und da
Stücke vorkommen, denen solche Spielereien zu Grunde
liegen. Eine ganz andere Art von Allegorie, die ich lie-
ber gar nicht mehr Allegorie nennen mödite, hat da statt.
V Tgl. CholeviiiB & 293 ff. Gerriniis III, 50» L
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133 —
WO eine wahre Geschichte „unter dem Vorhang erdichteter
Namen^ verborgen ist Wenn wir da nicht von AUego-
rie reden, wo ein Lyriker seine Geliebte, die Fiäiileiu
Schulze hei&zt, nntei* dem Namen Corinna besingt, oder
wo ein Novellist einen Herrn Hinz, der ihm einmal etwas
üebles erzeigt hat, unter dem Namen Kunz lächeriich
macht, öo sollten wir uns auch für der^leiclien literarische
Vorkommnisse aus dem XVII. Jahrhundert auf einen an-
deren Namen besinnen. Hierzu giebt uns meines Erach-
tens der französische Ausdnick pcrsonnnfies deguit>rs ei-
nen JPingerzeig, aber da es schlieszlich nicht aui' die
Worte, sondern auf die Sachen ankommt» genttgt es her-
vorzuheben, dasz wir in den Schriften des Herzogs ein-
zelne unschwer erkennbare wirklich allegorische Partien
finden, dasz ich mich aber hinsichtlich der verhüllten Ge-
sehichteoder genauer nur Wirklichkeit — denn es handelt sich
meist um Personen und Begebenheiten von geringer historischer
Bedeutung — mit Oholevius, insofern er auch davon nichts
wissen will, nicht vollkommen einverstsnden erklftren kann^
so sehr er nach meiner Ansicht gegen Gervinus im Recht ist.
Ich habe natürlich aus naheliegenden Gründen darauf
verzichtet, ftber die G^hichtlichkeit der vielen Partien
der Aramena und Octavia, in denen man verhüllte Wirk-
lichkeit vermuthen könnte, Forschungen anzustellen, glaube
es aber doch als in hohem Grade wahrscheinlich ansehen
zu dürfen, dasz derartige Forschungen ein llhnliches Re-
sultat wie die Bartholds übei' Casanovas Memoiren ge-
währen würden. Denn erstens fehlt der directe Hinweis
in der Vorrede anf die unter dem fiUsdien Namen ver-
borgenen wahren Geschichten nicht, zweitens aber spricht
die ganze Art und Weise des Herzogs dafür, dasz die
aas Lieht getretenen partiellen Schlüssel nun grossen
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Tfaeä Bv.htis«« an^Mehioasea iiatoi «nd noeh viele«,
wom keine Sehttttel eibtinm« ebenso aaf iMStnimte Per-
sonen und Begebenheiten Bezug hat. Ich will ganz da-
von absehen, dasz Antom Ulrich die oben gekennzeichne-
ten Mittel, Verwickelimgen IwrbeiniähraHi» in eo abg»*
schmackter Weiee wie kein anderer fll>ertreilit nnd wieder»
holt, und dasii ich dann nicht allein eine Verirrung des
GefichmaekeB, sendern auch eine Sdiwftcbe der Phantasie
sehe, weklMBr ein wirklich fteies SchaiTen episcken Stolfes
Bchwer zuzutrauen ist. Ich will auch davon abseben, da^
ea wanderbar wäre, wenn der Herzog seine Erzählungen
des Beizes zettgeseUektlicher Anspfelnngett, der eianial
Modeerfordenüsz war und den er in seinen französischen
Vorbildern, vorab der Scnderi, gewisz schätzen gelernt
hatte, hätte wollen emangeln lassen, nunal da ihm als
Pürsten die weitreichendstai und intimsten Verbindungen
mit den Höfen Deutschlands und des Auslandes leicht
waren, laicht ans den Angen an lassen ist aber daa in
den nachweidick ans Oesduehtsehieibem entlehnten Be*
standtheilen seiner W(^rke. besonders der Octavia, leicht
zu beobachtende ungemein willkürliche Veilahren Anton
ülrieha mit seinem Stoffe. Wenn — und dies ist doch
wohl anzunehmen — der Herzog mit der Zeitgeschic lite
ebenso verfuhr wie init den aus Tacitus und andeiii Ge-
schicktschreibem entlehnten Motiven, so kfinnen die par-
tiellen Sohlttssel, obwohl ihn^ im einzdnen vieles sich
nicht einfügen will, doch nui- meine Yermuthuug stützen,
denn von jenen sicher historiscken Partien ist zn sagen,
dasz sie, wenn die bekannten historischen Namen geändert
würden, hie und da freilich zu erkennen, aber an vielen Stel-
len entschieden gar nickt zu erkennen sein wirden, so
wiUkftriick nnd so selir nack der Weise der franadsisdisn
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— 136 —
RonMHMdH^bery ide ich sie 8. 436 iL 487 des L Bandes
wahrlich nicht Ubertrieben geschildert habe, hat Anton Ul-
rick mit seinem Stoffe geschaltet Wer sich ttberzengt
bat, dasz es zutreffend ist, was ich an jener Stelle ttber
die Algebra des Romans sage, wird gegen die voriiepren-
den Schlüssel nicht die Einwendungen machen, welche
Caiolevins Torbringt Hieraus gebt bervory iass ich CSio-
lefHis a«cb nicht snstirainen kann, wenn er sagt, die Mehr-
zahl der Episoden seien nicht historischen Ursprunges,
weil sie einen ganz anderen Weltzustand voraussetzten
als den bentigen, auch abgesehen davon, dasz der heutige
Zustand und der zur Zeit Anton Ulrichs nicht ohne Wei-
teres als gleich oder ähnlich angenommen werden dürfte.
Der Herzog bat eben, wie auch Bncbbohz, Lobenstein,
Kegler einen gar nicht möglichen Weltzustand, der ein
verzerrtes Bild seiner Gegeuwait ist, daxgestellt. Sehr
treffend und richtig ist dagegen die Bemerkung, dasz Lo-
benstein anders verfiihre als der Herzog, indem er meist
nichts verstecken, sondern nur mittlere und neuere Ge-
schichte in die alte Zeit versetzen wollte, und eb^iso theile
icb voDkonunen Gholevins Ansiebt, dasz unsere Geschichts-
kenntnisz durch eine Bekannt inacliung des allgemeinen
Schlüssels zur Octavia nicht bei eichert werden würde, was
Joerdens gehofft bat Nor scheint mir der Grund ebenso
in dem Umfange der von Anton Ulrich vorgenommenen
Entstellungen als in dem Stofte selber, der in den meisten
£*&llen ans unbedeutenden Hofbegebenheiten bestehen mag,
KU liegen. Freilic]i, eine abscblieszende Klarstellung der
Sache wäre um* von einer eingehenden Monographie zu
hoffen, für die man dem Verfasser danken, zu der man
ihn aber nicht begltlckwünschen könnte.
Ehe wii' zu Ziegler und Lohensteiu weitergehen, sind
— 136 —
noch einige weniger bedentende Ersdiemnngen za.erwUi-
nen, welche sich an die späteren Zesenschen Romane nnd
an die des Buchholtz und Antou Uliich der Zeit ihrer
Entstehung wie ihrer Beschaianheit nach ansehlieszeoii.
Von deutschen Originalwerken isiEurandors (d. i. Baltha-
sar Kindennanus) Unglückselige Nisette*) zu nennen, ein
höchst unbedeutendes nnd dürftiges Erzeugnisz. Die
Geschichte enthält die gewöhnlichen Eomanreqnial-
ten in trotz des geringen Umfangs schwerfälliger Grup-
pirung.
Etwas mehr Beachtung verdient der kleine Eoman
Don Francesco und Angelica*), der, wie der Verfasser in
der Widmung angiebt, die Scliicksale von Personen er-
zählt, welche ihm und anderen Zeitgenossen bekannt wa-
ren. Bon Francesco begiebt sich in äuszerster Betrftbnisz
in einen Wald, wo er sein Unglück in der Lit^he zu Au-
gelica beklagt, sich tödten will und endiidi einen Traum
hat, der ihm aber nur sehr unbestimmten Trost giebt.
Dann verläszt er die Einsamkeit und kehrt nadi der Stadt
Madrit zurück, eiliält einen Briet' von Angeiica, woiin
sie ihm die grosze Bedrängnisz ihrer Lage erzählt und
ein Stelldichein zusagt. Dieses findet in einem schönen
Garten statt, Angeiica schlägt dem Geliebten, entschlossener
als er, vor, sie zu entführen, er hält es Ittr unthunlieh.
Das Zusammensein der Liebenden wird durch Alexander,
den Bruder der Angeiica, gestört, welcher bewaönet mit an-
deren Begleitern und dem Grafen Felsenstein, dem er sie wi-
') vm. xirl Schottel Ausf. A. S. 1182.
liambuiT^: 1667. 12**. , Beschrieben durch den Wohl greholi nie u
H. H. .T. F. K. V. E. & c. & c. & c. der durch die Tui^eudliebemie
Gesellschaft zugeimndte Fortunatus." In der Vorrede nimmt der
Verf. Bezug auf ein früher vehaHztes kleines Werk.
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— 137 —
der Uiren Willeii Y6niifth]6& wollte, FraBoeseo sacht.
Dieser hört aus dem Versteck die Schmälireden sei-
ner Feinde, entkommt aber giucklicii. £r flieht iu ein
Dorl^ wird Temthen, den ganzen Tag von Bewaff-
neten gesucht, entkommt mit groszer Gefahr und Mühe
nnd macht »ich aul' den AV'eg nacli Sicilien, auf welchem
er auch seinen Pagen findet, an Angelica achreibt nnd die
Bekanntschaft eines jungen Ritters Juliane macht, der
ihm erzählt, wie es in der Haupt^itadt gehe. Er entdeckt
sich diesem, erhält Briefe von Angelica und beschlieszt,
in den Krieg zn gehen. Der nach Madrit reisende Jn-
liano vermittelt den Brielwi'ch.sel zwischen den liiebenden.
Don Francesco volll'uhrt tapfere Kriegsthateu, wobei er
gefährlich verwundet wird, dem Wiedergenesenen bereitet
• Alexander dnrch böse Bnben Nachstellungen, was heraus-
kommt und von dem Feldherrn Locani nach der Kesidenz
berichtet wird. Dies yermehrt aber nur den Zorn Alexan-
ders, vor dem Angelica schüeszlich ans Madrit flieht
Sie schreibt an Don Francesco, dieser begiebt sich, um
den Nachstellungen seiner Feinde zu entgehen, nach Frank-
reich. Auf dem Wege dahin wird er von Alexander an-
gefallen, tiKltet denselben nach hartem Kampfe und kommt
sehr ti'aurig über den Verlust seines treuen deutschen
Elanunerdieners Floiiman, der gleich&lla in dem Kampfe
geblieben, nach Paris. Angelica und Juliane schicken ihm
doithin Briefe. Als der König den Verbannten, welche
an einem neuen Kriege gegen die Barbaren theilnehmen
würden, Amnestie yerhiesz, begab sich Francesco wieder
nach Sicilien zu seinem früheren Feldherra Locani. Er
wurde zwar in ehrenvollem Kampfe schwer verwundet,
%ber der König wollte ihm nicht verzeihen. Angelica
sah er, als er genesen, heimlich wieder, auf ihre Bit-
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- 138 —
tcB verhiesz er ihr, sie m entfUireii, sp&ter aber käme»
ihm doch wieder Bedenken gegen diesen Flau, und er be-
idilosz, da der Krieg endetey zierst nachParis za fehen,
dann aber begab er sich sach DentscUaad an den Hof des
Fürsten Helmovil. Hier erhielt er von Angelica und .lu-
liano die Nachricht, dasz seine nach der Zusammenkunft
geschriebenen Briefe niciit angekommen seien nnd Ange-
lica aus Gram hierüber sehr krank geworden. Ihr Geist
erscheint ihm, er schlieszt daraus auf ihren Tod, den ein
bald darauf eintreffender Brief Juüanos meldet Don
Fernando begiebt sich wieder in den E[rieg nnd stirbt in
Folge eines Sturzes mit dem Plerde. Die letzten Worte
seines Helden kleidet der Verteser in ein langes franzö-
sisches Gedicht Wenn es diesem auch weder an Phan-
tasie noch an Kenntnisz des menschlichen Herzens fehlt
und manches mehr den Eindruck des Selbsterlebteu und
Selbstempftmdenen macht, als man es in dieser Zeit zu
finden gewOhnt ist, so ist doch der gröszte Theil des A\>r-
kes von dem seine französische Bildung gern zur Geltung
bringenden Verfsusser anslftndischen Mustern abgesehen,
die Art, wie die Reden eingefUhrt werden nnd stil^rt sind,
erinnert an Arnaite und Luceuda. Anklänge an Zesen fehlen
nicht, obwohl sie, abgesehen yon der deutlich cftsiani-
sehen sterbeblanen Sentinentalität, spärlich zn finden sind.
Wir würden uns bei Don Francesco und Anorelica so
wenig wie bei der unglückseligen Nisette aufzuhalten ge-
habt hab^, wenn diese Erzählung nidit ein Beispiel lie-
feite. dasz man aut den an sicli richtigen Gedanken kam,
eine in der Gegenwart spielende Privat-Liebesgeschichte,
lieber in einer in wesentlichen Elementen der Anlage nnd
des Stiles dem heroisKih-galanten Romane yerwandten Form
als in schäferlichem Gewände darzustellen. Die ange-
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UfiBseHSte f oiM lür erneu solohen Stoff wäre die der 4qN^
bibcIhii NeTdkn gewemi. Dass TeibMer dieser Art,
seihst in Uebersetzimgen, schon vorlagen, hat sich bereits
gneigt, «Ad es wird noch weitarhiu rom eüngen anderen
die Rede sem BillBsen. Aber dae dominirende Anaehftii
der heroisch-galanten Art scheint verhindert zu haben,
daas man sie sich zu natae machte, einige Anübife abge-
reehnet, auf welche gpftter anrflckzikommem ist
Hier würde nun auch die Stelle sein, an welcher die
heroiach-galanten Komane Grimmelshausens, Joseph nebst
dem Mvaai, Diefcwa&d und Ameiinde, Prozinias ond Lim*
pida, kl Betracht za ziehen wftren. Aber wir mttszten
es Torziehen, das Gesammtbild der schi'iftstellerischen Ent-^
wickelang des unvergleichlichen Mannes nicht zu zer«
ratzen, anch wenn wir durch ihre Beqmchung mehr für
das Bild der Entwickelun^;^ des heroisch-ßralanten llomans
gewinnen könnten, als in dei* That der Fall ist in der
That aber spielen diese Erzählungen keine solche Bolla
und greifen weder durch da.«?, was sie mit den Romanen
eines Zesen, JBachholtz, Anton Ulrich, Ziegler, Lohenstein
gemein- haben, noch durch das, worin sie sich von ihnen
unterscheiden, in den Fortgan^^ der Geschmaeksrichtung
ein, welche gegen Ende des Jahrliunderts die asiatische
Banise und den Anninius zur Beife brachte, so dasz es hier
genfigt, auf die interessante Thatsache aafinerksam zu
machen, dasz auch Grimmelshausen, der zu etwas ganz
anderem berui'en war, dem Modegeschmacke seine Huldi-
gung darbrachte, ehe er sich zu der groazartigen Sdbstän-
digkeit in Inhalt und Form seiner Prosadichtungen auf-
schwang, welche ihn grade durch den schrofi'eu Gegensatz
ZU dem Bomanstil seiner Zeit unsterblich gemacht hat.
Was die Uebersetzungen anbetrifit, die wir bis in die
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— 140 —
secliziger Jahre verfolj^ haben, so ist schon darauf anf-
merksam gemacht worden, dasz sich der fleLszige Uugiack*
selige erst am Ende seiner Th&tigkeit an einen Sendö-
rischen Roman machte. Von da an aber kam die so ge-
schickt von Z<\sen bei uns eingeführte Iranzösische Waare
in schwunghafteren Umsatz als je. Dies wird sich weiter
nnten noch dentlidimr ei^^eben, denn wir beschränken nns
hier fiiprlich auf die hervorragendsten Werke unter denen,
die den heroi:^ch-galauteu Stil genau festhalten, alles an-
dere, was von den sechziger Jahren an erschien, mag, so-
weit es Erw&hnnng verdient, mit der gegen Ende des
Jahrhunderts sich etablireuden Massen-Bellettristik zu-
sammengestellt werden, welche den strengeren Stil auf-
£allend schnell verüesz nnd den besseren Theüen des Fn-
blicnms der grossen heroisch-galanten Romane wenig zu-
sagen mochte.
Von den Werken der iranzösischen Koryphäen unse-
rer Gattnng worde Oalprenödes Cassandra in Deutschland
zweimal yerdentscht. Die Leistungen waren freilich von
der Art, dasz sie keinen besonderen Kuhm verdienten.
Denn der erste Uebersetzer, der dänische Oberst zu Eosz
ChiisUan W. Hagdom, eignete sich den Stoif dieser Ge-
schichte unehrlicher Weise fftr seinen ,.Aeyquan oder der
grosze Mogol" zu, indem er die Begebenheiten etwas wei-
ter nach Osten und in eine andere Zeit verlegte, um eine
„Chinesische und Indische Stahls-, Kriegs- und Liebesge-
schichte' daraus zu verfeilipren'). der zweite, Christoflf
Kormart, übei^setzte ^aus dem Französischeu und Hollän-
disdien^ so schlecht wie nur möglich und liesz das Werk
zunächst unvollendet*)
») Amsterrlam bey J. Mörs 1670. 8^. (Kogl. Bibl. zu Breslau.)
Vgl. Cap. iX. S. 48. Anm. 2.
Leipzig. Gleditäch lööö. 8^ Zum Entgelt für die Uuvullst&B-
V
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— 141 —
In demseUb^ Jahre mit dem Aeyqoaii erachien alioh^
Ton einem unbekannten aber ziemlidi ^wehidcten üeber»
setzer verdeutscht, der sehr breit angfelegte Roman Clo-
rinde.^) £r steht von allen franzöaischeu üomaiien seiner
Gra^ den greszen deutschen dee XVIL Jahriiunderts
am nächsten, indem er sich genan an die Geschichte an-
schlieszt und daduixh ein gelelirteres und lehrhafteres Ge-
präge erhält als die GanberviUe, Calprenöde und Senden,
und demgemftsz verbreitet sieh auch der Verfasser in der
VoiTede über die Vortheile einer geschickten Vermischung
des Geschieht licheu mit. dem rein Erfundenen.
Als ein Mittelding zwischen Uebersetaung und Ori-
ginalwerk mnsz die bedeutendste der Bearbeitungen fran-
zösischer Romane des XVII. Jahrhunderts gelten, näm-
lich Ferdinand Adam Peruaners, Herrn von Peniey. Frei-
herm, Almahide, ans dem Fransöeisehen der Scudöri schon
Yon seinem Vater zu übertragen angefangen, dann Ton
ihm zum Absclilusz jj^ebracht und, da die Vorlage in zwei
Th eilen unvollendet geblieben, mit einem dritten Theile^
worin viele maskirte Personen Termehst herausgegeben.
Die Fertigstellung des Werkes nahm yierzeto Jahre in
Anspruch, -j uud mau musz dem Veiiasser das Lob einer
din^keit sagt K. in der Vorrede, wie die Gescliidite weitergeht und
endet. (Heich zu Anfang läszt er die zwei Reiter nicht von den
Pferden, sende rn aus Land steigen, ürst 1H89 — 1707 erswiliien in tunf
Bänden eine YoUständige Ausgabe. (Vgl. den Schwabescheu Kata-
log S. 277.)
') Franckfurt. ,1. G. Schiele 1670. 8». WahrscheinUch ist das
Original die von G. d. Percel II, 51 angeführte Clorinde, Roman
bt S^.PariiieM.
^ Almahide oder Ldbeigne Kdnigliu Nitniters: 1682—96.
vnd Nttmberg 1701. SP. Der Ver&aer gehSrte unter dem Namen
BafiiiB der Pegnesischen Blunea-GenoeeeBediaft an.
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— 142 —
•
tfifihtigeft Gewaadiktit lad eines zieBÜch ^ten Ge*
«ctamaclm wie- fmien FleisaeB sugeetetai.
Wie sehr er sich bewuszt war, etwas über das Gre-
wöhnliche Hervorragendes zn leiBten, und dasB er sick
«eine beiemteBde Beleeettfaeü ia oiaerar Ckitliiiig wd die
KenntnisK gnter Muster angeeignet, zeigt die Vetredte aa
den Leser^ in der er, nachdem er sich die Yergleichnng
mit dem Amadis als einer erdiciitetan Liebeigeachiciiie
ao wie mit anderen erdiclitelen Bonana yerbeten, sagt:
„dasz diese Liebes-Gtschicht nicht so wol erdichtet, ah
mit £rdichtBBgen anageaeret aey, und des Barclaji Ar*
ipous vergMimif Ja wol Totgmgen werde kfane. Bannfaat
dieselbe ihren Grund, so hat ihn Almahide noch besser,
«Is welche in keinem Stack den Ci'oniken zuwider lauffti
sondem darinnen gegribdetiat: dameben ist sie mit SittNk
Miren dermassen vennischt, dasa sie die Grosaachtang
vieler vornehmer Herrn und Dames erworben.**
Sin anderer Pemaner, Jeliann Philipp, eiferte aei^
oem Verwandten nach nnd ttbertrag Pbaremond Ton
Calprenede und Vaumori^re, auch eine höchst umfangreiche
Arbeit, denn das Werk umlaszt nickt weniger als zwölf
Theile, ¥on denen die beiden letaten 1$99 erschienen siiid.^
Sclion diese eben angeführten höchst bändereichen Ver-
deutschungen liefern den Beweis, dasz die Fruchtbarkeit
der deutschen Originalschrtitsteller nnseres Faches dem
BedtkrftiisB nach heroisch-galanter tlnterhaltimg nnd Be-
lelirung bei weitem nicht genilgen konnten, und weisen
somit auch aaf die Thatsaiche hin, welche wir sogleich
nfther betrachten werden, dasz nämlich in dem totsten
Viertheil dbs Jahrhunderts die Geltung der Art von Prosa-
0 Nümberg bei Zieger. SP. leh kenne nnr diese Thefle und das
«benda 1697 encbieaeneft neiuiteii.
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— 143 ~
dichtangen, deren Entwidcefamg wir blslier hanpMcliHdi
gefolgt sind, auf den hüclisten Punkt gestiegen war. Den
beidoB äcliriftstellem aber, wekhi» kienu am maiston bei-
getragen Üb» und weksbe in ihrer IMtigkeit die
höchste Blüthe des heroisch-galanten ßomans darstellen,
gebölirt ein neues OaiiiteL
Beilagen zu Capitel X.
L
Ais Zeaena Resemiuid. AmsUrd. 1641^. Seite 112.
Unlarn von der Amstel lihgt ein über-aus lustiger
Ort i dehr von wagen viler linden und erlen denen um-*
kahr-wofanenden seUdiffem nnd schUifferainen / in den
iit'issen sommer-tagen zu einer angenahmen kidilung dinet.
Di schattichten bäume j di lihblichen wisen / di wasser-
reieke gr&ben / welche so wohl disen Inst-plaa ringst im-
hAlir bewissem / als andi niittai dnreh-hin gäben / gä-
ben ihm ein über-aus schönes aus-sahen. In der mitten
lihgt ein b&rgichter plahn / welcher wigen seiner hohe
den schahffen eine sehr bekwime weide h&rflihr-bringet.
Das grahs ist nicht so über-aus fet und saftig / wi an
den andern unüigeaden sumitfigten örtem j dehr-gestalt /
daaz man alhikr / wiwohl man selbiges sonst in der gan-
zen gegend nicht tnhn kan / zinüich vilü schahife zu hal-
ten pflaget.
Am hange dises b&rgleins hat di aber-irdisehe Bose-
mnnd ihre behansung in einem kleinen schähflfer-hütlein
genommen / welches an einem wasser-graben erbauet / und
mit etlichen linden beschlossen ist / dahr-aof ihr di Togel
manches morgen- nnd ab&nd-stAndlein verehren / nnd /
gleichsam als wan si mein Her dahr-zu hin-geschikkt hätte /
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mit ihren nacht- und tag:e-weisen manche stunde j di ihr
sonst vihl zvL lang fallen würde / verkürzeni.
An einem solehen orte nnd in soleher efnwuntelt Uir
bei nuhn seine mehr als mänschliclie Rosemund / und hat
aldahr in solcher stille und in solchem iride ihre ver-
w&rrete gedanken wideHim entwehren / ihren yenuinihig«-
ten sun wider befridiget / und mit den winden anstand
gemacht: den der aussei ste kummer ist also geahrtet /
dasz er alwäge zur einsamkeit seine ehrste zuflacht nah-
men will / weil di Sehle bei geselschaften das gift ihrer
krankheit so frei und ungehintert nicht ausstohssen darf /
auch nicht eher / sie sei daa dassen entladen / der gegen-
ndttel nnd des trofastes ffihig ist.
Wihr waren gleich zwe Tage for dieser ihrer abwaeh-
selung in Holland ankommen / da wii* dan straks von ihi-en
leuten erfahren / dasz es im wirke wire. Si lihs sich von
keinemmänschen s&hen / lihs auch nihmand f^mdes fHUirsich/
und kahm nicht ein-nmlil aus ilirem Zimmer / dehr-gestalt /
dasz mein Her / wi sehr verlangen er auch dahr*nahch
hatte / di ehre nkht haben konte / si nuhr eiiimahl zu
sahen. Er ging oft-mahls fohr ihrem Zimmer hin und wi-
der / and verneinte dises wunder-bild / wan die tühr
anfg&hen würde / ins gesichte zu bekommen: alein si
hatte sich den talig über allezeit in ihr inneres bei-zimmer
so faste vei*schlossen / dasz es nuhr umsonst wahr / sich
dashalben £&mer zu bemikhen.
Als si nuhn ihre reise des morgens sehr Mh ^ da-
mit es nihmand gewahr wui'de / nahch disem plazze zu-
genommen hatte I so taht Jungfer Adelmund ihrem Hann
bruder den fohrschlahg dasz er sieh in schahffers-kleider
yerstalleu - und si auf den aband / als ein abgefärtigter
schahfler von meinem Hern / dem Markhold y in ihrer
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i&nfltt wotaung besnoheB gölte; wdehes dan auch mte^bald
g<eschahe. Dan wilir verkleideten uns alle beide / bekränz-
* tan das habr mit emgemachten und wideMuigeatridicheneii
loaeD (dan friack« konten wihr nicht bakommen) nahmeii /
ein ilider / einen schähflfer-stahb in di ]iand / und kalimen
also kurz fohr der Aband-dönunerung tohr di woknung
der EoeennuKL
Dise schone Schähfferin hatte sich gleich in di tiihi'e /
gegen den Untergang der Sonnen / nider-gelahssen / und
sähe -die rohaüaht^ atraUen / welcka aicli gieick damahte
80 i&hUuEft nnd eo likrliek an den wölken aaagebreitet
hatten / und durch ihren zurükprallenden schein / das
wafiser gkiiehaain y^rg&ldet» / mit yerwundenmg an. Si
hatte den linken arm auf eine krampe gelahgt / and lihs
das ha,v^)t dahr-auf ruhen. Jah si sähe den himmel so un-
verwandt und so steif an / und sahs in solchen tuhö'en
gedanken / dasz si unserer anfangs nicht gewahr ward /
dehr-gestalt / dasz wihr zeit genug hatten / uns anf ein
aband-spihl gelasst zu machchen.
Als sich nohn mein Her von ftm unter einen banm
gesäzt hatte / und ein sch&hfier-lihd anf seiner pfeifen
zu spihlen begunte / so fuhr si aus ihrer sühssen veizük-
kung gleichsam fuhr schrokken in di h6he / und wolte
sieh in ihre schUiffer-wohnnng verhirgen. Aber / nach-
dahm sie sali<' . dasz wihr so gahr nahe bei ihr waren /
(dan wilir hatten uns von iain unter einen bäum nider-ge-
lahssen) und anch / allem ansihen nahch / nicht wikllens
wiren / uns zu nahem / so s&zte si sich widemm auf
die tuhr-schwalle j und horete meinem Hern mit sonderlicher
anfinarkong zu. Inzwäschen &ber-las' ich mein schahffer-
lihdlein / welches mein Her in ihres Lihbsten namen
äben dehnselbigeu mit-tahg gemacht hatte j und widerhohlt'
10
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— 146 —
es etliche mahl in geheim bei mihr selbst / damit ichsol-
ches ; wan es erfortert würde / ftrtiji^ liahr-süiigen konte.
Ais er si nuhn eine gulite weile mit seiner pfeifen '
alein erg&zaet hatte / so wolt' er ihr auch g&m einenge-
sang hihren lahssra / und frahgte mieh / ob ich mdm das
schakffer-lihd / welches er mikr gegäben hätte / wohl süngen
könte. Ich gahb ihm zur antwort / dasz ich mich alle-
zeit / wan es ihm beUben würde / dahrzu gefiisst hflilte /
und er dürfte nichts mehr tulin ; als mihr nuhr M'iuken /
so wolt ick mit meiner stimme sti*aks in seine weise ein-
fUlen. Hihranf macht' er wideriim ein kleines fiümsiNhl /
nnd nahch-dähm er mihr mit den äugen einen wink bega-
ben hatte I so fing ich an solcher gestalt zu süngen:
Schähffer-lihd. ^
I.
SCHüner Aus / bei dessen strande
seine Übe LIhbst« wohnt /
di ihn lähgt. in schwäre bände /
und mit harten werten lohnt;
Stäb* und hftmme deine flnht
ihm zu gnht.
il.
Hölire / wi er sich beklagtet
fohr der Aller-lihbsten tfihr;
schaue . wi er zitternd zaget /
and darf selbsten nicht cn ihr:
seiner wangen färb* entweicht
und Terbleieht
iU.
Er wUrd izt In ohnmadit fallen /
noch iflht seine SdiSldferia /
dl er Uhbt fohr andern aUen /
und di ihn Yon anbegUn
selbst so hürzlich hat gelibbt
nuhn betrfihbt.
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— 147 —
tf.
Ihnr fchSnen angen stirae /
das beflamte blizsel-xwel /
bUkt üEimd nicht mehr so gftrne /
sein enOmt / und wirden achin:
Ihre fohr-bellbbte lihr
weicht von liihr.
«
V.
Si erkänt und sihr ihn kluiren /
aber hören wül nh-hr /
noch mit ihm ein leiden tratcen;
3rarkhuhi MarkhuUl wi si ^^prücht /
ist mein feind / drüni liei.ss' icii ihn
Tüu uiihr zühu.
vi-
Kicht 80 scharf / o Schfthfferlnne /
Matitbold hat luin ibindUchs hin;
halt / 0 harte / iialt »nhr inne;
doch / es ist vilil-leicht dein schArz /
und anf stnrm folgt ins gemein
sonnen-aehein.
Als ich dise l&tsten zwei gesazze sang / so hatte
si sieb mit dam häubte fast gabr auf deu scbobä geneuget /
und sähe sich mit solchem ärnste nahch ans &m / damit si
erkennen michte / wehr wihr w&ren; aber es wahr schohn
alzu duükel / und si wolte sich auch nicht erkülmen
aus ihrem scbabffer-bütleiu bar aus zu traten / debr-
gastalt / dafiz si disen aband nichts yon ims zn wissen
hekahra.
Des andern Inges sehr früh schikte si zur Adelmund /
und lilis si / nabeust auerbütuug ihrer scliuldigkeit / ira-
gen / ob sie kdne zeitong Yon dem Markhold bekommen
hätte: daa si hatt' ihr eingebildet / dasz er fohrigen
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— 148 —
abaud mit dahr-bei gew&sen wäre / als ilir dises lihdlein
an zu hören gesnngen ward. NaiMsh-dihm ihr niüin di
Adelmnnd widemm hatte za-entb&ten lahssen / da» si fliB
zwalir noch nicht gesahen / aber gleich-wohl von einem
seiner bekanteu vemonmien hatte / dasz er zu Amstelgaa
gewiaen w&re; so yerkleidete ai sich andi seibaten / zohg
ein ganz schlohs-weisses atlassen kleid an / mit isabd-
^rbigen spizzen verbrahmet / und gahb ums beiden eine
gefaliitim
Also machten wihr uns widemm selb dreien nahch der
Bosemond behansong zu / welche sieb dise nacht (wi si
mihr hahr-nahch absonderlich sahgte / da ich sein schreiben
von ihi' bekahm) nicht schlahffen gelahgt hatte / sondern
allezeit in den gedanken gestanden wahr / dasz er ihr in
pestalt eines Himmels-bohten erschinen wäre / nnd si ihres
ai'gwahueä halben hatte bestrahffen wollen; dehr-gestalt j
dasz si nuhn-mehr ihren eifer-s&chtigen moht ganzlich ge-
brochchen / nnd den beleidigten &n yerzenhnng aniUhen
wolte.
Mein Her führt*' seine Jungfer Schwaster ehrstes
mahla unter diaalbige linde / da wihr £»hngiea absad un-
sere kun-weüe gehabt hatten / nnd era&hlt* ihr / wi sich
die BoseoHBid so schüchtern nahch ihnen umge^iaheu
hatte.
Weilihnen.nuhndiser bäum sehr lustig zu sein sehiae/
so lihssen si sich auf dne zeit dahr-unter zur ruhe nider /
und führeten allerhand gespräche mit einander. Adelnmud
erzahlt' ihm / wi ihn seine himlische Kosemund straks im
«nftage / da si ihn nuhr einmahl loben h&ren / und noch
nih-mahls ges&h^ / sohohn so h&ftig lihb-gewonnen hfctte /
dasz si ihre libe auch nicht eiumalü / wi selu* si sich auch dah-
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ite benfthet / TerUrgen ktaifin; und wi d mdk in teer
ehivtra za-sammen^nnft über alle mahssen entsttkt beftB-
den; dehr-gestalt / dasz es ihr nicht befremdet fuhrkime /
dasz ü sieh bei seioem ibwisen se htöig gegiiowt / md
ans alzn eiferiger Libe in etee solche Bchw&hrmfttig-
keit gerahten wäre / di ihr Dicht h&tte gestatten wol-
len / sich mit ihr oder ihrer Jungfer Sckwiater zu er-
lustigen.
Ihdllin si soldies sahgte / d» erblikte sie obn-geAbr
etliche Tichtlinge di in des baumes i-ünde geschnidten wa-
ren. Sihe hihr / mein bruder (sahgte si) was soi dises be-
deaten? dis ist nooh ein ftisoher Schaidt; ms gttt es /
di Boaemmd wfird sof dein gestriges lihd geantwortet ha-
ben! Als si sich nuhn beide / selbiges zu läsen / erhoben
hatten / so belanden si / dasz ihre maht^mahssung nicht
iUsch gew&sen wahr.
Mem Her nahm also-bald seine schreibe-tafel / nnd
schrihb das ganze lihdlein ab / welches er seiner ahi-tig-
keit halben / noch aile^seit eis ein heiligtahm Terwahret /
und wftrd es meinem Hern / so er es begUmt / woM
s&hen lahssen.
Von disem bäume gingen wihr widerum zu einem an-
dern / da wihr auch ein dberawHMhOaes anspihl auf des
Maridiolds namen fanden / wonms ifara* übe hiltiglBett
so sonnen-klahr blikt^. Ja si hatte seinen namen mit
dem ihrigen fast in alle bäume geschnidten / damit ja
das gedÄchtnus ihrer übe mit ihnen angleich iracfassen
nnd bekleiben mSchte.
Als wihr nuhn eine guhte weile unter disen bäumen
hiorum gewandelt waren / so begaben wihr uns auch aaf
dm bdig hinanf / da si gleich unter einem I^MMiiH&e
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— 160 —
sahs / und mit ihren sehUiflein / di sich üeMg bewd-
deten / umgaben walir. Adelmund schikte mich also-bald
zu ihr / and lihs si um eine fraundliche zusanunen-sprache
begrAhaaen / welehe ü ihr anch ako-bald zustund / so
fam si alein zu ihr kommen würde.
Weil sioh nohn die Adelmand mit einem falschen ge-
siebte yeimnniinet hatte / so konte man si gantz nicht er*
kftnnen / zufohr-ans in diser sch&hffers-tracht / in wel*
eher si Kosemund noch nihmals gesahen : Drum dorfte man
sich nicht yerwiuulem / dasz si fast eine halbe stunde mit
einander riideten / ehe dise schöne SehUifferin ihrer Fr&im-
din / der Adel-mund unter disem mum-gesichte gewahr
waixl: welche über alle ihre künstlerische verstallungen
auch di stäche selbst so meisterlich yeriuidem konte /
dasz si Rosemund nicht gek&nnet hätte / wo si nicht
ihr sonnen-schiim y welchen si in der hand hatte / ver-
rahten.
Wehr wahr froher als Bosemund; wehr wahr lustiger
als dise adle Schahtterin / indahm si ihre getraue Frauu-
din in einer solchen tracht ümi'ahen solte? Si ver-
sichcherte sich schohn heimlich bei ihr selbst / dasz ihr
Maikhold gewüslidi müste lohrhanden sein / und sähe
meinen Hern von iamen an / in Wullens / ihn an zu räd^;
weil si aber noch nicht tränen doxfle / so frahgte si zn-
ehrst di Adehnnnd / ob jenes nicht Markhold wire? Nein
(gahb Adelmund zur antwort) es ist mein bruder ^ wel-
cher ehrst fohr drei oder vihr tagen ans Dentsch-land
kommen ist.
Auf dise worte Ahl ihr der muht dehr-iuassen / dasz
si kaum mehi* radeu konte / gleichwohl sahgte si zu ihr:
eil wahr&m lahsst-si dan ihren Hern bmder so yon Ar^
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— 151 —
nen hinten-aus stähen! wihr wollen ihm / so es ihr . be-
libet / entgegen gaben / damit ich mich meiner nnhohf-
ligkeit w&gen gegen ihn entscfanMigen mige.
Als si dises gesagt hatte / so nahm si di Adelmund
bei der band / kahm ans entgegen / und sahgte zu mei-
nem Hern: Mein Her wird der anh6hfligkeit einer b&nerischen
Schahlferin etwas zn gnte halten / di ihm nicht anders
zu begegnen weus / als \\i si es in einem solchen laben /
da man auf kohfliche geprang' und ebr-erbühtigkeit wenig
sihet / schohn gewohnet ist. Hihrmit bohtsi ihm di hand
Selbsten / ^e si nooh r&cht bei uns wahr / nnd ehe er
sich dassen versähe.
Nihuiahls bab' ich so eine schone schahlferin gesahen /
als si; ich habe nihmals kein anmahttgers j kein lihb-
lichers Franen-simmer erblikket / als dises wnnder-m4nsch.
wi fartig waren nuhr ihre glider / wi zahrt und behände
di iinger ; wi hurtig di fuhsse / w^i belahbt und Mund-
lich di gebährden. Das bahr wahr oben mit einem g&ld-
nen ketldn eingefasset / nnd die lokken flatterten nnein-
getlochten um den hals härüm. Der wind spilete mit
ihren forder-lokken / nnd hatte gleichsam seine lusl dah-
ran / wan er si in ihr angesicht / &ber di engen / dasz
er si zu sahen / und über den mund j dasz er si zu la-
den verhinterte / harum wehete. Jene waien so wunder-
ühblich / und diser so roht / wi eine rose / di sich
ehrstlich des moigois anf-getahn / nnd noch mit tan be-
feuchtet ist
Wan ich noch dahr-an gedanke / wi si ihren schahffer-
stahb / dehn si oben am haken mit einem- kränze von
roht- nnd weissen rosen / welches ihre leib-farbe wahr /
geziliret hatt^ so ahrtig schwängken konte so bin ich
fast noch halb verzukket Di suunen eutgaheu mihr /
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— 152 —
wall ich gedanke j wi si solch' eine lihbliche / solch*
•eine reine / and solch' eine klalm ana-q^iu^ hatia
Mein Her mnske eetbeten lieWnnmi / den er ikm
gleichen nihmahls gesahen hätte. Jah als si von uns ein
wenig abgeti'ikten wahr / 4& sahgt' er in geheim zu sei-
ner Schwaator; waa fiekne alle dise »kriigkeiten / di er
hihr sähen konte / gehabt hatte / so verwundert' er aidi
gahr nicht / dasz si Paris entführet / dasz so ein mach-
tig Folk das laben eingehuhsset / und solch' -ein Iberai»-
schon' und gewaltige Stat / als Troja gewAsen / um Ikrer
Schöhnheit wüUen / eingeäschert y und vei-stuhret worden
wäre: sondern er musste sich nohr verwundern / wi es
noch mnhglioh sein konte / dasz irdische Augen Aber dise
über-irdischen (dalir-in Lihbreiz seinen Reichs-stnhl h&tte /
und unter ihren bükken mit solchen scharfen pfeilen häxüm
flpruhete) noch vertragen kinten / und wi dises hiraliBohe
geschöpfe ans einem starblichen leibe hatte können ge>
bohren Warden I
Ich kau meinem Hern nicht sagen / was dises sch&ie
Wund^ fUir tr&fliche nahch-dänkliche rUen fUuete / od
wi si sich zum ofteni ^ ihrer unhofligkeit wägen / selbst
heimlich durch-aohg / und solches mit so ahrtigen Worten
bemintein konte / dasz sich ihdermaa h&hchlich venpnm«>
dem muste / und Hiilfreich ändlich gezwungen ward /
solche trä fliehe hohfligkeit bei ihrer gegenwart selbst zu
erhoben: Wekher sohihffer / (sahgf er) o wtondepechtee /
und welcher mansch hat ibmals solch' eine &ber-aias*hih^
liehe schähfCerin gesahen i wi glüksalig ist dise hehrde /
di sokh' eine sohine und soikh' eine verständige Huhteiin
hat; diser ort / wi mich d&nket / ist gahr eiols / in-dttim
er Si zur beschuzzerin bekommen / und pochchet auf
seine kluge beherschedn. Di bäume stahen gleichsam mit
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— 163 —
fbren stolzen isten entbohr I und wan Si sich ihnen nnhr
eiu wenig nähert / so (deuditet mich) neogen sich di
zakken ans demnht fuhr ihrem herlichea ansiheiL
Ach mein Ber (fihl si ihm in di r&de) 'wan ieh ihn
diser seiner worte halben bestrahlfen wolle ; so wurd' ich
XBich an ihm m^ verbrachchen / als seinen fahler (so
man eine tagend also benennen mahg) verb&ssem; dan ioh
weus wohl , da&z ihm seine angebohrne hohliigkeit nichts
andei-s zu raden gestattet / als nuhr ein solches lob de-
Ben-jenigem sn gaben / di doch d&s wenigste nicht w&iv
dig sein. Drum w&l ich meine unwürdigkeit nnhr mit
stil-schweigen bekannen / und seine höhflicbe tagend mit
mwondenuig erhoben.
Als si niüm noch eine lange z^t geh6hllet hatten / ind
dise prunk-raden kein ande nahmen wollen / in-dahm
ein ihdier das Jßeld zu behalten gedachte I so brachte si
Adeimnnd noch ändlidi von einander / und sahgte mit
lächlen zur Kusemund; Ich venneinte / daisz ich eine
ßchahUerin besuchen wolte / aber ich beinnde > dasz un-
ter ^ner schahiittrin traeht die alle^fiAnliohflte nad gnaneste
h&hfligkeit / di man anch am erz-koniglichen hofe / unter
dam Kaiserliche nPrauen-zimmer / zu Wihu kaum antralfen
wird / Ywboigen lihgt. Meinem Bruder hab' ioh solches
wohl zoi^etraaet / weil er gkkh izt vom hofe k6mt /
und solcher hohf-sitten und w^ort-geprange gewohnet ist; aber
einer schahfferin / hatt' ich nicht gedacht / dasz es ansuc-
hen solle / oder dasz si in dehr-gldehen nnhr etwas
erfahren wäi-e. Dan liat si nicht gesähen / wi ich tolir
schahm errOhtet / und über mich selbst nnwuJüg gewasen
bni / dasB kä mkh / als di ick eise soUiiliwsTtnidtt
angenommen habe / auf solche hohf-raden galir niAt ge-
fasst gemacht / nnd das-lialben nohtwandig nichteen m.m-
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— 154 —
Ben? Jah wäre mein bruder nicht basser mit raden ver-
sahen gewton als ich / 80 würden wihr so zinüich be-
standen sein.
Aeben damit si ihre annuht bekanuet (fihl ihr di
Eosemuud in di rade) gihbt si ihren reichtuhm aber-
flÄhssig an den tahg; und wi k&nnen doeh die leute so
gahr höhnisch sdn? Aber was wollen wihr di zeit (fhhr sie
fort) mit vergähblichen räden in der hizze verschlülissen!
wihr tuhn basser / dasz wihr die schahffe weiden lahssen /
nnd / so es ihnen helihhet / zn meiner behansong ein-
kähren ; da wilu- im kühlen bässere lost und ergazUchkeit
schöpfen können.
Also gahb sich dises lustige und in schihffer-tracht
verkleidete folk in ihre wohnnng / welche si inwandig
mit starbe-blanen prunk-tuchern über-al auso-eziret Latte;
der boden wahr mit stArbe-blauen steinen gei)flasiert ; die
däkke mit äben selbiger färbe gemahlet / und di tische
blaulicht angestrichchenndt stftrbe-blauen t&chem beh&nget /
also dasz nichts als lauter blaues zu sahen wahr. Oben
über der haus-tühre liing ein gemalde / dahr-innen aut ei-
nem fahlen boden / mit rosen bestr&uet / ein Bitter / in
einem stärbe-blauen hämisch / mit einem blau- angelauffsnen
dagen an der selten und einem geiiialilten spelu*e mit
aben selbiger färbe in der faust / nahch dem ringel zu-
r&nnte / mit disen ttber-geschribenen werten: Esg< ihre
Schdhnheit.
Hinter disem blauen Kitter stund eine Jungfrau
zwischen den pmnkt&chem / von welcher man nichts mehr
als daa angesiisbt / und etwas von der bmst / eibUkken
konte; auf dam einen pruuk-tuche / gleich an der ekken
da si har-führ sähe / stunden dise worte: Ich sah* und
h6re mein Blaues wunder.
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— 156 —
Als Markhold dises erzählen h6rete / so ward er sehr
Terwnndert / und fräuete sich liohchlich / dasz Bosemoud
durch disen ahr-raht ihrer Sch&hffiBr-wohimiig noch so tüiI
andeuten wolte / dan si seiner tr&ne nicht vergissen hitte;
jali er hatte solche lust an diser erzalilung / dasz er si
noch ^-m&hl hören wolte. Nahch-dahm ihn nohn der Diner
]iihr>üinen auch rergnoget hatte / so fahr er in seiner
erzalilung dehr-gestalt fort:
Als wihr nuhn etwan eine stunde bei diser Schonen
m-gebracht hatten / so nahmen wihr wider&m unsem ab-
sehihd / und Adelmnnd ermahnte si noch zu lätst / dasz
si zwahr bei diser starbe-blauen färbe solle beständig blei-
ben / aber ihre bestandigkeit / di si dem Eitter über ih-
rer tfthren zn leisten schuldig w&re / samt ihrer gnhten
hofnung iiiclit starben lahssen.
U.
failaficini. Sansone L I. (S. 24 der Ausg. Yen. 1655. 12".)
Quiui da chi raccompagnana si dinise Sansone, perche
forse la ])ro])rieta seguendo di quelle cose, cU'al suo ceutro
monttuiosi, nelia vicinanza k qnesto si rendono piü veloci,
dalla Yehemenza de* desideri spronato, gPaltri precor^e,
per piü tostü almeno, spinger gli sguardi in grembo ä co-
lei, ch' adoraaa: ouero perche arrossiuasi d'esser yedato
caminar co* ptssi altnii: mentre 1' esser amante l'obligaaa
ad esser piü (i'ogn' altro velo(*e. Se dir noii volessimo,
che iörse attrauersando altri in piü vsato sentiero le vigue,
segnace egli esser non volle dell' onne loro; perche, oue
eon pi6 sicnro ealeana il corpo quelle strade, non senza
pericolo passeggiaua rauima, poco sicura di tiascorrere
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— 166 —
ne' precipiüj della eolt»a. Gl'mao ooa firtkidar dinieto
insieme col vino prohibite Tviie.
Eia in consegiieiiza vn* esporsi ä manifesto ruschio
della traflgnariane di qaesto precetto^ il camiiMur ooU^ ooe
in tanta firequensa da' euoi ttald penctoiano; quasi snppli
cheuoli chiedendo al passaggiero d'esser d'indi leaate, anide
di Hon piü aggranar la Madie. £ra lagotio troppo difi-
cile per Tappetito, riftetar iiniiti di qiidle, ehe tante poppe
mostrando feconde d'humore, incitauano, e quasi sforzauano
4 gustar V abondanza delle ane dolcezae. Pur troppo ü
tero deUCanimo noatro s^titMbB dalla calamita dal vitia,
senza, che questa con Toccasione temerariamente se gl' an-
nicini. LabiÜ pur troppo siamo per traboccar ne' pec-
caü, sensa che eon la conunoditi raidiaiiio piü lubiico
il sentiere. Con l'ale di mille affetti portati dall' indln»-
tioui, andiamo sempre volando alla regione dell' iuiquit^
e pure sü Tareo dell' occasione con piü rapido corso, quasi
saette, conriamo trk le nnbi delle sceleraggini, oue copiose
ci s'apprestano le tempeste, & i fulmini alle nostre mine.
£ coaa infalUbile, eh' 11 volontariamenteiiporsi inpericolo
di peccare, 6 vn' assiciirar al demonio quelle vittoie, che
dalla nostra caduta ei pretende. Chiisto medesimo ricusö
di mostrar la aua potenza a Satanasso, col conuertir le
pietre in paae, peroM la commoditü dell' haner presetHte
0 cibO) essergli poteua eccasiene per romper il gik quam
terminato digiuno. Ardisco dire, che greccessi della saa
santiU; aaai Timpeceabiliti sua propiia, wm raccertamm
di trioBfo eentro ü comanme» nemico, quando peraen»
grhanesse il combatter seco, con l arma dell' occasione in
»aiio.
Posso ben .dire, ehe npM Sansone piüüMsle le sd»^
lursi dalla ierocia d'vn Leone, che To scaasai^ la colpa sup-
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— 1B7 —
posta la Yicinanza del pericolo. AU'hor perö, ehe contra
di se con Tinsegne proprio furore spiegato, venir lo vidde,
Boa sfdggi rincontrOi gl'araldi ricusö, co' qnali era
nmitata la sua fortezza k dmento. Ostentana la fiera
orgoglio nel fronte, ferocia nel moto, generositA nel corso,
e ToracitA nelle faucL Persuadeua aspetto si äero, lo sra-
dicarOy quin! d'mtomo vna di qnelle men* assodate piante,
per troiiare (gik, che priuo era d'anni) instromento d'op-
portima difesa. Ma, nö, disse il cuore da spirito Diumo
animato. Yn vigor Celeste, non hk necessitä di soccorso
terreno. PraLigtoso dini non potrebbe il mio valore;
qnando coiitro vii solo Leone i'ender non potesse vincitore,
dkaimato ü braccio. Accostati .pnr fiera, oh* io fermoi
faltende per trion&r del tao fürore. Aggira pur la eoda,
ballena grocchi, apri le fand, mostra pur aiiabbiato il
deute, crudele lo sdegno, e generoso il petto. Sono vane
pumpe, inntili per aftterrir vn cooie, ebe non ö hnnano^
Le forze di q^este mani ti fsuran vedere, che male ti
consigliö Tardire, ad abbeuerar la tua fierez^ nelle mie
carai, meatre esaltar si deae la mia fortezaa nella tna
MMte. Co^ discorreaa Tanimo, quando & sforzato ad
esercitai-si il braccio. AIP hör, che dalla vicinanza fü la
iiera auoertita di für rvltimo oolpo, con vn saho impetaoeoi
mao SttB8<«e ecagUoBsL Oorraggioao qnesto aspetkana
l'assalto, air hör appunto, elf auuentandosi qnella, col ri-
tirar il pas^o, rese vano lo sfoi^o, meiitre egli coutrO'
d'easa sfinguidoei, raffeirO ndle fonei, gi4 per trangnggi«^
arlo, come noara preda. Rinl(»*zandod, poscia con non
pik d*yna scossa atterrola, facendone lo scempio con cui la^^
oevavebbe altri, debole ci^retto. Trk ce^olgi finalmente^
liK>ri di strada strascinaadone, oomesuei iroM^ le membra^
conXinuo ielicemeute il suo viaggio.
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Elftes CapiteL
Der beroiscli-galante Roman auf dem Ebhepimkie seiner Snt-
wlckelong: Ziegler nnd Lohenstein.
Wenn wir mit der BezaichnnBg Blütlie nicht die Vor-
stellnng eines nach G-rnndsätsen der Benrtheünng, die
heute und für uns gelten, Yollendeteü? bietenden Entwicke-
lungsBtadinms verbinden, sondern uns dabei den tbat-
sächlichen Höhepunkt einer eine Zeitlang vorhanden nnd
fBr die Eiit Wickelung unserer Gattuuj^ maszgebend ge-
wesenen Greschmacksiiclitimg, sie h darstellend in den ihrer«
zeit am mdsten geschäteten und bewunderten der ihr an*
gehörenden Werke, denken, so können wir mit Recht das
letzte Viertel des XVII. Jahihuuderts als die Blüthezeit
des heroisdi-galanten Kunstromans in Deutschland, als
die beiden Hanptvertreter dieser Glanzepoche Ziegler nnd
Luhensteiu und als die jene Blüthe darstellenden Werke
die asiatische Banise und den Arminius bezeichnen. Die
verhftltniszmSszig grosse Originalität dieser beiden Werice,
ihre Verschiedenheit untereinander, ihre ungemeine Be-
liebtkeit bei den Zeitgenossen, vor allen Dingen die scharfe
Ausprägung des Typus des heroisch-galanten Romans,
welche Form und Inhalt beider bis in das Kleinste hin-
ein zeigen, und nicht am wenigsten auch die immer noch
ziemlich verbreiteten schiefen und halbrichtigen Urtheile
Aber sie, nöthigen uns, auf ihren epischen Gehalt, ihre
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169 —
khriiaHen Momente, ihre architektMiiedie ZnRMniaeiwetamg
genan einzugehen.
Heinrich Aiishelm von Ziegler und Kliphausen hat
den beliebtesten und am spätesten noch gelesenen und auf-
gelegten deutschen Roman des XYIL Jahrhunderts ge-
schrieben. Denn seine ^AsiatäMhe Banise oder blutiges
•doch muthiges Pegu" erschien, so viel wir wissen, im
Ganzen neunmal') Die übrigen Schriften*) des Verfassers
«) Leips. 1688. 8^. — 1690. 8^. - 1707. 8^>. - 1721. IL 8^. —
1738. 8^. — 178a 8P. — 1768. 8^. — KdnigHb. iL Lps. 1768. 8P- —
1764—66. 8^. —
*) Qoedeke glebt «i 1) TSglieber Sebanplati der Zeit Lelpi.
1700. fol. S) HiBtor. Labyrinth der ZtitLps. 1701. fol. Continnirter
histor. Schanpl. nnd Lab. der ML Lpcg. 17ia fol — 8) Heldenliebe
der Schrift A. u. N. T. in 16 anrnnthigenLIebes-Beg^ebenheiteu. Lpz.
1734. ^. — 4) Heldenliebe der Schrift A. u. N. T. Zweyter Theil (von
G. Chr. Lehms). Leipa. 1737. S«. — Eibische Hehlenbriefe in 12«. sonderb.
Liebesbegebenheiten des A. T. als dritter Theil v. C. H. S. Leipz. 1732. B'^.
Mir liegt noch eine Ausgabe des Täi^licheu Schauplatzes d. Z. v. 1695
Tor, nnd die mir bekannte Ausgabe dieses Werks v. 1700 ist als zweite
Auflage bezeichnet. Der T. S. d. Z. ist ein sogenanntes Hemerolo-
giuni In groszeni Stil, das bist. Labyrinth ein sehr buntes (iemenge
von historischeu und genealogischen Nachrichten. Balthasar Christoph
Sinold, genannt Schütz, hat dt'u T. S. d. Z. und Prof. Stief in Bres-
lau das L. d. Z. fortgesetzt. Von den beiden Theilen der Heldenliebe
lieiren mir zwei von Goedeke nicht aufgeführte Ausgaben vor, a)
I Leipz. 1706. II Leipz. 1711. b) I Leipz. 171.5. II Leipz. 1721.
Hieraus erklärt sich die Jalireszahl 173'j der Qeldenbriefe, von denen
icli keine Aiis^'ahe gesehen habe. Uebrii,n'ns dürfie die Aiisirabf von
1700 auch nicht die erste sein, denn sie entliält eine , Bodelwitz den
3. April 1691" datirte Vorrede, die gleichzeitig mit der Drucklegung
des Werkes abgefaszt scheint. Die Einrichtung nnd Beschaffenheit
der ..Heldenlifbe'* erhellt schon aus den Worten dieser Vorrede „Die
Helden-Briel'f des unvergleicljlirhcn Hernis von H<)tTinann>\val(lau ha-
ben mich veranlasset, als ein Blin<ler dem Lichte zu folgen, und zu
sehen, wie weit sich die UnvoUkomraenheit eines begierigen Geistes
extendireu lasse. Nach diesem Nord-Sterne richtete ich meine Jcüline
Fahrt ein etc." Die prosaischen erzälüenden Stücke dienen nur sor All'
g«be der SItaAtion fllr die in elegischen Alenndrinem ahgefiMsten
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— 160 —
dam l—wtaiiioheii Edrimwin» (geb. 1668 la Badneriti^
gestorben 1697 zu Liebertwolkwitz bei Leipzig), stehen
seinem berUlunten Erstlingswerke an Bedeutung weit nach
und wurden erst TerbffentUchti als die Banise schon be»
rtthmt war;
Der Inhalt derselben, eines nur einen mäszigen Octav-
band starken, also im Vergleich mit den Erzeugnissen*
der BneUudta, Anton UfaiA nnd Lohenstein sdir km-
gefaszten Romans ist folgender.
„Blitz^ domier und liagel, als die rächenden werck-
zeuge des gerechten hinunels» zerschmettere den pracht
deiner gold-bedeokten thAime, nnd die räche der Gotter
verzehie alle besitzer der Stadt: welche den Untergang
des Königlichen Hauses befördert^ oder nicht solchen nach
eusserstem vermigen, auch mit darsetzung ihres blutes,
gebührend verhindert haben."
So begiuut eine längere Rede, die der Yerüasser den
Balacin halten läszt, um der Verpfliehtung des in medm
res rapere gebührend nachzukommen, wobei der tapfere
Prinz von Ava, nachdem er die ganze Nacht allein ge-
ritten, die grosze Stadt Pegu von einem fittgel herab be>
trachtet. Kaum hatte er aber ausgeredet, so ward er you
drei verwegenen Bramanern wüthend angefallen, welche
dui ch die über ein&n grausamen Tyrannen in seiner Bede
ausgesprochenen Flüche in Zorn yeraetzt worden. Sr er-
legte zwei von ihnen, der dritte ergriff die Flocht. Der
schwerverwuudete Held schleppte sich, nachdem er eine
Zeit lang ohnmächtig gelegen hatte, da er in der Nfihe
Stimmen hörte, in eine HOhle an dem Ufer eines groszen
Flusses. Seine Yeilolger nabelten sich und wailen die
Briefe, WBlflfae nicht ipftter aU sit te Comspoiideiis Adami und
BvM beginnea. Diesem EiofeUe entsprieht der Stil bes Garnen.
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— 161 —
Leichen der von ihm Getiklteten aot das sandige Ufer
vor der Höhle, in welche das Wasser noch eine Anzahl
Leichen^ vermuthlich von einem Blutbade, welches der
grausame Chauiuigrem angerichtet liatte, herrührend, ge-
q>filt hatte. Als die Nacht den Prinzen in diesem scheoaz-
liehen Asyl tlherraschte, fimd sich noch ein groszer Tiger
ein. welchen Balacin erleprte. Jetzt führte ilim aber daii
Schicksal zwei ihm üeundiich gesinnte Männer zu, näm-
lich den alten Talemon nnd seinen Sohn Ponnedro, welche
ihn nach Talemons Schlosse brachten. Wfthrend er hier
an seiner Wunde danüeder lag, brachte Ponnedro, der
Oberhoüneister über das kaiserliche Frauenzimmer bei
dem IJsnipator Chanmigrem war, die Nachricht, dasz die
Prinzessin Banise, Balacins Geliebte, wahrscheinlich noch
lebe. Die Gemahlin Talemons und seine Tochter Lo-
rangy, welche sich sogleich beim ersten Anblick in den
Prinzen auf das heftigste verliebte, quälten ihn mit Zu-
dringlichkeiten sehr plnmper Art Bald langte auch Ba-
lacins Diener Scandor. der in der Geschichte eine hu-
moristische an Sancho Pausa und Scherasmiu erinnernde
Rolle spielt, an und brachte zwei Briefe, ans denen her-
vorging, dasz Dacosem, Balacins Vater, mit dem er in
schlechtem Einvernelimen gestanden, gestorben und er ihm
in der Herrschaft Uber das Keich Ava nachgefolgt, sowie
dasz er zum Herrscher ttber Aracan erwählt seL Auch
Abaxar, wit Ponnedro in Diensten bei Chaumigrem. aber
nur auf eine Gelegenheit zur Stürzung des Ungeheuers
wartend, findet sich ein. Ihm, dem der Prinz wie den
Frauen zunächst nur als ein Diener Bsladns vorge*
stellt wird, dem Talemon und Ponnedro erzählt Scandor
die Lebensgeschichte des Prinzen Balaciu und seiuer
Schwester, der Prinzessin Higvanama, welche er mit
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— 162 —
dam ibm eigenen HnMordorehwebt and don^dkwkentm
den eigentUchen StroBi der mohselyolleii WnndeTgescliiclUe
geleitet werden. Dacosem, König von Ava, Balacins Va-
ter, unternahm aus Ehi^uclit einen Erbfolgekrieg mit sei-
nem NeilNi und Lelinsherrai, dem Kaiser Xemindo Ton
Pegn. Er ernannte den Chaumigre», der Ton Xemindo
abgefallen war, zum Eeldherm, aber durch dessen Unföliig-
keit fiel der Krieg, in dem sein ältester Sohn das Leben
verlor, so unglücklich ans, dass alles verloren gewesen
wäre, wenn niclit gleichzeitig sich Xemibrun, Chauniigrems
Bruder und Vicek^ug von Brama, empört iiätte, w«s den
Kaiser Xemindo nöthigte, mit seinem siegreiehoi Heer
eiligst in sein Reich zurückzukehren. Inzwischen wuszte
sich der an Leib und Seele gleich scheuszliche Chaumi-
grem in nnerklärlichem Grade bei dem alten Dacosem in
Gnnst zn setzen, so dasz er, nnverschämt, wie er war,
es sogai* wagen durfte, nach der Hand der Prinzessin
Higvanama, die bereits mit dem Fnnz^ Nherandi von
Siam verlobt war, an streben. Da ihn des Königs Ancto*
rität in diesen Werbungen unterstützte, leistete er so
Groszes in Lächerlichkeit und Unverschämtheit, dasz er
mit dem Prinxen Baladn in Ckmflict gerieth. Wieder die
Gunst des Königs machte es möglich, dasz er, der fremde
Graf, den Prinzen zum Zweikample herausfordeni durfte.
Aber statt des Ohamnigrem erschien auf dem Kami^
platze nmr ein Brief mit der Nachricht, dasz er, durch
den Tod seines Bniders Xemibrun plötzlich König von
Brama geworden, sofort abgereist sei, doch wolle er die von
dem Prinzen von Ava empfangene Beleidigung „dermassen
rächen, dasz auch das kind in niutterleibe den tag be-
weinen soll, an welchem mich die eigensinnige Higvanama
verachtet hat." Diese Wendung bestimmte den alten Da-
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eosem, znr Krtaug des GebAvdes aemer Narrheit aeiiien
Sohn Balaein ans seinem Reiche zu verbannen, dem nun
nichts ttbrig bliebe als von seiner innig geliebten Schwester
EOgranama henbiBdieiiäen Abschied zu nehmen.
Hier bricht die erste Erzfthlimg Scaadors ab und die
Zuhörer gehen auseinander. Tags darauf belauschte Ta-
lemon zaföllig ein Grespräch zwischen Hassana und Lorangy,
welche letztere so staiii in den Prinzen, verliebt war, dass
die Alte nach Hofo zu laufen und ihren G^ahl wegen
der Verbergung des verdächtigen Fremdlings anzuzeigen
beschlosz, woiein sich Balaein nicht geneigter zeigen
wollte. Talemon warnte den Prinzen mit betrftbtem Her-
zen, und letzterer richtete nun bei der bald eriolgenden
Unterredung mit den beiden würdigen Damen, in der ihm
Lorangy eine höchst zadringliche Liebeserklärong machte,
sein y4M*halteii danach ein, um wenigstens das Aenszerste
abzuwenden. Leider konnte er nicht anders, als eine nächt-
liche Zusammenkunft mit der mannstollen Dirne verab-
reden. Hierauf kamen die, welche Scandors Erzählung
gestern angehört hatten, wieder zusammen, und er trug ih-
nen die Geschichte des Prinzen Balaein und der Prinzessin
Banise als Fortsetzung vor.
Da Balaein völlig nngewisz war, wohin er sieh wen-
den solle, gab ihm Scandor den zeitgemäszen Rath, ein
Omkel zu befragen, was sofort in dem wegen seines Tem-
pels berühmten Grenzflecken Pandior ius Werk ge.setzt
wurde. Die ziemlich ausgedehnten und haarsträubenden
Ceremonien, welche nöthig waren, um eine Antwort des
Gottes zu erlangen, brachten es mit sich, dasz der Prinz
ÄUi" einige Zeit in tiefen Schlaf verliel, in welchem ihm
das Traumbild einer überirdhichen Schönheit erschien. Der
Priester Uberreichte ihm einen Zettel und zwei Schachtehi,
11*
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als er zur bestimmten Stimde jenen öffiiiete, la^ er die
Worte:
„Zeuch bin, betr&bter Printe, dir wincket Pe^ za,
Errette deiueri feind aus seines feindes haiideii:
£8 wird ein fremdes büd so aug als liebe blenden:
Doch endlich findet man die eingebildte mh.
Schau! dein vergnügen liegt in schrecken, furcht und ketten :
Drey croiien mÜ6J>eii erst die vierte crone retten.
Das opffer cronet dich als einen Taüpn.''
Der Prinz fiberschiitt also die pegnanische Grenze.
ITebri^ens hatte er nicht lange Zeit, sich bewiiszt zu wer-
den, dasz er sich in älmlichei^ Lage belaud, wie die Hel-
den im Amadis, wenn sie Urganda mit einer aasfährlichen
aber erst post eVentom mit grosser Mühe zu erklftrenden
Weissagung beglückt hatte, denn sehr bald fand er Gele-
genheit, zwei Herren von Mördern zu befreien. Nachdem
diese Heldenthat gelungen, stellte sich ihm der eine als
den Kaiser Xemindo Ton Pegu vor, und er gab sich — da
er des Kaisei-s Feind war — für den l^rinzeu l^antoja von
Tannassery aus. Einer der Augreifer {gestand ster])endy
dasz sie von niemand anders als Chanmigrem yon Brama
zur Ermordung des Kaisers abgesandt waren.
Die Folge der Heldenthat Bahu ins war eine ähnliche
Confusion von Liebespaaren, wie wir sie bereits in der
Diana kennen gelernt haben. Denn Xemindo verlobte ihn
znm Danke mit (der von Balacin zonllchst Ar des Kaisers
Tochter gehaltenen) Prinzessin von Saavady, diese ihrer-
seits wurde von dem ELronprinzen Xemin heftig aber nn-
glttcklich geliebt, nnd zwar blieb Xemins Znneigmig des-
halb unerwidert, weil die Prinzessin den sich am Hofe
aufhaltenden Prinzen Zai^ang von Tangu anbetete, dieser
aber entbrannte nicht för sie, sondern für die nnveigleidb
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— 165
liclie Banise, des Kaisers Tochter. Da nun die Erschei-
niuig der Prinzessin von Saavady mit dem von Balacin
im Tempel zu Pandior erblickten Traumgesichte nicht
übereinstimmte und auszerdem sich die verliebten Personen
ihren dem Balacin unbekannten leidenschafilicheu Bezie-
hirngen gemftsz benahmen, so war «eine sonst treffliche
Intelligenz Tor diesem Heere von Bäthseln in groszer Ver-
legenheit. Indessen sollte sich der vSchleier nach und
nach lüften. Zoerst entdeckte der in der Genealogie
besser als Baladn bewanderte Schatzmeister Talemon, dasz
der vorgebliche Pantoja nicht Prinz von Tanassery sein
könnte. Balacin zog ilm ins Vertrauen, Taiemou kiäite
ihn zunächst dai^ber auf, wer die ihm verlobte Dame sei,
ferner in welcher Weise die Liebesbanden an dem Hofe
Verschlungen seien, und schlieszlich gab er ein Signale-
ment von der Prinzessin Banise, wodurch ihre Identität
mit dem erwähnten Tranmbilde wahrscheinlich wurde.
Hiervon sich Gewiszheit zu verschatten und zugleich die
ilim Yerheiszene aus den Tatzen eines Panthers zu be-
freien, hatte der Prinz in den nächsten Tagen Gelegen-
heit, als er die kaiserlichen Lustgärten besuchte. Da er
aber das Bildnisz der Prinzessin von Saavady pflicht-
schuldigst bei sich trug, verwickelte er sich unmittelbar
naeh dem glücklidien Augenblicke, wo er Banise das erste
Mal gesehen, in einen Zweikampf mit Xemin, jedoch der
Kampf endigte mit dem Abschlüsse eines Freundschafts-
bündnisses, da auszer der Eiitenntnisz der beiderseitigen
Tapferkeit noch die Dazwischenkunft der Prinzessin, um
die es sich handelte, klar legte, dasz sie ihrei^eits we-
nigstens von Bakcin-Pantoja nichts wissen wollte.
Seandor hatte inzwischen mit einer sehr wenig schö-
nen Hofdame, nur um die Zwecke seines Herrn zu für-
»
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dern, einen lächerlichen Liebeahaadel, und als ein grosses
Fest in der Seestadt Maeeon stattfuid, edangte Balaian
den von Banise ansgetheilten ersten Preis, nnd Scandor
machte während der Festlichkeiten die Bemerkung, dasz
die öfter «uf BaUein verweüeadea Blicke der ftberirdiaclian
Piimessin eine awfkeiinwide Liebe in TStktlnden seidenen.
Bei dem nun folgenden Bankett ging; es hoch her, Prina
Zarang betrank sich nnd begosz die Phnzess^in mit Wein,
aber auf schreeküche Weise sollte die Lust gestört wer-
den. Es langte nimlich ein Gönner ane der Residens
Martabane an, woselbst Xemindos Schwiej^ersohu hei isi hte.
und berichtete, dasz Chanmigrem das Keich und die Stadt
Terrätherischer Weise ttber&Uen, durch Yenmtk einge*
nommen, ein entsetslicbes Blutbad angeriehtet> den König
schlieszlicli ins Meer werten nnd die Königin nebst 140
fürstlichen Frauen und ihren Kindern habe verkehrt aui-
hängen lassen. Der Bote verfiUurt bei der Besckreibnng
mit einer schandererregeaden AnschanUcfakeit nnd Ans«
führlichkeit. Nachdem sich Prinz Zarang noch durch
Lobeserhebungen des (Jhaumigreu raffinirt taktlos gezeigt,
▼on Baladn bmnsgeferdert worden war, sieh aber niebt
gestellt hatte, tni der eiligst mit dem ganzen Hol^ nach
Pegu zurückgekehrte Kaiser Vorbereitungen zum Kriege,
der ihm T<m Chanmigrem drohte. £r verlobte seine Toch-
ter mit Baladn, nnd da er den wahren Namen nnd Stand
desselben schon seit einiger Zeit entdeckt hatte, so sen«
dete er ihn eiligst nach Ava, um Balacins Vater zu Hülfe
n mfen. Der Piiaz nata von Banise mit von schweren
Ahnungen erfülltem Herzen Abschied, nnd diese Ahnun-
gen waren nur zu riclitig gewesen. Denn sein Herr Va-
ter, der das, was man einen alten Esel nennt, in der aus-
geiurftgtesten Weise war» ging nicht nnr anf den Inhalt
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semer Qenadtachaft nicht im miiidMlen ein, sondern lieas
den Primen einsperren. Die Naekricht, dnss Caummigreni
es mit Pegu ebenso gemacht, wie kuize Zeit vorher mit
Martabane, brachte ihu dem ^\'ahnsinü nahe und warf
ikn Ifingere Zeit naf das Krankenbett
Hier endet Scandors Vortrag wieder und zngleich
das ei ste Buch. Nachdem die Zuhörerscliaft auseinandei'-
gegangen war, hielt der Prinz, der sich nicht ahne Schrecken
an das, was er mit Loniagy verabiedet hatte, erinnerte,
mit Scandor einen Dialog Iber das Heirathen, der eine
sehr ausführliche Variation eines seit dem Mittelalter in
der Facetien« und populär moralischen Literatur, in Deutsch*
iand beasadem seit der Yerdentsdumg der Schrift Pe-
trarcas vom glücklichen und unglftcklichen Leben, belieb-
ten Gedankens ist. Sie gehen nämlich, indem der Prinz
smn Heirathen anredet, alle möglichen Kategorien von
Heirathscandidatimien darch, als die Schönen, die Häsa-
lichen, die Wittwen, die Stillen, die Munteren, die Reichen,
die Armen, und Scandor bringt bei jeder die Gründe vor, '
warum er grade eine solche nicht wolle, und kommt end-
lich an dem Schlüsse: In Snmma, ein Weib ist ein noth*
wendiges Uebel, eine natürliche Anfechtung, eine ein-
heimische Gefahr und ein lustiger Schade. Da Iragt ihn
sein Herr, ob er sich wohl, nm ihm geüSLllig zu sein, ver»
ehelichen wolle, woraaf Scandor sogleich versichert, es sei
zwai' sein Vorsatz gewesen, den Kranz seiner Jugend mit
ins Grab zu nehmen, wenn abei* einige Treue gegen sei-
nen Herren kOnne dorch eine geringe Heirath bewiesen
werden, so wollte er sich wohl unterfangen, das älteste,
häsziichste, boshafteste und äimste Weib in ganz Abien
zu heirathen.
Somit ist er anch damit ganz einverstanden, bei dem
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Stelldichein seines Henen Rolle zu spielen, sich mit Lo-
raiigy ertappen und, wie Hftflaana geplant, durch einen
bereitstehenden Talagrepen (Priester) anf ewig mit ihr
verbinden zu lassen.
Den folgenden Morgen erschien nun Abaxar wieder,
und Talemon ergriff an Stelle des Scandor das Wort, nm
die Geschichte yon dem Tode nnd Untergange des un-
glückseligen Kaisers Xemindo samt dessen Prinzen und
ganzem Reiche zu erzählen. Während Xemiudo gegen
Dacosem von Ava Krieg fährte, fiel, wie sch<a erwähnt
wurde, Chaumigrems Bruder Xemibmn, der durch Hetzerei
diesen Kriepr ttberli;iui»t angelacht hatte, in Pegu ein.
De] tapfei*e Prinz Xemin konnte sich in ollenem Felde
nicht behaupten, eine getährliche Belagerung begann, aber
die endlich aus Ava anlangende Hauptarmee brachte Ent-
satz, Xemibrun wurde *;änzlich gesi Ii lauen und fiel. Doch
der an seine Stelle tretende Chaumigreui vergönnte den
Siegern nur kurze Buhe, es kam erst der schon erwfthnte
Martabanische Krieg, dann zog er selbst gegen Pegu
heran. Seinen 900000 Mann waren die 600000 Xemindos
nicht gewachsen. Bald nachdem sie ihnen entgegen ge-
zogen waren, langte in der Hauptstadt die Nachricht an,
die Schlacht sei verloren, der Kronprinz gefallen, der Kai-
ser wurde vermiszt. Dem herbeieilenden Sieger ölfneten sich
namentlich durch die zweideutige Haltung des Unter&ld-
herm Quendu und der Priesterschaft die Thore, das kaiser-
liche Frauenzimmer, unter ihnen Banise und die Prin-
zessin von Saavadj geriethen in Gefangenschaft, Talemon
rettete sein Leben nur durch Ansliefeniiig eines Theiles der
Schätze, und als der Kauser Xendndo schlieszlich ergriffen
ward, liesz ihn Chaumigrem vor sich bringen, redete ihn höh-
nisch an, und den nächsten Tag wurde er vor den Augen des
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ganzen Volkes hingerichtet. Auch Banisen hatte der Ty-
rann zu tödten bel'olüen, und Abaxar sollte diesen Beiehl
ansföhren. Bald Dackdem Cbaumigrem * seinen Bltttdorst
in Pegu iiestillt, brach er mit Heeresmacht gegen das K5*
lügieich Prom auf, wo eine Königin, die Schwester Bala-
cinSy als Vonnttnderin ihres mindeijfthrigen Sohnes herrschte.
Da sich die Bewohner verzweifelt wehrten^ fiberstieg die
Grausamkeit ('haumij,n'ems, als er endlich Land und Kesi-
denz — natürlich dui'ch Verrath — eingenommen hatte»
alle Grenzen. Er liesz die Königin sammt ihrem Sohn»
giausam hinrichten, die Stadtbewohner trrösztentheils nie-
derhauen uud in kleine Stücke geliackt den Klepüanten
zmn Frasze vorwerfen n. s. w. Nachdem Talemon bis
hierher erzählt, wollte nun Abaxar berichten, was er an
jenem Tage, da iluu die Tödtung Banisens befohlen wor-
den, mit ihr vorgenommen, aber plütadich entstand ein Tu-
mnlt, Talemons Schlosz wurde von Soldaten umstellt und
Abaxar von diesen auf Befehl ( 'liaumigrems gefangen ab-
geführt. Da Prinz Balacin bei diesem Voiialle in die
gröezte Aufregung gerieth, wurde er nunmehr auch von
Abaxar erkannt, dieser versicherte ihn seiner Ergebenheit,
und Balacin würzte nun wenigstens aus der begonne-
nen Erz&hlung, dasz Banise noch lebe. •
Hierauf folgt nun wieder eine komische i^isode, worin
erzählt wiid. wie Hassanas und zugleich des Prinzen An-
schlag hinsichtlich Lorangys vollkommen gelingt, so dasz
der getreue Diener seines Herrn zu einer Frau kommt
und sich schlieszlich in sein Schicksal so gut fligt wie die
andei*en Betheiligten. Erst jetzt erfahi*en wir, wie es
am die überirdische Banise eigentlich stand. Abaxar
nämlich hatte statt ihrer eine ihr mOgliehst ähnliche Scla-
vin in ihren Kleidern köpfen uud den kopüoseu Körper
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— 170 —
auf den ofienen Markt werten lassen, die Sdiwester der
Qetödteten aber nicht reman Mvnd gdialten, mä so war
die Angelegenhdf endlich zu dem BoUm oder Oberpriester
gelangt, welcher in einer Staatsrathssitzung dem Tyrannen
davon Anzeige machte. Dies war die Ursache der plöts-
lichen Yeihaftoiig Abazars. Ghaamigren, wdcher saerst
die sofortige Hinrichtung Barnsens befohlen hatte, liesz
sie, durch die Erinnerung an ihre Schönheit verleitet, vor
sich bringen and volehlte nat&rlich nicht» sich sterblich
in sie 20 yerliebea.
Da er jetzt besser als der Prinzessin Higvanama ge-
genüber in der Lage war, seinen Werbungen Nachdruck
an Terachaffen, gab er ihr sechs Tage Bedenkzeit nnd Ter-
trante dem Ponnedro die Obhnt Uber ihre Person. Bala-
cin und seine Getreuen, deren Sache es war. die gege-
bene Frist zu benützen, hielten einen Krieicfsrjith. und auf
Scandors Bath ward beschlossen, daaz sich Balacin oad
Scandor als portugiesische Eanflente verkleidet bei Banisen
Zutritt verschaffen und es auf eine Entführung absehen
sollten, wozu ihnen die zwei in Pandior empfangenen
Schachteln, welche Mittel zur gftnzlichen Yerstdlnng and
Wiederherstetlnng der Gestalt enthielten, treffliche Dienste
leisteten. Die Ausführung dieses Vorschlages brachte Ba-
lacin die Gelegenheit, hinter einer 'Tapete versteckt Zeuge
der Verliebtheit Ohanmigrems nnd der List seiner Gelieb-
ten zn sein, nnd setzte Scandor in die Lage, als extempo-
riiler Juwelen- nnd Schönheitswasserhändlei* unter den
Hofdamen seinen Witz spielen za lassen. Aoch gelang
es, die Entfllhnmg Barnsens alsbald zo verabreden. Zoerst
ging auch alles ziemlich nach Wunsche, Cliaumip:reni er-^
hielt von der Prinzessin einen Schlaftrunk, und sie entkam
in sdnem Biocke dnrch die geheime Tigerpforte, in der
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— 171 —
Folge aber verirrten sich die Flüchtigen, Balaein kara^
als die Verfolger schon naheten, Ton den andern ab, Ba-
idie ttd Seaador worden geCuigen nnd vor Cfaanmigrem
getaicht wahrend der vwaweifetode Bakein nach der
erforderlichen hochpathetischen Rede in sein Vater-
land eilte, thai Ranlüm Schönheit ihre Wirkung. Denn
kanm hatte sie der Tyrann, anf des Bolinw weise Rede ge-
gen die liiebe zu ihrer Tödtung fest entschlossen, wieder
erhiickt, als er auch sogleich alle JEUchegedanken mit nur
yerstftricter Verliebtheit Tertanschte, ja selbst der alte
B.olim war in der T^age, seine eben auseinandergesetzten
^ Qmnds&tze gänzlich aufzugeben, und empfand solche Zu<
neignng zu unserer Heldin, dasz er nunmehr ebenso eifrig
xnnftchst fttr die Erhaltung ihres Lebens sorgte, wie er
vorher sn ihrem Tode gerathen. Auf seinen Rath ward
dem Kaiser Torgeschlagen, Banise erst in dem des Bolims
Leitung unterstehenden Ten^id der tausend Cutter ein
halbes Jahr lang ihrer Traner obliegen zu lassen, wofür
sie ihn dann heirathen wolle. Hierauf ging der blind Ver-
lebte auch ein. Auch Scandor eridelt troti seines nasewei-
sen Auftretens die Freiheit und folgte seinem Herrn nach
Ava.
Dieses Königreich trat Balaein seiner Schwester Hig>
▼anama feierlich ab und verftkgte sieh darauf nach Arar
can, wo er gekrönt ward und nach einigen zeitgeniäszen
Aenderungen der Gtesetse (wonach der König sich nur
alle fttnf Jahre seinen ünterthaaen zeigen nnd seine
Schwester hatte heirathen müssen) seine Reichsstäude zum
Kriege gegen Pegu aufrief. £i*st wurde aber eine Ge-
SBiidtschaft an Chaumigrem abgeordnet, die Prinxessin zu-
fftdkznIbrdeiTL
Auch dieser sann schon wieder auf neues Blutver-
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172 —
gieszen, und zwar galt es diesmal dem Beiche Siam, wel*
ches mit Krieg zn Qberziefaen sich auch bald ein Ver-
wand findeu liesz. Es beanspruchten damals nämlich die
Kdnige Ton Bengala, Aya, Aracan, Siam und Pega zu-
gleich den Titel eines Herren des weissen Elephanten,
Besitzer aber dieses Thieres und somit alleinig berechtigt
ZOT ij'ülu^ung des Titels war der König von 8iam. \'on
diesem nun verlangte Chanmigrem Uebergabe sowohl des
Elephanten als des Titels und auszerdem Anerkennung
der Lehnsabhängigkeit Siams von Pegu, und als diese
Forderung zwar höflich aber bestimmt abgelehnt ward,
rttstete Chanmigrem nicht weniger als eine Million und
zweilmnderttauseud Mann, mit denen er sogleich das liand
überfiel und nach einer Niederlage seiner Vorhut mit der
dem Feinde an Zahl weit überlegenen Haufitannee yor
die Hauptstadt Odia, India uder Siam. am Flusse ALenan
zehn Meilen vom Meere gelegen, rückte.
Wfthr^d hier ein äuszerst heftiger Kampf entbrannte,
versuchte der alte Rolim sich Barnsen geg^entiber mit Lie-
beswerbungen, welche einmal duich den Eintritt des Prin-
zen Zarang, der durch Bestechung und Verkleidung bis
in das Zimmer der Prinzessin gedrungen war, unterbrochen
und SU energisch furtgesetzt wui*den. dasz der Rolim wie-
der dazwischen kam und der Frinz von Taugu eiligst die
Flucht ergreifen muszte.
Die Aracanischen Gesandten langten bei Chauniigrem
vor Odia an, sie wurden aber von ihm, der die Stadt vor
ihren Augen einzunehmen wünschte, hingehalten, und,
als wiederholte Stürme abgeschlagen waren, mit einer ab-
schlägigen und beleidigenden Antwort entlassen. Nach
ihrem Abgange aber wandte sich das Kriegsglück noch
einmal zu Gkmsten des blutbefleckten Wütherichs. Die
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— 173 —
jttngste Tochter des Königs von Siun war gestorben, man
▼ermuthete Gift, ihre Mutter lenkte das ^lisztiaiien
des Küuigs, nachdem viele Unschuldige waren ge-
martert and getödtet wordm, auf ihre Stieftochter
IPylane, der verblendete König wollte sie verbrennen
lassen, als der in Siamesische Gefangenschatt jrerathene
Abaxar als ihr Kämpe aultrat und sie erlöste. Jetzt
konnte, da die Götter wegen der Ungerechtigkeit und
Gransamkeit des Königs erzürnt zn sein schienen, die
Stadt trotz der Tapferkeit ihrer Bewohner und nament-
lich des Prinzen Nherandi sich nicht mehr halten, der
Sturm hatte Erfolg, der König und die Königin vergif-
teten sich, eine Fenersbrnnst zerstörte einen groszen Theü
der (jel)äude, Prinz Xherandi und Prinzessin Fylane ge-
riethen in Gefangenschaft und wurden der Obhut Abaxars
anvertraut, welcher sie ausgezeichnet behandelte, da er
sich, wie natürlich, in Fylanen verliebt hatte. Die Nach-
richt aber, dasz König Halacin von Aracan mit einem
Heere gegen Pegu herannahe, veranlasste Ohaumigrem,
eOigst den Bückzug anzutreten.
Hiermit schlieszt das zweite Buch, das dritte führt
uns sogleich in den Rachekrieg Jialacins ein. Nach einiger
Zeit erfolgte eine überaus blutige Hauptschlacht, in der
Balacin einen herrlichen Sieg erstritt, zumeist durch eine
geschickt ang:ebrachte 3Iine, welclu^ mit von Scandor durch
einen tollkülmen Handstreich erbeutetem Puher gefüllt,
die filephanten des Feindes in der Luft herumfliegen
machte, so dasz diese, über die grobe Behandlung ergrimmt,
sich, nachdem sie wieder auf der Erde angekommen waren,
gegen die Hingen wandten. Koch einmal geschlagen zo-
gen sich die Feguaner jetzt in die Hauptstadt zurück,
md Balacin traf Anstalt zu einer Belagerung. Inzwischen
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war aber Prinz Zarang noch einmal mit einem Heere
herbeigeeilt and hatte schnell einen Theil der Stadt ein-
genommen. Er liess Balaein za einem Zwdkampfe wm
Banisens Besitz lierausfordem, was dieser aber ablehnte,
so dasz nun beide auf eigene Kechnnng die Stadt bela-
gerten. Nherandi entkam der Ge&ngenschaft, eilte luA
€iam, die Bewohner warfen das Joch der Braman«* ab
und zogen unter seiner Anführung ge«:en Pegu. Chaunii-
grems Liebe za Barnsen war erkaltet, und er sann nnn
auf ihren Tod, den dagegen der Rolim hinzuhalten wnszte.
Dieser verliebte Alte erneuerte seine Werbungen mit sol-
cher Zudiingliclikeit, dasz ihm Banise, ihre Keuschheit
zn bewahren, ein Messer in das Herz stiesa. Nachdem
der todte Rolim mit den prächtigsten Ceremonien begraben
Morden war, eröflhete der Nachfolger desselben seine
A.mt8th&tigkeit damit, dasz er vonchlng, die Prinzessin
als eine reine Jungfrau dem Kriegsgotte zum angenehmen
Opfer zu bringen. Dieser Vorsihlag erhielt allgemeinen
Beifall, und Banise bekam zwanzig Tage Zeit, um sich
auf die ihr bevorstehende Ehre vorzubereiten.
Als sich Higvananici nun mit dem Avanischen Heei*e
näherte, gerieth sie in Ge£angenschiiit, au& der sie aber
von dem ebenfalls heranziehenden Kherandi, ihrem Bräu-
tigam, befreit ward.
Eben so glücklich fftr Baiacin und seine \'erbündeten
verlief ein Plan der Prinzessin von Saavady. Dieee schrieb
dem Prinzen Zarang in Barnsens Namen und mit deren
Unterschrift einen Brief, worin sie ihn, sie zu entführen,
aufibrderte. Als die Entführung gelungeu, rührte ihre
standhafte Liebe den Zarang in dem Grade, dasz er sie
zur Gemahlin annahm und schleunigst den Kriegsschau-
platz verliesz. Abei' schon hatte Baiacin durch den ge-
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- 175 —
laugeueu und ausgewechhelteii Scandor ert'aliren, was »ei-
ner geliebten Banise beTontehe, auch war er dureh emen
Brief von Abaxar anfgeüordert worden, sich selbst in Ter-
stell t^i- Gestalt nach Pegu zu begeben und an Banisens
Betreiung wie au Ghaomigrems Sturze mitzuwirken. Die
Schachteln thaten ihre Dienste, BaJadn gelangte mit Scan-
dor in die Stadt und wurde durch Abaxars Yenntttelnng
von dem Rolim als Priester angestellt. Da er somit der
jüngste dieses Ordens war, fiel ihm die Vollziehung des
Opfers zu. Nun konunt das Schlusatableau, welches an
Spannung und Ueberraschung die reichlichen und über-
aus kräftigen Kuallefi'ecte des ganzen üomani> zu über-
bieten bestimmt ist
Der zum Opfer ausmehene Tag brach an, und die
weitläufigen Ceremonien nahmen mit ungeheurem Pomp ihren
Fortgang. Endlich steht Banise vor dem Bilde des Kriegs-
gottes GercoTita auf dem Optersteine, eine Musik ertönt,
und eine yon ihr selbst gedichtete und coraponirte Arie
wird gesungen, worauf sie noch eine langa und wohlge-
setzte Kede vom Tode hält. Nachdem sie diese geschlos-
sen, erwarten alle Umstehenden, dasz der in ihrer l<]ähe
stehende Baladn sie mit dem Stricke, den er in der Hand
hielt, erdrosseln werde, den Zögernden treibt Chaumigrem
zur Eile an. „Du wirst des Mordens besser gewohnt
sein,** antwortete der ergrimmte Prinz, „gransamer Blut-
hund: derowegen so komme nur selbst her und yerrichte
dieses henkermäszige Oi)fer." Hierauf stellte Balacin seine
wahre Gestalt wieder her, die Pfatten schrien Yerrath,
Balacin warf dem Tyrannen den Strick um den Hals und
versetzte ihm einen tödtlichen Stosz mit dem Opfersteine.
Sofort gl itt nun auch Balacins Partei, an der Spitze der
treue Abaxar, die Bramaner an, und während sie in der
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1
— 176 —
Stadt noch kämpften, wurden von den Verbündeten, die
jetzt glücklich alle versammelt waren, die Maaem er-
stürmt. Nachdem Sieg und Friede gesichert waiw, ent-
puppte sich Abaxar noch als der bisher verlorene Prinz
Palekin von Prom und hielt um die Hand FylaiiidDs
an. Sie ward ihm gewfihrt, und anszerdem vermählten
sich Balacin mit Banise, Nherandi mit Hig^^anama. Balacin
ward zum Kaiser von Pegu gekrönt, und Palekin-Ahaxar
erhielt von Higvanama zu seinem Beiche Prom noch das
Beich Ava. Der alte Talemon übeigab dem Heldenpaare
ein unterirdisches Gewölbe mit märchenhaften Schätzen.
Am Tage nach der Hochzeit führten, da Herr von Zieg-
ler grade eine Uehersetznng des italienischen Dramas
„die listige Rache oder der tapfere Heraclius'* bereit hatte,
zur groszen Belustigung der Herrschaften die im Lande
weilenden Portagiesen jenes enropäische Schaaspiel, der-
gleichen in Asien natürlich völlig unbekannt war nnd
welches daher dem Romane vollständig beigegeben wird,
anf, wonach die glücklichen Herrscherpaare sich in ihre
Beiche verülgten.
Woher Ziegler den Stoff zu seiner Banise genommeu,
giebt er selbst in der Vorrede an. „Den innhalt der we-
nigen hUtter belangende, so sind es mehrentheils warhalT-
. tige begebenheiten, welche sich zu Ende des fnnfzehen-
hunderten Seculi*) bei der grausamen Veränderung des
Königreichs Pego, nnd dessen angrentzenden Beichen zu-
getragen }\aben: Wobey zugleich ein wohlgesinnter Leser
die wundersamen gewohnheiten und gebrauche der Bar-
barischen Asiater, bey heirathen, begrabnissen und kro-
nnngen, welche ich, nebst der historischen Wahrheit, mit
*) Gemetait ist das XVI. Jahrhmidert. vgl Cholevins S. 152.
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ileisz ans denen getehrten schrifflien des nie geniing geprie-
senen Francisici, Saarens, Sclmltzens uiul Balby Rei.se-Be-
schreibungen, Eogeri J^ey(leutlllml, Kossens lleligionen,
und andern enriensen . schritten coUigiret, verhoffentlich
nicht ßonder aamuth bemercken wird." Der „nie genuiig
gepriesene'' Erasmus Eraucisci ist in der Tiiat seine Haupt-
quelle, nnd unter den vielen unglaublich breiten und sich
oft in ganzen langen Abschnitten wiederholenden Schriften
cliese^i \'ielscliieibers und Curiusitätenkrämers ersten Kan-
geö vsi es wieder sein „Ost- und West-Indischer anqh
Sinesischer Lnst- und Staats-Garten" (Nfimberg 1688 foL),
aus dem Ziegelei- das .Meiste geholt hat. An zweiter
Stellf müszte t-igentlich „Balby' genannt sein (Viaggio
deir Indie orientali di Gasparo Balbi öioielliero Vene-
tiano. Venetia MDXC), welcher in Bezug auf die er-
zählten Begebenheiten mehiiach wiedej- Franeiscis Quelle
gewesen ist. Die anderen (Johann Jacob Saars Ost-Jn-
dianische Fnnfzehen-Jahrige Eriegs-Dienst u. s. w. Nürn-
berg 1662. q. 4". — Ost-Indische Keyse: iv. s. w. Alles
beschrieben durch M*^'" Waltei* Schultzen, von Hai-lem.
Nebenst noch dem gefährlichen Schiffbruch des Jagt^schifis,
ter Schelling genant; Von Frantz Jans/, von der litiyde,
aulgezeichnet etc. Aus dem Xifderlandischen ins Hoch-
teutsche ubergesetzet durch J. D. Amsterdam 1676. fol.
— Der gantzen Welt Religionen etc. In Englischer
Sprache beschrieben von dem Hochgelehrten Herrn Alexan-
dro Eossaeo. Und in die Hochdeutsche Sprache überge-
setzt von Alberto Reimaro, Lubec. Der zweyte Druck.
Amsterdam 1668. 8" u. (»t'ter. — Abraham Hogers Offne
Thür zu dem verborgenen Heydenthum: u. s. w. Aus
dem Niederlandischen übersetzt. Samt Christoph Arnolds
Auserlesenen Zugaben etc. Nürnberg 1663. 8" -) dienten
12
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178 —
hauptsächlich hei der Schilderung der Sitten und Gebräuche,
der „Gelegenheit des Landes" und dergleichen der Zeit
sehr wiUkonuneneii Avsschm&ckiuigeiL Was den histori-
schen Stoff selber anlangt, so trugen sich die politischen
Umwälzungen in den hinterindischen Ländern, welclie zu
Grunde gelegt sind, im letzten Drittheil des XYI. Jahr-
hunderts zn. Die Qualit&t des Francisci als historischer
Quelle ist (dar uns ohne jeden Belang, von Interesse aber,
wie sich Ziegler zu seinem Stoffe stellt. Um das Be-
zeiciinendste hervoi-zuheben, so weisz Ziegler seinen Stoff
zonAchst nicht ohne Geschick nnd anf eine ein&che Weise
abznnmden. Francisci nftmlich und Balbi erzfthlen, dasz
die Erhebung des Reiclies Brama über seine Nachbarstaa-
ten vor sich ging, indem erst der König von Brama und
dann nach dessen Ennordnng sein Milchbmder Chaumigrem
glückliche Eroberungskriege, namentlich gegen Pegu, führ-
ten und hierbei entsetzliche Grausamkeiten verübten.
Ziegler aber verschmilzt diese zwei scheuszlichen Tyrannen
in einen, indem er alles von Chaumigrem thun und die-
sen am Ende des Romans von der Nemesis ereilt werden
läszt, welche seinen Vorgänger, vor dem der Usurpator
auch als solcher vieles für die Bolle des Elzbösewichts
voraus hatte, in der Mitte traf und nur auf kurze Zeit
der gerechten Sache der riitenlrüekten Hoffnung verlieli.
Dieses Verfahren war um so mehr zu billigen, als daduixli
der Schlnsz auch zu einem Feste der poetischen Grerech-
tigkeit wurde, diese aber in der Geschichte leer ausging,
Wo die srhleclite Sache wenigstens in Chaumigrems Per-
son triumphii'te. Was Ziegier thut, um seinen Stott' er-
giebig zu machen, ist allerdings ganz in dem Greschmacke
der französischen und deutschen Romanschreiber seiner
Zeit. In der Erzählung bei i^'rauciäci läszt Chaumigrem
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— 179 —
die Tochter des besiegten Xemindo auf dem Rücken ihres
in Ohnmacht gesunkenen Vaters erwürgen, Ziegler aber
irdsz die Frinaeessin und mit ihr seine Eraählong der Ge-
£dir m entdehen. Wir sehen» seine Phantasie bewegt
sich selbständig und nicht ohne (ilestaltuiigskiaft, und dies
zeigt sie auch im Ausschmücken der Begebenheiten und
im Hinzudichten von Personen und Ereignissen wie in
der, allerdings erassen, Individualisimng der Charaktere.
Die beiden Haupthelden, Banise und Balacin, sind eigent-
lich ganz seine Geschöpfe, denn die Prinzessin tritt in
Eranciscis Gesehichte eben nor auf, um ihren Vater mit
einem Tranke Wasser zu erfrischen und ermordet zu wer-
den, Balacin fehlt ganz, auch die andern Liebespaare sind
binzugedichtet Wir können es also Ziegler verzeihen,
dasz er gelegentlich in Beden und Beschreibungen, z. B.
bei der gransamen Hinrichtung der einhundertundvierzig
Frauen, seinem Gewähi*smanne ziemlich genau folgt. Denn
dergleichen abzuändern lag kein Grund vor, da auch JbYan-
dsci solche Grenelscenen nach dem Zeitgeschmacke muster-
haft darstellt. Im Ganzen musz Ziegler also, die Stimmung
«
und den Geschmack seiner Zeit vorausgesetzt, das Zeug-
nisz erhalten, dasz er sich seinem Stoffe gegenüber durch-
aus lobenswerth gezeigt habe.
Doch Menden wir uns nun zu dem vornehmsten und
groszartigsten aller Werke uuserei* Gattung*) aus dem
*) Die erste Ausgabe des Arminiiis erschien ThL I (Buch 1—9)
1689, m II 1690 xa Leipzig bei Johann Friedrich Gleditscb 4^
Überaus splendid ausgestattet und mit Kupfern von Sandrart gesiert
<das Portrait Lohensteins ist iron J. Tseheming). Lohenstein hat das
Werk nicht beendigt. Sein Bruder, welcher 29. Mai 1692 starb, «ring
zwar daran, es su Ende zu itthren und lieferte auch ein Ehreugedicht,
worin er sagt :
„Belli II nid er gönne nur, den Rahm dabei zu liaben:
Dasz £r ein Ende bat dem deinen nachgesetzt"
12*
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— 180
XVn. Jahrhundert,, zn dessen Verfiuuer auch JZieg^r be-
scheiden als dem Grusziieii, der nach ihm kommen soUte,
aufgeblickt, indem ei* ui der Vorrede der Baoifie isagt:
was er auch sapen konnte, da er mit seiner Arbeit bereits ein StftA
vorwärts gtjkommen war. (Vgl. M. Christoph Pfeiffer. J. C. von Lo-
hensteins Edler Tersonen Eiöäni te Urüffte. Breszlau 1718. 8*^. S. 100
ff.) Kränklichkeit und Kummer hiud«'rtt;n iliu jedoch, bei der Arbeit
zu bleiben (was Pfeiffer aus autheuti.'^chen Quellen beleoft, obwohl er
den Passus in Benjamin Neukircbs (rediclit vor dem zweiten Theile,
der Daniel Caspars Krankheit meint, falsch auf Haus Caspar bezieht),
und infolge dessen wurde die Vollendung dem Dr. theol. Christian
"Waijfuer in Leipzi^: üh<^rtrap^en. Die ersten siebzehn Bücher, als«» bis
Buch 8 des zweiten Theils, sind (vgl. Allgenieine Anmerkungen hinter
dem zweiten Bande I. Aufl. S. 22) durchaus von D. C. v. T.., die da-
rauf folgende Angabe, dasz das letzte Buch von einer anderen Hand
hinzugethan sei, ist ohne Zweifel ungenau, mag aber daraus entstan-
den sein, dasz Wagner die Arbeit des jüngeren L. noch einmal über-
arlieiiete. Der Sohn Daniel Caspars gleichen Namens, Branden-
hmgischer Amtshauptmann der Commenda Dago in der 3Iark, widmet«?
das Werk s»'ines Vaters dem KuriÜrsten Friedrich III. und scheint
in der humbastischeu Zuschrift sagen zu wollen, dasz sein Vater
den Anninius dem groszen Kurfürsten habe widmen wollen, wa< zo
bezweifeln stellt, obgleich auch auf die Versicherung der V»»rrede
„Es ist zwar unser Urheber bey seinen Lebzeiten niemals gesonnen ge-
w<'seu, diese Geschichte durch deiiDi uck ans Tagelicht zu stellen, und .-i' h
damit den ungleichen Crtheilen der Welt zu unterwerffen" ni< manJ
etwas geben wird, der die allgemeine Sitte der S( lirifu-steller kennt, sich
in den Vorreden nur durch inständiges J^itten einiger guten Freunde
zur VerötTentlichung von L^nterhaltungsschriften, die sie ja doch nur
in Nebenstimden zur Erholung u. s. w. angefertigt, bewegf-n /.n lassi u.
Die zweite Ausgabe erschien in demsidben Verlage wie die erste
Leipzig 1731 in vier Bänden 4° (auch die erst« findet sich häufig in
vier Bände gebunden). vSie entstand infolge eines in der Schwei«
von einigen Vertdirern Lohensteins erlas.>enen Aufrufes zur Subs^rip-
ti(m auf zwei neue Ausgaben, welche V(»u Kmanuel Hortins Druckerei
in Bern sollten veranstaltet werden, eine in 4° die andere in 8**. Mit
diesen traf die (.Tleditschscbe Verlagshandlung in Leipzig ein Ab-
kommen, die Subscription kam nicht zur Ausführung, und D. (it orge
Christian Gebauer, des Chur und Fürstlich-Sächsischen <)her-Hof-(Te-
richts Beysitzer, und der Lehu-Kechte Professor an der Univeräität
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181 —
Sollte aber dm. geduten Leser die Tdlkomnenheit IXmt-
scher spräche zit sehen belieben, so wird ellestelU^ der un-
vergleichliche Ai'iiHTiius nebst seiner durchlauchtigsten
Tkusuelda, des weitberöhmten and TortrefUfiken Daniel
Caspar von Lohensteins, sein Terlangm BatMm stielen.
Der Arminins ist mit Recht eine Art' allgem^er
Eealencyclopädie gciiaiiiit uurdeii, denn sein Inhalt dürfte
in der That nicht um vieles weniger baut sein als der
eines Conyersations-Lexioons. Der folgende üeberbHck
kann nur den Zweck haben, die Architektonik des nnge*
heuren Werkes deutlich zu inachen und einigermaszeu an-
zudenten, wie Verschiedenea hier in die Form dnes Bo-
mans zusammengedrängt worden ist. Was Lohenstein thnt,
um de rehis omnibtis et nonmdlis aliis zu reden, ist sehr
einfach und besteht darin, dasz er nicht blos die Hand-
lungen und Beden der yoi^^ommenden Personen, weldie
zur Entwickeinng des epiSM^hen Inhalte der Darstellung in
Lfcipzitjr, übernahm, wie er sag-t, aus landsmaiinr^cliaftliclier Pietät ge-
gen den groHzen Sdilesier, die Besorguni^ der neuen Ausgabe. Er
unterzog sich lUeser Arbeit mit Eifer, Fleisz uud vSorglalt, hat «eine
unzehlige Ätenge Druck- oder Sc.hreibefehler lierauageworfen, alle
verdächtige Stellen, sonderlich aber die eigenen Nahmen der Personen
und Orte in ihrem Ursprünge aufgeHUchet, viele verderbte Worte ala
augenscheinliche IiTthümer zu rechte gebracht, nele auch, die ich
vor Varianten angesehen, mit Willen nicht verändert, um dem Henn
von Lohenstein seine Lcsz-Art zu lassen, viele Verstümmelungen er-
gäntzet, viele verrückte Stücken an ihren rechten Ort gebracht, viele
augenacheinlich verderbte Stellen iiacJi den Regeln der Wahrschein-
lichkeit gebessert, überhaupt aber, nach der einem jeden gelehrten
Scribenten schcüdlgen Hochachtang und nach der Vorschrift einer ge-
■iinden Critic in den letzten Fällen lieber zn viel als zu wenig ge-
Iteil IL n, w.^ Die «abeondeHiehen Anmerkungen' der alten Aufgabe
hu Oefcfcit Yen den Bade des Werket unter den Text geeetst ud
eine neue sehr untagveiehe Yoftede, wekhe warn Leben Lobensteine
und der Auihahme leines AmünlufTlel Erwttnflclitei beibringt, binsuge-
ittgt Alle Beigaben der uhen Aoigulie tind nutttrikh 'wiederholt
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182 —
organischem Znsamm^hange stehen, erzählt, sondern anch
ilure geLegentlichen, zur Yertrabang der Zeit gehaltenen
Gesprftdie Torbringt Von diesem Mitlei hat» wie wir
sehr bald sehen werden, Lohenstein den umfassendsten
Gebrauch gemacht, so nämlich, dasz er ganze Bücher lang
die Handlung gar nicht weiter f&hrt| sondern blosse Dia-
loge bietet
Das erste Buch des ersten Theiles beginnt mit einer
kurzge£aszten Darlegung des Zustandes des Komischen
Beiches unter Augustus. Dann führt uns der Yerfiasser
in eine Yersammlung der deutschen Fürsten im Deutsdi-
burger Haine. Das Leichenbegängnisz der Sicanibrerfürstin
WalpurgiSy welche sich, um der Lüsternheit des Yams
zu entgehen» in die Sieg gestfirzt hatte, giebt dem Gfae^
rusker Hermann die Gelegenheit, die andern Fflrsten zur
Bef^iung des Yaterlandes aufzufordern. Obgleich Se-
gesthes gegen die £rgreifang der Waffen spricht, wird
Hermann zu dem beschlossenen Kriege zum Feldherm
gewfthli Ein unbekannter deutscher Ritter hftlt, um den
Ausgang des Feldzuges zu erforschen, einen Zweikampf
mit einem von den Gatten gefangenen Börner. Letzterer
wird besiegt, man erkennt ihn als die arm^iische Kö-
nigin Erato. Nun folgt die sehr ausführliche Beschrei-
bung der Deutschburger Schlacht. Eine interessante Epi-
sode bildet der Kampf eben jenes schon erwähnten un-
bekannten Bitters mit dem zu den ROmem abge&Uenen
Segesthes. welcher sich nicht schämte, verkleidet gegen
seine Landsleule zu fechten. Er wird besiegt, gefangen
und erkannt) ebenso aber der Bitter als seine eigene Toch-
tesr Tfausznelda, die ihrer Standesgenossin, der BuohAiolta-
schen Valiska, in handgrreiflichstera Heroismus durchaus
nichts nachgiebL Sie bittet jetzt Segesthen um deu Tod,
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— 183 —
aber Hermaim Ital iliii abftllir»i) worauf Thnssnelda in
Ohnmacht fällt. Wie die iTlucht der Eömer allgemein
wirdy tödtet Sick der yon HenDann yerwundete YaniB selbst
Am zweiten Tage ward die Niederlage der Römer voll-
endety in deren Lager Malovend, der Marsenherzog, und
Arbogast in Gefangenschaft geraihen. Nach dem trinm-
phirenden Einzöge Hennanns in Dentsdibnrg, der Be-
st&ttung der Gefallenen und der Opferung der Gefangenen
wird fiber den verrätherischen Segesthes Gericht gehalten.
Er erkennt seine Schuld und will sterben, aber Thusznelda
erMetet sich, nach den Landesgebrinchen für ihn den Tod
zu leiden. Da Hennann dies zu verhindern bemüht ist,
kommt das laebesrerh<nisz der beiden Haupthelden zur
Sprache, und es wird f&r Recht erkannt, dasz Segesthes
in ihre Verehelichung zu willigen habe.
Yon dem zweiten Buche sagt Cholevius mit Recht:
„Man hört nicht die Bewohner der Urwälder, nicht ein-
mal Helden reden, sondern man glaubt in einer Gesell-
schaft pedantischer Magister zu sein, wobei die Einschal-
tung der Abhandlungen auf die leichtfertigste Weise mo-
tivirt isf Denn Abhandinngen sind es in der That, was
uns hier geboten wird. Marcomir nämlich kommt mit
dem in anständiger Geiangenschalt gehaltenen Malovend
zusammen, ihnen gesellen sich noch andre bei, und da sie
zum Schachspiele greifen, beginnt sogleich ein gelehrter
Dialog über das Thema, ob das. Spiel für Fürsten sich ge-
zieme, ausstaffirt mit einer Menge historischer Notizen
und Anekdoten, die allerdings völlig kritiklos hingenom-
men werden. Den nächsten Tag findet eine Jagd statt,
auf welcher .ein von Julius Cäsar einstmals vor 69 Jah-
ren mit einem Halsbande versehener Hirsch erlegt wird.
Hiei'an knüpfen sich Gespräche über das Alter und sonstige
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wirkliche imd fabelhafte Bfgenthttmlichkeiteii der Hirsche,
über gefalsclite Altert hümer, mediciniscii-zoologische Ex-
curse über Gemüthseigeuthüinlichkeiteii der Thiere. Eben
solche gelehrte Fol^n hat eine Schweins- nnd Bärei^agd,
namentlich wird anf die Hunde einpre^anj^en, bei ähnlichen
Anlässen wird über Ringe, Gewässer. Einlachheit nnd
Luxus der Lebensweise verschiedener Völker bunt durch-
einander geredet, das zusammenhftngendste Ktinststflck
fein anpjebracliter Gelehrsamkeit kommt zum Vorschein,
als die fürstliche Gesellschaft in einem Jagdhause
zwölf diti Vorfahren Hermanns' darstellende Gemälde
findet.
Ihre von Malovend erzälilte Geschichte, die noch
mit Episoden ansgeschmflckt ist, ist die verkleidete
Geschichte der Habshnrgischen Kaiser. Hermion be-
deutet Rudolph I., ^lais Albrecht L, Vandal Albrecht
II., Ulsing Friedrich in., Alemann Maximilian I. und so
weiter. Dfgressionen auf andere Gebiete fehlen nicht, und
diese!' wohlfeil herbeigeschaffte Stoff musz dem Verfasser
gar zu reichlich geschienen haben, weshalb er den Erzäh-
ler abbrechen läszt, um dann im siebenten Buche den
Schlusz, nämlich die Geschichte Aembrichs und Sefrimers
d. h. Ferdinands des 11. und III. in derselben Weise nach-
zuholen. Zu bemerken ist noch, dasz Hermann selber
Niemand anders als Leopold I. vorstellen soll. Schliesz-
lich wird auf Grund neuer Siegesnachiichten ein Eest be-
gangen.
Der Leser würde sich sehr t&uschen, werin er nun von
dem dritten Buche eine erhebliche Forttiihrung der eigent-
lichen Erzählung erwartete. Aber hier erhält er wenigstens
€dnen Boman im Romane und nicht blos gelehrte Abhand-
lungen, und auch in den gelegentlichen Excursen ist Masz
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gehaltetf. Kachdem nftmlich einigfe Madznahmen der dent^
sehen Fürsten in Bemg auf die #c!teite Fortflihnmg des
Krieges berichtet worden, kommt die Lebeiisgesrhiclite
der iu Gelaiigeuscliaft befindlichen und mit Thusznelda
und Ismene, Hermamis Schwester, freiinddchaftlich Terk^V
rendeti Königin Erato an die fteibe, welche diese von ihrer
Üeföhrtin Salonine zum Besten geben läszt. Die voraus-
geschickte historische Einleitung aber umüaszt die Ge-
schichte Armeniens von den Zeiten des Argonautenzuges an
und hält sich ziemlich lanj^ebei den mithridatischen Krieiren
und dem Feldzuge des Crassus auf. Die Geschichte derEiuto,
soweit sie in dem dritten Buche geführt wird, ist aber* nur
ein Theil der sich durch den ganzen Homan hinziehenden
Liebesjjescilichte des Zeno und der Erato. lieide Per-
sönlichkeiten sind von Lohenstein mit Vorliebe behandelt
und deshalb mit einer Menge von staunenswerthen Aben-
tenem bedacht worden. Was von dieser Geschichte in
dem dritten RucIk» vorkommt, ist in Kitrze Folgendes:
Erato und ihi* Bruder Artaxias waren die Zwilliugs-
kinder des Königs Artaiias Ton Armenien und seiner
Gemahlin Olympia. Da der Bruder bei einem Schiffbruche
abhanden kam. liesz der Vater die Schwester für ihn aus-
geben und ahi Knaben erziehen. Er wurde von seinem
Bruder Artabazes ermordet, und nachdem auch dieser ge-
tödtet worden, nahm Ti^ranes, der dritte Bruder, Arme-
nien ein. Erato hielt «ich bei dem König Polemon von
Pontus zu Sinope auf und galt so lange der Absicht ihres
Taters gemäsz für den jftngeren Artaxias, bis die Römer
sie durch die an Polemon er<j:anpfene Forderung, den ar-
menischen Königssohn auszuliefern^ zur Entdeckung ihres
Geschlechtes zwangen. Diese hatte eine zweite ähnliche
Entdeckung aber in umgekdnter Bichtung tftr Folge.
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An»inoe nämlich, die Tochter des pontischen Königspaares,
die sich heftig in den vermeintliGliea ArtaxiM Terliebt
hatte, entpuppt sieh jetit als Jüngling, Namens Zeno.
Da also der Fortsetzung des Verhältnisses durch diese
Entwickelung nichts im Wege stand, wurden Zeno und
Erato miteinander verlobt, doch mnszte der Prinz weiter
die Prinzessin spielen, da er znfolge eines Orakels gegen
seinen Vater wie Oedipus zu handeln bestimmt war und
deshalb von der Mutter zuerst verborgen, dann an die
Stelle seiner verstorbene Schwester Arsinoe war unter-
geschoben worden. Jetzt warb aber Ariobarzanes, der K9-
nig von Medien und Armenien, um die Hand der vermeint-
lichen Arsinoe. Die von den Liebenden beschlossene Flucht
gelang nur der Erato, führte aber hinsichtlich des Zern
dazu, dasz sein Vater sein Geschlecht entdeckte und ihn
verbannte. Ariobarzanes tiberzieht Polemon mit Krieg,
Erato giebt sich in Armenien für den Artaxias, auf dessen
Bolle sie ja gut eingettbt wsr, ans, und hilft ihrem zu^
künftigen Schwiegervater. Dieser wird von Ariobarzanes,
der zwar gefangen ward, tödtlich verwundet. Nun kommt
aber zu Tage, dasz nicht Jener Zeno, sondern Ariobarzanes
Polemons Sohn, das Orakel also erfüllt ist, Zeno dagegen
auszer dem traurigen Lose der Verbannunf; noch die Un-
wissenheit über seine Abkunft zu tragen hat. Ariobarzaues
nimmt Pontus, Erate als Königin Armenien in Besitz.
Doch musz sie bald wieder ihrem Beiche den Bttcken
wenden, denn sie zieht sich (huch Versuche, den unsittli-
chen Gottesdienst der Venus Anaiitis abzustellen, den
Hasz der Priester zu und soll zu einer ihr verhaszten
Ehe gezwungen werden. Sie ging nach Born, folgte dem
Drusus nach Deutschland und wurde hier gefangen. Kaum
hat Salonine ihre Erzählung beschlossen, so erscheint
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Zeno und feiert mit seiaer Geliebten dM Irendigete Wie-
denehen.
Das vierte Bach zerfällt in drei Theile, erstens die
Qeechichte der Fddztige des Brösas nebst Schilderung des
sülenlosen nnd rSokeToUen rOmisehen Hoflebens, nament-
lich der Julia, zweitens die Geschichte der abenteaerli-
chen Entführung und Befreiung der beiden Fürstinnen
Brato und Tbnsineida, drittens die Geschichte des Fla-
TioSy des Bmders des Haapthdden.
Der erste dieser drei Abschnitte knüpft daran an,
dass in dem Heiligthnm der Tanfiina, welches von den
fürstlichen Personen besndit idrd, sich eine BOdsftnle des
Dmsus befindet, denn die Deutschen ehren auch tapfere Feinde.
Adgaiidester, Bhemetalces nnd Malovend besprechen sich
non, wAhrend die andnnFOrsten sich sn einer Berathong
zurückziehen über die Thaten jenes, und führen die Er-
zählung seines Lebens bis zu seinem Tode in Mainz, je-
doch mit manich£achen Aosschmttcknngen und Abschwei-
fiingen. Von den ersteren ist ein Stück der Geschichte
der Niederlande bis zu dem Tode der Brüder de Witt
(1672) in maskirter Gestalt» wobei Britannien Spanien,
Brösas Lndwig XIV. bedentet, femer dieEntltthning der
Asblaste, der Mutter Hermanns, und die Intriken der
Julia hervorzuheben, welche der in Mui^aena verliebten
Antonia die Veranstaltung einer Zusammenkunft ndt die-
sem verspricht, es aber so einzurichten weisz, dasz Anto-
nia mit Drusus, sie mit Muraena ein Stelldichein hat.
Bann legt sich Livia ins Mittel, und bringt die Ehezwi»
sehen Drusus und Antonia und Tiberius und Julia zu
Stande. Julia weisz aber nicht um^ ein Liebesverhältnisz
mit Muraena zu Wege zu bringen, sondern beglückte
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«ttch, zum Thei! Ans Bosheit iegeä Antohiaj den Brnsns
mit ihrer Znneifniiig.
Während Thusznelda nnd Erato, sich schon auf die
ihnen versprochene Erzählung der Schicksale Zenos
freuend, in einem Lustgarten spadreA, werden sie ptötzlidi
ttberfkllen und, nachdem Zeno Terwnndet worden, auf und
davon «reflihrt. Die Füi*sten. Heiiiuiiiii an der Spitze,
setzen nach, und da Segestlies und Marobod, welche die
Oewaltthat begangen, mit Mannschaft genügend versehen
sind, kommt es m einem hitzigen Kampfe. Hermann nnd
Tlinsznelda beft-eien sich wechselweise mit ?roszem Hel-
demuuthe, Jubil (der sich bei Hermann aulhaltende, von
Marobod vertriebene Bojerflirst) rettet Erato nach einem
überaus abenteuerlichen Kampfe mit dem Barmaten Boris
und dessen zwei Eisbären. Die Freude über die glücklich
vereitelte Schandthat wird durch die Ankunft des Elavius
auf Deutschburg noch eiliöht, welcher seine von Aben-
teuern. Greueln und Abgeschmacktheiten strotzende Ge-
schichte, abermals einen Roman im Eomane, sogleich ei-zählt.
Dem Geschmacke Lohensteins entsprachen die Stoffe
aus der rOmiseh^ Kaiserzeit ganz besonders, und ein
gi'oszer Theil dessen, was Flavius erzählt, sind Schilde
rungen crassester Art, aber auch liier ist wieder eine,
diesmal tragisch und greulich verlaufende, Liebesgeschichte
zwischen Flavfus und der schwarzen Dido, der Tochter
des Numiderkönigs Juba, der epische Faden, an den sich
andere Bestandttheile anreihen. Flavius lernt Dido in
Born kennen, der WOsUing Lucius wird sein Nebenbuhler,
mavins geht aus Bom verdrängt nach Afrika und kommt
bei Didos Vater in grosze Gunst, als er aber Dido wieder-
sieht, hat sie, um des Lucius Nachstellungen zu entfliehen,
der Diana ewige Keuschheit gelobt, und Ludus istumge-
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kommeiL Ein absdieulicliei* PiiesUr bei-edet sie, diuch
Opfenmg ihrer Keusclilieit das Gklütnle zu lösen, sie hat
davon nnr Verzweiflung, Flayins zwingt den Schlndlichen,
sich .selbst zu entmannen. Als er durch die Nachricht
von Varus Niederlage in Verbannung und Gefahr jrerätli,
verhüft ihm Dido z^r Eincht nach Dentschland. Za An-
fang dieser Geschichte wird nnn in groszer Ausführlichkeit
dargestellt, wie der Philosq)h Aristippus durch atheistische
Lehren und scheusiüiclic Orgien — beides ist auf das
Pliunpfite geschildert — die jungen vornehmen Leute in
Born verdirbt, einen nicht unbedeut^den Baum nehmen
auch die Beschreibungen seenischer Feste ein, wie schon
zu Anfang des Buches die Feierlichkeiten zum Geburts-
tage des Augnstus inLugdunum und dann noch oftmals Aehn-
liches mit ermüdender Ausführlichkeit geschildei't wird.
Da Zeno in JFolge seiner im Anfang des vierten Bu-
ches erhaltenen Verwundung das Bett hüten musz, hat er
jetzt Zeity seine Geschichte zu erzfthlen.. Abgesehen von
einigen Abeiitt'iieni und Liebesverwickeluiigen, welche
bunt und phauta^tiäcli genug auäfaiieu, haben wir im fünf-
ten Buche anen geographischrtopographischen Boman vor
uns. Dran das Schicksal scheint es übernommen zu haben,
den Zeno zum Ersätze für die verlorene Sicherheit seiner
hohen Gebuit zu einer Profesäui* für Geographie vorzu-
bereiten, wir werden aber sehen, dasz er auch auf einem
Lehrstuhle fftr alte Geschichte, oder für orientalische
Sprachen, oder für speculative Philosophie würde haben
gebraucht werden können, wenn es mit der Laufbahn als
Prinz ein für allemal nichts gewesen wäre — doch da-
rüber werden wir noch lange nicht aufgeklärt, und Lo-
hensteins \'erwickelungen haben vor denen der modernen
Bomane wenigstens das voraus, dasz man wirklich
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am Anfange nicht errathen kann, als was sichdieauftretenden
Perscmeii zuletzt enthOllen Verden.
Erst geräth nftmüch der Prinz unter die Amazonen
und Lohenstein in die Geschichte derselben, welche
duich Erfindungen verziert, verlängert und mit der Ur-
gescliidite der Dentschen in Verbindong gebracht wird,
z. B. die Mntter aller Amazonen nnd erste Känipferin zn
Pferde war des deutschen Königs Alemann Tochter Van-
dala. Da aber eine zum Augenausstechen führende Lie-
besverwickelung eintritt, entflieht Zeno mit anderen Frem-
den, nnd nnn beginnt eine Wandemng dnreh die entle-
gensten üegenden der Erde, z. B. den Kaukasus, wo der
Tempel des Prometheus besucht wird, das kaspische
Meer, zu den Tataren, den Chinesen und Indem. Zeno
hat nicht nur überall Abenteuer zu bestehen und Helden-
thateu zu verrichten, sondern lernt auch überall genau
die Merkwürdigkeiten der L&nder kennen, und zu seiner
Erzfthlung geben die Zuhörer noch allerlei ethnographische,
kunsthistorische und technologische Beilaj^en. Mit einer
Gesandtschaft reist Zeno wieder nach Westen und pflegt
Umgang mit dem brahmanischen Weisen Zarmar. Jetzt
wird das rothe Meer befiihren, Babylon, Ae^^ypten, zu-
letzt Athen beriihrt, über welches der Prinz eine Vorle-
sung voll ex([uisiter Gelehrsamkeit hält, auch die dassischen
Dichter der Römer lernt er hier kennen. Zarmar Ter-
brennt sich wie Peregrinus Proteus selbst, und nachdem
Zeno eine Zeit lang noch philosophischen Neigungen nach-
gehangen und iu den römischen Ej*iegen gewesen, gelangt
er dahin, wo wir ihn am Ende des dritten Buches zuerst
kennen lernen.
Das sei hste Buch ist das albernste des ganzen AVer-
kes« £s besteht nämlich aus lauter alter Geschichte, die
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gesprächsweise abgehandelt wird und so eingerichtet ist,
dasz die Deutschen in einer Menge von Ereignissen der
römischen und griechischen G^hichte eine henrorragende
Rolle spielen, z. B. haben sie zn den Siegen Hannibals
die Hauptsache beigetragen, und die AVendung seines
Glückes rfthrte wiederum davon her, dasz sie ihn während
des AnfenthaHs in Oapna verlieszen. Die Gewaltsamkei-
ten und Erdichtungen, durch welche das Eingi-eifen der
Deutschen fortwährend wahrscheinlich gemacht wird, über-
bieten einander an Schalheit Es dringt sich uns hier
die Bemerkung auf, dasz die Schriftstellerei Lohensteins
hier die grade uns Deutschen widerwärtigste und verächt-
lichste schwache Seite des Nationalcharakters der Fran-
-zosen, unter deren Einflnsz seine Zeit so selir stand, ent-
lehnt hat, nämlich die kindische und verlogene National-
-eitelkeity und es macht einen um so peinlicheren Eindruck,
wenn wir in den einleitenden Unterredungen viele schOne
Redensarten von der Pflicht des Geschichtsschreibers, die
Wahrheit auf das gewissenhafteste zu beobachten, hören
müssen.
Im siebenten Buche hat sich nach Cholevius treffen-
dem Ausdiucke die Phantasie des Dichters ein rechtes
Fest bereitet Einestheils nämlich wird die Geschichte
der Deutschen von dem Punkte an, wo sie im sechsten
stehen geblieben ist, weitergefühlt, ziemlich in dem Stile,
wie sie dort behandelt ist. Als Hauptgestalten ragen
Oftsar, Ariovist, die Eltern Hermanns, Segimer und As-
blaste, und endlicli Marbod hervor. Aber abgesehen da-
von, dasz diesen Personen eine Menge frei erfundener
Abenteuer angedichtet werden, findet hier wieder eine'
Aveiiigstens ebenso ausgedehnte historische ^Faskerade statt,
wie im zweiten Buche, da der Darstellung der deutschen
— 192
Geschichte zur Zeit Casars, uad kurz uachher die der Zeit
Ton. der Itefonnalion bis EDm dreiaugjfthrigen Kriege ein-
verleibt wird. Hierbei bedeuten die wirklicliliistorischen Per-
sonen wie auch die erdichteten bald sich selber, baldaudere
historische, ja auch wohl eine Figfuor au yerschiedenen Stel-
len zwei verschiedene. Die Druiden sind die katholische
Geistlichkeit, die Barden die TiUtliei auer. die Euliagt-n die
Calviuisten. Luther heiszt Udvitiacus, Philipp II. Hippon,
Wallenstein Terbal, Gustav Adolf Gothart, Karl I. von
England Britun, ^lai'bod ist bald er selbst, bald L'ruuiweil,
bald Carl Gustav von Schweden.
Einen verhältniszmftszig bedeutenden Kaum nimmt
die Liebesgeschichte das Seginier, der manchmal Fer-
dinand III. vorstelleu musz, und vseiner GemalUiu Asblaste.
der Tochter des vornehmen Parthers Surena, ein. Die
Abenteuer Marbods im Riesengebirge, wo er mit dem
Einsiedler gewordenen Ariovist zusainineiiuiti't und im-
glaubliche Wunder der ^atui* und Geisterwelt schaut
sind von fthnlichem Schlage wie die des Prinzen Zeno auf
seinen A\'au(l»nungen.
Alle diese Dinge werden wie gewülmlich in Gesprächen
unter den iiirstlichen Personen abgehandelt Während
dessen ist die Hochzeit Hermanns und Tliuszneldens vor-
bereitet Winden. Hierdurch giebt es nun zu Antang des
achten Buches Gelegenheit zu umfangreichen Schildenmgen
des Tempels, der Hochzeitgebrftnche, des Gefolges n. s. w.,
am meisten alier wird mit allegorischen Darstellungen, Sinn-
bildern und Sprüchen Verschwendung getrieben. Die von den
BardenanlftszlichdesFestes geleistete bemahe ausschliesslich
epigramiiia tische Poesie nmtaszt 135 Verse, meist Alexandri-
ner. Besonders freudige Ueberraschung bereitet das unver-
muthete Wiedererscheinen von Hermanns Mutter Asblaste»
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welche nicht, wie allgemeiii gegUabt worden war, gestorben,
sondern mit derBestehungvonhöchst merkwürdigen Abenten-
ern, welche ihreim vorhergehenden Buche bis zu Hermanns Ge-
bart geflUirteii Erlebnisse fortsetzen, beschäftigt gewesen war.
Da nach der Sitte der damaligen Deutschen die
Nenvennfiblten sich einen ganzen Tag von der GeseUschaft
ihrer Gäste fem zu halten liatten, erhielten letztere die
erwünschte Gelegenheit, sich Hermanns und Thuszneldens
bisherige G^hichte erzählen zn lassen, mit der sich ein Theü
derSdiicksale Asblastensyerflicht. Diese, yon Dmsns nebst
ihren Söhnchen aus Deutschburg entführt, war nach Rom
und dort in eine Beihe von Gefahren und Abenteuern ge-
rathen und endlich verschollen, Hermann und Flavins
hatten sich, umringt von Versuchungen und Nachstellun-
gen, aber erhöht von des Kaisers Gunst auf jede Weise
ausgezeichnet. Auch Thusznelda war als Geisel nach
Bom gekommen, hitf leinte sie Hermann zuerst kennen
und wurde von Segesthes mit ilir verlobt, der jedoch bald
wieder anderen Sinnes wurde. Dadurch dasz sich Tiberius
und dann Marbod um sie bewarben, und der Alte, der
Treubruch gewissermaszen als Oewerbe trieb, auch ein-
willigte, ward das Schicksal der Heldin ein überaus be-
wegtes. Besonders tritt in diesem Abschnitte Lohensteins
Geschmack darin zu Tage, dasz er Marbod einmal zur
ünterstatzung seiner Bewerbungen der Thusznelda den
Bing des Polycrates schenken läszt, den Augustus aus
dem Schatze der Cleopatra mit nach Eom gebracht und
q^ter dem Mflürbod geschenkt hatte. Ein andermal wird
die gefangen gehaltene Thusznelda durch einen ihr Ge-
fangnisz zertrümmernden Blitz befreit, geräth aber gleich
darauf in die Gefahr, zu ertrinken. Sogleich erscheint
dem Hennann ein langer weiszer Geist und sagt: Es ist
is
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Zeit, Hennaim, dasz da deiner ertrinkenden ThnmeMe
zn HQlfe kommst, worauf er denn nnr seiner Ahnnng fol-
gend an den weit entlernten Ort der Gefahr eilt. Si)äter
wurde Thasznelda sogar auf den Befehl ihres WüUierichs
von Vater von einem Thurm herabgestttrzt, Hermann fdeht es,
findet sie aber zu seiner groszen Verwunderung noch lebend.
Des vSegesthes abscheuliches und wankelmüthiges Benehmen
ist allerdings zum Theil dadurch motivirt, dasz er in zwei-
ter Ehe mit der höchst intrica&ten und sittenlosen Röme-
rin Sentia vemählt ist.
Mit dem Abschlüsse des achten Buches erreicht die
nachholende Erzfthlung den Zeitpunkt, wo das erste Buch
anfängt. Lohenstein aber scheint der Ansicht gewesen
zu sein, dasz er von den Hochzeitsfeierlichkeiten als denen
des Hauptheldenpaares noch zu wenig gesagt. Er Iftszt
daher im neunten Buche zunächst die alte Asblast« ihre
(leschichte erzählen, in die ein Stück der maskirten Ge-
schichte Christinens von Schweden (Tirchanis) angenommen
ist. Nachdem Asblastens Gemahl Segimer dnrch Tiberius
vergiftet worden, studirte sie im Alironischen Heüigthume ge-
heime Weisheit, deren höchste Grade sie aber verschweigen
musz. Doch erfiahren wir immer noch eine ganze Menge
philosophische Lehren, und auch das neuvermählte Paar ver-
nimmt Weissagungen, die nicht alle glUckverheiszend sind
und eine Art Uehergang zum zweiten Theile vermittebL
Dann aber folgt noch eine lange Beschreibung der Kampf-
spiele, Aufzüge und sonstigen Festlichkeiten. Die Frauen
betheiligen sich an den Kämpfen mit demselben Eifer
wie die Männer, alle wissenschaftlichen Disciplinen an der
sinnreichen Aussclmiückung der Räumliclikeiten und Sachen
durch emblematische und allegorische Erfindungen.
Hiermit endet nun nicht der Roman, obwohl die-
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«er sowohl als poetischefi Ganses hier sehr g^t einen Ah-
schlusz hätte, wie er auch, wenigstens nach unserem Be-
<dlmkeu, jetzt schon melu* als lang genug sein würde, denn
fichon sind 1430 grosie Qnartseiten gefüllt Aber wir
sind einmal jetist erst genau ndt der HlOfle fertig, nnd
wissen ja, dasz noch manches unaufgelöst ist. Wer
ist Zeno? Sollten die beiden schlinmien Gesellen Segesthes
und Marbod nicht von der poetischen Gerechtigkeit er-
reicht werden? Soll Erato nichts von ihrer Treue nnd ihrem
Edelmuth haben? Wenn wir uns für diese Fragen ge-
bilhrend interessiren, werden wir, wenn auch grade nicht
dem „unrergleichlichen" Löbelstein Dank wissen, doch
Tielleicht uns entschlieszen, noch weiter von dem Inhalte
seine,s Hauptwerkes Kenntnisz zu nehmen.
Im nennten Buche des ersten Theils haben die Fürsten
ihre Kdiperkrftfte gezeigt, im ersten des zweiten Theües
können sie sich daher wieder einmal in den gewohnten
wortreichen Gesprächen ergehen. Zunächst erhält der
Thracier Bhemetalces zn einem Vortrage über die Ge-
schichte seines Vaterlandes das Wort Die Wildheit der
Thracier ist bei den alten Dichtem sprichwörtlich, daher
geht es in ilirem Füistenhause wild genug her. Die He-
roine Haipalice wird von den Amazonen wegen ihrer Hel-
denthaten gegen die Geten zur Königin gewählt, Arsinoe,
<les T.ysimachus Gemahlin, verliebt sich in ihren Stiefsohn
und tödtet ihn, da er ihre Leidenschaft nicht erwidert,
die Prinzessin Nnmelisinthis Iftszt, weil sie im Kriege
gegen die Eömer unter Porcins Oato ihren Bräutigam ein-
gebüszt, aus Kai* he „etliche Thäter mitten von einander
sfigen, etlichen ihre eigene Kinder gebraten zur Speise
Arsetzen**.
Die haaraträttbendsten Gemälde tobender Leidenschaft
13*
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aber erhalten wir in der Darstellung der Charaktere des
eiüBisttditigen Sftdal und der hemchsflchtigea Adai der
Stiefmutter des Rhemetalces. Ersterer wird auf seinai
Bruder, seinen Vater, ja seinen eigenen Schatten eifer-
süchtig, und als seine wahnainnige Leidenschaft seine Ge»
maUin das« treibt, sich von einem Thonae sa stQnen,
leckt er das Bkit der Entseelten w»f. Ada, snerst die
Gemahlin des Priesters Rhascuporis. rast wie eine Tigerin
von einer ra£ämrten Schand- und Unthat zur andern und
wühlt mit eigener Hsnd im Blute ihrer Opfer» ihr Stief-
sohn rettete sich mit genauer Noth vor ihren Verf&hrungs-
und Vergiltuügüversiicheii. Schon ehe lihemetalces seine
Eo&hlnng beginnt, merken wir, dasz sich neue Yerwicke-
Inngen erster Qnalität vorbereiten. Nicht allein, dasz sich
der Friede mit den Römein als sehr wenig haltbar zeigt,
auch in den Liebesverhältnissen der wichtigsten Neben-
personen treten die Anzeichen einer nenen Combina-
tion anü Erato empfiUigt ein geheutnniszvoUes Orakel,
welches ilir den Flavias zu lieben gebietet, dem Zeno aber
soll sie entsagen, w ie denn auch schon in Havius eine
Neignng sn ihr, in Ismene eine za Zeno entstanden war.
Der Aufenthalt der Franen am Paderbmnnen giebt za
sehr gelehrten und mystischen Gesprächen Veranlassung.
Zu Anfang des zweiten Buches ist der Krieg mit
den BSUmm wieder ausgebrochen. Auf Seiten der Bdmer
sind Tiberins und G^ermanicos, anf der der Dentscheai
Hermann und der sicambrische Heraog Melo mit seinem
Sohne Franck Oberanführer. Belagerungen, Erstürmun-
gen, Scharmützel, UebeifftUe, grosse Schlachten giebt es
in solcher Anzahl, dasz sich die römische wie die dentscbe
Kriegskunst im schönsten Glänze zeigen kann. An die
Erstürmung von Bacharach durch die Deutschen schlieszt
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Mi eine zum Theü allegorische sehr ausgedehnte ErSr-
tening über die Vorzüglichkeit des Rheinweines. Bei den
dann folgenden Friedensnnterhandlungen^ bei denen ganz
nach der Art des XYIL Jahrhunderts um arge Kleinig-
keiten gestritten und gezankt wird, fischt der von Her-
mann schon immer mit Misztrauen angesehene ]\Iarbod
im Trüben. Während des Krieges gehiert Thusnelde zu
Bacharach ihren Sohn Thumeiich. Zu bemerken ist m
der Geschichte des Krieges besonders, wie Lohetistein den
zu seiner Zeit blühenden adeligen und fürstlichen Ge-
schlechtem dadurch schmeichelt^ dasz er ihre Namen an-
ter den deutschen Helden in grosier Zahl anbringt So
finden sich z. B. Tertreten die Namen der Solms, Isen-
burg, Ravensberg. Waldeck, Nassau, Bentheim, Diephold,
Zulenstein, Delmenhorst u. a. m. Auch wird ein omfang-
reiches Stflok Geschichte der Theologie nnd Philosophie
ein^-efloehten^ in welcher anszer den schon bekannten Drui-
den, Barden und Eubagen die grieclüschen Skeptiker als
Vertreter der Cartesianer zum Vorseht kommen.
Das dritte Bach hat Tomehmlich den Zweck, die
Verwickelungen zwischen den beiden Paaren Erato und
Zeno, Ismene und f iavins weiter zu schürzen. Mit der
TVeiterffthrong dieser Angelegenheiten ist aber die Be*
schreibang der Friedensfderlichkeiten nnd des Vericehrs
zwischen den römischen und deutschen Groszen verfloch-
ten. Zugleich treten eine Anzahl neuer Nebenpersonen
auf, oder doch m^ in den Vordergnmd. Es kommt
iwischen Zeno nnd Flavins zum offisnen Streite, ESrato
rettet Zenos Leben nur durch Aufgeben ihrer Ansprüche,
nnd als Hermann eingreifen will, um seine Geschwister
▼on der V^bindnng ndt den Fremden abzubringen nnd
zur Teriidrathung mit Adehnnnd, de» chanziseheA Bei^
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zogs Granaach Tochter, bezüglich mit dem Cattenherzoge
Catomfir zu yeranlasseii, entstehen, da eben dieee beiden
einander lieben, neue Verwickelungen, wozu noch kommt,
dasz Ismene sich von den durch die Druiden gegen sie
erhobenen Anklagen nur dorch ein Gtotlesnrtheü reinigen
kann. Dies gelingt zwar, aber es kommt dabei herans,
dasz Adgandester, Hermanns bisheriger Vertrauter, die
Hand im Spiele gehabt hat, um sich wegen eines erhal*
tenen Korbes zu rftchen.
Nunmehr beginnen des Segesthes Gemahlin Sentia
und der verbannte Adgandester ein neues höchst raffinir*
tes BAnkespiel, das den Hauptinhalt des vierten Boches
bildet Zu Anikng wird kurz berichtet, wie Erato auf
geheiomiszvoile Weise trotz der Wachsamkeit des Fla-
vias als Diana verkleidet entflieht, dann bewirken Sentia
und Adgandester, die sich zu Marbod gewendet haben,
dasz sich Flavius mit Hennann entzweit und erzürnt zu
den Eömem übergeht Weniger Erfolg hatten die von
beiden gegen die Yerehelichung Gatnmers mit Adelmnnd
gesponnenen Ränke doch war die daraus erfolgte Ab-
wendung des Ganasch und Melo von der deutschen Sache
immer noch schlimm genug. In der Liebesgeschichte des
Catumer und der Adelmund spielt die griechische Zau-
berin Astree und der Zaubertrank, wodurch sie die Prin-
zessin unfruchtbar machen sollte, eine hervorragende Bolle.
Sie thut es aber nicht, da sie durch Träume davon abge-
schreckt wird, und bleibt trotz grausamer Folterung, die
genau beschrieben und sogar durch einen Kupferstich ver-
anschaulichti wird, bei ihrer wahren Aussage. Catomen
Kühnheit setzt ihn schlieszlich in den Besitz der Geliebten.
Das fünfte Buch führt die eigentliche Erzählung nur
insofern weiter, als es, aber erst am Ende, den während
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neuer drolieiider Kriegaaiissichtea emtretenden Tod des
Augustns berichtet. Dagegen werden sehr umfassende
Stücke aus der Geschichte früher aufjgetretener Nebeuper-
sonen episodisch nachgeholt Die deutschen Fürstinnen
nSiniich verieben eine Zeit zu Schwalbach am Sauerbrunnen,
ihnen gesellt sich Agrippiua bei, und auch die deutschen
Fürsten kommen dahin. In Öchwalbach befindet sich eine
Schuld der Barden, was zu sehr gelehrten und sinnreichen
Gesprächen über Pflanzen und über die Staatskunst Ver-
anlassung giebt. Auch Ariovist, des älteren Ariovist En-
kel, tritt auf^ und bei der Grelegenheit der Au&ahme sei-
nes Edelknaben Ehrenfried in die bardische Anstalt kommt
zu Tage, dasz dieser der Bruder der Zirolane, einer marsin-
gischen Prinzessin, ist, beide sind die Kinder des gotho-
niscfaen Fflrsten Gottwald, dessen frtther begonnene und
abgebrochene Lebensgeschichte jet./t zu Ende gefuhrt wird.
Er ist nämlich dei'selbe Barde, welcher Ehreufiied iu die
Schule aufoehmen und einweihen sollte und stirbt vor
freudigem Schreck. In Gottwalds sehr abenteueriiehen
Schicksalen spielen seine intricante Schwester Marmeliue
und Marbod die Bolle der Unglücksstifter und Usnipatoren.
Der Schauplatz der Begebenheiten ist meist Schlesien und
Preuszen. An die so vielseitige Aufklärung und AVieder-
erkennung zu Anfang des Buches schlieszt sich noch eine
neue Verwickelung, indem Rhemetalces ohne Grund auf
seine Verlobte Zirolane eitersüclitig wii d und sich zürnend
entfernt. Auch Siegesmund, Thuszneldeüs Bruder, ging,
da er sich von Zirolane abgewiesen sah, zu seinem Vater
Segesthes.
Das sechste Buch berichtet über die Leichenleier lich-
keiten des Augustus und die bedenklichen Zustände im
rdmischen Beiche, worauf zu dem neu entbrennenden
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— 200 —
Kriege und den neuen Eänken Seutia-s und Adgaiulesters
tibergegangen wird. Die Geschicke der Haapthelden neh-
men eine vorlftafig ziemlich nnglflckliche Wendung. Melo,
Ganasch und Maloveiid verbünden sich mit den Römern,
▼eranlaszt durch gefälsdite Drolibriefe Hennanns. Aus-
führlich wird Senüas Verfahren mit dem Angriyarierf&rsten
Bojocal erzfthlt, es ist eine Episode in echt Lofaenstei-
nischem Stile.*) Sie suelite ihn durch die wollüstigen 'Reize
von vier schönen Mädclien, einer Amazone, einer Britan-
nierin, einer Gothin und einer Mohrin zu ködern, da dies
aber sich nicht wirksam genng erwies, gab sie sich ihm
selber hin. nachdem sie sich schrittlich die Vei*sicherung
hatte geben lassen, dasz er zu den Römern Ubergehen werde.
Siegesmnnd brachte znm Entsetzen Hermanns Thnsx-
neide nebst den anderen Fttrstinnen, die bei ihr waren,
verräthei'ischer AVcisc in die Hände der Römer. Im
Deutschburger Walde geschah eine neue furchtbare Schiacht
zwischen Germaniens nnd Hermann, Greistererscheinnngen
veranlassten den römischen Feldherm, den Rtckzng an-
zutreten, nachdem die Gebeine der in der ersten Öchlacht
Gefallenen beerdigt worden waren.
Das siebente Bnch ist zn seinem Vortheil durch den
Mangel fast aller Episoden und einen wirklichen Fort-
schi itt der Handlung von den andern unterschieden. Zuerst
wird fiber die denRömem in die Hände gespielten Ftirstinnen
berichtet Zumeist durch den Einfluaz der abschenliciieB
Sentia zogen sich mehrere Unwetter über ihnen zusammen.
Germauicus sollte nach Asien, wo die Angelegenheiten
der Römer in Folge 7on Ränken der Livia schlimm stan-
den, gehen, Thusznelde nnd die andern deutsdien Frauen
sollten nach Rom gebracht und dort im Triumphe aufge-
') S. die Beilage.
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— 301 —
fShrtf endlich Tbomelicli zur SAhniuig des von den Deut-
schen zerstSrten Drosus^Denkmales geopfert werden. Nach-
dem ein durch Siegesmund veranstalteter Fluchtversuch
miszlungen war, fand das Opfer statt, aber die helden-
mltthige H^nengaid schob ihren eigenen Sohn an die
Stelle des jungren Fürsten unter.
Auch Malovend, welrlier Catta, des Herzog: Arpus
Tochter, liebte, fiel in die Stricke der Öentia. Der letzte-
ren ztt seiner Verftthrnng und ihm zur Entführung der
Prinzessin war die Zauberin Wart] urgis behülflich, und
die Beschieil)ung ilirer Kunstiibung ist eines von den bei
Lohenstein beliebten Nachtstücken. Mit einer ungünstig
yerlanfenden Schlacht bei der Weser (Indistayisus), wo
Hermann und Gennaniens persönlich an einander geriethen,
erreichten jedoch die Miszgeschicke der Deutschen ihren
Höbepunkt. Denn nachdem sie bald darauf in einem an-
deren Gefechte glttcklicher gewesen waren, traf die Bö-
rner noch auf dem Rückwege zur See ein schwerer Sturm,
der den gröszten Theil ihrer Flotte zerstörte. Zwar liel
nocä Inguioiner, Fürst der Bructerer, aus Zorn darüber, dass
man deutscherseits den eine Annfthemng suchenden Ab-
trünnigen wie Flavius, Melo, Bojocal u. s. w. entgegen-
kam, zu Marbod ab, aber daföi* erwählten die Semnonen
und Longobarden, wekhe Ton Marbod unterworfen und
yon ihm und Adgandester gequält, dieses Joch abge»
schüttelt hatten, Heruiami zum Fürsten und schlössen sich
den Cheruskern an.
Das achte Buch beginnt nun mit der Schüdernng der
BfüBTTOcht, die Tiberius gegen G^ermanicus hegte und die
den Abschlusz des Friedens beförderte. Da aber die
Bildnisse der gefangenen deutschen Fürstinnen nach Eom
gdangt waren und auf den Kaiser ehien allsugroszen
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— 202 —
Eindruck gemacht hatten, bestand er daranf, da« dieFQntm-
nen selbst nach Rom kämen. Des Germanicus Abreise und die
ihm bei dieser G^egenheit dajrgebrachten Ehrenbesengnngai
werden genau geschildert» dann ahw wird wieder auf einen
Nebentheil der Erzählung eingegangen, der die mit Lüge
nnd Zauberei ins Werk gesetzten Bänke des Adgandester,
nm die Hand der Adelgunde zn erlangen, enthält Hier
hat Lohenstein die griechischen Sagen von Oenomaus
und Hippodamia, die auch zu scenischer Darstellung ge-
langen, beniltst Adgandester fällt schimpflich ab und
Ingviomer wird mit Adelgunde vermählt.
Endlich ftthrt das neunte Buch das ungeheure Werk
zum Abschlösse. Zunächst werden wir nadi Rom ver-
setzt Zwar war den deutschen Frauen verheiszen wor-
den, dasz sie bald zurückkehren sollten, doch sehr bald
zeigte sich des Tibehus scheuszliche Wollust und Treu-
losigkeit Eine nichtswürdige Gewaltthat, gegen die durch
Malovend in die Hände der R(»mer gerathene Oatta beab-
sichtigt, zwingt die Bedrängten, ihie Zuflucht zur List
zu nehmen, und plötzlich verschwinden sie spurlos* Sen-
tia, die aus Aerger darflber ihren eigenen Yater ins Ver-
derben stürzte, soll nun endlich den Lohn ihrer Schand-
thaten finden* Sie wird von Segesthes mit ihrem Buhl^
Bojocal ertappt und schmachvoll umgebracht, ein Zwd-
kami)f des letzteren mit dem beleidigten Gatten befördert
auch diesen principiellen Bösewicht und Yerräther vom
Schauplatze hinweg. Dasselbe geschieht nun auch zur
Befiriedigung des Lesers mit anderen unliebsamen Persön-
lichkeiten, Marbod, Adgandester und dem jungen Gott-
wald, der vorher unter dem Namen Ehrenfried aufgetreten
ist Adgandester ertrinkt in der Moldau, Marbod and
Gottwald enden in der Verbannung bei den Körnern. Noch
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— 808 —
eimnal Mngt Ingrioiners Ehrsucht fttr den Hanpt^
beiden eine fnrchtbare Gefahr, doch es geht ihm ebenso wie
säuern Sohne Thnmelich, indem ein anderer zum Scheine
Ar ihn enthauptet wird. Aehnlich war es auch seiner
Gemahlin und ihren Leidensgenossinnen in Rom ergangen,
indem gemeine Weiber an ihier Statt im Triumphe auf-
geführt wnrden. Schlieszlich aber kommen nicht nur die
ans Rom entflohenen Fürstinnen, die über Armenien nach
Deutschland zu reisen vorgezogen hatten, zum Vorschein^
gondem anch die nngetrenen Fürsten kehren zn ihrer
Pflicht snrftck. Wer Zeno sei, erflüiren whr natürlich
auch noch, nämlich der Eiato verlorener Bruder. Was
jetzt folgte versteht sich von selbst: Flavias heirathet
Erato^ Zeno Ismene, Bhemetalces Zirolane, die er in Bom
wiedergefunden. Schlieszlich wird Hermann König der
JÜarkm&nner, die Henscliaft über die Cherusker aber
tritt er seinem Bmder Flavius ab. Es sei noch ausdrück-
lich bemerkt, dasz nicht weniger als die Schicksale nnd
gegenseitigen Beziehungen der Hauptpersonen, so aucii die
der Nebenfigoren sftmmtlich einen vollkommenen nnd nach
Maszgabe der poetischen Gerechtigkeit befriedigenden Ab-
achlusz finden.
Wir sind, da eine besondei*e Charakteristik 2Uegler3
und Lohensteins theils durch die gegebenen ansftthr-
lichen Analysen überflüssig ist, theils eben durch die nachste-
henden Bemerkungen gegeben wird, nunmehr mit der Dar-
stellung des heroisch-galanten Bomans des XVII. Jahr^
hnnderts auf den Punkt gelangt, wo es gilt, diese Litera-
turgruppe als Ganzes zu begreifen und das, was voraus
nnd bei den einzelnen Erscheinung^ gesagt werden musate,
znsammenzniassen und zu ergftnzen. Diejenigen Romane,
welche die Entwickeluug unserer Gattung im XVII. Jalir-
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hnnd^ darsiellen, liegm ubb ihrem Hauptinhalte and deft
wichtigsten Zttgen ihres formellai Oharakters nach m
vollständig: vor, wie es der uns zugemessene Kaum ge-
stattet und der Zweck dieses Buches fordeit.
Es ist mit Becht Tim CholeTins henrorgehohen wor-
den nnd geht ans dem bisher Gesagten mehr als snr
nüge hervor, dasz es eine schwierige und weitschichtige
Angabe sein mosz, einen Standpunkt zu finden, von dem
aas Uber eine Reihe unter emander so Terschiedener Dich-
ter und Werke ein allgemeines Urtheil geßlllt werden
kann, un<l die Sache wird dadurch liier kaum erleichtert,
dasz ich glaube, das Qemeinsame der Gattung und ihres
Entwickelungsganges zwar nicht besser bemerkt, aber doch
meinem Plane gemäsz mehr hervorgehoben zu haben als
der eben genannte Gelehrte. Eine Thatsache aber scheint
mir ebensowohl durch ihre Wichtigk^t wie auch durch
ihre Zweifellosigkeit allem anderen, was noch zu sagen
ist, vorangestellt werden zu müssen, die nämlich, dasz
wir in der zweiten H&lfte des XVn. Jahrhunderts die
beiden Dichtungsgattungen zum ersten Male die ersten
Stellen in der deutschen Nationalliteratur einnehmen se-
hen, welche sie seitdem behielten und jetzt nur noch viel
zweitelloser iune haben. Ks sind die Tragödie und der
Roman, und die persönliche Verkörperung dieser That-
sache ist Lohensteins Schrifrstellerthum. Die deutsche
Kuusttragödie und der deutsche Kunstroman, deren Pflege
durch die sichere und von kkirer, nüchterner Einsicht in
die YerhUltaisse g^tete Hand Opitzens begründet wor-
den, erreichten aber aüch beide in Lohensteins Trauer-
spielen und in seinem Arminius einen Punkt in ihrer Ent-
wickelung, von dem ein Weitergehen in grader Linie
nicht mehr stattgeflmdeu hat und unseres lärachteiis nidit
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— 206 —
mehr stattflnden kannte. Da«tf w von unwem Staad*
punkte des Geschmackes und der Einsicht in die geistige
Eigenthümlichkeit unseres Volkes die uns liier vorliegende
JSntwickelang 9I& eine glückliche and natorgem&sze nicht
beaeichnen kOnnen, igt schon oft genug gesagt worden.
Dasz aber von dem Standpunkte unserer Zeit bei der
historischen Betrachtung derselben nicht abgegangen wer-
den kann, und zwar grade im Interesse der Aufgabe, die
wir ans gestellt haben, nicht abzagehen ist, kSnnte noch
auf einige Zweitel stoszen. Wir können uns aber un-
8c:hwer überzeugen, dasz grade der Grund, mit welchem
solche Zwdfel hauptsächlich gest&tst werden dürften, n&m-
lieh die grosse Verschiedenheit jener Zeit von der uns-
rigen, uns in dem Festhalten des angedeuteten A'erfah-
rens nur bestärken kann. Denn diese grosze Verschieden-
heit ist es eben, die uns unsere Haiq^tau^abe Torsohreibt
und erl&utert. Die Wandelungen in dem geistigen Zu-
stande unserer Nation, welche sich seit dem XVll. Jahr-
hundert Yollaogen haben, sollen wir, soweit sie in der f'ort-
büdnng unserer Dichtungsgattung sichtbar sind, uns sum
Bewusztsein bringen und wiederum, wenigstens zum grösa-
ten Theile, aus uns in der Gattung des JEU>mans vor-
liegenden Erscheinungen erklaren.
Man kann diese Angabe kaum ins Auge fhssen, ohne
sich daran zu erinnern, dasz im XVII. Jahrhundert auch
in Frankreich das Drama und der Roman blühten, und
im Hinblick aui' die durchgängige Abhängigkeit des deut-
sehen Bomans von dem französischen wird man eine Yer-
gleichung dessen, was in jeder von beiden Gattungen hö-
ben und drüben damahi geleistet worden ist. zur Lösung
unserer Att%abe als angezeigt erachten. Und in der
That tritt auch bei ganz allgemeiner Betrachtung der
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— 206 —
Sachlage hervor, wie nngttnstig fttr die deutsche Lümtnr
des XVIL JahrhlDnderts schon das ehronologiscfae Yer-
hftltnisz ihrer beiden Hauptgattnngen zu den entsprechen-
den der Irauzösischen war. Die Entstehung des heroisch-
•galanten Bomans in Frankreich geht dem Höhe|NUikte des
g^uten Geschmackes nnd der Entwickelnng der gesammten
Poesie vuraiis. ja derjenige Geschmack und diejenigen
Einsichten in das Wesen dei* Poesie» worauf sich die
Olassik stutzte, erhohen energischen Protest gegen die
Romane der Gomberville, CalprenMe, ScndM. Das wa-
ren aber die Vorbilder unseier deutschen Schriftsteller,
letztere kamen grade zurecht, um an den Verinrungen der
Franzosen theiheunehmen, und um die Zeit» als Boileau
seine Hh os de Roinan schrieb, nahm man bei uns den
besten Anlauf zui' vollsten EntWickelung der Gattung.
Die Tragödie dagegen, welche von Opitz bei uns ins Da-
-sein, allerdings ein Scheindasein, gerufen und yon Gry-
phins und ]^ohenst»*in zu einer Art von Vollendung ge-
führt ward, sie war der classist hen französischen Tragö-
die mindestens gleichzeitig, jedenfalls kam sie zu Mh,
um von jener etwas zu lernen, wobei man nicht allein die
Jahreszahlen, sondern auch die Langsamkeit des damali-
gen literarischen Verkehrs und die Schwierigkeit der
Ueberwirkung in einer so hochstehenden und die gftnstig-
sten Bedingungen erheischenden Gattung in Rechnung zu
ziehen hat. Das Felileii >(»Kliei- Ikdiiigungeu hat übri-
gens auch bewiikt, dasz die deutliche Tragödie des XVIL
Jahrhunderts, auch ganz abgesehen von ihrem ungünsti-
gen Altersverhältnis« zur fi-anzösischen, eine noch weit
unh^l »endigere und zukunftslosere Kunstgattung wurde als
4er Homan, der dem Publicum gegenüber sich auch ohne
4ie Httlfe anderer Künste und so complidrter und von
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— 207 —
ftuszeren Yeriiftltnisseii so abhängiger Einrichtmigfeii, wie
das Bühneuwesen ist, zur Geltung zu bringen im Stande
ist. Und daher kommt es, daai wir dem deutschen Bo-
mane des XVII. Jahrhunderts, auch wenn wir nur die
heroisch-galante Art ins Auge fassen, was Weite und
' Tiefe der Einwirkung auf das Publicum und Bedeutung
für Bildung und Denkart des Zdtalters anbetrifft, einen
bedeutenden Vorrang vor der Tragödie zuschreiben müs-
sen. Dieses Yerhältnisz war in Frankreich, darüber kann
kein Zweifel sein, gerade das umgekehrte, und wir wer-
den noch mehrfach Gelegenheit haben, Frankreich und
Deutschland, ßoman und Drama einander gegenüber zu
stellen, weil in der That die trotz der nahen Berührung
anfiallende Verschiedenheit in den literarischen Erfolgen
beider Nationen nieist schon unmittelbar auf die Gründe
der einzelnen £i*scheinungen hinweist.
Unter den verschiedenen einzelnen Seiten, welche an
dem deutschen Kunstromane des XVII . Jahrhunderts noch zu-
saninu niasseud zu beleuchten sind, düilte aus mehreren Grün-
den der Stil, worunter hier nur das rein sprachliche Element
der Darstellung verstanden werden soll, zuerst an die
Reihe kommen. Nur ist hier sogleich vor einigen Fehler-
quellen zu warnen, welche schon zu Irrthümem Veranlassung
gegeben haben, wohl auch noch geben werden, deren Darle-
gung übrigens nicht allein zurAVarnung anderer, sondern auch
zur Stütze der hier und schon früher vorgebrachten Auf-
&ssnngen dienen soll. Die hauptsächlichste Ursache
von falschen ürtheilen t\ber den Stil in Schrift^ einer
vergangenen Zeit liegt in schwei' zu vermeidenden schie-
fen Anschauungen von demjenigen stilistischen Momenten,
welche die Verschiedenheiten jenes alten Stiles von dem
unserer Zeit ausmachen, und nicht viel w euiger Verwirrung
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— 208 —
stiftet der ganz versdiiedeiie Maszstab, den mau sehi^ leicht
fbr die yerftndenmgen des StUes in «ifeiiiuiderfalgeiideii
Perioden der eigenen Literatur einerseits und andererseits
in den fremden anwendet. Die Irrtkümer, welche au:i dem
zuerst angefahrten Grande entstehen, beziehen sich aaf
die Unterordnung der StüTerschiedeaheiten anseiBaiiderlie-
gender Epochen unter falsche und unberechtigt subjective
Gesichtspunkte, indem, was Eigenthümlichkeit einer gan-
zen Periode ist, dem einasdnen Schriftsteller zugeschrieben
wild, iiidem man, aiistatt nach dem sn einer bestimmten Zeit
G^ebräuchlichen und Ungebräuchlichen zu suchen, nur das
jetzt Aufiallige bemerkt und in Rechnung stellt, und in-
dem man den Grand des AoffiUligen oder Bezeichnenden
in dem Eindmoke sacht, den man selbst davon hat. Der
Stil eines Dichters oder Erzählers des XVI. oder XVII.
Jahrhunderts wird ungelenk oder roh genannt, während
er den Zeitgenossen zierlich und fein erschienen ist, man
findet seine Ansdraeksweise sehr volksthümlich ond derb,
seinem Zeitalter aber waren diese Wendungen und Worte
durchaus salonfähig, man sieht alterthünüiche Formen und
Bedensarten fOr tteoherzig, naiv, kindlich oder gespreizt
nnd geziert an, weil man dergleichen, wenn es heat ge-
schrieben würde, so nennen dürfte. Es liegt auf der
Hand, dasz gegen solche Miszgrifie nor grosze Belesen-
heit nnd die stete XJeberlegong schützen kann, ob das,
was uns jetzt diesen oder jenen Eindruck macht, auch im
Vergleich zu dem, was die maßgebenden Zeitgenossen
des Schrülstellers, bei dem es Tork<»unt^ bieten, eben so
erscheine. Ich bin natftrlidi weit von der Einbildung ent*
femt, jedes von mir erwähnte Bucli und jede stilistische
Erscheinung in irgend einem der erwähnten Bücher nach
den hier ansgesiirodieneii Ornndsätzen erschöpfend be-
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— 209 —
lenchten zn kennen, glaube aber VerstOsze gegen diesel- .
ben mit möglichster Sorgfalt vermieden zu haben. Dasz
die Zeit» wo mau sick dorch Formen wie „umb^
fllr „lim'' und M^tzef ittr „tanzt** bestimmen liesa, den
Stil eines Schriftstellers als „volkstbfimlich** und „treu-
herzig** zu charakterisiren, noch nicht ganz überwunden
ist, beweist nnter anderem die immer noeh vorkommende
Bezeichnung der nichts weniger als yolksthttmlichen Ver-
deutschungen französischer Romane und italienischer No-
vellen aus dem XV. und XVI. Jahrhundert mit dem
Worte „Yolksbücher**, eine Bezeichnung, welche ToUkom-
men ungehörig und nicht besser ist, als wenn einer in
späterer Zeit die jetzt gebräuchlichen üebersetzuiigen Du-
masscher Romane deutsche Volksbücher nennen wollte.*)
Was die zweite der oben bezeichneten Fehlerquellen
betrift, so ist es freilich sehr leicht erklärlich, dasz uns
Deutschen die Veränderungen und Fortschritte, welche
fremde Sprachen und ihr Stil machen, nicht gröszer als
die Breite eines Haars erscheinen and die ihnen ganz ent-
sprechenden im Deutschen handbreit, aber nichtsdestowe-
niger ist deutlich, dasz solche Fehler sehr grob und an-
dererseits yenneidlich sind, wenn man nnr fleiszig anf die
XJrtheüe yerstftndiger Zeitgenossen der betreffenden Schrift-
steller achtet und, wenn es nicht anders möglich ist, lie-
ber auf eine abgerundete'* Charakteristik verzichtet, als
darauf los charakterisirt, so lange man noch über Schlag-
wörter und seltsame EinföUe verfllgt.
Wenn wir nun die Zeit ins Auge fassen, da Opitz
Dasz man unter Volksbüchern allerdings etwas bestimmtes zu
verstehen hat, ist hier nicht der Ort^ zu zeigen, da die so zu be-
zeichnende Eiächeinong in späterer Zeit ihre charakteristische Ausbil-
dung findet.
14
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210 —
. in Deutschland zugleich mit seinen Bestrebungen Ar an-
dere Gattungen der Poesie auch den Anstosz zu einem
Aufschwünge des Homans gab, so werden wir im Allge-
meinen sagen mOssen, dasz günstige Bedingungen lAr ei-
nen guten Stil in den Prosadichtungen keineswegs fehlten.
Zwar laf^en die Verhältnisse hier nicht so vortheilhaft
wie in Frankreich, welches in mancher Hinsicht, vornehm-
lich aber wohl dadurch, dasz eine wohl ausgebildete ge-
sprochene Sprache von der der Classicität zustrebenden Li-
teratur bereits Yorgefunden wurde, sehr viel Yoraus hatte.
Aber die ungefähr hundert Jahre von dem Erscheinen der
Luthersclien Bibelübersetzung l)is zu der Aufnahme der
Opitz ischen Grundsätze dürlteu mehr eifrige Bestrebungen
zur Feststellung eüies guten deutschen Stüs und soviel
wirkliche Fortschritte in der deutschen Sprache aufweisen,
als irgend eine andere gleich lange Zeit in dem Litera-
turleben unseres Volkes, und grade in der Th&tigkeit der
Sprachgesellschaften und der Opitzischen Schule erreich-
ten diese Bestrebungen ihren Höhepunkt, wenigstens was
das Bewusztsein des Zieles und die Energie und Emsig-
keit in der Anwendung der f&r zweckdienlich eraehtetoi
]\üttel anbelangt. Freilich waren diese Bemühungen theils
mit der eine Schwäche des Jahrhunderts ausmachenden
Aeuszerlichkeit, theils mit einem Hange zur Ueberstflrzung
behaftet, aber grade der sprachlichen Seite als solcher
schadete die erster e weniger als den anderen Elementen
der dichterischen und schriftstellerischen Production, und
der Hang zur Ueberstttrzung, der sich nur bei einzelnen,
am meisten hei Zesen, geltend machte, hob seine Übeln
Folgen durch seine abstoszenden Auswüchse zum groszen
Theil selbst auf.
Man würde ohne jeden Zweifel den Vertretern des
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keroisdi-galMiten Bomans schweres Unrecht thnn, wollte
man nicht anerkennen, daax sidi die der Entwickelnng
des stOistischen Elements in der deutschen Literatur
günstigen Umstände in ihren Erzeugnissen wohl erkennen
lassen. Nicht allein, weil es noch genug an ihnen zn ta-
deln giebt, mnsx die lobenswerthe Sprache derselben zu-
erst hervorgehoben werden, sondern auch, weil sie das
allen am meisten gemeinsame Merkmal ist. »^^ur dieses
soch^, sagt CholevioSiO n^ar allen Dichtem gemein, dasz
sie mit vaterländischem Sinne die deiitsche Poesie auf
eine gleiche Stufe mit den p^epriesensten Dichtungen des
Auslandes zu erheben und namentlich der unbeholfenen
und mit fremden Wörtern entstellten Muttersprache ihre
Beinheit, Kraft und Schönheit wiederzugeben strebten.**
Ich möchte allerdings mit Bezug auf weiter oben
Hervorgehobenes (Cap. IX, S. 13) lieber nur sagen,
dasz jene Schriftsteller durch ihre stilistische Ge-
wissenhaftigkeit die Spraehmengerei Ton unserer Gat-
tung bis an das Ende des Jahrhunderts fem ge-
halten haben, dies vermindert jedoch ihr Verdienst nicht
und stellt sie Uber Oh. Weise, der von einem Theile der
Schuld an diesem Unfug nicht wird freizusprechen sein.
Wir bemerken von Opitzens Argems bis zu i^ohensteius
Aiminius, wie sehr man darauf aus war, die Sprache nicht
blos in grammatischer Beziehung consequent nnd regel-
recht, sondern auch in Hinsicht auf die gleichmäszige und
vollständige, dabei aber nach dem Grundsatze der be-
stimmten Unterscheidung der Schriftsprache von den Mund-
arten*) geregelte Verwendung des vorhandenen Wort-
s. le.
*) ISb i*t mir natttrlieh so wenig al8 udAm entgMigea« daas die
Bpimohe vnienr SehrifttteUer von ProvliiGulisinen nicht to rein iit,
14*
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ichatses auf das Genaueste zn behajMteln, dem Stil dirok
Satsban und Figuren eise ndiige Wftrde 2» wleÜMii waA
dem Gedanken einen präcisen und klaren Ausdruck zu
geben. Wenn ich hoffen darf, dasz mich die bunte Viel«»
heit des Materials nicht Terwini hat, mSchte idi das ür-
theil aussprechen, dasz man in dem letzteren Punkte am
weitesten gekommen sei. Logische Mangelhaftigkeit der
einasehien Begriffe und Vorstellungen, Unklarheit der lo-
gischen Beziehungen zwisch^ diesen, Worte, weldie nur
den Versuch, einen nicht vollziehbaren Gedanken zu den-
ken und die Unfähigkeit, zu merken, dasz es nicht geht,
ausdrücken, finden -wir bd den hervorragenden Roman-
schreibern des XVII. Jahrhunderts so auffallend wenig,
dasz wir keinen Anstand nehmen dürften, sie in dieser
Beziehung vielen unserer neueren und neuesten Novdüsten
als Muster zu empfehlen, wie sie Moses Mendelssohn den
Historikern seiner Zeit empfohlen hat.
Freilich musz das Lob, welches dem Stil unserer Bo-
mane nicht vorenttialten werden darf, einigermaszen einge-
schränkt werden, und namentlicli ist der ihnen schon öfter
gemachte Vorwurf des Schwulstes aufrocht zu erhaltmiy
das« man aneh nicht ein eissigei diese Beiekhnmig Terdiencodei
Wort in ihnm «ofitsbeiii kSsnte, das JCaii aber^ woiauf ttch diese
BrseheiniiiigeB besehiftiiken, ist ein so geringes, dass sie eben gegen-
Üiber dem im Text ausgesprochenen Urtheüe nad im ffinbUek auf
meine Angabe ▼erscfawi&den. Dass schon vor langer Zeit die Be-
mfthnngen, Provinoialismen nadumwelsen, bisweilen das xechte Haas
ttberscbritten« beweist Gebauer in der Vorrede snm Arminias, wo er
(S. 41) «Kntce* nnd «Besitsthnm* unter die SOesiasmen reehnet. Fttr
die Dialektlbiaehiing haben Ja ohne Zweifel solche venlnMlte BIngib
wenn sie andna richtig beobachtet werden, ihren Werth. Kieht nn-
terlassen will ich, anf die an derselben Stelle sich findende Bemer-
keng Oebaneie aafiaerkaam sn machen, dass «die Fmacfcen und Scfale*
sier viel gemein haben, das der Ober^Sacfaee nicht gebiaaehet u. s. w.*
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S13 —
obgleidi einerseits geiiaa a bestimmeii, aadererseite nicbt
auf alle hierher gehörigen Schriftsteller ^leichmäszig zu
beziehen. Beides ist nothwendig, udi ihnen nicht gegen-
ftber ihren Eachgenoasen in der neuesten Zeit Unrecht zn
ÜaoL Dennes wirdach, weminnsaidi hier noch nicht ob-
liegt, es nachzuweisen, zeigen, dasz der Begriti'desSchwulstes,
welchen man mit Kecht auf jene alten Eizähler anwendet,
anch auf sehr vieles in dem Bomen* und NoTellenstile
unserer Zeit paszt, und dass manche yon ihnen weit we-
niger schwülstig schreiben als Leute, die jetzt einen nicht
unbedeutenden Namen haben. Schwulst, dünkt mich, ist
jedes den (piten Qeschmack yerletaende Znyiel des sprach-
lichen Anadnickes im Yerhftltniss an dem, was ansgfedrttckt
wenlen soll. Auch wiid man bei einiger Aufmerksamkeit
auf den Stil unserer Eomane sehr leicht eine zweifache
Art dieses Miaayerhiltnisses nnterscheiden können. Es
wird nimlich bald zn vielerlei gesagt, bald zn viel, das
heiszt, es werden theils zu viele Ausdrücke gehäuft, um
dem Leser ttnen Gedanken oder eine Vorstellong mitzn-
theüen, theils Ansdrttcke gewSklt, welche den der bsMidi-
neten Vorstellung entsprechenden Grad der Intensität
fkbersteigen. Beispiele für diesen qualitativen und jenen
quantitativen Schwuhit finden sich fsst auf jeder Seite bei
Ziegler imd Lcdienstein so hänfig, dasz iA mich begnüge
an die Worte, womit jener seine Banise beginnt, „Blitz,
Donner und Hagel"* zu erinnern und darauf hinzuweisen,
dasz die Grenzen der qnantitativen Art bei Mianem von
der Gelehrzamkeit, wie die hervorragendsten unter den
Vertretern des heroisch-galanten Romans waren, auszer-
ordentlich weit sein muszten und diese Art ebensogut wie
die andere leicht zu an sieh selbst geschmacklosen oder
wenigstens fsniliegenden mi seltsamai AnsdrüctaBn führte.
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Wir werden weiter unten die Beweise dafür antreffen,
dass diese Stilfehler den Zeitgenessen nnd den wenig
später Lebenden keineswegs ganz entgangen sind, wenn
wir aber auch bei sonst gewisz verständigen Männern,
wie Thomasias nnd anderen, eine uns auffallende Blindheit
gegen dieselben finden, so liegt der Gkvnd wohl thefls
in der allzngroszen Bewunderung ffir ,,curiöse Gelehi-sam-
keit'', theils in dem schon berührten Mangel einer wirk-
lich gnten Umgangssprache — gradeso wie jetit unsere
geschmacklose, nnreine, imlogische nnd mit barbarischen
Uebertreibnngen überladene Salonsprache oft den Stil der Un-
terhaltungsschriftsteller verdirbt. Doch haben wir auf die
Urtheile der Zeitgenossen noch snrttckzakommen nnd wol-
len nns nicht weiter bei ihnen aufhalten, aber nicht Über-
gangen darf werden, dasz die Fehler, von denen wir eben
reden, grade den Stil der Männer, welche den Höhepunkt
in der £ntwickelung des heroisch-gaUnten Bomans dar-
stellen, nnrergleichlich mehr ^twerthen als den ihrer Yorgftn-
gcr bis Anton Ulrich, obgleich keiner der deutschen Original-
romane, welche wir besprochen haben, davon ganz frei ist
Denn ganz frei von Schwulst ist» die Uebersetzungen mit
eingerechnet, nur Opitzens Argenis, und nach dieser kom-
men, um der Wahrheit die Ehre zu geben, die Ueber-
setzungen Zesens aus dem Französischen. Bekanntlich
schreibt man die Verderbnis des Geschmackes und Stils
bei der Gruppe von Dichtem, welche man als die zweite
Schlesische Schule bezeichnet und zu der Lohenstein und
Ziegler gehören, der Einwirkung der Italiener zu. Die
Thatsache der Einwirkung steht auszer Zweifel, und uns
liegt auch in den Schriften Loredanos, Pallavicinis und
der anderen im vorigen Gapitel genannten genug Material
vor» sie im Einzelnen zu beobachten» aber den Italieneni
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215
und überhaupt den Ausländern die Schuld zuzuschreiben,
ist unbillig und nnhistorischf die deatschen Schrift-
BteUer des XVII. Jahrhnnderts sind fttr ihren Sehwnlst
ebensowohl selbst und allein verantwortlich zu machen, wie
f&r alle anderen Unarten und Mängel ihrer Darstellung.
Doch w^den wir uns nun von der sprachlichen Dar*
st^llunp: zu der künstlerischen oder dichterischen Behand-
•
long der verschiedenen anderen Formelemente unserer Ro-
maney zn welchen die ilber das Schwülstige des Stils ge*
machten Bemerkungen nns insofern überleiten, als eine
Anzahl der untei* dem Namen des Schwulstes zu begrei-
fenden Erscheinungen das Gebiet des rein Sprachlichen
sdion theilweise flberschritten, besonders aber, weil sich
in dem Schwulste des Stils melirere Hauptfehler der ei-
gentlichen künstlerischen Composition auf das deutlichste
wiederspiegeln.
Hierher gehört nun vor allen andern das, was auch
in der Keihe der die künstlerische Composition bedingenden
Momente als das allgemeinste an die erste Stelle gehört^
nftmlich der Plan oder die Disposition des Ganzen. Hier-
bei handelt es sich hauptsächlich um drei Dinge, die
Anfeinanderlblge der einzelnen Theile der £rz&hlung, die
Art der Elemente, welche nicht eigentlich erzählende sind,
und die Griiszenverhältnisse der einzelnen Theile der gan-
zen Bomane zu einander.
Es wird sich bei einiger Aufinerksamkeit dem Leser
unserer heroisch-galanten Romane sehr bald zeigen, dasz
das Verfahren ihier Verfasser in allen drei genannten
Punkten in yerschiedener Weise mit dem gröszeren oder
geringeren Umfange ihrer Erzeugnisse zusammenhing. Wir
haben vorzugsweise sehr umfangreiche Werke zu erwähnen
gehabt, aber auch solche, welche das gewöhnliche Masz
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nicht überschreiten und keineswegs in ihi-er Ausdehnung
einen Grund zur mangelhaften Uebemchtlichkeit an sich
trugen, liegen uns vor. Hienn gehören alle Zesenachen
Bomane nnd Zieglers Banise. Es liegt auf der Hand,
dasz Zesen, noch mehr aber Ziegler, nach der auch von
Huet ausdrücklich aufgestellten Eegel verfuhien, wonach
der Boman denselbeii Gesetaea wie das Heldengedicht an
gehorchen hat, nnd dadnrch haben ihre Werke nicht allein
einen mäszigen Umfang, sondern auch festere innere Glie-
derung und grössere einheitliche Greschlossenheit erhalten.
Die einzelnen Theile der Enählong sind gemXss den Be-
geln, welche man aus Virgil nnd Homer zog, und schon
lange gezogen hatte, angeordnet. Der Anfang musz uns
mitten in die Bewegung hinein führen, einzeltte OTheile
werden, weil sie nachznhden sind nnd Schauplata nnd
Zeit niclit allzuoft gewechselt werden sollen, den auftre-
tenden Personen in den Mund gelegt, und es wird durch
die Anordnung der verschied^en Begebenhdten auch da*
Ar gesorgt, dasz Hauptpersonen nicht zn iqAt auf and
nicht zu zeitig abtreten. Ebenso deutlich ist aber, dasz
Bttchhoitz, Anton Ulrich und Lohenstein, die ihren Ko-
manen einen den der yorhin genaimten mehrfadi Uber-
treffenden Umfang gaben, anders verfahren sind, und die
Bemerkung von Cholevius, dasz sich die Yeifasser der
Geschichtsromane an die Historiker anlehnten, ist nnzwei-
Mhaft richtig. Audi der Einfloss des Tacitas, dem Cho*
levius die episodische Anordnung des Planes zuschreibt,
ist nicht zu bestreiten, da es gewisz ist, dasz die An-
nalen des Taeitos, mit denen Lohenstein «nd Antm
Ulrich sich viel zi thnn machten, als Muster fllr dw
Plan von Romanen nicht günstig ^nrken konnten. Aber
auch darin hat Cholevius Becht, dasa er der Behauptung
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— 217 —
lunsichtlicli des Uiats&ctüiGlien EinfloBieB des Tacitus eis
„Vielleicbt*' IdnsnaetKt, denn es wird nicht an beweisen
sein, dasz man mit Bewusztsein dem Beispiele dieses
Schriftstellers gefolgt sei. Die Katar des Stoffes, der Um-
stand, dasz jedes Werk Loh^teins nnd Anton Ulrichs ganz
gut in mehrere Romane zerlegt werden könnte, brachte ein
solches Yerfiihren von selbst mit sich, und die Verfasser der
Amadise, dünkt mich, machten es genau ebenso. Wie
soliten sie es auch anders machen? Wo eben zwei, drei,
vier nnd mehr weitsehweiüge Geschichten neben nnd mit-
einander erzählt werden sollen, kann man nicht anders
als die Hanpthandlung oder richtiger die mehreren Haupt-
handlmigen zerat&ckelt und oft unterbrochen vortragen.
Nun kann der Historiker zu seiner Rechtfertigung anfUiren,
dasz sich die Begebenheiten einmal so zugetragen haben,
zumal wenn er ausdrücklich sagt^ dasz er Jahibücher
sehreiben will, der Romanschreiber aber zerstflckelt den
Faden der Erzählung ohne Noth, weil ihn kein innerer
Grund zwingt, mehrere Erzählungen in eine zusammen-
zustellen, und seine Methode unterscheidet sich von der
des Chronisten nur dadurch, dasz seine G^hichten ein
mehr gleichzeitiges und gleichartiges durch mehr ästhe-
tische und moralische Gründe bestimmtes Ende erreichen.
Anton Ulrich dttrfte es in dieser Beziehung wohl am
ärgsten gemacht haben, wenigstens scheint mir die Leo-
türe seiner Romane deshalb ermüdender zu sein als die
der anderen, weil er einen von Anfang an die Weitschich-
tigkeit seines Planes fühlen lAszi Man bnweht gar nicht
viel von der Odavia in lesen, um den Efatdruck zu be-
kommen, dasz man es mit einem wahren Monstrum von
Geschichte zu thun hat Von einer epischen Architek-
tonik kitnn also bei diesen grosMu Bomaaen keine Bede
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— 218 —
mehr sein, schon wenn man danmter allein die Anfeinan-
derfolge der emseliimi Theile der wirklichen Erzählnng
versteht.
Um aber nicht ungerecht zu sein, mi\ssen wir an die-
ser Stelle einen vergleichenden Blick auf die in Capitel
IX vorgefthrten Uebersetznngen und Bearbeitangen der
piearesken Romane der Spani^ werfen. Wir machen dann
sogleich die Bemerkung, dasz von Opitzens Argenis ab die
in Jenen das einzige architektonische Princip ansmachend»
blosze Aneinanderrethnng von Abentenem ohne weitere
Verbindung als durch die Person des Helden aus dem Ge-
biete des deutschen Kunstromans verbannt ist. Dadurch
scheidet sich dieses Gebiet deutlich von d^ epischem
Methode nicht allehi jener angeeigneten Litenitiir, sondern
auch von der Kunstlosigkeit der volksthümlichsten deut-
schen Original Prosadichtungen des XYI. Jahrhunderts wie
Enlenspiegel, Faust, Schildbürger und kn&pft an die ein*^
heitlichere Darstellnngsweise der damals aus dem Fran-
zösischen eingeführten Ritterbücher. Wicki-ams und der
Amadisgeschichten an. Weiterzultihren werden wir
diese Erörterung erst dann haben, wenn uns Grim-
melshausens Schriftstellerei mit den verwandten Ihv
sclieimmgen vorliegen wird, wobei natürlich auf die spa-
nischen Abenteurerromane nochmals zurückzukommen ist
Noch mehr, als eben gezeigt ward, tritt das ünepische
der heroisch-galanten Romane, namentlich der umfang-
reichen, liervor, wenn man die Art und die Verwendung
der Bestandtheile in Betracht zieht, welche nicht eigent-
lich Erzählung von Begebenheiten und Handlungen, son-
dern Beschreibung, Darlegung von ^yreinungen oder Mit^
theilung von gelehrten oder sonstigen Kenntnissen sind.
Hier hört jedes Masz, jede beschränk^de Eucksicht auf,
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— 219 —
■
und wenn es Lohenstein in der Anbrinffong Ten ganz
ond gar mit der Greschichte nicht zusammenhängenden
Beigaben am weitesten zu treiben scheint, so rührt da«
doch wohl nnr daher, dass er ein grtaerer Polyhistor
als Bnchholtz nnd Anton Ulrich war. Ein grosser ün-
tersrhied zwischen den lancren Geschichtsromanen, welche
den Begriff des heroisch-galanten Romans am vollkom-
mensten yerwirklichen,nnd den Werken Zesens ist hier aber
nicht wahrzunehmen, denn im TeriiSltniss zum ümfiuig des
Ganzen hat dieser, seiner Rosemund wenigstens, weit mehr
Fremdartiges und dies ebenso wenig geschmackvoll ein-
yerleibt wie Lohenstein, in der Assenat und im Simeon
hat er etwas mehr Masz gehalten, und was Ziegler be-
trifft, so kann man nur sagen, dasz ihn eine weit leich-
tere Bürde an Gelehrsamkeit^) wohl ebenso kOnne Tor
üeberladnng mit gelehrtem Kram bewahrt haben wie rich-
tiger Tact, obwohl, ganz objectiv genommen, der Banise
dieser Mangel als ein nicht unbedeutender Vortheil anzu-
rechnen ist. Wir werden aber bald sehen, dasz jene Zeit
Über die nicht erzählenden, ja überhaupt gar nicht mit den
erzählenden Theilen zusammenhängenden Abschnitte der
Romane ganz andere dachte als wir, dasz sie vielmehr ge-
neigt war, grade das, was nns bei Lohenstein sehr ge-
schmacklos scheint^ als einen besondmn Vorzug zu preisen.
Was nun das Gröszenverhältnisz der einzelnen Haupt-
theile, in die jeder Roman, wie eine Geschichtsdarstellong
in Perioden oder Bpochen, «zerfimt, anbelangt, so mnsz
man billiger Weise anerkennen, dasz die Verfasser der
uns jetzt beschäftigenden AVerke im Allgemeinen den Vor-
wurf nicht verdienen, die verschiedenen Abschnitte ihrer
*) Zu hcacbtt'U düi-ftp sein, dasz Zicgler in seinen späteren Wer-
ken die Curiosität seiner Zeitgenosäen reichlicbät entnchädigt hat.
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JSn&hlangeii MiwhältniwmftHasig imd mit Wilikfir »
gleich bemessoi und behandelt sa haben. Yielmdir klSii^
nen wir den hervorragenden unter ihnen das Lob erthei-
len, dasz sie von Anfang bis zu Ende dasselbe Tempo
• halten und weit mehr als viele ErzAhler der neuesten
Zeit An&ng, Mitte und Ende ihrer Weike gleichniAssig
ausgeführt haben. Zesen Ireilich musz man hier ausneh-
men. Man sieht deutlich, dass er es von seinem gans
snbjectiven Belieben ahhftngen lisst, ob er schnell nnft
trocken sldnenhaft Uber eine ErsAhlang oder Schildenmg
weggeht oder dabei länger verweilt, ja sie mit einer un-
nöthigen Ausfohrlichkeit darstellt. Doch tritt dieser Eelh
1er in seinem Erstlingswerice» der Bosenrand, mehr hervor
als in den späteren. Zieht man jedoch die Behandlung
nicht der gröszeren Abschnitte, sondern die der kleineren,
der einielnen äitnfttionen, der einiehien Momente der er-
sählten Handlangen, der einsetaien Oertüchkeiten nnd Ne-
bennmstände in Betracht, so ist nicht zu verkennen, dasi
denRomanschreibem desXVU. Jahrhunderts im Allgemeinen
nicht allein die Eihi^^rait mangelt, die bedentsamstenSitaa-
tionen, die folgenschwersten nndinteressantestenAngenblidce
der Handlungen, dieeinfluszreichenundden Gang der Begeben-
heiten bestimmenden Üertlichkeiten und Umstände klar zu
erkennen nnd von don weniger Wichtigen zn nnterschei-
den, sondern dasi ihnen anch die Konst abgeht, solche Ele-
mente durch besonders lebhafte, anschauliche, wirkungs-
nad spannungsvolle Darstellung hervorzuheben. Michd&nkt
wenigstens» dass ihre Knnst hierin weit hinter einer grosM
Menge der besseren Partien im Amadis znrtckst^t
Merkw&i'diger Weise bildet hier wieder Zesen, der bei
weitem am meisten poetisch begabte von allen, eine Ans-
nahme, er erzählt nnd schildert manfJimal wirklich plaatis^
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■id nit Sinn ^ die Bedeutung auch von Kleinigkeiten,
womit nidit gesagt sein soll, dasz ihn dieser Sinn nicht
auch manchmal pranz und ^ar verläszt.
Was — wenn man so sap^en darf — die Substanz
der einielnra Ereignisse und Begebenheiten, welche in
nseren Bomanen wohl oder ttbel za Ganzen Tereinigt
werden, betrifft, so ist im Allf^emeinen darüber dasvselbe
zu sagen, was schon im letzten Capitel des vorhergeheudeu
Bandes von ihren französischen Mustern ausgesprochen
worden ist, und henronsoheben, dasz sie im Yergleiche zu
den erzählenden l'uterhaltungsschriften, welche ihnen das
Feld räumen muszten, dem Phantastischen und Wunder«»
baren weniger Baum gewähren. Dies hing, abgesehen von
der Einwirkung des französischen heroisch-p:alanten Ro-
mans, auch mit der von Opitz und seineu Anhängern gel-
tend gemachten Geistes- und Geschmacksrichtung und der
Entstehung der Werke in norddeutschen und protestan«
tischen Kreisen zusammen. Auch in einer anderen Be-
ziehung zeigt sich bei der Mehizalil der französische Ein-
iisz, wohl aber noch verstärkt durch dgene Un^higkeit,
Mass zu halten und Stoff und Form in rechtes Ebenmasz
zu bringen, nämlich in der Verschwendung:, die mit Ereig-
aissen getrieben wird. Dieser Vorwurf fällt mit der wei«
tor oben gemachten Ausstellung, dasz der allzugrosze Um-
üuig und der zu massenhafte Stoff eine den Gatzen der
fischen Dichtung entsprechende Aichitektonik unmöglich
£;emacht habe, nicht zusammen, denn, auch wenn man die
«inzehien Qeschichten, welche bdi Buchholtz, Anton ül-
jich und Lohenstein in einander verflochten sind, fttr sich
betrachtet, wird mau sehr leicht bemerken, dasz diese
&hnftsteller mehr geschehe lassen, als für die Ueber«
«GhtKchkeit der Erzählung Tortheilhaft ist, dasz viele
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Begebenheiten eben so lose mit dem Gange der Geschichte
zusammenhängen, wie die Gespräche und Beschreibiuigen,
und dasz sie uns dnrch den Bericht Aber ein Eragmsi
oft den Charaktt^r der Personen von ganz derselben Seite
zeigen, wie wir Ilm schon mehrere Male gesehen hab^
ja dasz nnser Interesse dnrch die Begebenheiten von den
Personen abgelenkt wird. Vielleicht ist es gestattet, hier
das Beispiel Walter Scotts heranzuziehen, denn, wenn auch
das, was er gewollt und geleistet hat, mit unseren heroisch-
galantenBomanensonstnicht verglichen werden kann,80 haben
wir grade in ihm einen Bomanschreiber, der bei der gröszten
Fülle von thatsächlichem Stoff stets das inleret;se für die
Begebenheiten, Verhältnisse, Zustände, ja für die Gebäude,
Waffen und Kleidungen, die er schildert, von unsiererTheOr
nähme an den Menschen, die er uns voi-führt, abzuleiten
weisz.
Hierdurch werden wir unmittelbar auf den Punkt
geflUirt, der gewöhnlich, in unserer Zeit wenigstens, von
der Theorie und Kritik als der wichtigste angesehen wird,
auf die Eutwickelung der Charaktere. Der Kaum ge-
stattet mir nicht, eine Auseinandersetzung mit den gegen-
wärtig geltenden oder wenigstens vielbesprochenen An-
sichten über die Wichtigkeit der Charakterdarstellung im
Homan zu versuchen, und darum will ich nur andeuten,
dasz man nach meiner Meinung hierin jetzt oft zu weit
geht und solchen Personen hochentwickelte Charaktere
verleiht, die nach von keiner Kunst und Poesie zu über-
sehenden natttrlichen und unwandelbaren Gesetzen keinen
Charakter haben können. Hiemach wird man meinem
Urtheil keinen falschen Maszstab unterlegen, wenn ich
die Charakterdarstellung in den uns beschäftigenden Ho-
manen des XVIi. Jahrhunderts als äuszerst schwach und
s
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— 223 —
jnisilmigen bezeichne. Auch dieser Mangel ninunty je
nfther die Gattnng^ ihrem Höhepunkte in dieser Epoche
kommt, nicht ab, sondern zu. Bei Zesen finden sich mehr
oder minder gute Ansätze, in der Assenat sogar mehr als
Ansitze zn einer Kunst der GharakterdarsteUung, bei den
anderen kaum das Bewusztsein von ihrer Nothwendigkeit,
wenn man auch zugestehen musz, dasz Anton Ulrich und
Ziegler in dieser Hinsicht etwas mehr leisten als Buch-
holtz nnd Lohenstein. Allerdings kann man unter der
Kunst der Charakterzeichnung im Roman verschiedenes
vei-steheu, wenigsleus hat man darunter z. B. die rein
logische Consequenz verstanden. Um diese zu wahren,
darf eine Bomanfigur sich nicht so aufffthren» dasz ihr
Betragen der schulrichtig gebildeten Definition einer ihi*
einmal beigelegten moralischen Eigenschaft widersi)richt.
Dies leisten Buchholtz, Ziegler und Lohenstein allerdings,
die Bösewichter wie auch die Tugendhelden handeln mit
erstaunlicher Genauigkeit nach ihrer Instruction. Aber
meines Erachtens kann man grade aus den Romanen je-
ner Männer sehr leicht lernen, dasz in dieser abstracten
Folgerichtigkeit die Kunst der Gharakterzeiehnung ganz
und gar nicht besteht. Denn abgesehen davon, dasz in
4er Wirklichkeit die Menschen weder so bdse und so gut
aindy wie sie von ihnen dargestellt werden, noch Über-
haupt in gute und böse Menschen zerfallen, so fehlt den
Verfassern der heroisch-galanten Romane die Jb'äliigkeit,
ihre Charaktere als lebenswahre und wirkliche darzustellen^
weil ihnen die Einsicht fehlt, dasz dies nöthig sei, und
weil sie glauben, man könne das Leben schildern, ohne
es aus eigener Erfahrung zu kennen, oder man könne w e-
nigstens ein solches Leben schildern, welches man nicht
kennt Es war wohl zum grOszten Theile die Blindheit
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— 224 —
des Gelehrtendünkels, welche einen Lohenstein und Bach-
holts annehmen liesz, man brauche za einem Bomane nu*
einen Stoff aus der Geschichte und antiquarische Kennt-
nisse zur Beschreibung von Zuständen der Epoche, in der
die £rzählnng; spielt, so wie sonstige Gelehrsamkeit snr
gelegentlichen Belehrung der Leser, was aber anszerden
an i^ersonen und an Zügen der gegebenen Personen noch
nötliig zei, das könne man einfach nach den in der Schule
gelernten Kegeln der Bhetorik und Logik erdichten. Bei
Lohenstem zeigt sich dieser Fehler am grellsten. Mftssen
nicht die Füi-sten und Prinzessinnen im Arniiniiis die
Collectaneen ihres Schöpfers gradezu auswendig gelernt
haben, um sie in ihren Unterhaltungen nuyerdant wieder
von sich zu geben? Zu dem Verffthrungsplane, den Sen-
tia gegen Bojacal schmiedet, musz sie eine Disposition am
Schreibtisch gemacht haben, und bei jeder Gelegenheit
kann man ünmer wieder sehen, dass Logik und Bhetorik
die Personen nicht allein bei ihren Worten, sondern auch
bei ihren Handlungen leiten, so deutlich trägt alles den
Stempel des ohne Bttcksicht auf die Wirklichkeit £r«
dachten an sich. Wie unglaublich albmi ist die Schil«
derung der Lebensart und Lehrmethode Aristipps! Man
mag von Wielands Ariätipp sagen, was man will, man
wird gestehen mflssen, dasz sich an der Auifossung die-
ses Mannes bei Lohenstdn und bei Wieland der ganse
Fortschritt eines Jahrhunderts trefilich exemplificiren läszt
Wie lächerlich wird es, wenn Lohenstein die Personen,
die er durdi haarsträubende Schicksale in den höchsten
Affect zu bringen weisz, so reden läszt, wie nur ein ge-
lehrter Pedant — niclit etwa ex tempore reden, nein
höchstais in seinem Studierzimmer schreiben kann!
Wenn man femer auch die Fähigkeit, die eigene
I
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— 825 —
sitüiche Weltanschaanngr in den Charakteren, die handelnd
anftreten, zur Geltung zu bringen, zu der Kunst der
Cliarakterzeichnung rechnen musz, der Inhalt der eigenen
sittlichen Weltanachannng des Yer&ssers dagegen an sich
noch nicht diese Fähigkeit begründet, obwohl bedingt, so
wird man auch von diesem Gesichtspunkte aus sehr bald
sehen, wo es den Koryphäen des heroisch-galanten Ro-
mans fehlt Weniger meines Erachtens an einer ausge-
prägten sittlichen Weltanschauung selber, denn davon geben
sie genug Beweise, sie zeigen groszen Abscheu gegen
das Schlechte nnd Anerkennung für das Gute, sie loben
die gnten nnd fh»mmen Menschen nnd verdammen die
bösen und gottlosen. Vaterlandsliebe, Treue, (Trusznuith,
Standhaftigkeit, Keuschlieit werden gepriesen, die entge-
genstehenden Fehler und Laster mit den schwärzesten
Farben gemalt, aber sie wissen weder wirkliche Menschen
mit solchen sittlichen Qualitäten zu schildern, noch zu
zeigen, welcherlei Ursachen sie ei'zeugen und welche Fol-
gen sie im wirklichen Leben nach sich ziehen. Einen
klaren Begriff von den sittlichen Regeln, welche ihnen
durch Erziehung und Unterricht beigebracht waren,
mochten Lohenstein nnd seine Fachgenossen haben, Ein-
sicht in die Znsammenhänge der sittlichen Erscheinungen
des menschlichen Lebens hatten sie nicht. Sie haben,
kann man zusammenfassend sagen, an ihren Romanfiguren
alles das gut gemacht» was sich durch Gelehrsamkeit und
Nachdenken eines Gelehrten machen läszt» und damit läszt
sich erreichen, dasz die einzelnen Charaktere nicht sich
selbst widersprechen und dasz die verschiedenen Charak-
tere auch verschiedene abstracte Gnindeigenschaften zei-
gen. Was ein guter Geschmack und feiner Schönheits-
sinn dazu thun musz, ist schon in sehr beschränktem Masze
15
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226 —
zu finden, die Tugend tritt pedantisch oder übermensch-
lich, das Laster yiehisch an! Was endlich zur Chank-
terdarstelliing die Kenntnisz der mensdilichen Natur und
des menschlichen Lebens, durch eigene, unmittelbare Er-
fahi'uug erworben, zu liefern hat, darin sind die Leistun-
gen der Blftthezeit unserer Gattung im XVII. Jahrhnn*
dert gradezu kläglich, und hiernach zieht sich die Summe
des poetischen Unwerthes ihrer Menschenschildeiiing von
selbst.
Wenn ich schliesslich den Erörterungen tber diesen
Punkt hinzufüge, dasz ich den Maszstab der BeutheOung
aus den Werken der Komanschriftsieller nehme, welche all-
gemein als die bedeutendsten Meister ihrer Art anerkannt
werden, ans einem Genrantes, Fielding, GOthe, anf die ich
jeden Gebildeten verweisen kann, so darf mir, dünkt mich,
nicht eingewendet werden, dasz ich einen modernen und
als solchen unzulässigen Maszstab anl^e, denn es ist ge-
nau derselbe, nach welchem gemessen Grimmelshausen, der
Zeitgenosse aller der eben in Kede stehenden Männer,
als ein vortreflflicher und einsichtsvoller Künstler erscheint.
Doch ist hier auf das sehr lehrreiche Yerh<nisz Grim-
melshausens zu den heroisch-galanten Bomanschreibem
nicht weiter einzugehen, wir weisen bei der Betrachtung
dieses einzigen Dichters unserer Gattung, dessen Werke
den literarischen Modegeschmack überdanert hab^ noch
anf seinen groszen Unterschied von den jetzt uns beschftf-
tigenden Fachgenossen zurückkommen. Um diesen in
keiner Beziehung zu nahe zu treten, sei in Bezug auf
ihre schon gewürdigten sittlichen Grundsätze noch be-
merkt, dasz, wie Cholevius mit Recht hervorgehoben hat,
in dieser Hinsicht ein gioszer Fortschritt von den Ama-
disen zn unsem heroisch-galanten Bomanen vorhanden ist
1
Man kann anerkennen, dasz die Verfasser derselben ahn-
Uak, dass ein tiefes Interesse an den Personen nnd Be*
gebenheiten eines Romans nnr ein sittliches sein kann,
dasz sie es versucht haben, das sittliche Intei-esse im Ro-
man znr Gkltnng am bringen und dasz sie in dieser Hin-
Bickt zwisdien den Bitterbttchem nnd Amadisoi einerseits
und den wirklich sittliches Leben und Charaktere schil-
dernden Romanen, die im XVIII. Jahrhundert, besonders in
England, eine gl&nzende Blftthe eireicben, eine mittlere
Stellung einnehmen. Weiter aber kann die Anerkennung
nicht gehen, denn eine künstlerische Verarbeitung ihrer
sittlichen Weltansicht und eine Enegung des sittlichen
Interesses mit poetischen Mitteln haben sie weder erreicht
noch anch nnr yersnebt
Ehe wir unser eigenes Urtheil über den schriftstelle-
rischen und poetischen Werth der heroisch-galanten Ro-
mane gnsammenfassen, bleibt nns nun noch ein Haupt-
punkt zu erörtern, der zugleich fftr die Eikenntnisz der
charakteriöii-ten Gattungsmerkmale von Wichtigkeit ist
Die heroisch-galanten und Schäfer-Romane lehnen es
formell und ausdrücklich ab, sich auf den Boden der Ge-
genwart und der Wirkliehkeit der Zeit ihrer Verfasser zu
stellen, aber es darf nicht übersehen werden, dasz diese
Ablehnung üch erst im Verlaufe der Entwickelung zu
fmm. wesentlichen Merkmale herausbildet Zesens Kose-
mund ist, wie überhaupt der deutlichste Beweis, dasz der
Kunstroman sich in Deutschland erst zu entwickeln hatte,
in dieser Beziehung eine Ausnahme, anch an Lysan-
der und Oalliste ist zu erinnern, erst aUmfthlich Idst sieh
die heroisch-galante Gattung von den galanten und In-
trikengescliichten ab, welche letzteren, sich später mit ko-
mischen Elementen verbindend, ein fianptbestandtheil der
16*
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ordinären Bellettristik werden. Hiernach müszte es nahe-
liegen, den heroisch-galanten Komaneu als weseutlicbies
Merkmal einen historischen Charakter zuzuschreiben, ond
Cholevius hat sie auch historisch-galante oder Geschichts-
romane genannt. Mir schien diese Bezeichnung gkitli-
wohl bedenklich. Einerseits nämlich ist bei nns einmal
ein bestimmter Begriff von historischen Bomanen einge^
bürgert, und mit diesem haben die in Rede stehenden Ro-
mane des XVII. Jahrhunderts sehr wenig gemein, da Mrir
uns unter historischen Romanen nicht in erster linie die
Darstellung historischer Persönlichkeiten, noch weniger die
Daretellung historisch bedeutender Ereignisse, sondern die
Darstellung allgemein menschlichen Lebens und mensch-
licher Charaktere auf dem Hintergrunde von Zuständen
vergangener Zeiten denken, wenn wir anders unsem Be-
gritt' von historischen Romanen von den anerkannten
Meistern dieser Gattung abstralüren. Bei den heroisch^
galanten Romanen des XVII. Jahrhunderts treten aber am
meisten die Ereignisse und die historisch bedeutenden Per-
sönlichkeiten hervor, es werden aber nicht Ereignisse und
Personen einer bestimmten Zeit, sondern allei- Zeiten, nur
unter Namen einer bestimmten Zeit geschildert, und die
Darstellung von Zuständen vergangener Zeiten bei be-
stimmten Völkern, deren Treue und Anschaulichkeit ein
Haupterfordemisz des historischen Romans ist» fehlt ganz
und gar. Das Bild des gesellschaftlichen und bürgerlichen
Lebens, welches uns entgegentritt, ist das der Gegenwart
der Verfasser, aber ohne Anschaulichkeit und Interesse
an der Sache behandelt und durch ganz willkürliche Yer-
quickung mit phantastischem und gelehrte Kram zu ei«^
nem Zerrbilde ent.^tellt, ein mit unendlich gröszerem Auf-
wände von geistiger Arbeil hergestelltes, aber poetisch
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— 229 —
nicht viel werthvolleres Gregenbild der Schäferwelt in den
Pastoralen Romanen. Genan genommen mnsz man eine
solche Bebandinng historischen Stoffes, welche Personen,
EJreignisse und Ziistiiiide der verschiedensten Zeiten unter
den äuszeren Namen einer bestimmten entlegenen Zeit auf
eine so völlig methodelose Weise poetisch anschanlich zn
machen sacht, eine eminent nnhistorische nennen. Man
kann der Wahl der Zeiten und Schauplätze bei allen un-
seren Leuten nur negative oder rein äuszerliche Beweg-
grttnde zn Grande legen. Zesen wollte seine exquisite
äg}i)ti8che nnd orientalische Gelehrsamkeit anspacken und
hatte nebenbei die löbliche Absicht, durch die biblischen
Stoffe die Gattung zu veredeln, Buchholtz glaubte die
alte Zeit, wo das Ohristenthom mit dem Heidenthnm
kftmpfte und es sonst wacker drunter und drfiber ging,
zur Darstellung einer heroischen und zugleich christlichen
Erzählung, die dem Amadis an Heldenhaftigkeit der Person
das Gleichgewicht halten soUte, am geeignetsten, Lohen-
stein hatte ganz notorisch und Anton Ulrich höchst wahr-
scheinlich für ihre verkappten Personen alterthiimliche
Namen und Schaupl&tze nöthig, hei Lohenstein und Buch-
holtz mag der Patriotismus eine anerkennenswerthe Rolle
gespielt haben, aber alle haben jedenfalls das gemein, dasz
sie sich mit ihrer Phantasie aus der ihnen naheliegenden
Wirklichkeit flüchteten, weil sie sich, allerdings mit we-
nig klarem Bewusztsein von diesem Grunde, nicht fähig
fühlten, die Wirklichkeit überhaupt darzustellen, und weil
sie sich von ihrer Wirklichkeit, den Zuständen ihrer Zeit
und ihres Volkes, wenig befiiedigt lühlten. Was sie an
die Stelle derselben setzten, wurde schon angedeutet So
wenig wir ihnen den Widerwillen gegen das, was sie
seihst von politischem, gesellschaftlichem, sittlichem Leben
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erfiduren hatten, Terdeaken kllmieii, so nAtfirlich es uns
erscheint^ dasz einige in eine bessere Vorzeit unseres
Volks zuruckzagreifen versuchten, so entschieden müssen
wir diesen Yersnch als misglnngen beseiehnen, da wir gö-
ssen haben, dasK sie sich die darin liegende Aufgabe
gar nicht klar gemacht hatten. Ganz abgesehen von den
Ansprüchen, die wir an historische Eomane machen —
denn historische Bomane in nnaerem Sinne wollten sie
nieht schreiben — so lehren nns verschiedene Beiqnele,
von denen das Wielands herangezogen werden mag, dasz
eine ähnliche Angabe klar aulgefaszt and gelebt wer-
den
Doch fassen wir jetzt nnser ürtheO msammen. Es
wird nur dahin ausfallen können, dasz der heroisch-galante
Roman sammt seinem Anhängsel, dem Schäferromanei eine
literarische Gmppe ausmacht, weldie nicht lebenaffthig war
und deren Geltung ein baldiges Ende erreichen mnszte.
Zwar bedienten sich seine Vertreter einer au sich conecten
nnd im allgemeinen würdigen Sprache, aber weder
in Bezog anf den künstlerischen Ban ihrer Werke noch
auf die Darstellung der Charaktere und des menschlichen
Lebens entsprachen sie den Anforderungen, die an erzah-
lende Dichtnng^ gestellt werden müssen nnd immer ge-
atzt worden sind, die moralischen Ideen sind nnverarbeitet,
die Ausschmückung mit beschreibenden und belehrenden
Pai'tien ist duichaus unkünstlei^isch und wirkt dem poeti-
schen Eindrucke des Ganzen entgegen. Die Bemühnngen,
der dentschen Nationalliteratnr in dem heroisch-galanten
Roman eine Gattung von bleibendem Werthe, eine ent-
wickelongsfahige und anf künstlerischem Standpunkte ste-
hende Prosadichtong zu geben, erweisen sich anf dem Höhe-
punkte ihrer ftnszeren Eifolge als gänzlich miszlnngen. Es
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— 231 —
ist nicht unsere Angabe, za bestinimen, welche Mittel
hätten gewählt werden sotten, das schon yon Opitz an
durchaus mit Recht gefühlte Bedürfiiisz nach einer solchen
poetischen Gattung zu befriedigen, wir werden aber im
weiteren Yerfblg unserer Darstelliing zazeigen haben, wie die
hier verfehlte Aufgabe in anderer Fassung und mit ande-
ren Mitteln gelöst worden ist. Werfen wir noch einen
BUk auf die literarischen Zustände Frankreichs, so er-
scheint die Sachlage hier im Ganzen ebenso, nur wird
die Lebensuntähigkeit der Gattung eher erkannt. Genauer
besehen ist man aber in Frankreich niciit nur zeitlich eher
zn dieser Einsicht gelangt als in Deutschland, sondern
dort hat sich auch der heroisch-galante Roman nicht ganz
80 monströs und unglücklich entwickelt, weil schon in der
zweiten Hälfte des XVII. Jalirhunderts ein glänzender
Aufschwung des G^hmackes durch die Blüthe des Dra-
mas bewiikt wurde, wogegen Deutschland noch lange auf
das Erwachen gesunderen Schönheitssinnes zu warten hatte.
Kur Vorortheil kann verkennen, dasz die Franzosen einen
Lohenstein nicht gehabt haben, und auch das darf nicht
verschwiegen werden, dasz die sich in allen unseren he-
roisch-galanten liomanen kund gebende, selbst bei Zesen
und Anton Ulrich, die verhältniszmäszig davon am freiesten
sind, nicht ganz fehlende Neigung zum Gräszlichen und
Bestialischen sich bei den Franzosen nicht geltend macht.
Es ist bereits zu Gunsten des heroisch-galanten Romans
der letzteren bemerkt worden, dasz sich an ihn die Komane
der Lafayette und ähnliche organisch anschlieszen. Zu
Gunsten unserer deutschen Gattung läszt sich etwas der-
gleichen nicht sagen. Als sich in unserer Nation die Vor-
boten eines groszen dichterischen Aufschwunges zeigten,
war eine ganz andere Zeit, neue Ideen waren in das
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— 232 —
Centrum des geistigen Lebens der gebildeten Völker ge-
treten, die Stellung der verschiedenen Schichten der Ge-
sellschaft zur literarischen Prodnction war eine andere
geworden, man wollte gar nicht an Früheres anknüpfen,
wüi'de es nicht gethan haben, auch wenn das Yorliandene
besser gewesen wäre, nnd hat es in Gebieten nicht gethan,
wo Besseres vorlag. Von dem vielen aber, was das Xvm.
Jahi hundert im isouveränen Be\vu.<sztsein seiner (Genialität
unbesehen bei Seite schob, wai' der Kunsüomau des XVIL
Jahrhunderts dieser Behandlung am würdigsten.
Wenn wir mit den vorstehenden Erörterungen den
\ erjiut h gemacht haben, das zusammenzutai>sen, was wir
von unserem Standpunkte über die heroisch-galanten Ro-
mane zu sagen haben, so bleibt nun noch übrig, unsere
Aufinerksamkeit dem zuzuwenden, was die Zeitgenossen
der Verlasber daiüber uitheilten, wie weit ihre Meinungen
auseinandergingen, wie sich die allgemeine Werthschätzung
dieser Prosadichtnngen aUmfthlich änderte, in ihr G«gen*
theil umschlug, und von was für allgemeinen Zuständen
des literarischen Lebens und Veränderungen des Geschmackes
beides bedingt wurde. Während bei der Baaise die Zahl
der Ausgaben selber darauf hinweist, dasz das Buch ziem-
lich lange Zeit ein sehr begelirtes gewesen, so müssen
bei Lohensteins Arminlus und den Schriften Anton Ul-
richs und Buchholtzens der grosze Umfang und der infolge
dessen sehr hohe Preis berücksichtigt werden, auch schei-
nen die Auflagen sehr stark gewesen zu sein, denn noch
heutzutage ist wenigstens der Anninius keineswegs selten
in Bibliotheken zu treiTen und fllr einen mäszigen Preis
bei Antiquaren zu kaufen. Einen weiteren Beleg fikr die
Beliebtheit unserer Bücher und zugleich einen Fingerzeig
fttr die Art, in welcher sie ben&tzt wurden und was man
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— 233 —
in ihnen suchte, bieten solche Werke wie Männlings Ar-
minius enucleatus (Stargard und Leipz. 1708) and Lo-
hensteiniiis sententiosos (Brealau 1710), welche sich za dem
Arndniiis ebenso wie die ^Sehatzkammer'' znm Amadis
verhalten.*) Von der Banise findet sich eine Fortsetzung
von Hamann und Nachahmungen, die, erst in späterer Zeit
auftretend, g^ade beweisen, wie lange die nnyergleichliche
Prinzessin wenigstens bei einem Theile des Publicums
ihre Anziehungskraft zu äuszern vermochte.'-) Die „deut-
sche Banise" erschien Leipzig 1752. 8^ ihr folgten eine
„engelftndische Banise, Princessin von Sossex'' (von 0.
E. F. Frklt. u. Liiz. 1754. 8") und eine „ägyptische Ba-
nise" (von H. V. Justi. Frkft. u. Leipz. 1759. 8"), aber
weder die Fortsetzung noch die Abbilder verdienen, dasz
wir uns bei ihnen aufhalten.
Von der Menge von Romanen untergeordneterer Qua-
lität, welche doch ohne Zweifel zum groszen Theii von
diesen berühmtesten Vorbildern angeregt wurden, wird
weiter unten die Rede sein, hier mag nocli ein directes
Zeugnisz, und zwar das eines fanalischeu Gegners der
ganzen Bomanliteratur für die Ausbreitung der Roman-
lectflre und die Fruchtbarkeit der Schriftsteller in der
zweiten Hälfte des XVIT. Jahrliunderts einen Platz fin-
den. Der schweizerische Prediger Gotthai't Heidegger
sagt in semer in haarsträubendem Deutach geschriebenen
*) Das Yon JOrdens III, 450 enfShate Bach «Arminll glorwttr-
dige Heldenthaten. Lps. 1706. S^.* kenne Ich nicht
*) yergL ChdeTlns S. 158: «Joadilm Beccan benfltote den Ro-
man WBL einer Oper (1710L) Fridr. 'Wilh. Grimm dichtete Ihn hi ein
Tnnenpiel nm (1788). Koch bei (Goethe getiSrt der ^^yrann Chan-
mlgrem zu den Figoren, welche Wilhelm Meieter als Khid auf eeüier
icleinen Bühne auftreten liest.*
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— 234 —
Mythoscopia Roman tica*), auf die wir noch zarflckzukommeii
haben, Seite 12 ff. „Weil nicht zu hoffen steht, dasz die
Jenige, so in den Bomanen bewanderti und ihre beste Zeit
unter diesen Blftttern Terschamt haben, die SdiidUchkeit
derselben merken oder erklären werden: Wie auch die
jenige, so in einem übelriechenden Gemach lang gestecket^
dessen Stank letztlich weder zu fUhlen noch zu gestehen
pflegen; als wird sich endlich ein yemttnftiges Urtheil durch
die jenige finden kOnnen und sollen, welche suweil einen
Blick darein gethan, und wenigst nicht unwissend seyn,
nach was Tor einer Ellen sie alle ausgemacht seyn. Wer er-
fhhren will, was das Meer-Wasser vor einen Geschmack
hege, musz nidit eben das ganze austrinken, sondern kann
es aus etlich wenig Tropfen inne werden. So ist es mit
den Eomanten. Diese sind wirklich ein ohnendlich Meer
worden, und könnte man von ihnen sagen, was das Siuich-
wort von den Penglen meldet, wer sie aullesen wolle,
finde bald einen Arm voll: Wenn einQuartal verstreicht^
da nicht einer oder mehr Kornaus aus, und in die Catalo-
gos kommet, ist es so seltsam, als eine grosse Gesell-
schaft, da einer nicht Hans hiesse. Manchem ennanglet
nicht an einem Wandgesttll voller Romans, aber wol an
Bibel und Betbuch. Mann- und Frauen- Volk sitzt darü-
ber, als über £yem, Tsg und Nacht hinein. Einige thun
gar nichts anders: Man stOsst sie der Jugend gar frQh-
zeitig in die Hände. Die Kunst-Quelle aller Witz, Ar^
*) Uythofloopia BomAntte» oder Dtoooim Von den so beiMiiten
Romana, Du lit. Erdichteten Uebes- Helden* und BQrten-Qeeehlehten;
Von dero Uhnprong, Einrisse etc. Yerfuset Ton GotthArd Heidegger,
y. D. M. ZQriob, bey David Gessner. 1B98. 8°. Ich habe hier die
Orthographie und einige Kleinigkeiten des Stils geftndert, nm die
Stellen lesbarer in machen.
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— S36 —
tigkeit imd , Galanterie soll in den Bomanziaohen Alber-
täten stecken. Es seyn deren, die von dem Hercule und
Anuinio sa^n, wie Theodorus Gaza von dem Plutarcho:
Er ward befraget, wann er alle seine Bftcher den grttnen
Heringen nadia^den mHaste, weldiea er mletast hinein-
werfen wollte? den Plutarchum, sagte er."
Weit interessanter sind für uns zwei Artikel der be-
rtthmten nnd hochgeachteten Acta emditomm über Lo-
hfiDsteins Arminina.*) Damala gab es noch keine beson-
deren Journale für ästhetische Kritik der Bellettristik, und
ein deutscher Boman war für gewöhnlich aus solchen Zeit-
echiift^ wie die Acta eraditomm waren, gftnzlich ao^ge-
acfalOBsen, schon die Beq^redinng, welche der Aiminins
hier überhaupt fand, hob ihn hoch aus der Reihe von Sei-
nesgleichen heraus. Dasz er von Gelehrten und Gelehrten
gegenüber — denn nur an solche wendeten sich die Acta —
ftberhanpt erwfthnt wnrde, war eine in ihrer Art einsige
Auszeichnung. In mustergültigem Latein nnd in schönen,
hochtrabenden und stilübungsmäszigen Plirasen besprechen
die Acta vom Mai 1689 und Juni 1690 den Arminius.
9 Aere perenniiis monunentnm admirando ntaqne hoc opere
patriae snae ezcitarit,** heiszt es pag. 287 des Jahrgangs
1689 von Lohenstein, und in dem Tone ist die ganze
Beui'theiluag gehalten — wenn wir anders hier voneinei*
Benrtheilnng sprechen kOnnen, denn die Gesichtspunkte,
die wir'' bei einem Ästhetischen Kritiker imserer Zeit
für eine Romankritik voraussetzen, hatte der Recensent
ganz und gar nicht. Dieser Umstand wird aber gerade
QefaAuer bemerkt in Mi&er Vorrede znr II. Ausj^abe S. XIX.
.Diejenig^en, welche in dem gemeinen Wesen der Gelelirsamkeit da-
mahls das Richter-Amt geführet, haben ein so herrliches als nnpar-
theyLsches Urtheil davon geftllet.*
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336
dadurch interessant, dasz er uns Fingmeige giebt. was
man (lainal.s von einem Roman verlangte. Zuerst wird
Lohenstein gelobt, dasz er den deutschen Helden Arminins
Terherrlicht habe, also streng genommen schon ein Lob,
welches mit dem poetischen Gehalt der Dichtung in kei-
nem Verhältnisse steht, da das Werk an sich dabei so
erbärmlich sein konnte, wie nur immer möglich. £s
scheint in der That, als wenn den mhmwttrdigen Chems-
kerfürsten, dessen deutschen Namen wir gar nicht einmal
wissen, das Schicksal verfolgte, dasz die zu seiner Ver-
herrlichung gemachten poetischen Anstrengungen bezüg-
lich ihres £rfolges in argem Contrast gegen seine kriege-
rischen Leistungen stehen. Doch das wnszte Lohmusteina
Kritiker so wenig wie der Dichter. Ueber das Tomehmste
Lob aber, welches dieser von jenem erhält, dürfen wir
nicht nur eben dies sagen, dasz es mit dem poetischen
Werthe des Werkes nicht zusammenhänge, sondeni dieses
Lob wflrde nns gradeznein Tadel sein und zwar wesentlich
mit dem Tadel, den wir hauptsächlich ge^^en Lohenstein
erhoben haben, übereinstimmen, obwohl es der Kritiker
mit der AllongenperAcke im feierlichsten Emst ausspricht
Es besteht nämlich nach ihm die Haupttugend des Armi-
nins kurz gefaszt darin, dasz in ihm res omnes et noyinnUae
aiiae zu ünden seien. £s wird — einen schlagenderen
G^ensalas zn unseren Anschanongen kann es wohl nicht
geben — nicht etwa anf einige gut dnrchgefllfirte Cha-
raktere oder auf lebhatte und plastische Schilderungen
oder auf die Anlage und Oekonomie des Ganzen hinge-
wiesen, sondeni yon besonders henrorragenden Einzelheiteii
wird nnr henrorgehoben, dasz man im zweiten Bache
anszer über alles Mögliche aus der Geschichte und Geo-
graphie lesen könne über den Unterschied zwischen Ur-
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— 237 —
Sachen und Vorwändeu zum Kiiege, über den Adel, über
Steaem, über das Unglück wackerer Männer, über das
ScMcksal, ttber das GlAdc und die Willensfreiheity im
dritten Bncbe Über die Naturgesetze und die Grundsätze
der Vernunft und über die Schutzgeister (de ^reniis), wei-
terhin über die Amazonen, die Sirenen, die Träume^ die
UnTerletzlicbkeit der Gesandten, über die Kirchentrennung.
des XYI. Jahrhunderts, die Pariser Bluthochzeit, Uber den
Ursprung der Quellen, über die Selbsterkenntnisz, über
die Aloe. Da die Wichtigkeit dieser Stelle in dem Grade
beruht, in welchem sie uns den „curiofien** Geschmack des
Xyn. Jahrhunderts yergegenwärtigt, so sei hier daran
erinnert, dasz der Keferent noch tausend andere Dinge,
die iu dem endlosen, mit dem Plaue und der Handlung
des Bomans schlechthin auszer Zusammenhang bleibenden
Gesprächen vorkommen, hätte anführen können, und ich
will auch bemerken, dasz ich die aufgezählten Materien,
ohne etwas auszulassen und genau in ihrer Keihenlblge
anfgefuhit habe, um zu zeigen, dasz der Kritiker an die-
ser bunten, zusammenhanglosen Masse nicht den geringsten
Anstosz nahm.
Nicht uninteressant, wenn auch, wie bereits bemerkt
wurde, mit einigen Einschi'änkungen besser begründet, ist
auch das Lob, welches in dem zweiten Artikel dem Stile
Lohensteins zu Theil wirl „Nam quod aliqui in adji-
ciendo suo calculo tardiores visi fuerint, quia ad consue-
tas fabulai'um romanensiom i*egulas opus istud fabrefactum
esse non ubique appareat, scire illos oportet, quod quemad-
modum Arminius, dum in vivis degeret, in supremo He-
roum fastigio constitit, ita nihil sit mirum, nobilissimum
Lohensteinium, et ipsum iuter eruditos heroem, de ejus
Tita rebttsque gestis commentatumm, heroicum prorsua
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— 238 —
scribendi geniu», & vulgari ratione ablndens, et nollis legi-
bus adstrictnm, aectatnm Msse: cmn inter alia et hoc
habeaat heroea, at ad commimem mensunun adgi ae et
aestimari non patiantur, et nemo conqueri juie de hospite
habeat, qui ipsom delicatioribus paulo et rarioribus cu-
pediia in conyiTio exceperit, quod vnlgariiun dboram appa*
rata inatrui aüaa saltran mens ent,^ Mit einer gewis-
sen Classe lobender Auslassungen von Zeitgenossen haben
wir uns nicht weiter abzugeben, nämlich mit den sehr
zahkeichen aber meist vollkonunen nichtigen und nichts-
sagenden Lobgedicbten, weldie den Yerfiuseni schon am
Eingange ihrer Werke von guten Freunden nnd GH^nnem
oder Begönnerten, Vereinsgenossen, Collegen u. s. w. ge-
widmet wurden. Ihnen schlieszen sich noch eine Menge
Ton, wenn nicht poetischen, so doch prosaischen Stilftbnn-
gen über den Nutzen der Romane Ar die Jugend, von
der groszen Gelelirsamkeit, der praktischen Weltweisheit
und Staatäklugheit dieser „G^chichts gedichte und Gre-
dicht geschichten** an. Es war einmal Sitte der guten
alten Zeit, dasz man damals, warn man ein Buch, na-
mentlich eins, mit dem in der Hand man den Weg auf
den Pamass glaubte antreten zu dürfen, verfaszt hatte,
bei seinen Freunden encomia sammelte und diese yor-
drucken liesz, jemehr desto besser, die Titel der Freunde
kamen aubtuluiicli darunter, eine liochgestellte Persönlich-
keit ward als Göimer gewählt, um ihr das Werk zu de-
diciren, und so hatte dann die Sache ein Ansehn.*)
') I>em «rat«ii Theil des Amünins geht Oranna 1) ein Gedidbt
unter dem Bildniss de« VeiilMBen. 2) das Widnumgsblttt an Fitodrloli
IIL T. Bnndenbnig. S) die Dedicationaepistel an denselben t. dem
Sohne des Yeiftssets. 4) Vorhericht an den Leser. 5) Ehren Ge-
tichte In 80 aeehssefligen Strophen Ton Hansa Aasmann von Ahscfaata.
6) ein anderes Efaren*Getichte von Haanaa Gasper von Lolienstein,
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239 —
Von anderen anerkennenden Besprechnngen der lie-
foiseh-galanten Bomane, welche an sich mehr Beachtung
verdienen, weil sie, nach dem Masze ihrer Zeit gemessen
wenigstens, mehi' auf die Sache selbei* eingehen, findet man
in Gebauers Vorrede zur zweiten Ausgabe des Anninius
die besten Nachweisungen und Excerpte. Da sie wenig
Neues über die Aufnalime der Werke von Seiten der
Zeitgenossen beitragen, haben wir auf Einzelnes füglich
nicht einzugehen. Ueberau dieselben moralischen und
praktischen Gesichtspunkte, die gftnstige Au&ahme der
belehrenden Abschnitte, die Auffassung der Bomanschrifb-
stellerei wie der Poesie überhaui)t als einer anständigen
Ausfüllung der Muszestunden u. s. w. Der bedeutendste
Kenner und gewichtigste Yertheidiger dieser Literatur
war der wackere und yerstftndige Christian Themas, wel*
eher den Romanen des In- und Auslandes in seinen Mo-
natsgesprächen''^) (1688) und FreymüthigenGedancken(1690)
dem Bruder des Verl 7) VbnteUwig des Kapito-Tltab in eineni Uui-
Gedieht TonChxiBtin Qrypliliie. 8) Ein «weites Gedieht «Ueberdss
BUdnOs Hemi D.GL t.L. Knnmdora (Balthasar gindermanns) Uar
gldekselige Nisette (1660)» hat folgenden YortnO». 1) Widnrangsblatt
an Kaiser Leopold. 2) Wldmongsgedicht des Yei&ssen as denselben.
Zuschrift des Verf. an die Edlen und Hochberühmten Herren Cte*
aellschafter des Hochlüblichen £lbiani8cheu Schwanen-Ordens. 4) Ehreft-
gedicht von David Cichorius J. U. B. (Bürgermeister in Brandenburg
u. 8. w.) 5) Erklärang des ersten Kupffer- oder Titul-Blättleins, tob
Kindeniianns Aratsbruder M. Chr. Fr. Khroa, der Saldrischen Schu-
len in Br. Bector. 6) Ein Gedicht von M. Zacharias Cichorius (Wit-
tenberg.) 7) ein dto von Johan George Möller, Kays, gekrönt.
Poet. Geaellschafter des Schwanenordens (Thromylas). 8) Gedicht „Ueber
die sinnreiche all-verfertigte Unglückselige Nisette" von J. Praetorius
von Zittau, Käys. Gekr. Poet., und Gesellsch. des hochl. Elbianl-
aclieu Schwanen-Ordens, (Prophulidor.) Solche nichtige Aeuszerlich-
kelten kennzeichnen den Geist einer Zeit, die an ihnen hing.
Auch in Tenzels Monatlichen Unterredungen 1689 ff. wird
▼ielfkdk in dem beseidmeten Sinne Ton Romanen geredet.
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- 240 —
längere Besprechungen widmet Der literarhistorisdie
Werth derselben wird aber dadurch ein geringerer, dass
auch Thomas, wie seine Zeitgenossen, nicht im Stande
oder nicht Willens war, seine Aufoi*derangen vom Ge-
sichtspunkte des Geschmackes und poetischen Werthes ans
zu stellen. So gelangte er zu einer unbilligen Unter-
Schätzung der älteren Prosadichtung und konnte auch Ze-
sen nicht Yoruitheilsfrei betrachten. Seine Auseinander-
setzungen sind geleitet von zwei Hauptgedanken, dem be-
kannten miscere utile dulci, und dem Nutzen der deutschen
Sprachbildung, der ilm treÖ'end bemerken läi>2t, „da^ man
nichts nützlicheres und zugleich anmuthigeres schreiben
könne, als wenn man in teutscher Spradie ehrliche lie-
bes-Geschichten nach dem Cluster etlicher diszfals berühm-
ter Komane'") beschriebe. Es ist selbstvei-ständlich, daüz
bei diesem Standpunkte der Arminius sehr gut wegkommen
muflzte.
Wenn nunmehr die Frage nach der Zeitdauer der
Geltung und Beliebtheit der Komane von solchem Ge-
schmack, wie ihn die bisher besprochenen Hauptvertreter
in deutlich ausgeprägter Weise aufzeigen, eine Frage, die
sich von der nach den Gründen ihres allmählichen oder
plötzlichen Sinkens in der Gunst des Publicums nicht wohl
trennen läszt, an uns herantritt, so ist zuvörderst darauf
hinzuweisen, dasz wir einerseits es hier mit ausdiück-
lichen UrtUeilen, andererseits mit literaimhen Thatsachen,
welche uns zur Bestimmung der in dem Zeitgeschmacke
eingetretenen Verftnderungen helfen, zu thun haben.
Eine nicht zeitliche, sondern sachliche Schranke der
allgemeinen Beliebtheit des heroisch-galanten Kunstromauä
des XVII. Jahrhunderts stellt Heideggers Gegnerschaft
>) Houats-Gespr. 1668. I. 42 ff.
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— 241 —
dar. Seine Urtheile können allerdings genau genommen
TO nichts weiter dienen, als danralegen, wie damals bei
einem Theile des deutschen Publicums die Romaiiliteratiir
Ablehnung und Miszfallen fand. Wii* werden nicht irre
gehen, wenn wir als die Majorität dieses Theils ans die
strenggesinnten protestantischen Kreise denken, und an*>
ter diesen standen wieder die pietistischen voran. Was
von dieser Seite gegen die Romane vorgebracht wuide,
tritt ganz auf eine Linie mit den grade gegen Ende des
Xyn. und gegen An&ng des XVIII. Jahrhunderts am
heftigsten auftretenden Verlolgungen des Theaters durch
die eifrige Geistlichkeit in Deutschland und mit der nur
dem Grade nach stärkeren Bekämpfung des Theaters
durch die engUschen Puritaner^ und wir hahen zu beach-
ten, dasz es sich hier nicht um eine Kritik ästhetischer
Fehler, sondern um eine Verwerfung der ganzen Roman-
literatur aus moralischen und dogmatischen Gründen han-
delt, nur nebenbei werden auch Geschmacksfehler und
Absonderlichkeiten des Stils gerügt Eine Kritik, die
von dem Wunsche ausgelit, eine charakteristische, sich
besondei^ geltend machende Erscheinung ihrer Zeit
ganz au%ehoben, nicht etwa veredelt zu sehen, wird zwar
dnerseits diese Erschemung, wenn sie wirklich in dem
geistigen Leben der Zeit wurzelt, in ihrer Entwickelung
nicht auihalten, aber ebensowenig auf diese irgend-
wie positiv einwirken kOnnen« Nebenbei sei übri-
gens bemerkt, dasz man in maachea sindfisch katholischen
Kreisen, wenn auch Possevinus auf den Araadis sehr los-
gezogen war, dennoch im Ganzen gegen das Komaniesen
weniger gehabt lu haben schänL Denn man las die Bo-
mane, sogar recht eüHg, in den Klöstern, was wahrzu-
nehmen mich mehrfach der Umstand veranlaszt hat, dasz
16
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— 242 —
der gröszte Tlieil der in der Königl. Bibliothek zu Bi-es-
lan zahlreich vorhandenen Bücher dieser Art ans schle-
sischen Klosterbibliotheken stammt, in denen man aadi
mit dem Ankauf von Werken protestantischer Verfiisser
höchst unbefangen sich verhielt. So liegen mir vor ein
Simson ans dem St-Yincenzstifte, ein Herkules aus dm
St Dorotheenkloster, ein HerkaUskas, der einem Prae-
monstratenser-Chorherm gehört hat, eine Octavia ans der
Bibliothek des Älinoritenklosters zu Ober-Glogau u. s. w.
Doch am auf Heidegger, dessen 223 Octavseiten um-
fiissende Anklageschrift immerhin einige Anfinerksamkeit
▼erdient, noch einmal znrttckznkommen, so haben wir schon
oben gesehen, dasz er sich ziemlich sophistisch selber über-
redet, Din^e verdammen zu dürfen, von denen er nur
oberflächlich Kenntnisz genommen. Sein Standpunkt, den
er mit einer grossen Menge von Gleichgesinnten theilen
mochte, giebt sich noch deutlicher in den fanatischen Wor-
ten seiner Vorrede kund: „Die Bomans mögen zuschanden
gehen, durch was Wege sie wollen, wenn sie nur zu-
schanden gehen; Ich werde es zu ertragen wissen, wenn
dieser mein Tractat darum von kurzem Leben sevn wiid,
weil die heillose Materie, so ihn veranlaszt, selbst in
billige Vergessenheit gekommen: Ich werde erfreut lebeOi
wenn mein Papier zu Pfeffer^H&nseln, und Tabacc-fidibus
wird, so nur die heillose Romans diesen, ihnen allein an-
stehenden, Dienst zuerst vertreten." Diesem entspricht
der Ton, in welchem das Uebrige gehalten ist, und die
Gründe,, welche gegen die Teufelsbikcher vorgebracht wer-
den. Die Blindheit des Eifers, in dm sich Heidegger
hineinredet, wirkt besonders komisch, wo er im \'orbe-
richt sich über das, was Anton Ulrich vom Melchisedek
erdichtet hat^ heftig erzürnt und sagt, die h. Schrift wisse
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Ton Melchisedeks Vater, Mutter und GeschleditBregistem
xa Ehren des Hohenpriesters Jesu Christi nichts, aber,
wie ihn eine gelelirte Hand versichert habe, wisse die
Aramena das alles und noch mehr, abgesehen davon, dasz
sie insgemein eine nnerträgüche Beschimpfung und „Be-
schmeisBimg'' der Mosaischen Historien in sich begreife,
was man auch von Zesens meisten Romanen und vielen
andern mit Fug sagen könne.
Biese Auslassang ist darum so lächerlich, weil keine
biblische Person von uralter Zeit hei* mehr Gelegenheit
zu theologischen und mystischen Erdichtungen gegeben
hat, als grade der alte Melchisedek, welcher den Erz-
vater Abraham zu rechter Zeit mit Lebensmitteln unter-
attitzt und ihn priesterlich segnend begrOszt hat
Von etwas besserer Qualität sind einige gelegent-
liche Bemerkungen über den Stil, in denen sich — abge-
sehen von dem Umstände, dasz der Stil eines Zieglei* und
Lohenstein gegen Heideggers Sprachmengerei und äuszerste
Ungewandtheit immer noch classisch ist — ziemlich ge-
sunde Bemerkungen linden. „Wenn aber die vielfaltige
Gottlosigkeit, so sich dabey beÜudet, unsre heutige esprits
forte,') nicht hindert, so nimmt mich nur Wunder, wie sie
es machen, dasz sie die schillerische, weibische Alamo-
deny der AVorte und des Styli, so durchgehend« in den Ro-
manen zischet und rauschet, vertragen und verdauen
JLOnnen? Ob sie so thöricht seyon können, dasz sie ver^
meinen, die Bede habe andre Zierrathen, als yerständliche
Plfissigkeit? Was könnte abscheulicher lauten, als theils
*) Das zeitige Vorkommen dieses Ausdruckes dürfte bef^onders
zu bemerken sein. — Eine liübsche Parodie auf die abgeschmackte
Darstellung Heideggers (vou Gundling) ist in Gtebaners Vorrede cor
n. Aufl. des Arminiiu 8. XXVI t abgedmckt
le*
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— 244 —
Teatsehe Eoman, da (zum Exempel) einer unter den
dichten Eid&ten die Sifli-lAoiiaende GMer anszdftbnet
Item, da man die Kleider arm, und die Bette reich madiet,
(wenn man schlafen geht:) Item, da die klare Darthuung
zu Tag stehet, (wenn eine Sach offenbar ist) Item, da
gar auviel yor-lnstige Beseigvng auf eine Fehl-lnst hin-
ansz lanffb und dergleichen halbzanherisch lautende Re-
densarten mehr: u. s. w."
Als Beleg der allgemein verbreiteten Auflassung der
Bomane als verlarvter Wirklichkeit sei noch eine Stelle
aof Seite 65 erwfihnt, zumal da sie grade die dieses Punk-
tes vejren öfter in Frage gekommenen Schriften Anton
Ulrichs berülirt. „Bei mir waltet kein Zweifel," beiszt
es hier, „es haben sehr viel der Boman-Schreiber unter
fremden Larven ihre eigne Liebes-Sprftng aufgesetzt, um
mit Wiederholung derselben sich um etwa^? zu belustigen.
Der Autor der Aiamena mit seinen hin und wider ver-
steckten Weiber-Namen, Catharina, Kegina, Elisabetha*)
atc mag wissen ob dieses wahr ist?*^ Und eine Bemerkung
auf Seite 59 beweist, dasz wenigstens manche Zeitgenossen
Vitn der über die Schönheitslinie weit hinausgehenden
flbercomplicirten Architektonik unserer Eomane übel erbaut
wurden: Bomans, sie s^yen jetzt Hirten-, Helden- oda>
Staats-Geechicfaten, haadehi hauptsächlich und meistentfaeüs
von der Liebe und Buhlerey. Nehmen ihnen ein Haupt-
Paar vor, dasz nach vielen Abenteuern und anderweitigen
JNachsteUuBgen endlich wisammen gerftth. Da giebet es
Tiel Episodia, oder ZwiseheBspielei die ineinander stecken
Wenn Heidegger Bich nicht Uos iN>n gelehrten Federn ftber
AntoB Uliiflh bitte berichten Immb, würde er geMben liaben, dm
dies die KftBien ym FUnttamea ilid, denen der Herzog seine Werbe
widmete.
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»
— 245 —
wie die Timicae eiuer Zwiebel, oder die Ptolemaeisdien
Sphaoae, oder die Ffefferhänsel eines MarktrSclireyerii,
oder die Rfider in einem Uhrwerk, bis Midlich dms die
Zeiger-.stangeu, oder das Schla^^werk erwischt. Hie*
bey haben sie einige souderbare Ee^elii, da^z der Leser
bey dem Au£ang mitten in die Geechicht kinein geführt
werde, dass die verwomie Brzflhlnngen sich selbst nach
und nach ohne Machinen anflOsen sollen, nec Dens inter-
Sit, nisi dignifs vindice nodus inciderit etc. . . . Dieses ist
der Zettel; der Eintrag ist bey den meisten von geringer
Yersehiedenheit, denn insgemein werden beschrieben
Schdnhdten, Ittsteme Bnmsten, Sehnnngen, Eifersnehten,
Rivalitäten oder (teutsch mit ihnen zureden,) Samtliutf-
nungen Liebes-Liste, ^acht- und Hinder-Thür oder f'enster-
Visiten, Kfisse, Umarmungen, Liebes-Ohnmachten, Buts-
werk, Hahnreyen, Bnhler-Trftmne, Gärten, Palläst, Lnst-
A\'iilder, Schildereyen, Götzen-Tempel, Musiken, Tänze,
Schau- und Ritter-Spiele, ihitfuluungen, Irr-reisen, Vei*-
zweiflnngen, begonnene oder vollbrachte Selbstmorde, Zwey-
kfimpfe, See-StQnne, G^angenschalten, Kriege, Blutbäder,
Verkleidungen, Helden, Heldinnen, A\'ahisagereyen, Bey-
lager, ivxönuugen, Feste, Triumphe etc., dieses alles be-
lichten die, so diese Bücher fleissig gelesen.**
Man nrasz gestehen, dasz diese Darlegung der au ei-
nem Romane gehörigen Requisiten und ihrer gewöhnlichen
oder modischen Anordnung ziemlich treffend gerathen ist.
Eine weitere Stelle wendet sich, während der Veifasser
sidi, vielleicht der bibüschen Titel wegen aus theologischem
Interesse, selbst am meisten mit Zesen beschäftigt au haben
scheint, gegen Lohenstein, und man sieht, dasz Heideggem
— wozu allerdings nicht viel gehört, dessen besondere
Sägenthämlichkeiten nieht entgangen sind. sei, heisot
Digitized by Google
— 246 —
es Seite 86 ff., durch das Bomanlesen noch niemand zum
Aristoteles, ausser mit emem Vorbachstaben, geworden,
man gewöhne sich dadurch einen schwtUstigen nnd kindisehmi
Stil an, zwei oder drei Gleichniszreden, ein buhlerisches
Brielconcept, närrische, ungereimte Hyperbeln, ausländische
Worte*), ein Dutzend erdichtete Namen, man lenie einen
jeden ohne Unterschied mit fürstlichen „Gomplement^*^
tractii*en, sich verkleiden und andere Eitelkeiten treiben.
Es sei «war eingewendet worden, dasz sich die jetzigen
Bomanschreiber beflissen, ihre Erzfthlnngen mit hochtra-
benden theologischen, moralischen und philosophischen
Discui^en auszustatten, eine „über die Maszeu nette Schreib-
art zn führen** und allerhand Onriositäten Torzutragen, be-
sonders sei dies an Lohenstein gelobt worden. Dessen
Arminius sei aber eben seiner Länge wegen zu verwerfen,
wenn überhaupt, könnten nur kurze üomane geduldet wer-
den. Es könne einer die Bibel mehrere Male durchlesen,
ehe er mit dem Arminius fertig werde. Er schütte dem
Leser den Kopf so voll, dasz andere Studien dadurch be-
nachtheiligt werden müszten. Lohemütein habe aus Misz-
verstand der Bomangesetze seine Erzfthlnngen so abscheu-
lich geviertheilt und an weit entlegene Orte verstreut,
dasz sie ohne Ermüdung des Gredächtnisses nicht übersehen
werden könnten. Diese Bemerkungen sind gewisz nicht
ohne Berechtigung, aber wie wenig Heidegger doch zum
Kritiker taugte, beweist er bald darauf, indem er dem
Stil Lohensteins vorwirft, er rieche zu sehr nach der
schlesischen Moudart nnd sei „ohnförmlich frech und ala-
modisch," und von Stnbenberg, Zesen nnd anderen meint,
sie hätten die durch ihre Vorfahien „glücklich polirte*^
*) Dies itt aUvrdings in Besag auf die von uns betrachteten
Hanptvertreter der Gattung eine gewlnealose Verieandiing.
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— 247 —
Sprache ihres majestätischen Ansehens beraubt und sie
auf ähnliche Weise yerdorben wie Heliodor und Tatius
die gTiechiscfae» Petroniiis, Apnicdiis nnd Capella die la-
teinische. Es sei licherlich, dasz man Lohenstein wegen
der durchaus gleichenden Redensart*) lobe, das sei eben
sein Fehler, dasz er alle Personen in gleichem Stile reden
lasse, seine DiBcnrse seien zwar sehr gelehrt, aber znm
Theil sehr nnntttz, nnd man habe dergleichen ans anderen
Büchern zu lernen, das Romanlesen führe in dieser Hin-
sicht nur zum ixagmentarischen Wissen, auch püegteu wohl
die richtigen Bomanleser solche belehrende Stäche zu
ftfierschlagen nnd nnr die Liebesgeschichte zn verfolgen. In
dieser Weise Richtiges mit Halbrichtigem und Falschem
vennengend, redet Heidegger noch eine Menge von Lo-
henstein, anch in einzelnen AussteUnngen an gelehrten
Notizen thnt er ihm gelegentlich Unrecht, z. B. höhnt er
darüber, dasz Zeno auf dem Kaukasus einen Regenbogen
unter sich soll gesehen haben, während otfeubare Unrich-
tigkeiten nnd Versehen des Polyhistors ihm entgangen
- sind.
Ich glaube, dasz das aus Heideggers Mythoscopia
Mitgetheilte und über diese Sclirift Gesagte dazu beitra-
gen wird, zu erklären, warum seine Stimme ziemlich un-
gehört yerhallte. Ein derartiger Angriff war in der That
nicht geeignet, in der Entwicklung des damaligen deut-
schen Romans eine Rolle zu spielen und irgend welche
Aenderungen im Geschmack hervorzubringen, wenn auch,
wie gezeigt worden ist, der Verfasser einige Hauptfehler
richtig zu bemerken im Stande war. Uebrigens mnsz
man sagen, dasz Heideggers Kritik auch von vornherein
*) YefgL die Allgemeinen Anmerkungen Thl. IV der ersten
Auflage cap. IL
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248 —
viel besser augelegt und viel besser ausgefiihrt hätte sein
küuneu, ohne docli iigend eine beaoudei'e Wirkung her-
vorznbringeiL Denn abgesehen Yon der eimaal dem aiito*
ritätsseligen Zeitalter feststehenden Autorit&t eines solchen
Mannes wie I.ohenstein, musz beachtet werden, dasz Hei-
deggers Einspruch von jenseitsi dei* südwestlichsten Grenze
Deatschlands sich hOren liesz, der Ansgangsponkt der Ii*
terarischen Gesainmtströmnng aber, die auch den heroisch-
galanten Kunstroman zu dem machte, was er war, die
nordöstlichen Gegenden waren. Ein rein änsaerücher Um-
stand, den man ab^ in jenen Zeiten nicht f&r nnbeden-
tend halten musz,*) während er freilich heutzuta^^r <:ar
nicht in Hechnung zu stellen wäre. Jedeul'alls müssen wir
uns aber hüten^ in Heideggers Auslassungen einen Beweis
daf&r zu finden, dasz die Geschmacksrichtung, weldie Ton
Luhenstein und Genossen darf!:estellt wird, bereits
damals wirklich angelaugeu habe iu Abgang zu kommen.
Noch weniger bedeutete die dem verstiegenen Süle und
der unwahrscheinlichen Phantastik der Romane von dem
ordinären Vielsclireiber Johann Huber, mit dem Schrift-
. stelleinamen Jan llebhu, auf den wir später zurückzu-
kommen haben, gemachte Opposition. Huber wollte» na-
mentlich in seinem Adimantus und Ormizella^ eine Sa-
tire auf die Romane liefern, aber seine Parodien der
schwülstigen Sprache sind schlechte Witze der ordinärsten
Sorte, seine karrikirte Phantastik trifft, obw<^ sie einig«
an sich nicht üble satirische Züge enthält, nicht die he-
roisch-galanten üomane, sondern den Amadis und die äl-
*) Beweise davon, wie stark die provinciale Eifenncht auf Ute*
rarische Beziehnngen wirkte, findet man in den Beytrftgen inr Crtt
Hist sehr zahlreich.
0. 0. 1678 und 1679.
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teren Ritterbücher. Auch trieb Huber sein Handwerk
vor dem Ersciieiaeu der Banise und des Amimus.
Da uns aber, um zu bestimmen, wie lange und in
welchem Umfange diese G^chmacksrichtung geherrscht
habe, nicht allein directe Zeugnisse, sondern auch lite-
rarische Thatsachen andrer Art dienen müssen, dürfen
wir uns hier wohl zunächst einige vorgi-eifende Andeu-
tungen erlauben, und wenigstens kurz darauf hinweisen
— was später auslührlicliei wird daigek-gt w erden —
dasz die Existenz und Beliebtheit der Simplicianischeu
Schrüten Grimmelshausens schon ein ziemlich ins Gewicht
fallendes Zeugnisz f&r das Vorhandensein eines andei*en
Geschmackes und von Leserkreisen mit durchaus ver-
schiedenen Anforderungen liefert. Ferner ist bekannt,
dasz Christian Weise in seinen Schriften, unter denen
sich ja auch weiter unten zu betrachtende Bomane be-
finden, dem tiberspannten und grellen Geschmacke der
zweiten Schlesischen Schule praktisch entgegentrat, indem er
einfach das entgegengesetzte Extrem, die äuszerste Nüch-
ternheit, zu seinem Grundsatz machte. Auch musz schon
hier bemerkt werden, dasz — abgesehen von der um die
Scheide der zwei Jahrhunderte auftauchenden der Quan-
tität nach ebenso bedeutenden wie der Qualität nach nich-
tigen ordinfiren Unterhaltungsbellettristik, welche sich theils
an die heroisch-galanten Bomane, theils an die ihnen ent-
gegengesetzten Erscheinungen anlehnt — die im Anfang des
XVlll. Jalirhunderts auf einen äuszeren Anstosz aber
zugleich auf Grund tiefer liegender b^ uns einheimischer
allgem^ner Stimmungen und Geistesregungen herein-
brechende Fluth der Robinsonaden grade dem Bedürf-
nisse nach Nahrung für die Phantasie, dem Weise gar
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— 250 —
nicht, also im Grunde eben nicht besi>er als Lohensteiu
und Genossen entg^en gekommen war, nun auf andere,
positirere und bessere Art entgegenkam.
Das Früheste, was an directer Kritik nnd zwar von
Kreisen, welche einen entscliiedenen Foi-tschritt in Sachen
der Poesie nnd des G^esdunackes anbahnten, gegen die
heroisch-galanten Romane als solche sich yemehm^ liesi,
war eine satirische Abhandlung Bodmers in den Dis-
coursen der Mahlern",*) welche der von uns schon im VIII.
Capitei kennen gelernten Stelle aus Boüeaos H^ros des
Romans so nnselbstfindig nachgeahmt ist, dasz wir ihre
Mittheilung hier füglich unterlassen dürfen. Buchholtzens^
Herkules und Lohensteins Arminius werden pranz
ebenso wie dort Cyroa yon Pluto nnd Diogenes behandelt.
Wir würden ohne Zweifel Bodmers satirischen Yer*
such überschätzen, wollten wir von ihm an den wirklichen
Umschlag der öfientlichen Meinung in den literarisch le-
bendigen Kreisen datiren. Hiergegen spricht schon zu
deutlich die zweite Ausgabe des Arminius und die erst
infolge derselben aufgegebene Absicht einer Anzahl von
Schweizern, zwei neue Auflagen zu veranstalten.^) Aber
das Schwanken der ITrtheile begann um diese Zeit allge-
meiner zu werden, und grade (iebauers Vorrede') liefert
hierzu genug Belege. £r muszte sich nachdrücklich ge-
gen solche vertheidigen, welche eine neue Ausgabe dea
Arminius fftr unnfitz hielten, er fand n9thig, zu erklftren^
dasz sich die von ihm unternommene Arbeit mit seiner
Stellung wohl vertrage, er sagt, dasz die Anzahl derer
nicht gering sei, weh^he' den Arminius von seiner Hfto
TheU III. S. 100 ff.
») Vgl. a 179 ff. Aiim.
*> s. rv. XX. XXV. xxxui. xliv.
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— 251 —
hemntef reiszen wollten, und druckt gegen sie eine lange
Stelle aus der von den Schweizern ausgegangenen Anffor^
demng zur Snbscription ab, fttlurt anch Thomas, Grondling
u. a. wider die Gegner ins Feld, verbreitet sich über die
Absicht und das Ziel Lohensteins^ aber man sieht, dasz
er yiel&ch gegen richtige Einwftnde zu kämpfen hat und
schlieszlich einige Fehler des Anninins zugeben mnsz.
1731 war die von Gebaner besorgte Ausgabe des
Amiinius erscliienen, 1733 eröffnete Gottsched, wel-
cher hierzu geeignet und berechtigt war, einen nach-
drftcklichen und wirksame AngrifGBkrieg gegen die he-^
roisch-gelanten Bomane, so dasz ihm das Hauptyerdienst
an der Beseitigung: des von ihnen vertretenen Geschmackes
zuzuschreiben ist. AVenn Gottscheds schulmeisterliche
Pedanterie und Nllchtemheit in anderer Beziehung hin-
dernd in die Entwidcelung unserer Literatur eingegriiFen
haben mag, so wart ii doch grade diese Eigensclialten dazu
ei f Ol derlick, um gegen die Maszlosigkeit und Vei-stiegen-
heit der zweiten schlesischen Schule, deren Charakter mit
der Entwickelung des heroisch-galanten Romans auf das
innigste zusammenliängt, und gegen die vielen Geschmack-
losigkeiten in dem Stil und dem Aufbau jeuer Dichtungen
anhaltend und mit allgemein verständlichen Gründen ein-
zuschreiten. Sein damals ungebrochenes Ansehen gab dem,
was er sagte, bei den Zeitgenossen, welche „galten Ge-
schmack" zeigen wollten, Anspruch auf Beachtung, die
methodische Gründlichkeit seines Verfahrens weckte das
Bewusztsein von der Nothw^digkeit eines verständigen
theoretischen Nachdenkens und einer von überlegten
Grundsätzen geleiteten Kunstübung in der schönen Li-
teratur, ein Bewusztsein, welches grade den hervonugenden
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poetischen Producenteu des XVil. Jahihundertä in holiem
Grade gemangelt hatte.
In den »Bejtrigen Zur Gntiscban Historie der Dent-
«chen Sprache, Poesie und Beredsamkeit» heraii«gegeben von
Einigen Mitgliedern der Deutschen Gesellschaft in Leipzig"
im sechsten Stück, Leipzig 1733 pag. 274 flf. findet sich eine
Besprechung der Asiatischen Banise, in der, was für un*
sere Betrachtung' interessant ist, beiläoflg gesagt wird,
dasz „seit der Zeit, dass er (Ziegler) sein Buch geschrie-
ben, in ganzen 45 Jahren, kein einziger Mensch sich da-
ran gemachet und ihm seine Fehler gewiesen** — ein Be-
weis, dasz Gottsched hier gegen ein schon lange 2«eit existi-
rendes und anerkanntennassen allgemeines Yorurthefl
auftrat.
Nachdem der Keferent den, wie wir gesehen, äuszerat
▼erwickelten Ghuig der Ereignisse in einem übersichtlichen
Auszüge angegeben, wül er „erstlich die Charactere de*
rer Personen, sodann die Fehler get^en die Wahrschein-
lichkeit, lüeruächst die übel angebrachte Person des Scau-
dors und endlich die schwülstige Schreihart hemerkeD.**
Ehe wir aber den Anfong dazn machen**, fihrt er fort,
„wird es nicht ujidienlich sein, auch den Titel und die
Vorrede des ganzen Werkes ein wenig zu beleuchten.
Diejenigen, so aus diesen änsserlichen Stüdcen den Ge-
schmack zu heoriheilfln pflegen, darinn ehi ganzes Buch
geschrieben ist, werden sich bey nnsei-er Banise nicht be-
trügen. Herr von Ziegler hat seinem Buche schon au der
6time die Merckmale seines Geeistes und seiner Zeiten ein-
geprftget Seine Banise heiszt die Asiatische, und zwar
Ton rechtowegen, denn sie ist eine Asiaterfn. Es scheint
aber nicht andei*s, als ob HeiT von Ziegler selbst auch
ganz asiatisch darüber geworden wäre. Seine Gedanken
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— 263 ~
Bnd Ausdräckangeu zum wenigsten sind so hochtrabend
und gekftnstelt; dasz man ihn eher Ar einen Pegnaner^
als fftr einen Meiszner erkennen sollte. Wie schOn klingt
nicht das blutige docli mntliipe Pegu? Dieser Scliellen-
klang ist eine sehr altvaterische Schönheit der ehrwür-
digen barbarischen Jahrhunderte, daTon vrir die Beste noch
hier nnd da wahrnehmen etc^ Hierauf tadelt Gk>tt8ched
sehr riditig- die Fassnng des Titels ..Herrn ,1. A. v. Z.
u. K. Asiat B. oder blutiges doch muthiges Pegu, in
historischer nnd mit dem Mantel einer Helden- nnd Lie-
besgeschichte bedeckten Wahiheit bemhende etc.. femer
den Eingang der Vorrede, da es heiszt „Endlich erkühnet
sich meine asiatische Banise, als eine unzeitige Frucht
seichter Lippen, anter der Presse hervonsuwagen, nnd auf
dem Schauplätze der schrift-eokeln Welt vorznstellen^, ein
Passus, der zu bezeichnend für den schwülstigen und dabei
gedankenhühlen Stil der Schule ist, als dasz ich ihn hätte
übergehen mögen, wie ich die anderen Ausstellungen, die
Gottsched in Betreff des Stiles macht, glaube übergehen
zu dürfen. Was gegen die Zeichnung der Charaktere
bemeikt wird, ist auch richtig, nämlich Ziegler habe ge-
gen die Regel gefehlt, dasz ein Komanschreiber die Perso-
nen nach ihnen Umst&nden recht yorstellen nnd ihnen nicht
solche Characteres beilegen soll, welche von der wahren Be-
schaffenheit derZeit, in welcher sie sich befinden, abweichen.
Wir würden dies etwa so ausdrüken: Ziegler habe nicht
daftbr gesorgt, dasz sich seine Personen den anf sie ein*
wirkenden ürostftnden nnd Ereignissen gemftsi benehmen.
Dies ist, wie gesagt, ein sehr richtiger Vorwarf, und es
ist meines Erachtens Gottsched zum Lobe anzoi^echnen,
dass er seinen Tadel nicht auch auf die Consequenz deir
Charaktere an sich selber ausdehnt') Was Gk»ttsched
») Vergl. & 22-2 flf.
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— 254 —
Fehler gegen die Wahrscheinlichkeit nennt, scheint mir
zun groszen Theil mit dem, was er g^n die Charakter-
schilderung vorbringt, zusammenzufallen, ist aber jeden-
falls auch richtig bemerkt, denn es giebt vieles iu der
Banise, was einen so staiken Glauben oder eine so Ik^
Anspannung der Phantasie yerlangt, dasz der Leser sich
durch die Zumuthung verletzt fühlen musz. Die Person
des Scandor ist dem Eecensenten wegen des zu derben
Hanswurstcharakters anst(}szig, doch möchte gegen Gott-
scheds darauf bezüglichen Tadel immerhin geltend gemacht
werden dürfen, dasz, wo alles sehr grell gemalt wird,
die Derbheit des Humors nicht eben allzusehr absticht
*
Doch die einzelnen Ausstellungen Gottscheds sind hier Ne-
bensache. Aus dem Angeführten geht hervor, mit wie
groszer Einschränkung seine AV'urte: „Zieglere Banise ist
bei uns Deutschen noch der allerbeste Boman, das macht,
dasz er in wt^nigen Stflcken von den obigen Regeln (de-
nen des Heldengedichtes) abweicht; kann auch daher vuü
verständigen und tugendliebenden Ciemüthern mit Lust
und Nutzen gelesen werden"* au£Bufassen sind, und es ist
gewiss bezeichnend, dasz, wie Eoberstein bemerkt hatJ)
in der Ausgabe von 1737 „mit Lust und Nutzen" in ^mit
einiger Lust und Nutzen" abgeändert ist. Von den ver-
schiedenen Stellen der „Gritischen Betrüge*', welche be-
weisen, dasz Gk)ttsched und seine Freunde, zu denen im
Jahre 1737 trotz einigen schon früher vorgekommenen
Beibungen auch Bodmer noch gehörte, von Lohenstein nicht
besser dachten als von Ziegler, smd besonders Bd. L S.
496 ff., Bd. V, S. 637 u. 644 und Bd. Vin, S. 182 her-
V. 8. 68,5. Man bemoke» dan der Aufitttt in deu ,Bej-
trftg:«!!* swisclieii die ente (1780) und sireite Ausgabe der «Cr. Dieht-
knnst" ftUt.
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255 —
Torznbeben.*) In der ersten wird Lohensteins Lobrede
beim Leichenbegängnisse Hoffinannswaldans scharf kritisirt
Seite 498 lieiszt es: Es ist itzo unsere Absiclit nicht, mit
den sclaviächeu Anbetern seines Arniiuiuä, einem Männliug
und Schröter» oder mit seinen Lobrednem als Thomasen,
•Gnndüngen nnd andern dieser Art anzubinden**. Gott-
^clied war sich wohl bewuszt, dasz er es hier mit
Vorurtheilen, die von gewichtigen Autoritäten gestützt
waren, zu thun hatte, und darum wählte er klug das ab-
^esdimackteste und schw&chste Product Lohemsteins.
Bd. y, 8. 637 n. 644 finden sich Urtheile Bodmers
über Lohenstein in einem Gedicht über den „Charakter
4er deutschen Gedichte/^-) Bodmer sagt unter anderem:
Als seine dunkle Sprach in Kieslingharten T5nen
Auf dem Pamasz erklang, erschracken die Camönen:
So sehr, als vor der Zeit, lUi Meister Klingsohr kam,
Und einen Ueberfall des Berges unteniahm.
Sie flohen Schreckenvoll auf dessen beyde Spitzen,
Und liessen Lohenstdn in seinen Sümpfen sitzen,
and S, 644 wird Neukirch wegen seines Abfalls von Lo-
henstein gelobt. Dit^ dritte 8telle ist aus einem ähnlichen
Gedicht von Gottfried £phraim Müller „Versuch einer
Oritik ftber die deutschen Dichter**. Wenn auch in beiden
kritischen Gedichten') besonders Lohensteins Tragödien
*) Auszerdem köunen noch verglkhen werdeu Bd. III, S. 271,
277, 282. Bd. IV, S. 120.
^) Das Gedicht war schon 1734 eiumal erschienen.
Beide (redichte haben noch das Interesse, dasz sie sich deut-
lich an Popes Kssay on (•riticism auiehiieu, welchen Müller, der nicht
Übel Lust hatte, ein «Icutsclier Pope zu werden, auch übersetzt hat,
»her Überaus .«schlecht. Müllers „Versuch" war schon einmal 1737 er-
schienen, wurde dann in den „Bey trägen" 1742 noch einmal und zum
dritten Mal zuMmmen mit seiner Uebersetznug ans Pope 1745 ge-
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ins Auge gefaszt werden, so läszt sich doch selir leicht
daraus abnehmen, dasz man dieselben Hauptfehler anch
im Arminias erblickte.
Von dieser Zeit an melirtMi sicli die verweilenden Ur-
theile über unsere Komane. 1 740 sprach sich Brei tinger in der
„Cht Abbandlang von derNatnr 0.8. w. der Gleichnisse" ttber
den Arminias and 1741 Bodmer in seinen ^Critischen Be-
trachtunf^en über die poetischen Geniälilde der Diclitt^r"
über die Aiamena aus. Auf Einzelne« weiter einzugehen,
liegt kein Grand vor'), was wir aas allen derartigen
Aeoszerangen zu lernen haben, ist, dasz die Geltang der
lieroisch-galanten Romane kaum das Ende des ersten Drit-
theils des XVIII. Jahrhunderts erreichte, und dasz >ie
gegen die Glitte desselben von dem allgemein geltenden
Geschmacke ent^hieden abgelehnt Warden.
Es durften jetast nor noch einige Bemerkungen nöthig
sein, um das. w as wir von den Zeitgenossen der Verlasser
der heroisch-galanten Komane und denen, welche ihnen
znerst das Verdammangsortheil sprachen, gehM haben,
za ergänzen and zn erlftatem. Namentlich wird noch ei-
niges über das Publicum und die allgemeinen literari>chen
Verhältnisse des XVII. Jahrhunderts zu sagen sein, am
die hohe aber schnell vorüber gehende Geltang dieser
Dichtungen and die Verschiedenheit der Stellang des da*
maligen Romanpublicums zu seiner Leetüre von der des
jetzigen in einigen Punkten genauer zu erklaren, als es
bisher geschehen konnte.
druckt. Vei^I. lutin* !) Anfsats in Kölbings Engl Studien. Za Pope«
Essay o. c. Bd. III Heft 1.
') Vergl. die ZuMmmeBftsUimgen der UrtheUe ttber Loheoftehi,
Ziegler, Anton Ultieh n. t. w. bei JMein an den betrefliBndMi Slei-
leo, welche frellidi nam Thell einer späteren Zeit angehören.
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— 257 —
Vornelim und aristokiatisch ist, wie schon hervorge-
hoben ward, die Entetehong des Kimstnmiaiis des XYIL
Jahrhonderts sowohl durch seinen historisehen Zusammen*
hang mit der Poesie der Schlesier als auch durch die Ge-
burt und den Stand seiner schriftstellerischen Vertreter,
nnd beides erhöht das Selbstbewusztsein derselben. „Man
wird,** sagt der Vorredner des Arminins, ,,Ihm (dem Ver-
fasser) umb so viel weniger diese Schreibens-Art ikbel deu-
ten können, weil nicht allein bey andern Volckern, son-
dern iiucli in unserm Deutsclilande die Edelsten untei* den
Sterblichen sich dergleichen bedienet; ja sogar vor wenig
Jahren Dnrehlaiichtige Hftnde einen höchst rtthmÜchen
Anfang darinnen gemaclit und genugsam gezeiget: dasz
wir nunmehr andern Völc kern in der Kunst-Liebe, wo iiicht
es zuvor thnn, doch die Wage halten können; also,
dasz wir der ausländischen Übersetzungen vor itzo so
wenig, als ihrer desz wegen über uns gefülirten Hohnerey
bedortfen werden. Yomehmlich hat aber eine hochge-
dachte Erlauchte Feder, und zwar eben in den Gherus-
kischen Landen, welche weyland unsw Arminius beherr-
schet hat, zu grosser Vergnügung aller edlen Gemüther,
mit den wichtigsten Beweisz-Gründen herrlich ausgeführet:
dasz dergleichen Arbeit ein Zeitvertreib des Adels seyn
solle, und demselben insonderheit wol anstehe.** Aehn-
liebes liesze sich mit leichter Mühe noch viel zu-
sammentragen. Aristokratisch und voinehm haben wir uns
auch das Publicum dieser vornehmen, ja zum Theil er-
lauchten Schriftsteller zu denken. Hiervon geben schon
die fast nie fehlenden Widmungen ein schlagendes und
bisweilen ergötzliches Zeugnisz, ja diese Widmungen machen
eine Art von Gattungsmerkmal, welches sich von dem
ersten Aufkommen des heroisch-galanten nnd Sch&fer-Bo-
17
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— 268 —
maus an bemerken läszt. Die Kuflfsteinsche Diana ist
dam kochadlidieii Fraaenzimmer in Oesterreich ob und
unter der Ennsz, Opitzens Argenis den Herzogen m
Liegnitz-Brieg Georg, Ludwig, Rudolf und Christian zuge-
schrieben. Stubenberg widmete seine Clelia der Kaiserin
Eleonore, Kindermann seine auch als literarisches Pro-
dnct unglückselige Nisette dem Kaiser Leopold, Neomark,
die Qualität durch die Quantität ersetzend, seinen Fila-
mon sieben Edelleuten zugleich, Zesen i>eine Soloniübe der
Königin Christine, Lohensteins Sohn wandte sich mit dem
Arminias an den Ohnrfllrsten Friedrich m. von Branden-
burg, Ziegler mit der Banise an den Churprinzen Johann
Georg von Sachsen, Peruaner endlich suchte in Qualität
und Quantität alle zn überbieten, indem er seine Alma-
hide den Fürstinnen nnd Prinzessinnen des ganzen heil
Rom. Reiches überreichte. Wie er es mit denDedications-
ezemplaren gehalten haben mag, wissen wir freüich nicht
Doch das sind Aenszerlichkeiten, und der beste, zu-
gleich auch das innere Wesen der Sache am meisten blos-
legeude Beweis dafür, da^^z ^^ir uns zur Zeit des Anni-
nins und der Banise wirklich auf dem Höhepunkte des
heroisch-galanten Bomans nnd zwar auch anf dem Höhe-
punkte der (leltung dieser Gattung bei allen, welche mit
dei' deutschen Literatur überhaupt zu thun hatten, befin-
den, ist noch anzuführen. £r besteht, allgemein gesagt,
in dem engen Zusammenhange des Bomans mit den ge-
sanmiten andern Gattungen der Kunstdichtung jener Zeit,
infolge dessen er überall da, wo irgend welches literarische
Leben herrschte, sich ld,cht anschlieszen, fest Wurzel
fassen, bequem formen konnte.
Wii* sehen hierbei noch ab von dem fast überall
auszer etwa bei Weise und denen, die ihn genau nach*
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-r 259 -T
ahmten, sich zeigenden Einflüsse des so zu sagen classi-
sehen heroisch-galanten Bomans ani die Production der
yielschreibenden Bellettristen wie eines Happel, Talander,
Menantes, deren liomane zum Theil ganz und gar heroisch-
galante sind und namentlich Ziegler zum Vorbilde
nehmen. Denn aof ihr Fahrikgesch&ft, welches im Zu*
sawmenhange mit der Ton Grimmelshausen genial nnd von
Weise altklug-sclmlmeisterlich gestalteten komischen Pro-
sadiehtung beti'achtet werden musz, werden wir noch zu-
rftckkommen nnd es, soweit es überhaupt literarhistorische
Beachtung verdient, würdigen. Hier genttgt, nur anf den
Antheü himsnweisen, den die Thfttigkelt nnserer Kory-
phäen an der En*egung der Xa(-htrage nach jenen breiten
-Bettelsuppen hatte. Interessanter, wenn auch nicht in
eben solchem Grade zu Tage liegend, ist der Umstand,
dasz der Knnstroman des XYII. Jahrhunderts an eine
ganze Anzahl von poetischen und halbpoetisclien liteiaii-
schen Gattungstypeu seiner Zeit so nahe grenzt, dasz die
Uebergänge fiist verschwimmen, die Unterschiede nnr anf
einzelnen Seiten nnd bei schftrferer Betrachtung von
festen Gesichtspunkten aus hervortreten.
Nahe durcli den im Sinne der opitzischen Definition
tragischen Stoff stand der Boman der Tragödie, die
mit Recht in dem theoretischen und gelehrten Bewusztsein
der Dichter den ersten Platz unter den Dichtuiig^^i^Mttungen
einnahm. Die römische Kaiserzeit, das Leben an den
Höfen der Sultane oder anderer Despoten war der Boden
des Heroismus nach Lohensteinschem Geschniacke, die
Liebesintriken des Hofadels spiegelten sich in prosaischem
Gewände in den Romanen, in poetischen in den behebten
Heroiden oder Heldenbriefen wieder, die enge Verbindung,
welche der Natur der Sache nach zwischen der Politik
17*
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9
despotischer Zeiten und den Liebesaffairen der Fürsten
und Groszen bestdut, bewirkte die genaue Beziehung des
heroischen nnd galanten Elements und liesz sie der Mit-
Wfclt in den Romanen ebenso natürlich erscheinen, wie sie
es damals im Leben wai*, und aus eben dem Grunde stall-
ten sich blosse Zusammentragungen y<«L Berichten Ober
politische jBreignisse nnd Ho^eschichten, Memoiren, in
denen nur andere Xamen an die Stelle der wahren kamen,
dicht neben die verhältniszmä.szig freien Schöpfungen der
Phantasie, welche mit solchem Stoff ans der Wirklichkeit
nur verquickt waren, freilich mehr als gut, die aber doch
eine Geschichte aus dem römischen, deutschen, biblischen
Alterthume oder aus dem fernen Hinterindien als Haupt-
&bel zu Grunde legten und nach den Begeln der qnischen
Darstellung zu gestalten suchten. Und wie die Unter-
haltung mit Zeitgeschichten, so fand auch die Belehrung
über Ereignisse der Neuzeit in den heroisch-galanten Bo-
manen eine beliebte und geachtete Form, der sie sich
leicht anzupassen vermochte, wenn das Bedürfnisz vorlag,,
in deutscher Sprache und gemeinverständlich die Gre-
schichtswissenschaft zu behandeln. Welches Gebiet po-
pulärer Belehrung hätte überhaupt in dem Arminins des
groszen Lohenstein nicht ihr erwüiiseliles Cluster gefunden?
Welche Speculation mit nervenauiregender Leetüre hätte
nicht gern von der „Art des Herrn von Ziegler** Qebranck
gemacht? Warum sollte der bedenkliche Beiz, den für die
anbetend zu den Hunderten von kleinen und gröszeren
Fürsten au&ehenden Junker und Damen das Eindringen
in die oft recht pikanten Familien-, Ehe- uid Liebessachen
der Duichleuchtigkeiten besasz, sich nicht als poetisches
Interesse und feine Bildung geriien, da durchleuchtige
Hände selbst in diesem Gebiete mit Gra^e in infinitiim
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— 261 —
th&tig gewesen waren? Es kann kein Zweifel daiHber ob-
walten, dasz die Legitbninmg dieser Stoffe durch eine dock
inuneridn TerhlQtniszmftsng anständige and comcte Kunst-
form ein Unheil füi' da^ sittliche und geistige Leben der
höheren Stände unseres Volkes war, der Voi'schub aber,
welcher durch die im heroisch-gahmten Boman gebotenen
Darstellungsniittel der Popularisimng der Wissenschaften
geleistet wurde, ist ein entschiedener Segen gewesen.
Freilich nmsz man die cunfuse und bis zum Stumpfsinn
kritiklose Collectaneengelehrsamkeit Lohensteins nicht mit
unseren jetzigen Maszstäben messen, sondern erwftgen, dasz
auch eine nach unseren Ansichten so un<?eschickte und
unsichere Belehrung anregend wirkte, den Begabteren in
den vornehmen KreSaen einen Geschmack an irgendwelcher
Bereichermig ihres Wissens und an einer Gonversation
ftber gelehrte Dinge beibrachte und das Vorurtheil zer-
streuen half, dasz man Gegenstände der Wissenschaft nur
lateinisch and in akademischer Form behandeln könne.
Dies ist die den Bestrebungen des wad^eren GL Thomas
zugekehrte Seite der herofsch-galaiiten Bomane, und nur
sie macht seine gute Meinung von ihnen erklärlich.
£& genüge hier, der Beispiele halber einiges aus der
grossen Menge der eben charakterisirten Erscheinungen
aaznfllhren. Harsddrffers Schaupifttse, Oesprftchspiele, Er«
quickstunden sind schon genannt worden. Nicht alle der-
artigen Schriften bewegten sich in einer so nichtsnutzigen
TAndelei, w^ uns auch HarsdOrffers Landsmann, der
auch berdts erwlkate Erasmus Francisd, der so schreib-
süchtig war, dasz er sich selbst abschrieb, keinen grade
achtunggebietenden Eindruck macht. Durch einen poetisch
kliagendMi Titel erimem Bttcher wie Birckena Frieder»
ibsute TIeutonie daran, dasK sie sich neben die Bbmane
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— 262 —
stdlen wollten'), was sie auch durch Einftihnmg von alle-
gorischeu Prinzessinnen und symbolischen Liebhabern zu
thim yersachten, und die Bomanform war schliesslich noch
mindestens ebenso angemessen fttr ihren Stoff wie die we-
gen der AuÜÜhruiigeii zu Festen und feierlichen Gelegen-
heiten häufig gewählte des Dramas.
Man ging aber noch weiter in der Anwendung der
Bomanform, indem man rein moralische, politische, sociale
oder gar theologische Materien allegorisirte und in he-
roisch-galanter Hülle ei-zählte. Dergleichen Erscheinun-
gen, die grade deshalb, weil sie heot andenkbar sind, ein
helles Licht auf die Beliebtheit und Nutzbarkeit der Bo-
manform werfen, sind znm Beispiel die Stockflethsehe Ma-
carie, von der das, was Gervinus Uber die Aramena mit
Unrecht sagt, mit Eecht gesagt werden kann, nämlich
dasz man sie durchaus allegorisch lesen mflsse, fumer An-
dreas Bihlmanns politisch-theologischer und desselben po-
litischer Tractat von Staats- und Liebessachen. zwei der
abgeschmacktesten und vei-schrobensteu Leistungen der
ganzendeut8chenLiteratnr,und dieallerdingsznerstlateinisch
geschriebene, aber ins Dentsdie fibertragene Psyche cretica
von Pra«ch, eine äuszerst gespreizte Parabel mit irenischer
Tendenz in Bezug auf die streitenden cluistlichen Ck>n-
fessionen, welche aber viel Interesse und Bewunderung
And.') Eine wie dehnbare Vorstellung man mit der Dar-
stellungsform des Romans verband, kann man aus der
Stelle in der Vorrede des schon erwähnten Rachsüchtigen
Luddor entnehmen, wo Schupp sagt» gelehrte Leute hiel-
ten dafftr, „dasz die teusend und fSnff Lieder, welche Sa-
lome gemacht, nicht eben Gesänge gewesen seyen, sondern
*)BekanDtlichbpansprurht dies Bircken ausdrücklich. vgl. S. 48 Anm.
■) Hierher cehürt wohl auch Kongehls Sorbosia (Nürnb. 1676.
12^.)» welche wir leider nicht erreichbar war.
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es Seyen allerhand Disciu*s gewesen, welche Salomo auf
eine poetische Art, oder wie wir heutigen Tages reden,
Samain, beschrieben hab.** Dasz in diesem Bache die
besprochenen Personen Schftfer genannt werden, erinnert
daran, wie auch der Schäferroman für jeden Inhalt g^ut
war, und alles, was wir bisher vom Schät'erroman, dem
analfadischen wie deutschen, zu sagen hatten, zeigte, wie
wenig man einen seinem Wesen nach idyllischen Inhalt
für not h wendig hielt. Vom Schäferdrama gilt dasselbe,
aber grade dadurch empfahl sich diese nichtige Form, ebenso
wie die anspruGfasYcUere heroi8ch-galante,zuyer8chieden8tem
Gkbrauche. Nicht zu vergessen ist auch die Ffthigkeit des
Romans, sicli ganze Dichtungen anderer Gattung einzuver-
leiben, wovon wir eineMengeBeispielekennengelemthaben,
an einerunendlichgröszeienMasseaberyorübergegangensind.
Dasz man trotzdem sich auf die Kunstform des he-
roisch-galanten und Pastoralen Komans viel zu Gute that
und sich des Gegensatzes gegen komische und volksthüm-
liche erzählende Poesie bewuszt war, werden wir zu be-
achten noch GMegenheit finden. Alles in aUem genom-
men aber werden wir nicht irren, wenn wir behaupten,
dasz man an der kunstmäszigen Prosadichtung des X\'LI.
Jahrhunderts, deren Werden wii* jetzt bis zu ihrem Höhe-
punkte verfolgt haben, ihrerzeit nicht nur das hatte, was
wir an der in Prosa erzählenden XJnterhaltnngsliteratur
unserer Zeit besitzen, sondern dasz jene aucli noch den
gröszten Tlieil dessen zu leisten hatte, wozu jetzt popu-
läre Zeitschnfton und die Tagespresse dienen müssen.
Freilich ist hierbei der damals weit geringere numerische
Umfang des Lesei)ublicums in Ansclilag zu bringen, wenn
man die Analogie der literarischen Zustände vor zweihun-
dert Jahren und heut richtig auffassen und abschätzen will.
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Beilage su Capitol XI. Annimos. B. VL S. 1017.
Unteidaasen befluid sich SentSaxn Techella aa dem Hofe Bmtlaog
Bojocals. Dieses war ein junger wolgewaduener Fürst von «wey und
zwantsfg Jahren, und hatte nach Gewohnheit der was ftembdes la
sehen begieriger Devtsdien etliefae Jahr in Ghilllen tind in Born sn-
bracht, wo die meisten Sachen lürlftngst ihre rechte Nahmen verlohren
hatten, und die ärgsten Laster im Goldstücke der Tugend hergiengen.
Sintemahl man die Yerwegenheit alles Böge zn stlfften Tapfferkeit,
die Hoffart eine (4ro8zmüthigkelt hiesz, die Verschwendung znr Frey-
gebigkeit, den Geitz zur Sparsamkeit, die Grausamkeit zur Gerech-
tigkeit, den Aberglauben zur (n»ite.sfun ht mochtf, und die, welche in
W"»llü<ten andern es zuvor tliäten, für antl^ewecktt- Leute, uukeusche
Biiltre für den Ausbund des Frauenziiimiers hielt; also in der Welt
mehr kein so genanntes Laster zu tinden war, und die Körner ihnen
einbildeten : dasz sie mit Überwindung so vieler Vidcker auch die
Botnmszij^keit überki>minen hiilteu, zu Sätzen, was künffti^ Sünde oder
übelthat seyn solte. üa sie vielmehr sicli hätten bescheiden sollen:
dasz Laster bey groäscn Leuten kein besser Ansehen bekämen, nnd
ein hesslKsher Fleek mehr Pnrper und Seide, als ein hftren Kleid Ter-
steUte. Ton diesen bösen Sitten hatten ihm einige insonderheit den
Hang ZOT Wollnst angeklebt; welche seine gnte Gebnitsart nnd die
ünschnld der Deutschen Sitten men&lieh verterht, und ihn gleichsam
in einer Ifissgebnrt, welche halb Tugend, halb Laster war, gemacht
hatten. Kach dem er auch nikch seines Vaters Tode gleich wieder in
Deutschland kommen war, honten die guten Beyspiele das BOse,
welches ihn gleichsam wie ein scharifer Geruch ganta dnrchcogen
hatte, ihn so bald nieJit wieder in ersten Stand versfttMU. Denn die
Begierd«; findet sich wie ein Fremdling ein; welcher nur auf wenige
Augenblicke Herberge suchet; sie machet sich aber bald zum Gaste,
und wird endlich gar ein Herr vom gantzen Menschen. Also war
Bojocal nicht mehr seiner selbst niiitliti«:; sonderlich weil er in die
Hände der Zauberin Sentia durch die mit Segesthen habende nahe
Auverwandnüsz gerathen war ; welche auf Betrug und Üppigkeiten alle
ihre Scharffsinnij^keit angewehrte, und es dem Bojocal niemahls an
Oel der Wollust ermangeln liesz, die Ampel seiner Begierden damit
zu unterhalten. Mit die^ien Künsten führte sie ihn gleichsam an einer
Schnure. Ob sie ihn nun zwar eben so zu ilirem Willen hatte, üo
wur sie doch niemals milch tig gewest, ihn zu bewegen: dasz er ofi
80 schnöden Liebe, die des Yatoiaiides ausgezogen, nnd sidi mit doi
BOmem wider selbtes Terboiden bitte. Weil aber Sentia sidi rar
ftembder Geilheit nun Werokaeuge, ihre AwschUge der RBwitriwi
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Herrschaft zum besten ausznführen gebrauclite, hatte sie duch niemahls
ihre eij?ene Ehre versehret, unbeachtet Hie so schiSn war, als eine
itömerin aeyu konte; und sie war mit so viel Üeiste ausgerüstet, als
zehn greuliche f'raaeu zu ihrem Liebreitze vuu uütheu hatten. Bojucal
]wtte bey seiner mit Sentfen fahrenden Verträuligkeit wohl hundert-
aiAhl sie Yersacht, und an sie gesKtzt^aberraohso TfelaaU in setnem
Begelven SehÜfbrach gelitten, nnd Ton ihr mehr als eimnaU die AjH-
ivort erhalten: dass eine Fhtn, welcher die Seele der Kenaehheit, und
der hierans üflaeende Geruch eines guten Kahmens abgieiige, ein
stinokendes Aasi wäre ; also dass man wegen ihrer mit so viel andern
Lastern Termingter Keuschheit und Klugheit sie ftglich mit dem
Egyptlschen Acker vergleichen konte, in welchem die edelsten und
^'ifftigsten Kräuter wachsen« Alleine, wie ist es möglich, dasz die
Tugend in die Länge unter so viel Lastern unversehrt Ueiben solle?
Scharffer Knobloch und Zwibeln verterben zwar nicht die neben ihnen
stehenden Gewächse, sondern die Kosen bekommen vielmehr davon ei-
nen stärckem Geruch, der Spargel einen bessern Geschmack. Denn
die Laster sind viel schädlich- uüd anfälliger, als beschwerliche Eigen-
schafFten natürlicher Gewächse, derer keines zu finden, was nicht sei-
nen guten Nutz, wie unangenehm oder auch gifftig es zu seyn scheinet;
Laster aber sind vun ihrer Wurtzel und in allen Würckuugeu böse.
Dahero sie uiclit nur die Tugend entkräfften, Süuderu wie die Wicken
iien Weitzen zu Bodem reisseii und erstecken. AVohlrüchende Rosen
und Sandal-Holtz zeucht durch Beherbergung stinckender Dinge den
Gestauck an sicli, aUo wird das edelste Gemüthe, wenn es sich zu
einem Gefösse nur eines Lasters gebrauchen Iftszt, augesteckt. Ja
die Tugend hiUft den Zjastetn« wenn sie seihte vergesellschafftet» noch
mehr anff die Beine, wie der kBstliche Balsam den Bockintaenden Qt-
stanek und die Amher- und Zlmmet-Kocfaen dtm ÜMilen Athem noch
nnertriglicher machen. Bey solcher Bewandnisi konte Sentiens Kenschr
holt nicht lange den Stich hinten, sondern sie kam uiKhTecheUa mit
-dem Vorsatie den Bojocal au gewinnen, solte es gleich mit Verluit
ihrer Ehre geschehen. Nach dem sie aher gleichwohl liaher ein«
Knpleiln, als Ehbrecherin seyn wolte; vielleicht weil alle andere
Laster unsem Leib nicht bertthren, die Unzucht aber ihn und uns in-
wendig besudelt, nahm sie mit sich vier schöne Migdlein von fiinff-
ashn Jahren. Die erste war eine Ainazonlu aus dem Caspischen
Sarmatien, welches Ostwerts das Caspische Meer, gegen Mittag Al-
hanien, gegen Abend den Caucasus, gegen Nord den Flusz Kha zur
■Griintze hat. Dieses Land ist bey nahe das schönste in der Welt.
Auf den Feldern wachsen von sich selbst Tnlipanen, Narcisseu, und
Aacynthen, die wUden BIbuue tragen die voUkommen^ten Früciikte,
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die Sch&afe bessere "Wolle als die Spanist'heii. Ihre Pferde holen die
Hirschen im Lauffe ein, welche nie mit HaufFe jagen, und davon das
Marek als die kräfftigute Stärcke des Leibet« essen. Fürnehmlich aber
hat es das Bchöuste Frauenzimmer in Asien, und dieses die .schönsten
Augen in der Welt, ^j^egen welche aller andern fwhönen Weiber Au-
gen, wie Sterne gegen der Sonne erbleiehen. Ans dieaem 8ch0ne&
Voleke war nnn die, welehe Sentta ihr Uber Alopecia, vaA das Enzi-
niedie Meer liatte bringen laaaen« eine nldit der gemeinsten. Sie war
lanf gewarhsen, geaehlanek, hatte braune Haare, weisse nnd carte
Hant, RosenfSubiehta Wangen, einen engen Unnd mit GoraUen-ftr*
biehten L^pen, schwartae nnd grosse Angen, welche gleichsam mit
Blitse spielten, weit lieraas stehende nnd doch kleine und randte Brftste.
Die andere war aus Britannien, Ton gleicher Lftoge. Ihre Haare wa-
ren goldgelbe, die Augen braun und lebhaft, die Wansren nnr ein
weni£r, der Mund aber mit reicher Bttthe beschüttet, ziemlich grosse,
doch nmdte Brüste. Die dritte war au^ Gottland, und gleiclisam ein.
Ebenbild der schneeiehten Nord-Welt. Denn sie war zwar nicht so-
lantj als die ersten; aber ihre Haut war so weis«, als ilcr Schnee
immer >^eyn konte; also, dasz Auaxagoras, welcher behaupten wolre:
das/, <ler iSchnee schwartz wäre, .schwerlich diesem Frauenzimmer ihre
Weisze würde stritTltf jjcmacht haben. Ihre Himmel-blaue Auireii hat-
ten zwar nicht s» viel Feuer, aber doch eine liebreitzende Anmuth.
Ihre Wanyfen ^leichten flüssender, ihre Brüste geronnener Milch, die-
ser Höhe schienen fifleichsam mit zwey rotheii Krd-Beeren besteckt, und
jener Lippen von Ziuober bereitet zu seyn. Die vierdte war eine
scbwartze Hohriu, von einer rechten Gestalt nnd holdseligen Gebehr-
dnng. Sie hatte wie die Mohren ins gemein im gantsen Leibe weder
Flecke noch Wartnn. Hingegen war sie ISnger, als itat die Kohren
ins gemein an seyn piegen, also nach der Beschaffenheit, wie sie n
Cambysens Zelt sollen gewesen seyn. Ihr Hanpt war nach Kohrischer
Art foUkommen ntnd, die Wangen flelsehkht, die Haare liemlicb
lang; wiewol die Kohren nicht wie andere YOlcker an BedeoknnglhrBr
einge&llenen Schlftffe und Wangen, nnd der Gruben Im Haupte, der-
selben benöthigt sind. Welches für weissen Lenten sonder ZweüM
eine Sch?)nheit seyn musz; weil die TJebes-Götter mit so nmdten, die
Unholden aber mit höckrichten£<'i f?^* n und Schlangen-Haaren gemah-
let werden. Sie hatte einen gestreckten Halsz, und eine längere,
und nicht überbo^-ene Nase, wie die Mohren sonst ins eremein haben;
dasz man ilnien in die Hölen der Na.sen-Löcher schauen kan; wiewohl
difsc LntltschöpfFnng zum Athem holen, zu Bewegung der Mausz in
(Tlicdeni, und dalier zur Geilheit dienlich ist. Sie hatte zwar nicht
gar grosse, aber keinen Augenblick stillstehende Augen, welche ihr
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wie eine Unruh im KopIFe hemm liefFen. Ihre Zähne waren weisser
als Helffenbein, und keinem Dinge ähnlicher als Perlen. Ihr Mund
war auch nicht wie sonst aufgeworffeu, ihre Brüste aber stratzten
für Hftrte, und aUe ihre Bewegungen hatten einen gewUsen Liebreits,
md dat Xerekaiaal hefffeiger Begierden an flkh; Also» daas dieae am
eraten nad tIeibteB Bojocaln Terwmidete; swelfblafrey well die Seltaam-
keit Teninacht» daa weleae Hinner naeh aohwartaeD, und Möhren
naeh weliaen Franen am melaten Ittatem aind. Sentia war mit die-
aer hddaeligea Qesellicikaflt Ihm eine angenehme Gttstln; weil Gleich-
heit eben wie daa Feuer eich an nenem Zunder ergStaet^ und nadi
aeihtem begierig iat. Dahero gehet ea der Schönheit wie den Klei-
dern, wenn dieae achon von iüiatUehem Sammet nnd Mdatttcln auch ge-
schickt gemacht sind, wirfft man sie doch weg, wenn sie der neuen
Art nicht gem&sz sind; und für gehranchten Helenen krieget Paria
endlich einen EckeL Eben so gieng es Bojocaln; dieae ?ier, an wel-
chen er sich anfangs nicht ersättigen konte, machten ihm, weil er
mit ihnen keine Maasz hielt, ein Grauen; Sintemahl kein Dini,' in der
Welt ift, welches, weuu es uns aul' eiumahl allzuhäuffig übersihüttet,
nicht Erkel verursache. Denn es gehet damit wie mit den Spt isen,
wenn wir damit den Magen überschütten, müssen wir sie wieder weg-
brecheu. Weil nun Sentia durch diese Frauenzimmer Bojocaln nicht
an Bort kommen, und ihn zu Erkiesung der Römischen Seite l>ewegen
konte; fieng sie an, ihm nunmehr mit den Beeren ihrer eigenen
Keuschheit durch Entblössuug ihrer Brüste, und hnuderterley Liebko-
sungen zu stellen. So ▼erschwendertsch ist die Ehr- und HeiTscbens-
•acht! Jedodi iet aieh über Sentiens ao schftndlicher FeilUetnng ibrea
Leibes nicht so sehr an ▼erwnndem; weil auch Kayser Jullna nnd Au-
gust mit dem Netae der Unancht nach der Herrsdiaift geflachet; Ja
in Indien kein Weib so afiöhtig ist« welche ihre Keuschheit nicht um
einen Elephanten verluuireti und in Asien sich ihrer viel, um bey ih-
rem Könige, oder nur seinem obersten Verschnittenen ans Bret an
kommen, sidt haben entmannen lassen. Weil die Ltistemheit nun
angleich scharlEsicfatig und leichtgläubig ist, nnd Bojocal Iftngat nach
Sentiens Geuüsze geseuibet hatte, sfttzte er üuffii neue an sie. Aber
die schlaue Sentia war nicht willens ihre Waare so wolfeil anzuge-
wehren, ob sie sie ihm gleich feil tjelwl^n hatte. Sie verhüllete ihre
Brüste, und auch numehr ihr Antlitz, nnd bezeugte sich kaltsinniger,
als sie nie vorher gewest war; Wolwissende: dasz wie unser Cleist
mehr Vergnügung in Retzeln und tiefTslnnigen Dingen findet, als
derer seichter Verstand auch Einfältigen am Tage liegt; also in Wol-
lüsten die Schwerigkeit des Uberkommens das schärffste Saltz und
,die beste Würtze; die KalUünnigkeit des FraueiLzimmers auch der
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«tÄrckste Blasfbal^ sey, damit es in den Hertzen der Männer das
FeutT der Begierden lebend, seine Schünbeit aber zweyniaiil so schön
iiiii. h» n könne. Worüljer sich aber nicht sehr zu verwundeni ist.
Sluteniahl uiich ein männlich Hertze denselben Sieie: weni^- achtel,
welcher nicht Scliweisz kostet, und mit Blute erfochten ist. Eben so
hat die Wollust au Bich wenig ergötzliches, iralehe nicht mit einem
Saade dtr ntndenita» angwlnet mtäm» Sie eMate ieiaeii Ab-
muthtuigea ihre Ehre, die dem Segesthen adraldige Piiefat, mid aa-
dan BISadwerek der Tugend« aidlioh auieh dies entgegen : daaa da
darch VeililiigBag dar ireatgitan Vergnttgung sie aar flir Aanehea
bey ihm TerapieleB, aad sieh YeiMtUeh nmeiien wttrda» nadi dem da
wahrnehme: dasa er der vier SehOHheitea, welche sie Ihm aas aliea
Bcken der Weh zusammen gelesen, so bald ftberdrissig gewordea
wire. Denn wir Fraaenslmaiar gleichen den BoseBstrftuchen; weaa
wir Teil Rosen stehen, erweiset man uns alle ersinnliche BlnarbletaB^
wenn man sie ans aber einmshl ahgebrochen hat^, siebet man uns nicht
über den Zaun an. Unser anfanppK angel>eteter Leib wiffll aaoh den
Qenüsse den Schatten der Verachtuni:;: hinter sich; und unsere vorher
Vor hiiiimlisrh gepriesene Schönheiten werden in einer Stunde in
den Auiren unser Liebhaber, wie die Farben der Re^nbo{,'en zu
Wasser. Bojocal antwortete Sentien: Sie solte diese Sehuld ihr nur
selbst, nicht ihm zuschreiben, und sich bescheiden: dasz die ihm mit-
gebrachten vier Sterne In ihrer, als seiner Sonnen Anwesenheit, in
winen Auyen den (llantz verlieren müssen. Sentia gab nur ein
Lachen darein, und satfte: Er solte ihr nicht weisz machen: dasr er
von so trischeu Morgen-Kosen, als ihre ihm aufgeopfferten vier Jung-
franschaffteu wären, nicht mehr Vergnügung schüpffen solte, als von
ihr, welche Tor so viel Jahren sehoa dia Kaaspen ilirer Jagend aaf>
geopffert, and sehon drejszig Jahre anf dem HalflOt von flirar SehAi*
iMit aber nicht wenig Blikter eingebttsaet h&tte. Bejocal aedbefts»
and fieng an: Aeh anbatmbertaige Sentia! weist da nicht: daaa dIa
hesalieheB sehen alt sind, wann sie geboliren werdenf Die Sdillnen
aber behalten ihre Jagcmd and Annmtb aaaafhOriich. Dieser ihr
Herbst lachet aas mehr an, als jener Ihr FrtthUag. Wie augota aber
Sentia detna Jahre mm Heibste, swischea diesen unreifliBa Unvolh
kommenheiten und dir, eine Yerglelchuag, deine navergleieiiliche
Schönheit aber mir zn einer Höllenpein macheal Ich traue dir selbst
diesen einfilltigen Glauben nicht an: dasa die nmr noch Blüthe tra-
genden Bäume denselben, welche mit denen süssesten Früchten be-
lastet sind, vorzuziehen seyn. Als<» schone meiner, und miszbranche
mich nicht zum Vorwand deines anderwärtiiren I'nvertrnü^ens. Ach!
Sentia, sagte Bojocal, da bist allaasohOo, and hast ailau viel Ueist,
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dasz du mir zu einem blossen Vorwande dienen soltest. Du kennest
dich selber allzuwohl, und weist es: dasz du nicht um mir, sondern
der gautzen Welt, mehr als eine gemeine Liebe einzuüosseu, mäc-htig^
seyst. Wie thörieht habe ich gethan ' dasz ich mich zeither <lurt h deine
Hand mit schlechtem Körnern habe speisen lassen, und dasz ich meine
Liebe in Ketten gelegt, worrait sie nicht mit g^rös^erm Ungestüme
die Härtigkeit deines Hertzens zu erweichen getrachtet hat! Alleine
mein Fehler ist ans die.st-m Irrthnnie geflossen: dasz heimlich und be-
Bcheitlen lieben das sicherst»' Kittel wäre, uns Cxt-gen-Liehe zu er-
werben, oder in erlangter Gnade zu erhalten. Wie schädlich habe
ich gcfehlet! dasz ich mich mehr auf die Schickung der Zeit, als auf
deine Hiilfie verlassen; also meiner Liebe nach meiuer Einbildung,
nicht nach deiner durchdringenden Schüulicit ein Ziel gesteckt, un-
wissende, dasz die der beste Lehmeister sey, wie sehr man liehen
solle. Freylich wohl! fiel Sentia ein, ist die Schönheit der Mäszstab,
nach welchem die Männer ihre Liebe abtheilen sollen. AVeil ich mich
luin selbst bescheiden: dass ich so schön nicht sey, als die vier dich
m vergnügen unvermögende Schoos-Kinder der Liebe, würde ich son-
ZwMü mebr Sorge halmi mttssen, bey deinen FlanmieD niebt sn
efftieren« als sa serscbmeltien. Gmuame Sentia! fing Bojocal an.
Wl» Tlel milder wfirdeat dn von deiner und anderer Qeitalt nrtheUen,
wenn dn dnrch meine Augen sähest Ist dir so frembde, dasz wie ein
Dingt lUMsh dem es gewendet wird, vielerley Farben, also einerlei
SdiOnbeit in nntemehjedeaen Augen vielerley Gestalten haben könne.
Wir Männer werden über dem, welch Frauenzimmer das schönste sey,
ISagsamer als die Kensehen über dem QeschmaelM der Speisen eines
werden. Wie die Oreader nnd andere NoidlAnder an dem FIschthiana
Wallfiscfaen, die enssentea Afticaner annnflätigen Rind-Dftrmem,
die Sejthen an Pferde-Fleiaohe, die Gethen an Haneen-Bogen, was
gar sefamaoicbafltes m essen Tormeinen, andere Völcker aber daär ein
Gimnen haben; Also weit ftllet auch das Urthal in der Lieba von
einander. Die EinwohMr der Bhfttisehen nni Nerkher €tebflrge hal*
tea die Xifipilb Ar eine Ziemth; In Hesperiaebsn S^landen nerkerben
sie die Haut, förben sie mit Xjriiten, nnd prangen mit solchen
Büecken. In Indien durchbohren sie die Nasen, und halten die darein
gehanokten Bincken für was schOners, als Ohrgehencke. Der Mohren
stnunpAdite Nasen rühren zwar itzt von der Geburt her; anfangs aber
hat man sie aus £inbilduug der Schönheit mit Gewalt so aufgeschürtst»
wie die Serer die Füsse einzwängen, dasz sie klein bleiben müssen.
In Italien hält man lange Nägel, bey den Samojeden gelurümte Lei-
ber für schön, da andere Völcker ihre Kinder in Wiegen so feste
dawkskeln: dasz sie gerade nnd geschlaack werden sollen. Hingegen
i^iy u^cd by Google
270 —
2Wftng«n ainlcre ihre Köpfe, dasz sie längUcht, wie das gethürmte
Haupt der Cybele wachsen. Die Mohren, und die zwischen dem Flusse
Tyras und Borysthenes wohnenden VÖlcker schätzen die weit vom
Haupte abstehende Ohren, weiche auch wohl wegen Rundtang ihrer
BOieii um QeliOie m dienlidnten nnd« für MhOn, glekhirdil ilier
aaeiBeB wir dadnreh Teistellet sa seyu, iiiid mllhen sieh unsere Mlltr
ter sie an die lUcbe des Hiaii|ites anmgewQhnen. Die Hokren hOr
den die hSlUselien Geister weisi; wir wetosen sie sehwarts ab. Alse»
dasB alle Schönheit mehr In eines leden laebhabers WnMMnng»
In einem gewissen Wesen bestehet Wiewol ich Ton dir beredet bin;
dasE der gantaen Welt BeyfUl Uber der nrnrergleidiUchen Sentla
YoUkommenheit meiner Wahl beypflichte, die aber, welche in deinen
Augen schöner, als In meinen sind, dir den Vorzog strittig sn machen,
selbst für eine nnverschämte Vermesseuheit halten würden. Sentia
brach ein: Ich mnsz g^estohen: dasz ich mich in meinen Gedancken
sehr betroo^en befinde. Denn ich hätte mir eingebildet: dasz ich mit
meiiu-u vier Llebes-Kindem nicht nur Bojocaln, sondcni alle ffcfrome
>i'ord-Völckcr anzünden solte. So ab^T tindt- ich Bojocaln bey ihnen
unempfindlicher, als der enisthaffte Cato würde gewesen seyn. Diesfmnach
möchte ich wul treme hiervon die Ursache ersiründen. Bojocal antwortete:
Ich muäz tresteheu: dasz ich zwischen ihnen wie zwischen Schnee und Kolden
ffelegen,mit der einen Hand eine uubeseelte Marmel-Säule, milder andern
einen .stachlichten Rosenstrauch umarmelhabe. Oder mich deutscher zu er-
klären, so mangelt der einen die Anmuth, der ändernder Geist, der dritten
das Fühlen, der vierdten die Schönheit Daher wenn man sie alle snsanunen
sdlimeltite,w1lrdeman mit Notb dne einzige Senttadaiaasraaeben. Sentia
laehtttbMlberandfiragte: weldierer denneinoderandemGebiecfaen nasa-
eignen bitte? Br sehe ihr doeh diese Bitiel ansleren. Bojoeal sagte, der
Seythin. Denn ob zwar diese mitihrem Leibe ein TollkommenLosthaasz der
Schönheit Tontellet^nnd es ihr an Heerd nnd Feuer nieht fehlet; so ist sie
dechein unbewohnter Pallast, nemlleh ein Weib ohne Sitten; ich wü
nicht sagen: dass durch ihre wilde Gebehrden sie mehr ein wildes TUer
als eine holdseelige Liebhaberin flirbilde. Sie ist geschickter sn*ei-
ner KImpferin ins Feld, als ins Bette, und mit einem Worte, eine
Amazonin. Die Britannische hingegen hat keinen Mangel an Hold-
»eeligkeit, und sie bat auch den nöthigen Vorrath an Feuer in sich.
Aber sie scheinet: dasz sie aus den weissen Felsen der Kreide-Bergen
ihres Albions gehauen sey, weil sie nichts geistiges an sich liat; und
ihr inwendiges Feuer mit so grosser Gewalt, als die Funcken aus den
Feuer-Steiuen geschlagen werden müssen. Dahero würde sie wol eine
anst;in(lii,''e Buhlschafft des in sein eigenes helffenbeinerues Venus-
Bild sich veriiebeudeu Pygmalions, aber nicht des lebhafften Bojocals
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— 271 —
»eyu; welcher von Sentien selbst geleriiet : dasz die Liebe meiir (iruiid
und Bestand habe, wenn sie sich nicht nur an die euserliche Schön-
heit, sondern an die innere Vollkommenheit eines an^eweckten Gkistes
hinge. Denn welche nur Mi denen dordi Altir «iid Kruukheit Ter>
gäuglichen Strichen eines wohlgcftellten AntUties und Leibes hingt»
hnt sich tiglich fibr ZnfiUlen sn fOrchten, welche durch alle seine Sr>
gStsUgkeiten einen Strich machen. Wer aber seine Vergnflgnng an
einer himmlischen Seele nnd ihren Tagenden anchet^ kan sein Leb-
tage ohne Unmh nnd Foicht des Verlostes, nnd biss in Tod lieben.
Die Gothische aber hat so Tie! Schnee im Hertien, als anf ihrer Hanl.
Sie hat weder Empfindligkeit für steh; weniger kan sie sie andern
geben. liirer Adern Blut ist eben so starck gefroren, als die Flüsse
ihres Vaterlandes; Und ob ich zwar allemahl für glaubhafter gehalten:
dasz die Liebe vom Fener entsprosseu, so glaube ich doch nunmehr:
•dasz die in Norden ans seinem Eisz-Meere den Ursprung habe. Sie
hat keine Fühle wenn man sie küsset, sie ist taub zu allen Liebko-
sun<|fen, todt bei den aii.seiinlichsten Liebes-SeufFzern, und in der Wol-
lust selbst eine sich nidit rührende Leiche. DW Mohrin hingegen ist
eitel Ft'Uer; also dasz icli glanbe: dasz dei thürichte Satyrus, der sich
iu die Flamme verliebet, nnd solche umarmende sicli darinnen ein-
geäschert haben soll, in einer verliebten Mohrin Hände verfallen sey.
Ich musz ihr den Preisz für allen lassen, und ihr naclisaj^eu: dasz sie
Eisz erwärmen. Steine erweichen, und Todte beseelen könne. Aber
ihre Liebet dienet nur fUr die Nacht, oder tiir Blinde. Denn wenn
ich auch bei der grOsten Lost sie anschaue, fället mir ihre Todten-
Farbe in die Augen, welche die lebhafftesten' Begierden ersterben
lisit Ihre Kohlen-Gkstalt machet: dasa das Fener meiner brennen-
•den Liebe zu aosgeloechenen Kohlen wird. Ihre tianrlge nnd der ge-
memen Heinnng nach Ton einer Titerliehen Verflndinng herrlUurande
dchwirtie machet: dass mir im Angenblicke das Hertse» nnd in dem
grOsten Eyver alle Kannbarkeit entftUt, well sie gleichsam meiner
Lie])e einen kläglichen Ausgang wahrsagt; dahingegen deine weissen
Flammen der Schönheit, 0 holdseelige Sentia! mich zur Frende auf-
muntern, meine Kräffteu ergäntzen. Sentia begegnete ihm mit fol-
gender Antwort: O kaltsinniger! O einfftltiger Bojocal! können dich
diese vier Liebea-Gr)ttinnen nicht erwärmen, so wirst du gewisz bey
allen andern und noch mehr bey einer einzelen erfrieren. Wer hat
dieh überredet: dasz die Schfinheit in der Farbe, nicht aber vielmehr
in gescliickter Bild-Eintheilung der Glieder, nnd in richtiger Zusani-
menstimmung des gantzen Leibes bestehe? Wer hat dir einen solchen
IiTthura aufgehalset: dasz nlles, was schwartz, lieszliih sei? Sind nicht
die tunckeln Früh- und Abeud-Stuuden des Tages die behägliciwteu?
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— 272
Sachen wir nielit b«y ihrer Uebkosenden Kflhle frtoche Lidft« wenn
wir ans für dem Uditen HIttege versteekt haben? Verstecken wir
im« nteht in den Schatten der Wilder und Holen« ja bauen wir nicht
adbet m nnaer KigOtsongr ktnstliche Fineterntteee? HfUien wir nne
nicht hingegen für der Sonnen, als dem Bronnen des Lichtes, nicht
nur die ThUren, sondern anch die Fenster sn Tersperren? Sind die
tonckelen Hiaoynthen, die blanen Veilgen, die schwartxen Tnlipanen
nicht die schönsten? Efichen die schwartzen Neichen nicht am st&rcksten?
Oläntzen die schwartcesten Haai-e nicht am meisten? Spielen die
»chwartzen Au?en nicht am stärcksten mit dem Blitze der Liebes-
Strahlen? Verzeihe mir, kluge Sentia, versÄtzte Bojocal, dasz ich
deinem Urthel, welches ich sonst so hoch achte, hierinnen nicht bey-
falle. Andere schwartze Sarlien können wol, aber schwartze Men-
8cl\eii nicht schön seyn; oh uloicli ein und an<ler Stücke in der Schön-
lieit schwärt« s^yn niusz. Di^' Natnr hat einen» jeden (xliedc seine
anständijj^e Farh<» atisers« heii, dt rer Yersätzmiir alles verstellet. Die
den ^lund zieren« le Küthe is«t in Anir<'n, das die Augen su annehm-
lieh-niaeliende Himmel-ldaii ist auf dem Munde und der Nase ein
Schundfleck. Eben so niadiet die denen Angenstenieu und Auerenbi-aneu
dienende Scliwärtxe die üaut sonder allen Zweifel so lieszlich, als
sich eraignen würde, wenn jemand grüne Haare, gelbe Augen, lein-
fhibene Wangen h&tte, ungeachtet die grOnen Haare der Biniue,
nemlich die BIfttter, allen Fflantsen, die gelbe dem Golde als dem
Angapifd der Welt, die leinfarbe aber den Anemonen so wol anste»
hen. Denn ob swar ich wol weiss: dast ein grosses Theil der Welt
mit eitel von der Natnr so schwarta gemahlten Xensehen angeflUlet sey;
so ist doch disi nicht die nrspringUche Gestalt der ersten-sondera
die Aifter-Faibe nachfolgender Kensdien. Wir haben nnsere Anlranüt
▼om Himmel, weteher in sidi so viel tausend Lichter beherbergt, dast
er ja alles schwartze ausschlüsse. Uns ist die Nacht nnr zum Schlaffe,
der Tag aber xam Leheu bestimmet. Daher solten die mit der Farbe
der Nacht verstellten Mohren nnr des Nachtes, wie wir am Tage,
leben, die wir mit der Farbe des Tages geschmücket sind. Die Moh-
ren selber müssen disz nachgeben; denn sie verfluchen die sie so aus-
paui^end und verbrennende Sonne; Sie wünschten z weiffei slrey selbst
in einem andern Ecke der Welt gebohren zu seyn, als in ihrem, wel-
che«, ungeachtet ihrer- so vielen Sonne, mehr als das der Cimbern,
ein Land des Schattens ihrer finsteren Menschen halber geneuuet zu
werden verdienet
Oraek tmi W. 2r«b« to a«t«aktl».
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Geschichte des Romans
und der
ihm verwandten Dichtungsgattungen
in Deutschland
Felix Bot>ei*tasr.
Erste Abtheünng.
Bis smn Anfange des ZVIIL Jahrhunderts.
Zweiter Band. — Zweite Hälfte.
>m<
BERLIN.
Verlag von Leonhard Simion.
1884.
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Mit dem Torliegenden Halbbande wird die erste Abtheilung
meiner Arbeit vollständig. Ich glaubte, erst hier ein Begister
geben za sollen, ohne mich darüber zu täuschen, dasz das Buch
iu der Zwischenzeit — sie ist nur durch sehr uiigiinstige äuszere
Umstände weit lünger geworden, als es beabsiclitigt war —
schwerer benutzbar sein würde. Wenn es mir beschieden ist,
das Werk weiter fort und zu Ende zu führen, soll hinfort jedem
Bande ein Begister beigefttgt werden.
Zu meinem Bedauern ist der zweite Halbband des zweiten
Bandes wieder von 1 an paginirt worden, ein Versehen, welches
in dem Umstände seinen Omnd hat, dasz ich die Gorreetnr der
ersten Bogen nicht selbst besorgen konnte, und welches ich meine
Leser zu entscluildigen bitte.
Von aller Polfmik nehme ich hier nach reiflicher Ueber-
legung Abstand. Das, was ich dor Wissenschaft geleistet und
was ich Yersehen habe, wird weder besser noch schlechter, wenn
ich auf Jeden Vorwurf der mir ungerecht scheint, antworte, und
es scheint, als ob die Länge der Zeit das, was ich zu schaffen
versucht, durch die Stimmen unparteiischer Beurtheüer wollte
zur Geltung kommen lassen.
Ueber die von mir behandelten littorariscben FJrzeugnisse
sind, seit mein Werk zu erscheinen anget'aiigon hat. verschiedene
Arbeiten veröffentlicht worden, welche Beachtung verdienen, und
es sind neue Einzelheiten zu Tage gekommen, welche mir Ge-
legenheit geboten haben, einzelne Punkte auf dem weiten und
bisher äuszerst wenig kultivirten Felde genauer zu untersuchen.
Dazu kommen von mehreren Seiten laut gewordene Wünsche,
dies und jenes stotfireicher bebandelt zn seben. So würden blosse
kurze Nacbtrftge zu dieser ersten Abtbeilnng den Torbandenen
Stoff nicbt baben anfiiebmen können und weit Aber die in dem
Plane des Werkes liegenden Grenzen hinausgegangen sein. Wenn
ich auf diese Weise zu dem Entschlüsse gekommen bin, der
ersten Abtheiliing in einiger Zeit ein selbständiges Supplement-
heft folgen zu lassen, so hege ich die feste Ueberzeugung, das
sachlich Richtigste und Angemessenste zu thun. Ich darf also
au meine Leser die Bitte richten, mir es nicht zum Vorwurfe
machen zu wollen, dasz ich einzelnes, wie z. B. die neuerdings
über Grimmelsbansens Familie zn Tage gekommenen ArchiTalien
hier noch nicbt besprochen habe. Das Register habe ich so ein-
zurichten gesucht, dasz es sich mOgUchst einem Repertorinm
fftr jeden, der sich mit dieser Art Litteratnr beschfiftigt, nähert
Allen, welche mir mit Rath und That zur Fiitigstcllung
meiner Arbeit behülflich gewesen sind, spreche ich meinen besten
Dank aus.
Breslau, Juli 1883.
Felix Bobertag.
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Zwölftes Capitel
Grlmmelsliausen.
Wir haben in dem nennten Gapitel dieses Büches
die EntwickeluDg der deutschen Prosadichtung im
XYIL Jahrhundert bis su dem Punkte yerfolgt, wo
OpitE durch seine Argenis dem heroisoh«galanten Boman,
durch seiuc Hcricynic wenigstens gewisscrmaszen dem
schaferlichen Romane den Weg vf '\es. Wenn wir in der
Zeit Yon 1600 bis 1630 nach ToiksthOmlichen Gegen-
stücken en dieser entschiedenen Kunst- und Gelehrten -
dichtung fragen, so können wir etwas Derartiges nur in
den ans Spanien importirten pikaresken Bomanen finden,
yon denen nachgewiesen wurde, wie sehr sie, obgI«ch
dem Auslande entstammend, doch von ihren Yerdeutschern
— mehr oder weniger geschickt freilich — den deutschen
Terhftltnissen angepasst und den Originalen gegenüber
selbständig gehalten sind.
Immerhin aber kann in diesen Schriften wegen ihrer
do<^ nur geringen ürsprOnglichkeit und weil das neu Hin-
zugekommene und das Deutsche in ihnen keineswegs das
Beste ist^ nur in sehr beschranktem Öinne ein Gegongewicht
gegen den heroisch - galanten Boman gesehen werden.
Dasn kommt> das» sie sich Uber das dritte Jahrsehnt, das
der Opitzischen Reformen, überhaupt nicht fortsetsen.
IL 8. 1
Ihnen gfesellen sich Sohwankbfloher und andere unter-
haltontlü oder belehrende Sammelwerke bei, doch auch
diese stehen, wie wir weiter unten bemerken werden, in
keiner Hinsieht anf einer sehr hohen Stufe. Wir sehen
also, dasB von dem Zeitpunkt an, da Zesen auftrat, bis
zum Erscheinen der Simplicianischen ') Schriften Grim-
melshausens kaum Ton einem Tolksthümliehen Gegensalie
gegen die herrsehende Richtung in der ensAhlenden Unter*
haltuugsliteratur die liede sein kann.
Die Entstehung und Bedeutung der Simplioianiaohen
Sohrilten begreifen heisst die gesammte yolksthamliehe
Schriftstellerei des XVII. Jahrhunderts, soweit sie nicht
der lyrischen Gattung angehört, richtig und vollständig
auffiMsen. Was yon ihr sonst noch irgend Beaohtong
Tordient, steht in theils näherer, theils entfernterer Be-
ziehung zu Grimmelshausen, ja auch auf die Eigenart
und Entwiokelung des heroiseh- galanten Romans fiUlt
Yon ihm aus neues Lieht»
Hans Jakob Ohristoficl von Grimmelshausen starb
den 17. August 1676 als Sohuitheisz zu Renohen in Baden
damals zum Gebiet des Bischofb von Strassburg gehörig
Aus seinem Leben wissen wir nicht allzuviel, werden auch
schwerlich noch etwas Wesentliches erfahren. Zwei Um*
stftnde aber sind hinreiohend bekannt undfestgestellt» welohe
eine Bedeutung für seinen Charakter als Mensch und als
Schriftsteller in Anspruch nehmen. Er war im drciszig-
jährigen Kriege Uber ein Jahrzehnt lang Soldat und trat
ge^en das Ende seines Lebens Yom Protestantismiis zum
Eatholicismus über. Die grosze Wichtigkeit seiner un-
mittelbaren persOnliohen Theilnahme an dem groaiea
') Ich verstehe hierunter alle Schriften, als deren Verfasser nach
GrimmelähauAens FicUon äimplicisiiimufl angesehen sein will.
i^iyiu^cd by Güü
— 3 —
Kriege wird weiter uoten g^ebtthrend gewürdigt werden,
sein Uebertritt zum Katholicismus ist von einem seiner
letzten Herausgeber mit Unreoht wieder in Zweifel ge-
zogen und, wenn er ja Btattgeftinden, als bedentnngslos
beseiehnet worden, weshalb ich hier in Kürae daranf
eingehen will.
Den einzigen absolut sicheren Anhalt bildet für die
Entseheidnng dieser Frage die in Grimmelshanaena lots-
ten Lebensjahren yerfaszte kleine Schrift „Simplicissimi
Angeregte Ubreachen, Warumb er nicht Catholisch worden
könne? Von Bonamico In einem Gesprftoh widerlegt"
Merkwürdiger Weise ist ron denen, die sieh dafOr ent-
schieden, dasz Grimmelshausen als Protestant gestorben
sei, der Schlusz dieses Dialogs, welcher auf das Ganze
erst das leohte Lieht wirfit, nicht genügend beachtet
worden. Bonamions ist ein EathoUk, der den Simpli
cissimus zu seinem Glauben bekehren will; die einzelnen
Punkte, welche Gegenstände der protestantischen Polemik
bilden, werden yon Simplidssimns yorgebraeht und Yon
jenem widerlegt. Znletat sagt Bimplieissimus: «Höret
auf, Herr Bonamicus, höret auf, es ist genug. Ich wül
mich geben. Ich sehe wol, dass ich bisz daher bin hinters
Lieht geführt und übel beredet worden. loh begehre
seelig zu werden, und weil ichs sehe und greiffe, dasz es
ausser der Catholischen Kirche nicht geschehen kan, so
will ich aneh nicht länger ausser derselben bleiben, son-
dern in Ihr loben und sterben.*
Wer diese Stelle ohne Yoreingenommeuhcit liest,
wird nicht umhin können, zuzugeben, dasz eine Schrift,
die so sohliesst, nur von einem bereits aom Katholioismiis
TJebergetretenen yerOffentlioht werden konnte. Es musz
auch betont werden, dasz der ganze Inhalt und der
1*
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Sohloes dieses Gespridis kemeswegs isolirt den An*
Bobflnimgen gegenttber steht, welehe Grimmelabsmseii im
Punkte der Religion in allen seinen Schriften kund ge-
geben hat. Denn wie dies Ge^rfleb einen popnUr ireni-
sdhen Traotat, nicht sowohl lur Yerdanunnag des Pre-
testantismus als vielmehr zu seiner Yereinigmag mit dem
EatholicisniuB, wie ihn Grimmelshausen auffas%t, darstellt,
so seigt der Yerfiuser fibevail, wo er anf Beligion sn
sprechen kommt, irenisobe Gesinnungen. Wenn er dabei
nach meiner subjectiven Meinung iillerdings die Gcgeu-
sätce der Bekenntnisse und der Kirchou Verfassungen ')
untexiebfltst, so bat das objeetiv niebts anf sieb. Man
kann ans seinen Sebrülen genan sehen, wie er sieb die
Bache zurecht gelegt hatte, und man musz zugeben, dasz
seine Auffassungen die einer amma Candida sind, seinem
ganasn Charakter sehr gut entspreelien nnd sieh ihm
wflbrend seines Lebens als Angenseugen des namen*
losen Elends, welches der Roligionskrieg über Deutsch-
land gebracht^ tansendmal angedrängt haben mtssen.
Fasit man non das Gespffteh mit Bonamieo nnd seinen
Ucbertritt als den Schluszpunkt einer langjährigen Ent-
wickelung auf, so wird man sagen, dasz fQr Grimmeis-
bansen aUerdings in seiner amtUohen Stellung im
Dienste eines katholisehen Bischofs ein starker Ansserer
Grund lag, sich der katholischen Kirche ottcn auzu-
schlieszon, dasz aber dies bei seinen selbstgebildetcn
und wohldurchdachten Anschauungen nicht den minde-
sten Schatten anf seinen Charakter wirft. Yen hier
ans sind nun die übrigen Gründe, welche far und
wider in dieser Sache y<Mrgebracbt worden sind» su beur-
») Schon Fa^sow hat in den Bl. für lit. Unterh. IsiA, S. KUC
diesen Umätaud bemerkt, aber, wie mir scheint, nicht richtig beurtheilu
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— ö
thefleo. Dass ricli BimpHeiBsiiiraB als Protestant be-
trachtet'), spricht ebensowcDig gegen seinen IJebertritt
wie die Stelle im Ewigw&lireuden Eulender, wo er sich
einen Proteetanten nennt und wie der Umatand, daaa die
Gegend yon GMnhansen protestantisch war, sowie die
öfter TOrkommcndcu Citatc nach der Luthorschen ücbor-
setzung der Bibel, die thatsaohlioh andere nicht aus-
Bohliesien'), oder der Yerlagsort Ntbrnberg, wo eine Anaahl
Bileher katholischer Yer&seer erschienen sind. Anch die
hie und da vorkommenden tadelnden Bemerkungen über
katholisohe GeiaUiche und Zustande in der katholischen
Kirehe sind yon diesem G^esichtspunkte aus au betrach-
ten. Schlieszlich ist an einige Dinge zu erinnern, die,
wenn sie auch fiu* sich allein nicht ausreichen, den
Uebertriti Grimmelahansens striet au beweisen, dennoch
ansammen und im HinbHek auf das Gespraoh mit
Bonamico etwas zu bedeuten haben. Hierher gehört die
bekannte Stelle im Reuchener Kirchenbuche die Auf-
nahme sehr umfuigreioher Stellen aua einem so speoifisoh
kaiholisehen Schriftsteller wie Gueyara am Bnde des
V. Buches und das entüchiedeno Auftreten für die Jungfrau
Maria'). Was den Ewigwahrenden Kalender anbetrüü»
*) VornehniHch iu dem (Gespräch mit dem reformirteu (ieistUcben
in Lipp^tadt. Bcli. IH,
») Seite 89.
^) Vergl. die Stelle am Eude des 12. cap. des II. Bnehes.
«) Anno 1670 17. Angnsto obiit üi Dommo Honestu et msgno
faigenio et eniditknie Joaimes Ohnstoplionis Ton GMmmelshaiHeB prae-
tor h^jus lod et qnaaiTis ob tnimdtiu belli nomeii militiae dsderit et
pueri hhie hide dispersl ftierint, tameu hic casa omnes conTenenuit, et
fisieiis saacto (sacramento) Eachariatiae pie munitiu obiit et sepal*
tos est, cujus an(iiiia) reqaiescat in pace.
*) Durch die einem Lästerer der Jungfrau Maria verabreichte
unsichtbare Ohrfeige. Vogelnest T. L cap. 4. -vergL Bch, III. cap. 20.
und das Gespräch mit Bonamico.
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der mit der schon erwfthnten Stelle und dem Todestage
Luthers ') für Grimmelshausens Protestantismus heran-
gezogen worden ist, und in dem man auch einige aul
ungehörige Zustande in der katholischen Kirche besOg-
liohe Anekdoten finden kann, so wage ich sogar die Be>
hauptunir, dusz er dem Unbciangenon im ganzen nur als
ein katholisches Buch erscheinen! moss. Ein Mann, der
in jener Zeit entschieden und voll auf der Seite der Pro-
testanten stand, konnte unter keinen Umständen weder
die Heiligentage an so hervorragender Stelle auÜB&hlen,
noch soviel Legendenstoff vorhringen, was als nach dem
Papismus schmeckend selbst bei wenig eifrigen Protostanten
im höchsten Grade verpönt war.
Ich komme also au dem Schlüsse, dass Grimmels-
hausen seit Anfang seiner sohriftstellerisehen Thfttigkeit
— denn von der früheren Zeit kann man natürlich nichts
sagend — schon einen Standpunkt awischen Katholicis*
mus und Protestantismus eingenommen und sich sehliees-
lieh nichts weniger als unvermittelt der katholischen
Kirche gans angeschlossen hat Erklärungen über meine
persönliche politische und kirchliche Stellung, welche
mich hier als mehr als unparteiisch ausweisen würden,
gehören nioht hierher, nur zur Warnung für allzu scharf-
sichtige Leser sei soviel angedeutet
Es scheint nicht fern ssn liegen, der Sohriftstellerei
Grimmelshausens eine zwiefache Richtung zu/.uschreibeD,
insofern sich mehrere seiner Werke neben die heroisch-
galanten Romane stellen, und man kann auch leicht aul
') S. 154. Vgl. Kögels Einleitung. S. XVI.
D.isz sich Simplicissimus einmal (V, 2) «öfteutlich zn der
kath. Kirche bekirnnf, halte ich fUr nicht maßgebend in Bezug aut
Grimmelshauaen selber.
i^iyui^cd by G
— 7 —
den Gedanken kommen, hiermit seine Peeudonymitftt auf
der einen und die Nennnngf seines wahren Namens anf
der andcreu Seite in Verbindung zu bringen, allein wir
werden uns im Laufe der folgenden Betrachtung sehr
bald Obenseugen, daei eine solche Unterscheidung und
Verknüpfung weit weniger auf sich bat, als es zunächst
scheint ,und wohl auch hie und da angenommen wor-
den ist
Bs ist möglich» und daher hier angemessen, die ge-
{jammto literarische Wirkbanikcit dieses ersten deutschen
Komanschreibers, dem die Bezeichnung eines genialen
Mannes sukommt, im Zusammenhange und in chrono-
logischer Folge SU betrachten, obwohl hinsichtlieh der
Entstehungszeit und dos ersten Erscheinens einzelner
Werke noch Zweifel obwalten können.
Soweit uns bis jetzt der Zeitpunkt bekannt ist, da
Grimmelshausen als Schriftsteller auftrat, fUllt er an das
Ende der fünfziger Jahre seines Jahrhunderts, also etwa
in sein yiersigstes Lebenigahr. Denn 1659') erschien
der foat die frnheste seiner Schriften angesehene fliegende
Wandersmaiin nach dem Moud, und in der Traumgeschicht
von Dir und Mir, der als Anhang die Reise in die Neue
Oberwelt des Mondes beigegeben ist, findet sich ein
Hinweis^) auf das Jahr 1658 als späteste Abfiissungszeit,
obwohl die älteste bekannte Ausgabe 1660 erschien. An
allen drei kleinen Werken, welche anonym sind, ist auf
interessante Weise zu sehen, dass Mosoherosoh das nftehste
*) Wolflfenbttttiel 1^, Femer 1667 a. 0. 12« und in den OesAmmt-
siugaben.
') ... 80 wollte ihm nicht von nöthen sein, dasz er den IkjcIi-
mttthigen Cromwell allererst um einen Paaz ersuchen solte (nämhch
einem, der £uglisch versteht). Cromwell starb S. Sept. 1658.
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deutBohe Vorbild dee Yertesen war. An ihn aebliesit
sifAi Orimmelshaiieeii in der Sinkleidung, dem Stoff» nnd
der Behandlung an, am genauesten in den beiden letzteren.
Die erste ist kein Onginalwexk» sondern eine Ueber-
setenng des franEOsiseben Bnobes L*h<mme dem» la Lüne
von F. Baudoiu'j, welche ihrerseits wieder T7ie Man in
the Moon or a Discourat of a Voyage thither by Domingo
GomaU» von Fr. Godwin*) aar Vorlage hat
Der Inhalt des Buches, welches auch iu seiner frau-
sösisohen und englischen Gestalt nicht unbeliebt gewesen
au sein scheint'), ist in Kürae folgender:
Dominico Uonsalcö, ein Edelmann aus Sevilla, trat
zuerst in die Dienste eines französischen Groszen, dann
in die des Herzogs Alba. Er yerdiente sich Geld, musste
aber wegen emes Duells flochten, ging nach Indien nnd
bliebi während der ROckreisc crkninkt, auf St. Helena,
das genau und wahrheitsgetreu beschrieben wird^), znrQck.
Nach seiner Genesnng beschäftigte er sich mit der Er-
findung von optischen Telegraphen, besonders aber mit
der Abrichtung einer Art Vögel, die er wilde Schw&ne
nennt nnd dasu brachte, ihn durch die Luft an tragen,
indem er eine grosse Anaahl yon ihnen an ein holaemes
*) Paris 1648 nach Kon I, XXV.
*) London leaa 1:9* Q. 1667. I3fi nach Knn a. a. 0. und Giian
L. O. Mir sind die beiden Bttcber nicht bekannt. G. de Pereel führt
S. 886 das fransOaisdie Bach an als tradoit de TEspagnol par Jean
Bandonin in 12. Paris 1624. 1651. 1654 nnd fügt hhisa: il y en a
enoore eu plnsienrs autres Editions beauconp plus modernes.
Vergl. die vorhergehende Annierkunp;'.
So enger Anschhisz an die Wirklichkeit bei einzelnen Dingen,
sowie Hehr beHtinnnte Zeitangaben sind ein den phantastischen Reise-
geschichten der neneren Zeit charakteristischer Zug, aber nicht, wie
gesagt worden ist, eine Ertindung Swifts.
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Ö-6Btell befestig^ Mit dieser Flugmasdiine kehrte er
im Jahre 1509 nach Spanien zurück.
Die spanisohen Sehifie, mit denen er die Bilekreise
angetreten, werden nnn in der Nfthe von Teneriff» ron
Engländern angegriiien, und da die Saclio sich schlimm
anlftest, so rettet sich Dominico auf das Land. Dort von
wilden Leuten bennrohigt» Iftest er sich Yon seinen Tögeln
auf den Gipfel des Berges Pico tragen. Bald aber er-
heben sich jene pfeilschnell immer hoher, und nachdem
er eine Ton Yegeln ond Dftmonen bewohnte Luftregion
passirt hat, nftbern sie sich dem Monde, wobei der Ter-
fasser Gelegenheit nimmt, allerlei geographische und
astronomische Bemerkungen xu maohen.
Dienstag den 11. September 1599 langt er, nachdem
or namentlich Beweise für die Wiihrheit des Kopernika-
nischen Systems gesammelt, auf einem Berge des Mondes
an. Zunächst nimmt er wahr, dasz daselbst alles weit
gröszcr ist als auf der Erde, und sättigt sich nach dem
Beispiele seiner Vögel von den Blättern einer Pflanze.
Von den riesenhaften Mondleuten wird er freundlich auf-
genommeq, ein Yomehmer führt ihn in seinen tiber alle
Beschreibung herrlichen Palast, dann auch zu dem Landes-
ftlrsten, genannt Pylones, der jedoch einem Oberkönige
unterthan war. Einer Sage nach erschien nftmlich der
erste der Fürsten des ganzen Landes, genannt Irdonozur,
welchen Namen auch alle seine Nachfolger führen, von
der Erde her, heirathete die Erbin des Mondes und kehrte
wieder auf die Erde zurück. Die Mondbewohner sind
sehr wahrhafte Leute und erfreuen sich einer wohl bis
an 1000 Jahre reichenden Lebensdauer. Je grosser sie
von Leibe sind, desto geistToUer und langlebiger sind
sie auch.
— 10 —
Um in den Palast des Pylonas zu gelaDgeo, bedienen
sie sich einer Art yon !Federwedeln, gleich den Fflohem
der Spanierinnen, mit denen de fliegen. Dieses Flieden
wird erleichtert durch die der Attraotion des Mundes
entgegenwirkende der Erde, infolge deren einer ÖO bis
60 FasjB in die Höhe springen kann, ohne wieder schnell
herabzufallen. Der Pylonas nimmt Dominico freundlich
auf. Ein langer Schlaf überfällt ihn, eine Erscheinung,
die bei allen Leuten seiner Grosse — denn auch solche
giebt es — sich seigt, wenn die Sonne in der Nahe ist
E8 giebt auf dem Monde dreierlei Menschen, die
eigentlichen Mondleute sind 10, 20 bis 27 Fuss hoch.
Der Fflrst der grOszten Sorte, die auf einer besonderen
Insel lebt, heisst Hilnchi. Ihre Sprache ist sehr schwer su
lernen, besonders darum, weil sie die Worte nicht blos durch
Laute, sondern auch durch musikalisohe Töne kenn-
zeichnen, wovon Proben in Noten beigefogi sind. Domi-
nico lernt jedoch diese Sprache in zwei Monaten ziemlich
geläufig sprechen und unterredet sich jetzt öfter mit den
Mondmenschen. Auch der Irdonosur Iftsst den Yerfiiaser
vor sich kommen und beschenkt ihn mit B^elsteinen,
die wunderbare Kräfte haben. Die Mondmenschen sind
inftszig, keusch und fliehen von Natur alle Laster. Wenn
sie an einem Kinde die Neigung an Lastern bemeiken>
so vertauschen sie es mit einem Erdenkinde. So mögen
wohl die Völker von Amerika (wenn ich die etwas con-
fttse Stelle recht verstehe) von ihnen herstammen. Poliiei
und Gericht existirt da nicht, wo es keine Laster und
Verbrechen giebt, die Regierung steht im höchsten An-
sehen. Auch Krankheiten und Aerzte sind völlig unbe-
kannte Dinge. Wenn der Tod eines Menschen herannaht,
so macht er ein lustiges Fest mit seinen Frennden. Ihre
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- 11 —
Leiber werden nach dem Tode aufbewahrt» da sie nicht
TOrweaen. Immer herrscht gutes Wetter und FrOhlingf.
Als Dominico bat, ihn zu entlassen, willigten der Pylonas
uud derlrdonozur nur ungern in bcIuc Abreise. Erstcrcr
lieea (hier verräth sich wohl der englische Urheber) die
Königin Elisaheth grttssen.
Donnerstag den 21). ^lärz 1601 reist der Verfasser
Yom Monde ab und gelangt wohlbehalten auf einen Berg
in der Nfthe von Pekin in China. Er wird gefiuigen
genommen, erlangt aber bald die Gunst eines yömehmen
Mandarinen, triüt Jesuiten und bereitet sich zur Heim-
reise nach Spanien.
Die Traumgesohieht und die Mondreise sind eigent-
liche Träume mit satirischer Tendenz, wenig Erzählung
und mehr Kaisonnement, Schilderungen und Gespräche.
Die erste ist kunstloser angelegt Der Yerfsuiser erzählt
einfiioh, er sei eiugesohlafen und im Traume einem Haufen
Leute begegnet, die er geschickt und launig charukteriüirt.
Dabei zeigt sich Grimmelshausen schon mit allen seinen
Eigenthfimliohkeiten, so dass er aus der kürzesten Stelle
unaweifelhaft wieder zu erkennen ist Z. B. „Ein feiner
junger Mann gieng eine weile zu Fusz, und liesz sein
Pferd indessen fortführen. Ich habe ihn vor einen jungen
Dootor angesehen, wiewol er etwas undoetoriseh in weiten
itst gewohnlichen Stieffein daher haspelte oder ruderte,
und die Fossc neben auswarÖe, als wenn sie nicht sein
wftren, und die Beine von einander gerattelte, als wenn
er erst mit Garoli des achten Königs in Franokreioh
Lands -Kindern von Neapolis käme'). Das beste war,
weil er ein schOu Gesteck Messer verlohren, dasz sie
*) als ob et «die Fiaatzosen" b&tte«
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— 12 —
ihm in den Kappen der eohweüenden Sliefieln, da sie
aus dem Saek gefidlen, liegen blieben: Massen er denn
dasselbigc in meinem Beyseyn, und noch eine schöne
Serviet, neben etlichen Beinen von einem Kalbsbraten,
die ihm bei dem Mittag Essen unter dem Tiseh gofiüleii,
darinnen gefunden. Jedweders Knie in den weiten Hosen,
da auf bevden Seiten ein ziemlicher Schornstein fesrors
Junge gemttcblioh hinein sohliefien kOnte, war mit etlioh
hundert Elen Taffidt gebändelt, sonderlieh auoh fomen an
dem Ort, da yor alten Zeiten der Bcbone Adonis den
tödtlichen Hieb von einem wilden Schwein empfangen,
und Venus sich bald darüber zu todt gegreint Aoh wer
weite da nioht greinen? Es wäre einem ja besser ein
Ohr als etwas anders ab. Ich sage au dem Ort, da die
Schaben ') die Netze ^) tragen.**
Der YerfiMser beginnt mit den ihm Begegnenden
Gespräche, in denen no'm satirischer Humor weiter sein
Spiel treibt und sich eine ausdrOckliche Besiehung auf den
JBicpertu$ Rwpertu» des Mosoherosoh findet
Zu Anfang der Mondreise sagt er, dasz er in den
Mond gekommen sei, er wisse nicht wie. Dann folgen
Unterredungen mit den Mondleuten, wobei er die Ge-
legenheit benutst, sie mit satirisehen Berichten aus
seinem Vatcrlaude zu unterhalten. Aui Schlüsse springt
er, von einem eifersüchtigen Liebhaber verfolgt, zum
Fenster hinaus und findet sich in seinem Bett liegend.
Auch dieses Schriftohen strotzt von Humor und drolligen
Einfüllen und trägt in jeder Zoilo den Stempel Grim-
melshausenschen Geistes.
') Sehwabeu.
') Lfttse. Ich citire nackdw GettmmtanBg. y. 1695/99. Kurz No. 4.
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— 13 —
Die eine der Torreden des Satyiisohen Pilgrams,
und zwar jedenfalls die älteste, ist vom 15. Februar 1666
datirt. Wenn nun auoh eine Ausgabe dieses Werkes von
1666 noch nioht bekannt isti so ist dooh Yon B. Kogel,
der eine Tom Jshre 1667 naebgewiesen bat, ausser allen
Zweifel gestellt, dasz das Buch vor dem Simplicissimus
ersehienen ist') £& ficüirte den Nebentitel Kalt nnd
Wann, Weiss und Sebwarts, wurde in der Zeit abgefiMSt,
als Grimmelshausen schon am Simplicissimus arbeitete,
denn beide Werke beziehen sich gegenseitig aufeinander^),
i»d ist das erste, welches den Namen Samuel Greifnson
Yon Hirscbfeld trttgt Auch bietet es das Interesse, dase
die erste Ausgabe eine äuszcrst grobe Kritik hervorrief,
auf die Grimmelshausen in der vcrmuthlich zweiten vou
1667 ebenso antwortete. Die stolsen Worte, die ikm
dabei eatfabren: „Was meynestn Bestie wobl, weil iob
als ohngelehrter was unterstehe, was ich erst getliun
beben würde, wenn ich dazu auffgesogen und von Jugend
aalF angeführt worden wixe?" seigra, dass der Yer&seer
sieb selbst, nicht blos dem Simplicissimus, den Mangel
einer gelehrten Jugendbild uug zuschreibt. Den Grund-
gedanken und Flau dieses populAr-satiriscben Traotats
') R. Kögel hat auch durch den Seite VI und X getiihrten
Nachweis, dasz die Austfaben des Sat. P. erst von 1070 au auf dem
Titel sich als „des abenteuerl. SlmplicisHimi ■ bezeichnen, volle Klar-
heit in die Sache gebracht; vgl. Kurz, Einleitung. Es sind also jetzt
folgende Ausgaben stunmehaieii: a) 1606 (naoh der Datimg der Yer-
rede sa yermatheo); b) 1667. Leipzig, Frommann 1667. 12*; c) 1670
12*; d) 1671 12*; e) in des G^ammtansgaben 8*. Die Ausgabe von
1697 gehört in die Gesammtaiugabe Toa 1686. YgL die von Km
sageftthrte Stelle bei Jördem.
') Vgl. die Einleitung von Kurz und namentlicli die von Kögel.
Ich füge hinzu, dasz sich die Courasche im Kathstübel Plutonis
cap. XVI auf den Sat. P. als ein Werk des Simpi. bezieht
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— u
giebt GhTimmelshansen selbst in der Yorrede an. In der
Welt sei nichts auszer Gott allein vollkommen, aber auch
nichts ausser dem Teufel so soblimm, dasz nicht etwas
daran su loben wAre. Darum habe er jedes Thema in
drei Sätzen behandelt. „Im Ersten Satz wird erzcblet
eines Wesens Lob, Güthe, Nutz, Ehre, Nothwondigkeit*
Tugend und was des guten Dings mehr ist; Im andern
Stock oder Gegensats ersehle ieh eben desselbigen Wesens
Schädlichkeit, Laster, Miszbraucli und alles schlimm übel,
so ihme anhängt und mir su Gredttohtniss kommen; Im
dritten Stflok oder Nachklang sage ich meine unmftsilielie
Meiiuiiii!: auch darzu."* Demgemäsz werden nun zwanzig
Themata abgehandelt, im ersten Theile Gott, die Zeitalter
der Welt, der Mensch, die Bauern, das Geld, das Tanaen,
der Wein, die Schönheit, die Priester, die Weiber, im
zweiten die Poeterej, das Goschüts und Pulver, die Liebe,
der Tabak, die grossen Herren, die Philosophie, die
Mummerey (Maskeraden), die Medicin, das Betteln, der
Krieg. Man sieht, dasz Grimmelshausen der Mode der
Zeit, gelegentlich d4 rebus cnrnUma ' et rummdU» alm su
reden, seinen Tribut dargebracht hat Aber in der an sich
pedantischen Form, die uns wie eine Satire auf die dia-
lektische Methode der speculatiyen Philosophie anmuthet
seigt sieh doch die Gewandtheit und Leichtigkeit seiner
Schreibweise in sehr vortheilhaftem Lichte, wenn wir
ihn mit seinem Vorbilde Moscherosoh, und noch mehr,
wenn wir ihn mit den Yerflusem der heroiseh-galantnu
Romane vergleichen. Auch seine nicht zu yerkennende
Art, einzelne Dinge aus seiner reichen Erfahrung heraus
zu betrachten und mit seiner humoristischen Phantasie
SU illustriren, kommt sur Geltung. Während er, wie
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— 15 —
aneh sein Simplicissimus,') yom Tanzen nichts wissen
will, tritt er als jovialer Manu und echter Deutscher für
den Wein ein, und yon der Anwendung des Sohiesspulvers
redet er so, dass man den denkenden Militftr daraus er-
kennen kann. Sein ireniöcher Standpunkt in Bezug auf
die eonfessionellen Fragen kommt in höchst origineller
Weise in einer Stelle sn Tage, wo er vom Weine sagt:
„Du hast don Proisz vuii ullca Liquoren, und bist allein
würdig erkannt, dasz aus dir in der Catholischen Kiroho
das teure Blut des Erlösers (dayon ein einsiger Tropff
genug gewesen wäre, die ganze Welt in allen Lastern
äcelig zu machen) consecrirt: bey den Evangelischen unter
dir yerborgen: und bei den Beformirten durch dich re-
prftsentirt und also durch dich sowohl die Beel, als der
lieib gespeiset werde." Der ^woblvcrsuchte Soldat", wel-
cher die grellen Licht- und Schattenseiten des Waffen-
handwerks aus eigener langer Erfohmng kennt, spricht
in den Worten: „Obne Iluhm zu melden, ich bin clie-
malen auch darbey gewesen, da man einander das weisse
in den Augen beschaute, kann derowegen wohl Zeugnusa
geben, dasz es einem jeden, der sonst keine Memme ist,
eine Hcrtzenslust isti so lange einer ohnbeschädigt ver-
bleibt: Wenn einer aber yon fernen das erbftnnliche
Speotaoul einer Sohlaoht mit gesunder Yemunfb ansiehet,
so wird er bekennen müssen, dasz nicbts unsinuigcrs auf
der Welt sey, ab eben dies klftgüche SchanspieL''
In das Jahr 1667 wird mit viel Wahrscheinlichkeit
die erste Ausgabe des Josef gesetzt.^) Dieses Werk, das
*) Snnpl. Bnch m cap. IS,
^ a. O. o. J. im Vorwort wird der Hnsai Terheiazen, der sich
in den spätoran Ausgaben findet. — Nürnberg 1670. 12®. — Nürnberg
1671. la». - Nürnberg 167& 12». Der Simpl. bezieht sich Buch HI
cap. 19 auf dea Josef als ein Tom ihm veifasstes Werk.
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— 16 —
ebenso wie der Satymohe Pilgmn 4eit Sohrütotetter-
namon Samuel Greifoson yon Hirschfeld trägt, erhielt
bekanntlich eine Concurrentin an Zesens Assenat und
Qrimmekhaiuen dadureh Gelegenheit, sieh mit ZeM
anseinanderansetsen, woTon bereits die Rede gewesea
ist. ') Dasz der Josci\ der sich doch sonst ganz neben
Dietmold und Frozimiis stellt, nicht den wahren Namen
des Yerfiissers trftgt, dürfte vielleicht in diesem litera-
rischen Kencontre wenigstens zum Thoil seinen Grund
haben.
Josef, ein Wunder an Schönheit und Weisheit, ist
seines Vaters Liebling, in gleichem Grade aber der
Gogenötaud des erbitterten Neides seiner Brtider. ^ine
aus der Bibel bekannten Tr&ume bringen in jenen den
EntschlnSB sur Beife, ihn su Terderben, Jakob aber —
und hierin weicht Grimmelshausen doch wesentlich von
der Bibel ab^) — deutet die Träume und sagt daau:
^Mich Ewar wirds hOchlich erfreuen, wenn ich die Ehre
liabc, dich in bolchcni glücklichen Stande zu sehen, und
wollte Gott, dasz diese seine göttliche Vorsehung nur
bald ins Werk gesetst würde, dieweil ich gewisa weisi,
dasz solches eigentlich geschehen wird.** An einer anderen
Stelle bittet er ihn sogar im voraus um seine Protect ioo.
Josef wird nun von seinen BrOdem yerkauft, dar
Bibel gotnflsE auf den Rath Judas und gegen den Willen
Rubens I der ihn auf die bekannte Weise retten wilL
Jakob wird der Glaube beigebracht, ein wildes Thier
') II, S. 75 f.
Obwolil er im'. Vorwort sagt, er bringe ans seinen anderen
(Quellen nur ilas V(»r. was dor ]?ibel nicht zuwiderlaufe. Auch wegen
dieser QuclUn ist auf den Abschnitt iibfr Zesens Asseuat zu Ter-
weiseu. Andere ab dort augeführt siud, hatte Gr. uicht.
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- 17 —
habe Josef serrissen. Die Karawane, welcher der Käufer
Josefs aDgchOrt, wird Ton Räubern angegriffen, aber der
dabei befindliche scliluuo Elamit oder Perser Musai rettet
alle durch dea £io£ill, Josef köstlich su kleiden und ihn
fflr den Gott Apollo auszngeben, worauf die Rftuber ein-
zugehen die Güte haben. Ein sieh Aber den Besitz
Josetd erhebender Zwiespalt wird von Musai mit Mühe
beigelegt.
Die Ismaeliten schenken ihn dem Pharao, dieser aber,
auf seine Schönheit, die ihn selber den Frauen unwerth
machen könnte misztrauiscb, schenkt ihn denselben
sogleich surtick, und Josef wird fQr grosses Geld an
Potiphar, den Kflohenmetster des Königs, verkauft. Er
schlägt tretiiich ein, sein Verdienst ist es, dasz sich die
Habe seines Herrn mehrt, dies aber ist wieder sum
Theil Veranlassung dasu, dass Potiphar um die junge
Solicha wirbt Hierzu bedient er sich des Josef, und
Selieha verliebt sich natürlich in den Vermittler. Bald
nach der Hochseit wirft sie ihr buhlerisches Auge auf
ihn. Zunttchst stellt sie sich gegen ihren Gatten, um
dessen Vertrauen zu gewinnen, sehr verliebt. Ihren
Angrifi' richtet sie auf Josef im Garton, indem sie thut,
„als weite sie heimlich y errichten, worzu wir Menschen
beyderley Geschlechts tou Natur keine Zuseher su be-
gehren pflogen; Das ist, sich etwas leichter zu machen:
Aber in Warheit, so hätte sie lieber eine BUrd auf sich
genommen, welche just so schwer als Joseph gewost
wäre (worzu man zwar auch keine Zeugen erbittet;) Ihre
Meinung aber war vor diszmal, dorn Josef oÜ'outlich an-
snaeigen, was er yon ibr yerdeckter weiss nicht yerstehen
') Vgl. denselbea Zog bei Zesen.
II. 8L 2
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— 18
wolt etc.* Dieses so uiiTergloichlieh fein von der Sehönen
ungelegte tdte a töte giebt übrigens nur Grimraelsbausen
Gelegenheit, den in ihm Bteckendcn uayerbesaerlicben
Schalk, nicht aber der Selioha, ihre Liebe su offenbaren.
Denn die Daswischenkonfib des GUrtners Tcreitelt ihren
Zweck, ja läszt sie nicht einmal Uber den auf Josef ge*
machten Eindruck Klarheit gewinnen. Nach einigen
Tagen, als Potiphar abwesend war, erhftlt sie anf eine
deutlichere und vollständige Liebeserklärung eine tugend«
hafte Antwort, bei welcher Josef davon ausgeht, dass er
sie nur fttr einen Hohn halten könne. Asenath, ihre
Tanto, hatte »len Discurs gehört, macht ihr Vorwürfe
und theiit die läachc einigen Damen mit, welche Selioha
besuchten, aber von ihr auf eine eigenthomliche Weise
Yon der G-efllhrlichkeit Josefs überzeugt wurden. „Sic
hatte einer jeglichen Frauen so wol als auch der ausz-
bündigen Jungfrauen Asenath, ein schärfer Messer als
ein Bcharsach oder Schermesser neben den Toller gelegot;
und als die Mahlzeit vorüber war, jeglicher eine Citrono
reichen lassen, mit Versprechen, welche die ihrige snm
ersten gesohftlet haben wttrde, die solte einen schonen
Ring, den sie vom Finger nahm, und auf die Tafel legte,
gewonnen haben. Als sie nun im besten iScbalon waren,
trat Joseph aus Befehl seiner Frauen, unversehens ins
Gemaeh, in einem seidenen Sommerkleid, darinnen man
ihm das meiste seiner Schuecwoisscn Arme, einen guten
Theil der Brust, und die Knye yon dem Mittel-Thoil der
Schenckel an, bi^z anf die Waden nackend sehen konte *);
In der einen Hand hatte er ein vcrgüldes Haiulbecken,
und in der andern die Gieazkanne, denen Damen das
*) Vgl. Simpl. IV, 3, wo der Behl iu gleichem Aufzuge bei dea
franzüsischen Damen sein Glück macht.
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— 19 -
Handwawer sa bringen, die alle ihre Augen anf ihn
warffen, und über seiner unglanbliohen Sehönbeit der-
inassen crstarreten, tlasz keine mehr wüste, was sie thät,
ja, sie wurden so gar cutzuckt, dasz (indem sie diesen
holdseligen Anblick beeohaneten, und gleichwol den Bing
XU gewinnen eilend forteohftleten) sieh jede (auBgenommen
die Sclicha selbst nicht) in die Finger schnitte, dasz das
Blut hernacli tioöz
Nachdem die Damen weggegangen, erfolgt ein neuer
Angriff auf Josef und endet wegen dessen Weigerung
mit einer Ohuinucht Selichas. Endlich versucht sie es
noch einmal, indem sie ihre eigenen Reise nooh voU-
stftndiger ins Treffen fahrt, aber die Tugend Josefs Über-
windet alles. Sie behält den Mantel, verklagt Josef, und
er wird in das GelüJignisz gesetzt, wo er zunächst grobe
Schmiedearbeit Yerrichten muss.
Jetst mischt sich Asenath in die Sache, wfllhrt
Eunttcbst von zwei niitwisscudcu Kaiumermildchen der
iSelicha, dasz JoBcf unschuldig ist, und weisz in der Folge
verbessernd auf seine Lage im GefUngnisse einsuwirken.
Potiphar hatte kein gutes Gewissen, da Josef um einige
Veruntreuungen in seinem Amte wuszte. Letzterer be-
schäftigt sich im Gefängnisse mit Astrologie und erforscht
hierdurch, dasa Pharao und Sclicha bald sterben werden,
was auch geschieht Auch legt er den anderen Gefange*
nen, vornehmlich aber dem Mundschenk und dem Bäcker,
ihre Träume aus.
Üm diese Zeit kauft der Kerkermeister den Musai.
Dieser prophezeit dem Josef, dasz er bald ein groszer
Herr werden und in einer Woche eine vortreffliche Ge-
mahlin heirathen werde. Der neue König hatte vor
seiner Krönung die Träume von den Rindern und den
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— 20 —
Aehren, Josef wird geholt, besteht trefflich und wird,
naohdem er sieh wegen der Selieha gftnslioh gereehl-
fertigt, erhöht und mit Asenath verheirathet. Brsteres
war um so leichter, als sich auszer den Aussagen der
beiden Kammermftdehen noeh zwei Briefe, einer von
Selieha an Josef im Gefllngniss nnd der andere seine
Antwort, fauden. Deu Musai nimmt Josef in seine
Dienste nnd giebt ihm die zwei Kammermftdchen m
Frauen.
Es folgen die reichen und die kargen Jahre, Josefs
Brüder langen an, und die Sachen verlaufen gana, wie sie
in der Bibel ersählt werden, nur dasc Musai, weleher die
Brüder sofort erkannt hatte, ihnen sogleich das erste Mal
vorwirft, dasz sie einstmals einen Jüngling verkauft
hätten. Jedoeh ffthrt dieses noeh nieht anr Erkennung.
Bei Gelegenheit des Ghistmahls, welobes Josef seinen
Brüdern giebt, halt es Grimmelshausen, der des trocknen
Tons satt su sein scheint, wieder für angezeigt, ganz er
selbst zu sein. Er gesteht seine «ünTermOgliohkeit* ein,
«eine Geschieht recht ordentlich zu beschreiben**, und hiibe.
sagt er, manches ausgelassen, davon die Persinaer und
andere orientalisohe Volker Naohriobt haben, er habe
ohne das mehr davon herein flicken müssen, als die Bibel
in sich hielte. „IndcHsen bilde ihm der günstige Lioser
selbst ein, wie es bey Josephs Mahlzeit hergangen sejn
möchte? Denn da mangelt niehts, dasz man den grOszten
Monarchen von der Welt zu tractiren sich schämen
dörifte. Man kau ja wohl gedenoken, dasz sie bey dieser
sehonen Gelegenheit so wol Pharaonis als Jaeobs Gesund-
heit vielleicht getmnckcn Laben werden. Item, nachdem
die Brüder die Herrlichkeit Josephs, und sein treuhertsiges
GemOth gesehen, und duroh den Schall der Trompeten
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- 21 —
und andere Mnsioalische Seiten- Spiel und Instrumenten
(geschweige des guten Triiucks, deu sie hatten, und
der Extraordinari- Freud, die sie aus ihrer und Josephs
wunderbarlichen Begebenheit sohOpfften,) se^d belustiget
worden, dasss sie ohne Zweiffei auch ein ehrbares Tftntzel
gethan, darauf die Juden ohne das viel halten. Doch
kan es seyn, dass auch etliohe das trunoken Elend be-
weineten. Dies und anderes mehr, wie es möchte her-
gangen seyn, bilde sich ein jeder nun selbst ein, so gut
er kau, und nach seinem Belieben, denn ich ünde nichts
daryon geschrieben, so bin ich ja auch nicht selbst dabey
gewesen, dass ich alles so specifice h&tte anmercken und
beschreiben können; Und wenn ich schon dabey gewcst,
und oben an gesessen wäre, so hAtto ich mich doch ohn
Zweifel so bald, als sonst einer, so blind- stern- voll ge-
soflPen, dass ich mich gleich des andern Tags alles dessen,
was geschehen wäre, nicht mehr, geschweige jetzt, da
schon über 3390 Jahre seither verflossen, zu erinnern
gewuszt hätte. Denn ich kenne meine dOrre Leber gar
SU wohl **
Seineu zurOckkchrendeu Söhnen glaubt Jakob dio
Nachricht yon Josefs Wiederauffindung um so leichter,
als er kuns rorher sein und seiner Kinder Natiyitäten-
buch aufgeschlagen und sich der Trilunie Josefö erinnert
hatte. Er zieht mit ihnen nach Aegypten, und alles wird
kurs nach der Bibel angegeben bis zu dem Begräbniss
Jakobs, wobei Josef seinen Brfldem 'noch einmal Treue
zuschwört. Dann wird nur noch erwälint, was nach
Joseis Tode aus seinen Gebeinen geworden sei
Der angehängte Mnsai besteht zum grOszten Theile
aus archftologisch - historischem Kram, und Grimmels-
hausen scheint hier das nachholen zu wollen, was er
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- 22 —
gosreD den Gebrauch des Jahrhunderts, aber g^mflss
seiuoiii guten natürlichen Geschmacke weggelassen hatte.
Muaai, von Josef reich gemacht, bleibt sein treuer und
anhänglicher Diener. Er wird einmal von Asenath sn
einem Isisfeste geladen, dem aber beide, du sie den
wahren Gott kennen, mit geringer Andacht beiwohnen.
Hierbei giebt Asenath dem ICusai einen Abriss der ägyp-
tischen Mythologie, und Musui unterhält sciuc Herrin
mit der Geschichte seiner Vorfahren, namentlich mit der
seines Vaters Zoroaster und mit seiner eigenen. Dann
unterredet sieh Josef mit Musai Aber die Mittel, das dem
Lande durch Josefs Finauzverwaltung entzogene Geld
wieder unter die Leute au bringen — wie viel gesunder
praktischer Sinn spricht aus diesem Zuge! — und m
diesem Zwecke wird — ebenfalls sehr zweckdienlich —
Musai bei Pharao als Baumeister angestellt und beginnt
den Bau der Pyramiden.
Im Jahre 1668 ist nun, wie Griiiunclshauscn selber
im ii)wigwährenden Kalender') ausdrücklich sagt, sein
berühmtestes Work, der unsterbliche Bimplioius Simpli-
cissimus, das erster Mal gedruckt worden. Das nicht
ganz einfache Verhältnisz rlcr verschiedenen Ausgaben
SU einander ist, weil seine DainteiluDg sugleich die Gre-
sehichte der ibrtgesetsten Arbeit de^ Verfiissers an seinem
Hauptwerke darstellt, zunächst zu Crortcrn. Nach dem
derzeitigen Stande unseres WiBsens verhielt sich die
Sache so:
Jene erste Ausgabe, die im Jahre IGcjg erschien und
») S. 1)2 .... „der 80 genandte Abentewrliche ►'^'.nplicissimiw,
dessen Lebensbeschreibung: vorm Jahr dasz erste mahl getruc««^ y^^j.
den" und S. 94: „Als ich im verwicheueu Julio dieses 166U. Jai«,
die Saurbnumeu Ckur brauchte".
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— 23 —
Dar die ersten fQiif Bi&oher enthielt, ist bis jotst uieht
wieder aafgofonden worden. Unmittelbar nach ihrem
Erscheinen musz sich Grimmelshausen schon zu einer
neuen Bearbeitujig und ll^ortsotzung outecblossen. habeu
Er brachte darin namentlich lexicalisoho und grammatische
Yerbesserungen, d. h. Annäherungen an die Bohriftspraohe
der Zeit, an und fügte das sechste Buch hinzu. Diese
Ausgabe» welche durch L. Holland, der zuerst die Text-
veriiältnisse des Bimplieissimus su erörtern unternommen
hat, mit A. besoichnet worden, erschien 1660*). Der
^Beschlusz", in welchem Grimmelshausen zugleich Sorge
trügt, dasa das Buch als ein Work des Verfassers des
Salyrisohen Pilgrams und des Josef erkannt werde ist
datirt vom 22. April IGOi). Jetzt erlebte Grimmelshausen
den Verdrusz, welcher damals kaum einem Schriftsteller,
dessen £raougni8se einigermassen beim Publicum Qlüok
machten, erspart blieb, man druckte den Bimplieissimus
nach. Dabei verfuhr man, sehr zu Dank der Literatur-
geschichte, 80, dasz man einerseits gewisse Gruudztlge
der verlorenen Ausgabe, weldie in A verwischt sind,
conservirte, andererseits den Kaehdruck vorrieth. Es
ward nämlich den ersten fünf Büchern die erste Ausgabe,
der Fortsetzung, d. h in diesem Palie dem sechston
Buche, das in A befindliche Plus au Grunde gelegt Um
über den wahren Sachverhalt zu täuschen, namentlich die
Nachdrucke älter als A erscheinen zu lassen, machte man
sehr plump unter dem ^Besehluss* aus dem 22. April 16G9
den 22. April 166& Auf diese Weise entstanden die
') Momi)elgart, (Jednickt bcy Jfthaiiii Filliun.
') Dem Titel nach ist es „Au Tag geben Von (Jormau Schleii
lieim von Sulsfort". Im Beschlusz versichert Gr., dasz es ein Weik
des Samuel Greifuäon vou HirscUfeld sei.
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— 24 —
Ausgaben B und 0, Ton denen die iweite ein blosser
Abdraek der ersten ist Grimmelsbansen Ärgerte sieh
hierober krank '), der Verleger» Felsseeker in NOmberg,
hatte nicht unerheblichen »Suhadea. Zum Glück musz die
Naohirage so bedeutend gewesen sein, dass eine nooh-
malige neue Ausgabe sofort geplant und yenmstaltet
werden konnte. Der Verfasser maohte hierzu an vielen
Stellen grossere und kleinere Zusätze, nahm in einer
neuen Vorrede die ^Naehspioker*' tOehtig heran und
drohte ihnen mit einer yon seinem Sohne, dem jungen
Simplicissimus, abzufassenden Streitschrift, der Verleger
verlieh dieser neuen Ausgabe einen neuen Heiz durch
sahlreiohe (22, mit den Titelkupfern 24) Kupferstiohe,
und so ersohien, wie ans der neuen Datirung des „Be>
Schlusses'* zu vermutheu ist, schon im Jahre 107 1-) die
Ausgabe D, welohe demnach als die letster Hand an be-
trachten ist Denn ein neuer Abdruok derselben mit
denselben Bildern und Wort für Wort übereinstimmend
(1) bietet keine neue Gestalt des Textes. Hier, in D
und I, ersoheinen nun aueh die drei Continuationen nebst
der »Zugab**.
Zu der Aufdeckung dieses Sachverhalts hüben nament-
lich die Kupferstiche beigetragen. Im 11. Capitel des
ersten Theiles des Vogelnests n&mlioh lAsst G-nmmels-
hausen den Helden der Gesohiohte folgende Betraohtuog
anstellen. ^Gibt mich dannoch nicht Wunder, dasz der
alte Simplicissimus in alle KupfferstQck, so sieh in seiner
Lebens- Besehreibnng befinden, gesetzt hat: Der Wahn
betrogt! yomemlioh, wann ieh mich erinnere, dass ich
') Vgl. die Vorrede zu D.
*) Kompeigart, Oedmekt bei Joluam Fillion, Künborg sa fiadea
bei W. E. FeUseokern. Ebenso L
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auf dieser Reise einmals seinen Sohn beym Leben er-
halten (wesswegen er dann diesen Sprach yielleicht so
oft andet und vor sein Symbolum erwchlet hat) ' u. s. w.
Hieraus ergiebt sich ohne jedes Bedenken, dasz die Aus-
gabe D (beaw. I) eine rechtmftseige ist Ans der Art der
Znsfttze, welche hier zu dem bisherigen Texte gemacht
öind, geht ebenso sicher hervor, dasz der Verfasser selbst
sich der Ueberarbeitang untenogen hat Da nun ausser-
dem dureh Yergleiehung der Texte ausser Zweifel gestellt
ist, dusz Grimniclshaihsen, als er im Jahre 1070/71 an
diese letzte Ueberarbeitung ging, den Text A zu Grunde
gelegt hat, so wird dadurch A als rechtmftssige Ausgabe
bestätigt, B und 0 aber, welche in den ersten fünf Bochern
auf eine andere Quelle (x, d. h. die erste Ausgabe) zurttck-
gehen und die Fortsetzung (E und F) aus A abdrucken,
als Nachdraoke entlarvt*)
Zur Ergänzung dieser Bntstehnngsgeschichte des uns
vorliegenden Siraplici.s.«5imu8 sei noch bemerkt, dasz die
Beseiobnnngen A B G D nicht absolut einheitliche, d. h.
aas einem einsigen, nicht einmal wahrend des Absiehens
veränderten Satze hervorgegangene Drucke bedeuten,
sondern dasz innerhalb der mit diesen Buchstaben be-
zeichneten Oruppen von Exemplaren noch kleine Yer-
schiedenheiten vorkommen, eine Erscheinung, welche
nicht ohne Beispiel ist und in der damaligen Praxis der
Druckereien ihren Grund hat^). Ferner mag noch gesagt
*) Diefl68 Verhältniss von A D I zu B C E F ist von Keller
verkannt worden, w^ lelier B als erste echt« Ausgabe seinem Text zu
Grunde legte. Alle vorhandenen Ausgaben auszer B beziehen sich
iiVirigens schon durch die Fassung des Titels auf eine oder mehrere
frühere.
*) Ich verweise in Bezug liieraut inxl aut die eben erörterten
Einselbeiten auf die Einleitung von Kinz und namentlich auf die
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— 20 —
\?ordoii, daai das seohste Buch und die ContiniuitioiieD
auch oinzoln zu haben gewesen sind, was sich aus der
Rüoksiclit auf die BesiUer der Ausgabe x ci-klärcD läszt,
dass aber von einer Ausgabe A ohne das sechste Bueh
nicht EU roden ist, da die Pagiuiruiig durcbgobt
Der Siinplicissiuius ist deijouigo lloman des XVII.
Jahrhunderts^ der es bei ireitom am meisten yerdieot,
jetat noch gelesen su Trerden, und der oiDsige, der jetst
f hatbächlich noch gelesen wird. Ich glaube daher iu Be-
zug uut dou lubalt anders vorfubrou zu dürfen als sonst
und begnflge mich mit Folgendem.
Der UQ8 vorliegondo Siiuplicissimus zerfällt, wie ebeu
gesagt, iu seobs Ii Ucbcr, worauf drei kleinere Aubäogo
folgen. Aber schon das fOnfto Bueh geht in der Weise
aus, dass man hier einen vorläufig beabsichtigten Sehlnss
des gauzeu Werken orblickeu kaun. Jedes Buch ist io
eine Ansah! Capitel cingethoilt, aber die Qrensea der
orsten drei Bücher sowie der Oapitd fiUlen nicht mit
den Haui)iabj3ehuittou der Erzählung zusammen, und c»
öoheint demnach diese Eintheilung nur eine ttussorliehe
Gliederung des Werkes in siemlioh gleiche Abschnitte
SU bezwecken.
Wenn wir aber die Krzäbiuug in ibre organiscbeo
Theiie serlegeo, so besteht der erste aus den orsten drei
Oapiteln, in welchen der in der Person des Helden
rodende ^ crfasser erzählt, wie er als der venueiutlicbc
öohn eines Bauern im Spessart in völliger Unwissenheit
und Rohheit seine Eindeijahre sobringt Das 4. bis
18. Capitel bildcu den zweiten Abscbuitt. l)ie Auü-
vortrettlich iibirefaszte von Jvögt-l. l'ebtT s<»lchc ZwilliiiiTsdni« ke.
wie beim Siiiipi. voiiieijen, mich iifthor auszulassen, ist hier nicht der
Ort, vgl. jedoch Bd. 11, 8. IT Anui. dieses Werkes.
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— 27 —
plündeiuog aeiner Eitern durok Kürassiere reisst den
Knaben aus der bisherigen Umgebung und bringt ihn au
einem Einsiedler. Ton diesem lernt er lesen und sehrei-
hen und iiamoutlich dio Grimdlcbreu der christiichou
Beligion. Bei dem Einsiedler bleibt er bis su dessen
Tode, yersndit» daa aaaehoretisehe Leben nooh einige Zeit
fortEUsetzoD, wiederum aber führen ihn die Kricgötumultc
in eine neue Welt. Dem neuen Abschnitte (cup. 19 bis
11, 14) gebt eine Vision Tom Öoldatenstande und Kriegs-
leiden voraus. Er gelangt in den Besits des Oomman-
danten von Ilanau, dos Obersten Kanisay, als Page ist
er nicht zu. brauchen, man will ilm zum Narren maohon,
da er aber des Obersten verstorbener Sehwester sehr
Ahnlieh sieht, wird er gut behandelt. Eine ReTision der
Truppen veranlaszt, dasz er, um den Commisbarius zu
tAusehen, unter dio Soldaten einregistrirt wird, und bei
dieser Gelegenheit erhAlt er den Namen Simplioius Sim-
plioissimus. Das Leben in der Umgebung des Oomman-
danten, in allem der gerade Gegensalz zu dem bei dem
Einsiedler, der jenes Sehwager war, giebt dem geweckten
aber durchaus weltfremden Knaben viel an denken und
wird von diesem durchaus eigenartigen Gcsicht^punlcte,
von dem der Yer&ssor niemals abweicht, ausi'ührlich ge-
sohildert und besprochen. Auch Discurse ganz nach Art
der im Gnsman von Alfiiraohe vorkommenden sind in
diesem dritten Abschnitte zu linden, freilich übertreffen
sie ihre Vorlagen in mehr als einer Beziehung. So ont-
h< das 8. Oapitel dos IL Buches einen Discurs ober das
Oedftehtniss, das 9. ein humoristisches Lob weiblicher
Schönheit, ^as 10. handelt von Helden und Künstlern,
das 11. von dem mOhseligen Leben der Kogenten, das
12. von dem Verstände der Thiere. Schon will der
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~ 28 —
Conimaudant etwas Besseres aus ihm uiacheii, als öim-
plioisaimus durch die bis ror die Wälle der Festung
streifenden Kroaten geflingen wird.
Der nuu vom 15. bis 20. Cupitei des II. Buches
reichende vierte Abschnitt erzählt kurz von dem wenig
erfreulichen Leben bei den Kroaten, dem sich der Held
dnroh die Flucht m entziehen weisz, worauf er eine Zeit
lang in einem Walde lebt und seine ertitcn Versuche
im Stehlen macht, bis er durch Zufall auf eine mit
Hexensalbe bestrichene Bank su sitzen kommt, so
auf den Blocksberg führt und dem Tanze der Unholde
zusieht. Als er den Namen Jesu ausruft, zerstiebt das
unheimliche Heer, Simplicissimus wird bewus&Üos und
findet sich am Morgen in der Nähe des damals (1685)
belagerten Magdeburg. Auch hier gelangt er in die Um-
gebung eines Obersten, lernt das Lagerleben kennen und
findet an dem alten Hertsbruder einen yäterlichen Be-
ralher, an dessen Bohne, der von dem bOsen Olivier mit
Ränken verfolgt wird, einen treuen Freund. Da ihm sein
Narrenkleid und Narrenstand unerträglich wird, verkleidet
er sieh als ICädchen und hat als solches yerschiedene
Abenteuer, bis ihn die 8chlacht bei Wittstock aus höch-
ster Gefahr befreit. Nach wenigen Zwischenfällen wird
er Bursche bei einem -Dragoner im kaiserlichen Heere,
als dieser stirbt, nimmt er seine Stelle ein.
Die Capitel vom 30. des II. Buches bis zum 13. des
UL erzählen das eigentliche heroische Zeitalter des
Helden. Der frische und frahreife Jongling zeichnet sich
als Soldfit durch Tapferkeit, Erfindungsgeist, ritterlichen
Sinn und durch eine Anzahl toller Streiche aus und
macht sich unter dem Namen des Jägers, den ihm sein
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g^rünes Kleid eintragt, in der Gbgend von Soeet in West-
falen mit seinen Thaten einen groszon Namen.
Dieser Glanzperiode macht seine GefaDgonnahme
durch die Schweden (III, 14) ein Ende. Während des
mQszigcn Lebens, das ihm diese Wendung seines Schick-
sals auferlegt, kommt er in Lippstadt zu cioer Gattin,
Ton der er sich nach wenigen Wochen trennt, um in
Köln Geldgeschäfte absnwiokeln. Obgleich er beabsich-
tigt, in der schwedischen Armee eine Ofiiciersstelle au-
sunehmen« lAsst er sich doch Ton Köln nach i^rankreich
^practiciren*, wo er bei wollOstigen Frauen eine unwür-
dige Rolle spielt. Er macht sich aus Paris davon, er-
krankt an den Blattern und sieht sich genöthigt, eine
Zeit lang als Quacksalber sein Leben xn fristen, bis er
als Musketier in ein kaiserliches Regiment zu Philipps-
burg eingestellt wird. Aus dieser ihm unerträglichen
Loge befreit ihn sein Freund Hertabruder, der sufiülig
mit ihm snsammentrifFt Nach einiger Zeit, während der
er sich nicht recht aufralieu kann, wird er von den
Weimarschen gefangen, musz Kriegsdienste nehmen und
ist im Begriff, sich su seinen angeheiratheten Terwandten
nach Lippstadt zu bL'gcl)en, als er mit dem Erzbösewicht
Olivior zusammentritit, mit dem er eiue Zeit lang das
Bäuberhandwerk gemeinsam betreibt Olivier, dessen
Bchenssliche Lebensgeschichte nachgeholt wird, kommt
um, Simplicissimus erbt sein crraubtes Geld und findet
Hertobruder in grossem Klend. So bildet das vierte
Buch einen snsammenhängenden und organischen Ab-
schnitt des Ganzen.
Dasselbe kann man yon dem fonften und sechsten
Buche sagen. Das erste von diesen ist das bunteste yon
der ganzeu Geschichte, indem sicli die Erzählung hier
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im Vergleich zu den Torhergohenden Abschnitten ziem-
lich hastig fortbewegt .Die swei Freunde machen eine
Pil^crfhhrt nach Einsiedlen, wo SimpKdssimns Yon einer
vorübergühcndcn lleiic ergriffen öffentlich an den Sacra-
menten der katholischen Kirche theilnimmt, w&hrend er
vorher oonfeeeionalos gewesen war. In Wien erhilt er
eine Hnnptmannsstclle im kaiserlichen Heere, in einem
Treffen (bei Jankau, 1G4Ö) löst sich seine (Jompagnic auf.
Er begiebt sich yerwundet mit Hertabruder in den Saner-
brnnnen, erfilhrtp dass seine Frau gestorben, Hertsbmder
stirbt, Simplicissimus verlioirathet sich wieder, jedoch
unglücklich, findet seine i'iiegeeltern aus dem Spessart
und eri&hrt von ihnen, dass er des Einsiedlers leiblicher
Sohn sei und Melobior Stemfels von Fuehsheim heisie.
Nachdem seine zweite Frau gestorben, fährt er in den
Mummelsce, wo er mit den Elementargeistcru verkehrtw
Auf die Oberwelt aurüokgekehrt, verlSsst er Fflegeeltem
und Besitithum, gelangt nach Russland, wo er Pulver
fabricirt und nach einigen glücklichen Kämpfen von den
Tataren gefangen wird. So kommt er nach China, Corea,
Japan, Ostindien, Cönstantinopel und Ober Italien wieder
nach Hanse. Die Betrachtung der Eitelkeit der Welt
ffthrt ihn sum Einsiedlerleben. Als Waldbrudcr nimmt
er anm ersten Male mit einem langen Abschnitte ans
Guevara in der Uebersetzung des Albertinus vom Leaer
Abschied.
Ungeeignet zu solchem Leben und nicht ganz würdig
eines so heiligen Standes sehen wir ihn am Anüsnge des
VI. Buches im Begriff, die Welt wieder auftusueken.
Nacli einer kurzen Einleitung folgen zwei Visionen,
welche beide Geiz und Verschwendung zum Thema
haben, die erste besteht aus einem Streit awisohen beidea
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▼or Lueifer, die »weite ist die G^ohiohte von Jnlns und
Avarns. welche durch dio beiden Laster ins Verderben
gerathoQ. Ein ähnliches Stock, dio Allegorie vom Bald-
anders nach Hans Sachs, soblieszt sieh an.
Der snm Pilger gewordene Einsiedler kommt an
einem aillij^en Herrn, in dessen Hause er herbcrgi und
den Discurs eines Stückes Papier, dessen unanständige
Yerwendnng den Euphemismus Behermesser nOthig macht»
anhört Wo er auf seinen Wanderungen Gelegenheit
tindet, schneidet er tüchtig auf, in einem Schlosse in der
Sohweia bannt er ein Gespenst. Seine Reise geht nach
Loretto, Rom und Alexandrion, in Aegypten wird er von
Räubern gefangen genommen, eine Zeit lang als wilder
Mann umhergeführt, leidet Schiffbruch und wohnt zu-
nächst mit einem jungen Zimmermanne, nnoh dessen Tode
allein auf einer Insel als eino Art Robinson. Nachdem
er im 23. Cap. dvn l'hitsclilusz miti^ctheilt, bis an seinen
Tod dio Insel nieht zu verlassen, nimmt im 24. der
Schiflfocapitain Jean Gornelissen Ton Harlem das Wort,
um den Besuch, den er mit seinen Leuten dem Einsiedler
machte, zu beschreiben. Auf diesen vier Capitel um-
fassenden Bericht folgt der schon erwähnte Boschlusz.
Die erste Oontinuation berichtet, wie sieh Simplioia-
mmus nach seiner Rttckkehr naeh Europa als Zeitungs-
und Kalendermachcr durcbgeholfon, die zweite, wie er
von seiner einsamen Insel weggekommen, dio dritte er*
säblt noch einige Geschichten ans der Zeit nach seiner
Zurückkunfr. Die Zugab ist ein kurzer launiger Artikel
allegorisch- med icini sehen Inhalts.
Mit dem Simplioissimus als Hauptwerk stehen nun
drei kleinere Romane Grimmelshausens in genauer innerer
und üuszerer Verbindung. Die Art, wie der Verfasser
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diese Yerbinduug herstellt und durchführt, setzt seine
Erfindung und Geschiokliehkeit in das beste Lieht
Zunttohst schlicszt sich die Courasche'), auf deren
Titel sich der Verfasser Philarchus Gros^us von Trommeu-
heim auf Griffsberg nennt, an. Der Verfasser läsit eine
Dame, su weloher Simplioissimns im Sauerbrunnen in
ein intimes Ycrhilltiiisz getreten war, uud die ihm ein
von ihrer Magd geborenes Kind als das yon ihm mit ihr
crseugte surQokgelassen hatte, aus Yerdrusa über die
wenig ehrenvolle Art, wie SiniplicissiDius ihrer gedacht,
zu dem Entsohiusse kommen, ihm zum Trotz — daher
der Titel nTruts- Simplex** — ihre Lebensbesohreibung
TAI veröffentlichen. Den Zweck, Simplicissimus durch die
ErOüiiuDg, mit was für einer verworfeneu Person er zu
thun gehabt y au besohämen, erreieht sie allerdings voll-
kommen. Denn es wird uns in der Ersftblung ein beinahe
ekelerregendes Bild der Schicksale und des Charaktcn»
eines abseheuliehen Weibes entrollt, welehes, als unreifes
Mftdehen in den Strudel des dreissigj&hrigen Krieges
liiiieingcrissen, darin forttreibt, Ins sie als Zigcunerkönigiu
endet. Dadurch dasz sie, wie sich im Verlaufe ihrer
Abenteuer herausstellt, die uneheliche Tochter des Grafen
Matthias von Thurn ist, wird ihr Leben ein Gegenbild
zu dem dos Simplicissimus und gewinnt zugleich einen
tieferen historischen Hintergrund.
Naoh einer Einleitung, welche, era ICeisterstflok in*
lernalischer lihetorik, die zugleich entsetzlich gemeine
und wiederum in ihrer Art heroische Gesinnung der
Heldin erkennen lasst, erzfthlt sie xunftehst, wie sie bei
*) Die wenig von einander abweichenden Ewei Emselaa^gabea (o.
J.ütopia, Felix Stratiot) dürften ale Zwillrngsausgaben in betrachten
seh). Vgl. Km HL Ehd.
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der Einnahme von Bragoditz durch Bouqiioi als Knabe
verkleidet Diener eines Rittmeisters ward. Als sie ihr
G^eschleoht nioht Iftnger yerbergen konnte, wurde sie die
Maitresse ihres Herrn, der bei Nensoll (Nenbänsel) in
Ungarn tödtlich verwundet wurde (1622) und sich auf dem
Sterbebette mit ibr tränen liess. Nacb seinem Tode lebte
sie eine Zeit Itmg in Wien, erst anetftndig, dann aber ergab
sie sich, von ihren zwei Haupteigenschaften, Wollust und
Geis, angeregt und verführt durch Lektüre des Amadis,
einem Grafen, darauf dem Ambassador eines grossen Poten-
taten und so weiter, bis sie in sehr kurzer Zeit ein Ver-
mögen erworben hatte, der Ooniiict mit der Polizei sie
aber nöthigte, den Sohauplats ihrer Thaten nach Prag sn
verlegen.
Auf dem Wege nach ihrer Gcburtsstadt ward sie von
einem Oragonerhanptmann aus den EJtnden von Mannsfeld-
sehen Reitern errettet, heirathete jenen und nahm von nun
an aus Bcutolust an allen Kämpfen theil, bis ihr Mann bei
Wiszloch üel (1622). Unter den Freiern, die sie sogleioh
umgaben, wfthlte sie einen Lieutenant, der sie an der
Schwelle der Bhe durch Prügel zur ünterwürfigkeit zwin-
gen wollte und, als ihm dies miszlungen war, aus Scham
desertirte. Ohne sich hierüber sehr au kümmern, nahm sie
weiter an den Gefechten theil, in denen sie treffliche Beute
machte und einen feindlichen Mtyor gefangen nahm. In
dem Treffen bei Floreack (Fleurus, 20. August 1622) ward
ihr ausgerissener Lieutenant gelingen und gehenkt, da sie
sich aber die Yerachtung und Feindschaft vieler zugezogen,
quittirte sie den Krieg und ging, mit einem guten Zeug-
niss von dem Obersten, der sie gern los sein wollte, ver-
sehen , in eine Stadt und von dort zu ihrer ehemaligen
Pflegerin nach Bragoditz. Hier erfuhr sie, ähnlich wie ihr
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Feind und Gegenbild Simplicissimua, endlich ihre Her-
kunft and EOg mit der alten Fnn. nach Prag. Es glQokte
ihr^ wieder einen Hauptmann lu heirathen, und mit diesem
ging sie nach HoUtciu in dcu danischen Krieg.
Bei Lutter (1626) kämpfte sie tapfer mit» verlor aber
ihren Mann niobt lange darauf in dem Schlosse Hoja.
Sie selbst hatte bei der Einnahme dieser Festung das
Unglück, von dem nämlichen Major, den sie einst gefangen
genommen hatte, erkannt zu werden. £r nahm durch die
scheusslicbsten Misahandlungen Bache an ihr, wobei ihn
seine Kameraden imterstfltiton. Zum Glück entriss sie
ein dänischer Rittmeister, der um ihre Abstammung
wuszte, diesen Unmenschen, und da er sich in sie yer-
liebt, Hess er sie auf ein Schloss in Dftnemark bringen.
Hier hatte sie gute Tage, aber nur so lange, bis sie durch
die Yerwaudten ihres Liebhabers entfernt wurde. Sie
gelangte nach Hamburg und lernte einen jungen Beiter
Ton den Wallensteinem kennen, der aber, ehe sie daiu
kam, ihn zu heirathen, hingerichtet wurde, weil er ihret-
wegen seineu Korporal erschlagen. Jetzt machte sie die
Bekanntschaft des Musketiers, dem sie sptttor den Namen
Springinsfeld gab. Mit dessen Begiment ging de nach
Italien (1629 30) und betrieb das Geschäft einer Marke-
tenderin, noch einträglicher aber war ihre Hehlerei und
ihre kühnen und schlauen Betrügereien und Diebstähle.
Ihre und ihres Zuhftlters Streiche werden rerhflltniss-
mftszig sehr ausfiibrlicli berichtet.
Bald nach der Zurückkunft des Heeres nach Deutsch-
land trennte sich das saubere Paar, welches sich durch das
Iftstige Band der Ehe bu yereinigen nicht flkr erspriesslich
gehalten hatte. Courascho heirathete in Prag noch ein-
mal einen Hauptmann, der aber in der Schlacht bei NOrd-
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lingen (1634) blieb. Hierauf siedelte sie sioh in Sohwabea
an, trieb Landwirthechaft, mit den Offioieren aber Buhl-
Bchaft, und iu diesor Zeit war es auch, dasz sie mit
Simplicissimus im Sauerbrunnea zasammeDkaui, woJbiu
sie aieh wegen einer Naohknr gegen die «FraDtsosen*'
hatte begeben milsBen. Wegen ihres unsittlichen Wandels
ward sie gestraft und verwiesen, sie gerieth zu einem
Musketier von den Weimarsohen und handelte mit Tabak
und Branntwein. Ihr Mann blieb bei Herbsthausen (1615)
und sie trat in eine Bande Zigeuner ein, heirathete —
endlich als letzten Gatten — den Anführer derselben, und
ans dem An£uige des Springinsfeld ersehen wir, dass sie
es bei diesem Gesindel bis su dem Bange einer Königin
gebracht, ■
Springinsfeld, der sehen als Gefährte des Simplicissi
mna im dritten Buche des Hauptwerkes und in der
Courasohe seiue Rolle spielt, ist nun der Held der nach
ihm benannten besonderen Erzählung, die sich an die
Oonrasohe unmittelbar ansehliesat ') Als Ersfthler tritt
hier ein junger Schreiber auf, dmelbe, welcher naoh
der Fiction Grimmelshausens auch den Lebenslauf der
Conrasche niedergeschrieben hatte. Dass er dies gethan,
berichtet er erst im An&nge des Springinsfeld, während
in der Courasohe die Heldin in eigener Person redet,
und swar wird die bpringinsfeldgeschichte so eingeleitet,
>) Dafür spiielit sohoB der Titel: Ans Anort&img des weit «ad
breit bekannten Sim^pHastimi Verfasset und zu Papier gebracht Von
Philarcho Grosso von Trommenbcim. Gedr. in Pophhgonia bei Felix
Stratiot 1670. sowie die Reihenfolge, welche Grimmeishansen seihst in
der Vorrede zum IL T. des Vogelnests und D des Simpl. augieht. Es
existiren zwei Einzelsansgaben vom Jahre 1670. In den Gesammtaus-
gaben geht der Springinsfeld irrthUmlich der Gourasche voran. Vergl.
hierzu Kurz a. a. 0.
8*
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dass der Schreiber erz&hlt, er sei suflEÜlig mit dem nun-
mehr schon greisen, heruntergekommenen und sohreoklieh
fluchenden Springinsfeld, sowie mit Simplicissimus, der
ein gesetzter, vernünftiger und reputir lieber Mann ge-
worden, zusammengekommen. Er erzählt den beiden von
seiner Bekanntschaft mit Oourasche und den Zigeunern,
darauf berichtet Springinsfeld seine Abenteuer, die er
auftichreibt.
Die eigentliche Erz&hlung der Geschichte des Helden
beginnt erst im sehnten Capitel.
Spriiigiiisfeld war der Sohn einer voruchnicn Gricchia
und eines albancHisehcn Gauklers und Seiltänzers. Dieser
starb irOhaeitig, und der Knabe wurde yon einem slayoni-
sehen Fachgenossen seines Vaters, welcher seine Mutter
geheirathet hatte, in dessen Kunst unterwiesen. Von
JElagusa aus durch Schiffe entführt, kam er nach Sicüicn
und Ton da mit spanischen Truppen in die Niederlande.
Ln Jahre 1622 ward er mit siebsehn Jahren in der
Tillyschen Armee Tambour und nach nicht langer Zeit
Musketier, als welcher er die Schlachten bei Stadtloo und
Lutter mitmachte und yerschiedene Streiehe yerttbte.
Hierauf trat er in Verbindung mit Oourasche, und nach-
dem er diese und sie ihn losgeworden, gerioth er in
schwedische Dienste, ward yon den Kaiserlichen gefimgen
und Bum Pikenier gemacht, dann Froireiter bei Pappen-
heim (1632) , machte die Schlacht bei Lützen mit und
wurde Dragoner bei Altringer. Jilr erkrankte (1633) an
der Pest, nach seiner Genesung nahm er an der Sohlacht
bei NOrdlingen (1634) theil, sowie im folgenden Jahre an
den Feldzügen am Rhein. 1037 war er in Weatfalen, wo
er mit Simplieissimus Bekanntschaft machte und gemein-
schaftlich mit ihm yiele Streiche ausfbhrte. Diesem
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ZasammeDseiii machte des SimpHcisBimuB Gefongennahme
ein Ende, und Springinsfeld trieb nun sein wechselndes
Soldatenloben bis zum westiälisoheu Frieden. Nach seiner
Aklankung rerheiratheto er sich und war eine Zeit lang
Gkwtwirth, naobdem er aber seine Frau verloren batte
und durch eigene Schuld heruntergekommen war, machte
er in Ungarn einen Krieg gegen die Torken mit Aus
diesem ging er als Bettler hervor und verbeirathete sich
mit einer Leirerin.
Die letzten Capitel dos Springinsfeld leiten auf den
ersten Theil des Yogelnests über. Als die Leirerin n&mliob
ein unsichtbar machendes Yogelnest gefunden hatte, ver-
liesz sie ihn, um auf eigene Faust zu abenteuern, und er
ging in Yeneti an i sehen Diensten nach Gandia, wo er ein
Bein verlor. Als er von dort nach Deutschland aurOok-
gekommen war, erfuhr er, dass seine Frau mit ihrem
Zaubernest nach verschiedenen anderen Abenteuern einem
jungen B&ckergesellen gegenober die Bolle einer Art
Melusine gespielt habe, bis sie endlich sammt ihrem Ge-
liebten ums Leben gekommen.
Zu Anfang des ersten Theils des Yogelnests „durch
Michael Bechulin von Behmsdorff nimmt nun ein junger
Helebardierer das Wort, welcher bei dem Tode der ge-
heim niszvollen Leirerin zufällig in den Besitz ihres Nestes
gelangt war. Die einzelnen Stacke dieser Brs&hlung
hAngen nur lose ausammen. Der Held, dnroh die bald
von ihm bemerkte ünsichtharkeit verführt, abenteuert
Auszer in den Gesammtatisgaben ist der erste Tbeil in drei
Ausgaben vorhanden, 1) v. 0. Gedruckt in zn Endlauffenden 1672 jähr.
2) ebenso. 3) Amsterdam. Gedruckt bey Johann Fillion im Jabr 1673.
3. nnd 3. sind ans 1 abgedruckt und, da die Titelknpfer Terscbieden
sind, nicht £rei von dem Yerdachte, Nachdrucke zu sein.
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eine Zeit lan^ in yerscbiedenen Gegenden, ninss aber
endlich einsehen, dasz der Besitz des zauberischen Gegen-
standes dem Besitser nur siun Verderben gereichen kann.
In diesen Rahmen, der mit dem des sweiten Theils dnrch*
aus übereinstimmt, licsz sich sehr leicht eine Anzahl
kleinerer Erzählungen und Bilder aus dem bürgerlichen
Leben der Zeit einsehliesaen. Der Erzählende wird Zeuge
der Werbnng eines armen Bdelmanns um ein armes
Fraulein I wobei sich beide Theile über ihre miszlichen
yermOgensnmstande su t&nschen snehen, schmarotst an-
siohtbar bei Borgern» Banem, Bettlern, Oeistliohen ond
vornehmen Leuten, befreit zwei Studenten aus Räuber-
hand, nimmt Gelegenheit^ einen yer wahrlosten Hirten zur
Bosse sa erwecken, und anderes mehr, bis er das Nest
von sich wirft. Mit dem Simplicissimns hftngt diese Reihe
von Geschichten dadurch innerlich zusammen, dasz der
Held Gelegenheit hat, den jungen Bimplioissimus aus
Lebensgefiihr sn erretten nnd die ünterhaltiing, die sein
Yater mit einem Gastwirth Ober seinen Oonfliot mit Zesen
fuhrt, anzuhören.
Ein wohlhabender Kaufmann, so fährt der sweite
Theil '), der als eine besondere Erzählung zn betrachten
ist, fort, findet das Nest und weiss den ausgedehntesten
nnd überlegtesten Gebrauch Ton seiner Zauberkraft so
machen. Diese gereicht aber nur zn seinem Unglück.
Zunächst entdeckt er die Untreue seiner Frau und nimmt
auf eine zugleich rafdnirte und brutale Weise an ihr
') Hier wählt der Verfasser statt eines Fseudonymon nur die BucU*
gtabengmppe Aeeeeffji^ihUOimminoorr/fftuu, Die eiiuEige bekuntd Bioael-
MMgabe iH ohne Ort und Jahr, doch fldieint wenigrtenB noch eine andern
▼oihandflD gewesen sa sein, da die Gesammtanflgalben nicht wohl aaden
sa crkUrende Abwdohongen darbieten. TgL Knrs Bd. IV Bin!.
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Rache. Später begiebt er sieh nach Amstendam, lernt die
Dberans schöne Jüdin Esther kennen und bringt ihr und
den IhrigüQ den Glauben bei, dasz er der unsichtbar gegen-
wärtige Prophet Elias sei, welcher mit ihr den Messias der
Juden sengen werde. Hierdurch erreicht er allerdings
seinen eigentlichen Zweck, das schlicszlich geborene Kind
ist aber ein Madchen. Nach diosem Ende dcB Abenteuers
yerlftszt er Amsterdam nnd yersucht als Soldat in nieder-
lindischen Diensten nicht nur seine Unsichtharkeit, son-
dern auch andere Zauberkünste, die er inzwischen gelernt
hatte, zu verwerthen. Eine Zeit lang gelingt ihm dies
auch nach Wunsche, endlich aber wird er yervnmdet und
gefangen nnd gelangt spftt nnd durch grossen Schaden aiiv
Selbsterkcnutuisz und Busze.
Damit erreicht die SimpUcianische Bomankette ihren
Ahschlnss, nnd es bleiben nns noch die kleineren Schriften
ttbrig, welche sum groszen Theil auch als Bimplicianische
bezeichnet worden müssen, da sie ausdrücklich den Namen
des Simplioissimus tragen nnd sich auf die Ereignisse und
Personen der eben besprochenen grösseren Srsählnngen
bezieben.
Die älteste dieser kleinen Schriften ist vielleicht die
Gankeltasche ein harmloses nnd unbedeutendes Vexier*
bilderbneh, Über dessen Einrichtung man sich leicht bei
Kurz Bd. IV. und aus dem Springintfeld unterrichten kann.
Sicher noch in das Jahr 1670 gehören Dietwald und
Amelinde, der Ewigwfthrende Kalender und der swei-
kopfige Motto Status, welche Schrift sugleieh als Simpli-
cianisch bezeichnet ist und doch auch den rechten Namen
des Verfassers trAgt
') Eine Einzelausgabe war wahrscheinlich vorhanden, ist aber
nicht aufzufinden. Vgl. Jtarz Bd. IV S. XXI f. u. Bd. I S. XXXIV.
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Dietwald und Amelinde ') i&t, so viel wir wissen, der
sweite Yersnoh Grimmelshansens» einen Roman Ton der
heroisch -galanten Art au aohreiben, und der ümstand,
dasz er dieses Werk mit seinem wahren Namen beraus-
gegeben, iiönote als Andeutung auigefasst werden, er habe
OB deutlicher als den Joaef Yon seinen dem Simplioiasimns
angeschriebenen Bohriften trennen wollen, wenn man Ober-
haupt die Ueberzeugung gewinnen könnte, er habe es mit
seinem literarischen Incognito recht ernst genommen.
Jeden&Us bleibt er in Dietwald und Amelinde wenigstens
etwas besser in der Tonart als im Josef.
Um das Jahr Christi 450 herrschte in Italien Dietrich
Ton Bern, in Frankreich Ludwig der Groaie, Guodwald
in Burgund, Adelreioh der Westgote in Aquitanien. Lud-
wig liesz, du gerade Friede war, seine Nachbarn zu ciaem
groszen Feste einladen. £s erschienen Dietrich von Bern
mit seiner Schwester Amalfridis sammt den Frinseesinnen
Amelsindtis, Teutetusa und Teutelindis, seinen TOehtem,
und Amolberga , der Tochter seiner Schwester. Aus
Thüringen kamen die drei Prinzen Herman, Friedberthar
und Baltereich, von Worms Kdnig Gibig und seine
Tochter Grimhild, ans Aquitanien Adelreioh, ans Burgund,
da der regierende Konig seines hohen Alters wegen nicht
reisen konnte, Gottmeyer, Holfireich und Sigismund der
Heilige.
Dietrich hatte seinen jungen Oehm Wittioh, Gott-
mejer von Burgund seinen einzigen Sohu Dietwald mit
sieh gebracht» um sie Yon Ludwig au Bittem sohlagen lu
lassen. Sie kämpften tapfer und ohne Entscheidung
miteinander, und Ludwig beschlosz, sie aus den Händen
*) Von H. J. Ghiiitoffel tob GihnmelabaiueB, OMtuano, Nflren-
beig. Felflsecker 1670. 19«.
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seiner natürlichen Toohter Amelinde den Preis empfangen
zu lassen. Bei dieser Gelegenheit verliebten sieh Dietwald
und Amelinde inoiDander.
Indess war die Einigkeit und das Vertrauen unter
den deutschen Forsten nicht ohne jede Störung. Die
beiden gotischen Könige waren Arianer, die Franken
und Gibich katholisch, die Thüringer hatten sich noch
nicht eigentlich fQr das Ohristenthum erklärt Adelreich
war, weil er einen Theil Galliens besass, Dietrich wegen
seiner Macht dem fränkischen Könige nicht angenehm,
wogegen die wachsende Gewalt des letzteren dem Dietrich
und Adelreich Besorgniss einflösste. Adelreich yerlobte
sich mit Teutetusa, Hermanfried mit Amelberga, und
dies beunruhigte die Franken und Burgunder, obgleich
Ludwig bogehrte, die Beilager sollten gleich an seinem
Hofe voUsogen werden. Weniger hoffnungsreich erschien
Dietwalds und Amelindens Liebe, da letetere in einem
Kloster zur Acbtissin erzogen wurde. Sie ward auch
vor Liebeskummer krank, Dietwald aber begab sich in
einen einsamen Wald, »damit er Ton jedermann entfernet
der Liebe seinen gewöhnlichen Thränen-Zoll desto frey
und ungehinderter entrichten und aufibpfiern möchte . « • .
als ein ergrimmtes ungeheuer- grosses Haupt -Schwein
hingegen ankäme, welches der Jagt entronnen und Ge-
legenheit suchte, sich umb die überstandene Hätz zu
rächen. Unser junge Held reitzte solches durch An-
schreyen aum 8tand, umb seiner subegehren und den ge-
fhsten Zorn an ihm ausaulassen, wie dann dergleichen
gehetzte Wildstück zu thun pflogen, er begegnet ihm aber
mit seinem Jagerschwerdt oder HirschfUngor in solcher
Geschwindigkeit und so beschaffenen fertigen und Torthel-
hafiten Sprung, dass er dem Schwein auf den Rocken sn
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sitEen kam, ehe sichs dasselbe hfttte Yeraeben mögen,
in dem es sich nun mit seinem Reiter herumb tummlet,
ihn wenigst an den Schenokeln zuverletzen» so dooh wegen
seines Leibs Form und Ungeschicklichkeit nnmOglieh
war, gab er ihm den Fang zwischen dem Schild hinein
in dio Hertz -Kammer, davon es bald hernach todt unter
ihm niederfiele, nach solcher Yerrichtung setzte er sidi
anff die Wnrtzel eines Banms in Schatten nieder, sanbert
sein Jäger- Scbwcrd von des Schweines Schweisz, steckte
es ein, und nahm wegen dieser Begebenheit Ursach,
folgender massen mit susammen ge<enen Händen und
gen Himmel erhobenen Angen zu reden.
„Ach! sagte er, ach mein allerliebster Herr und Gott?
warumb Iflst da mich doch eine solche grosse Bestia mit
so kleiner If tihe fällen, und giebst mir nicht yiehnehr die
Gnad, meine Mängel auszumustern, und die innerliche
ungcstümmo Flammen meines Hertzens zu dämpffen,
welche sich unterstehen, meine menschliche Schwachheit
sn überwinden, und mich m dringen, dass ich aus elender
Blödigkeit und Mangel genügsamen Widerstands etwas
grössers wider deinen heiligen Willen thuu soll, als ich
leider bereits begehe? O grosser GOTTI deine Urtheü
und YerfOgungen eeyn alle gerecht und billigl dn weist
Herr, mit was Tor einen Zwang ich gcnöthigt werde,
diejenige an lieben, die dir im Geistlichen Stande sa
dienen geheiliget und vermählet werden soll, ich gestehe
es und begehre himmlische Gnad u. s. w.**
An demselben Orte, wo Dietwald dies und noch mehr
yemehmen liess, wohnte der greise Warmund als Ein-
siedler, und Eon ig Ludwig kam auch grade damals sn
ihm, um mit ihm über die in Aussicht stehenden Heirathen
zwischen den Goten und Thüringern zu berathen. Warmund
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rieth dem Könige, Frieden zu halten, aber auf seiner Hut
zu. sein und das Land der Allobroger» Yon dem er und
Bietrieh Theile besaasen, anf gnte Art an sich zn bringen.
Auch Yon Dietwaldfl Liebe erfuhr Ludwig, nahm ihn mit
zu Amclindc und liesz ihn nebst Dietrich von Motz, seinem
BatQrliohen Sohne und Amelindens leibliohem Bruder, bei
ihr, sie, sobald sie gana gesund sein wQrde, an den Hof
zu begleiten.
„Wie es aber mit der grossen Sau gangen/ — kann
sieh Grimmelshausen hier nieht enthalten, naohauholen —
^die Dietwald ge^t, darvon hab ieh nichts in den
Büchern funden; wann aber der Leser ja gern weitere
Naehricht davon wissen wolte, so mache ers nur wie ich,
und gedeneke» sie sey neben anderm Wildbrftt nach Hof
geftkhrt, und Terspeiset worden: allda sich ohn Zweiffei
auch etliche Uber ihre Grosse, und über Dietwalds Tapfer-
keit werden yerwundert haben.*
An dem grossen Hochseitsfeste nun wurden ausser
den schon genannten Brautpaaren auch Siegmnnd von
Burgund, der sich heimlich mit Teutelinde verlobt hatte,
und Dietwald mit Amelinde getraut. Er erhielt die Pro-
yinz der AUobroger (Sayoyen) als Graf au Lehen von
Frankreich, Burgund und den Ostgoten.
Soweit der erste Theil. Der sweite erzählt uns, dass
Dietwald und Amelinde ron ihren UnterÜianen, die rer-
schiedenen Volksstämmen und Religionen angehörten, mit
Freuden und Ehren empfangen wurden. Sie überhoben
sieh aber ihres Glückes und empfingen von einem Engel
in Betlüersgestalt die Weisung, sehn Jahre lang ins Elend
zu gehen und ihren Uebermuth abzubüszen, was sie denn
auch alsbald ins Werk setzten.
Lsswisohen hatte KOnig Gundwald in Bnrgand, naoh-
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— —
dem sein Vater gestorben, gegen seine Brader einen
Krieg begonnen, in welchem diese umkamen. Aber aneh
er mnsste schliesBlieh sa Dietrich von Bern fliehen, Lnd*
wig unterwarf Burgund den Franken, Adelreich griff dann
mit £rfolg an, und nur das Daswisohentreten Dietriche
Yon Bern konnte noch weiteren Broberongen der Franken
Einhalt thnn.
Den beideu freiwillig Verbannten nimmt ein Raub-
vogel noch den Schate, welchen Amelinde in einem Beutel
mitgenommen hatte, dann erscheint ein bOser Geist und
will sie zum Aufgeben ihres frommen Vorsatzes verleiten.
Auch werden sie von fünf Räubern angefallen. Hier ge-
rftth Qrimmelshausen wieder in den echten Simplicianischen
Ton: n die allererste Menschen, oder yielmehr Un-
menschen, die ihnen auffstiessen , waren fünf «grausame
Mörder, die eich in derselben Gegend am Gebürg hin
auffhidten und alles umbrachten, was in ihre Gewissen-
lose Hftnde geriehte. 8ie hatten aller menschlichen
Leutseligkeit und Beywohnuug abgesagt, und sich vor-
lAngst 2U anderer Verderben zusammen rerschworen, sich
auch untereinander selbst erschrockliche Nahmen gegeben,
darbey ein jeder steh der gfransamen Schuldigkeit ihrer
abscheulichen Verbündnis erinnern solte. In Summe es
waren solche Kerl, darunter den AllerfrOmmsten das Bad
und Feur yiel su lind und gering gewest w&re, seine
verübte Thaten nur umb den hundertsten Theil ge-
bührend abzustraifen. Diese sahen unsem Printsen mit
seiner Liebsten Ton Ibrne gegen ihnen kommen, derwegen
sagte Schadefroh, ihr Hauptmann, su seinen Gespanen:
Sehet dort jenen Juncker zu mir kommen, der mir cino
schöne glatte Mets subringt, mich einmal wieder ein
wenig absuramlen; dem antwortet Woigemaan, sein
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— 46 —
nftohster Camerad: Und mir bringt er einen BcLOnen
Bock ssu Lohn» dass ich ihm einen Pasc in die ander
Welt mit iDeiDcm blancken Schwerdt darvor schreiben
BoU. Nimbsleben sagte: So nehm ich Hembt und Hosen,
das wird mir nicht Abel anstehen, wenn ich mit seiner
Matress werde Beylager halten, und ich, sagte Zommuth,
nimm sein schöne Hauptziorde, die wird mir, als einen
brayen Holden , anch eine sonderbare Zierd geben. Ey,
sagte Todtewald, so bleibt mir sein Bchwerdt, darror will
ich ihm das Meinig ins Hertze stosscn. Da nun Dictwald
mit seiner Liebsten in ihren Halt kam, umbsprangon sie
ihn mit ihren blossen Schwertern. Sie sahen viel grimmiger
ans, als die wilden Thiere, und schrien mit betrohentiiichen
Mienen, er solte sich gefangen geben; und als der zwar
matte Printz den Ernst, und sonderlich den Scbadcfroh
seine Prinaessin so nnhöfflioh anpacken sähe» wischte er
mit seinem Schwerdt nrplotslieh von Leder, und gab
demselben einen sulchon taplFeren Streich, dasz er ihm
nicht allein die brouneode Eitz seiner viehischon Be-
gierden, sondern auch durch Zerspaltnng seines Kopffii
biss auff die Zähne himmter, dasi Lebens -Licht aus-
löschte U. 8. W.*
Natürlich erschlagt Dietwald alle fünf Bäuber. Un-
mittelbar nach dieser Stelle findet der Yerfosser Ge-
legenheit, sich selbst von einer edleren Seite seiner
Eigenart zu zeigen, und zwar der moralischen Albern-
heit seines eigenen Stoffes gegenttber. Dietwald nftm-
lich verstellt durch SaffranlOsung die schöne Haut-
farbe seiner Gattin, und diese schneidet ihm sein langes
goldfarbenes Haar ab. »O Lobwürdiger Entscblusz dieser
edlen Jugend! welche ohne Zweiffei melir gethan, wenn
sie nur gewust hfttte, dass es ihre Nothdurfft durch den
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— 46 —
Göttlichen Willen also erfordert. Und was vermeynet
mein hochgeehrter Leser wol? eolte der eintnge hofflürtige
Gedancken nooh nioht hiermit ahgebtksit, die Gottliebe
Gerechtigkeit ausgesöhnet, oder wenigst die himmlische
Gate zur Barmher tzigkeit bewegt worden aeyn? Sollen
dann diese hohe Personen von dessentwegen, dass sie
ihre G^rOsse wnsten, nnd sieh darinn erfreuen, so viel
gesündigt haben, dasz sie durch diese ihre frey willige
Busz, vermittelst deren sie alles verlassen, was die
Mensohen hoeh sehtttaen, und sieh selbst den Bettlern
gleich gemacht, noch nicht ttberflOssig genug gethan, nnd
damit ihr übersehen ausgelöscht haben? Mein freundlicher
Leser, ich ziehe die Achsel ein, und halte mit meinem
nichtigen Urtheil aurOok, den Folg dieser Histori fortni-
setsen.*
Auf einem Castell wird Dietwald vom Amtmann
erkannt, und nur mit Mohe macht er sich los. Endlieh
kommen beide nach Italien, wo Dietwald Hirt wird und
Amelinde grobe weibliche Arbeiten verrichtet
Der dritte Theil wendet sich zunächst wieder den
grossen weltgeschichtlichen £reignis8en su. Es entsteht
Krieg zwisohen Ludwig und Dietrich, ersterer ist schliess-
lich im Nachtheil, unter Rostungen zur Yorwirklichung
seiner Racheplüne stirbt er. Dann wird dem Burgundi-
schen Reiche von dem Sohne Ludwigs ein Ende gemacht»
Ciotildens Enkel werden ermordet» es entsteht Krieg mit
Thüringen und auch Dietrich von Bern stirbt.
Dietwald und Amelinde worden von Seeräubern über*
üallen, und sie wird ihm mit Gtewalt abgekauft Er yer^
Iftszt seinen Hirtenstand, überwindet eine neue Anfechtung
des Teufels und wird von dem Engel in Bettleregestalt
getröstet, endlich gelangt er su dem KOnig Amdbreich.
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— 47 —
Amelinde g^eht sioh, um ihre Eeosehheit sa retten, auf
dem Schiffe su erkennen, deshalb überlassen sie die See*
räuber einer kaiserlichen Flotte, mit der sie zu König
Chlotar gelangt Dieser verehrt ihr einen King, weichen
Dietwald einst dem mehrerw&hnten Bettler geschenkt»
Ton ihm snrllckerhalten nnd in Massilia Terkanft hatte.
Zu der bald darauf gefeierten Hochzeit König Chlotars
mit Radegunde kommt auch König Amelreich und bringt
Dietwald mit, der sieh im Turnier ausseichnet und Ton
Amelinde erkannt wird. Dietwald erhftlt die Landschaft
der Allobroger zurück imd kommt so wieder zu Land
und Leuten.
Zum Sohlosse wird eraahlt, wie Chlodwigs Nach*
kommen sich in der Folge ganz Gallien unterwarfen.
Nicht uninteressant ist das am Ende stehende Gedicht,
in welohem Urban von Wurmbskniok auf Sturmdorff
Grimmelshausen unter seinem wahren Namen als Yer^
fasser von Dietwald und Amelinde und zugleich der
Simplicianischen Schriften preiset, als ob es noch nicht
an dem Sonnet genog gewesen wäre, welches einer, der
sich Sylvander *) nennt, dem Werke Torausg^sehickt hat,
und das bekanntlich eine Hauptrolle bei der Wieder-
entdeokung des wahren Namens des YerflEusers gespielt
hat Durch diese GMiehte, die Widmung an Herrn
Philip Hannibaln von und zu Schauenbcrg-, Herrn zu
Gaistbach etc , sowie durch die .Namen der Autoren, aus
welchen diese Histori susammengetragen worden,*' gewinnt
die ErsahluDg auch äusserlich Aehnliehkeit mit einem
') Kurz bemerkt Bd. IV. S. XXXI, dasz diesen Namen Franz
Joachim Buhrmeistfr von Lüneburg im Elbschwanenorden geführt
(nach Kist, Aller-Edelstes Leben S. 40). Ob dies nnser Sylvander sei,
wird müssen dahin gestellt bleiben.
— 48 —
heroisoh^galanten Bomane, wobei es sieh komisch aiis-
nimmt, wenn der eben erwftbnte Sylvaader, der im
Lutcin uiclit stärker uls Grimmelshausen gewesen zu sein
scheint., sein Sonnet „diesem Opo und dessen Auton zu.
Shren* sohreibt Wir sind jeden&Us leicht im Stande^
nicht allein den Terfasser des Simplicissimns aneh in
diesem iiuciie zu erkennen, wennschon er sich etwas
weniger als gelegentlich im Josef gehen lAsst, sondern
müssen seine Fähigkeit, einen rechten Eunstroman nach
dem Schema seines Jahrhunderts ahzufassen, auch An-
gesichts dieser Erzählung in Zweifel ziehen.
Der Ewigwährende Kalender ') giebt das, was der
Titel yerspricht, dem BedQrfniss der Zeit angemessen und
kann, obgleich sich der Vcrlassor keineswegs über das
Niveau seines Jahrhunderts erhebt, ja mit seinem legen-
darischen und astrologischen Kram uns einen recht alt-
fränkischen Bindruck macht, als eine treffliche populär-
wissenschaftliche und Unterhallungsschrift bezeichnet
werden.')
Der BaUo SiaiuB*) (Orimmelshausen hetraohtet raiic
als Masculinum) hesteht aus fünf Discnrsen und einem
Anhange. Die Discurso bandeln von der „Staatsraison'*,
welche an den biblischen Beispielen Ton Saul, Jonathan,
Dayid und Joab als eine bedenkliche Theorie dargestellt
wird, ohne dasz sich übrigens die Erörterung durch
besondere Klarheit auszeichnete. Sehr hübsch aber und
*) Er liegt in zwei Ausgaben vor, a) Nflrnb. Felszecker. Gedr.
ni Fulda bei Marcum Blasz 1070. 4", b) Nümb. Feluecker. 06dr. sa
Altenburg bei Georg Conrad Riigern 1677.
') Mit Recht hat Kurz nur die darin eutbalteuen Simplioianisohcn
Anekdoten, die einen sehr kleinen Theil des äuazerst bunten (ianzen
auäuiacheu, abgedruckt.
>) NflmbMg. Felszecker 1670,
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— 49 —
gans in GrimmelBhMisens bester Manier ist der Anhang
von Abisag von Suuem, deren Gemahl Sabud von eeinem
Hunde uod Hahne darüber belehrt wird, wie er ihr das
Fragen naoh Geheimnissen absngowohnen habe.
Von den zwei kleinen Schriften, „der erste Bern-
h&uter** und «Galgenmannlein'^ lA&zt sich die Zeit des
ersten Brsoheinens nieht bestimmen. Die erste ist ein
hflbsches Mftrehen, wohl dem Yolksmnnde naohersfthlt
die zweite ^) ein Brief des alten Simpliciösimus an seinen
Sohn über den auf dem Xitel genannten Gegenstand und
zugleich eine Yerspottnng orthographisoher Gaprioen, auf
die Grimmeishansen spftter ausftihrlicher zurückkam.
Das Kathstübcl Plutonis, welches 1672 erschien^) und
in dessen Titel Pluto und Plutos yerweohselt sind, ist
eine in der Form einer Rathssitzung sich bewegende und
mit Erzählungen vermischte Unterhaltung über die Mittel,
in verschiedenen Standen zu Reichthum zu gelangen,
nebst einer Anweisung, sein Geld wieder los zu werden.
An dieser Berathung nehmen auszer anderen folgende
alte Bekannte theil: Bimplioissimus, dessen Vater und
Mutter, Springinsfeld und Courasche. Da wir hier das
letzte Mal von diesen guten Leuten hören und ange-
deutet wird, dasz sie im höchsten Alter sich befinden,
kann diese Schrift, die auch sonst hübsche Gedanken und
geschickte Anordnung aufweist, als Schlusztableau der
<) Vergl. Kurz lY. S. XIX. ff. £me EimalMisgabe ist oicbt
bekumt.
*) Dis dos Bimelansgabe ist in 13* o. O. 1078 (dnidi Ohimio-
gnunm) mit nlltiUehoii Amnenk- imd EtiimenmgeB erlintert dnnsb
Israel Fromschmidt von Hugenfelsz.
Hier wird der Autor Erich vStainfeU von Grufensholm g^enaimt,
Oetnickt in Samane. Im Jahr 1672. IS** — und ia den Oeeaaunt-
ausg^abeu.
XLS. i
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— 60 —
Simpfieianisohen Romanreihe aufjpfefosst werden. Ton den
eiDgeflocbtcnen Erzählungen ist für Grimmelsbaur^ent
Pseudonymitftt die von Proximus und Lympida von Inter-
esse» Ton der Simplioissimus Bttgt, dass er sie bereite
i&rtig ausgearbeitet babe und dmoken lassen wolle.
In der That ist der Hornau mit diesem Titel noch in
demselben Jahre 1672 ') mit Grimmelshausens vollem
Namen ersohienen. Schon durch die Dedication an Maria
Dorothea Froyfräuloin von Fleckensteiu prätendirt er die
QeltiiDg eines Kunstromans. Dazu kommt noch ein Gediolit
Ton dem schon erw&hnten Sylvander') mit dem Anüm^:
Hinirag um! Anmiliiii and deinssgleieliaii Giillea,
Kit denen sich Mesher pflegt schftdlieh samflUleB,
Dm jonge Fi«yer-Volok: v. 8. w.
und ein anderes: „Zuruf an den Grimmolfihäuser'* io
daktylisohen Versen von „Pericles**.
Der byzantinische Feldherr Myrologos, so begannt die
Geschichte, kehrt siegreich aus dem Kriege gegen die
Perser beim und wird mit groszen Ehren empfangen«
Seine Freude wird jedoch dadurch geschmälert, dasi er
einen jungen Helden, der ihm im Kriege das J^eben ge-
rettet und auch sonst eine erstaunliche Tapferkeit be-
wiesen hatte, vermiszt. Wenigstens hatte er den Schild
desselben, welcher mit drei Pentalphen') gesiert gewesen,
nicht mehr entdecken können.
Pi'oximus, der im Kriege als Pentakontarchus gedient,
kehrte nun zu seinem Vater Modestus surOok. Dieser
verwies es seinem Sohne, dass er seinen Schild mit
den drei Peutalphen mit einem anderen vertauscht
^ 0. 0. 1672. ISO datirt 31. JnU 1679.
*) Sylvander hst fUirigeiii mswiielien gelrant, dsas der Dstiv voi
O^pua operi heiszt.
3) Pentiüplia » Pentagramm.
— 61 —
hat, der Sohn entsohuldigte sich, sein eigener Schild sei
ganz zerhauen gewesen, deshalb habe er sich den eines
Persers genommen. Hierbei nimmt Modestus Gelegenheit,
Yon seinem Gtoschleohte la berichten. Es stammte ron
dem Syrischen Könige Antiochns, daher anch die drei
Peutalplien als Wappcnzeichen. Er seibat, der jetzt im
Grcisenaltor stehende Modestus, war auf seines Vaters
Wunsch mit dem ihm befirenndeten MaoritinSi der später- '
hin Kaiser geworden, von Antiochia nach Konstantinopel
gezogen. Als Mauritius von Fhokas gestürzt wurde, ent-
rann Modestus dem Tode dadurch, dass er sich Jahre
lang bei einem Töpfer yerbarg, als aber Heraklins su
Regieruug kam, wurde er wieder in deu Besitz seiner
Güter und Ehren eingesetzt
Proximns mnsate sich bei Hofe melden, nm sich
wegen des yertanschten Schildes m entschuldigen. My-
rologus erkannte ihn, und es zeigte sich, dasz er des
tapferen Persers Artaphemes Schild erobert hatte« worauf
ihm der Kaiser dessen und sein Wappenxeichen mit
einigen Veränderungen beilegte und auch sonst hohe
Ehren erwies.
Der sweite Theil beginnt mit dem Bericht, dass sich
Basilia, die Frau des Töpfers, bei welchem Modestns
heimlich gewohnt hatte, und welche des Proximus Amme
gewesen war, jetst bei des Mjrologus Gemahlin Namens
Hapsa in Diensten be&nd Sie ens&hlt dieser und deren
Tochter Lympida von der Gottseligkeit der beiden Ehe-
leute Modestus uud Honoria. Ersterer hatte einst eiuen
Armen bei schlechtem Wetter Ton der Strasse geholt,
Honoria ihm die Fflsso gewaschen und Nttgelmale in den-
selben entdeckt, da sei der Mann plötzlich mit Hinter-
lassung eines lieblichen Geruches Ycrschwundcn. Nach-
— 52 —
dem beidon Ehepaaren Söhne geboren worden, starb
Honoria und der Mann der Basilia. Hodestas und Basilia
erzogen zusammen die zwei Knaben Proximus und Mo-
destus (den jungen), bis der alte Modestus von Heraklios
wieder zu Ehren gebracht wurde.
Modestus vermacht (Tbl. III) mit Beistimmung seines
Sohnes diesem nur ein mäsziges Rittergut» alles andere
der Kirche und den Armen. Die Anrerwandten, beeonden
Proximus Oheim Orontäus, widerspreehen und rahm die
Entscliciduüg des Kaisers an, vor dem Proximus hoch-
hersig die Absicht seines Vaters vertheidigt.
Lympida (ThL lY), des Myrologus Toehter verliebt sieh
in Proximus, was ihr grosse Qewissensskrupel und viel
innere Kämpfe verursacht, in denen sie von Basilia ge-
tröstet wird. Der Kaiser (ThL Y) stimmt dem Entschiasse
des P^ximus hineiehtlieh seines vflterliehen Erbes darum
SU, weil er den politisohen Einfluss der grossen in einer
Hand vereinigten Beichthümer fOrchtet. Modestus stirbt,
nachdem er von dem Untergange Konstantinopels ge-
weissagt und seinem Sohne gerathen hat, dereinst mit
seiner Gemahlin nach Venedig überzusiedeln. Proximus
vollzieht seines Vaters letzten Willen trotz der abermaligen
Gegenreden des Orontans. Dieser fUsoht, um sidi sn
rftchen, eine Schuldversohreibung des alten Modestus,
Troximus, weil er schon alles weggegeben, übcrläszt ihm
sein Bittergut und lebt mit von dem Vermögen des
jüngeren Modestus.
Lympida (ThL VI) verzehrt sieh in hoffhungsloeer
Liel)e zu Proximus, während sich viele Freier eifrig um
bewerben. Unter diesen sind zwei sehr tapfere und
'äii&^yäeti^ne Jtinglinge, welohe sieh ans Bifersucht g^en^
^^(ig xüäbtmgen. Deshalb denken Myrologos und Hapsa
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— 53 —
DUO erubtlich daran, Lympida zu verbciratheo , sie aber
wird Yor VerdniM hieraber krank. In einer (ThL VÜ)
schlaflosen Naoht beräth Myrologrns mit Frau und Tochter,
d&bz. Lympida deujenigcu Cavalier hoirathon solle, der
ihnen am nächsten Morgen im Gottesdienste zuerst be-
gegnen werde. Wie sie bei der Kirehe ankommen» steht
Proximus, durch einen Traum Yeranlasst, mit seinem
Freunde Modestus schon da. Er wird von Myrologus
eingeladen, und dieser erklärt, sein Täter sein zu wollen.
Br Yorliebt sieh nun auch seinerseits in die Ober die neue
Wendung der Dinge natOrlich Oberaus erfireute Jungfrau,
die jetzt endlich einmal wieder lachte.
«Solohes erfreute ihren Herren Yattem, und betrübte
ihre Frau Mutter! denn in dem diese sehlaue Frau ihrer
Tochter frOlicbe Zufriedenheit beobachtete, nahm sie auch
war, welcher der Artzt seyn müste, der sie von ihrer
langwOrigen Kranckheit so sohneil ourirte: dann gleich
wie sie auch etwan hiebevor in demselbigen Spital
Selbsten krauck gelegen, und sich noch zu erinnern
wüste, durch waserley Mittel sie von ihrem beschwerlichen
SSustaad widerum genesen, also konnte sie aiijet«) aueh in
der Iiympida Angesicht lesen, und an ihren Blicken sehen
(als welche gar inbrünstig, feurig und liebreitzend auff
Froximnm weder auff andere lossgiengen) wer ihr Artst
und was ihre Artmey war.
Ach Tochter, sagte sie su ihr solbsten, wie hastu so
Tiel (übel?) ge wählet? wie hastu deine Liebe so ttbel
angelegt? wie irrestu so weit ab Ton dem Wege rechter
Temunfit? jetst sehe ich in Wahiiieit^ dass die Liebe bey
dem unbcäunneiien Weiber volck blind ist. Sag mir, O
Lympidal ist dieses der jenige, vmb dessen twillen du dich
80 lange mit Liebes-Marter gequfllet hast? iata nur ein
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— 54 —
solcher, der nichts besser gekönnet, als seines Tattern
ansehenliohe Reiohthnmb, ja FflrsÜiche Gftter, Land, Lent
hinzuschcncken, und sich selbst eiuem Bettler gleich zu
machen? liebe ihn nurl nimb ihn nur, behalt ihn nur,
aber mein Sand gedenck darbej, ¥rie bald er anoh mit
dem nnserigen fertig seyn wird? silie doch, meine Tochter,
wie der kahle Ochlgötz sitzt zu brotzen; wie hoch er deine
feurige Liebe achtet? nimb wahr, ob er doch so yerstftndig
sey, deine Liebe su erkennen? und ob er so viel Difar^lium
besitze, dir umb deine seinet wogen auszstehende Qual
mit einem eintzigen liebreichen Blick hinwiederumb zu
dancken? sihestu nicht ansehnlichere Gavallier vor dir, als
dieser arme Ordensmann (Moneh) einer ist? achtest du
nicht, dasz dich diese alle wie eine Göttin anbeten? soltest
du nicht lieber mit einem, oder wohl gar aber einen aus
diesen zu herrschen erwOhlen, als besorglioh mit diesem
Tropffian betüen su gehen?
Dieses und dergleichen waren der Hapsa Gedancken
Ober der Taffei, welche sie so bestQrtst machten, dass sie
dort sasse wie ein gesohnitselt Bild, und es das Ansehen
gewönne, als hätte der melancholische Geist seine bisc-
herige Herberg bej der Tochter verlassen und nunmehr
bey der Mutter eingekehret.**
Eine Ansaht (Thl. VIII) auf Proximus neidisoher Edel-
leute, die er obenein bei Mvroloorus durch seine Ueber-
logcnheit in der Fechtkunst geärgert hatte, fallen ihn an.
werden aber yon ihm theils getodtet, theils in die Flucht
gejagt Eine Gesandtschaft aus Thessalien langt an und
überträgt ihm die Fürstenwtlrde in diesem Lande, welche
ihm durch Erbrocht zukam. Jetzt erklärt er seine Liebe
zu Lympida und die Hochzeit findet alsbald statt
Des Orontaus (Thl. IX) Sohn Elenohns bekennt im
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— 55 —
Auftrage seines sterbenden Vatcrö dessen Verbrechen
gegen Prozimus und erhalt nioht nur Yerzeikung, sondern
noch Wohltbaten dam. Das neuverrnfthlte Paar geht nach
Thessalien, doch giebt Proximüs waMge der P^pheseihnng
seines Vaters nach einiger Zeit sein Fürstenthum auf und
siedelt sich in dem aufblühenden Venedig an.
Die yerkelirte Welt, welohe jedenfiüls nioht vor 1672
abgefaszt ist ') und welche neben der Bezeichnung „des
abenth. Simplicissimi" den Schriftstelleruamen Simon
Lengfinsoh yon Hartenfelsa trügt» ist eine Höllenfiihrt im
Traume. Die Qualen der Verdammten sind in dem oraesen
GescLmacke der Zeit ausgemalt, aber in den Gesprächen
des Simplicissimus mit den Bewohnern der Hölle zeigt
sich Grimmelshausens origineller Geist Allerdings hat
er dieselbe Idee, die er hier weiter ausführt^ schon in dem
Abschnitt des Simplicissimus über den Mummelsee an**
gewendet Auf die Präge namlioh« wie es auf der Ober«
weit angehe, schildert er die irdischen Zustünde ironisch
als durchaus befriedigende, ja ideale.
Der stolse Melcher» welcher auch noch in das Jahr
1C72') an steUen ist, ist eine Tendenaschiift gegen die
Thorheit der jungen Leute, welche sich durch Bhrgeis
und Abeuteuersucht, häutig wohl auch durch ihre Ab-
neigung gegen regelmässige Beschftfligang, yerleiten
Hessen, in frans0sische Kriegsdienste an treten. Der
elende Zustand, in welchem der Held der Geschichte in
seine Heimath zurückkehrt, giebt den versohiedenen
>) Die 1073 eatdMkto BaaaisaiMthMile wird tai Bade erwfthat
Vgl KeUer H, 8. 1148 and Knis I, juulvuj« welche ohne gsnOgendea
Grand das Jahr 1679 als das des ersten Dnickea annehmen.
1) Die Etanehtnagahe ist ohne Ort ond Jahr. VergL Kais IV»
& XXIV.
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— 56 —
Penonen, die ihn von froherer Zeit her kennen, Gelegen*
heit, ihre Meinuogen Qber seine Thorheit auszusprechen.
Entschieden die beste nnd interessanteste von Grim-
melshaasens kleineren nioht enthlenden Schriften ist der
1073 *) erschienene tcutsche Michel. Ein Schriftsteller von
der ausgedehnten Th&tigkeit und dem weiten Gesichts-
kreise nnseres Mannes mnaito selbstvert&ndlich an den
dnreh Naclilässigkeit, Ziererei, gewaltsamen YerbeBsenin-
gen, unsicherem Geschmack und Yorurtheil aller Art ver-
ursachten Misgfttftndcn iu dem schriftlichen und mündlichen
Gebrauche unserer Sprache^ wie sie seiner Zeit sich geltend
machten, Anstoss nehmen, und ebenso wenig konnte fehlen,
dasz er sich über diese Dinge ein seiner Vorurtheilsfreiheit,
seiner groszen schriftstellerischen Erfahrung und seinem
sicheren Geschmaoke gemflaiee ürtheil bildete. Dasi
diese drei Faetoren, und nicht gelehrte Untersuchungen
den Ausschlag gaben, lag ebenso sehr in Grimmelshausens
Eigenart^ wie es den Werth seiner Erörterungen weaentlioh
erhöht. Seine GManken nun Qber deutsche Spraeke und
deutschen Stil hat Grimmelshausen in dieser kleinen
Schrift niedergelegt und damit vornehmlich gezeigt»
dasi Bildung» mit guter natOrlioher Begabung yerbunden,
unter ümstSnden etwas anderes und swar etwaa viel
Besseres ist als Gelehrsamkeit, und eine heilsame Rcaction
von jener aus gegen diese bisweilen nothwendig wird.
Wir moasen uns mit einer kuraon Ueberaicht des Inhalts
begntkgen. Cap. 1 enthalt das Lob der Sprachkundigen,
während Cap. 2 ausführt, dasz keineswegs alles Heil in
der Kenntnisz fr^emder Sprachen liege, und Cap. 3 die
') Dem Chronogramm auf dem Titel zufolge, o. 0. 12*»: der Ver-
fasser nennt sich Signeur Heszmahl und beseioluiet die Schrifl als des
Weltberoffenen SimpUciasimi etc.
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— 57 -
Ziererei der Oeuteehen mit ihrer KenntniBs fremder
Spraohen dnrehsieht Im 4. Gap. wendet er eich scharf
und klar gegen Neuerungen, namentlich in der Ortho-
graphie, hie und da naoh UDseron jetaigen Einsiohten in
die Saehe in KleinigkeiteD irrend, aher im groaaen Ganaen
geleitet Ton der richtigen Erkenntniss, dasz die Handhahung
der Sprache etwas ins praktische Leben Gehöriges, der
ganaen Nation Qemeinaamea ist, folglich nicht von der
Gtolehraamkeit Einaelner, aneh wenn ihre Meinang histo-
risch und theoretisch richtig ist, Gewalt leiden darf. Etwas
schriftstellerische Pikirtheit gegen Zescn mag immerhin
hier mit nnterlanfen, wenn er heranafS&hrt: »Ihr elende
Tropfen, was bildet ihr ench ein, dass ihr enere Yftter
unterstehet zu lernen, wie sie Kinder zur Schul thun, und
euere Matter, wie sie ihnen die Sprach mit euerer durch-
senerten, anatatt der wahren und rechten natfirlichen
Muttermflch einflOsen sollen?* .... und weiter: „Be-
trachtet doch, ich bitt euch umb G Ottos Willen, betrachtet
doch selbst, was ein reohtsohafiener, ehrlicher alter
Tentacher gedencken und sagen mochte, wenn er sihet,
dass ihr Fader fttr Vatter, släokt vor schlecht, ontslagen
vor entschlagen, KwäU vor Quell, fon für von, sleichen
Yor s<dileichen, fer ror yer, fil Tor yiel, Adel vor edel,
fitot Tor Test, Ewaal vor QuaU und so forten schreibet?
Ach nein! ein solcher alter oder auch wol aus unsern
Nachkömmlingen ein jeder junger Teutscher werden im
ersten Anblick, wenn sie Ober euere Schritten kommen,
urtheln und schliessen, entweder der Schreiber sey ein
Weib oder A-B-C-Schütz, wo uit gar ein Narr, oder der
unschuldige Setzer und Corrector in der Druckerey w&reu
hinlftssige Hudler und ungelehrte Tropffen gewesen."
Cap. 5 streitet gegen den Furiamua, Gap. 6 gegen die
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— 58 —
Fremdwörter« Cap^ 7 handelt über faUoh wiedergegebene
Fremdwörter, allra pedantische AuBspraehe der Bneh-
Stäben, abgeschmackte Vornamen. Man soll, führt Cap. 8
hinsichtlich des mündlichen Gebrauchs der Sprache aua,
nicht seinen eigenen Dialekt, wie dies die Oesterreieher
thun, für den einzig richtigen halten. Gap. 9 redet yon
angewöhnten stehenden Redensarten, durch welche man
sich lächerlich machen kann, vom Fluchen und Schwören,
Cap. 10 über die Redensart: »Was gehey ick mich
darnmbt* Cap. 11 enthält die anch interessante nnd gut
ausgeführte Bemerkung! dasz das beste Deutsch zu Speyer
nnd SU Prag gesprochen werde, Ton einielnen Personen
reden am besten die Gelehrten. In Cap. 12 wird der
Reichthum der deutschen Sprache ins Licht gesetzt und
Betrachtungen über die einsilbigen Wörter sowie über
die Überflüssigen E gemacht'). Oap. 13 ermahnt snm
Schloss, dasB man sieh nicht mit Kenntniss fremder
Sprachen wichtig machen soll, das Schlimmste jedoch sei
die Sucht, Ansländisches Oberhaupt anannehmen nnd der
Mangel an deutscher Gbsinnnng.
Yon dcu zwei noch übrigen Schriften Grimmelshausens
sagt der Titel der ersten ^Manifest wider diejenigen, welche
die roth und güldene Bftrte verschimpffen ete.* genug über
den wenig bedeutenden Inhalt, die zweite, das Gespräch
mit BonamicOy ist bereits besprochen worden.^)
Die Frage, ob wir in den bisher aufgeftlhrten Sohriften
alle Werke Grimitu;lsluuiscu6 kennen, sowie die andere,
ob die besprochenen Schritten alle wirklioh Yon Grimmels-
hausen herrühren, wird an diesem Orte am füglichsten
^) Dieselben Einfälle spielen im Gal§:enmännlein eine Kolle.
*) Sie sind bis jetzt nur in den Gesammtausgabeu vorbanden.
— Ö9 —
«QfiraweTfen und Bogleiohi wiefern dies Oberhaupt mOglioh,
zu beantworten sein.
Dio zweite Frage, die naeh der Aechtbeit der Werke«
welche gegenwftrdg aUgemein unserem Manne ange-
aohrieben werden, ist leieht abanmaohen. Zwei Ghrttnde
haben mit Recht in erster Linie den Anspruch auf
Beachtung , die Auf nähme in die Gesammtausgaben und
die üebereinstimmung des Stils. Wenn auch die Ge-
sammtausgaben keineswegs den Ansprüchen genügen,
welche wir an eine vollständige und sorgfältig behandelte
Sammlung der Werke eines bedeutenden Schriftstellers
au stellen gewohnt sind, so ist doch andererseits nicht
wohl anzunehmen, dasz der angesehene Verleger zu einer
Zeit, wo ein Sohn Grimmelshausens sich in einer ge-
achteten Stellung und gewiss Tide Freunde und Bekannte
des Tcrstorbenen Autors noch am Leben befunden, ge-
wissenlos genug gewesen sein sollte, ünachtes cinzu-
schwärzen, wenn er auch sonst mit den Werken seines
grOsaten und gewinnbringendsten Yerfiissers aiemlich ober-
flachlich und zum Theil gewaltsam umgegangen ist oder
vielmehr von seinen literarischen Handlangern, unter
denen der breitspurige Commentator die erste Stelle ein-
nimmt» hat umgehen lassen.
Wichtiger und durohsehlagender ist die Thatsache,
dasz in allen uns vorliegenden Schriiteu Grimmelshausens
sein Stil im weitesten Sinne, also seine ganae Dar-
stellungsart, nicht au verkennen ist, eine Thatsache, die
man freilicli nur durch eingehende wiederholte Lektüre
sich anschaulich und zweifellos machen kann, dio aber
durch die wechselseitigen Beiiehungen, welche die ein-
selnen Schriften auf einander nehmen, krftftig unterstQtst
wird. Da diese Beziehungen weiter oben in anderem
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— 00 -
Zusammenhange bereits geltend gemacht worden, will ieh
sie hier nieht wiederholen.
Die Frage nach der Vollständigkeit der Gesammt-
ausgaben ist nur im Allgemeinen mit Ja zu beaotworteu,
«inilohst» insofern die in der Ausgabe D yoUst&ndig Yor-
handonen Gontinnationen weggelassen sind, wogegen die
Annahme, daez der Verleger solbstündige umfangreichere
Werke Grimuiclshauaens aosgesohlossen haben solito»
dnroh den GManken an sein eigenes Interesse ab-
gewiesen wird. Zwei Stellen allerdings weisen nooh anf
vielleicht verloren gegangene kleinere Sachen hin. In dem
mehrerwfthnten Beschlusz des Simplicissimus sagt Grim-
meUhansen von seinem Doppelgtnger Samuel Grei£hson
Ton HjTSohfeld: «Sonsten hat er noch feine Satyrisohe
Gedichte hinterlassen, welche, wemi die^z Werck beliebet
wird, wol auch durch den Druck an Tag gegelm werden
konten, so ieh dem Leser sur Nachricht nicht bergen
wollen. Hiernach dürfte man annehmen, dasz Grimmels-
hausen seine feinen Satirischen Gedichte yeröffontlicht
habe und sie verloren gegangen seien, denn kein deutsches
Buch des XVlL Jahrhunderts ist mehr «bdiebot* worden
alb der Simplicissimus. Von welcher Art sie gewesen seiu
mögen, steht dahin, und aus dem, was wir in Versen von
Grimmelshausen besitsen, Utsst sich der Schiusa sieben,
dasB er es mit der Form nicht sehr genau und im Gänsen
von den Opitzischen Reformen nicht viel wird Notiz ge-
nommen haben. Es sind solcher Proben aber nur sehr
wenig, ein Bpigramm auf Felssecker, seinen Verleger, das
Lied vom Geisigen aus dem Satyr: Pilgram, Wellcicht das
Lied auf die Nachtigall im I. Buch des Simplicissimus,
das Widmungsgedioht des Kalenders und einige kleinere
Beime, die spärlich hie und da Terstrent sind, so daas ein
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— 61 -
sicherer Scblusi mtHat mögUeh ist Das fi»t Tolletändige
Fehion versificirter Poesie ist aber immerhin ein Beweis
dafür, dasz GrimmelshauBen seinen eigentlichen Beruf in
der Tolkathttmliolieii Prosa erblickte.
In der „anderen Continiiati(m<* sagt der YerfiwBer:
^Was mir aber auf derselbigen Reise, so hie, so da, so
dort Yor seltiame FaU begegnet^ daran w&ren mir awo
Blephanten HAnt, geschweige dieser Oalender, solche
zu beschreihen, nicht genugsam." Diese Stelle scheint,
namentlich, wenn man den auf dem Titel der Ausgabe C
befindlichen Zusatz: ,Und Mit seinem ewigwehrenden
wnnderbarligen Caiender, auch anderen so seinem Lebens*
Lautf gehörenden Nebenhistorien vermehrte etc.'* mit in
Betracht zieht» auf das Vorhandensein eines Kalenders,
worin die »andere Oontinnation" stand, hinzudeuten, dooh
ist es sehr gewagt, hier irgend welche Hypothesen und
Combinationen anzuknüpfen.
Was Grimmelshausens Pseudonymitat betrifft, so ist
bereits angedeutet worden, dass er sie schwerlich ernst
genommen haben wird. Welche von seinen Sohriften
bleibt denn übrig, zu der er sich nicht entweder direct
oder indirect, sei es als Grimmelshausen, sei es ak
Simplicissimus bekannte? 80 gut wie keine. Denn in
Bezug auf die Werke, welche mit seinem wahren Namen
bezeichnet sind, Dietwald und Amelinde, Eatio Status und
Prozimus und Lympida, bekennt er sich als identisch mit
dem Yerfiisser des Simplicissimus, oder mit andern Worten,
erklärt er, dasz der Verfasser des Simplicissimus jene
geschrieben habe. Von Dietwald und Amelinde sagt er
es in der Vorrede der Ausgabe D (1671), von dem Baih
Hahu auf dem Titel selbst und in eben jener Yor-
rede, und von Proximus und Lympida iäszt er es den
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— 62 —
•Simplioissimus im Bathatübel Piatonis sagen. . In jener
Yonede werden nun aber aooh der Seiender, der Satyr:
POgram, die Landstörtoerm Oonrasche, der Springinsfeld
und der Josef als Werke des ISiiuplicissiinus erkl&rt, und
mit besonderer Aosfohrliehkeit wird in der Yoirede dea
sweiten Theils des Yogfelnests heryorgeboben, dasa der
Simpliciöbiinus, die Courusche, der iSpriugiusfeld und beide
Tbeile des Yogoluests ein Werk ausmachen und Ton
demselben Yeifuaer herstammen. Die anderen kleinen
Sohriften geben sieh anf dem Titel selber als Werke des
Simplicisöimus aus, ausgenommen der fliegende Wanders-
mann, die Mondreiso, dieTraumgeschicht» der stolze Melcher
und das Mani&st ttber die rothen Bftrte. Die drei ersten
kommen hier niebt in Betraobt, da sie Tor dem Simpli-
cissimus erschienen sind, und der stolse Melcher sowie
das Manifest moebten ihrem ürspmng naeh keinem
sweifelbaUb sein, der die andern Sohriften Grimmeis-
iiuusens kannte. Es hätte also unter solchen ümständeu
nicht der den wahren Autor verrathenden Crodiohte, welche
mit seiner Bewilligung gedruckt worden, noch aoeh der
anagrummatisoben Sebriftstellemamen, anf deren Natmr
Grimmelshausen (im Beschlusz des Simpl.) selbst hin-
deutet, bedurft, um einen nicht ganz uuaufmerkaamen
Leser den wahren Saohyerhalt errathen sn lassen, anoh
wenn er nicht eine der Geeammtausgaben YoUsUUidig in
die Hand bekam.
Wir müssen annehmen, dasa Grimmeishansen, wenn
er auch im An&nge seiner sohriftstellerisohen Thfttigkeit
die Absicht hatte, sich für alle Fälle in den sicheren
Schleier der Pseudouymität zu hüllen, diesen Yorsatz
später, sicher aber im Jahre 1671, da sein Buhm fest
begründet war und etwas daran lag, dem Unwesen der
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— —
Naohdrueker ra Stenern, aufgegeben hat Der Umstand,
dasz in unserem Jahrhundert der "wubre Name des Mannes
erst wieder entdeckt werden muszte'), beweist nur, dasz
man sich seit Anhang des XYIII. Jahrhnnderts sehr wenig
nm diesen gekümmert hatte, was in Anbetracht der Personen,
die sich bis in die ersten Jahrzehnte unseres Jahrhunderts
mit Neabearbeitungen des Simplioissimns beseh&ftigt haben,
anch nioht an Terwnndem ist Wenn aber feststeht, dass
Grimmelshausens Autorschaft zu seinen Lobzeiten und eino
Zeit lang nach seinem Tode bekannt war, so sind hieraus
entschieden gOnstigo BooksohlOsse auf die ZuTerlftseigkeit
der seit 1683 erschienenen Gesammtansgaben an machen.
Wenn mau nun die Bedeutung Grimmelshausens für
die Entwickeiuug der deutschen Nationalliteratur über-
haupt und für die der deutschen Prosadiohtung insbeeoudere^
sowie den bleibenden Werth seiner Werke, der auf ihrem
Gehalte an \\ ahrheit und an Kunst beruht, richtig be-
urtheilen . will, so kommt es vor allen Dingen darauf an,
swisehen dem, was er ausser sich Yorfimd, and dem, was
er aus sich heraus gesohafBen hat, su unterscheiden. Dasz
beides weder leicht an sich festzuhalten, noch leicht eines
Ton dem andern abntsondern ist, scheint ans den bisher
vorliegenden Beurtheilungen des merkwürdigen Mannes
hervorzugehen. Man hat einerseits seine Eigenartigkoit,
ja seine absolut isolirte Stellung unter den Schriftstellern
seines Jahrhunderts herrorgehoben ^, andererseits sind
Uber den Werth seiner Schriften die yersohiedensten
*) Ich will die EhtteUieiten dieser wichtigen Entdeekong, die
wir Echtermeyer imd Passow verdanken, hier nieht üu den betnffenden
Abschnitten bei Keller und Kurz wiederholen. /
') Seit der Herausgabe meines Schriftchens „über Grimmelshausens
Sim])I. Schriften, Breslau 187^" habe ich meine Ansichten Uber diese
Verhältnisse YeryoUst&ndigt.
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— 64 —
ürtheile^ nun Theil in der sohroflbten JPorm, laut ge-
worden, und wir können nieht umhin, m erUiren, dasi
wir dies alles, wciin nicht berechtigt, so doch natürlich
üoden. Wir werden also» auoh abgesehen davon» das« es
sehr nnerspriesslieh ist» an die An&tellang einer eigenen
Ansicht das Recht oder gar die Pflicht zu knüpfen, sich
mit allen entgegengesetzten Auflassungen auscinander-
ansetien oder wenigstens daran in reiben» alle aber
Grimmeishansen geftllten ürtheile» die nns in der snb-
jectivon Stellung des Betrachters ihren Grund zu haben
scheinen, auf sieh beruhen lassen, uns bemühen, nur
Thatsaehliohes — woran die Leute mit sohnellem» sehnei-
dtgem Urfcheil niemals grossen üeberfluss haben — ror-
zubringeu, und den Mann selber für sich reden lassen.
Yerhaltnissmässig am leichtesten ist die Erörterung
der literarisohen Yoraussetsungen» auf welehen Grimmels-
hausens Sehriftstellerel beruht.
Es ist allbekannt, dasz der Simplicissimus nicht das
erste Buch seiner Art ist» welohes in Deutschland er-
sehien» und dasa die Spanier das Verdienst der Brfindung
des pikarcsken oder Schelmenromans haben. So haben wir
denn auch schon im Anfange des vorliegenden Bandes
die äehriften kennen gelernt» welche diese Gattung in
Deutsehland einführten, des Aegidius Albertinus Gusman
mit seiner Portsetzung, die von N. Ulenhart gelieferten
Bearbeitungen des Lazarillo und der Ghiunernoyelie des
Oenrantes» sowie die Picara Justina. Dass Grimmels-
hausen diese Blleher kannte, versteht sieh nieht nur Ton
selbst, sondern ergiebt sich aus einzelnen directen An-
lehnungen» von denen ioh nur die Erwähnung der künst-
lichen Brutanstalten su Alkayr und des Zuckerfaaatels in
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— 66 —
Prag herrorhebe, weil die entere beweist, dass Grimmele-
haneen die ForteetsiiDg des Gusman Ton Freodenhold be>
nutzt hat, während dio letztere seine Bekanntschaft mit
ülenharts Qaunernovelle zeigt. Dasz GrimmeUhauaexi
auch die ascetisoheii Sehriften spaniBcher Yerfaaeer, wie
des Gneyara, und swar in der Yerdentschong des
Albertinus kannte, haben wir bereits gesehen.
Nooh nicht beachtet ist dagegen bis jetst der Umstand
worden, dass Grimmelshaosen anoh ein finnsösisehes Buch
kannte, dessen Einriclitung und Inhalt den pikaresken
Aomanen der Spanier und seinen Himplicianischen Er-
lAhlungen sehr nahe steht Dieses Buch ist der Francion
▼on Charles Sorel, dessen deutsche Uebersetsung 1008 er-
schien, welchen aber Grimmelshausen schon im Satyrischen
Pilgram II, I ') erwähnt, aus welchem auch zwei Anekdoten,
die Ton dem Diener, der seinen Herrn loben soll, damit
aber wenig Glttck hat, und die von der TirtuositAt des
Springinslohl in Blähungen (Vogelnest Thl. I, Cap, .*i und
Springinsfeld Oap.l2), entlehnt sind. Die letztere Geschichte
ist unserem Manne so anmerklioh gewesen, dass er sie noeh
einmal in seinem Swigwtthrenden Kalender au^etischt hat
und in der Oourasche Cap. 17 darauf anspielt, ob ihm aber
bekannt gewesen, dass kein geringerer als der heilige
Augustinus die Alteste Quelle derselben ist*), weiss ich
nicht zu sagen.
') Deshalb und da die Urschrift französisch ist, welche Sprache
Orimmelshansen jjeläufii? war. und die älteren Autüfsiben derselben in
Deutschland jetzt noch nicht .selten sind, ist anzmiclimcn, dasz Grininiels-
hausen das Buch kannte, ehe die Uehersetzuiif?" erschien. Vergl. meine
Abhandlung in der Zeitschrift für ueufranzösische Sprache und Literatur
*) De emtttU Dä L XIV, esp. j9A NcmuM ab im tme jmSuurt
«Od «te iMiHMrofot jm» orMrio «onifci» edM, «b «Ss diaia parte
ILA 6
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— 06 —
Der Inhalt des Franeiony deesen Held mit weit mehr
Keoht als Gusmau oder Lazariilo ein Vorläufer des Simpli-
oiBBimus genamit werden kann« sohon weil er sehr Tiel
mehr Geist hat als seine spanisehen Yettem, ist in Kllne
folgender. Die Erzählung beginnt damit, dasz der alte
Öcliloszvcrwalter Yalentiu in der Nähe eines Schlosses in
Burgund Zaubereien Tomimmt, um seine mflnnliohe Kraft
wiedersuerlangen. Er hört ein Gtor&usoh, ein Mann,
welchen er ftlr den in seineu Beschworungen mehrfach
angerufenen Asmodi hält» erscheint und sagt ihm Erfoi-
Inng seiner Wünsehe an. Als er hierauf in seinen
Zaubereien, die er yon einem Pilger Namens Franeion
gelernt hatte, fortfährt, wird er unvermerkt an einen
Baum gebunden, fürchtet sich aber um Hilfe au schreieiL
Inawischen machen drei Bäuber einen Angriff anf das
Schlosz. Einer ihrer Genossen nämlich hatte sich dort
als Magd vermiethet und liesz jetzt eine ätrickleiter herab,
aber auch Iiaurettei Valentins junge Frau, hftngte auf
einer anderen Seite und au einem anderen Zwecke eine
solche heraus, un welcher Olivier, einer der Räuber, der
aber gern von seinem ruchlosen Leben und seineu Genossen
sieh losgesagt hätte, emporsteigt Er wird yon Lanrette
als ihr Liebhaber Franeion empfiugen, während dieser an
der von der vermeintlichen Magd herabgelassenen Leiter
herauf klimmt. Die Magd sagt ihm, dasz er nicht der
rechte s^, und als er ihr erklärt» was er wolle, theilt sie
ihm mit. Laurette sei unwohl. Er will wieder zurück-
steigen, aber der verkleidete Räuber wirft ihn durch
Schütteln herab, er fi&Ut in die Wanne, in der sich der
eantare videantur. Ein ganzer Abschnitt äber diesen sehr beliebten
Gegfenstand findet sich ün Kartzweiligen Zeitreitnibor dnreh 0. A M.
T. W. Oedrnckt im Jahr 1885. & a05 C
^ er —
alte Valentin gebadet hatte, Yerletat noh den Kopf und
bleibt ohne Besinnung liegen. Olivier entdeckt Lauretten,
wer er und ihre Mag'd Catherine seien« sie beide, die an
einander sohnell Gefallen gefunden, h&ngen Catherine
mit aufgehobenen Kleidern yor das Fenater. Ein Räuber,
den Olivier von der ersten Strickleiter herabgentoszcn,
bleibt an den Hosen Laugen, die andern zwei machen
sieh daron, naohdem sie Franoion ausgeplOndert Am
Morgen enteteht ein grosser Auflauf beim Seblosse. Ya-
lentin und Francion wiM-deii gefunden, dieser wird in die
Schenke gebracht, jener vortuöcht die Öaohe nach Möglich-
keit^ nm nioht mit den Gerichten sn thnn su bekommen,
er Iftsst deshalb auch die beiden R&uber, welche die Nacht
ober gehangen hatten, laufen. Auch Francion macht sich,
nachdem ihn ein Wundarzt nothdörftig verbunden hat,
eiligst ans dem Btanbe und kommt in ein anderes Dor£
Hier trifft er einen Edelmann, dem er erzahlt, dass er
Lauretten in Paris kennen gelernt und mit ihr ein Licbes-
verhaltniss angesponnen habe. Deshalb sei er jetst in
Filgerkleidnng hierher gekommen. Valentin hatte Ter-
trauen zu ihm gefaszt, ihm mitgetheilt, wo ihn der Schnh
drücke, und Francion war es gewesen, der ihn an den
Baum gebunden hatte, dann aber verunglttckt var.
In demselben Oasthanse, so filhrt das II. Buch fort»
fand Francion noch die alte Kupplerin Agathe, welche
ihre eigene Geschichte und die der von ihr gefundenen
und snm Handwerk enogenen Laurette erzahlt Agathe
diente in ihrer Jugend bei einem Advokaten, der eine
* böse Frau hatte, dann machte sie die Bekanntschaft der
Kupplerin Perrette, war eine Zeit lang die Coucubine
eines Edelmanns und bestahl diesen mit Hilfe des Knechtes
Manault, den sie sp&ter in Fans als Rftnber wiederfhnd.
5*
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— 68 —
Sie kam herunter nad half ihren TerhAltnisBen erat durch
Iianrette wieder anf. Dieee wurde BchlieesHoh Ton Alidan,
welchem sie zugeführt worden, an seinen Schlosz Verwalter
Valentin verheirathet. Nach Beendigung des Gesprftehs
nuMsht sieh Agathe anf den Weg, nm Lanrette, an welohe
sie kupplerische Bestellungen hatte, anfkoBnchen nnd sie
zeigt sich auch bereit, Francions Auftrage ao sie auszu-
richten.
Franoion DUurt (Buch IH) mit dem Burgondiaehen
Edelmann, der viel Gefallen an ihm gefunden, nach dessen
Schlosse und erzählt ihm uoterwegs einen höchst seit-
eamen aUegoriechen Tranm, den er hatte, ala sie snaammen
tthemachteten. Der Edelmann gieht eine moralische Ans-
legiing. Im Schlosse angekommen, wird Francion zu Bette
gebracht, der Edelmann setzt sich zu ihm und jener erzählt
seine Lehensgesohichte. Sein Vater hatte mit seinem Stief-
Tater einen Prosess nnd erst, naohdem er von Advokaten
und Richtern tQchtio: gerupft worden wiir, verglich er sich
mit ihm und heirathete seine Tochter, deren Sohn Francion
war. Der Knahe ward, da er Talent eeigte, Bum Stndram
bestimmt nnd nach Paris in eine Pension gebraeht Die
Persönlichkeit des geizigen und eitlen Pedanten Horten-
sius wird ausfohrlioh geschildert und einiger Schul-
streiohe gedacht Das Gesprftch wird dadurch unterbrochen,
dasz Francion das Bild einer schönen Dame sieht, für
welche er groszcs Interesse zeigt.
Franoion filhrt (Buch IV) in seiner Ersählnng fort,
indem er den Unterricht nnd die SohulkomOdien der
Anstalt, die er besuchte, satyrisch beschreibt. Hortensius,
der Schulmeister, verliebte sich in Fremonde, die Tochter
des Advokaten« welcher Francions Pension anssahlte.
Deshalb fing er an, den Herren an spielen und Torsnehte,
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— 69 —
er Ton Adel and
sehr reioh seL Hierbei kommt es su der von Grimmels-
hausen im Vogelneat benutzten komischen Scone. Er wird
ausgelacht und zieht aioh grollend zurück. Fxanoion gel^
wieder sa seinem Yater, man redet ihm sum Stadium der
Beehte en, wozu er jedooh keine Lust hat Der Yater
stirbt, Francion kehrt nach Paria zurück, um sich auf
adlige Uebungen sa legen and zu. sehen, ob er yielleioht
bei Hofe ankommen kenne. Er nimmt im Laatenspiel,
Fechten und Tanzen Unterricht und lernt viel aus Lektüre,
die im Gegensätze zur Schulgeiehrsamkcit hervorgehoben
wird. Da ihm ein £EÜsoher Freund mit Namen Bajrmond
sein Geld wegnimmt, gerftth er in Dürftigkeit and kann
sich als Edelmann nicht zur Gcltuug bringen. Einen
seiner ohemaUgeu Schulkameraden, der sich als sehr un-
befiUiigt geieigt hatte, sieht er im Besitae einer Baths-
stelle, die ihm sein Reiohthnm yersehaffi hatte, wieder.
Wegen seines schlechten Kleides wird er im Louvre für
einen J&aufmanusdiener gehalten und ausgehöhnt, dann
konmit er in Verkehr mit Alohjmisten, aber seine Mittel-
losigkeit maeht diesem bald ein Ende. Aneh auf die
Poesie legt er sich mit Eiier, und sie gewährt ihm we-
nigstens Trost in seinem Unglück. — Der Wirth mahnt
som Sohlafengehen, Frandon bliebt daher seine Ersählang
ab, naehdem jener noch in auffallender Weise nach dem
Diebe Raymond gefragt hat.
Am nftobsten Morgen (Buch Y) setat der Held seine
Lebensgesohiohte fort Er kommt bei einem Baohhttndler
mit Poeten zusammen, von deren Dasein und Treiben er
eine sehr orgöuliche und interessante Schilderung macht.
£r erlernt Yon ihnen die neae feine Art der Poesie, ohne
jedoeh vor dieser Kanst eine besondere Achtung sa
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gewinnen. Obgleich er evl einem Ballet bei Hofe Yeree
machte und sie der Königin oherreichte, wodurch er
Gelegenheit erhielt, das Feat selbst anzusehen, hatt« er
doch auch mit der Schriftetellerei kein Glück. Dagegen
besannt er, nachdem sich seine änsECren ümstftnde ein
wenig gebessert haben, der schonen Diane, die er sehon
früher gesehen, den Hof zu machen. Doch ist sie ihm un-
treu um eines Lautenisten willen, der nach dem Willen
ihres Vaters wieder einem Adyokaten weichen mnss.
In gute Verhältnirtse gckonimcn (Buch VI), stiftet er
mit andern jungen Leuten einen Verein ^des braves et gSnS-
rem*. Als die Bltttheseit dieses Yereins Toriiber ist» findet
er sein Olück bei dem reichen und vornehmen Olerante
und schreibt Satyren wider die Thorheit der Menschen.
Ein gewisser Oollinet» welcher halb verrückt ist» wird bei
seinem Gonner Lustigmaoher und bringt allerhand Posaen
vor. Olerante verliebt sich in die schöne Luce, Francion
verfaszt ihm einen Liebesbrief und macht den Werber,
aber Luce verliebt sich in ihn» und er kommt mit ihr
zum Ziela Dasselbe thut er aber auch mit ihrer Zofe
Flourence, Luce merkt es und ergicbt sich doui CleniDtc.
um Franoion zu ärgern» welcher also dadurch seinem
Patron das yersohafflb, was er will Auch mit einer Fnm
aus Tours knüpft er ein Terhftltnfss an, weiss aber ge-
schickt ihren Absichten auf seinen Geldbeutel zu ent-
gehen.
Franoion geht (Buch YII), da ihn Anwandlungen von
Grübelei und Schwermuth heimsuchen, mit Clerante auf
das Land, hier aber wird ganz in der alten Weise fort-
gelebt Die Beiden verkleiden sich als Musikanten und
Betteln so ein Abenteuer mit einer schönen Btkrgersfrau
an. Dann kehren sie an den Hof zurück, wo sie bei dem
— 71 —
Könige in Gunst kommen. Die Yenpottong des albernen
Graüni Bajamond bringt Franeion in grosse Ge&hr, da
ihm joner auf verrätherißcho Weise nach dem Leben
trachtet Ein Duell endet für Francion günstig, für Baja-
mond siemlich schimpflioh« Bei dem Prinsen Protogenes
maeht sich Franoion durch seine Klugheit beliebt. Erst
neuerdings, nämlich nachdem er sich in Laurette verliebti
hatte er sieh von ihm getrennt
Als nun Franoion mit der Erslthlung seiner bisherigen
Sehioksale zu Ende ist^ stellt sich heraus, dasz der ihn be-
herbergende Edelmann jeuer Raymond ist, yon welchem
er einst bestohlen worden war. Da Franoion, ehe er dies
wusste, sehr Obel von Raymond geredet hatte, fSuste
dieser einen heftigen Zorn gegen ihn.
Dieser Zorn (Buch VIII) war aber nur Verstellung,
und bald wird Franoion Yon seinem Wirth su hoohst
«ussohweifenden Festliohkeiten eingdaden, an denen
Männer und Frauen aus der Nachbarschaft thcilnehuien,
unter ihnen auch Laurette, welche von der alten Agathe
ohne Wissen ihres Mannes war herbeigeholt worden. Es
geht grob unsittlieh zn, Valentin will seine Frau, die er
auf Raymonds Schlosse vcrnuithet, abholen, wird aber nur
gefoppt. Dann begiebt sich Francion auf eine Reise nach
Italien. Auf dem Wege dahin hat er yersohiedene Aben-
teuer. Er stiftet auf eine siemlioh obseOne Weise Frieden
zwischen einem Giistwirthe, der sich todt gestellt, aber
duroh eine Blfthung als lebendig verrathen hatte, und
dessen Frau.') Dann hOrt er Ton einem Qeishalse, dessen
Sohn er vor dem Sohuldgeföngnisse besohützt und den
er zu strafen besclilioszt Deshalb giebt er sich (Buch IX)
0 Hier findet sich die im Springinsfeld (Cap. 12) und im Kalender
Immtste Anekdote.
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— 72 —
für einen Verwandten des geizigen Du Buisson aus und
aacht ibu duroh seinen Besuoh möglichst in Kosten jui
stOraen imd su ftrgvrn. Bin Liebhaber wird bei deeeen
Tochter ertappt, aber Franeion weiss den Alten sn Ter*
söhnen und zugleich von seinem Laster zu heilen. Darauf
trifft er die schöne Nais, in deren Bild er sieh verliebt
hatte, und die dadurch die Teranlassnng in seiner Beise
nach Italien geworden war, in einem IVunzöriischen Bade-
orte, reist in ihrer Begleitung nach Italien und wird auf
Ansttfien sweier Liebhaber derselben gefiuigeii genommeo
und ausgesetst» worauf er eine Zeit lang unter Landleotea
lebt und wieder mehrere Liebesabenteuer durchmacht. So
kntlpft er (Buch X> mit Joconde, die ihm bei seiner
Gartnerarbeit susieht, ein LiebesTerhältniss an. Als sie
Yon ihrem Landanfonthalte in die Stadt lorttekgekeliri
ist, gelaugt er in einem Heuwageu yersteckt su ihr. Als
er wieder wegeilt» setst er sich Ton üngefithr in eine
Banfte, in welcher ein Aufwiegler transportirt wurde und
kommt vor dem Btadtkouiiiiaudanten in groszo Gefahr,
i^r bcächlicBzt darauf, Nais wieder aufzusuchen, reist als
Quacksalber und spielt rersohiedene Possen mit Bauern
und den Weibern derselben. Bndlieh gelangt er nadi
Bom, wo er Nais und andere Bekannte antrifft, z. B.
Hortensius, Ton welchem komische Geschichten erifthlt
werden.
Francion (Buch XI) und seine Freunde fllhren eine
ganze Reihe scherzhafter, zum Theil literarischer Gesprftehe
mit dem narrischen Hortensius. Der Held der Gesohiohte
verlobt sich mit Nais. Br hat mit Baymond ein sehr ein-
gehendes Gespräch über Schriftstellerci und Anonymität
Hortensias wird glauben gemacht, dasz er zum Könige
Ton Polen gewählt sei Durch eine yon (Baeh XU) seinen
78
beiden Feindeii Valerius und Ergaste angesettelle In*
trig^e wird Francion noch einmal bei Nais in Un-
gunst und zugleich in den Verdacht der Falsoh-
mOnaerei gebracht Indeaa die Sache Itet sich, na-
mentlich durch die Energie seiner Freunde, gOnatig»
und zum Schlüsse findet seine Vermählung mit Nais
BtatL
Man sieht ans dem Mitgetheüten, dass im Francion
eine Menge von Elementen vorliegen, die von Grim-
melshausen mit Vorliebe und Geschick behandelt worden
sind, die Anklftnge des Bimplioisaimus an Francion
beschranken sich in der That nicht auf die direkt
Terwendeten Anekdoten')!, die schon erwähnt wurden,
und selbst der Stjl des Franaoaen aeiohnet sieh, na^
mentlioh in den froheren Partien . seines Werkes, durch
Lebhaftigkeit und Klarheit der Erzählung in einer Weise
aus, die den Kenner des Simplicissimus fortwährend an
diesen erinnert
Wenn also Grinimolshauson allerdings auch schon
durch solche Arbeiten, wie sie Albertinus lieferte, auf
den Gedanken kommen konnte, dass man dergleichen seiner
Zeit sehr wohl und mit weit besserem Ertrage auf deut-
schem Boden anbauen könne, so muszte ihn der viel be-
deutendere Francion doch noch weit mehr au einem solchen
Unternehmen ermuntern.
Die Schildemng der Pension bei Hortensias erinnert an den
Aulenthalt des SimpUciüsimus iu Köln, das Quacksalbertreibeu Francion.s,
aeine Betrachtungen Aber die Wsiid«lbarkeit menschlischen Glückes, die
KiebtBwIlrdigkeit md ScUaiilieit der gemeineii Weiber Agathe vnd
Lanette cnd aadere Zflge finden lieh hi den ftimplieianlweben Sehiiften
wieder. Vielleicht wird neb jemand die leiebte Aibeit machen, dieie
Einselheiten pedantisob and mit Wichtigtbiierei anflraiMdcn, mn meine
Bebandlimg als «ungenttgend* sn oenairen.
— 74 —
Dan sich Grimmekbaiueo aneh in der sohon aot
längerer Zeit yorhandenen, sowie in der sieh damals eben
weiter entwickelnden Untcrhaltiingsliteratur aus dem
biüte des Kunstromans — wozu auch die zahlreichen üeher-
setsongen fransösisoher Bomane und italienischer Novellen
sn sählen sind — grOndlich umgesehen hat, ist selbstyer^
8tändlich.') Von grröszerer Bedeutung aber sind einzelne
Schrit'töteller anderer Art für ihn geworden, vor allen
Moscheroseh, der, wenn irgend einer, als ein Yorlftufer
unseres Mannes betraehtet werden kann. Mehrere Ab-
schnitte in den Siniplicianischen Schritten, z. B. der
Traum Buch I, Cap. 15 — 17, femer von ganzen Schriften
die Mondreise und Traumgeschiehte, sowie die yerkehrta
Welt sind direkt nach und mit genauem Ansehluss an
Philauders Gesichte bearbeitet , und es ist interessant,
dass auch hier auf die spanische Literatur als die* Urquelle
surdcksuweisen ist. Balthasar Schupp und Legan werden
von ihm citirt, tmd mit diesen sowie mit dem ebenfalls
direkt angeführten Hans Sachs steht er in angeborner
Geistesrerwandtschaft, sie musaten ihm durch ihre Auf-
fassung der Welt und durch ihre Darstellung üAr Lihalt
und Form seiner Schriften vielfache Anregung bieten.
In einer anderen Beziehung als die bisher genannten
literarischen Brscheinungen, denen man einen mehr
oder weniger yorbildliohen Binfluss auf den Ver-
fasser des Simplicissimus zuschreiben kann, stehen zu
•) Da die seit Opitzens Argenis holfähig gewordeneu Romane
sich, soweit wir ortheileu können, einer raschen und allgemeinen Yei^
bnitODg erftenftea, mttsaen wir GrimmelsbaiiBens Bekumtschaft mit
allen einigermanen herforngento Enchdniuigea dieser Art toins*
■etsen, obgleich er TerhiltiiinnSadg wenig nnd £ut nur ait Seiten*
hieben (Anudis In der Oonrasche 8, Asienat im Yogebieet ICs Aresdia
im m, 18) ihrer gedenkt
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— 75 —
«einen Werken eine Gruppe von Bflohem, die sa seiner
Zeit sehr sahlreiok yorhanden waren, aber noch lange
nicht den Höbepunkt ihrer Vermehrung überschritten
hatten, die unterhaltenden und populftr belehrenden Sam-
melwerke, deren Ansahl, filr uns sohwer begreiflioh» aber
ein Beweis der groszen Nachfrage nach ihnen, in der That
jeder Besohreibung spottet und den emsigsten Bibliographen
ermatten kann. Diese, wie wir bereits an den Sohwank-
sammlnngen der fimheren Zeit sahen, seitig in Blflthe
kommende, aber ihre gröszte Ausdehnung und ihren all-
gemeinsten Gattungscharakter erst im XYIl. Jahrhundert,
wo alles aus jedem Gebiete des Lebens und des Wissens
Interessante sieh in Anekdoten sersplittem konnte, er-
haltende Literaturgattung war gleichsam ein von den ver-
schiedensten Fisohen und unzähligem anderen Gethier
wimmelndes Meer, aus dem jeder bequem das ihm grade
Passende herauslangen konnte, um seinen Schriften den
vom Zoitgeiste geforderten Kram, Öenteuzen, Anekdoten,
Citate, Wundergeschichten > fromme Gedanken, Zoten,
Liebliches und Schauerliches und Gott weiss was noch
alles als Schmuck aufzuhängen. Es ist längst bekannt,
dasz Grimmelshausen so gut wie andere, je nachdem sie
BedOrfnisa hatten, aus diesen Quellen geschöpft hat Be-
sonders beaohtenswerth ist f&r uns, dass keiner, der nicht
wenigstens einigermaszon den Umfang und die Vielseitig-
keit dieser Hülfsquellen kennt, im Stande ist, sich von
der Gelehrsamkeit, Belesenheit und der gansen Art su
arbeiten eines Schriftstellers des XVII. Jahrhunderts ein
Bild zu machen. Von einem Einflüsse auf Grimmels-
hausens Darstellungsweise kann allerdings nur in Bezug
auf die wirklich humoristischen Sohwankbttoher die Bede
sein, aus der Thatsaohe aber, dass er die Sammelliteratur
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im weitesten Sione viel benuUt h»^ werden weiter unten
noch andere Sehlüase» fireilioh nefttiver A^, sa dehen
sein*)*
Von eiDem ähnliohen Gesichtspunkte aus ist seine
Belesenheit in der Alteren yolkstliamlielien ünteriial-
tnngsliteratnr sn beurtheilen. Br nennt* den Helden-
Schatz (das Heldenbuch), erwähnt den hörnen Beifried,
Dietrich you Bern, Kdnig Giebich, Chrirnnhild, Artus,
Melusine, den Stauflmberger. Eulenspie^l, Faust, Fortunat,
den ewigen Juden und dergleichen mehr, sowie viele Le-
goudeii belügen. Es handelt sich aber in den Stellen, wo
diese Namen yorkommen, immer nur um Anspiehugea,
und Grimmelshausen hat hier weder BtoS entlehnt noeh
Darstellung gelernt
Dagegen sind einige, zum Theii grössere Abschnitte
in seinen Werken Bearbeitungen sehen vorhandener Br-
s&hluDgeo.
Hierher gehört aunftchst die etwas schmutsige Liebes-
episode in Frankreich im yierten Budhe des Bimplidssimus.
Kurz hat diese Geschichte bereits bei Bandello aufgefunden,
sie steht in der Ausgabe Londra 1740 p. IV als die
25. Novelle, und es sei bemerkt, dass sie sich nur in den
vollständigen Ausgaben des Bandello findet. Eine fran-
zösiscbo Bearbeituug derHclbeu ist in das Werk ^Histoires
tragiques eatraües des oeuvres Italiennes du Bändel et miu$
m lanffuß Fiwtpciae, tarne V Birnen 1604^ aufgenommen. In
diesen Vorlagen ist die von der vornehmen Dame getroffene
Veranstaltung dadurch motivirt, dasz sie eine junge Wittwe
ist, ein Zug, den Grimmelshausen weggelassen hat, da er
*) Aach TOD dea Saaunelwerkea sa und fttr sieh wird ent wiitar
untea (in folgeadea O^^itel) sasfllnlieher die Bede seia.
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— 77 —
ihn nicht bnraehen konnte. Anoh Monsieur Conrad kommt
hier als ein tpeeUde besOglioh ap<ifOdoaiin vor, der die Ver*
mitteluug zwischen der wollüstigen Dame und dem jungen
Manne besorgt Auch Happel hat, wie ebenfalls schon
Snn hemerkty die Brs&blang in semem akademischen
Roman, woTon weiter nnten die Rede sein wird, benutst.
Die Episode vom Baldanders im YI. Buch, Oap. 9, ist
nach Orimmelshansens eigener Andeutung die Bearbeitung
eines Sehwankee yon Hans Sachs (in der Kemptener
Ausgabe I, 1080 bei Titnnann II, No. 7), die traurige
Geschichte yon Andreolus und Cäcilie in der dritten
Oontinuation des Simplicissimus ist ebeDÜslls yon Hans
Sachs behandelt worden, Grimmelshausen aber hat sie
wahrscheinlich einer der zahlreichen deutschen Ausgaben
des Decamerone» wo sie die 7. Novelle des IV. Tages ist»
entnommen.
In der Oonrasche, dem Springinsfeld und dem ersten
Theile des Yogelncsts finden aich keine Abschnitte, die
als Bearbeitungen fremder Werke su beaeiohnen wttren,
obgleich auch hier kleine Anekdoten aus bekannten Quellen
und andere Entlehnungen von Einzelheiten mehrfach be-
gegnen, dagegen bietet gleich der Anfang des sweiten
Theüs des Yogelnests den bedeutendsten und umfang-
reichsten Ahsehnitt, den Grimmelshausen mit eiemlieh
genauer Anlehnung an eine fremde Yorlage gesehrieben
hat. Tittmann ') hiLlt fOr die nftchste Quelle ein fransdsi-
sehes Buch: Le» Faoeun ei Ue Dugrdeu de Vamour^ ou
les Aina?is heurmXy trornpis ei 7nalheureu.i\ welches uui das
Endo des XYII. und den Anfang des XYIIL Jahrhunderts
in einer siemlichen Ansahl von Auflagen erschienen ist
') Vor?], seine Austobe, EinL S. XIX (XI. Bd. der deuteohsn
Dichter des XYU. Jahrb.)
^ kj ,^ aJ by Google
— 78 -
Allein, ganz abgesehen davon, dasz eine Ausgabe dieses
Buches, welche Grimmelshaiisen der Zeit nach hfttte be-
nntsen können, nicht nachgewiesen ist')» kann ich weder
Tittmanus Behauptung, dasz „der ganze Abschnitt vom
fünften bis achten Capitel nichts anderes ist, als die sehr
genaue Gopie, ja die freie Uebersetsung* der fransOsiBchen
Noyelle, beistimmen, noch Ton meiner 1874') ausgesproche-
nen Ansicht, dasz Grimmelshausen die y^Ducento novella
1646 als Vorlage benutzt habe, abgehen. Denn eine
genaue Yergleichung der swei Anspruch erhebendeu
Quellen zeigt, dass die üebereinstimmung der Details —
nicht allein in Bezug auf die Kapaunpastete — zwischen
Grimmelshausen und den deutschen DucerUo novella grosser
ist als die swischen ihm und den Faoeun ei J)ugräe$$.
Die Erzählung findet sich auch im BandeUo und dem
Heptameron der Margucrite von Navarra, doch kann ich
nicht entscheiden, welchem rou beiden die Priorität su-
kommt In Besng auf (Emmelshausens Bearbeitung
küiimieii nur die beiden eben besprochenen secuudären
Quellen in J:>'rage.
Durchaus anders als mit dem eben behandelten Ab-
schnitte, wo Grimmelshausen sich am wenigsten originell
zeigt, verhält es sich mit der darauf folgenden Geschichte,
da der Held, der in eigener Person eraählt» seine ünsicht»
barkeit dasu benutst, einem Judenmidchen den Glauben
beizubringen, er sei der Prophet Elias, welcher den Messias
mit ihr zu zeugen berufen sei, und sie auf diese Weise
0 Mir liegen vor die 6. Ausgabe Paris 1711 und die ft. Xa Mojfe
1781. TittmsDn giel>t ehie o. 0. and Jahr und ehie 1006 (die &>
und Jiträcn dt Berod noch dni Ton 1709, 1710 und 1791 sa , sowie
eine der AmamB tnm§i9 y. lOM.
*) üeber GiimnebhausenB SimpL Sehiiften, Breshm 1S7-L
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— 79 —
yerführt Mit Recht sagt Tittmauu, dieser Thcil dürfe,
»auf der Grundlage einer allbekannten alten Qesohichte
auferbaut, ein dnroh die eigeothOmliehe Kunst der Bear-
beitung wohlerwurbcnes Eigouthum genannt werden.')"
Ein ganz eben solches ürthcil wird man über das
Yerhaltniaa Grimmelshausens au den Quellen, welche er
für Josef, Dietwald und Amelinde und Prozimus und
Lympida benutzt hat, fällen müssen, so verschieden
bei jeder der drei Sohrifcen dieselben sein IhOgen. In
keinem Falle darf hier yon einer Bearbeitung fremder
Sehriften die Rede sein.^
Soweit von den literarischen Voraussetzungen zu
Grimmelshausens Thatigkeit als Sohriftsteller, die, wenn-
gleich wir angeben mflssen, dass im Einseinen unsere
Einsicht durch zufällige Aufschlüsse noch in manchen
Punkten bereichert werden kann, doch von der Art sind,
dass ein wesentlich anderes Bild von seinem Yer-
fiibren, als welches wir uns jetst machen, sich schwer-
lich jemals gestalten dürfte. Weit weniger leicht zu
fassen und au bestimmen ist das, was ihm das
') lieber die jüdischen Sagen vom Elias und die zuerst bei
Olaarius von Heisterbach auftretende Geschichte von dem darauf ge-
gründeten Betrage gegen ein Jndenmidchen veigL die betreffenden
Abschnitte hei Knrs nnd Tittmann. Letsterem habe ich Ar die Wider-
Isgnng efaies ?oa mir OrirnmelBhaasea sa Unieoht gemsohten Yorworftf
die er anf Seite XXKÜ seiner Etnleitaag giebt, meinen Denk sns-
sosprechen.
*) Den Stoff von Dietwald und Amelinde behandelte vor Grimmels-
hansen ein Lied »Von dem Grafen von Safoi" (Liederbuch aus dem
16. Jahrliundcrt, S. 330», für das historische Beiwerk hatte er leicht
andere Quellen zur Hand. Die kurze Fassunc: von Proximus und
Lympida im Eathstübel Plutonis mag sich vielleicht an eine bis jetzt
nicht aufgefundene Quelle xiemlich genau anlehnen , die ansfUuUehe
Bearbeitung im Roman man als original nnd aelbstiadig betrachtet
werden. Die Namen Kyrologos nnd Prcndmns ihide ich nirgends, ein
Kodestos war aar Zeit des Kaisera HeratliwB Bischof von Jerasalem
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— 80 —
geistige und seliache Leben seiner Zeit an Elementen
bot» ans denen er den Gehalt seiner Schriften susammen-
stellen nnd bilden konnte. Nnr das eine ist ^ns klar
und gewisz und liegt in dem ersten Eindruck, den wir
ans seinen Schriften von seiner Eigenthomlichkeii ge-
winnen, dass er durchaus ein Kind seiner Zeit ist» mit
anderen Worten, dasz die geistigen und moralischen
Lebenselcmonte seines Zeitalters 8chr zahlreich, sehr aus-
geprttgt und sehr objektiY-realistisch in seine Geistespro-
dukte flbergegangen sind.
Die Auffassung Gottes, der Natur und des Menschen
bilden die geistige Signatur einer Zeit , formell wie
materiell betrachtet, das heisst sowohl hinsichtlich der
Art| wie die Zeit zu ihrer Anflhssung Gettos, der Natur
uud des Menschen gelangt, als hiusichtlich dessen, was
diese Ansichten an Begriffen und ürtheilen enthalten.
Aber auch die gegenseitige Stellung und Anordnung der
drei Hauptrichtungen des menschlichen Denkens trigt
viel, oft das meiste, zu dem individuellen Charakter eines
bestimmten Zeitgeistes bei
Der universellste — ich würde sagen der deutlichste,
wenn die Deutlichkeit einer Sache nicht Ton dem be-
greifenden Subjekte abhinge — der universellste Unter-
schied des Zeitgeistes des XYIL Jahrhunderts Ton dem
XYin. besteht darin, dass im XYII. noch das Bewnsst- •
smn Ton Gott die feste und yoraussetzungslose Basis, der
sichere und an und für sich selbst gewisse Ausgangspunkt
aller Weltauffassung ist Das finden wir, um die diame-
tralsten GegensAtse an^Bufioliren , ebensowohl bei den
lutherischen Theologen, bei den religiös -pantheistischen
Mystikern und bei Spinoza. Ueberall ist der Begriff Gottes,
die Empfindung Gottes das ö6c «oo oc« des Denkens nnd
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— 81 —
Empliiulcns, sofern es sich überhaupt um einen Anlauf
zu eiuer Welt- und Lobensautfassung handelt. Dies hat
seine grosse Bedeutung für die Geschichte der Philosophie
jenes Jahrhunderts, vielleioht eine noch grössere aber f&r
eine populäre, auf Massenwirkung angewiesene Schrift-
stellerei. Denn es hängt daran für den Yolksschriltsteller
wie für den Tolksdichter im engeren Sinne die ganse mit
den allorplastischsten realen Gestalten und persönlichen
Mächten erfüllte positive Form des Christentbums. Was
wir daher bei Faul Gerhard in der religiösen Lyrik, welche
die echteste Lyrik dieser Zeit Oberhaupt ist, beobachten
können, das finden wir bei Grimmelshausen in der Prosa-
dichtung, sie sind die beiden letzten groszen Dichter
unseres Volkes, die von dieser Fülle you Yortheilen,
welche die fortschreitende Bildung der Poesie entsogen
hat, ausgedehnten Gebrauch gemacht haben. Der Satan,
der den Frommen im Schlafe zu versclilingen droht, die
Singel, die ihn mit ihren Flügeln bedecken und durch
ihren Gesang den Teufel von dem Kinde Gottes ab-
wehren, sind denn ducli Verluste für die Poesie, und
ein reines Woblgefaileu am wirklich Poetischen wird ihnen
niit wahrerem Schmerle eine Thräne nachweinen als den
uns fremdartig gewordenen Göttern' und'Öeroen unserer *
heidnischen Vorfahren, wenn sich auch einige Dutzend
hegelisch, schoponhauerisch oder noch specifischei* «modern*^
göhildeter Dichter in Prosa und Stabreimeil bemühen
sollten, uns die mit altnordischen Namen getauften ge-
spenstischen Ausgeburten ihres Hirns als unsere eigenste
Poesie aufzudringen.
In wie hohem Grade jenes' uiilieirrte Stehenif^iben
bei der populärsten Form des Gottesbewusztseins seiner
Zeit Grimmelshausen einerseits befähigt, volksthümlich su
IL». 6
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— 82 —
denken und eu sohreiben, andererseits seinem Denken
und Empfinden feste Greneen vorschreibt, läszt sich
bei ihm auf jeder Seite erkennen. Ebendamit, womit
er nns mittelalterlich fremdartig berühren kann» wenn
wir nicht im Stande sind, uns tief bis auf den Grand
der Denkart seiner Zeit zu versetzen , wurde er lur
seine Zeit gemeiufaszlich und wirksam, deutlich und
klar und wiederum von einer wohlthuenden Wftrme
•
des Ausdrucks und einer unttbertreffliohen Plastik der
Darstellung.
Wenn nun auch das Gottesbewusztsein den festesten
Punkt in dem Zeitgeiste des XVlI. Jahrhunderts bildet,
so hinderte dies nicht, dasz man den Menschen in seinem
sittlichen, rechtlichen, politischen Dasein ganz empirisch
auffasBte und bei der Betrachtung des Menschengeschlechtes
und Menschenlebens durchaus Tom Binseinen auf das All*
gemeine ging. Dazu hatte jene Zeit eine Menge von Yer-
anlassungen, zumal in Deutschland. Eine durchweg
realistische und empirisch -objective Auflassung der
menschlichen Natur und der menschlichen Verhältnisse
lag von allen Seiten her nahe, man konnte sich über die
Menschheit nicht täuschen — wenigstens nicht su ihrem
Yortheil, was das tausendmal häufigere ist — weil die
ftusserste Noth jeden Augenblick die Grensen mensch-
licher Güte, Grösze und £raft aufdeckte. Und daher ge-
boren die Vorstellungen Ton der Schwäche und dem
Elende der Mensehen so wesentlich in den charakteristi-
schen Lieblingsgedankcn dieser Zeit wie ihre Gegenstücke,
die von Macht und Glück. Das irdische Jammerthal und
das launenhafte Weib Fortuna sind die Hauptmaterie in
allen Lebensbetrachtnngen, ein Mann wie Wallenstein und
ein Einsiedler muszteu die Licblingshguren einer Zeit
— 83 —
werden, welehe ni ihrer Herrorbringang am geeignet-
sten wer.
£iue 80 beschaffene Auffassung der mensclilichou
VerhAltnisee mnssto daroh BerQhrang mit dem religiösen
Zeitgeieto su einer dualistischen Ansieht finhron, die nahe
au Miinichilisiiiü8 streifte. Die Menschheit ist derfirestalt
dem Elend, in das sie durch sich selber «^eratheu, dem
tAnsohenden Spiele des blinden Glookes und der Gewalt,
die dieses einseinen Menschen verleiht, preisgegeben, dass
sie sich theils den dämonischen Machten d(3r Finsternisz
in die Arme wirft, theils nur von dem Eingreifen Gottes
Heil SU erwarten hat» wie es sich ihr durch die kirchlichen
Onadenmittel, Wort Gottes nnd Saoramente, aber auch
sehr häufig durch die unmittelbar mitwirkende Hand
Gottes yermittelti Teufel und Gott» Zauberei und Keligion,
Satansdienst und Sacrament, dämonische Yerstockung und
weltentsagende Ascese stehen einander nicht unvermittelter
gegenüber als bei den Jüngern Zoroasters das Keich
des Ormusd und das des Ahriman. Der elende, rer-
Eweifelte, yerstockte, Qbermfltbige, in Sonde Tersunkene,
in ßusze zerknirschte, im Unglück verschmachtende und
im Glück unsinnige Mensch wird entweder vom Teufel
geholt oder 'Ton Gottes Engeln gerettet
Nur in leisen Flügelschlägen und nur dem Kundigen
und sehr Aufmerksamen fühlbar regt sicli schon in der
allgemeinen Bildung des XVIL Jahrhunderts der moderne
Geist hinsichtlich der Naturauffassung. Wohl konnte da-
mals nicht mehr mönchisch ^lehrter Blödsinn dicke Bücher
mit Beschreibungen und Abbildungen von Naturgegen-
stftnden anfertigen, die es entweder gar nicht gab oder
die gans anders beschrieben und abgebildet wurden, als
man sie in rerum natura sah, denn damit würde man sich
6*
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— 84
schon in woitereu Kreisen lächerlich gemacht hüben.
Aber die die g;ans6 moderne Naturansehauiing nach ihrem
Grundoharakter bestimmende Einsieht, dass man auf
methodischem Wege, durch systematisches Beobachten,
durch das Experiment, durch Messen und Rechnen su
Natnrgesetaen gekngen konnte, war, wie es seheint» noch
GkheimnisB der Gelehrten, und Dank der misstraaisehen
und rücksichtslosen Eifersucht der groszen Mehrheit der
Theologen besohränkte sich das Naturinteresse der Ge-
bildeten im allgemeinen Sinne auf religiöse Natnrbe-
traohtungfen und poedsohe Naturempfiodungen. Schliesz-
lieh domiuirlü doch in den meisten Köpfen die kindische
Anschauung, das« die Allmacht und Weisheit Gottes um
so mehr su bewundem sei, je unTerständlicher, Terworre-
ner, zweckloser und widerspruchsvoller das sei, was sie
geleistet, und dasz der liebe Gott, wenn er wirklich ein-
mal etwas Erkleckliches in der Welt bewirken wolle,
genothigt sei, an allen Ecken und Enden durch Wunder
an seinem Werke nachzuhessorn. Es lag in der That
etwas tief Unehristliches und Heidnisches sowohl in der
dualistischen Aufbssung der Weltsnstftnde als in der
supranatnralistisehen Naturbetraehtung joner Zeit, und
die Angst der von dem Ende der Langmuth Gottes
redenden Theologen hatte etwas Berechtigtes, denn es
sah wirklich manchmal so aus, als ob schon alle des
Teuft)!» wären. Hier nun higen aber auch fflr die besten,
stärksten und originellsten Geister der Zeit die Probleme,
die sie su lOsen oder mit denen sie sich wenigstens sub-
jektiT-indiyiduell abzufinden hatten, hier sehen wir die
Unfähigen heucheln, lügen, faseln und jammern, die
Fähigen ihre Eigenart geltend machen, die Wahrheit als
ihre snlgectiYe Wahrheit in der oder jener Mischung mit
— 86 —
Irribam sa ihrer und anderer Anregung and Bemhigung
finden. Und, so traurig in violer Beziehung das Bild ist,
welches wir uns Yon dem geistigen Zustande unseres
Volkes um die Mitte dee XYIL Jahrhunderts in maehen
haben, ein gfinstigcr Umstand für jeden snr Wirkung
auf das Volk veranlagten Mann , nanu ntlich aber für
einen Schriftsteller, springt leicht in die Augen» n&m-
lich, dasB die Hauptfragen und Interessen der Zeit in
den weitesten Kreisen, vom Kaiacr Lerab bis zum ge-
meinen Soldaten und Tagelöhner, Tom Gelehrten bis
sum Bauern yerstAndlich, weil allgemein üQhlbar waren.
Was brachte nun Grimmelshausen in seiner Persön-
lichkeit, die völlig ausgereift und nach jeder Richtung
hin fertig war, als er die Sohriftstellerlaufbahn be*
trat, mit? In weloher Ausrüstung trat er den ange-
deuteten Zuständen gegenüber? Gleich das erste, was an
ihm aufiUUt, unterscheidet ihn von seinen Fachgenossen
im heroisch-galanten Genre, nämlich seine Erfahrung.
Nieht als ob jene gelehrten Kunstpoeten, mit Opitsischem
Stempel legitimirt, im Jjcbcn etwa nichts durchgeiiuicht,
nicht Welt und Menschen gesehen hatten, aber den
Namen eines eriUirenen Mannes yerdient ab Schrift-
steller keiner von ihnen. Denn dazu gehört nicht allein
die Fähigkeit, Erfahrungen zu machen, und die Gelegen-
heit hierzu, sondern auch die Fähigkeit und der Wille,
die gemachten Erlhhrungen in dem Gebiete, in welchem
einer thätig ist, zur ausgiebigen Anwendung zu bringen.
Grimmelahausen steht, weil in ihm allein alle diese Be*
dingungen erfüllt sind, allein you allen Bomanschreibem
des XVII. Jahrhunderts in vollem und lebendigem Oontaot
mit seiner Zeit, oder mit andern Worten, seine Bücher
sind die Besultate seines Lebens, die Werke der anderen
kj ,^ aJ by Google
— 86 —
die £*rQchte ihrer Leotüre und ihres CollectaneenfleitMS,
mit etwas formeller Soholbildnng g^emodelt und gesiert
Die Fähigkeit, alles, was ihm im Lcbeu begegnete,
sowohl im Einzoluon scharf und lebhaft auizufassen als
aaoh Yon eiozelnen WahmehmuDgen aus an allgemeinen
Begriffen und Gedanken sn gelangen, war ihm in eminen-
tem Grade augeburen. Das orstero wird recht deutlich
duroh seine Kunst, einzelne kleine Dinge wie Kleidungen,
Gerftthe und dergleichen auf das anschanliohste au be-
schreiben, und duroh seine grosze Neigung zu technischen
ErtioduDgeu und mechanischea Künsten, mit denen er
sieh sein ganzes Leben hinduroh soheim abgegeben zu
haben. For das letztere spricht sein nmfiwsender nnd
sicherer Blick lu pulitisclie, wirthschaltliche und sociale
Verhältnisse.
Dasz eine zweite herrorragende Sigensohafb unseres
Mannes der Humor sei, ist längst bekannt, denn sie ist
von allen diejenige, welche dem Leser dio meiste
Unterhaltung bereitet» Aus zwei GrOnden ist dieser
Humor in einer bewimdemngswordigen Gleiehmftssigkeit
nnd Stetigkeit Ober das Ganze der stmplicianischen
Schriften verbreitet, einerseits weil er aus seiner vor-
zQgiiohen Beobachtungsgabe nnd Fassungskraft oder viel-
mehr duroh diese unmittelbar ans den Dingen selbst
hervorging, andererseits trug viel hierzu bei, dasz Grim-
melshausen seine Hauptwerke yerfaszte, als er im reifen
Mannesalter stand nnd ans einer gesicherten nnd geachte-
ten Stellung auf die BtOrme und Verirmngen seiner
Jugend zurückblickte. Seiner groszen Ungezwungenheit
wegen macht sein Humor einen wohlthuenden Kindruck,
wozu noch kommt, dasi er ans der innem Rnhe des
GemQthes und dem sichern Urtheil eines gereiften
— 87 —
Verstandes hervorgeht. Seinen wahren Werth und seine
tiefere Berechtigimg erbalt aber, wie jeder Humor, so auch
der Grimmelshausens dureh die Ton dem Leser ans der
Oesammtheit seiner Schriften gfewonnene üeberseugung,
CS mit einem Munuc zu tbuu zu haben, der sich auch
als sittlicher Menscii mit den Dingen dieser Welt wohl
auseinandergesetst, die Begriffe und Urtheile, die er im
Leben gewonnen, nicht allein su einer auf Yortbeil ge-
richteten Klugheit, sondern zu dem gediegenen Schatze
einer tief sittlichen Lebensweisheit zu verarbeiten ge-
wnsst hat,
Ton der Sentimentalitftt, der so oft mit dem Humor
zusammen auftretenden weichlicheren Öchwester, ist unser
Mann durchaus frei. Auf die Frage, ob er an und für
sich sarteren und feineren Regungen des Gefühls wenig
scngftnglich gewesen, oder ob sein Lebensgang und seine
Zeit die Ursache seiner Derbheit, welche uns Kinder
einer minder harten Zeit oft als Rohheit anmuthen kann,
gewesen seien, ist nicht yiel su sagen, denn Ton allen
Seiten monschlicUcr Eigenart ist die Entwickelung des
JB)mpfindungslobens am moifiten von den Einwirkungen
des fluszeren Lebens abhangig. Eine andere Sache aber
ist es mit moralischen ürtheilen ober seine Derbheit,
über die ÜnverhüUtheit seiner Schilderungen und tlber
die Witze und Scherze, die er nicht unterdrückt, wo er
Gemeines oder Absoheuliohes darstellt
Ich gebe zu, dass hier schwerlich ein durchaus ob-
jectives ürtheil gewonnen werden kann, und möchte,
wohl wissend, dass ich mich mit vielen hier nicht werde
verständigen können, nur darauf aufmerksam machen,
dass wir in Grimmelshausen einen Mann vor uns haben,
der You der tiefsten und echtesten HeligiositiLt, den
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— 88 —
gesnndesten sittlichen Gnmdefttsen und der glähendsten
Vaterlandsliebe darohdrungen ist, dass er Freundesireue
1111(1 Treue im Ilerrcudienst, Piotüt i^egcn Eltern und über-
haupt Yerwandtschaftsgefühl auf das Schöoöte zu preisen
weiss» dass er endlich gleich kohn nnd männlich das
Schwert und die Feder gefohrt. Wenn nnn ein solcher
Mann mit fester ILiud in das Leben hineingreift, wo es
eine blntboureiche Aue und wo es ein 8umpf yoU Schmuts
und Ungesiefer ist, uns das, was er ergriffen, mit lebendi-
gen Worten beschreibend und belehrend Tor die Augen
hält, und niaucbmal über dem Scbmutz und die Scheusale,
die er erüasst hat» seine geistvollen nnd männlich schönen
Zuge sich au einem Lächeln oder wohl auch Gelächter
verziehen, so hat er dazu ein Recht, oder, wenn ich mich
hier irre, so mag ich wenigstens am Scbreibtisch und auf
dem Katheder darüber nicht moralisiren nnd Überlasse das
gern andern, welche in diesen Positionen das Recht su be-
sitzen glauben, sich vor keinem Genius und keinem llol-
den zu beugen.
Eine wohl an diesem Orte am besten zu bemerkende
Sinselheit in Grimmelshausens Charakter als Schriftsteller
und als Mensch ist seine Geringschätzung des weiblichen
Geschlechts. Im Simplicissimus ist sie an der Person
des Helden sehr geschickt psychologisch motivirt und
auch Yon ihrer moralischen Seite sehr richtig dargestellt,
insofern gezeigt ist, dasz ein Jüngling und Mann, der
sich so wie Simplicissimus au dem weiblichen Geschlecht
stellt, gerade mit den Frauen in Yerbindung treten wird,
bei welchen er schlimmen Erfahrungen nicht entgeht
Von der Bildung, mit der ausgerühtet Grimmelshausen
seine Schriftstollerlaufbahn betrat, kann man sich leicht
eine falsche Vorstellung machen. Die Frage hängt mit
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— 89 —
der anderen zusammen, wie er seine Jugend zugebracht,
und hier stehen sich nieht die £rwftgiingen gegen-
ober, ob er das, was er seinen Helden erzfthlen läszt,
alles selber erlebt, oder ob er seine Erzählungen nur aus
Bnohern, Brieten und mündlichen Berichten zusammen-
getragen. Beides ist abzuweisen, ersteres im Hinblick auf
den Blocksberg, den Mummelsee und anderes, letsteres
wegen seiner genauen Konntnisz des Kriegswesens und
Soldatenlebens seiner Zeit, der oft mit B.echt gepiieseuen
Ansohaulichkeit seiner Schilderungen sowie wegen seiner
directen Angaben in Stellen, wo er selbst als Bchrifitsteller
von seinem früheren Leben redet. Die Annahme aber,
dass er seine jungen Jahre als Soldat, zum Theil wohl
auch in einer sonstigen unsteten Lebensart zugebracht,
hat eich mit roUem Recht allgemeine Geltung erworben,
und nur Unkritik oder Hyperkritik wird daran Wesent-
liches andern wollen. Yen einer regulären Schulbildung
kann abo keine Bede sein, und es liegt nach meiner
üeberzeugung auch kein Grund vor, zu glauben, dasz
Grimmelshausen sich eine solche späterhin vollständig
angeeignet habe. In den klassischen Sprachen hat er es
sicher nicht weit gebracht, seine Eenntniss des Alter-
thums in dem Umfange, wie sie in seinen Schriften vor-
liegt, konnte er sehr leicht aus den Sammelwerken schöpfen,
auf die ich bereits hingewiesen habe, und die Wahr-
scheinlichkeit, dasi er dies wirklich gethan, erhält durch
die Ungcnauigkeit, mit der er vieles vorbringt und die
ein charakteristisches Kennzeichen des grOsztcn Theils
dieser Bücher ist, eine bedeutende Stütse. Wir haben
schon gesehen, dasz er Ratio Status als Mascolinum braucht
und Pluto mit Plutos verwechselt, diese Fehler sind aber
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— 90
nur Typen vieler anderer, die jeder leicht finden kunn,
und die aioh kaum anders erklftreu lassen. Die fransösi-
8ohe Sprache wird er theils aus mflndlichem Gebrauche»
theilfl durch Lektüre gfelemt haben, so das« er den fliegen-
den Wandersmann übersetzen und den Fraucion gut ver-
stehen konnte, vom Spanischen durfte er nur einige
Brocken gekannt haben, Italienisoli yielleioht mehr, wenn
auch Oitate aus italienischen Dichtern mit Uebcrsetsung
nicht viel beweisen. Dagegen musz er theologische
Schriften viel gelesen haben und ein Liebhaber der Physik,
Mathematik, Astronomie und Astrologie gewesen -sein, wo-
von namentlich sein Kalender ein Beweis ist. Geschichte
lernte er theils aus grösseren suBammenhAugendcn Ge-
echichtswerken, theils aus jenen Sammelwerken, die dasn
im reichsten Masse Gelegenheit boten, wenn man eben
die Ansprüche jener Zeit machte. Auf eine ähnliche
Weise mag er sich auch die su seinem Amte nothwendi-
digen juristischen Kenntnisse erworben kaben. Wir haben
keinen Grund, daran su zweifeln, dasz er in seiner Jugend
deuaelbeu Bildungsgang nahm und sich dasjenige Wissen
aneignete, wie er es von seinem Helden Simplicissimus
ers&hlt. Grimmelshausen war, wie er uns in seinen
Schriften entgegentritt und nach dem, was wir von
seinem Leben vermuthen können, kein Gelehrter nach
dem Massstabe des XYIL Jahrhunderts, sondern ein hoch*
begabter Autodidakt nnd Eklektiter, dessen Bildung Zu-
sammenhang und Abruudung, worin sie die der Ge-
lehrten jener Zeit bedeutend Oberragt, durch das Leben
selbst erhielt
Die beste Beleuchtung und Bestätigung alles dessen,
was über die objectivon und subjectiven Factoren einer
so herrorragenden literarischen Brscheinung gesagt werden
kann, ist das Resultat derselben, dasjenige, was der geniale
Mann aus dem Geiste seiner Zeit und aus sich selbst für seine
Zeit und «die liebe Posterit&t** geleistet hat Wenn bis in
unsere Tage anoh yiel Einseitiges und Oberflftehlidies ober
den Simplicissimus gesagt worden ist, eines ist immer allge-
mein anerkannt worden, nämliob dasz uns in dieser Er-
sählung ein Oberaus wahres und lebensTolies Bild der
damaligen Zeit überliefert ist Man hat Orimmebhausens
Schriften als Memoiren und als Quellen zur Geschichte
des dreiszigjahrigen Krieges bezeichnet, und ioh meine,
dass eine solche Auffassung wenigstens nicht gerade ab-
geschmackt ist, wenn man diese Schriften eben nur so
weit, als Memoiren es sein können, als Quellen gelten
lAsst Daran, dass er Geschichte habe schreiben wollen,
ist allerdings nidit su denken, auch nicht in dem Grade,
wie viele Memoirenschreiber sich einbilden, es zu thun,
da er die äuszeren Erlebnisse und die innere Entwickeluog
seiner Helden, die nichts weniger als historische Personen
sind, sum einsigen Gegenstande seiner Darstellung hat
Damit susammen hangt auch das Zurttcktreteu der soge-
nannten historischen Thatsachen — Schlachten, Belage-
rungen, Handlungen leitender Persönlichkeiten — hinter die
den Fortschritt des Romans als solchen bedingenden HotiTe,
doch sind auch in solchen Dingen unserem Manne
nur gans unbedeutende und yerschwindend wenige
Fehler naohsuweisen. Die gewiegtesten Kenner des
XVIL Jahrhunderts werden aber nicht im Stande sein,
die geringste Incorrecthcit in der Detuilzeichnung des
historischen und localen Hintergrundes aufiiuiinden, und in
eben solchem Masse ist die noch viel mehr su bewundernde
Treue, die historische Wahrheit als sittliche Eigeuachaft,
die nirgends einer unberechtigten BukyectiyitAt auf die
— 92 —
Wiedergabe der Wirklichkeit Einflusz gestattet, vorhanden.
Der Ausdruck Realismus ist heutzutage cum Gebrauche
in der Charakteristik Ton Bohriftsteliem und Diohtem
nicht sonderlieh geeignet, denn man misabraneht ihn an
sehr zur Bcschüniguug der verwerflichsten Auswüchse,
man beseichnet mit ihm die Nichtachtung der SohOnheita-
gesetae aua blosaer snbjectiver ün&higkeit, ja sogar die
Fähigkeit, mit der Sinnenscbarfe des Schwarzviohs das
H<lszliche und Schmutzige in der Welt und im Menschen-
leben aur Darstellung auaauauchen. Wir brauchen anch
diesen Ausdruck nicht» um die Denkart und Kunat-
Übung eines Schriftstellers zu bezeichnen, der Welt und
Menschen mit den Augen eines gereiften Mannes anstatt
durch daa rosenrothe Qlas jugendlicher UeberachwftngUch-
keit und Beschrflnktheit ansieht, aber wir mQssen, wollen
wir anders nicht das Recht GrimTnelöhauscus auf seine
Darstellung verkennen, uns darüber klar werden, dasz
unsere Zeit mindestens kein Beeht hat, von einem Schrift-
steller einer früheren die Yersiohtleistung auf Wahrheit,
in der sie sich selbst gefällt, zu verlangen. Ich lasse
jedem seine Meinung, namentlich Frauen und jungen Jüeu-
ten unter fQnfundawanaig Jahren, aber meine Meinung ist,
dasa Grimmelshausen ein Liigner wftre, wenn er Welt und
Menschen anders dargestellt hätte, als er es gethan. Die
Wahrheit» au deren Darlegung Verstand und Talent sitt-
lich Yerpflichten, ist um ihrer selbst willen da und darf
nicht zur Erzeugung optimistischer Irrthümer verfölscht
werden. Wenn auch unsere Zeit, Gott sei Dank,
von der Grimmelshausene in Tiden Beaiehungen
sehr zu ihrem Yortheil Terschieden ist, so trifft doch
unsere heutige Belletristik der sehr schwere Vorwurf,
dasa sie sich häufig trotz des «Realismus*", mit dem sie
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— 08 —
prunkt, gegen jenes G^ete der Lebenswahrheit yergeht,
und dämm haben wir bei allen anerkennenswertfaen Er-
rungenschaften auf diesem Gebiet dem wabrhufteaten
deutsoheu JElomansohreiber gegenüber besoheiden su
schweigen und von ihm su lernen.
Doch wenden wir unsere Aufmerksamkeit einzelnen
bestimmten Dingen zu! Was zunächst Grimmelshausens
Yerhftitniss au den literarischen Produeten anlangt, die
man in dem oben angedeuteten Sinne als Yorlftufer und
Vorbilder seines SimpIiciEisimus betrachten kann, so genügen
hier einige Bemerkungen darüber, wie weit er jene iu
dem einseinen Blementen seiner Schrift, so su sagen
in den einseinen Gliedern, woraus sich hier und dort in
analoger Weise der Körper zusammensetzt, ttbertrolfcn
bat. Während im Gusman die mangelnde Gestaltungs-
krafi sich an allen Enden seigt und in der deutseben
Bearbeitung die Brsählung noch dürftiger gemacht wird,
als sie im Orit^iiuil ist, während vollends die deutsche
Bearbeitung der Justina ein von äuszerster ünlUhigkeit
in der erzählenden Prosa sengende genannt werden
kann, spielt bei Orimmelshausen in richtiger Sehfttssung
dessen, was der Uouiunfjciireiber in erster Linie leisten
soll, die JBrzählung immer die Hauptrolle und ist mit
grossem Geschick und Tieler Kunst bebandelt. W&brend
in jenen Boobern die Discurse Oberaus alberne und leere
Spielereien oder matte Compilationen sind, weisz ihnen
Grimmelshausen awar nioht immer, aber doch sum grossen
Theil, einen anregenderen und gediegeneren Inhalt zu
geben. Die Oita|B sind im Gnsman geradezu abgeschmackt
und widersinnig, schon durch ihr Uebcrmasz, bei Grim-
melshausen erstens im YerhAitniss zur Zeitsitte sparsam»
zweitens aber auch immer yiel besser an ihrer Stelle.
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94 —
Die beBobreibenden Absobnitte ateben dort niemals, bei
GrimmelsbauBen immer mit dem Oesammtplan und den
vorherrschenden Gedanken der Erzählung oder den Schick-
salon der Helden in organischem Zusammenhange, kurz und
gut: dort finden wir eben keinen Geist, und bei Grimmels-
hausen finden wir Geist, eigene Gedanken, Kunstgeübtfaeit
und gesunden Sinn. Und wenn wir die Personen der Er-
zählung betrachten, so haben jene Autoren gar keine
Ahnung yon der Notbwendigkeit, den Leser fftr ihre Ge-
schöpfe SU interessiren , Grimmelshausen kennt nieht
allein die Wichtiejkeit dieses Bedürfnisses, sondern be-
sitst auch die Mittel, es auf eine yortreffiiche Weise so
befriedigen.
Dass die Simplicianischen Schriften zum Francion in
einem näheren Verhältnisse stehen, ist bereits oben her-
Torgehoben worden, daher hier nur weniges sur Beleuchtung
der selbststftndigen YorsOge unseres Mannes dem Franso-
sen gegenüber hinzuzufügen. Die Selbständigkeit Grim-
melshausens zeigt sich am deutlichsten darin, dasz der
grössere Theü seines Stoffes aus anderen liebenakreisen
genommen ist,« als wo Sorel seine Modelle fand. Die
Personen gehören im Francion dem Adel und dem Go-
lehrteustande an und die Zeiten sind durchaus friedliche^ der
grösste Yonsug liegt aber meines Bradhtens in der tiefen
und klaren sittlichen Lebensansohauung in den Simpli-
cianisclicn Schriften, wovon eigentlich im Francion gar
keine Bede sein kann, da die moralischen Charaktere
der Personen nicht interessiren. Zu diesen Yorsägen
kommt als nicht unbedeutender formaler die viel gröszere
Gleichmäszigkeit der epischen Darstellung hinsu, der
deutsche Schriftsteller hat sich durchweg Mühe gegeben
und seine Kunst mit Aufrnerksamkeit und üeberlegung
an allen Stellen g^efibt, w&brend der franiteieche raerst
sehr gut erzählt, später sich gehen läszt, in der Erzählung
matt und oft flüchtig, in den Dieoursen breit und schlep-
pend wird.
Um das in den Bimplioianisohen Sehriften Tor uns
entrollte Bild an und für sich zu betrachten und zu
würdigen, müssen wir begreifen, dasa es sieb bier niobt
bloa am ein Bild seiner Zeit als solober bandelt, sondern
daaz des Verfassers grösztes Verdienst darin besteht, uns
in diesem Zeitbildc zugleich ein allgemein gültiges Lebens-
bild Ton bleibendem Wertbe^ weil von bleibender Wabr-
beit geliefert an baben. Yon diesem Gh)sicbtspunkte ans
will auch die Gliederung des Ganzen und die Gruppirung
der einzelnen Tbeile betrachtet und beurtheilt sein.
Den Hintergrund bildet der dreisaigjftbrige Krieg.
Dnnkel einerseits, ansobanlieh nnd grell belenobtet
andererseits ist dieser Hintergrund in hohem Grade. Es
bedurfte keiner besonderen Kunst, von dem Interesse,
welohes er an sieh selbst bot, für das ganae Bild Yortheil
au ziehen, ein hohes Verdienst Grimmeisbausens aber
besteht dariu, dasz er sich in der Auswahl und Aufnahme
des Interessanten au mässigen wusate. Er sobildert mit
richtigem Takte das Leben im dreisaigjäbrigen Kriege,
nicht die politisclien und militärischen Ereignisse. Die
grossen Begebenheiten und die bistorischeu i:*ersonen zeigt
er uns, wie schon angedeutet» entweder bloss aus einer ange-
messenen Entfernung, oder aber in einem leicht au über-
blickenden Detailbildchen eines herausgegriffenen kleinen
Tbeiles. Aber wie gescbiokt ist die derartige Einführung des
Grafen von Thum und des Treffens bei Wittstoek, und
wie hoch steht er durch seine Bescheidenheit über den
Memoiren und seinsollenden historischen Komanen, die
— Ö6 —
mit plumper Hand nur immer nach den hOchatstebenden
und grösztcn Persönlichkeiten Reifen, um durch den Stoff
oder eigentlich durch blosze Namen das sonst ihnen
fehlende Interesse an erawingen!
Somit bewegft sieh Grimmelshausen in den mittleren
und Untertan Schichten der Gesellschutt, wie sie sich in
jenen Zeiten «rliederlen. Die Soldaten, welcher Stand durch
die Zugehörigkeit des ersten Haupthelden sogleich in das
Oentmm gestellt ist, der Adel, der Börger- und Gklehrten-
stuod, die Bauern und nicht um wenigsten diis fahrende
«Gesindlein*", Bettler, Landstörtzer, WallbrQder, Zigeuner,
alle werden stets in ihrer Beaiehung an den Ereignissen
und Zuständen des Zeitalters, sei jene nun eine active oder
eine passive, vorgeführt und stets aus eigener Anschauung.
Denn auch da, wo er Stoff entlehnte, nahm er die Detail-
ausfnhmng immer aus dem reiohen Schatze eigener Le-
benserfiihrung, gleich einem Maler, der, wenn er auch
erdichtete Wesen zu malen hat, dennoch nicht yergiszt,
dasa er seine Studien an wirklichen Menschen machen
musa.
Der Soldatenstand, der in allen seinen Abstufungen,
vom Pikenier bis zum Generalissimus, vom Springinsfeld
bis zu Johann ron Werth und Wallenstein, fiQr jene Zeit
ohne den Beigeschmack des Abenteurerthums, das mit dem
Glück va banque spielt, nicht Torstellbar war, hndet die
zahlreichsten und detaiUirteiten Reprftaentanten. SimpU-
eissimus selbst, Springinsfeld, Gourasohe und eine Anzahl
von Nebenpersonen, welche kleine aber bezeichnende Züge
darstellen, wie der junge Horzbruder und sein scheuaz-
Hohes Gegenbild OUvier, Bamsaj, |der Oommandant Ton
Hanau, der doUe Fähnrich, welcher nicht hochdeutsch
reden kann, der rasende Lieutenant, welcher den alt^u
— 97 —
Hertcbrnder todtstioht, der geizige Dragoner, der Oberst
Lumpus u. 8. \v. sind Figuren von. der hervorragendsten
Plastik UDd Lebenswahrheit Man verfolge die Duroh-
ftkhniog anoh dieser NebeDpersonen, s. B. die des jungen
Hertzbruder und des Olivier, von ihrem ersten Auftreten
bis zu ihrem Tode, und man wird die öobärfe, Oonse^uenz
und fülle der typischen Darstellung bewundern mOssen.
Die Hauptrcprftsentanten der Soldaten aber theilen sich in
die verschiedenen Kennzeichen und zugleich in die Klassen
des damaligen Soldatenstandes. Simplieissimns steUt als
Soldat — er ist nichts veniger als bloss Soldat — die
bessere Art der militärischen Glücksritter dar. Tapfer-
keit, Groszmuth, Freigebigkeit, Anhänglichkeit an Kamera-
den und Yorgesetste, Treue gegen die einmal ergriffene
Partei — damals hat eine militftrisohe Luxustugend —
kurz eine Art von Ritterlichkeit, allerdings ohne alles
aristokratische oder romantische Wesen, sind die Grund-
zOge seines Charakters. Springinsfeld ist ein Soldat^ wie
es eben der grosze Haufb ohne edlen Ehrgeiz und ohne
die den achtungswerthcn Krieger machenden moralischen
Qualitäten war. Courasche ist als quan militärische Per-
sönlichkeit das wahre, aber abschreckende Bild aller der
Klassen und Individuen, die, ohne selbst Soldaten zu sein,
an die bewetifliehe Masse des Kriegsvolks mit ihrer Existenz
und in allen ihren Zuständen gebunden waren, also dessen,
was man damals Tross nannte, eines wüsten Conglomerats
menschlichen Elends und menschlicher Yerworfonhcit, das
im dreissigjährigen Kriege an Zahl diejenigen, welche
ihrer Partei mit der Waffe dienten, oft weit flbertraf.
Der Adel spielt seine Holle als berorzugto Schicht
de» Soldatenstandes, aber auch abgesehen von seiner
militärischen Stellung findet er Berücksichtigung.
iLa 7
— 98 —
Das «adlige Frauenzimmer** kommt nicht gat weg»
nnd vohl nicht allein wegen der geringen allgemeinen
Ansiebt unseres Mannes vom sohOnen Geschlecht. Die
Vergnügungen in Hanau, dos Helden Dienstzeit als
Eammeijangfer , die 8cenen auf dem Schlosse der
geisigen Wittwe im Vogelnest und andere Sohildernngen
eeigen, dasz ihm die liochmüthis^e Gedankenlosio^keit, der
Leichtsinn und Egoismus und die nichtige Yornebm-
thuerei dieses Standes nicht entgangen war. Der Adel
als Repräsentant des Ghrossgmndbesitses und der HofSndel
treten uns in Grimmelshausens ISchril'teu weniger entt^egen,
wahrscheinlich hat er auch wenig Gelegenheit gehabt» ihn
Ton dieser Seite kennen zu lernen.
Sehr eingebend und vielseitig dagegen sind die Dar-
stellungen aus dem Leben des Bauernstandes. Wir sehen
ihn leidend und handelnd neben dem Soldatenstande»
leidend natdrlich in den weitaus meisten Fällen. Welch
ein klasrtisches Bild von den Zuständen dieser zahlreichsten
Klasse unseres Volkes bieten nicht schon die vier ersten
Oapitell Dann das 14. Capitel des ersten Buches, welches
mit Recht die Üebersohrift trftgt:
Simplex erzftblt mit entsetsen und grausen,
wie die Soldaten mit fUnff Bauren hausen.
In dem Knän und der Meuder haben wir durchge-
führte persönliche Typen des Bauernstandes, welche in
ihrer Abhärtung, Arbeitsamkeit, Schlauheit, Sparsamkeit
und treuherzigen Rohheit nicht nur Urbilder ihr alle
Zeiten sind, sondern auch beweisen, dasz Grimmelshausen
wohl erkannt hatte, worin allein die Tüchtigkeit des
Bauern bestehe und worauf sich seine Wohlfehrt gründen
könne.
— Ö9 —
Es ist natürlich, daaz im SimplioiBsimiis, in der
Oonrasohe und im Springinsfeld der BOrgerstand nicht
besonders hervortritt, tleiiii iu den Zustanden und Lcbcns-
verhaitnissen, welche dort geschildert werden, hat er keinen
Plate, oder doch nnr einen zum Leiden und Unterdrackt-
werden, thiltig sieh zeigen kann er nicht Dagegen scheint
nun Grimmelshausen im Vogelnest fast mit Vorbedacht
das nicht Yers&umte, nur Zurückgeschohene, nachgeholt
zu haben. Die beiden Klassen der Gewerbetreibenden und
der Kanflente kommen hier zu ihrem Recht, wenn auch
nicht zu viel Lob. Von allen Gewerben erfreut Bich das
der Gastwirthe der meisten Berücksichtigung, ein Zug,
der schon dem pikaresken Roman in seinem ursprünglichen
Vaterlande eigen ist, in den Schriften unseres Mannes
aber aus sehr deutlichen Ursachen nahe lag.
An den Bflrgerstand einerseits angelehnt durch sein
Hervorgehen aus ihm, andererseits wieder in Bildung und
Lebensansprüchen groszentheils dem Adel näher stehend
erficheint der Gelehrten stand, die studirten Leute. Seine
Yertreter sind ergOtslich aber mit Vorliebe satirisch ge-
schilderte Figuren wie der Pfarrer zu Hanau, in welchem
die Unsicherheit und Abhängigkeit seines Standes zu
jener Zeit höchst anschaulich wird, der Pfarrer zu Lipp-
stadt mit seinem rechtgläubigen und moralischen Eifer,
der geizige und gewissenlose Rechtsanwalt in Köln und
der grosze Arzt Monsieur Canard, dessen kurz und vor-
trefflich gezeichneter Charakter durchaus Grimmels-
hausens Eigenthum ist*) Die Geistlichkeit als solche,
besonders die katholische, erscheint der religiösen Ge-
sinnung des Verfassers gemUsz im ganzen in einem guten
') Vergl. Seite 77, wo leider der Drucklelüer Coorad ätelieu ge-
blieben ist
7*
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— 100 —
Lichte, wenn auch solohe Scenen wie die im I. Th. des
Vogelnestes, wo der Pfisrrer eine Frau yerftkhren will, nnd
die Naehriohten Ober die Znstftnde in dem Kloster beweisen,
dasz ihm ihre Mangel und Schwächen nicht entgingen.
For die Kultur- und Sittengesohiohte sehr interessant
nnd am meisten charakteristisoh fidr die Zeitsnstftnde sind
diejenigfon Schichten der G-esellsohaft, deren Existenz-
berechtigung überhaupt zweifelhaft ist, die fahrenden
Leute und die ausser dem Gesets stehenden. Sie haben
bei Orimmelshausen gleiohsam drei Ohoragen, l^mpli-
cissimuä selbst iu einem Theilo seines Lebens, Courasche
und Oüvier. Ks würde ein (ganzes besonderes Buch dazu
geboren, um der Folie, Ansohauliohkeit und Lebenswahr*
beit der sich hier darbietenden Bilder gereeht sn werden,
wir müssen also hier darauf verzichten, und ich kann nur
andeuten, dasz gerade iu der groszen Menge dessen, was
in dieses Gebiet gehört, ein Hauptbeweis dafür liegt, dass
Grimmelsbansen selbst erlebte, was er besehreibt Nieht
als ob er selbst alles das gewesen sein müszte, was au
Vertretern des gesellsohaftliohen Auswurfii Torgefohrt
wird. Er hatte als Soldat und auf seinen Reisen, die er
gewisz nicht immer auf Eunststraszcn und im Postwagen
gemacht haben wird, Gelegenheit genug, die eingehendsten
Studien an WallbrOdem, Zigeunern, ÜEthrenden Soholem
Qnaoksalbem, Zeitungssingern, Wahrsagern und Rittern
von der Landstrasze zu machen.
Nun zum letzten, aber meines Erachtens wichtigsten
Punkte der Wordigung unseres Mannesl Denn, wie schon
angedeutet, können wir in den YonsOgen des Bildes einer
bestimmten Zeit niemals und grundsätzlich nicht den
Hauptwerth eines Romans erblicken. Was macht Grim-
melshausens Darstellungen für alle Zeiten belehrend und
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101 —
interessant, oder inwict'oru liefert er unserer Behauptung
gemäss sngleioh ein Bild des menseliliehen Lebens Ober-
haupt? Man kann, wenn man einmal bot Anfstellung
dieser Frage gelangt ist, bei einer aulmerksameu Lektüre
seiner Schriften um die Antwort nioht verlegen sein. Das
Oeheimnisa liegt in nichts anderem als in der Innerlich-
keit seiner Auffassung der Menschen, d. h. bei Grimmels-
bausen ist der Mensch im eigentlichen Sinne, das, was
am Menschen beachtenswerth, interessant und bedeutend
ist, das Innere des Menschen, seine geistige und sittliche
Beschaffenheit. Und diese erscheint nicht als ein mehr
oder minder mechanisch und abstract ausgefälltes Sohema,
sondern als ein Organismus, die Eigenschaften der
Menschen sind nicht bloss Prftdicate, sondern Bestand-
theile, Glieder, Organe seines Charakters. Der Simpli-
oissimus ist ein Bildungsroman insofern, als in der Per-
son des Helden ein Ideal oder vielleicht richtiger ein
stark indiyidualisirter Typus Yon Geistes- und Charakter-
bildung, wie sie dem Verfasser vorschwebte, durchgeführt
ist, aber man kann noch in einem weiteren Sinne seine
Bomane Bildungsromane nennen, insofern bei allen einiger-
maszen hervortretenden Personen der Mittelpunkt des
Interesses darin liegt, wie sich ihre innere Persönlichkeit
bildet Wie es in der Seele des Menschen aussieht, das
ist überall die Hauptsache, sei es, dasz yon bleibenden
geistig-sittlichen Eigenschaften, sei es, dasz von vorüber-
gehenden Stimmungen und Affekten die Rede ist.
Es Tersteht sich yon selbst, dasa alles dies je deut-
licher hery ortritt, je bedeutender die Rolle ist, die eine
Person spielt, am glänzendsten wird sich also Grimmels-
hausens Kunst an seinem Doppelgänger Simplioissimus
selber aeigen. Zuerst tritt er uns im Zustande yOlliger
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— 102 —
Bildungslosigkoit, ja ohue jedes Bildungsbodarfnisz ent-
gegen, er ist ein ToUkommonos Naturkind» aber in der
aohlimmstan Bedeutung des Wortea, ein dem Thiere nahe-
stehender, augensoheinlich dem Verkommen als Menseh
yerfallüucr Baucri\juuge. Aus diesem Zustande tritt er
erst durck die yon dem Einsiedler empfimgene Belehrung
wirklioh heraus. Die christliche Religion ist es, was ihn
zu einem vernünftigen Menschen macht, das andere, was
er noch dort lernt, und die sonstigen Eindrücke, die die
^wachsweiche'' 8eele des Kindes als für das Leben mass-
gebend in sich aufhimmt, sind nur Beigaben. Dann tritt
der Knabe in die ^yt!lt, pas!?iv «Ion Beuljaehtnnüfcn hin-
gegeben, die or macht, und die den btärksteu Gegensatz
SU dem bilden, was er in der EinOde als werthvoUste
Vorbereitung ihr das Leben in der Welt gelernt hat
Dariim ist er auch hier der Narr ebenso wie der den
ersten Schritt in die Weit wagende JParcival. Als Jüng-
ling — in der Blütheseit seines Soldatenlebens — tritt er
aktiy im Leben auf, aber im Wesentlichen aus Ftirwitz, der
ihn durch das Duell mit dem Kürassier nahe an den Tod
führt Er entgeht ihm, aber durch nichts als einen drollig-
schlauen Einfall, eine weitere Tollkühnheit bringt ihn in
Gefangenschaft und giobt ihm Mu?ze. die or aber haupt-
sächlich dazu benutzt, sich zum Gecken auszubilden, und
als solcher wird er snm Ehemann wider Willen. Weiter
treibt ihn sein Fürwits in die bedenklichsten Situationen,
in Yerworfenheit und Erniedrigung, die in dem cnisctz-
iichen Compai^aiiogeschait mit Olivier ihren tiefsten Punkt
erreicht Er kommt wieder empor, ja in bessere Um-
stände und angesehenere Stellung als je, aber der Für-
witz verläszt ihn nicht, er leitet ihn bei Eingehung
seiner eweiten Ehe, er treibt ihn in den Mummelsee, er
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yerfohrt ihn, sich nach BuaEland locken zu lassen. Aber
bei einer so gearteten Natur wie Simplioissimus veredelt
öicli der FOrwitz zum Streben uuch Erlahrung und zur
echten, nicht mystischen, sondern empirischen und prak-
tisoh-sittliohen Beschauliohkeit, wenn auch nicht unrer-
nüttelt und ohne rücklaufige Episoden. Mit dem Zeit-
punkte der Heimkunft des Holden beginnt eine neue
Epoche Beiner persönlichen Entwiokelung, die oontempla-
tiye in dem soeben angedeuteten Sinne. Wieder mit
einem Eiiisiedlerthumo beginnend, endet sie uueh mit
einem holchen. Aber wie verschicdeu sind beidel Zu
Anfang richtet sich der Entschluss, Einsiedler zu werden,
durch die Art und Weise seines Misslingens selbst, und
Grimmelöhauben, der sonst viel von einem asketischen
Leben hält, weiss auch die Kehrseite solcher Tugend zu
erkennen tmd sehr anschaulich, ja pikant zu schildern.
Das Einsiedlerthum, womit dieser Abschnitt endet, ist
kein selbstgewähltes, sondern ein zur Läuterung von
Gott geschicktes, ein Bobinsonleben vor Robinson, wenn
auch in wesentlichen Zügen Ton dem yon Defoe imd
KüUhseau erfundenen ubweichcnd. Der Umstand, dasz
auch dieses Einsiedlerleben nur einige Zeit dauert und
wir dann den Helden noch als den kenntniss- und kunst-
reichen Betrachter der Welt, den erüeihrenen, yernünftigen
Manu, aber auch als den unveränderlichen Spaszmacher
und Zechbruder wiederfinden und yon ihm im Kaths-
stübel Plutonis als einem, wie fein angedeutet wird,
bertibmteu und von den verschiedensten Elementen der
guten Ciresellächaft interview leii »Schriftsteller Abschied
nehmen, stellt die Askese und Weltflucht als einen durch
sich selbst überwundenen Standpunkt und die auf geisti-
gem W^ege, dui'ch eigene geistige und sittliche Arbeit
erreichte Weltireiheit mitten in der Welt als das Höehate,
wa8 menBchliohe Weisheit und meneohliohes GlQek leisten
kuDD, dar. Freilich kann dies nur die Entwickelnog hoch-
begabter Natureo sein, denn nur für solche i^t es von
allem Streben das lohnendste, die Walt sa betraohteo,
SU erkennen und sn begreifen. Ifan sieht, der Vagant
und Landstürtzor Simplicissiniu« iöt ein geistiger Aristokrat
von so roiuom Wasser, dasz es einer Entweihung seines
Andenkens gleiohkftme, wenn wir niehr Worte yerlOreo,
um ihn etwa dem sohmntzigen Streberthnme des neun-
zehn teu Jahrhuuderts verstandlich zu machen, das nichts
kann, als auf allen Gebieten des geistigen Lebens Baub-
bau treiben, weil ihm die Krone des Lebens nicht die
Erhebung des eigenen inneren Menschen ist, Hondcrn Geld,
äuszere Ehren, Stellung und Macht. Jener wahrhaft
philosophische Standpunkt aber ist es, der den Simpli*
cissimus auch seinem Ideengehalte nach au einem Kleinod
unserer nationalen Dichtung macht.
Die Oourasohe, in ihrer Gliederung dem Simplioissimns
entsprechend wie eine Parodie, ist ein wahrer Tmts-
Simplox auch insofern, als ihr Ideengehalt su dem jenes
den schucidendsten Gegensats darbietet. Oourasche ist
eine dem kontemplatiyen oder im besten Sinne theoreti-
schen Simplicissimus, wie er der Anlage naeh ist, aber
erst durch lange Läuterung der Wirklichkeit nach wird,
entgegengesetzte, im schlimmsten Sinne praktische, das
heisst racksichtslos egoistische Natur, die sich, um ihr
loh nur Qberall sur Geltung su bringen und su befiriedi-
gen, in aUeu Phasen ihres Lebens gänzlich den Interessen
der Welt hingiebt, sich wegwirft. Diese Richtung des
geistig -sittlichen Lebens in der Figur einer Allerwelts*
h . . . . zu persouificiren, ist ein kühner und groszartig
— 106 —
satiriaoher Gedanke^ der sich den genialBten Einfallen der
grOssten und bereobtigtsten Tadler der Menseliheit drebt
an die Seite stellen kauu. Wer sich um seines Genusses
und Yortheils willen egoistisch-praktisch der Welt hin-
giebt» hat nach dieser Torstellung die Seele einer feilen
Dirne — ein überaus wirkungsvolles Motiv, welches der
Dichter in dem bedenklichsten Stoife ebenso unbedenklich
wie meisterhaft behandelt hat« und diese Darstellung
gipfelt in dem Sehlusstableau, das die alte Conrasohe als
X)hanta8tisch-prächtig auftretende, über Spitzbuben und
sonstiges Gesindel das Öcepter fiihrende Zigeunerkonigin
Yorfohrt Die bleibende, allgemein mensohliche Wahrheit
aber dieser Grundidee zu befürworten, scheint mir bei-
nahe lacherlich, die in der Courasche liegende Satire ist
«heutautage'' fast bereohtigter, als da das sugleich entseta-
liehe und kostbare Gemfllde entworfen und ausgefuhrt
wurde.
Die andern kleineren Simplicianischen Erzählungen
sind an Bedeutung der Ideen hinter die awei ersten au-
roektretende aber doch auch natsUehe und dankenawerthe
Zugaben.
Springinsfeld ist eine gewöhnliche und gemeine Na-
tur, die weder denkend des Lebens Wesen durchdringt,
noch sich im Loben egoistisch -praktisch besonders vor-
wärts drängt, was uns höchst anschaulich gleich bei
seinem Wiedersusammentreffen mit SimpUoissimus dar-
gestellt wird, welcher letztere seinen alten Freund beim
Kopfe nimmt, damit er wenigstens nicht ganz als Lump,
der er im Leben gewesen, in die Grube ^re.
Die beiden Noyellen, welche das Yogelnest bilden,
sind mit dem Interesse ihres Ideengehaltes am engsten
an die Zeit ihrer Entstehung gebunden. Allerdinga hat
kj ,^ aJ by Google
— 106 —
dor Gedanke, dasz Gottes liebevolle Voreehiuig jeden
Sander auf die ihm angemessenste Weise snr Erkennt*
uisz und Besserung leitet, ein Gedanke, der in allea
BQchera Grimmelshausons zur Geltung kommt, seine Be-
deutung nicht mehr für das XYIL Jahrhundert als fOr
jedes andere, in dem sieh das Ohristenthnm als Element
der Cultur tindet, allein in erster Reihe steht doch im
Vogelnest das Yerhältniss des Menschen cur Zauberei
Der Besits eines mit Zauberkräften begabten Gegen-
standes ist Anrcizung zur Sflnde für den naiven Lungerer
im ersten Tlieil wie für deu berechnenden und Projecto
machenden Egoisten im sweiten. Solche Gegenstände
giebt es aber in unserer Weltansehauung nicht mehr,
weshalb uns dieses Motiv nicht anders als etwas fremd-
artig und frostig berühren kann.
Was den Stil Grimmelshausens betrifft, so können
wir uns kurz fassen. Er bildet den diametralen Gegen-
satz zu dem der Voi tasser ikr heroisch-galanten Romane.
In rein grammatischer und lexikalischer Hinsicht muszten
wir jenen Anerkennung zollen» wfthrend man in Besug
auf ihren grossen Antipoden wenigstens zugeben musz,
dasz sein Neuhochdeutsch mit dialektischen Formen und
Wörtern gemischt ist, und dasz auch Archaismen, die es
damals sehen waren, und Idiotismen, die es immer ge-
blieben sind, nicht fehlen. Von allen höheren und wichti-
geren stilistischen Gesichtspunkten aus aber musz uns
Grimmelshausen in einem weit vortheilhafteren, ja in
einem glänzenden Lichte erscheinen. Nicht als ob bei
ihm Schlichtheit uud klassische Siniplicität au die Stelle
des dort herrschenden Schwulstes träte, denn auch Grim-
mebhausens Stil ist reich, geschmückt und yon &st
üppigem Wüchse, aber was bei jenen oonventioneller
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Zwang, Manier, Ziererei ist, das ist bei ihm Ausflosz des
seiner selbst jederzeit gewissen, immer sieggewohnten
Genius. Daa Musz, der innere Bau und die YerkuUpiung
seiner Sätze richtet sich — die grösste Kunst des er-
zählenden Stils — nach der Stimmung, die in der Sache
selbst liegt und in die er den Loöcr versetzen will.
Bringt er etwas Lustiges auf die Bahn, so purzeln seine
Sätse hintereinander her wie in freudiger Eile, den Spass
rasch mittutheilen. Beschreibt er etwas „ WundenrUrdiges**,
so raunt er dem Leser gleichsam mit wichtiger Miene
und umständlich alles in die Ohren, damit nichts von den
erstaunlichen Dingen unbeachtet bleibe. Eraählt er einen
erschtlttemden Vorgang, so unterbrechen Ausrufe imd
Seufzer die sich häutenden und auf den Leser mit Gewalt
eindringenden anschaulichen Vorstellungen. Unheimliches
und Spannendes trägt er so vor, dass die Pausen awischen
den Satztheilen wie die schweren Stösze des klopfenden
Herzens erscheinen, ja er weisz in der Blockshergssceno
und bei der Hebung des Schataes im Keller das physische
Gefühl des Alpdrückens in dem Leser, der etwas Phanta-
8ie besitzt, zu erzeugen, und ein ganz eigcnthünüichcr
Kunstgriff von groszcr M'irksamkeit ist der, dasz er un-
erwartet eintretende Ereignisse und Wendungen immer
dadurch markirt, dass er plötslich aus der sonst breiten
und behaglichen Darstellung in lakonische Kürze über-
geht und dann abbricht. Wenn man Partieen von so
gewaltiger Kraft wie die Schlaohtscene bei Wittstock imd
den Tod Oliviers, von so ergreifender Tiefe der Empfindung
wie den Tod und das Begräbnisz des Einsiedlers, von so
düsterer Seelenmalerei wie die Einleitung der Courasche,
von so packender Komik wie das Gastmahl in Hanau,
die ich hier nur als Beispiele für Aielmui bu viele von
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gleichem Werüie anfahre, au wflrdigen sieh bemOht, wird
man mir mobfc Ünroobt geben, wenn ioh Grimmelehaneea
im XVIL Jahrhundert al» den Meister des stimmungs-
Yollen Stile beseiehnen su dOrfen glaube, gerade so,
wie es Goethe, am meisten durch seinen Werfcher, im
XVm. ist.
Es ist einleuchtend, dasz ein Schriftsteller wie Grim-
melshausen auf seine Zeitgenossen einen bedeutenden
' Bindruok machen musste. Dass er ihn wirklich gemacht
und dii^z er von allen llomanschreibern des XVIL Jahr-
hunderts 2ur Ehre des deutschen Geschmackes wirklich
der beliebteste gewesen ist, können wir aber fi»t nur
ii^direot aus dem buchhändlerischen Brfolge seiner Sohrift-
stellerci schlieszeu. Denn directe Auslassungen von Zeit-
genossen sind, wenn wir von den Ehrengedichten uud den
Lobreden des Oommentatm absehen, fest gar keine vor^
banden. Dass der Geck Zesen und der superkluge Schul-
meister \V eise ihn angestochen, ist bereits erwähnt worden,
von einer Würdigung kann hier nirgends die Bede sein.
Dagegen legen ausser dem, was bereits ttber die Schick-
sale seiner Schriften gesagt wurde, die nach seinem Tode
erschicneiicu Gesammtausgabeu ') ein beredtes Zeugnis^
dafOr ab, dasa er unter seinen £*aohgenossen eine einiig-
artige Stellung gegpenuber den Leserkreisen seiner Zeit
und der nilchötcu iO Juliro eingenommen bat. Dasselbe
bezeugen die sogenannten Nachbildungen, die an sich
keine besondere Beachtung in Anspruch nehmen können.
Ton ihnen ist der Ungarische oder Dacianisidie Simpli-
') Vergl. meine Einleituug zu Bil. III. der Scliriften G. s iu
J. KUrselmer'ä ^Nationalliterator'', sowie die betreüeudeu Stellen bei
Kon und Keller.
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«isrimtis^ die hervorragendste, schon als eine wirkliche
Abenteurergeschichte, weit unter Grimmelshausen stehend.
Der fraoBÖBiscbe Kriegs -Simplioissimus^) hat £Mt bloss
auf dem Titel etwas, das an den dentsohen erinnert, sein
Inhalt ist der der historisch-politischen Romane Happels,
die weiter unten besproohen werden, die anderen Sim-
plioissimi^ verdienen kanm unsere Anfinerksamkeit» und
einiges, was allenfalls hierher gezogen werden konnte,
findet besser im nächsten Capitel seinen Platz.
Wenn im yorigen Jahrhundert und bis in das unsrige
hinein Grimmelshausen eine Zeit lang yergeesen su sein
scheint — obgleich luau mehrmals, aber ohiu? lienif und
Gescbick auf ihn zurückkam^) — so war nicht allein die
ünfilhigkeit oder der sohlechte Gesohmaek der Sohrift-
steller und Romanleser daran schuld, sondern damit wir
gerecht seien, sehr viel auch das Erwachen eines neuen
Geistes, der, von jenem des XYIL Jahrhunderts gana rer-
schieden, gewaltig und siegreieh im XYIII. auftrat und
Grimmelshausens Schriften nebst manchem YOn demselben
») Ws:i. 80. 0. 0. Erneuert von J. L. Seiz. Lpz. 1854. 8».
Als Fortsetziiny: giebt sich der Türkische Vagant. 1Ö83. 8''.
») Freiburg 1082. 8«.
^ Der SimpL Weltkoeksr wird welter unten bespiocheii weiden.
Ber Mnz Adimaatiu (Goed 500) gehOrt mcbt hierher. Der Jan Penu
1079 0. 0. n. 12^ der polit ete. ehnpL Hasenkopf o. 0. 1683. 12o. —
0. O. 1699. 120, der Malcolmo von Libendau o. O. 1686. 120, der sich
als ein Werk des Simplicissimus ansgiebt, Simplicissimi alberner Brief-
steller, Leipzig 1725, 8" und der Simpl. Redivivus o. O. 1743, 8°, sind
als Schriften anzuführen, welche wenigstens zeigen, dass man mit
einem Simplicianischeu Aushängeschilde ziemlich lange Zeit hindurch
Geschäfte zu machen hoffte. Einige andere dieser Art werden von
Weller, Annalen II, S. 39(5, genannt.
*) Hierher sind zu rechnen die von Kurz Bd. I., Einl. S. LYIII
unter 1756, 1779, 1785, 1790, 1810, 1822, 1836, im, 1851 und Ton mir
in der Einl. som L Bd. der Schriften G.'s in J. Kflrsehnen Nationnl-
litertttor unter Ko. 12^ 18 n. 16 angeführten Bmenerangen.
— 110 —
Werthe snrttckdräiigte und in das Donkel der Nichtbeaeh-
tnng hnllte, der Geist der Aufklärung', dessen älteste
Vertreter min bald ihre bisher nie gehörten, aber auf dem
ganzen gebildeten Erdkreise einen dröhnenden Widerhall
findenden Worte ersohallen lassen sollten.
Das lebhalte Interessen welches Grimmelshausen zu
unserer Zeit gefunden hat, der Umstand, dasz der Sim-
plieissimns die Aussieht hat, im XIX. Jahrhundert in mehr
Exemplaren gedrnekt en werden als im XVII., kommt
hier nur als der schlagendste Beweis seines bleibenden
Werthes in Betraoht. Deijenige wOrde in der Bewnnde-
rang Grimmelshavsens naoh dem oben Gesagten an weit
gehen, der es als die Aufgabe der erzahlenden Prosa-
dichtung unserer Zeit betrachtete, den Simplicissimus als
einen Sohn des XIX. Jahrhunderts wieder aufleben su
lassen» aber Olfiok wünschen wollen wir jedem, auoh dem
gWisztcn Talente, das im Stande ist, von dem alten
wackern Gesellen zu lernen.
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I
Dreizehntes CapiteL
Der Schlesier Lohenstein und der Hesse Grimmels-
hausen stellen in ihren schriftstellerischen Persönlichkeiten
die beiden entgegengesetzten Richtungen dar, in denen eieh
unsere Gattung wfthrend des XVII. Jahrhunderts ent-
wickelte. Scliilrrorc Gegensätze können kaum gedacht
werden, wir mögen ins Auge fassen, was wir wollen.
Die beiden Fachgenossen konnten nirgend ein Gkbiet
gemeinsamer Geltung haben» der eine war dem, der den
andern verstand, unverständlich und nichtig. Lohen-
steins Erzählung spielt im unbekannten Alterthum, Grim-
melshausens in der Gegenwart^ das erstere erschien diesem
abgeschmackt, die letztere jenem uninteressant und ge-
mein, der Arrainius ist voll Gelehrsamkeit, die einem
Bewunderer Grimmelshausens übel angebracht Yorkommt,
der Simplicissimus ist voll Menschenverstand und Lebens-
erfahrung, die dem vornehmen Stubengelehrten so viel
gelten wie dem Blinden die Farben.
Beide haben aber in weiten Kreisen groszes Wohl-
gefallen erregt, beide haben ihr Publikum gehabt, wenn
auch kein gemeinschaftliches. Darin liegt schon, dasz
auch beide Nachfolger gehabt haben, wenigstens Leute,
die yersuohten, dem Publikum Gleiches zu bieten.
Freilich haben diese ihre Angaben und Zwecke auch
selbständig aufgefaszt, manches anders gemacht in der
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Meinung, es besser zu maohen, gleiehTiel, ob diese
Meinung immer die riebtige war. Jeden&lls aber müssen
wir, um uns von dem Zustande der erzählenden ünter-
iuütungsliteratur während der letsten Jahrsebnte des
Xyn. und der ersten des XYIIL Jahrhunderts ein
klares Bild zu machen, von jenen beiden höchsten
Punkten Licht empfangen.
ZuTOrderst gehen wir noeh einige Schritte surftd^,
damit eine durch ftusserst sahlreiehe einselne Brsoheimm-
gen vertretene Art ünterhaltungslitcratur, die wir bisher
nur gelegentlich berührten, zu ihrem Hechte komme. Ich
meine die Sohwankbüeher, AnekdotensehfttM und über-
haupt die Sammelwerke aller snm Theil sobwer quaüfieir-
baren Arten, die jenen mehr oder weniger nahestehen.
Eine Yergleiohung der früheren Abschnitte dieses Buches
lehrt, dasa sunaehst die im XY. und XYL Jahrhundert
entstandenen Bfleher dieser Art snm Theil im XYIL noeh
vielfach auigelegt wurden. Um nur einige Beispiele an-
suführen, so giebt es yon den Bieben weisen Meistern
noeh Ausgaben yon 1664 und 1670, von Sobimpf und
Ernst solche von 1G77 und 1699, und die Erneuerungen,
welche Eulenspiegel und Ifaust im XVII. Jahrhundert
erlebt haben, sind bekannt Hiersu kommt, dass der
Inhalt der Alteren Bfleher sieh sehr reieblieb immer und
immer wieder in die neuen und ^gantz neuen" ergosz, so
dasz man beim Lesen der 8chwankliteratnr des XYIL
Jahrhunderts fortwährend alten Bekannten aus dem XYI,
ja XY. begegnet
Die unterhalteudo Sammelliteratur zeigt sich im
XYIL Jahrhundert in der That im Yergleich snm XYL,
ihrer Blfltheseit dem Gehalte nach, in Beaug auf ihren
Ümfimg ausserordentlich weit entwickelt, es ist jedoch
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— 113
sogleich mit Betonung binEUsufDgen , dass dies bei dem
gröszteu Thüile der nucli den Mustern des XVI. Jahr-
hunderts zusanuneDgcstcliten oder geradezu aus ihnen neu
gemischten und erweiterten Sammlungen durch eine Er-
weiterung des Begriffes geschah, eine Erweiterung, die
wenigstens den Ausdruck Schwaukbücher nicht mehr
recht angemessen erscheinen lässt An die Stelle Ton
Anekdoten, in denen ein Ausspruch irgend jemandes in
einer durch kurse Brefthlnng dargestellten Sitotation mit-
getheilt wird, treten blosze Aufzeichnungen von Aus-
sprüchen herrorragender Persönlichkeiten. Natürlich
mussten dann diese Dicta allgemeiner, belehrender wer-
den. Nach einer andern Seite wich man zur bloszon
Erzählung ohne .sprichwörtliche oder spruchartige Pointe
ans, wodurch das Element des Humors oder Witses ser-
setat wurde. So haben Zinkgrefs Apophthegmaia mit jenen
alten Schwankbüchern das Apopbthe^matische, solche wie
Rosset-Zeillers Theatrum tragkum die Erzählung gemein,
diese letzteren wandten aber statt des Humors das Grausen
und Entsetzen als Wünse an. Dann iknd sich zu ihnen
aber bald eine Fluth von Werken, die fast nur curiösc, in
einigen EAllen andächtige, in yersoh windend wenigen
praktische Belehrung in atomistisoher Form bieten. Es
bedarf kaum eines Hinweises darauf, dasz diese ganze
mehr oder weniger anspruchslose Literatur, welche ihre
Wurzeln schon im Mittelalter wie in dem Humanismus
der Benaissanceperiode hat und sich Ton jeher in den Dienst
der Pädagogik und I)i<laktik zu stellen liebte, von einer
parallelen lateinischen CoUectuucenliteratur — etwas ge-
lehrter und etwas schulmeisterlicher — begleitet wird, in
welcher rein humoristische Schriften wie Bebels Facetien
und andere, welche im ersten Bande besprochen wurden,
iLa. ,8
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— 114 —
neben des Brasmns Apophthegmata stehen. Als Motto der
gaDzeu Literatur kunu mau eben nichts Fasscntlorcs linden,
als die Bibelstclle, wo der böse Geist sagt, or hcisze Legion,
denn ihrer sei viel, und mit Beeht hatte Erasmus hier
sehen mit Ohiliaden messen gelehrt.
Ich führe im Folgenden nur einige hervorrat^ende und
besonders oharakteristisohe Erscheinangen aus dem Gebiete
dieser Sammelliteratur an, denn eine aueh nur die enreiA*
bareYollstandigkeit erstrebende Bibliographie wQrde, selbst
wenn ioh mich mit der bloszeu Aufzählung der Titel be-
gnügen wollte, weit mehr Baum einnehmen, als wir diesen
Btlohem, welehe nur ein Ovensgebiet unserer GkMing
bilden, füglich zuweisen dürfen.
Dio erste Stelle dOrfen wohl Zinkgre£s Teutsehe
Apophthegmata beaaspruehen, welehe 1028 sum ersten
Mal (in Straesburg 12^ ersehienen^. Das Boeh, welehem
der dem Verfasser befreundete Opitz ein poetisobes
BmpfeblungBsehreiben mit auf dm Weg gab» wuoht all-*
mfthlioh auf ÜQnf Theile an, deren dritten Job. Leonhaid
Weidner, Zinkgrefs Schwager, zusammentrug.
Noch grOszerer Lebenskraft hat sich des Rostocker
Professors Feter Lauremberg Aeerra phiMo^ioa au erfreuen
gehabte Dass seine bescheidene Absieht, dureh leidit
faszlicho und dem Gedächtnisz sich einprägende Ge-
schichten die Jugend in deutscher Sprache in das klassi*
sohe Alterthum einsufllhren, grossen Anklang fiuid, be-
*) Xir liegen ^slgende Anegsben tw: a) Stnsiboig 1S98L 8*,
IL TU. ebenda 168L 8» Oderin das Gedieht Ton Opits) — b) Stno-
baig 1680. 8* (beide Tbeile) — e) Leydea lOAA. HL 19* (aiit Weida«
ForteetsnngX Ooedeke ftthrt noch folgende sp&teie Ausgaben an:
Amsterdam 1553. Y. la», 1655. V. 12», 1668 HL 13«. — FraakAut
1688. HL la». — Le^psig 1688. Y. la«.
— H5 —
wmm am besten die vielen Anflogen *), wdehe das Buch
Ten seinem ersten Erscheinen 1637 an erlebte, und der
grosze Umiangf, zu weichem es im Laufe der Zeit anwuchs.
Aus den 100 Artikeln, die den Qrundstook bilden, wurden
sekliesdieh nieht weniger als 700. Man blieb nieht beim
Altcrthum stehen, sondern schon die frdheren Aul lagen
«eigen deutlieh die Absicht, das Buch zu einer JtDucyclopAdie
alles Wissenwerthen au maeben, freilieh au einer so wenig
sjratematiselieni wie es nur das XYII Jahrhundert ertragen
konnte. Natürlich sind auch nicht alle Stücke erzählendeo
Inhalts, Beschreibungen geographischer Merkwürdigkeiten,
populäre Behandlung theologieolMr Fragen und kurae mo-
ralisebe Abhandlungen weebseln mit wirkliehen Anekdoten
ab, und die letzteren werden, je mehr sich das Werk er-
weitert» immer seltener'). £ine Fortsetanng lieferte (naeh
€k>edeke) J. Quirsfeld unter dem Titel Historisehes Rosen-
gobüsch ^) und der schon früher erwähnte Polygraph Eras-
mus Franoisoi schrieb, angeregt durch die Acerra philologißa,
neben andern ahnliehen diekleibigen Schriften eine Ae$rta
seoCMomm in drei Banden*).
Auch Samuel Gerlach's Eutrapeliae hisiorico-pJdlologicO'
poUdeOie^) erweiterten sich von ursprünglich 1000 Artikeln
Ich habe allein auf der Breslauer Königl. tmd der Stadtbibliotbek
folgende Ausgaben von folgenden Jahre gesehen: eine von 1640, 1643,
iwd von 1650, eine Toa 1661 , 1663, swd tvn IW, eine tob 1681)
1688, 16M, 1799, 1786. Demnaeli durften wobl doppelt so Tiele
siluUreB«
*) Naeh der Bfaileitimg la meiner Ansgaibe des SimpUeiseimiiB in
JUrtehnerB National-Literatiir habe ich einige Proben gegeben, welche
aeigea, da» die Einführung in den Geist des Alterthums ein» nach
unseren Begriffen sehr oberflftchliohe und mittelbare was.
Nürnberg 168S.
«) 1673 - 74.80.
») Lübeck 1639. 8o ebenda 1647. - Leipsig 1762. 8°.
8*
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— 116 —
auf 3000, welche aber weniger umfimgreich and weni-
ger gelehrt waren als die der Aeerra, Noch unter die
beliebtesten der Anekdotenbüchcr des XVII. Jahrhunderts
gehören die 2000 Stücke, die Christoph Lehmann mit Zu-
gnmdelegong von L. Carons C^uute'Eimmf sammelte und
unter dem Titel EmUmn MdanehoUae herausgab ') und des-
selben Verfassers ähnliches Werk Florilegium polüicum
auetum^) von gmns Ahnlioher Art, fomer der sich einem ge-
wissen Theil des Publikums durch seine oft schlüpfrigen
Artikel empfehlende Eurtsweilige Zeityertreiber^) von
0. A. M. von W., an dem Simon Dach mit Unrecht ein
Antheü sugeschrieben worden ist^).
Diese Bfloher stehen den Schwankbüoherii des XYI.
Jahrhunderts noch verhältniszmäszig nahe, ebenso eine
grosze Anzahl weniger bekannter, die aber immer noch
yerbreitet genug gewesen sn sein scheinen und deren Titel
wie Lustiger Demokritus und ZeitkUrser, Lustige Gesell-
schaft, Leyermatz, Haiiptpillen, Ernst Immerlustigs
Bommerklee schon auf den komischen Inhalt hinweisen,
der sieh natOrlioh immer und immer wiederholt, so dass
es dem, der sieh in dieser Literatur einigermassen umge-
sehen hat, einen komischen Eindruck macht, wenn er
sieht, wie ein Buch, das eine Geschichte mit zwansig
andern gemein hat» als Quelle für ein isweiundswanaigstes
anfgef^inden wird.
Den eigenthümlichen Geschmack des XVII. Jahr-
hunderts stellen meines Erachtens Erscheinungen von
«) Straszburg 1643. 8« — ebenda 1869. 8".
») Frkft. 1641/4-2. II. 120 - ebenda 1662. II. 12°.
^) Mir liegt eine Ausgabe von 16H5, <S^' vor. Goedeke führt solche
Ton 1668, 12", 1678, 12» und ITW, 12« aiL Die von 1Ö6Ö beseichnet
sich als zum zweiten Mal vermehrt.
«) vergl. Bibl. d. Lit-V. zu Stuttgart Bd. 130, S. 19 f.
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— 117 —
etwas anderer Art deotlieher und schärfer dar, indem sie
höheren Ansprüchen an Sensationelles und Raffinirtes zu
genügen strebten. Unter den Öchriftätellern, welche in
Sammelwerken den sieh anoh in den anspraohsToUeren
Ennstromanen der Zeit, wie wir gesehen haben, nur zu
sehr geltend machenden Geschmack am Schrecklichen und
Grftszlichen gut zu treffen wuezten, nimmt der überaus
fruchtbare Martin Zeiller entschieden die erste Stelle ein.
Er errang die Palme mit seiner Ueberseteung oder Be-
arbeitung von Fran«^ois Rossets Histoires iragiques de notre
tempa^ deren spätere Ausgaben den Titel Theairum tragicum
führen. Durch seine Znthaten machte er diese Sammlung
von wüsten und zum Thcil unendlich albernen Schuuder-
geschichten noch wüster und abgeschmackter, eben da-
durch aber, wie es scheint, au einem der beliebtesten
UnterhaltungsbÜcher seines Jahrhunderts. Grauenhafte
Laster und ontactzlicho Schandthaten, Umtriebe des Teufels
und alle haarsträubenden Seiten des Hexenwesens dienen
als Sensationsrequisiten in dieser Folterkammer des gesun-
den Menschenverstandes und unverdorbenen Geschmacks,
und der erzählende Text wird von sehr ausführlichen An-
merkungen begleitet, die in pedantisch -trockenem Tone
mit aahlreichen gelehrten Citaten immer neue Greuel
über Greuel und Unsinn über Unsinn häufen. Lohen-
Steins Tragödien sind Kunstwerke voll reiner Schönheit
gegen dieses Buch, das abscheuliohe Denkmal einer rer-
nunft- und geschmacklosen Weltanschauung, die im Be-
griö^ ist, sich auf dem Höhepunkte ihrer krankhaften Ent-
wickelung selbst zu zersetzen.')
') Ich kenne nur die beiden Auagaben Ulm 1C55, und Ulm 1671,
8®, aber in der ersten findet sich eine Dedication des Verlegers, nnter-
seiehnet Idlb, in welcher eine Anagabe Rostock 1639 als die ittnfte
kj ,^ aJ by Google
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Um sanäehBt bei den liervomg0iid0le& Nemii*
ersebQtterern noch einen Angfenbliok eo yerweüen, eo
schrieb Francibci, der überall dabei sein muszte, seinen
Hohen Trauersaal oder Steigen und Fallen grosier fiemn
In vier starken Bänden') nnd hatte anf diesem Wege
wieder unter andern den Theologen J. 0. Beer zum Nach-
folger, in dessen Neueröffucter Trauer - Bühne ^) mehr
Mensohen hingeriehtet werden, als Sttten vorhanden sind
Damit der Leser wisse, dass er Waare k U Rosset-Keiller
vor sicli luit, wird auf dem Titelkupfer einer mit dem
Schwert und einer mit dem Beil enthauptet, einer ge-
ridert» einer geyiertheilt» einer ersehossen, nnd im SSnter-
grunde findet noch ein Duell^ ein Erdbeben und der Aus-
bruch eines Vulkans statt. Ein so tüchtiger Autor hatte
der Welt su yiel Sohmera venursaeht, wenn er hiemaeh
die Feder beiseite gelegt und so verOfflfontiiehte Beer noek
ein historisches 8patzier- und Convorsation-Büchleiu ') mit
300 Geschichten, von denen nur ein Theil «schreckenvolle
Traner-Gesohiohten* sind, nnd er soheint aneh der Yer-
ühsser des Historisehen Rosengartens*) 8u sein, der eben*
Ddls 300 Historien euth< und in dessen Vorrede er aus-
draoklioh sagt» es sei Ton ihm verlangt worden'), dass er
bezeichnet uml über mehrere schon erHchieiieue Naolnlrncke ijfeklagt
wird. Zeillers Vorrede d. d. 7., 17. April lOfiO (abgedruckt in der Aus-
gabe von 1G71) gehört zur achten reohtmaszigeu Auügahe und itlhrt
drei Nadidnuike inf. Es sind slso bis 1671 mindestens xwölf Aof
gaben enwliieaeti. In den Beilagen habe ieh eine EnShlnng mit-
getheilt
>) Nflmberg. 1665-168L 8«.
») I. Thl. Ntlraberg o. J. 8«. (c. 1700).
3) Nürnberg 1701. 8°.
<) Frankfurt und Leipzig: 1710. 8^
*) Zur Ehre der Verfasser kann ich die Thatsache nicht ver-
schweigen, dasz es ein gemeinschaftlichcH Merkmal dieser Literatur
scheinti von den Verlegern bestellt oder gewünscht 2tt sein.
— 119 —
ein solches Buch wie Laurembergs Acerra pldlologica
mache» daaz er aber aus dieser mohts aufgenommen habe,
und ein Prediger £Mt alles, was darin enthalten ad,
brauchen könne. Nicht geringeres Ansehen genossen die
ähnlichen Bücher von Becrs Amtsbruder M. J. D. Ernst
(1683 Arohidiakonus au Alienburg) z. B. die Historisohe
Sefaanbühne') und das Historisehe Bilderhaus'), denen wir
noch eine 31cnge von andern Verfassern herrührende
Thesaujn, Spaziergänge, Lusthauser mit historisoheu Aus-
hAngeschildern folgen lassen könnten. Wenn auch bei
allen diesen Mftnnem «Historisch** und «Blutig** sich
mehr oder woniger decken, so erreicht allerdings keiner
den zuerst angefahrten.
Eine sehr herrorragende Stelle nimmt unter den
eklektischen Unterhaltungsschriftstellem wegen der Viel-
seitigkeit, mit der er der Mode seiner Zeit Gci^üge leistete,
Ph. Harsdörffer ein, den wir schon weiter oben kennen
lernten. Mit seinem Grossen SchaupUtae jämmerlicher
Murdgeschichte ^) wandelte er dieselbe Bahn wie Zeiller,
allerdings in etwas weniger krasser Weise und, wie es
scheint, auch nicht mit solchem Brfolge. Ganz ahnlich
eingerichtet» nur nicht yon so «jämmerlichem* Inhalte ist
sein Schauplatz Lust- und lehrreicher Geschichte*), in
absichtliohem Gegensätze zu den schon bekannten Ool-
») Bei dem mir vorliegenden Exemplare fehlt der Titel.
Thl. IT. Altenburg 1693. 8». Desselben Verfassers „Der Un-
glücklich-verliebten Printzens Siclieins und der unfürsichtigen Fräu-
leins Dina Traiiric: abe^elaiiffene Liebes -Geschichte etc. in XXIII Be-
trachtungeu, Altenburg 10Ü3. 8°. ist kein Roman, sondern eine Samm-
limg Ton Predigten.
«) Fnakftirt UM». IL 12«. — Hamlmrg 1656. 1%^ — Fiaokftirt.
1660. 8«. - Hamburg 1666. 8<> (fttnfte Aufl.).
«) Frankfort 1660, 51. II, 12^. - Fnuikflut 1664, IL 8« (fttofte
Aufl.). — Hsnbiiig 1660. 8«. — Hambuig 1679. 8«.
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— 120 —
leotanoeu aus dcu uutikeu Schriftstellern aus iranzösifichea,
italiemBohen und spaniBchen Bflohem susammengestellL
Sehr viel almliches Material hatte Harsdörffer in seinen
Frauenriniuier - Gespnlclispiolon'), dem kulturhistorisch
interessantesten Stück aus seinem bunten Kram, geboten»
aher das Höchste in dieser Art meinte er sicher in seiner
Ars (ipophthegmaHea*) erreicht sn haben. Hier wird die
Kunst, geistreich zu sein, in eben der Weise gelehrt wie
in dem Nürnberger Trichter die Kunst, ein Dichter sn
werden. Um systematisch yorsugehen, werden in einer
Einleitung die „Knnstquellen denckwürdigcr Lobrsprücbc
und Ergötzlicher Uolreden", welche auf dem Titel ver-
heissen sind, aufgeführt. Es sind ihrer sehn, nftmlich
die LehrsprOche, die Wortforschung, die Doppeldeutung,
die Abtheilung, die Folge oder das Schickliche, das Un-
schickliche oder Uebermäszige, die Gleichnisse, welche
theils erklären, theils beweisen, der Gegensats, die Frage
und darauf geftlgte Beantwortung und endlich die Ge-
schichte. Man sieht, es gilt, eine nach rhetorischen Ge-
sichtspunkten geordnete Anweisung zu geben, um den
Leser in den Stand su setsen, bei allen denkbaren Ge>
Icgenheiton in der Conversation mit einer Anekdote,
einem scharfsinnigen Spruche, einer Ycransohaulichenden
Ersfthlung und dergleichen au&uwarten. Br hatte das
Streben, in die atomistisehe Aufhäufung unterhaltenden
und zugleich belehrenden Materials eine tiefere Einheit
und Gliederung su bringen, beaeichnender Weise yerfiUlt
er aber doch auf nichts weiter als auf eine Topik der
Conversation, und mau musz schlieszlich sagen, dasz er
•) Nürnberg 1641. — 1649. Vin. qu. 8". *
') NtLmberg 1655. 8«. — Continuatio Nürnberg 1656. 8».
nur prfttentiMer, aber nicht praktisclier für den Leser»
der sich zu einer geistreichen Gesellschaft präparireu will,
verfahren ist als Christoph Lehmann mit seiner alpha-
bethieehen Anordnnngf.
Wir schieben alles Aehnliche, an dessen Zusammen-
stelluug der emsigste liibliograph erlahmen könnte und
in Betreff dessen wir jedem, der Urtheii und Uebersioht
anstrebt, nnr rathen können, sich mit Beiseitelassnng
aller HandbQeher an die Durchsuchung groszer Bibliotheken
selbst zu machen, zurück, um nur noch ein Buch der in
Rede stehenden Art zu erwähnen, dessen Yerihsser in
Bezug anf alle lächerlichen Gesohmackseigenheiten des
curiösen Jahrhunderts uns luii weitesten gekommen zu
sein scheint. Christian Franz Paullini wuszte als Arzt
Gesichtspunkte und Quellen für seine Sanunlungen zu
finden, welche noch yerhallniszmäszig wenig waren rer-
werthet worden. Auch verschmähte er als Reizmittel den
schmutaigsten sexuellen Kitzel nicht, natOrlich alles mit
Bibelstellen yerbrämt und mit erbaulichen Betrachtungen
durcbÜochten. Zur Charakteristik seiner „Zeitkorzendon
erbaulichen Lust*" die er als ein Buch, welches man an
allen Stellen zu lesen anfangen kann, mit den Worten
«Fasse nur, geneigter Leser, disz mein Bttchlein beim
Kopf, Nabel und Fersen an", emptiehlt, mögen die üober-
schriften der zehn ersten Stücke des ersten Theiles
dienen: 1. Kinder Pocken sind lauter Würme. 2. Das
bey lebendigem Leibe steinerne Gehirn. 3. Grüne Haare
von Natur. 4. Der (unter anderm auch) Frantzösische und
Sohorbookische Hieb. ö. Hunde und Katzen brOten Eyer
aus. 6v Der laussichte Kropf. 7. Das im Ifutterleibe
') Franken s. M. 1695-98. IIL S"».
— 122 —
schwangere Kind. 8. Irrwisdie sind lauter Würrae,
9. Bookfl-Miloh. 10. Yollige und natorliohe Spraoh okne
ZuBgen. So geht es Idrt auf ober 8000 grossen OkteY*
Seiten, und da dies noch nicht genug schien, beglückte
Pauliini das Publikum noch mit zwei dicken Banden
,iPhilosophisolie Luststundea*' die Yon gaiis g^esehem
Sohlago sind.
Auch der flüchtige Blick, welchen wir von unserem
Hauptaugenmeik ab auf die eben vorgeführten Ersoheinim-
gen geworfen, wOrde sehen su viel sein« wenn diese
Sammelsurien nicht in mehr als einer indirecten Be-
ziehung zum Wachsthum der Prosadichtung ständen —
denn direot» das ist als Erseugnisse der Ersählungskiuisl
kommen sie wenig in Betraeht — wenn sie nieht, wie
weiter oben bemerkt ward, selbst Schriftstellern wie
Grimmelshausen gelehrten Modeputz und episodischen
Stoff geliefert hätten, ein Nutsen, den sie für phantasier
lose Köpfe und schwache Erzähler noch in Tiel höherem
Maszc gewährten, wenn sie forner nicht auch lUr Dichtungen
weit spaterer Zeit und anderer Ghtttungen, s. B. Balladen
und Lust^ele, Reservoire von brauehbaren SinselbeitSB
geworden wären, wenn sie endlich nicht durch ihre unge-
heure Anzahl und den auszerordentlichen Erfolg, den
einaelae hatten, den Zeitgesohmaek seharfeharakterisirten
nnd sur Erklärung maneher in der G-attung, die wir be*
handeln, auftretender Erscheinungen beitrügen.
Wenn oben gesagt wurde, dasz die hervorragendsten
Yertreter der Prosadiohtung des XYIL Jahrhunderts Naeh-
folger oder wenigstens solche gefunden hätten, welche
dem Publikum Grloiches, wie sie, zu bieten versucht» so
*) FnakAirt wA Leipzig 1708. 8«. TU. II, 1707. 8«.
— 12» —
findet sioh dieses YerhAlinisi namentlich swisohen Grim-
melshansen und Christian Weise. Weise gehört snnaohst und
bei flüchtiger Betrachtung allerding» nur wegen Beines be-
waszteu Gegensatzes gegen den heroisch-galanten Roman
in seiner ihm duroh Lohenstein und Ziegler gegebenen
faOohsten ESntwiekelung mit Grimmelshausen susammen.
Bei eingehenderer Vergleichung wird man aber unschwer
erkennen, dasa er in seiner Art, obgleich selbständig,
als Nebenbuhler des genialen Mannes auftreten wollte,
man wird bemerkeD, dasz er nicht nur sein Publikum zu
finden wuszte, sondern auch für ein ähnliches Publikum,
wie das Grimmelshausens war, sehrieb, dass er grossen
Anklang fimd, ja einen weit grosseren Sehwann ron Nadi-
ahmcru hinter sich hatte als jeuer, wenngleich dieser An-
acblusz sehr untergeordneter Talente zum gröszten Theüe
anf Beehnung grade seines bedeutenden Zumekstehena hin-
ter seinem unnaohahmliehen Faohgenoesen kommt. Grim-
melshausen hat seinerseits die Verwandtschaft mit seiner
«Muhme Katherine^ deutlich genug goiühit, und wenn
Weise in der Yorrede zu seinen drei Eranarren sagt:
«Es (das Buch) siebet nArriseh aus, und wer es obenhin
betrachtet, der meint, es sey ein neuer Simplicissimus
oder sonst ein lederner 8aalbader wieder angestanden*',
ao merkt man recht gut» dass aneh ihm dieses Bewusst-
eein nicht fehlt.
Freilich war ihm der Gegensatz seiner Nüchtern-
heit au der hohen poetisohen Begabong Grimmelshaosens
und der seiner schulmeisterlichen SchreibtiBehweisheit an
zu jenes Lcbcnserfiihrung nicht klar, sondern er hielt sich
eben idr den verständigeren und feineren. Dabei soll ihm
keineswegs seine Selbständigkeit jenem gegenober be-
stritten werden, da sie schon aus dem aiemlich gleich-
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— 124 —
seitigen Aufibreten bitider als Sohriftatoller erkellti Denn
Weise, obwohl gegen swanrig Jahre janger als Grimmels-
/ hausen, kommt scUoii 1601 mit seinem am tretfcndsten
betitelten Buche, den UeberflOssigen Gedanken der grü-
nenden Jugend, ans Lieht, einem Werke, das ihn sehon
gans und gar als den erscheinen lilest, der er spftter
immer blieb.
Oh. Weise hat in der neuesten Zeit genOgende Be-
achtung von Seiten der literarhistorisohen Wissenschaft
gefunden. Er hat das Glück gehabt, nicht nur von
tdchtigou Gelehrten, unter denen ILPalm') obenan steht,
bearbeitet, sondern auch von sehr wohlwollenden Kritikern
beurtheilt sn werden. Wenn mein ürtheil verhAltniss-
uiaszig scharf und ungünstig ausfällt, so rührt dies daher,
dass hier nur eine Seite seiner vielseitigen Thfttigkeit in
Betracht kommt, und dass er nothwendiger Weise mit dem
I verglichen wird, mit welchem er der Entwickeluug der
I Gattung nach zusammen gehört.
Brei Bchriften Weises lassen sich unbeanstandet als
Romane beseichnen, die drei ftrgsten Ertsnarren, die drei
klügsten Leute und der politische Näscher, aber auch
eine vierte, die drei Hauptverderber in Deutschland^), die
von Palm an den Romanen, von Koberstein su den Sa-
tiren gezählt wird, dQrfen wir hier nicht unerwähnt
lassen, nicht allein weil sie an Alter Jenen voransteht
und als eine Vorbereitung au den eigentlichen Romanen
Weises erscheint, sondern auoh deshalb, weil sieh der
Verfasser mit ihr in ein ähnliches Verhältnisz zu
') Beitrftge zur Geschichte der deatschen Literatur des XVL and
XVn. Jahihimderts Ton Dr. H. Pfthn. Bieshta 1877. VergL a 8
Anm. wo die Literatur Uber Weise TMieleluiet ist
') von Siegmund Gleichviel 1671. m - 1«78. 12». — 1080. 12» —
1710. W (nach Gocdeke).
— 125 —
MosoheroBoh stellt wie Grimmelshausen. Obgleich nämlich
die drei Hauptverderber in erzählender Form abgefaszt
sindj 80 gleichen sie doch den GcBichten Philanders
dniohaiis, sowohl in Beeng anf die Einkleidung in einen
Traum als in Besug anf den Inhalt» der eine theologisch« v-
politische und moralische Maburede au die Zeitgenossen
darstellt, ja die ganse Bohrift kann eine Nachbildung des
«Alamode Eehrauss* genannt werden. Der Tranm f&hrt
den Enfthler in einen Wald, er gelangt in die Unterwelt
und au den Hof des alten Wendenkönigs Mistcvoi. Dieser
nnn, ein nnversöhnlicher Feind der Deutschen, hat die
drei Hauptrerderher ausgesandt, um in Deutschland ün«
heil zu stiften, und ihre Berichte von dem, was sie aus-
gerichtet, hört der Träumende an. Der erste hat die reli*
. giflsen, der iweite die politischen» socialen und moralischen
ZnetAnde und der dritte die wirthschaftliohen Verhältnisse
zum Gegen Stande seiner Wirksamkeit gemacht. So haben
sich Glaubenslosigkeit, theologisches Gesank und Miss-
brftnche in der Kirche yerbreitet, in der Politik herrscht
Machiayellismus oben und Unzufriedenheit, Unredlichkeit
und Unsittlichkeit unten, endlich hat die Modenarrheit und
fiofiahrt und in deren Folge Unordnung und Armuth Plate
gegrifibn. Man sieht, dass etwas gans von der Art der Oe-
sichte Philanders und der verkehrten Welt Grimmels-
hausens geboten wird» nur mit weniger Tiefe der Ge-
danken und weniger Phantasie als ron jenen beiden»
welcher letztere Mangel indessen, um gerecht zu sein,
dem Weiseschen Produkt nicht als Fehler anzurech-
nen ist
Was die drei Ertsnanren*) anbetrifft» so muss auch
Die drey ärgsten E. etc. durch Catharinum Ciuilem o. 0. 1G72.
la«. — 0. 0. im lafi (Nachdruck). — o. 0. 1673. 19^. — o. 0. 1676. 13». —
— 126 —
Ton ihnen allerdings gowgt werden, daas, wenn man an den
Roman den Maszstab eines epischen Kunstwerks anle^
in dem eine Keihe Yon Charakteren, Handlungen und Be-
gebenheiten SU einer organischen Einheit yerknttpft, in
der Besiehnng auf ein GbnndmotiT gegliedert nnd ahg»-
rundet dargestellt wird, mun das Werk kaum so nennen
kann. Wenigstens fohlen alle diese £igensehaften hier in
noch höherem Ghrade als in den ptkaresken Bonunen der
Spanier, wo auch nur die Einheit der Person und des
Charakters des Helden festgehalten^ doch aber das Interesse
an den Nebenpersonen mmat» soweit ea einmal erregt iat^
in der DnrehfÜhmng ihrer Bollen befriedigt wird. Die
Belehrungen des Hofmeisters, so bemerkt Palm sehr
richtig, bilden den Korn der Geschichte, und sagt damil^
dasB der Kern der Gesohiohte selbst gar keine aolohe ist
Das Hauptmotiv, welohes aueh flEkr die drei klügsten Leute
noch vorhalten musz, stammt aus Moscheroschs Alamode-
Kehrauss. £*lorindo, ein junger Edelmann, Gelanor, aein
Hofioneiater, und Bnrylas, der Yerwalter, maehen eine Beiae^
um die drei gröszten Narren in der Welt aufzufinden,
denn JB^lorindo hat eine grosse Herrschaft unter der Be-
dingung geerbt, daaa er in dem daan gehörigen Sehloaaa
die drei ärgsten Narren abbilden lasse. Sie nehmen einen
Maler mit, um die Bilder sogleich nach Auffindung der
würdif^ Objekte anfertigen au . lassen. Der Leaer er>
wartet mindestens eine Steigerung in den anfaiwamdar*
• folgenden Einaelheiten und eine hflbsohe Pointe aum
o. 0. 1070. ISO. - 0. O. 1680. IS*. - Leipsig 1688. IS«. — Ls^sig
1688. m — Leipsig 17(M. — Aagstaig 1710. 12«. - Va«L dis
Einleitiing von W. Braune in DmtmM Literatunotrke det XVI. und
XVIL JahfkmdMrtB Na, IM^H, wo die An^slM von 167S er-
aeiiifft ist
Bohlasse. Aber wie sehr wird er getilosohtl Die Reise-
getährtcn bomorken und besprechen alle ihnen auf-
stossenden Züge von menschlicher Thorheit, welche sieh
der ansgesproohenen Absieht des Yerfissers gemftss sAmml-
lieb auf das Gebiet des häasliohen mid PriTstlebens be-
schränken. Solche Typen, die schneller am. Leser Yorbei-
gleiten als die Erlautemogen Gelanors, sind b. B. ein
nnter dem Pantoffel seiner Fran stehender GkMtwirth, ein
Spitzcnkrilmer, der seine Frau prügelt, weil sie nicht
sagen will: „Nun Gott Lob und Dank, dasz die öpitsen
TsriLanft sind/ ein OsTalier» den seine Gemahlin, man
weisB nieht» ob in wirklieher oder angeblieher Borge um
seine Gesundheit, abscheulich tyrannisirt, ein Gelehrter,
der Tiele BOeher, aber wenig Wissen besitst Einmal
glaubt man sehen (Oapb TI) an die eigentliohen Banpt>
personen gelangt zu sein, den Anfang einer weiter durch-
geführten Charakterentwickeluog und einen Einheitspunkt
des Gänsen, d. h. drei Personen, welehe die Titolhelden
sind, gefhnden an haben, da drei alte Herren in dem
Wirthshause, wo die Reisenden logiren, ankommen. Sie
lassen sieh allerdings närriseh genug an, aber auoh sie
Tersohwinden wieder wie alle andern yom Sohanplatae,
und der Leser hat das Nachsehen. Ein ander Mal findet
Florindo ein Buch mit Anekdoten und Weise dadurch
eine sehr wohlfeile Gelegenheit^ solohe gans unTermittelt
mitintheilen. Naehdem die Beisenden Dentsehland Ter-
lassen haben, wird der Bericht sehr summarisch und
sohlies8( Äusserst unbefriedigend damit, dass die drei
ftrgsten Ermarren eben gar nieht gefunden werden und
ein Coüegium prudentkan auf Yerlangen ein Gutachten ab-
gtebt, worin drei ganz abstracto Typen von Narrheit auf-
gestellt werden. Der letite Paragraph dieses Gutaohtena
— 128 —
resfimirt folgendermaBsen: ,J7im ist leieht die Reohnimg
sa machen, wer der ^rOssto Narr sev. Nemlieb derselbe,
der umb zeitliches Kothes willen den Uiiumol verschertzt.
Nftebst diesem, der ümb liederlicher Ursaohen willen eotr
weder die Oeeundheit und das Leben, oder Ehre und
guten Njilimeii in Gefahr setzet." Heber diesen Bescheid
sind die drei Narrensucher höchst erfreut, sie eilen nach
Hause und lassen die an den Narrenbildem leer gebliebe-
nen Felder in dem Saale des Behlosses aussobmaeken
wie folgt: „Oben über ward mit groszen Buchstaben ge-
sobrieben: Diogmu wmoe UOtmam^ hmninu hic non smU
^ handniB. Das mittelste Feld war etwas hoher, da atond
ein Mensch, der umbfieng eine JuDgffran, welche you
hinten zu lauter Jb^euerflammen auszspje, mit der Ueber-
sohrift: SäUte, dum numdum eoUt, ü^ernum amfleoUru, Anf
einem Seiten Felde war ein Mensch, Aet küste eine Jung-
frau, welche vorn lieblich bekleidet, hinten als ein Toden-
gerippe war, mit beygefttgteu Worten: StuUt^ dum vmd-
iaUB dq>0n$, mortem ampleetem. Auf dem andern Seiten-
Felde stund ein Mensch, der liebte eine Jungfrau, welche
hinten als eine Bettelmugd auszsah, mit der Ccberschrift:
StuUe, dum duleediMm uetarU, infagmam ampUeUrii, Unten
war eine kleine Taffei, darauf diese Worte su lesen
waren: Feliu! Quia stultorutn j>ericnlis cautior /actus. InepUh
rum magisiroT^um prudens dUcedU,, Düdpulua! Aperta €d
sehola. Stukorwn amma pUna.^
Binen weniger befriedigenden Absohluss als dieses
Bischen Öchullateiu und die hinten disreputirlichen Jung-
frauen konnte Weise seinem Boman kaum geben. Um
ihm aber Gerechtigkeit widerfidiren au lassen, müssen
wir darauf aufmerksam machen, dasz er wenigstens in
einer Sache, die zum Romanschreiben gehört» sich wirklich
— 129 —
geeohiokt zeigt, nftmlioh in karsen und amttsanten komi-
schen Porsonalbeschreibungen. Einen Btuteer beschreibt
er Oap. IV 8o:
«Er war etwas subtil und klein von Person, dodh
hatte er eine Parucke über sich hencken lassen, die fast
das gautze Gesichte bedeckte, dasz man eine artige Oo-
mödie Tom Storobs - Neste batte spielen können, über
diesE waren in den Diebs-Haaren wobl ein Pfund Buder,
und etliche Pfund Pomade verderbet worden, und ausz
solchem Gepüsche guckte das junge Geelsohnäbelgon mit
einem paar rotben Baokgen berfür, als wenn er das Ge-
siebte mit rotbem Leder oder mit Leschpappier gestrioben
hätte. Die Lippen biesz er bald ein, bald liesz er sie
wieder ausz, nicht anders, als wie die Schiffer, wenn sie
zu Hamburg das Bier ausskosten. In der Krause steokte
ein sohdner Ring, der mit seinen Hertzbreebenden Strablen
die Venus selbst überwunden hätte, wenn nicht ein bund
Band im Wege gestanden. Auff den Ermein, absonderlieb
auff dem linoken, der yon Hertsen gebt, war ein gantzer
Kram von allerhand liederlichen Bändergen auffgehäfft,
welche, weil sie keine accordixen^Q Farben hatten, sich
anseben liessen, als wären sie von Bftnder-sQebtigen Per-
sonen zum Allmosen »pendirei worden. Zur Kappe bau-
melten wol sechs Trodolchen vom Schnuptuchc heraus,
die Schuh waren mit so viel Hosen besetzt, dasz man
nicbt wüste, ob sie Ton Gorduan oder Ton Englisobem
Leder waren. Der Degen gieng so lang hinausz, dasz
sieben Dutzont Sperlinge darauff hätten Platz gehabt
und im Gehen schlug er so unbarmbertzig an die Waden
dass, wenn die Kniebänder niobt etwas auffgebalten, er
ohne Zweifel in acht Tagen hätte den Vuleanum agireiL
können. Und welches vor allen Dingen zu mercken war,
u.a 9
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— lao —
80 Ueffen die artagen und yerliebten lünen dermassen ntU,
als wolte er die Ciree selbst besanbern. Hit den Hftnden
legte er sich in so schöne positur, dasz er gleichen Weg
in den Sohiebsaok und auff den Hut haben könte« Die
Fttsse Betete er so ausiwerte» dass man augensdieinlieb
abnehmen niiiste, der Mensch wftre über vier Monden
zum Tantz- Meister gegangen. Mit einem Worte; Das
Muster Ton allen perfecten MiUeit stund da."
Die drei klOgsten Leute*) ersebeinen etwas besser
angelegt. Florindo, der sich inzwischen sehr glücklich
verhcirathet hat, wird ä la Giocondo^) zur Eifersucht —
allerdings su einer ungereohten — gegen seine Ghittin
veranlasst und begiebt sieh mit Lysias, der einen fthnlieben
Verdacht gegen seine Gemahlin hegt, auf Reisen, aui
denen die drei klQgsten Leute, wie vorhin die drei gröszteu
Narren, gesuobt werden sollen. Bie fallen mit ihrer Be-
gleitung unter Räuber, während ihnen die Gemahlinnen
verkleidet nachreisen. Eudlioh werden sie nach verschiede-
nen Abenteuern wieder vereinigt und söhnen sieh ans.
Die drei klügsten Leute werden natttrlioh nioht gefunden,
ein Pfarrer giebt nur ein Gutachten Uber die dreifache
Klugheit, dennoch werden drei Gemälde mit lateinischen
Untersohriften gans so wie in den drei Ertsnarren her-
gestellt.
Auch in diesem Roman zeigt sich, obwohl der epische
Zusammenhang besser gewahrt ist> die schlechte Compo-
0 D. d. k. L. in der gantsen Welt Ans vielen Schein - Klugen
Begebenheiten (so!) hervorgesncht etc. durch CatJutrinum Cirilem.
Leipzicf 1073. Iii75. 1082. 1091. 1710. Diese Ausi^aben ^iebt Goedeke
an, mir lieirt noch eine Leipzig 1079 (Breslauer Stadtbibl.) vor, and
W. Braune, der a. a. (). mit Hecht die Exist<iuz der Ausgabe Ton 1673
in Zweilei zieht, kennt noch eine von 1084.
*) auch hier erinnert uns Weise an Moscherosch, Weiber-Lok
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— 131 —
sition Weises. Um den Raum zu füllen, werdeu vou den
Reisenden bei den Bäubeni eine Anaahl Briefe gefunden
und Yorgelesen. Dann finden sie ein Buch, welches ein
Auszug aus dem Epiktet mit Anmerkan^en ist und unter
dem besonderen Titel „die Bude der Klugheit" das dritte
Buoh des Gkuusen ausmacht
Der politische NAscher') gleicht wieder nach seinem
Aufbau oder vielmehr durch den Mangel an jedem Auf-
bau, ganz den Ertznarren. Crescentio, ein junger eltern-
loser Mensch ohne YermOgeni wird in das Leben hinaus*
gestossen und yon seinem Yormunde auf die politischen
Näscher, d. h. Vorwitzigen, durch deren üble Erfahrungen
er klug werden aoll, aufmerksam gemacht Ein solcher
wird er nun selbst, er macht eine Menge kleiner Br-
fiihrnngen und erhftlt suletst Ton einem theologischen
Lehrmeister eine eben so doctrinäre Information^ wie die,
welche am Schlüsse den beiden andern Romanen gegebe-
nen waren. Dem politischen Nttscher hat Weise noch
einen „Kurtzen Bericht vom Politischen Näscher"*) nach-
geschickt, in welchem „Curieuse Fragen, wie nehmlich
dergleichen Bocher sollen gelesen und yon andern aus
gewissen Kunst-Regeln nachgemachet werden^, behau*
dclt werden. Die erste Frage ist „Ob es rcclit scy,
dass lustige Bücher geschrieben werden." Sie wird in
71 Artikeln beantwortet Die aweite lautet: „Was
Yor Kunstgrieffe zu dergleichen Bflchem Tonnothen
sind." Hierauf folgt die Antwort in fünfzig Artikeln.
») von R. J. 0. - 0. 0. u. J. 12« — 1C7Ä. 12<». - 1678. 12» —
1670. 130. _ 168a. 13». — im. W. So Goedeke. In der Bwluier
Bibliothek befindet sieh eme Ausgabe Ton 1606. Veigl Beilage 9 m
diesem Capitel.
*) Leipsig 1680. 12«. — 1681. 12« — 1604. 12». Die letite Anagabe
findet rieh in der Bibliothek in Berlin.
0*
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132 —
Bei dieser Anwci^iiiig kommt der Schulpedaot behr deut-
lich zum Vorschein').
Weise's praktischer Binn mochte erkannt haben, dasz
er viele Nachfolger haben würde, und er hatte sich darin
*
nicht getäuscht. Die Menge der ,,politischen" Bücher
beweist ebensosehr wie der gprosse buohhftndlerische Er-
folg seiner eigenen Werke, dass er sein Pnblikum yer-
staud und dessen Bedürfnissen entgegenzukommen wuszte-
Treffend äuszert sich Goedeke: „Politisch hiesz, wer in
Sitten und Benehmen abgeschliffen, im Leben nnd
Handeln praktisch war. In diesem Sinne mehr Politesse
als Politique lehrend, dehnte Weise seine Thätigkeit über
die Schule sohriftstellernd aof die Leser aus und gab in
seinem Politischen Redner und mehr noch in seinem
Politischen Nftseher (den durch Vorwitz lebensklug
werdenden Abenteurer) den Anstosz zu oiücr ganzen
Fluth Yon Romanen und romanhaften politischen iSchhften,
die, wie die Teufelsliteratur des XYL Jahrhunderts»
beliebte UnterhaltungsleotOre wurden, und schon deshalb
Beachtung verdieneu, weil jene und diese Bücher die ver-
schiedenartige geistige YerÜMSung des XYL und des
XYIL Jahrhunderts in lebhafterem Gegensatse aeigen, als
irgend eine andere Gattung der Literatur. Dort in
der Unterhaltung sittliche Besserung vom dogmatischen
Grunde, hier kaum sittliche Gesichtspunkte und höchstens
eine Abrichtnng des Menschen durch Hinweisung aof
Nachtheile in der Welt, wem das Treiben der Welt un-
bekannt geblieben. Eine Aufklftrungaliteratur hundert
Jahre vor dem Anfklftricht^
Ich habe in der Thal dieser rorzüglichen Ohanil^eiistik
«) im Artikel XXXVXIL
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133 —
an dieser Stelle, wo es sich allein um die erzählende Schrift-
stellcrei Weises bandelt, kaum etwas hinzuzufügen. Der
Gebrauch des Wortes Politik für Lebensklngbeit war
Obrigene sehon lange vor Weise vorbanden. Bobon 1609
nannte Melchior Junius WitehernejisU seinen Ratgeber zum
i?>eien einen politiscben Diökurä, aber die Masse der
politiseben Erafthlungen sohoss erst ins Kraut, naobdem
Weise den reobten Ton getroffen. Die bierber geborigen
Romane verdienen nur als Abklatsche Weisescher Kunst
erwähnt zu werden und bedeuten für die Geschichte unserer
Gattung niehts, als das» eine solche Literatur eben im Zeit-
gesobmaok ihre Stütee fiind. Eine unglaublieb nüobteme,
häu^g abstoszend gemeine Auffassung des Lebens, eine
sehr massige Gewandtheit, sich in der äusserst bequemen
Form SU bewegen, die Abwesenheit idealen Gehalts und
echten Humors charakterisirt sie durchweg. Wir thun
also kein Unrecht, wenn wir die politischen Maulaii'en,
Halbfisohe, Stockfische, Bratenwender, Fenermftuer-
Eehrer, Grillenfänger, Leyermftnner, Fassagiere, Hof-
3Iädgen und Bürstcnbindergcscllen, von denen einige, wie
der Politische Maulaffe von Job. Riemer, dem Autor auch
der Politischen Colioa, des Politischen Halbfisches, Btock-
fiscbes und Passagiers, eine Anzahl Auflagen erlebten,
beiseite liegen lassen und nur noch geltend machen, dasz
eben jene tieferen geistigen Momente, die sittlichon Ge-
sichtspunkte und der dogmatische Grund, d. h. eine religiOs-
durchgeistigte Weltauffiussung. die Dinge sind, die Grim-
melshausen unendlich höher stellen und ihm neben seiner
genialen Darstellungsgabe einen bleibenden Werth ge-
sichert haben, während Weise mit seinem gansen politi-
schen Anhange nichts als die bekannte „historische* Be-
deutung in Anspruch nehmen kann.
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Interessanter als «Hess Denkmftler superkluger Plaft^
hcit sind für UDS einige Erscheinungen, welche in dem,
von Opit zischen Reformen ebenso wie von Lohenstein-
soher Yerkehrtbeit mehr frei gebliebenen Boden Süd-
dentscblands wnrseln. Sie lehren nns wenigstens, dasi
hier unter besseren Vorhältnissen ein komischer oder
bumoristisober Boman aus volkstbümlicbeu Elementen
möglich gewesen wftre. Keime sn gesimden Pflanzen
sind erkennbar, freilieh bei dem, der hier snerst sn beaehten
ist, am dürftigsten. Johann liuber oder J. A. N. Huber,
wie rermutbliob der nicht sicher festgestellte Name des
Mannes gelautet haben wird^i lehnt sidi in seiner Art an
beide, Grimmelshausen und Weise, an. Ton ihm kenne ich
sechs erzählende Unterhaltungsschriften, Adimantus und
OrmiseUa^), den Simplioianisohen Weltkueker'), den Bitter
Spiridon aus Pemsina*) den artliehen Pokasi^, den
Corylo*) und die auLicblich aus dem Spanischen übersetzte
Weiber-HäobeP). In der Vorrede zum Spiridon erwähnt
der Yerfiasser noch seinen Bitter Hopfensaok, der woU
Yon demselben Schlage gewesen sein mag, wie die andereo.
^) Er präsentirt sich einmal als OberSsteneidier, sagt aber, dasi
er Protestant war.
») 167b, 12 0. O. wnd 1679, 12«, o. 0.
') Tbl. I gedruckt zu N. o. J. 12°; Thl. II, 1678. o. O. 12''.
Thl. III, 1679. 0. 0. 120; Thl. IV, jrcdnickt zu X. 12^ (die Jahreszahl
ist abgeschnitten). Nach dem Titel uud der Vorrede des L Theils ist
disaer die aweite Auflage und die erste swel Jahre vorher erschieoeo.
«) 1679 0. 0. 12«
•) TnL I, 1679. o. 0. la*. TU. II, 1680. o. 0. m
•) Thl. n. 1680. 0. 0. la«.
») 1680. 0. 0. 12» „Des berühmtea Spaniers Fmncisci Sambelli'
wolansgepolierte Weiber-Hächel etc. aus dem Spanischen ins Hocb-
(entsche übersetzet durch den allenthalben bekannten Jfm - Rebhu."
Einen Spanier des Namens Sambelle vermag ich nicht nachzunei-sen.
auch giebt das Buch i;:anz den Anschein eines deutschen Original werl^:»,
da alle Verhältnisse deutsch sind.
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— 136 —
Die Komik dieses aut cm überaus genügsaDies Publi-
kum, wie es scheint, nicht ohne Erfolg, speculirenden
frnehtbaven Schriftstellers beatoht darin, doss er, sei es
aus Mangel an Fähigkeit, danustellen und durehsufllhren,
sei es aus Unklarheit darüber, worauf es in Erzählungen
ankommt, fast überall den albernsten Hanswurst macht.
£r Tersacht in Adimantns und Ormiaella, die alten Ro-
mane wie etwa den Amadis parodirend su Terserren, das-
selbe tbut er in dem Woltkucker und dem Tokuzi mit
4er Weisesohen Manier spi^end, doch unterscheidet er
sieh Yon Weise dadaroh, dass er eine irnohtbarere, aller-
dings sich nur in Scurrilitäten und Abgeschmacktheiten
bewegende, Phantasie hat, die bisweilen Anlaufe zum
Mftrohenhaften nimmt.
Da es immerhin nicht ohne Interesse ist, su sehen,
wie ein komischer Originalroman, dessen Verfasser die
Dreistigkeit hatte, ihn den ,,Simplicianischen'* Woltkucker
an nennen, sieh aasnimmt, dOrfen wir wohl einen Angen-
bliek bei ihm verweilen.
Der Held, der in eigener Person redet, verlor seine
£ltern frühzeitig, und da ihn seine Verwandten vernach-
Iflssigten, trat er bei einem Kastraten, weloher Hoünusiker
war, ut Dienst and Lehre und gab bald einen tttchtigen
Diskantisten ab. Eine welsche Grilfin suchte ihn zu ver-
führen, aber der blöden Unschuld des FOn&ehi^jährigen
gegenüber zeigten sieh sowohl ihre Schönheit als ihre
starken Weine and ihr Schlaftrunk unwirksam. Hieran
schlieszt sich die Schilderung einer den Hofmusikern vom
Kapellmeister g^benen Collation. Die dabei geführten
Unterhaltungen nnd ersAhltea Sohnnrren nehmen einen
ziemlichen Raum ein. Um ihn ans der Nähe der seiner
Stimme und seiner Seligkeit gefährlichen welschen Gräfin.
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— 186 —
SU bringen, seliiokte ihn cler Kastrat, der Obrigfens selber
sehr weuig- tugendhaft war, nach dem Schlosse eines vor-
nehmen Cavaliers, der solches Wohlgefiülen an seiner
Stimme und an seiner Person fiind, dasa er ihn als Dis-
kantisten und Pagen bei sich behielt Auf Reisen tauschten
Herr und Diener ihre Rollen, der Herr liesz ihn auf die
Jagd gehen und schlug sich in seiner Gesellschaft mit
Gespenstern — ein bei unserem Autor höchst beliebtes
Öensationsreqiiisit — wofür er ihn und seine Ötandes-
geuossen theils mit seineu Arien theils mit seinen Pickel-
hänngspossen erfreute.
Nach einiger Zeit begehrte die überaus schOne Hof-
damo öqiialora bei ihm Musik zu lernen, natürlich aber
handelte es sich um etwas ganz anderes, „es giengo dieses
singen lehmen auf eine gans simplicianische Art hinaus.*
Als er seine Stimme yerloren hatte und die Sache schier
o£fenbar geworden war, rieth ihm die Dame, er solle sich
heimlich entfernen, gab ihm fOnisig Dukaten und sechs
Ringe, worauf er sich auf das Land surflcksog und bei
einem Dorfpfarrer Discurse hörte, die ganz nach der
Weisesohen Art, aber eigentlich durchaus inhaltslos sind
und aus aneinander gereihten platten und narrischen Ein-
Allen fiber die yerschiedenen Arten Studenten und Ge-
lehrten bestehen. Seite 109 wird Catharinus CimlU citirt,
und nur einen Roman und eine gute Satyram zu schreiben»
findet der Pfurrer erlaubt Der Held gerttth dem Pfarrer
(auch eine gans Weisesche Wendung) Aber seine Papiere
und theilt poseirlicho Briefe mit Plötzlich wird er auf An-
stiften jener welschen Gräün entführt und in ein Castell,
wo es fOrchterlich spukt, gebracht. Hier will sie ihn hin-
richten lassen, weil er sie yerrathen habe, sie Terseiht
ihm über, jedoch nicht eher, als bis der Leser mit dem
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— 137 —
Helden alle öohaucr der Yorbereitangcii bia zur letzten
Sekunde genoBsen bat, er bleibt bei ibr und sie fidhren
fortan ein sehr lasterhaftes Leben. Da diese Beziehnngen
auch, nachdem die Gräfin einen Fürston geheirathet hat,
nicht aufhören, kommt er mit dem Kastraten Procelli, der
mit ihm sngleioh bei jener den Geliebten agirt hat» in die
Anszerste Lebensgefahr, woraus er von der Grftfin errettet
wird, um sich wieder seinem früheren Herren und der
schönen Squalora zuzuwenden.
Obgleieh er anoh dieser, wie früher der Grftfin, über
ihr lasterhaftes Leben Moralpredigten hält, setst er das-
selbe doch fort, bis auch sie heirathet und er sich, unter-
stützt von seinem Herrn, auf die Universität begiebt. Aus
Ckldnoth knOpft er wieder mit Squalora an, unternimmt
es, Yon ihr angestiftet, ihren Gemahl zu todten, ersehieszt
aber anstatt seiner einen Räuber, der jenen angefallen
hatte, und wird Hofmeister bei dem wider Willen Ge-
retteten, bis dieser hinter das nnsittliohe Yerbflltnisa mit
seiner Gemahlin kommt und ihn in ein yon Gespenstern
wimmelndes Gefängnisz steckt. Hier findet er Bücher,
aus denen er Mittheilungen macht, deren Titel und Inhalt
aber seiner Phantasie entstammen. Bodann wird er auf
einige Monate Einsiedler und hat eine Yision, die ihn in
ein allegorisches Gebäude führt, welches die Welt vor-
stellt und in welchem ihn die Miseria umherführU Bei
dieser Gelegenheit ahmt er Amadis, Mosoherosch (aueh
den Expertus ^Rupertns" trifft er hier), Grimmelshausen
und Weise zugleich nach, bringt es aber doch nur zu
einem wüsten Durcheinander von meist ungesalzenen Ein-
öllen, wie er Oberhaupt nur das Zerrbild aller seiner Vor- *
bilder ist.
So geht es weiter. Wieder tritt er in die Welt, und
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— 138 —
als ihm die Braut am Hochzeitstage stirbt, wird er wieder
EinBiedler. Auch Seer&uber, TürkensklsTerei, Temnberte
SehlöBBer fehlen im Yerlanf der Geeohiehte moht, eowie
wiederholte Gespenstererscheinungen und haarsträubende
Hiurichtungssoeneo. SchliesElich, nachdem er lange genug
g^revelt nnd moralisirt hat, wird er Gnteheir nnd Ter-
heimthet sieh. Auch erfährt er nooh, dan die welMhe
Gräfin und die schöne Squalora ihr Loben in Bueze und
Beue beeohloBsen haben, jene als Einsiedlerin » diese als
Aehtissin, und ebenso wird uns über einige Nebenpersonen
ein die poetische Gerechtigkeit leidlich abfindender Be-
richt erstattet
Da ioh nicht berechtigt bin, mich an meinen Lesen
für die Langweiligkeit meiner Lectttre sn rikohen, filge ich
nur noch hinzu, dasz der Simplicianische Weltkucker bei
weitem das Beste und zugleich das am wenigsten Komische
ist, was der Verfasser geschrieben, es moeste ihn denn
im Ritter Hopfensack, den ich nicht kenne, die Muse be-
sonders Ircundlich angelacht haben. Sein Pokazi. der
augeaBchoiniich auch als eine Schrift ä la Bimplioissimus
gelten will, soll hochkomisch und schrecklich salinseh
sein, ist aber nur höherer Blödsinn für Kinder.
Bedeutend ansprechender als diese Erzeugnisse flOchti-
ger Yielschreiberei, obschon an sich sehr anspruchslos,
sind die kleinen yolksthflmlichen Romane des OberOster-
reiohischen Bdelmanns Wolfgang von Willenhag. Sie
werden auch dadurch interessant, dasz sie, obschon durch-
aus original, einer Ton der spanischen Literatur aas-
gehenden Anregung ihre Entstehung Terdanken, ein Um-
stand, der uns nöthigt, hier etwas weiter auszuholen und,
anknüpfend an das im IX. Capitel Gesagte, einiges nach-
EUtragen, was füglich fraher keinen geeigneten Fiats fand.
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— 139 —
BchoQ 1626 erschieo zu Straszburg eine von Georg
Friedrich liesaenohinidt abgeCuste Uebenetnmg*) der
Norellen Antonios de Torqnemada'), und 1662 wurde das
Buch Dochmals durch Laudgrai' Hcrmauu vou Hessen
yerdeutscht^).
Ebenso ging die Noyellenaammlong des Antonio de
BslaTa*) duroh einen, der sieh IL Drummer Ton Paben-
berg nennt"'), in die deutsche Literatur üher, ein Buch,
das fiohon wegen seines alterthümlicheu Inhalts, obgleich
es dem siebsehnten Jahrhundert angehört^ auffiült
Die Erzählungen, welche von Oesprftchen, in denen
entsetzlich viel unkritisch curiöso Gelehrsamkeit ausge-
legt ist, eingerahmt werden, erinnern au die Geata Roma'
die sieben weisen Meister und Aehnliohes.
1. Ein spanisoher Sohiffseapitftn entflahrt aus Oandia
ein Mädchen sammt ihrem Geliebten. Beide entkommen
während eines Sturmes glücklich in ihre Heimath, das
Schiff geht unter.
2. Eni Brunnen in Siria hat die Eigenschaft, dass,
wenn jemand hineinsieht, neben seinem Bilde das seiner
Geliebten erscheint. Der in Gefangenschaft gerathene
Justinus wird durch die Kraft des Brunnens mit seiner
*) uach dem Italienischen des Mnlaspina. Historischer Blumen-
garten 8". Ein Exemplar besitzt die Königliche Bibliothek in Breslau.
Jurdin de floren curioaaa, Solam 1570 tt. Öfter (nach Uräsae)
veigL Ticknor II, 298.
Hexameron, Sechs Tage Zeiten etc. aus dem Französischen
ins DsKtadts t. i, Ttttternden. Cassel 1653. 8^ Dsr Tltst HonoMMii
stammt tm der franiteisehea UebeKBetsnng. Auch ins ItalieBische and
Englische wurde es übersetit
Nockes de Iwoiemo, Pamphna 1009. Bnm. 1610—13. Tick-
nor n. 245.
3) nach Grässe Nürnberg 1GÜ9. 12". MIz II, 1167 bat eine Aus-
gabe von 16Ö3, 12^ (Ue Bre^uer .Köuigi. Bibliothek besitzt eine voa
im, 12»
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— 110 —
getreuen Libia, die ihm in Manneskleidcrn gefolgt ist,
wieder yereinigt, nachdem die Bänke der Prinseeein
Celinda» die erst in Libia, dann in Jastinus Terliebt war, *
an den Tag gekommen.
3. Anastasius verwundet aus Eifersucht seine schwan-
gere Gemahlin mit einem Dolche und entflieht Eugenia
gebiert einen Sohn, der, als er erwachsen ist, seine Mntter
an dem Yerlcuindor Heinrich rächt, indem er ihn tödtlieh
verwundet Der junge Isidoras ündet dann seinen Vater
auf einem tItrkiBchen Schiffe, das er erobern hilft, wieder.
Als beim Einlaufen die siegreiche Oaleone in die Luft
fliegt, werden Vater und Sohn, die sich auf dem eroberten
Sohiffe befinden, gerettet Heinrich, der bei ihrer Wieder-
kehr noch an seinen Wunden damiederlag, hatte noch
Zeit, Tor seinem Tode alles aufisnklttren.
4. Der König Dardanus von Bulgarien wird durch
den fiAiser Nioephorus aus seinem Xiande yertrieben und
erbaut sich mittelst seiner Zauberkunst auf dem Grunde
des Meeres ein SchloBz, in welchem er mit seiner Tochter
Seraphina haust Der von Nioephorus enterbte Prinz
Yalentinianus gelangt ebenfalls dorthin und wird mit Se-
raphina vermfthlt, seinem Bruder aber, dem Kaiser
Julianus, weissagt Dardanus in Neptuns Gestalt baldigen
Tod, nach welchem Valeutiniunus das Reich einnimmt
5. Der Sultan Oelim in €k>nstantinopel lässt seinen
Sohn Mustaflb hinrichten, weil dieser den Piali aus Eifer-
sucht beleidigt hatte. Zaydc, die Geliebte Mustalfu:?.
gebiert einen todten Sohn, den sie in einer Pastete dem
Sultan zuschickt, und entflieht mit fiemhard, ihrem
Sklaven, der vorher zur Rache die Flotte in Brand ge-
steckt, nach Livoriio. Dieser Bernhard war aber der
Prinz Mauritius von f'errara. Er hatte aus seinem Vater-
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— 141 —
lande fliehen müssen, weil er in Yertheidigung der Ehre
seiner von Yalentinns, dem Hofimeister» verlenmdeten
Geliebten Angel ica seinen Bruder Paulus Cassius gctüdtet
hatte. Jetzt kehrte er nach Italien surück» fand Gelegen-
heit» den Yalentums zu ermorden, kam naoh Ferrara, wo
sein Yater, welcher Angelica geheirathet hatte, eben ge-
storben war. JEr nahm das Herzogthum ein, Zajde wurde
Christin und seine Gemahlin, Angelioa heirathete den
Henog von TJrhien.
6. Sulpitius, der Sohn des KOnigs Tholomäns in
Polen verliebt sich in Seraphina, des Königs Clodomims
von Macedonien Tochter, entfahrt sie, wird von ihr durch
Seeräuher, die ihn ge&ngen nehmen, getrennt und in
Yelona als Sklave verkauft Clodomims wird durch einen
Zauberer aus Macedonien weggeschickt, um seine Kinder
zu suchen, w&hrend sein Bohn Falisenus auch nach Arka-
dien gebracht wird. Dort treten Beraphina und Falisenus
in die Dienste des aus Polen mit seiner Tochter Silvia
vertriebenen Tholomäus, welcher Oberschafer ^ife worden
ist Clodomims wird ebenfalls naoh Yelona verkauffc, ent-
flieht mit Sulpitius, der ihn erkennt, nach Arkadien und
kommt naoh eines Schwarzktlnstlers Weissagung eben zu-
recht, um zu verhindern, dasz Felisenus und Serapbina,
die noch immer in Mftnnerkleidung unerkannt ist, der
Silvia wegen einander umbringen. Jetst kommt auch der
Schwarzkünstler nach Arkadien und führt, nachdem sich
Alle erkannt, die beiden Könige wieder in ihre Kelche ein').
7. Die Gesohichte Ton der Erseugung Bolands
bis zur Wiederfindung MUons in einem rerzauberten
Schlnsz (Seite 844). Dieses ist eigentUehe Enehlang von
den Iteyden vom Glück verfolgten Königen ans Macedonien nnd Pohlen,
sonsten aber das arkadische Hirten-Leben genaanet
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— U2 —
Schlosse. MiloD ist scheinbar ertruuken, aber voq einer
doroh Malagis Tor 2000 Jahren yenauberten FrinMMm
Ton Frankreich gerettet worden, welche auch als Drache
der Berta Muth zuspricht. Die Wiedererkenuuiig erfolgt
in Siena.
8. Kaiser Pepinos erw&hlt Berta mit dem groaaen
Fnsse va seiner dritten Gemahlin. Diese veranlasst ans
Liebe zu einem anderen ihre Begleiterin Fiammetta, beim
Beilager ihre Stolle zu vertreten. Fiammetta geht darauf
ein, yeranlasat aber mehrere Bdelleute, Berta in ermorden,
welche sie in einem Walde an einen Banm binden. Dort
findet sie ein Förster, bei dem sie als Magd bleibt, bis
der Kaiser sie wiederfindet und Fiammettaa Sohlechtig-
keit ans Licht kommt
9. Tellus, die Tochter der Erde, tödtet den grausamen
König Titon von Tartmia sammt seinem Sobuc Bello und
lasxt die ge&ngene Sciathine aur Königin erheben^ deren
Naohlblgerin sie wird. Als G^wfihrsmann wird der Nieder»
länder Jobann vou Urspurg angegeben.
Diesen verdeutschten Nockes de inviemo, welche in
Hinsicht aof ihre drei Auflagen cur Kennaeichnung des
Oeschmaokes gewisser Leserkreise in der »weiten HSlfle
des XVII. Jahrhunderts niclit ohne Interesse sind, und
deren Quellen wir hier nicht weiter verfolgen können»
Tcrdankten, wie schon gesagt, zwei deutsche Original-
werke besiehnngsweise ihren Ursprung, d. h. eigenüiok
nichts als die Titel, denn Zendoriis ä Zendoriis Teutsche
Wintemächte') und die Kurtaweiligen SommertAge^), beide
Ton W. Ton Willenhag sind gana aus dem Leben seiner
Zeit gegriffene komische Homane, Streiche und Abenteuer
>} 1689, la«. ow 0.
•) 1688, 13«. 0. 0.
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— 143 —
Tpn Instigea Edellmiten sohildernd, nicht sohlet Hb
leichte ünterhAltiiDgsleetflre, niMsh dem Masse ihrer Periode
gemeBsen.
Der Held de« ereteo, der Sohn eines reichen £del-
nuuines, aber wegen des Aberglanbens seines Yators in
dem Glanben erzog^en, er sei der Sohn eines Schinders,
abenteuert, bis er eine reiohe Erbin heirathet Der Dar-
stellang seiner Schicksale sind die Abenteuer nnd sonsti-
gen Srlebniase seiner Freunde nnd anderer Personen ein-
gefloohten. Die Yerwickelungen haben etwas Gewalt-
sames, Lustspielartigcs. Die Darstellung ist flott und
lebhaft^ aber etwas flttchtig. Sonderbar ist die YerknOpfnng
der beiden Bflcher. Am Ende des ersteren findet die Hoeh-
seit eines Knechtes des Yerfassers (oder des in eigener
Pereon redenden Helden) statt, wobei die Edellcutc nicht
nur grossen Muthwillen treiben, sondern auch aber alle
Masaen seohen. Diese Ansschweifimgen werden ihnen von
einem ihrer Genossen, der scheinbar Mönch geworden ist
und sehr ascetiache Gesinnungen hegt, Torgehalten, und
alle beeohliesaen, ihr lustiges Leben eine Zeit lang fahren
SU lassen nnd die Einsamkeit aufzusuchen. Dieser Ent-
schlusz kommt zu Anfang der Sommer-Täge zur Aus-
führung, aber der Verfasser hat die Namen seiner Per-
sonen Tcrändert, obgleich alle leicht wiedersusrkennen
sind und sich auch sonst das aweite Bueh deutlich als
Fortsetzung des ersten darstellt. Einmal vergiszt sich
Wilieuhag auch (8. 163) und nennt den, welcher in den
Sommer «Tagen Philipp heissen soU, Ludwig, welchen
Namen er in den Winter-Nftchten trttgt Lange dauern
übrigens die frommen üebungcn und Betrachtungen nicht,
bald geht das Leben in dem alten Geleise der Aus-
gelassenheit weiter.
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Der UebermuÜi und die Genueienebt des Adels in
den Gtegenden, wo die Romane entstanden, wird dnrehaiu
UDverbüUt dargostellt, und durch eingehende Schilderungen
des gewöhnlichen Lebens anf dem Lande und auf den
SoblOssern verleibt WiUenbag seinen Ersthlungen einen
nicht geringen kultDrhistorischen Werth, der sie auch,
abgesehen von andern Yorzügen, bedeutend über die
Narrenspossen des Jan Rebhu stellt. Der Aberglaube
spielt eine grosse Rolle, was freilieh in dem Zeitalter der
Hoxenprocossc nicht Wunder nimmt, in Bezug auf den
Verkehr der Geschlechter spricht der Verfasser solide
Grunds&tse aus und vermeidet es augensoheinlioh, Anstoss
erregende und sinnlieh reisende Soenen su malen, seine
Ausdrucksweise ist jedoch sehr derb, und die Scherze,
welche seine Oavaliere machen, beweisen, dass die
Ohren der damaligen Edeldamen nicht ttbermftssig sart
gewesen sind. YerhSltnissmäseig sind seine G^ohiehten
ehrbar und, obgleich hier keine Ausfalle auf den Amadis,
den SU kennen sich der auf seine Belesenheit') stolse Ver-
fiwser sogar rfihmt, gemacht werden, so kann man doch
behaupten, dasz er weniger geschmacklose Obscönitäten
vorbringt als die norddeutschen Vertreter des heroisch-
galanten Romans, Anton Ulrich etwa ausgenommen.
Hinsichtlich des Stoffes und sum Theil auch der Dar-
stellung ist mit den Schriften Willenhags Paul von
Winklers Edelmann 2) verwandt. An einen dürftigen
Romanstoff als leitenden Faden sind Schilderungen komi-
scher Situationen aus dem Leben schlesischer Edelleute
') Er rUhmt sich (lerseli*eii in deu W. N., S. 410 f., wo er eine Menge
ünterhal t un gssch ri f t e n an t i Ui rt .
Frankfurt und Leipzig 1G9Ö. 8». — Nürnberg 1697. (Nach
Mlz. n. 1119.)
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— 145 —
der Zeit und eine reeht unerfreuliche Menge gelehrten und
curiöseu Krams angereiht, die Sprache ist mit Proviuzialis-
men und in den gelehrton und polidBchen Gesprächen
mit Fremdwörtern siemllch versetst Der Yerfiuser,
weleher knrbrandenhurgisoher Resident in Breslau war,
hat auch „Zwei Tauäund Gutto Gedaackeu zusammen-
gebracht** ').
Sinige komische oder wenigstens das wirkliche Leben
der Zeit im Wesentlichen darstoUeniie Erzählungeu, die
kaum mehr als eine flüchtige Erwähnung verdienen,
können als den so eben besprochenen nahestehend be-
eeichuet werden. Der Don Iro^, eine Scharteke ä la
Jan Rebhu, gehört, weil er ein satirischer Traktat und
kein Roman int, eigentlich gar nicht hierher, der aus dem
fransOsischeu Buche Ektoire gMraU des lamm» ttbersetate
Beutelschneider*) hat nur als ein Vorläufer des Pitayal
ein Interesse, die Bacchu/ia*) oder FasLnacht-Land steht
den Willenhagschen Erzeugnissen am nächsten und aeigt
etwas besseren Geschmack als Jan Rebhu, die Sprache
ist nicht frei von süddeutschen Dialoktformen.
Eine etwas grüszure literarhistorische Bedeutung haben
zwei entschieden komische Romane, die, in Norddeutsch*
land entstanden, sich doch durch das abenteurerhafte
Element an Simplicissimus und Weises Gescbichton an-
lehnen, der akademische Roman von E. G. Happel, welcher
in Dürers Tychander^}, worin mehrere Motive aus dem
GOiüli IflSS. 13« Wbkler hififi in der Troditlir. Ges. der
Geflbte.
*) TOD Aenmlo Hfttt-geni. Hanau la^
naeh Goed«ke schon Frankfurt 16*^. 8^ eraehieneii; ich kenne
nur die Ausgabe Frankfart 1669. 8°
*) vou Christoph Andr. Hürl von Wättorstorf. München 1677. 12».
der Verfasser heiszt nicht Dttrr (Ci^oedeke). Das Buch ersckiea
Hamburg lUü». 12» und 10b5. 12*".
. II. 2. 10
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— 146 —
Lazarillo de Tormes yerarbeitet sind, eine Art VoriAufer
hatte, und der Sohelmuffsky. Wfthrend Happels andere
sogeniiunto Romiiiic als abgeschmackte EinklcidiingCD von
Zeitgeschichte in üugirte Personen- und Ländernamen naoh
Art des französisehen Kriegs -Simpliciasiinns uns kaum
interessiren können, darf sein Akademischer Roman'), ob-
gleich auch er mit trocküiiem und fremdartigeui Ötoil' von
dem geschmacklosen Yielschreiber vollgestopfb» uns einen
Augenblick aufhalten. Der Verfasser yerfehlt nieht, in
der Vorrede ausführlich anzugeben, was er bietet. „Wie
es auf douseibon (den Universitäten) herzugehen pflege,
das ist in gegenwärtigem Roman aur OnOge beschrieben,
. . . GOnstiger Leser, du wirst allerhand Eretnpla in
diesem ylcotieimschen lionuin üudeu^ uud glaube ich, eä
sey nichts auszgelassen, was einiger Massen daran mag
erfordert werden. Cavina zeiget an seiner Person ein
fleisziges J/*/sen - Kind, Cerehucchins cinvn Dehouchnnt'Vi im
Fressen und Sautfen, Venereus einen Courlüan, und Klingen«
feld einen Balger, Troll aber einen halb- Gelehrten, der
immerdar ein Hflmpler und Stümpler bleibet, diese Per-
sonen, damit sie ihre Rolle wol spielen, riiysen in Gesell-
schaft eines fOrnehmen und reichen Italienischen Printsen,
der sie allenthalben d^rm^irt, bisa sie yersohiodene Aeade^
r/iten besuchet, uud das Studenten -Leben rechtschalien
praesentirct haben."
Gleich der Aniang giebt dem Leser ein Bild von
dem Geiste des Terfossors: ^AOh, ich ünglQckseeliger!
was fange ich doch nunmehr an? Ich hüte mich soviel
fttr Uneinigkeit und Streitsachen, als ein Mensch von der
gantzen Welt, und gleichwol fahret mich das Geschiek so
gar unversehens und tieff hinein, dasz ich mir nicht
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wieder herauBz zu heUFcn vermag. Was soll ich nun
ant'tiagea? Nach dieser uDgLücklickeu That ist mir die
ThOre nach Italien hinfohro venperret, und, wo soll iob
Geld hernehmen, weiter fortzukommen? Aohl ich elender
Munsch, der so offtuial bey den Haaren in das Unglück
gezogen wirdl"" Alao redete und klagete Küngenfeld bey
Bloh selber, da er gantz allein ohnweit Florenta auf dem
Feld fortwanderte, und nicht waste, wohin er sieh hin-
fübru zu wenden hatte. Er gieng stäts vor sich hin, und
galt ihm gleich viel, wohin er k&me, wenn man ihn nur
nieht in dem Gebiet Ton Tosoana ertappen möchte, das
GlOok ittgete es gleich wol also, dass er sich nach der
linckeu Seite lenckote, all wo er bald einen augeuchmeu
Wald erreichete, woselbst er sich unter einem schatten-
reichen Baume bey der warmen Sommers-Zeit niederlegte,
und des sfissen Schlaffes genösse. Er hatte weder zu
beiszen noch zu brechen, dazu nur etliche wenige Pfenninge
in seiner Taschen.
' Der Schlaff hielte ihn so lange in Ruhe, dasz die
Sonne darQber nicht allein schlatlen gieng, sondern er
fichlieif darzu noch einen guten Theil in die Nacht hinein,
und ich glaube^ er wflre yon sich selber noch nicht er-
wachet, wo er nicht durch was sonderliches wftre aufge-
muntert worden, ncmlieh: Es galloppircto Jemand auf
einem schweren Pferd daher, vvordurch die Erde erschüt-
terte, dasz sie unter ihm bebete, wannenhero sich seine
eingeschlummerte Sinnen wieder ermunterten, und seine
Augen erschlossen. Damahl hielte der unvermuthliche
Beuter still, stieg vom Pferd ab, band es an einen Zwei-
gen, lösete die Hosen, und verrichtete das Werck der
Natur. Elingenfeld sähe dem Handel ein wenig zu, ge-
dachte aber bald bei sich selber also: Dieser Mensch ist
10*
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— 148 —
BO unverschämt, dasz er sich mir beinahe vor die ^slso
seteet, danneiihero thue ieh ja nicht unreoht, wenn ieh
ndoh naoh einem tauglichen Mittel umsehe» am diesem
unleydiichen Gestanck mich fordersamst zu entziehen.
Als er dieses bei sich refolviret, stund er auf, und schlich
in sanften Tritten naoh dem Ross, losete es behende, und,
nachdem er sich darauf geschwangen, rieff er Jenem» dem
es g^ehürete, zu, und nprach: Mein Freund, es ist billig,
dasz ich mich behende ausz dem Gestanck, womit Da
diese Gegend aiyetso erfbllet hast» erhebe, folge mir nur
bald nach» und so Du mich antriffst» wil ich Dir alsdann
Dein Rosz unwegerlich wieder zustellen. Ob nun gleich
der andere mit Fluchen und Schwören darwider prO'
tefitrete» wolte doch Klingenfeld gar nicht darnach hOreD^
sondern eylcte mit seinem Pferd fort, bisz er nach etlichen
wenigen Ötuuden in einen tiefen Morast verhel» darausz
er sich zwar letztlich mit grosser Mühe wieder loss
machte» aber das Pferd hatte sich dergestalt rerarbeitet,
dasz es der Ruhe höchstens benöthiget u. s. w.**
Nach einigen Zwischenfällen gelangt Kliogenfeld nun
in die N&he yon Bologna. £r macht in einem Wirths-
hause die Bekanntschaft des hochmüthigen Raufboldes
Ferra rii(.'<, der „der (/m/<ouische Eysenfresser"* hiesz und
zu Padua zwei Jahre den Namen des borahmtesten Bal-
gers gehabt hatte. Klingenfeld besiegt ihn» und bei dem
am anderen Tage gefeierten Behmause wird von Akade-
mien discurirL Mau geht gründlich zu Werke und be-
weist, dasz schon zu Zeiten des Ninus dergleichen Tor-
handen gewesen. „Wolte Gott» dasz wir die gründliche
Beschreibung der üniverfität zu Babylon und Ninivc sehen
möchten!" ruft der Geistliche» der das Wort fdhrt, aus,
und bald darauf beruft er sich auf den Lyranm, nach
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~ 149 —
welchem Jakob ein Student, Esau aber ein Wald- und
Weltliog geworden. „Besonders blühten die Studien unter
Josna und den Richtern", lAsst ihn Happel, dem dieser
Blödsinn yollig Emst ist, fortfahren, Salomo gründete
neben seinem Tempel eine Universität, an welcher es
eine mosaisohe, eine propheüsohe, eine levitisohe, eine •
joristisohe, eine medicinische nnd eine philosophische
Fakultät gab. Nachdem es noch eine Weile so fortge-
gangen, läszt der Verfasser den Cavina auftreten und er-
sählt von seinem froheren Leben nnter den Oannem nnd
Dieben, deren Treiben ansflAhrlich beschrieben wird,
Fcrravius wird von einer Abenteurerin geprellt, und
Cavina giebt einoB>clation von den berühmtesten Raritäten-
Kammern in Europa. Hierauf werden ebenso die berohmte-
sten Oollegia gelehrter Leute, besonders die in Italien
abgehandelt. Klingcnfeld macht die Bekanntschaft des
Troll, der ihn und den anspruchslosen Leser mit seinon
halblateinisohen Reden amfisirt, hiüt einem Tornehmen
Italiener einen langen Vortrag übor die Rechte der Stu-
denten u. dergl., und nun ürschoint auch der zum „de-
firaTiren** bestimmte Prinz von Tursis auf dorn Schan-
platae, mit dem die Gesellschaft weiter reist. Abenteuer
und Discurse werden bunt durcheinander gemis< ht; .,ilurcn-
Liebe wird umständlich mit ihren hösen Früchten be-
schrieben,^ des Vmeeniius Fabfidm Gedicht von der Magd,
welche durch ünzncht von der Pest befreit worden, miir
gethcilt, denn folgt das Register der Akademien in Deutsch-
land, ferner das kaiserliche Diplom zur Bestätigung der
Unirersitftt fielmstttdt, die an der Pariser Universität
vorgefeUenen Tumulte, die berühmtesten Gymnasien.
Man findet bei Nacht den Cerebaaldus. „Dieser Cerebacchius
hatte die Ehre, dasz er mit zu Tisoho sasse, weil sich der
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— 150 —
Priiilz inkognito hieltt!, waimonhcr sich so wol dieser, als
die zween andern zum hetltigstcn verwunderten, tibcr die
nngemeineii Gaben deas Cerebacehü im Easen und Tnocken.
Er nafam ein StQok Rind-Fleisoh yor sieh, das anm we-
nigsten fOnff Pfund woge, das schöbe er in einer kleinen
halben Viertel -Stande, samt 3 Pfand Wftitaen-Brod, mit
aoloher Begierde in den Magen, dasa es nidit la be-
schreiben. Darnach griff er nach einem Calicuttischen
Hahn, deren zween auf dem Tisch, und asse vor seine
eigene Person denselben bisa anff die Knoohen auf, der
Hnnd sohftomeie ihm recht, so gieng ihm die Mahl-
Muhle.
Die andern sagten ihm nichts, sondern lieaaen üm
gewähren, legten ihm auch Ton den Fisohen Tor, aber er
gab selbige wieder Ton sich, sagend: Caphmtwr pisces
Hämo, mir ist bang, es möchte noch ein Angel darinn
stecken. Er nahm aber eine Flasche mit Wein, setzte
sie Tor den Mund, und söffe sie in einem Zug auss,
wischt3te das Maul, und li(*sz den Wirth wieder eiutüUen.
Nun wolan, dachte Klingonl'eld bcy sich selber, dieser
Mansch führet den Namen Cerebacehuu wol mit dem
besten Recht, denn ich glaube, Ceres habe seine Mutter
und Bacchus sein Vater geheisöeu. Endlich ward eine
Schussel YoU schonen Sallats und 12 Krammets -Yögel
au%etragen, als solches Cerebaedmts sähe, winckete er dem
Wirth, der darauf wieder kam, und ihm eine besoudcro
weit grössere Schüssel mit Sallat fürsetzetc, samt einem
ger&noherten Sohincken. Den Sallat nahm er swischen
die Finger, und warffe ihn zum Halss hinein, als wie ein
Bauersmann (jalvo honore) den Mitit auf den Wagen wirtfu
Zwischen jeden Mund -voll Sallat, steckte er eine gaatM
Scheibe yom Schincken hernach, und ehe eine halbe
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— 161 —
Viertel -Stunde yerlauffen, hatte er den Bcliincken samt
dem Sullat, uud ciu Yiertel-Maaaz starckeu Brandtwein zu
Bich gesteoket *
In dieser Weise geht es weiter, DiBcurse werden ge-
halten, kleine und grosze Abenteuer erlebt, viel mehr
dergleichen aber erzählt, wobei der Verfasser wie Alexan-
der Dumaa das Seinige nimmt, wo er es findet Was
Yenerens treibt, kann man sieh leicht Torstellen, nnd die
Art, wie es der Verfasser darstellt, wird man sich nach
dem Mitgetheiltcn auch leicht richtig in ihrer Rohheit und
gesohmaoklosen Ünanstftndigkeit denken. Buoh I, Gap. 42,
setat er Grimmelshausen oder dessen Quelle (vergl. oben
Seite 77) in Contribution.
Einen abgerundeten Plan hat das Buch gana nnd gar
nicht, alles ist lose aneinandergereiht, die sonst beliebten
Romaniiijiredienzien wie ( J el'aiiorcnschul't bei den Türken
und illlubergcäcbicbteu, unsaubere Liebesabenteuer, barocke
nnd dabei lappische Discurse, weit ausgcsponnene Schüler-
spftsze fehlen nicht, alles durcheinander, bis ^ne ausfiüirlieh
bescbri ebene Hochzeit den öchlusz macht
Auf welche in Hamburg und Umgegend verbreitete
spasshafte Traditionen der Name Schelmuffsky') surttck-
Aveist, wird nicht mehr l'estg'CstellL werden können und
ial auch in Uücksicht auf den Charakter des Buches,
welches seinen Namen trägt und dessen erste datirte Aus-
') T)io Notiz Lapponborurs ( I Uiisiiietcel A'Jl), dasz schon Dothhn-
Drf v» i '^ Chronik «li u S< Ii. kt une. ist ilahin zu lierii hti^^cn , dasz der
\'< rta.ss< r diesen Ausdruck, wie ich aus der Handx hritt selbst ersehen,
von zwei schlechteu Meusclieu, vuu denen der eine .). Kahlefeld (S. 200),
der andere H. Stttve (S. 660) biew, appellatiTiaeh linuieht, indem er
das eiste Hai am Rande bemerkt: Quid facia 0 SekOmoftki?, das
andere Mal im Texte «DieBer SeMmmo/M» hat sieh nieht geschewet etc.*
Anden Stellen, wo Sch. vorkäme, habe ich nicht geftmden.
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— 152
gäbe vom Jahre 1696') iet, von geringem Belang. Billige
Einzelheiten mögen allerdings ein uns dunklos Interesse^
welches sich auf lokalen Klatsch gründete, haben, im
groszen Ganzen aber stellt sich der Inhalt des ßuehcs
als eine parodirende Batire auf ordinftre Au&ohneiderei
und G-rossrnftuligkeit dar, alles bewegt sich anf der
tiefsten Stufe niederer Komik, welche so weit geht, dasz
auch die Unfähigkeit, etwas YernOnAig su eraäblen, als
komisokes Mittel verwendet und absiohüioh anr Sohan
gestellt wird. Von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet,
enthält der SchclmufFsky viel treifenden Spott, oder mit
andern Worten, die Sohildemng eines Oberaus dummen
und rohen Groszmauls ist dem Verfasser auch bis snr
Nachbildung des Stils, in welchem solche Leute sich
geltend zu machen pflegen, so vortrefflich gelungen, dssz
jemand, der mit Mensoken von dieser Art zusammen ge-
*) Mir liegt diese der Königl. Bibliothek in Göttingen gdbBrigs
Ausgabe vor: Ton E. 8. Gedruckt za Sehehzerode. Im Jshr Mß.
TU. I, 182 Seiten 8^ ThL U mit Titelkupfer. Gedruekt sa Fzdos,
eine halbe Stande Ton Rom. Bey Peter Martsn, 1697, 78 Seiten S^, In
demselben Bande noch drei Lustspiele, von denen 1 nnd 3 den Schel-
muffskystoff behandeln 1. L'Hoimite Femme Oder die Ehrliche Fma
zu Pliszine etc. aus dem Franzö(8o!)i8chen übersetzet von Hüario,
Nebenst Hnrirqrivs Hochzeit- und Kind - Betterin- Schmause. Pliszine.
Gedruckt in diesem Jahre. Das letztere ist \o. 2 mit besonderer Pagi-
nirung. 3. Das Ton üoedeke, S. 512 angegebene: La Maladie ei la
mort etc.
Goedeke führt ebenda eine uudatirte Ausgabe (a) ala die rer-
mothlich Uteste an, fener (b) eine Frankfürt nnd Leipzig 1750. 8^ (c)
eine o. 0. (Dfltaeldorf) 1818. 8^ eine (d) hemnsgegebea von Meister
Eonrad Spftt, genannt FrOhanf (E. Gerle) Berlin 1831. 8o, dne a 0.
n. X (Cassel 1895) 8* nnd die genane NaehbUduig ton (a) o. 0. n. J.
(Leipzig 1848. G. Wigand.)
Die letzte und die von 1821 kenne ich, eine von 1809 ist mir so
wenig wie Goedeke (a. a. O.) bekannt. Es stehen also zwei alte Aus-
gaben, a und die Ton 1696 sicher fest, während ich nicht fUr aosge'
macht halten möchte, welche ?o& beiden die älteste ist.
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— 153 —
troffen ist, nooh hent yieles mit Behagen lesen wird.
TTeberall, wo der Held hinkommt, macht er nach seiner
Bcscbreibung, aus der man aber honiuslicst, dasz er sich
etetB als Dummkopf und Lump benimmt, anezerordent-
liohee Anfiieheni weil er ein „bo brav Kerl* ist und allen
zu groszcr Verwuiulcrung die merkwürdige Geschichte
You der Hatte erzählt. Mit vornehmen Standespersonon
soblieazt er Frenndeohaft» schöne Franensimmer werfen •
sieh ihm nm die Wette an den Hals, er besteht die furcht-
barsten Gefahren zu Wasser und zu Lande, überall ^vird
seine Schönheit» sein Muth, sein Geist bewundert, und
das Alles enfthlt er in einem Tone, der nach wenigen
Worten yerrftth, wess Geistes Kind er sei. Als eine
Episode in einem grossen komischen oder satirischen
Romane wOrde ein Stück des Schelmuffsky etwa von dem
ümfemge des fünften oder sechsten Theils dos Ganzen
sehr gut angebracht und von vortrefflicher Wirkung «ein,
in seiner ganzen Aubdehnung ist er aber zu idrenann, um
zu befriedigen und erinnert im -Hinblick auf Grimmeis*
hausens Darstellung an die boaohtenswerthe Wahrheit,
dasz Satire ohne ernsten und namentlich moralischen
Hintergrund immer das GefiihI mangelnder Berechtigung
und Würde heryorbringt').
Wfthrend der Schelmuflbkj nach unserer AufiGusung
fast durchweg als eine gewissermaszen literarische oder
stilistische Satire zu bezeichnen ist, nimmt Hunolds „Sa*
tyrischer Boman^^ als ein nicht Ohler Versuch eines
') In den Beilagen ist eiii Stttok mitgetheilt, da alles auf
die Einzelheiten der Darstellung ankommt, während die Begeben-
heiten selbst und ihre Aufeinanderfolge ein weiteres Eingehen nicht
lohnen.
') Hamburg 1705. 8". — Stade 1710. 8» — eboii<ia 1718. 8". —
Hamburg 1719 b». — Hamburg 1732. 8». Die Ausgaben von 1710 und
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- 154 —
satirischen Sitten^emftldes und znofleioh wegen seines Ter-
hältuiszinäözig geschickten Aulbaus uud Plaues an dieser
Stelle einen Fiats in Anspruch. Hier sind die Beziehungen
auf thatsächliche Yerhaltnisse der Zeit und OerÜiehkeit
weit reicher und genauer als im Schelmuffsky, ja der
Verfasser erregte in Hamburg mit sciucm Werke einen
erheblichen und, wie es scheint, nicht unbeabsichtigten
Skandal.
Gleich auf den ersten Seiten merkt man schon, dasz
es in dem „Satyrischen Roman" rocht nett hergehen wird.
Tyrsates und Seiander, die beiden Haupthelden, haben
sich kaum durch Zufall kennen gelernt, als sie Gelegen-
heit erhalten, die Keuschheit einer „honnetten Dame'^
gegen einen „gewissenlosen Cavalier*' au besehQtasen, es
seigt sich aber, dasz ganz im Gegentheil der Oavalier
dieses Schutzes bedurfte. Er wird in ihrem Bunde der
Dritte, und das Kleeblatt bcgiebt sich in die tStadt tSai-
augusta, wo sie unter anderen das FrAulein Casaubona
kennen lernen, welche Dame durch ihre spröde Tugend
allgcnioineB Aufsehen erregte. Sehr bald aber konnten
die drei Jji^reunde sich überaeugen, dasz die Heuchlerin
einem scheuszlichen Laster frOhnte, worauf ea denn
„unter ihm'u giiuz andcj-e («los.scn setzte" als T;i<js zuvor.
Seiander wird dadurch vorauluszt, seine Liebesgeschichto
mit Fräulein Inconstantien zu erzählen, mit der er sieh
soeben yerlobt hatte, als er auf knrze Zeit Terreisen
mubzte, uiul die or nach seiner lliickkelir iu einem Gai-teu-
hause mit ihrem neuen Galan ertappte. Tyrsates giebt
1718 liegen mir vor, in ihnen sind anf Gnmd des doieh die erste
Aasgabe herrorgerafenen Skandals Verinderungen angebracht Veigl.
die Yoirede and Geheime Nachrichten ete. Ton Heirn Henantee Leben.
GOln 1731. a 92 ff.
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seinerseits die Getiohichtü oiucä reichcu Kuufmaous zum
3e8t6D, welcher, obwolil jung yerheirathet, doch seiner
schonen Frau untren wurde, worauf sich ein junger und
feuriger von Adel'* fand, der in ihrem Wohnort studirto
ihr ^jyrioatüsime Lectiones"^ gab. «Das Auditorium war
ein Garten, in welchem die auserlesensten Liebes-Krftuter
ihnen desto bessere Gelegenheit gaben, yon den verborge-
nen Öchiltzen der Natur sicher und ohne jemandes gewahr
werden zu urtheilen''. Nachdem ein anderer Student aus
Eifersucht dem Manne Verdacht erregt hatte, entdeckte
dieser das Vcrhältnisz, und ein Freund brachte es mit
Hülfe einiger von seinen Verwandten dahin, „dasz er
seiner schonen Frauen das Laster pardmudrte, so er in
sich selbst zu tadeln hatte.*
In der Folge begeben sich die Freunde nach Linden-
feld (Leipzig), wo diese Geschichte gespielt hatte, um
dort ihre Eenntnisz des „galanten Frauenzimmers* zu
erweitern. Einige Bekannte führen sie in eine Gesell-
schaft von Studenten und jungen Dauieu ein, deren Unter-
haltung ergötzlich geschildert wird.
^Das Frauenzimmer in Lindenfeld hat sonsten den
Ruhm, dasz es klug, luid man sich in ihrer Compagnie ge-
scheut und behutsam auiiühren müsse; Allein unsere Cb-
vaUiera fanden einiger ihren C/taraeter so beschaffen, dasz
sie eweiffolhaftig blieben, ob das Frauenzimmer in Linden-
feld vielen Studenten, oder die Studenten vielen Frauen-
zimmern den Verstand benommen.
Ihre gantze Galantme bestund in possirlichen Sprfich-
wörtcrn , gezwungenen und zuweilen höhnischen Minen,
unzeitigem CotnpUmentirGii, keinem scharfsinnigen Schertze,
und einem Wesen, das durchaus mehr Coqueüen- als Tu-
gendhafft war; Denn wenn es das geringste gab, oder
- 156 -
einer tod den Studenten, darunter ein paar artige und
sehr geschickte Leute, einen g-alailten Schcrtz anbrachten,
waren bIc ul sofort mit ihren gewöhnlichen Sprachwörtern
fertig: loh dachte, was mich bisse; Meynen sie ea so?
Je Yettergen mein Ding; Ist es mOgliob? Liessgen merckst
(In was? Der Herr mache sich nicht zu grüne, sonst
£ros8en ihn die Ziegen; Wie viel auf ein Loht? Der Herr
ist so yersohmitst wie eine FolinnannB Peitaohe. Fiekgen,
er will einmal; loh habe meinem Affsn heut Zuoker
gegeben; welches letztere ein Fräulein um Salaugustischen
Hofe soll aufgebracht und gesagt haben, wenn sie lustig
gewesen.
Yon einem sittsamen und doch dabey ansehnlichen
Wcseui welches man Air de QualUe nennet, und wordurch
man sich, als auch andern Leuton eine Liebens- wttrdigo
Ehre erweiset, wüsten sie nicht yiele, und Seiander und
Tyrsates wtirden sich bald aus der Compagnie hegeben
haben, wenn man ein und ander lustiges Spiel angefangen,
die daselbst gebräuchlich .... Man spielte des Schuchs,
wo man sich, wie bekannt, neben einander auf die Erde
setzet, und den öchuch durch die Beine endlich an einen
Ort verstecket^.
Was weiter in dieser interessanten Gesellschaft sieh
zuträgt, ist kaum mehr aweideutig su nennen. Der Ver-
fasser verlegt hierauf den Schauplatz nach Venedig, wie
es scheint, um nicht wegen au deutlichen Anspielungen
Unannehmlichkeiten au haben. Das erste, was Tyrsates
and Selandcr hier kennen lernen, ist die Einrichtung der
Thcaterclaque und die Tugend der Schau^pielerinuen,
welche gegen die Vorwürfe anderer Damen, „die nicht so
viele Reitaungen und gefthrliche Anftlle als jene, empfin-
den", recht beredt in Schutz genommen werden.
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— 157 —
Wahrend nun Tynates mit einer dieser Damen eine
vorüberjDfehende Bekaimtschaft macht, verliebt sich Sc-
lander iu die sohOne und „honnette'* iSyivia, der er sogar,
nm eich als Mann Ton Geist und GemOth zu seigen, ein
aus Prosa und eingestreuten Versen bestehendes Erzeug-
nit<z seiner Feder überreicht, nämlich „Gedanckeu Von
der Liebe, da man auf einem Gottes Acker spatären ging*.
Sie verseiht ihm daf&r, dass er einmal schwer angetrunken
bei ihr erscheint, denn er weisz, nachdem der Rausch
ausgeschlafen ist, in einem sehr wohlgesetsten Briete
seine Sache bu fahren, und au seinem Geburtetage, den
er am Miehaelistage bei ihr feiert, besingt er sie in einem
langen Gedicht ä la lloii'maunswaldau.
Leider nimmt diese anscheinend so günstig Terlaufende
Hersensangelegenheit sunachst ein unerwünschtes Ende,
indem Sylvia ihm den Vorschlag macht, einander mir als
Freunde zu lieben, eine Wenduug, die ihren Gruud in
dem von Selauder durch Tyrsates in Erüahrung gebrachten
und von Sylvia selbst bestätigten Umstände hat, dass die
Dame sich mit einem Obersten, welcher demnächst in
Venedig eintreffen sollte, das Versprechen gegeben, ein-
ander auch in ledigem Stande ewig su Ueben. Li Yer^
swt'illuug und Verwirrung Ober dieses mysteriöse Ehe*
hindernisz verläszt tieiander Venedig.
Tyrsates, der sich noch einige Zeit dort aufsuhalten
gedenkt, wird durch eine emsthafte Neigung su der liebens-
wQrdigcn Asteria von galanten Abenteuern anderer Art
abgebracht Sohliesalioh läset er sich, nachdem einige
Litriken und Hindernisse sum Theil fiberwunden worden,
heimlich mit Ihr trauen. Auch Seiander findet seine ge-
liebte Sylvia, die auf räthselhafte Weise aus Venedig ver-
schwunden war, wieder und heirathet sie.
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— 158 -
Hiermit sclilieszt der erste TUeil. Zu Aufaug des
zweiten finden wir den sich sehr giOeklich fahlenden
Seiander in IXbipoUa wieder, wo er Bich mit der annehm-
lichcu Sylvia niedergelassen. Er macht hier die Bekannt-
schaft des Herrn von Sohereboj, der sich freundschaftlich
an ihn ansohlieszt, und nach einiger Zeit kommt auch
Tyrsiites, der mit Asterien aus Venedig glücklich, obgleich
mit manchen Gefahren, nach Deutschland gelangt war^
nach Elbipolis. Der Verfasser hat zwar die üblichen
Sensationsmittel als Seerftuber, Yerkleidungen, Mordan-
fällc und Duelle nicht gespart, zeigt sich aber in der Dar-
stellung abenteuerlicher Vorg&nge, die er aus seiner
Phantasie oder aus Büchern schöpfen muszte, weit weniger
geschickt, als in den aus dem Leben gegrifPeuen Sitten-
Schilderungen und galanten Händeln.
Selauder hatte schon einige Zeit lang ans dem Um-
gänge, den Sylvia wfthlte, sowie aus dem Benehmen des
Herrn von Schereboy uubcstimniteu Verdacht gegen die
Vollkommenheit und Beständigkeit seines Eheglücken
geschöpft Ein Zufall bringt plötzlich Asterien in den
Besitz des schrecklichen Oeheimnisses, dasz Sylvia mit
8chereboj ein schandbares Verhältnisz unterhalte. Den
gemeinsamen Bemühungen der beiden Freunde gelingt
es, die Schuldigen zu überführen. Bei dem Scheidnngs*
prozcssc kommt nicht allein zu Tage, dasz Schereboy
ein Abenteurer war und schon längcMc Zeit mit Sylvien
in strafbarer Weise verkehrte, sondern es enthüllt sich
auch das gcsammte skandalöse Vorleben der liebens-
würdigen und annehmlichen Sylvia. Sie wird also
von Seiander geschieden und begiebt sich nach Italien
und tritt an des Herzogs von Florenz Hofe in
Dienste.
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— 169 ~
«Dergestalt endigte sich die Liebe zwischen 8elander
und Sylvia so tin^lQekselig und kaltsinn i^, welche sieh
lietltig auget'uugen, und gab dam soufit klugou Sülander
diese kluge Iiehre: Keinem Frauenzimmer eine eheliehe
liiebe anzutragen, das wisse, wie mit vielen besser, als
• ■ • *
mit einem zu conver.sircn.'^
VV^6un der Ycrt'aööer mit dieser erhabenen Moral sein
Werk beschlossen hätte, wftre es vielleicht für die Ab-
mnduug der Geschichte vortheilhaft gewesen. Allein er
hatte noch Stoif, den er zu yerweudeu für uotiiwüudig
hielt, das heiszt, er wollte noch einige Zoge aus dem
lieben seiner Umgebung und einige Gapitel der Elbipoli-
taniäciicu chroniqnc ticandaleme an den Mann bringen.
Tyrsatcö lührt seinen Freund, um ihn zu zerbticuoD,
in die Opern, bei welcher Gelegenheit wir eine Probe
von dem Repertoir erhalten. Man spielt ,,die zum Ver-
gnügen der Zuschauer entblöszte Schunlieit'". Der Schlusz
oder das Nachspiel war betitelt: „Die zu beliebter Nach-
ahmung entweyhete Keusehheit*. üeber den Inhalt dieser
so vielversprechend benannten Oper wird allerdings nichts
mitgctheilt, dagegen werden wir durch Vorluhrnug einiger
anderen pikanten Scenen und Discurse entschädigt Eine
Anzahl „«iu^n^uirter Dames**^ unterhalten sieh über den
verschiedenen y^Gousto'^ in der liiebe. Die erste zieht die
Liebe por kasard, die zweite die Liebe en paj)'ant vor.
Die dritte liebte „was spirüuelles, artiges und angenehmes^,
der vierten Losung war „Beständig und treu", der fünften
„Tant/en, ISingcu, Mufic und ( r alanter ie"^, der sechsten
„Ehrerbietig und verschwiegen^, die siebente liebte nicht
die Liebe, sondern ^einen groszen Staat zu führen, und
ein ansehnliches Kinkoniinen (hizu zu haben.'' Die Ca-
vaUierg^ denen diese Devisen mitgetheilt werden, philo-
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— 160 -
sophiren über die verscliiedoneii Charaktere der Damen
mit trefilicheii Bonmots und Apcr(*a8. Unter den meist
scblüpfriguu Greäüliicbtoa, die noch folgen, verdient die
Schilderung eines auf einem adligen Behlosee improyieirten
Soupers Erwfthnung. Die Herren, welche sich, um bei
den Danion besseres Ansehen zu gewinnen, fQr unver-
heirathet ausgehen, machen diese hetrunken, trinken mit
ihnen BrQdersohaft und haben an den flbeln Folgen, welche
sich den nächsten Tag zeigen, ihren groszen Spasz, ohne
da8£ etwas übelgenommen wird, weil alles sonst sehr
„honnett*' sugegangen war. Sehr beaeiohnend schlieest
MenantcB sein wie ein Licht erlöschendes Bneh mit der
Wendung: „Vielleicht will der geneigte Leser gern etwas
mehreres yon allen wissen. Ich kann ihm nichts weiter
sagen, als dasz ich noch niemals grössere Lust gehabt» ein
Buch zu scblieszen, als bei diesem*'.
Hunold sowohl als auch Happel traten übrigens mit
den Bwei Bomanen, die wir yon ihnen soeben kennen ge-
lerot haben, aus dem Geleise, in welchem sie sich sonst
bewegten, heraus. Diese ihre Hauptbeschäftigung und die
Genossen, welche sie dabei fanden, haben wir noch kurs
au betrachten. Sie, sowie die ihnen an die Seile su
stellenden Bobse, Rost und noch einige weniger unheim-
lich fruchtbare Autoren — denn die mehr als genügende
Fruchtbarkeit ist hier ein wesentliches Kennaeichen —
W08U von filteren auch der Freiherr von Wotcenstein mit
seiner Bellimiru und Corilander*), sowie der Traurcnde als
Yerfasser der Glücksverwandiung der Verliebten^) ge*
rechnet werden können, fanden wesentlich in der doreh
Zesen und seine Nachfolger zur Entwickelung gebrachten
>) Nflinberg 1071. V2o
^ Jena 1873. 12«
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t
— 161 —
Gestalt dor ensihlondcn Prosa die beqQenuBte Form su
eiuer sich auf alle möglichen Gogeustände erstreckenden,
rasch producirenden, gehalt- und werthlosen Belletristik,
Sie traten damit, einer leiohten und abwecheelnden Unter-
haltung» den Beddrfoisaen der Mode und den gern lesen-
den, aber nicht gern denkenden Schichten dor Gebil-
deten dienend, in den Sold speoulati?er Buchhändler
und sohrieben, wie sieh Moller in der Cimbna UUerata
Ton Happel treffend, aber bitter ausdrückt, /amt, non famae.
Ein dicker Band nach dem andern — deuii damals
lagen dttnne Bände noch ebensowenig im Interesse von
Leihbibliothekinhabern wie häufige Absätse in dem der
Pfennigschriftsteller — entquoll ihren emsigen Federn,
und das Publikum griff, wie mehrfache Auflagen ein-
lelner ihrer Werke beweisen, begierig nach der an-
sprechenden LeotOre.
So sind von Happel, dem ältesten dieser Gruppe,
ausser dem uns schon bekannten elf Biomane Yorhanden'),
*) 1. Der Afliatisdie Onogambo, Hamburg 1673. 8^.-3. Per
Europäische Toroan, Hamburg 1676. 8*. Fiaokfiirt IM. 8^ —
8. Der Darohlanehtigsten Chrittliclieii Potentaten Kriegs- Bonudn. L
Freibiiig 1680. 8*. L und IL Middelburg 1661. 8«. — 4 Der Iniu-
lanieclie Vandorell. Frankftut 1683. 8<>. — 5. Der Italiäniscbe Spinelli
oder Europäische Geschichte-Roman aufs Jahr 1685. IV. Ullm 1685
und 1686. 8'*. — 6. Der Ungarische Kriegs-Romain. I. Ulm 1Ü85. S''.
n. 1685. 8« III. Ulm IGGS. 8". IV. Ulm 1687. 8^. V.Ulm
1689. 8". VI. oder Continuation, von einem anderen (L. H. H.)
Ulm 1697. 8". — 7. Die Spanische Quintana oder Europäischer Ge-
schichts-Rüiuain auf das KiHG. Jahr. I. und II. Ulm ItibO. S". III.
und IV. Ulm 1687. 8"^. — 8 Der Frantzüsiache Cormantin oder Euro-
pÜMlie e.-R. auf das 1687. Jahr. L Ulm 1687. S^, H., HL, IV. ühn
1688. 8<*. — 9. Der Ottomaoische B^aaeth oder Bor. G.-B. auf daa
1688. Jnkt, L, n. Uhu 1688. 8«. IIL, IV . Uhn 1680. 8«. - 10. Der
Afrikaniaehe Tamolaat Ulm 1680. 8^ — 11. Der teutadie Oarol oder
Eur. G.-R. auf das 1689. Jahr. Ulm 1690. 8«>. — Vier Fortsetzungen
des £ur. G.-R., der EngeUändisehe Eduard (auf das Jahr 1600). Ulm
n.& 11
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— 162
von denen der Onogambo, Toroan, Mandorell und Tarno-
last hauptsftohlieh absdiealioh nnkritiBobe und Qberall her
flüchtig zusammengeschriebene Koömographio, die ver-
Bcbiedeuen AbtbeiluDgen des Europäischen Geschicbta-
Romans dagegen Zeitgeaehichte in derselben Weiae ver»
treten, während der Christlieben Potentaten Kriegs-Roman
und der Ungarische Eriegs-Roman den Kriegen von 1672
ab gewidmet sind. Hiemaoh stebeii Happels Romane yon
seinen anderen onrioaen Sebrifiten, wie dem Historisoihen
Kern, der Straflf- und Unglücks -Chronica, den lielationef
euriosae, Thefaurua eaoUeorum, eigentlich nur durch die wie
im Akademisehen Roman gana ftnsserlioh die Disenrse
▼erbindende Ensftbinng getrennt und näbem sieh den
weiter oben erwähnten Sammelschrifteu , weshalb sie
dnrobaus unter die am Ende des XI. Capitels angegebe-
nen Gesiobtspunkte fallen nnd für die Entwiekelnng
unserer Gattung ohne jede Bedeutung sind. Ihre PeWer
sind schon von den Zeitgenossen nicht verkannt worden'),
Composition und Stil wird man sieh naoh dem oben aus
dem Akademisehen Roman Mitgetbeilten leieht yorstellen
können. •
August Bohse, mit dem Sehrifitstellernamen Talander,
besasB entschieden mehr Talent als Ersäbler und Stilist
und eine mindestens gleiche Fruchtbarkeit wie Happel
Der Aufbau seiner Romane ist gescliiokter und
1091. 8^ der Bayerscbs VaTliailiaa (auf das Jtkr 1691) m. Uba 1602.
8«, der Sadisieche Wittekind (aaf das Jahr 1602) and der Scbwiblscke
Axiovist (anf das Jahr 160S) IbSnnen, wie schon Koller riehtig beaieffct
hat, nicht Ton Happel sein, da aia Zeiten nnd Breigniue naoh sefnasi
1090 erfolgten Tude behandehi, beweisen aber, dass Happels Uaeh»
werke nicht unbedentenden Anklang gefunden hatten.
M Thomasins in den freymüthigen (tespr. Sept. 1680. Tensel in
den monatlichen üuterredougen. Juli i(k(9.
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— 168 —
abgenindeter, die Sprache gefUliger. Seine Bfieher sind
weit mehr auf galante als auf curiöso Unterhaltung zu-
geschnitten, mehr Damenlectüre, und mOgen als Vorbilder
fAr Salonoonyersatioii ihrer Zeit nioht unbrauohbar ge-
wesen sein. Seine Personen haben nämlich die schfttz-
barü EigcuBchaft, ihro Licbesauträgc durcii zweckdienliche
iheoretisehe Qesj[»rAche einsoleiten und darin beliebte und
ungehener interessante Themata zu behandeln, s. B., Ob
die öchunhuit oder die Klugheit mehr die llerzen an sich
ziehe. Ob die Liebe sich nach den üegela der Vernunft
riohten mOsse, oder ob sie mit derselben eine beständige
Feindschaft halte. So kommt Talander den Sehopfuugen
eines Lohenstein und Ziegler, vielleicht mehr noch den
französischen Vorgftngem und Urbildern derselben weit
näher als Happel, hat aber alle Fehler der anf Massen-
prodnction gerichteten Bellctriötik , vor allem eine uner-
trägliche Oberiiachlichkeit und Ideenlosigkeit. Jeder
Einfiül, jede Beminiscenz wird yerwerüiet, man hat Ober-
all das Geftlhl, einen ganz ordinären Lohnsohreiber vor
sich zu haben, und wenn wir ihn, der eine ganze Heihe
dicker Bacher aber Rhetorik, Pädagogik, Kosmographie,
Geschichte, und mehrere Briefsteller yerfiisat hat, mit
mehr als zwanzig der erzählenden ünterhaltungsliteratur
angehörenden Schriften') bald als Originalautor, bald als
Herausgeber oder Uebersetser auftreten sehen, so kann
dieser Eindruck nur verstärkt werden.
') VonVVerken, an deren Heran scfabp er betheilig^t ist, ohne danz sie ihm
alH eichene ani^ehüren, weisz ich zu iiemit ii die« )lor<'na (Leipzig' MVJi, und
1708. 8"), welche nach der Vorrede des „Verf^nügten Amy<l<n-^ zu
seinem Scipio (Frankfurt und Leipzig IGDG. 8") von diesem verfaszt
und von Talander herausgegeben ist, ferner die Argeuis (Leip;:ig
1701. ä<>), die Ariana (Frankfiirt 1708. 8% 1001 Nacht (zuerst der
YoRsde nach 1710, stun dritten Male 1717) und Don Pedro nnd Agnee
▼on Gastro (Leipzig 1697. ia<». 1702. 8*).
11»
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— 104 —
Cbrifitian Friedrich Himold (Menantes) hat uutor den
hierher g^ehörenden SchriftstellerDy wie es aoheint, seinen
Zeitgenossen den besten Eindruck gemacht, und nicht
ohne Grund. Freilich will dies nicht viel aagen, und
Von Talanders Uebersetznn^ des Telemarh von Fenelon kenne
ich drei Ausgaben, Breslau 1700. H*», 1707. 8" uud 1715. Seine
Uebersetzunti: der Liebes- und Lebensgesehichte der Marquise von
Frene (das Original ist nach G. d. Firrel S. 02 von Gatufi de Courfif:.
Amsterdam 1702) erschien zusammen mit dem kleinen Human „der
Adliche Bauer ' gleichfalls aus dem Französischen, Leipzig 170d. S*.
Es bleiben demnaoh übrig als wihnefaeinliohe Originalireitie:
1. LiebeskabiBet der Damen. Leipzig 168& 13*. ~ S. Die Bifersneht
der Verliebten. Leipzig 1689. 13«. — 8. Die durchlauebtigste Aleettis
ans Fernen. Leipiig 1689. S^, 1708. S^, — 4. Der getreuen BeUimira
wohlbelohnte Liebosprobo. Leipzig 1692. 8» 1715. — S. Die ge-
tTTue Sklavin Doris, l^ipzig 1696. 8» 1710. S». — 6. Die versteckte
Liebe im Kloster durch den Beständigen T. Frankfurt 1696. 12"^. —
7. Amor am Hofe. Thl. II Dresden KiW. .s". I« der mir vorliegenden
An-sß-abo fehlt der Titel des ersten Theils, doch macht die Vorrede
des 11. wahrscheinlich, dasz er vor 1G'.U3 erschienen i.st. — 8. Die
Amazoninnen aus dem Kloster. Cölln 1698. 8^ — 9. Die liebens-
würdige Europäerin Gonstantine. Frankfurt und Leipzig 1698. 8*,
173& 8^ Die mir Torliegende Ausgabe Ton 1698 ist nicht die von
Ooedeke, 8. 510, angedeutete interpoUrte. — 10. Albanisefae Snllma.
G6Un 1098. S». - Weiasenfelfl 1718. 8«. - Leipng 1718. 8«. -
IL Liebesgeschichte der unglücklichen Prinzessin Arsinoe. Leipzig
1700. 8» — Nürnberg 1714. 8«, 1717. 8». - 12. Ariadnes. Königl.
Prinzessin von Toledo, Staats- und Liebesgeschichte. Leipzig 1705.
S''. — 13. Talanders letztes Liebes- und Heldengedicht. Leipzig 17tX3.
8". — 14. Antonia de Palma. Leipzig 1709. 8<'. (Fortsetjsung der
Ariadne). — 15. Aurora, Prinzessin in Greta. Leipzig 1710. 8^'. —
16. Der Liebesirrgarten. Weissenfeis 1724. 8°. — 17. Der verliebte
Wirrwarr der Sicilianischen Höfe. Leipzig 1725. 8^ — Zu bemerken
ist jedoch, daas ich die OriginaUntorBchaft Bobaea für alle aiebselin
Romane nicht mit Sicherheit behaupten, aondem bis jetat nur Toa
keinem derselben eine aualäadiaehe Vorlage nachweiaen kann.
Wegen der übrigen Schriften Talandera verweise ich auf Jörtea
Bd. VI, S. 579, fttge aber dem dort gegebenen Verzeichnisse noch fol-
gende hinzu: 1. Der getreue Wegweiser zur teutachen Redekunst
Leipzig 1693. 8*». — 2. Des (Galanten Frauenzimmers Secretariat-
Eunst. Leipzig 1696. — 3. Der getreue HoÜmeister. Iieipaig
1703. 8«, 1706. 8».
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— 165 —
Hunold Terdankte seine Geltung auch nicht vonsugsweise
seinen Romanen. Abgesehen von dem bereits gewürdigten
Satyrifiohen Boman bewegen sie sich gans in demselben
Fahrwasser wie die seiner Genossen» und das leidige
Brotliteratenthum sieht doch aneh sohlieszlioh zu jeder
Falte heraus. Wir thuu seiner Yerlicbten und galanten
Welt'), seiner Liebenswürdigen Adalie') und der
Enropftischen Hof -Liebes- und Heldengesohichten^) da-
her genug Ehre an, wenn wir sie nur nennen. Sein Stil
ist nicht ungewandt, aber auch nicht frei von unberechtigten
Einflassen der „galanten^ Salon- und Briefspraobe seiner
Zeit, welche sieh in der Sprache der Literatur wie grum-
matische Nachlässigkeiten ausnehmen.
Johann Bernhard Rost (Moiotaon) ist ein yoUkummo-
ner Abklatsch Ton Bohse und wetteifert mit ihm an
Fruchtbarkeit Wer Lust hat, Ton seinen Schriften*}
*) Hamburg 1700. B», 1703. 8«, mit dem IL TheU ebenda 1707.
8^ — ebenda 1715. H».
>) Hamborg 1702. 8» — 1703. 8» — 1714.
Hamburg 1701 8» — 1705. 8« — 1709. 8o - 1715. 8° ~ 17».
8°. Zu diesem Romaue fiudet sich ein Schlüssel in den Geheimen
Nachrichten und Briefen von Herrn Menantes Lohon. Cöln 1731.,
einem Buche, welches ein nicht uninteressantes aber nicht ehen an-
sprechend eä und würdiges Bild eiueu Literateuiebeus jeuer Zeit
entrollt
*) 1. Die p^etreue Bellandra. Nürnberg 1707. 1716. 8». — 2. Die
unglückliche Atalanta. Nürnberg 1708. H\ 1717. — 3. Die türkische
Helena. Nürnberg: 1710. — 4. Der yerliebte Eremit Nttmberg 1711.
8^ — 5. Liebesgeschiohte Hypolite, Grafen tob Douglas. Frankfurt
1711. — 6. Die Uebesf wMige imd galante Korie in einem HeMen-
gediehte. Leipsig 1711. — 7. LiebeBgeschichte der Prinzessin Nor-
manna. Nürnberg 1711. — 8. Eines Nordischen Hofes Liebes- nnd
Heldengeschichte. Cölln 1713. — 0. Curiöse Tiiebesbej^ebenheiten, aus
dem Französischen. Cöln 1714. — 10. Dnrchl. Hermintes. Nürnberg
1714. — 11. Helden- und Liebesgeschichten dieser Zeiten, welche sich
bei dem verwicheneu spanischen iSucccäsionskriege hin und wieder in
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— 166 -
KenntDisB eu nehmeD, wird wenigsieDS ebenso wie «na
denen Bohees einigermabzeii begreifen, wie diese Leute
nur deswegeo, weil sie an sich selbst und ihr Publikum
an sie ftnsserst geringe Ansprttohe auf inneren Gehall
stellten, soyiel in Besug anf ümftuig ond Ansah! der Er-
zeugnisse leisten konnten. Es ist das eben die noch heute
bekannte und viel gettbte Kunst» welche den, der sie
treibt» eigentlich aus der Literaturges<diiclite aussoUiesst
Ebenso giebt es ja eine oder mehrere Methoden, andere
Gattungen der Poesie, z. B. Lustspieldichtung und Lyrik,
sowie bildende Kunst und Musik produotiy su betreiben,
welehe mit der Entwiekelung und dem Forteebritt dieser
Geistesgebiete gar nichts zu thun haben. In der Dichtung
sind vielleicht die hier su beachtenden Grenzen schwieri-
ger zu sieben als anderwärts, aber wir werden nioht IbU-
greifen, wenn wir sie als gleichsam durch diese Gruppe
hindurchgehend aunchmcn. Der iabrikmäszige Betrieb,
die Unterwerfung unter die Modelaunen des schlechteren
Tbeils des gebildeten Publikums, die Ideenlosigkeit des
Bofopa zugetragen. Nflrnberg 1715. IL 8^ ~ 12. Die sehfoe Hd-
lladeriiL Nflmbeig 1716. 12^ — 18. Leben nnd Thaten der eagUscben
Ooqnetten ond Maitreasen. London 172t. 8*. — 14. Liobesgeeehiditen
Heinrichs Herzogs der YAndalen. Ulm 1722. 8^ — 15. Lindopolanders
Liebe ohne Beistand. Niemals g^lücklicher Liebhaber Orontcs. BresUn
1724. 8^ — lö. Die Leipziger Landkutsche. Breslau IT'JS. 8* —
17. Heroine mnsqnetaire oder Liebesgesehichte der Fr. Christinen
Baroneftse von Meyrau. Altenburg 1727. H«*. — Ib. Die duichleochtigste
Friücessin Tamestris aus Ej^ypten. 1732. 8".
Von diesen achtzehn Romanen, welche ich nach Goedeke an-
führe, sind No. 5, 0, 12 und 17 sicher nachweislich, No. 3 wahr!»cheui-
Ueh Uebenetiungen ans dtm FknnsBcisoluii. Nneh einsr Anseige im
L Bd. von No. 11 ist No. 18 rot No. 11 enehienen, sowk aassflideB
nooh der dniehlnnehtigsto Henniontes, Cron-Frinti ans Syrien; Venda,
K5mgm in Pohlen, beüuid sieli danach nnter der Fiesie. Meletan
hat anch über die Nutzbarkeit des Tantzens, mehrere Briefsteller ond
popnlir astronomische Schriften geschriebeiL
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— 167 —
lohiiltB und die flOohtige .Oberflttohliohkeit der Dar-
stellung' sind die Merkmale, welobe die um die Bolieide
des XVII. und XVIII. Jahrhunderts in Norddeutschland
th&tigen Belletristen als eine zasammenhftngende Gruppe
darstellen und sie in ihrer Gesammtheit aneh Ton den
weni^ älteren heroisch - galanten Erzählern, sowie von
Grimmelshausen und Weise unterscheiden.
Es ist sehen gesagt worden» daaz wir in dem Auf-
treten der Robinsonaden den B^nn einer neuen Periode
ftlr unsere Gattung zu erblicken haben. Daez Vorläufer
derselben schon in dem Zeiträume, dessen Betrachtung
ahEUSohliessen wir im Begriff sind, sieh finden, das« sich
selbst in den uns schon bekannton Erscheinungen die
Keime des Neuen zeigen» wird in dem Folgenden auszu«
führen sein. Hier ist nur noch geltend su machen, dass
die Happel - Hunold * Bohseeehe Gruppo in der That die
letzte Erscheinung dieses Abschnittes ist, die einen Typus
darstellt, dasz also die Keihe der vorzuführenden literari-
sehen Begebenheiten für den Torliegenden Theü unserer
Aufgabe erschöpft ist Denn wenn wir eine Nachlese
oder einen Rückblick unternehmen, um festzustellen, was
etwa noch in Erage kommen könnte, so wären dies au-
näohst wohl die auch in den letaten Decennien des XYIL
und den ersten des XVIII. Jahrhunderts keineswegs
fehlenden UeberöCtzungcn aus fremden tSprachen, nament-
lich aus dem Fransösisohen. Allein abgesehen dayon,
dasz diese, soweit nicht schon an anderer Stelle von ihnen
die llede war, Werke von sehr vorübergehender Be-
deutung und geringem Umfonge betreffen, sind sie in der
ehen beseichneten Zeit als Fremdlinge au heseichnen,
welche nur im deutschen Gewiinde auftreten und Iveino
Einwirkung auf die jetzt dazu schon zu fest consoiidirten
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168 —
Zustftnde der deutschen Litontur gewimieii kOnneo, eo
wenig diese Zustttnde an sieh Überall erffenliche sind.
Um wenigstens Beispiele anzuführen, so g-chören meines
Eraohtens hierher die im Jahro 1068 deutsch erschieoeno
Lnpanie, eine aohnrataige satirische Norelle ron Blesse-
bois, die Ersmmgene Bifersucht oder Timandre nnd
Glidamire'), die drei unter dem Titel Artige und kurtz-
weiUge Begebenheiten') erschienenen NoTcllen, woronter
die dritte die Geschichte yon Belphagor ist» die Prinaeesin
Brisaide von Montferrat , des Deschamps Serail-
memoiren*), die Geschichte dos Fräuleins yon Tournon^),
die des tapferen nnd yerUebten Qustay ron Yasa^), die
Memoiren der Orftfin d'AnlnojO» sSmmtlicb ans dem
Französischen.
Uebersetzungen dieser Klasse, welche so zahlreich
ist, dasa ich leicht die drei£BLChe Ansahl von Titeln an-
*) Deutsch 1671. 13 Von Fieire de Xarcsasns sadstiit da
Roman Timtmdre, O. de Ftred 8. 4C. •
^ Dsatseh 1676. 12». Naeh dem Büdtitel dttffts das Original
Gtofanferie» dioenef heinea.
s) Deatadk Nllnbeig 1680. 16» frMnOsiidL IM» im. O, d. P.
Seite IIL *
*) Deatsch (Wahrhaffte Liebes- Geschichte am Türckischen Hofe etc.)
Nfimber^ 1680. 8«. friaaOiisch. Porw 167a m III. — 1678. 12«. IL
d. P. S. 123.
•) Deutsch durch Gh. Ising. DilUngeii 1686. 8«. Nach der De-
dication ist die Erzählung zuerst von Marcniorite von Valois c^eschrieben
worden. G. d. F. 80 führt einen Roman Madcmoiaelle de Toutnon
Paris 1679. 12° und Paris Um. 12^ an.
«) Deutsch Leipzig \cm. x"» TT. G. d. P. sagt S. 121 von einem
Giisffivr Vnsa Hisfoirc de Siinir Pnris in<)7 12". Pifoyable Ouvrage,
icrit d'um numiere degoütante, was auf da» deutsche Buch anffaliend
gut paszt.
') Deutsch Cölln 1700. 12° Nach G. d. P. S. 88 franz. In Hayt
1692. 1*J0 vergl. auch S. 80. 106. 280. 281 und Duulop - Liebrecht
& da 38S. 409.
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_ 169 —
ftthren könnte, beweisen nur, daes dureh den FleisE der
hcroiBcben, galanten und politischen P'edern in Deutsch-
land der Bedarf dos deutaoben Puhlikums noch nicht
gedeckt war, und seigen, welohe Wichtigkeit auch fOr
den Bnohhandel die erzfthlende UnierbaltnngBleetüre
gewonnen hatte. Eine weitere Bedeutung ihr zuechrcibun.
biesze sich über sie täuschen und sich von den literarischen
YerhAltoiseen jener Zeit noch ein neues falsches Biki
machen su den yerschiedenen falsoben AneobRutingen,
welche leider noch immer über sie besonders in Hinsicht
auf den Unterschied des historisch Bedeutenden und Un-
bedeutenden yerbreitet sind.
Als Beispiel einer andern Art von Büchern, deren
scheinbarer Anspruch auf Beachtung wenigstens ein ab-
weisendes Wort verdient, mag des Abraham a. St Glara
Judas gelten. Derartige Werke, welohe an einselnen
wenig umfangreichen »Stellen einem oberflächlichen Blicke
wie Ers&hlungen aussehen, fallen noch entschiedener als
die kosmographischen und historischen Happeliaden
ausserhalb des uns interessirenden Oebietes, und es
kann weder der au sich bedeutende Inhalt noch
das Beispiel Fischarts, dou wir ausführlich behaudolt
haben, au ihren Gunsten geltend gemacht werden, denn
der Gkirgantua giebt auch in dem, was die Brsählung
überwuchert, Material, welches an und für sich selbst in
geringeren Dosen fOi* erzahlende Dichtungen sehr wohl
SU yerwerthen ist, wfthfend dort die Sache durchaus
anders liegt Wenn dies aber auch nicht so wftre, so
"Würde doch der verschiedene Zustand der ßomanliteratur
um 1590 und um 1700 Grund genug sein, an dieser
Stelle unserer Betrachtung eine Zusammenstellung von
moralischen und satirischen Reden mit erzählender Ein-
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— 170 —
leitnng von jeder BeraokaicbtigUDg anssusehliesseo, wo-
gegen ein Jahrhundert früher ein solohes Brseugniss als
Aulauf zu einer erzählenden Prosa nioht ohne Bedeutung
gewesen w&re.
Unsere Sohlossbetraohtung kann keine andere sein,
als dasz die deutsche Romanlitoratur um das Jahr 1700
das Bild oiuer überaus leistungsiäliigcn Kunsti'orm dar-
bietet, welche jedoeh wegen Mangels an einem würdigen
nnd bedeutenden Gehalte vOllig abgewirthschaftet hat
Diese scheinbar todtlichc Erschlaffuug ist aber grade ein
Beweis, dasz der Bomau ein wesentliches, organisches
Glied der gesammten Nationalliteratur geworden war»
denn dieser Zustand bildet die Signatur des ganzen
geistigen Lebens, wie es sich in der Dichtung und
schönen Frosaliteratar knndgiebL £s musste nun alles
anders werden, das Zeitalter der Rousseau, Voltaire,
Lessing, Kant war vor der Thür, eine neue Ord-
nung der geistigen Welt die Angabe der lobendigen
Volker.
Beilagen n Capltel XIIL
I.
Aus Martin Zelllers Bearbeitung des Fr. de Rosset
Ulm 1655. Ho. IL S. 87«
Vm emer jungm vom Adel abscheiolichen Thaten, so sie auff Anatifftmtg
deftr TmffeU begangen,
Oegenwertige Histori (welche mit Torigen Ersten in vieles
Stneken flbefein kommet, ynd desswegcn gleich nach denelbea gesetst
wird,) beschreibet der ^«(ftor, als ob sie nicht in Franekreieh, sondern
in der Trogloditer LmdBehallt, im Morgenland gelegen, Yud swar in
der Insol Heroe, so wegen des« Flusses Nili nnd grosser Fruchtbarkeit
sehr bertthmt, geschehen würc. Ob ich aber wol <ler Meynung bin,
daes solche entweder in irrauckreich oder aber in der Nacbbarscbifit
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— 171 —
sich zugetragen habe, vnd daäz der AuÜMr gBWlBMT Visachen wegeu
das Land vnd Geschlecht nicht wolle nunhtflfc nttehen, wie er aach
bei etliehea naohfolgeiideii Historien getluui: So will ich doeh solche
also setzen, wie sie von gedachtem Autkon beschrieben worden vnd
newlioher Zeit sich begeben haben solle.
lu der Insul Meroe wohnen lauter Christen, vnter welchen sonder-
lich ein ftihrnehmes Haoss Ist, genannt AbUa, so sich nie der Abyssiner
Ketzerey theilhaffdg gemacht, sondern sich allezeit zur Catholiseheu
Kelit,^ion bekoniit hat. Dieses Hanses Principal, ein wackerer vnd
Gottesfürchtiger Cavalier Jsameus Nicaudre, hatte sich vor weniger
Zeit mit einer schönen und verständigen Dame Namens GaüUia, ausz
dem ansehnlichen Hausz und Geschlecht deren von MeraUi erzeugt,
verhenratet, mit welcher er sechs Sdhne vnd sehen Töchter bekäme.
Vnter welchen die Elteste, HeUssa genannt, mit einer solchen Schön-
heit begabt war, dass sie aller deren Liebe sn sich zöge, die sie an-
sahen. Vnd da sie kaum «wölff Jahr alt worden , wurde sie von den
fümehmsten vom Adel derselben Gegend zur Ehe begehrt: Ihre
Mutter brachte auch bey dem Vatter so viel zu wegen, daei er sie
einem tapfTeru Cavalier vermiihlete. Wie aber alle Ding dem (iliick
vnd Vnglück vnterworflfen, vnd nichts beständigs in dieser Welt ist,
al.so kam auch diest-n beyden newen p]heleuteu nach der Frewde bald
duä Leyd, iu deme der junge Ehewirth auff einer Jagt wunderlich
Tmbkompt, vnd also die schOne Melissa albsuMh eine Wittib wild.
Der Vatter, als er den Tod seines Aiden erfahren, nimpt seine Tochter
wieder an sich, die hernach je Iftnger je schOner wnrde. Dieweil aber,
wie verstanden, der Vatter viel Kinder hatte, vnd sein Adelich Hansa
in seinem Stand erhalten weite, beschlösse er, die Mclissam neben noch
vier ihrer Schwestern vnd drey Brüdern Geistlich werden zu lassen,
vnd zu dem Ende thate er diese junj^o "Wittib wider ihren Willen in
das Closter de Roche Pcrfc, so von <lt r l'rince.ssiu Dorothea, geborneu
au.''z dem Königlichen llau.sz Sitim vnd desz tapllern Fürsten von Salpba
Gemahlin ist gestifftet worden. Die Melissa, so noch nicht gar U Jar
alt war vnd allbereit die weltliche Lüste gekostet hatte, wäre lieber
in der Welt als im Oloster verblieben, wie sie dann solches mit ihren
Angen vnd Geberden gnngsam luverstehen gab, weinete dameben vnd
senfizete offbnals vnd beklagte sich Aber ihrer Eltern Gewalt. Vnd ob
sie wol bisz ins 8. Jahr im Oloster war, wolte sie doch weder Schreiben
noch lesen lernen, redete allwcil nur von der Liebe vnd war voller
vuzüebtiirer Begierden vnd Wercken. Einsmal^i versperrete sie sich allein
in ihre Kammer, damit sie iliren Heischli« hen Gedaiickeu vud heimlichen
J'(t/hifi(r)iihns desto mehr abwarten köndte: Da dann der TeuflVl ibr
iu schünen weissen Kleidern als ein Engel desz Liechts erschine , sie
grU^te vud freundlich also zu ihr sagte; schöue Melissa, es ist lange
Zeit, dass ich Erbarmnnsz habe mit ewrm Vnglflcfc, vnd ds ewer
Schönheit mein Herta eingenommen hat Ich bin desswegen hierher
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— m -
kommen, ewer Bagieiden znenftttigen, Tiid euch forthin zu dienen, so
fern ihr mich für ewern Diener erkoiiiif^n wollet. Melissa erschzaek
erstlirli über solcher P^r.scheinung: Gleichwol fragte sie den (ieist, wer
er wäre? Der Teuffei, welcher sich nicht verbergen kan. wenn man
ihn vinb seinen \amen fraget, antwortete: Ich bin der Köni? des
LnfftM. vnd der Erden. Ihr dörfft nicht alles gleuben . so man euch
von mir erzehlt. Ich bin besser, als ihr vormeynet. Begehrt von mir.
was ihr haben wolt, e» soll euch werden. Melissa liesz sich vom
Tenffel betriegen, vnd begehrte die ailerberedsamste Tnd fentindigste,
Tud die am besten singen kOndte Tnter allen Nonnen so eeyn. Der
Aooord ward beaeUossen, Tnd kompt der Tenifel alle Kacht xa ibr,
Tnd txmht mit ihr Vnindit» Die andern Nonnen verwonderten stdi
flber die massen, wo es beikomme, dasz Melissa in wenii,' Tagen wo!
Schreiben, Lesen vnd von allerley Historien wol reden könne. Sie
halten es für ein Miracnl. Dieweil sie sich aber gar zu selir auffbutzte.
vnd von nichts als \<m eitel weltliclien vnd vnzüchticren Sachen redete,
vnd anstatt ihrer Betstunden leichtfertige lii'ieher läse, deszwecen
wurde sie von etlichen frommen Nonnen dnrunib fjestrafft; der aber
Melissa nur spottete, vnd sich berühmte, dasz sie vor wenig Tagen
einen Bnhlen bekommen, welcher alle Nacht zu ihr kommen, Tnd in
der Kunst der Wolredenheit Tnterriofate. Die Aebtissin kan diese Wort
niebt reeht Terstehen, desswegen Iftsst sie die Melissa nieht allein
schlaffen: Welohes sie dann Terdrenst» Tnd nach Mitteln gedcnckt,
wie sie sich rechen mOge. Zündet derowegen, mit Hlllff des TedEds,
das Closter an, vnd nimpt die Brunst also überhand, dasz niemands
wehren kan. Die Nonnen lauffen in die Kirchen, vnd wellen sich da
erretten, aber das Fewer kom])t auch dahin, vnd wurde also dieses
herrliche (iebäuw gantz vnd gar, mit aller Zngehör, in die A.schen
gelegt, also, dasz die Nonnen mit ihrer eigenen Rettung gnug zuthnn
hatten. Melissa aber wurde zum andernmal, wider ihren Willen, von
den Eitern in ein anders Closter gethau, in welchem, weil sie gleich-
falls ihre alte Weise triebe, sie Ton den Nonnen auch gescholten, Tnd
aar Gottesflneht angewiesen ward: Aber sie kondte solche Vermahnnng
niebt leiden, sondern liesa snr Bache drey Nonnen dnrch den Tenffd
Tmbbringen, dessen die übrigen sehr erschraeken, Tnd die Sache dem
König in Meroe vorbrachten, der den Eltern befahl, ihre Tochter
Melissa wieder nach Hansi m nemmen. Dieweil aber die £ltem das
nicht glauben wolten, so man Ton ihrer Tochter anszgab, sondern
begehrten, tlasz solche in dem Geistlichen Stande ihr Leben zubringen
solte: Derowei^on so erbaweten sie auff ihrem Grund vnd Boden, mit
HüUV des Königs, ein Closter, in welches sie die Melissani zu sperren
vermeyuten. Vnter dessen aber, lassen sie gute Achtung zu Uauds
anff dieselbe geben, vnd sie bey etlichen bedagten Adelichen JoDg^
in,weü schlaffen, welche aber die Melissa aosssehalte, Tnd aasa der
Kammer jagte, sagende, dass es ihr TnmttgUch seye an rohen, wann
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— 173
sie nicht allein sey. Ynd dieweil diese dess Naehts sie mit jemand«
reden hörten, aber nicht wüsten mit weme, dero wegen Senaten iie es
den Elteni an, welche einmals vnversehens in die Kammer ^ieng^en,
vnd zu allem Vn^lück ein kleines Seliweinlein sirii auf dem Leib ihrer
verfluchten Tochter herumb weit/eu fauiU'n, welches, als der Vatter mit
der Hand hinweg jj^i^en wolte, von einer auf die andern Seiten der
Melissa sich .schluptfte, vnd darauö mit grossem Schrecken der Ymb-
Btebenden Tersehwande. Die Eltern empftunden darüber ein grosses
Hertaenleid, Tnd hielten der lleUasa eine scharpffe Boaspredigt:
Welcher sie aber nnr lachte, Tsd sagte, dass es nidits newes a^y,
dasz ein Geist eine Dame lieb habe. Habe doch Shoratu, so vom
Oraculo Selbsten fiir den Weisesten sey gehalten worden, einen Geist,
oder Daemon gehabt, den er Ralits gefragt, er seye darumb kein
Zauberer oder desz TenfFels gewesen, sie wisse niclit, wammb sie ein so
grosses Geschrey machen, wegen einer so i,^emeine!i Sach, vnd was sie
sagen wollen, wann sie wäre wie andere vn/ahlbare Weiber, welche
mit einem stinckenden Bock zuthun haben, der Teuffei habe keinen
Gewalt über ^e, der Geist, so sie alle Nacht besuche, sey ein guter
Gebt» so ihr eingebe, was sie thnn solle. Sie rahte ihnen derowegen,
dasB sie den Gtoist an Meden lassen, sonsten werden sie seinen Zorn
vnd Bach bald erfiJuren. Die Eltern aber vnterliessen noohmalen
nichts, was an ihrer gottlosen Tochter Heil vnd Wohlfahrt dienen
mochte, troheten ihr auch, sie elendiglich sterben zu lassen, wenn sie
sich nicht bekehre, vnd hielten sie deszwegen gar hart, welches dann
die Tochter sehr verdrosz, vnd öffentlich zu den Junijfrawen, die vmb *
sie waren, sagte, dasz man in kurtzem sehrückliche Wunder sehen
werde. Es begab sich aber, dasz der Herr von Abila, ihr Vatter,
einsmals in seinen Ampts- und Guberuemeuts-Geächäliten der Stadt
Macua verreisen mäste, vnter dessen dann die Mutter stftts die Melissa
vermahnt, ihre Sünde xa bekennen, vnd GOtt vmb Gnade m bitten,
vnd ein anders Leben vorsonemmen. Melissa aber hOrte alle solche
Yermahnnngen mit Yerdmsz an, sonderlich aber thäte es ihr sehr
bang, dasz man so gute Acht auff sie gäbe, dasz sie bey Nachts nicht
nach ihrem Gefallen ihres fJebhabers gemessen kondte, derowegen, als
sie solches läuirpr nicht leiden kondte, nimpt sie ihr ein solche That
für, welcher Stralle auch der weise Gesetzgeber Solou nicht ordnen •
wolte, weil er nicht vernieynte, dasz eine solciie vnter den Leuten solte
gefunden werden, also, dasz sie, auff Anstilituug des Tcuffels, bey der
Nacht umb II Vhr aufistehet, ein grosses vnd breites Messer nimpt,
damit heimlich an der Kntter Bett gehet, vnd ihr als sie haft schlieire,
in die Gnrgel sticht, dergestalt, dass die firomme Fntw kanm einen
Schrsy thnn kondte, eine Jungfiraw so nahend dabey sdüieff, hfirete
disz, sprang derowegen ausz dem Bett, fand ihre Fraw im Blut liegen,
vnd schrie vmb Hülff. Jederman im SchlosB laufft zu ynd Avird diese
verfluchte Muttermttrderin gefänglich, biss snr Ankonfft dess Vatters,
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— 174 —
der in droyen Tagen hernach wieder nach Haus käme, Tenrahret.
Der gute Herr beweinte den Tod seiner hertsliebsten Gemahlin gar
schmertzlich, vnd bat GOtt vmb Gnade, dafls er seinen Zorn ttber ihn
viid sein Hansz wolle fallen lassen, vnä Ihme grnädig vnd barmhertzig'
se3'n: Vinl liesz darauff seine vernialodevte Tochter zwischen vier
Mauren einschliessen. vnd hey Hoff sich Ralits erhitlcn. wessen er sich
geilen ihr zuverlialtcn. Der Kf^nip^liche Kalit liet.ind. dasz das Eysen
vnd Fewer, auch alle andern Straffen, viel zu gering wären, ein
solches grosses Yerhreehen m straffen, stellte ea derowegen den
Yatter heim, dan er mit der Ifelissa nach seinem Ctefallen yeifthren
mochte. Wdcher dann Tnterschiedliohe Qeistliehe bemffte, die sich be-
rnftheten, ob sie die Kelissa bekehren köndten : Aber sie flnehte ihnen anlb
iigste, Tnd sagte, dasz sie vom bösen Geist nicht besessen sey, senden
nur von demselben besucht werde. Sie wolte anch nichts essen vnd
trincken, es wäre denn vorhero von denen, so ihrs brachten, cfekostet.
Sie trohete auch, dasz sie nicht eher sterben wolte, sie habe dann die
Triu/otdi vollendet, vnd ihren Herrn Vatter sammt ihrem ältesten
Bruder, auch vmbgebracht. Endlich gab doch GOtt Gnade, dasz Nuter
so vielen fartreff liehen M&unem, welche der Vatter mit grossen
Vnkosten beschrieben hatte, ein Ardnmaitdnia, oder Ffiurer ann
Thebaide, einer Landschallt in Egypten, dnroh seine enistUehe Ver-
mahnnngen, so viel an wegen biaehte, dass HelisM anfleng an weinen,
sich zur Busz und Bekehrung- zu schicken, vnd zu sagen: Ach ver-
flucht, die ich bin' warumb thut sich nicht die Erden aul^ mich zu-
verschlingen*' Ich bin nicht wehrt, dass midi die Sonne anscheint,
dieweil ich den Bund gebrochen liabe. den ich mit (t( »ft in der heiligen
Tauff gemacht, vnd mich also leiclitfertit,^ dein Teuffel ergeben habe.
O (K)tt, du hast alle meine vnzahlbare Vbelthateu, so ich vielfaltig
wider dich, wider meinen Nebenmeuschen, vnd sonderlich wider meine
MbUcbe Mutter begangen, gesehen, vnd solche nicht gestrafft? O HERR
GOtt vergib mir solche meine Sünde, vnd laas meine Seele nieht die
Straff ansBstehen, so mein Terllvchter Leib verdienet hat! 0 da Sohn
Gottes, versage mir nicht ein einiges TrQpff lein deines thewren Blnts,
am Stammen des Crentses vergossen, welches gnngsam ist, noch die
grösseste vnd allergrewlichste Sünden zu waschen. Hinweg von mir
Satan' Ich kündto dir anff den Bund, welchen ich mit dir gemacht,
vnd ruff nun an die Barmhertzigkeit dessen, welcher sie keinem
bussendeu vnd leidtragenden Sünder jemals versaget hat. Vnd ob wol
der Teuffei sie von ihrer Buaz stets abwendig macheu wolte, vnd ihr
den schmählichen Tod, so man ihr anthon werde, vorhielte, vnd sie
bereden wolte, dass er sie in ein anders Land an fiihren gedächte, in
welchem de nach ihrem Wnnsoh vnd Gefallen leben mOchte: So Uieb
sie doch bestindig, beichtete, vnd bekennete ftr jederminniglich ihre
Hünde, vnd bat Gott vmb Venseihung. Als nun also der Vatter seine
vnglttckselige Tochter, seinem Wonach vnd Begehm nach, aar
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Erkandtnuis der Sfinden gebradit hatte, lien er sie wieder zwischen
vier Mauren einsperren, allda man sie nach wenig Tagen hernach, die
Hiiiule Creutzweisz haltend, todter ßfefunden hat, nicht wissend, ob sie
von grossem Hertzeleid, oder ausz Mangel der Nahrung, oder wegen
beygebraciitem (tifft. oder Hauchs, oder aber von einem Strick gestorben
sey. Welches dann das Ende dieser erschröcklichen Trngoedi gewesen,
daraosz die £ltern zn lernen, dasz sie ihre Kinder nicht zu einem
ihnen oiftnials vnmüglichen widiigen Dinge swingen sollen: Sondei^
liehen aber sollen sie dieselbe nit so jnng in die OlOster Terspttnen,
dieweü nieht ein jede die Gabe der Keuschheit hat
Aii§ Ch. Weises Politl^eheiii Hftseher. Leipzig. 1686. 12*.
Daa L Oipifef.
CBeacentio, ein junger Mensch von 16 Jahren, hatte nunmehr
seine Eltern Torlohren, und mnste sieh bey seinem Vomrande kttmmer-
lich aufhalten, als ihm angesaget ward, er mochte sich nach einem
Herrn nmbsehen, bey dem er nmb das Brod aufwarten kOnte, weil seine
geringe KitteklMD nieht fsmer zulangen wolten, wo man nicht das
ftbrige Biszgen von Wiesen und Aeckem nmb liederlich Geld Ver-
stössen solte. Nun war bey dem lieben Menschen noch die volle
.Tni^end, daaz er uicht wüste, ob es besser oder schlimmer mit ihm ab-
lauften würde, wenn er anders wo dienen müste. Derohalben, weil
sein Vetter auf eine berühmte Messe reisen wolte, so nahm er von
etlichen Freunden Kecommendation - Schreiben, und machte sich fertig
seinen eisten Ausflog auff der Land-Eutsehe lu thun, unwissend, wer
ihm hemaeh das Geld Tor des Schusters Galosche Torstreeken würde.
Doch ehe der Auff bmoh geschähe, mochte der Vormund noch etwas au
berechnen haben, darumb stellete er auf des armen Kindes Unkosten
ein artig Valet-schmäuszgen an, und bath nebst dem obgedachten
Vetter unterschiedene Gäste darzu, welche den Reise -Segen aus dem
Bier-Glase heraus laugen solten Und welches das schlimmste war, so
muste Crescentio, als ein junger Lecker, vor dem Tisch stehen, und
umb sein eigen Geldanfwarten. Doch er lebte ohne Sorgen, und wüste
nicht, daäz ihm etliche Thaler iu der Tasche wären gesünder gewesen,
als den Qftsten das Bier im Wanste. Unterdessen gieng der Schmauas
allerdings ohne Nutsen nicht ab, in dem die Geaellsehafft auff einen
Disoonrs geriethe, daraus Oresoentio in seiner wunderlichen Reise viel-
mahls Trost, Lehre und Erinnerung luschöpffen hatte. Denn es war
unter dem Nach-Gerichte ein Gemüse, als das Neue vom Jahre, auf-
gesetzet, und da wolte einer die Probe von der liarität etwas zeitlich
nehmen, fahr also mit dem LOffel in die Schüssel, und von dar gleiches
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we|2^8 zu Halse. Allein daft Werck wsr ent von dem Feuer kommen,
und brachte dem curieusen Nascher so einen Klump Hitze in den
Rachen, dasz er vor Angst nicht wüste, ob er den Rissen noch weiter
in ileii Schlund hinunter befördern, oder ob er die Hertzens -Xoth dem
Nachbar in das CJesichte husten solte. Dieses gab Crelegenheit von
den anzeitigen Näschern zu reden, welche offt an statt eines delicat«u
St^ckgens etwas anders in die Kehle bekommen, and hernach nuttea
hl der Qvaal yot den Spott nieht sorgen dttrffen.
Einer sagte: 'leb habe ein Bneh gelesen, das iieist der Grobiaiiis,
da wird eines jnngen Kensohen gedacht, der die ICarcks Beine so
gerne ausgesogen, und endlich an statt des Marckes ein leibhafftig
Unschiit Lischt so hnrtig in den Leib geschlncket hatte, dass ihm der
Docht war an dem Gaumen kleben blieben.
Der andere sagte: Und ich besinne mich aus dem Eulenspiegel,
dasz ihm ein Pfaff liätte eine Bratwurst vom Hoste weggefressen;
drumb hatte er hernach eine Wurst von r>uder bestellet, damit war
der Pfaff und seine Köchin abscheulich betrogen worden.
Der dritte liesz sich also vemebmen : ihr Herren, ihr habet tref-
lich rare Antores gelesen, daiavs ilir eure Historien eioerpiiet Bs
ist Schade, dasz ihr enre Locos Oommones nicht heraus gebet, es wire
doch so ein Werck, dadnreh man seinen Nahmen in dem FraaekAirter
Oatalogo kOnte bekandt machen. Zwar ieh weiaz nidit, ob idi mit
meinen geringen Sachen darbey erscheinen darff. Es ist im Torign
Seculo ein Historicus gewesen, der heist Hubertus Thomas von Lüttig,
und hat des I*faltz-(Sraffen Friderici II. Leben beschrieben, bey dem
steht eine artige Heirebenhpit : Denn der gedachte I^faltz-Graff solte in
Caroli V. Verrichtungen nach Madrit reisen, und traff in dem Hunger-
leiderischen Spanien lauter solche Wirths-iiäuser an, da Schmahl Hansz
Küchen-Meister war. Einmahl fragt er den Wirth aus Schertz , ob er
nicht was gats von Wildpret hätte? Der Spanier machte eine prächtige
Miene und sagte mit ToUer Giandene: Weiui es benhlt wflrd«, solte
kein ÜMigel seiyn. Es wihrete anoh nicht lange, so kam eine gebnteM
Kenle anf den Tisch, darüber sich die reisende Gesellsehaift dergestalt
eibaimete, dass es wenig feblete, die Diener bitten die Knochen mit
gefressen. Der Fürst fragte den Wirth, ob man nicht vor Geld und
gut«' Worte noch so ein Stücke zur kalten Küche auf diese Reise haben
könte? Und da war es wieder gut, die Keule war fertig, und früh
morgens auff gute Hoffnung einer delicaten MittAgs-Mahlzeit eingepacket
Aber zu allem Unglück mochte der Wirth einem Diener den Zaum vom
Pferde gestohlen haben, derohalben wolte sich dieser etwas umbsehen,
ob er etwan den Diebstahl wieder antreffen könte: Gucket also anter
andern bk ein Sibnmerchen, nnd wird daselbst nicht sdnes Zaumes,
sondern einer firis6hen nnd nem-abgeBogenen Bsels-Hant gewahr. Also
mariite er sich bald die Rechnung, dem Wirthe mOchte ein soleher
Caball ambgeüallen seyn, welchen er mm an statt des WildpreCs
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Terapeiset hätte. Als er auch den Wirth zur Rede setzte, gab er ein
jjuhen dimn, und sagte: Hur Narren, das könnt ihr leicht wisseut dass
hiemmb kein Wildpret ist; Wanimb habt ihr meinen Esel gefkessen?
Ihr habt ihn einmahl im Leibe, und ich habe das Geld danror im
Seutel, damit sind wir geschieden. Der Streit kahm vor den Fürsten,
und da lit^tT dii> Näscherej auf eine solche Verdricszligkeit hinaus, dasz
die meisten ihre ^iahlzcit in originali wieder hin zehleten, und der
Wirth von seinem Wihlpret weni^ vermissen durtfte.
Der vierdte war ein alter üascouier, der liesz die Ileyhe auch
an sich kommen, ihr Herreu, sagt er, ich halte nicht viel auf Historien-
Bücher, aber etwaä habe ich auff 'meiner Reise erfahren, welches ich
itao wohl werde ersehlen dOrffen: Als ich in meiner Jagend durch
Schlesien reiset«, ward ich an dem FttrstL Hofe sa Lignita bekant
Da kahm ein Bauer anm Kellermeister» und bat, er mSchte ihn doch
den Wein kosten lassen, welchen der Fürst znr Tafel gebrauchte, er
wolte gerne danckbar sejn und ein paar fette Uänse in seine Ktkche
verehren. Der Kellermeister stellete sich, al« wäre dieses wider sein
Eyd inid Pflicht, und würde er in die höchste Uni|:elci:,'-enlieit kommen,
wenn (Urifli ii Iimh solte von ihm erfahren werden. Allein der liauer
war lüstern wurden, und hielte instiindi": au, man möchte ihm nur
willfahren. Damit liesz sich jeuer behandeln, führte ihu in den Keller,
und bat nochmahls, er mOchte sieb nieht lauge säumen, und hernach
die Sache keinem Menschen offenbahren. Hieranff scheuchte er einen
NOssel • Becher aus dem BaumBl- Fasse ein, warff etliche lebendige
Schmerlen darunter, und sagte: Er solte nun geschwinde geschwinde
damit zu Leibe wischen, nach dem esanch gar sachte hinunter geschlichen
war, fragte der Kellermeister, ob er noch eins wolte"^ Doch der gute
Nilscher entscliulilij^te sich: Nee dur Wein r»s fer mich zu fiitt. Ja
Ireylich war er vor ihn zu fett, und wüste der arme Srümper nicht,
was er gesoften hatte, weil seine alte Mutter den Salat nicht mit Gel
und Eszig, sondern mit blosser Buttermilch zu machen pfleget. Allein
der iigste Possen kahm hernach, als die Schmerlen in dem Leibe unge-
dultig wurden, und von einem Ort sum andern hemm sappelten. Denn
hiervon war dem Bauer so angst, das er als ein rasender Mensch an
den Wänden und Fässern herum kratzete. Und vielleicht wäre was
bOses darzugeschlagen, wenn der Kellermeister nicht bey zeiten mit
einem starken Tmnck Spanischen Weine die muthwilügen Fische ge-
dämpffet hütte.
Dieser Handel ward wohl belacht, und als Crescentio sein Votum
ziemlich laut darzu geben wolte, wunte sich der Vormund um, und sagte:
Junge, stecke deine Pfeitfe ein, sonst wird dein «ttkflnfftiger Herr den
Tact dann geben. Du wirst noch viel Näscher in der Welt kennen
lernen, ehe du aus demem eigenen Töpffgen wirst naschen kQnnen. Ja
du wirst unter so viel Politische Näscher gerathen, die wohl possirlicher
angreiffen, und die auch manierlicher betrogen werden, als die Iieute»
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darvoll wir geredet haben. Drum uimm die Lehre mit auff den Weg.
Und wenn da von aielitt wüt Froteion machen, so gib Achtoag, wie
ein Käscher in der Welt Uber den andern kommet, und wie endlieh sUe
beyde das Maul Terbrennen, oder doch eine Qvaal in der Kehle in Lohne
haben. Der einftltige Troplf woate die Beden nicht aoasnlegen. Doch
meynete er, wenn ihm ein Näscher begegnen würde, so weite er es an
seinem aaslachen nicht ermangeln lassen. Zwar der Vetter gedachte
bpy sich: Du ehrlicher Vormund, du hast dem rumiindig-en «ein
Gutli ;iii( h zieiiilit h beniischt, du darft'st ihm nicht witn-fhen . di-z «r
alle Näseher kennen lerne, er möchte sün>t h(y seiner Wifderktuilli
mit dem Prietjel aiUliren, mit der Fau^t in *h'n llaart n subtniiiiren,
imd mit Maulschellen multipiicireu, da>z endlich gar ein be.^chisscü
Pacit herauskähme. Indessen sagte er an Crescentio, gebt ench zn
Flieden, wenn aof der Beise etwas flürkOmmt, so wil ich ench schon e^
innem, dass ihr einen NSscher Tor den andern unterscheiden aolt Also
gieng der Schmaus zum Ende, sie nahmen endlich Abschied, und solte
nunmehr b^ antretenem Tage die Reise von statten gehen.
Da» TL Cnpitcl
NTTn wil ich nicht lanj^e saj^en, was Crescentio hin un'l wirdtr
vor Abschied genommen. Denn ein arm Kind, das keine Kitern hat.
siebet gemeiniglich bey seiner Abreise wenig Thränen vergiessen; und
hat derhalben auch wenig Anlast, dass er sich an seinen Augen grossen
Schaden thun sol. Drum sag ich kilrtslich: die Kutsche kam Ton
Vetters Thttr, die Beise-Oompagnie nahm ihren Plati, und Orescentio
kriegte die überstelle, dass er anf der lincken Seite rflcklin^rs fahren
muste. Als sie ins gesampt ihre Morgen -Devotion verrichtet, sass
einer neben dem Vetter obenan, der hatte den ^^antzeu Sack voll Rosinei
und Mandelkern. Ol) er nun wohl kein Stu lonte war. so mochte ihm
doch tlieser Studenten- Haber so wohl bekiHniiien, dasz er allezeit etwas
darvon kostete, und dem armen Maule weni^,' Feierfat^e gab. Weil nun
Crescentio diese Instruction hatte, er sulte die Niwcher observireu.
winckte er seinem Vetter gegen Uber, und weite ihn seine erste
Ezperients su yerstehen geben. Allein der Vetter meynete, das Fahren
Uüne ihm ungewohnt Tor, und winckte ihm mit einer ernsten Mine, er
solte stille sitzen. Es währete aber nicht lange, dass die Oompagnie
an einem Berge absteigen muste, so fragte der Vetter, was ihm ge-
mangelt hätte Da sagte er: Habt ihr denn nicht den Politischen
Näscher gesehen, der so geitzitr in die Rosinen und Mandelkern hinein
stürmete? Dir Vetur versetzte: () ihr Fantast, dasz ist noch ein
schlechter Nä.seher. die l'ulitiscben Näscher sehen anders aus. Cres-
centio wandte ein, wer solche gute Sachen verschluckte, der müsre ja
ein Politischer Näscher seyn. Denn wenn er ein Bauer-Näscher wäre,
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80 wflrde er Bneh-Eekern oder gel»ackeiie Hatseln la sieh gestecket
haben. Und da sähe der Vetter wol, daas er ihm das Veretlndniu
dftien solte. Dmm sagte er: Die Näscherey mit dem Maule ist ein
geringe Tlinn. Ein Politischer Nasrher ist, der sieh um ein Glück, nm
eine Lust oder sonst um einen Vortheil bekümmert, der ihm nicht zu-
kömmt, und darüber er sich oftt in seiner Hoffnnun; betrosfon fin«let.
Wollet ihr nun in deri^leichen l'nirlück nicht «j^erathen. so werdet mit
fremden Sclnulen kluij, und ^ebt Ai litunir wie andere betroffen werden.
Crescentio bekaudte seine rnscliuld, und i,'ali x) viel zu verstehen, er
würde diese Lehre schwerlich in den Kopff bringen, wenn er nicht
znw ans etlichen Bxempeln die Manier gelemet hfttte. Der Vetter,
welchen wir Philander heiasen wollen, Tersprach, er wolte sieh nach
etwas umsehen. Indem kahm ein Terdeekter Wagen den Belg herunter
gefahren, darauf, allem Ansehen nach ein Patiente liegen mochte. Und
weil ein junger Kerl neben her lieff, so fhigte Philander, wer da
gefttnret würde? Der junire Mensch sagte, es wäre sein Vater, ein
Priester nicht weit von dar, der hätte vor einem halben Jahr ein prosz
Unuliif k i^eliabt. und wolte sich besserer Wartiuii? halben zu einem
Harliit-ri r in iln Sta it in die Cur verdiniren. Denn dazumahl wären
Cathulische Soldaten in ihrem Durfte i^ewesen, die hätten einen Pater
bey sich gehabt, mit diesem hätte sein Vater von der Keligion wollen
dispntiren. Als aber der Pater die Lehre vom Fegfeuer nicht behaupten
können f wären die Soldaten mit eisernen und holtiemen SyUoffimis
danwischen kommen, dasz der arme Mann nunmehro ein halb Jahr sein
Fegefeuer ausgestanden hätte, und nicht wäste. wie er sich wieder
belffen solte. Philander liess sich des guten Mannes Unglück leid scyn,
und wünschet ihm guten Fortgang zur Cur. Aber als der Wagen vor-
bey war, sairte Philander: Vetter, da sehet ihr einen Politischen
Näscher in einem schwartzen Kleide. Was hat den Mann ant^eforhten,
dasz er sich an einem solchen Orte in einen weitläufftiß^en Disputat *
einlast? Er hat die Ehre wollen haben, dasz ein Pater von ihm ist
ad absurdum gebracht worden, das ist, er hat aus dem Politi.schen
Disputations - Töpfif^gen was naschen wollen. Doch wiewol hätte er
gethan, wenn er wäre davon blieben. Solche Discurse sind wie Speck
auf der Falle, dadurch die Soldaten nur Ungelegenheit suchen, einen
ehrlichen Mann su schimpffen. Verspielt er, so ist die Schande ohne
disa da: Gewinnt er« so kömmt Mars, dadurch wird Ars secundirt.
InUr pocula et amia non est disputan^m. Crescentio dachte, wenn
er noch etliche Näscher mit seiner Junten Auslejrnng vor sich sehen
solte, so mcichte sich der VerstAud allmählich finden, l'nd weil sie
nun über den Bery: waren, satzten .«ie sieh wieder auf die Kutschen.
Indem kamen sie in ein Städty:en, da sie Mittags-Mahlzeit halten
wolten, und da wolte Crescentio scharftsichtit? seyn ob er einen neuen
Näseber auslachen könte. Allein es wolte nicht viel zu lachen geben.
Denn die Wirthin hatte ein Jammerbänckgen hinter dem Ofen gebaoet,
12»
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and liesz so laute Senfftzer mit unter die Tbrtaen hervor springeiit des
man leicht schlieasen konte, wie rii sIp von den Gästen etWM TW
ifitloiiien erbetteln wolte. Crescentio t'rag^te <len Kutscher, was raui» «Ii?
Frau wol g-essen haben, davon sie solch Reissen im Leibe hat? l'u<i
hierltey raeynte er, es wäre ein treftlicher Possen von ihm auf ilie Bahn
gebracht worden. Der Knt?<rlier war unwillig, da<i7, der junge Kerl
seine bekaute Wirthin schimpllen wolte, und gab ihm zur Antwort:
Sie hat einem Qvarck die Spitze abgebissen, und hat kein Saltz dam
gebrauchet: wenn ihr was einnehmet so titeehet Satte und Pfeiv
darso, nnd hiermit gieng er snr Thflr hinaus. Philander nahm seines
Vetter anf die Seite, und sagte: Ihr tnmmer Kerl, weit ihr aneh eil
Politischer Kftscher werden? Da meynet ihr, es wire eine treffliche
Sache, dasz man in der Compagnie einen Possen reisse. Aber wie
schmackt es, da ihr an dem groben Kutscher das Manl verbrant. 0
last andere Leute nnveiirt, heutiges Tages ist in dem Stücke das
Weclisel-Geld auf 500. pro Centn gestiegen. Er hatte kaum ausgeredet,
so wolte einer aus der Gesellschaft^ wissen, was der Wirthin f^hlete,
welche auch gar willig war ilire Betrübnis zu erzehlen, nnd gleichsam
von dem Hertzen abzuwelu:eu. Derhalben kam sie sachte hervor ge-
sdüiohen, und maehte anlSuigfl so jftmmerlldie Kinea, wie die thOriditen
Jungfern im Dom su Hagdehuig, dasa man leicht sehliessen kmite,
es mllste ihr entweder ein guter Freund gestorben, oder ein arger Feind
lebendig worden seyn Endlich fuhr sie mit der Schlirtae Aber des
Gesidit, und sagte: Ach ihr lieben Leute, ich wolte, es wäre mir
iemand gestorben, oder dasz mir zebnerley Kranckheiten wSren io die
Kaldannen f^efahren. es solte mich nicht so schmertzen. als das ietzlije
Unglück, darüber ich noch Erde kauen werde Ach ircdencket nur,
was ich vor ein armes Weib bin. es ist nun ein Jaiir, liasz nirin<»
eintzige Tochter mit einem wohliiiihendc u Fleischer in diesem Städ:,'en
Hochzeit gemacht hat, und da hatte ich mir lauter Freude und Herr-
ligkeit eingebildet, wenn ich nun solte Groszmutter heissen. Aber
mich deucht, die Qroszmntter ist mir belohnet worden. Denn tot
sechs Wochen liessen sie tauifen, und wie raein Eydam noch den halben
Bausch im KopiFe hatte, gieng er aufs Feld, und wolte sehen, was der
Bim-Baum macht, in dem läufTt ihm ein Wolff aus den nechsten Oe>
Sträuche übern Weg, und weil er eine Büchse bey sich hat, so reicht
er dem Unthier eins mit der Kugel, dasz er alle viere in die höhe
kehret. Nun hat er den Fanck i^ethan. und meynete in seiner Narr-
heit, er müste sich einen guten Freund mit machen, drum gieng er zu
unserra altern (ievatter, den Herrn Bürgermeister und sagte, er hätte
ihm lange nichts verehret, er wolte ihm hier einen Wölfl" schencken.
Der Bürgermeister bedanckt sich, und last alle Gerber und Kürschner
snsammen fordern, die sollen ihm einen guten Rath geben, ob sich das
Fell besser nun Boitze als aur Mtttze schicken mochte. Doch, o ich armes
Weib! wie sie recht nach der Bestie sehen, so ist es kein WoUF, sondern
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ein leibhafftiger Schäffer-TTund, der irgend einen WolfF möchte zum
Vater oder zum Schwager haben, damit wird das Handwerck auflfstützig,
wil int incu Eydara vor unredlich halten, und macht uns solch Unglück,
daiiz sie schon etliche 100. (4ülden darmit zugesetzet haben. Ich halt
auch, wenn um und um kommt, so musz mein armes Kind mit den
Schelmen zum Thore hiuauswauderu. O hätte ich mein Kind einem
Schäferkneeht gegeben, 80 wire ich doeb aidiar gewet«D, daas er tber
einen sehabuigten Handefelle nicht ivire snm Bettler worden. Hier»
mit gieng das Winseln und Weinen wieder an. Oiescentio hatte der
Torigen Lehre schon Tergessen, und wolte anch was dansa reden, wer
fragt nach dem Hönde, sagt er, besser ein Hnnd, denn ein Kind. Ich
habe mein Tage manchem Hunde das Liecht ausgelöschet, und icli sehe
nicht, wer mir was darumb thun wil. Doch der Kutscher schnitt ihm
wieder mit einem garstigen Messer übers ilaul, und sagte: Schweigt
doch stille, es ist noch nichts versiiuinet, wenn ihr etwa einen Schinder-
karu wuit vor der Thüre haben. Ob nun wohl Philander mit seinem
Tetter nicht zofriden war, so gab er doch don Kntscher auch einen
Yerweiss, er möchte nicht zu gemeine werden, sonst wolten sie ihm
weisen, wie yiel ein Kntscher mit Herren reden solte. Sonst war in
der Compagnie ein Student, dem wolte der poszirliche Hnndfr-Process
nicht in den Kopff : Es wKren ja rechte Narren-Possen, dasz man eine
Katze möchte todt schlagen, und ein blosser Hnnd solte unehrlich
raachen. Es wäre Wunder, dasz die Leute nicht ein Straffe drauif
setzten , wenn ein Floch zu todte geknickt würde. Gott hatte dem
Menschen die Herrschafi't über die wilden Thire gegeben, warumb solte
so ein Hund Aasz ein absonderliches Privilegium habeu'^ Endlich
bescblosz er: Wenn mir der Possen begegnete, so wolte ich kurtse
Arbeit machen, und alle meine AnUIger Tor Hunde halten, das ist,
ich wolte sie todt schlagen. Ehi Handelsmann, der vor diesem ein
Schuster gewesen, und nunmehr als ein Politischer Ntecher auch etwas
Ton dem Kaulbnanns*Bespecte kosten wolte, hatte viel von den Hand-
wercks- Innungen zu schwatzen: Die ehrlichen Zünffte wären einge-
ftthret, ihre Articul und Gewouheiten wären von Fürsten und Herren
bestätiget, und eine Obrigkeit tliäte wohl, dasz sie über allen Pnncteu
steifF und fest hielte. Indem nun der Student dargegen behaupten
wolte, man solte die altvaterischen Händel abschatfen, und ehrliche
Leute nicht vor die liebe lange Weile umb ihre zeitliche Wohlfahrt
bringen, so war ein Gerichts-Verwalter in der GesUschafFt, der sagte
ihr Herren, es wtfre viel Ton der gemehien Nothdurfft an reden, wer
alles wtlste. Wen es angehet, der mag es bessern. Doch wü ich einen
artigen Streich erzehlen; mein Knecht hatte vor zwey .Jahren eine
Schinder-Betze tod geworftVu. so kahm der Schinder, und brachte mir
den Kam vor den Hof. ]\Iein Gesinde scheuete sich, und wolte das
unredliche Ding nicht angreillen. Doch meine Frau war am klügsten,
die sagte: Der Karn musz ohne Menschen Hände weggeschaflet werden.
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Hiermit befahl sie dem Kucchte. er s Ite Stnih «laruiiter lee:en. und
den Bettel zusammen verbrennten. Damit niü« ImMi sie hernach ihr
Eigeuthumb aus der Auche wit-der suchen. i'hilaiidtM- hatte zugehöret.
Endlich war disz sein Ausschlag: Ich wil das Herkommeu iu seinem
Werth und Unwerth laBaeii. Abor eine Schwachheit muti ich doch
darbey anfllhrai, dan die gemeinen Leute sich eo viel wissen, wenn sie
einen Büigermeister warn GeTAtter haben. l)a sol alle Welt grosse
Angen anffsperren, wenn sie einnialil in des Bürgermeisters Hausz gehen,
sie mögen gleich einen Hund oder einen Wolft' auf dem Puckel tragen.
O hätte er sein Wildpret zu Hause behalten, und hätte sich mit seinem
Rüryernieistfr nicht so viel irewusr, so hätte er ietzo etliche l(Xi. (thI«!* !!
mehr im Beutel. Denn ich zvveiffel dran, »hisz limi nunmehro seiner
Schwiegermutter Gevatter die halben Unkosteu vurseiiiessen wird. Lud
hiermit hatte der junge Cresceutio wieder was geleruet.
m.
Am dem Sehelnmllliky. Gedraekt zu Schelmerode. 1696. 8*.
Z>(is Erste Capitel.
TEutschland ist mein Vaterland, in Schelmerode bin ich gebohren,
zu Sanct J^Ialu habe ich ein gantz halb Jahr gelangen gelogen, und iu
Holland und EngeHand bin ich auch gewesen. Damit ich aber diese
meine sehr geflLhrliehe Beise>Beschreibung fein ordentlich einrichte, so
moss ich wohl Ton meiner wunderlichen (ieburth den Anfang machen:
Als die i^rosse Balte, welche meiner Frau Untter ein gants neu seiden
lUeid serfressen, mit den Besen nicht hatte können todt i^eschlagen
werden, indem sie meiner Schwester zwischen die Beine dnrchläulTt und
unversehens iu ein Loch kr.nimt. fällt die elu liche Frau deszweg-en aus
Eyfer in eine solche Kmnckiieit und Ohniuiicht. dasz sie gaui/-er
24. Tage da liegt und kan sieh der Tebel hoiilmer weder regeu noch
wenden. Ich, der ich dazumal die W elt noch niemals geschauet, und
nach Adam Riesens Rechen-Buche 4^ gautaer Monat noch im Verbor-
genen hfttte pausiren sollen, war dermassen auch auf die sappennentsehe
Ratte so thOricht, dass ich mich aus Ungednlt nicht länger zu bergen
Termocbte, sondern sähe, wo der Zimmermann das Loch gelassen hatte,
und kam auf allen vieren sporenstreichs in die Welt gekrochen. Wie
ich nun auf der Welt war, lag ich 8. grantzer Taire unten zu meiner
Frau Mutter Küssen im Hettstroh ehe ich mich einmal recht besinnen
kunte wo ich wnr. Den iUen Tag so erblickte ich mit gros.ser Ver-
wunderung die Welt. <> >iiii|termentl wie kam mir alles so wüste da
Yor, sehr malade war ich, nichts hatte ich auf den Leibe, meine Fr.
Hutter hatte alle Viere von sich gestreckt, und lag da als wenn sie
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▼or den Kopff gesrhla^en wäre, schreyen wolte ich auch nicht, weil
ich wie ein jnn? Ferckelg^eii da lair. und wolle mich niemand sehen
lassPii. weil ich nackend war, dasz ich also nicht wüste, was ich an-
laiiiTcn sult»'. Icli hatte auch willens wieder in das Verboruene zu
wandern, .so kiinte ich aber der Tehel liohlmer den Wvg nidit wieder
finden, wo ich hergekommen war. Endlich dachte ich, du must doch
sehen f wie du deine Fnn Hntter emrantent, und Tennehte es auf
allerley Art nnd Weise, hald krieg^te ich sie hey der Nase, bald
krabbelte ich ihr nnten an den Fnsssohlen, bald maehte ihr einen
Klapperstorch, bald zupffte ieb ihr hier nnd da ein Härgen aus, bald
schlug ich sie aufs Nollepntzgen; Sie wolte aber davon nicht auf-
wachen; letzlich nahm kh einen Strohhalm und kützelte sie damit in
den lincken Nasen-Loclie. wovon sie eilij^st aiit'tnhr und schrie, eine
Hatte! eine Hatte' Da icli nun von ihr da.s Wnit Ratte nennen hön-te,
war es der Tebel holilmer nicht anders, als wenn iemand eiu Scheer-
niesser nehm und führe mir damit unter meiner Zunge weg, dasz ich
hieranf alsobald ein ersehrediUehet Aiweh! an m reden fing. Hatte
meine Fran Mutter nun suTor nicht eine Ratte! eine Hatte! geschrien,
so sehrie sie heraachmals wohl Uber hundert mal eine Hatte! eine
Ratte! denn sie meinte nicht anders es nistelte eine Ratte bey ihr
nnten zn ihren Füssen. Ich war aber her, nnd kroch sehr artig an
meine Fran 3Iutter hinauf, grnckte hey ihr oben zum I)eckc-Bette
hcrans. nnd sairte: Frau Mutter. Sie lilrchte sich nur nicht, ich hin
keine liatte, sond n ihr lieber Sohn; du.sz ich aber so friih/eitii,' hin
auf die Welt t''koninif*n, hat solches eine liatte verursachet. Als
dieses meine Frau Alutter hörete, Ey sappermeut! wie war sie froh
dass ich so unvermuthet war auf die Welt gekommen, dass sie ganti
nichts daTon gewust hatte. Wie sie mich dasselbe mal au hertste und
an leckte, das will ich der Tebel hohhner wohl keinen Menschen sagen.
Indem sie sich nun so mit mir eine gute Weile in ihren Armen gehftt-
schelt hatte, stund sie mit mir anf, zog mir ein weiss Hembde an und
raffte die Mieth-Leute in ffantzon Hausze zusammen, welche mich alle
mit einander lnlclist verwundernd ansahen und wüsten nicht, was sie
aus mir macheu selten, weil ich schon so artig schwatzen kunte
Das FüHffU Ckipitel.
Die Hundestage traten gleich selben Tag in Oalender ein, als
ich nnd mein Herr Bmder Graf Ton den Bnrgemeister an Amsterdam
Abschied nahmen und uns in ein grosz Orlog-Schiif setzten. Wir
waren etwan drey Wochen auf der See nach Indien fortu'cschifTet, so
kamen wir an einen Ort, wo so schrecklich viel Walltische in Wasser
gingen, diesellien lokte icii mit einen stücktren Brote ^•antz nah an
unser Schilf. Der eine Hootsknecht liatte eine Anirel bey sich, die
muste er mir geben, und versuchte es ob ich einen kunte in Schiff
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häckeln, es w8r anch der Tebel hohlraer nni^egrangen, wenn die Anfirel
nicht Avarp in Stücken gerissen, denn als der Wallfisch anbiss nnd ich
in best^^n rih kfn war, so risz d^r Dn-rk »Mifzwey, dasz al?o der Ang^el-
hacken den Walltische in den Ka< hen stecken blieb, von welchen er
unfehlbar wird gestorben seyn. Wie solches die andern Walitiscbe
gewahr worden imd den Sehatten nnr tod der Angelsdmnre nnrielkti^
worden, mnrehireten sie alle aneh fort nnd Uen sich der Tebel hoUiner
nit ein eintsi^ wieder an onsem Schiffe blicken. Wir sehüRen toh
dar weiter fort, und bekamen nach etlichen Tagen daa gelttbberte Keer
so sehen, alhvo wir gantz nahe vorbey fahren musten, Sappennent!
was stunden dort vor Schiffe in den gelübberten Meere, e«* war der
Tebel hohlmer nicht andere, als wenn man in einen erofisen dürren
Wald Hebe, da die Bäumf vertlorret stünden, und war keine Seele auf
den Schitien zu sehen. Ich fragte den Schiffmaun, wie denn das zu-
ginge, weil so yiel Schiffe da stünden'? Der gab mir zur Antwort,
dass dieselben Schiffe bey grossen UngestOmm der Wind dahin gejaget
hätte, wenn die Sohifileote nach Indien fhhren wollen ond den Weg
veifehlet, dass also anf alle denen Schiffsn die Leote jftmmerlieh am-
kommen müssen. Wie wir nun von den gelflbberten Meere voibey
waren, kamen wir unter die Linie, Ey Sappennent! was war da vor
Hitze. Die Sonne braute uns alle mit einander bald Kohl-Kaben-
schwartz. Mein Ilr. Hr. Graf, der war nun ein rorpuh-nti-r dicker
Herre, der wunie unter der Linie von der m^raus.imeii Hitze kranck,
legte sich hin und starb der Tebel hohlraer ehe wir uns solches ver-
sahen. Sapperment! wie ging mirs so nahe, dasz der Kerl da sterben
muste, ond war mein bester Beise-Oeferthe. Allein was konte ich
thoB? todt war er einmahl, ond wenn ich mich aoch noch so sehre
Aber ihn gegrimet, ich bitte ihn doch nicht wieder bekommen. lek
war aber her nnd bund ihn nach Schifb-Gewonheit sehr artiir anf ein
Bret, steckte ihn 2. Dacatons in seine schwartz-samtne Hosen ond
schickte ihn damit auf den Wasser fort, wo derselbe nun ma? beg^raben
liegen, dasselbe kau ich der Tebel hohlmer keinen Menschen sas^en.
Drey Wochen nach seinen Tode gelantreten wir bey j^iten AViude in
Indien au, allwo wir an einer schönen Plingst -Wiese ausstiegen, den
Schiffmann das Fähr-Oeld richtig machten und einer hernach hier
hinaus, der andere dort hinaos. seinen Weg annahmen. Ich erkundigte
mich nnn gleich wo der grosse Kogel restdirete; Erstlich fragte leh
einen kleinen Jongen, welcher anf derselben Pilngstwiese, Wo wir aas-
gestiegen waren, in einen grünen Käpgen dort herum lieff nnd die
Jungen Gänszgen hiUete. Ich redete denselben recht artig an, und
sagte: Höre Kleiner? kanst du mir keine Nachricht sagen, wo der
grosse ilogol in diesen Lande wohnet? Der .hinge aber kunte noch
nicht einmahl reden. st>ndern wicsz nur mit den Finirer und sairte: a a.
Da wüste ich nun der 'l'ebel hohlmer viel was a a heissen solte. leii
gieug anf der Wiese weiter fort so kam mir ein Scheersdiliep ent-
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gegen gefahren, denselben fragte ich nun auch? Ob er mir keine
Nachricht eitheilen kdnte, wo der Mogol wohnen mttste. Der Seheer-
schliep gab mir hierauf gleich Bescheid und sagte, dasz swey Mogols
in Indien remcfireten, einem hieaaen sie nor den grossen Mogol « den
andern aber nor den Kleinen« Wie er nun hOrete, dass ich zu den
Grossen weite, so sagte er mir gleich, dasz ich etwan noch e'mo Stunde
hin nn seine RositU^nz hätte, und ich solte nur auf der Ptiug.st-Wiese
torti^ehen ich könnt nicht irren, wenn dieselbe zu End«' würde ich an
ein»' y-rosso Rini^-Mauer kommen, da solte ich nur hinter \\e^ ^'eheii,
dieselbe würde mich bis an das Schlosz-Thor führen, worinnen der
grosse Mogol residirete, denn seine Kesideuz hiesze Agra. >iuchdem
der SeheerschUep mir nun diese Nachricht ertheilet, ging ioh auf der
Pilngst-Wiese immer fort nnd gedachte anter wegens an den kleinen
Jungen in den grflnen KKpgen, dass er aa sagte, ich hielte gftotslieh
darfQr, der kleine Blut-Sehelm, ob er gleich nicht viel reden kante,
moste mich dodi anch verstanden haben, und gewnst, wo der grosse
Mogol wohnete, weil er Agra noch nicht aussprechen kunte, sondern
nur a a lallte. Des Scheerschlips seine Nachricht trail" der Tebel hohl-
mer aucii auf ein Härten ein, denn sobald als die Ptinirst Wiese aua-
ging', kam ich an eine jß^rosse Kin<^-Mauer, hinter welchen ich wefif-
marcJnrete, und so bald diese zu Ende, kam ich an ein erschrücklich
gross Thorweg, vor welchem wohl Uber SKN). Trabanten mit blossen
Schwertern stunden, die hatten alle grilne Pumphosen nnd ein CoUet
mit Schweinebraten-Ermeln an. Da roch ich non gleich Lnnte, dasa
darinnen der grosse 31ogol residirm wttrde. Ich war her nnd fragte
die Trabanten, ob ihre Herrschaffit so Hause wäre, worauf die Kerl
alle zugleich Ja schrien, und was mein Verlangen wäre. Da erzehlete
ich den Trabanten nun gleich, wie dasz ich nemlich ein brav Kerl
wäre, der sicii was rechts in der Welt versucht hätte u. auch nocli
versuchen wolte, sie sollen mich doch bey dem grossen Mogol anmel-
den, der und der wftr ich, und ich wolte ihn auf ein paar Worte zu-
sprechen. Sapperm, wie lieffen hierauf flngs Ihrer swBlffe nach des
grossen Mogols Zimmer sa und meldeten mich bey ihn an. Sie kamen
aber bald wiedergelanffen, and sagten: Ich solte hinein spatsiren, es
würde Ihrer Herrschafft sehr angenehm seyn dasz einer aus frembden
Landen sie einiges Zuspruchs würdigte. Damit ging ich nun durch
die Wache durch. Ich war kaum 0. Schritte gegangen so schrie der
. grosse Moirol zu seinen <reniach oben heraus. Sie selten das Cxewehre
vor mir pracstntireu. Sapperment! als die Trabanten dieses höreten,
wie Sprüngen die Kerl ins Gewehre, und nahmen alle ilire Hüte unter
den Arm, und sahen mich mit höchster Yerwandemng an. Denn idi
kante nun recht artig dnroh die Wache durch jvosstren, dasz es der
Tebel hohlmer gross Aofsehens bey den grossen Mogol erweckte. Wie
ich nun an eine grosse Karmorsteineme Treppe kam, allwo ich hinauf
gehen moste, so kam mir der Tebel hohlmer der grosse Mogol wohl
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auf halbe Treppe henmter entgegea, empfing mieli, imd ftthrte aiiel
bey dem Arme yoUendfl binaof. Sapperment! was praetentin^ neh
da Tor ein sebOaer Saal, er flimmerte und flammerte der Tebel hoUner
von lanter Golde und Edelgosteinen. Auf denselben Saal hmi er
mich nun willkommen und freute sich nu'iner g:uten Gesundheit nn<l
sagte, dasz er in lanq-er Zeit nicht hätte das Glück gehabt, dasz ein
Teutßcher ihn zugesprocheu hätte, und fragte licrnafh nanh nioinem
Stande und Herkommens, wer ich wäre ^* Ich erzehlete ihn hierauf
nun sehr artig Ilugs meine (jeburt und die Begebenheit von der Kaue,
und wie dasz ich einer mit Ton den bravsten Kerlen der Welt w&re,
der 80 Tiel geteben und ausgestanden scbon bfttte. Sapperm. wie
borchte der grosse Hogol als er mich diese Dinge erzeblen bOrete. Er
fülirte micb nach solcher Erseblung gleich in ein Tortrefflieb an^
putztes Zimmer und sagte: dasz dasselbe zu meinen Diensten stttnde,
lind ich möchte so lange bej ihn bleiben als ich weite, es solte ihn o.
seiner Gemahlin sehr angenehm seyn. Er raffte auch gleich Pagm
und Laqvaim, die mich bedienen solten. Sapiiornient , wie di-^ K?rl
kamen, was macliteu sie vor niirrische licccrenzc vor mir. Ersilicli
bückten sie sich mit den Köpfte bis zur Erden vor mir, hernach
kehreten sie mir den Kücken zu und scharreten mit allen beyden
Beinen zugleich weit hinten aus. Der grosse Mugol befahl ihnen, sie
gölten mieh ja reeht bedienen, sonsten wo nur die geringste Klage
kommen würde solten sowohl Laqvaien als i^^en fn die Kllehe ge-
ftthret werden. Hierauf nahm er von mir Abschied and ging wieder
nach seinem Zimmer zu. Als Er nun weg war, Sapperment! wie W
dienten mieh dieBorsdie so brav, sie hi essen mich zwar nnr JsodMi;
allein was sie mir an den Augen absehen kanten, das thaten sie.
Wenn ich nur zu Zeiten einmahl au.«ispuckte, so liefFen sie der Tebel
liohlmer alle zugleich, dasz sie es austreten woltcn. denn wer es am
ersten austrat, was ich ausue.spuckt liuttc, so schüt/.te sichs derselbe
allemahl vor eine i^rosse Ehre. iJer ijrusse Mogol hatte mich kau«
eine halbe Stunde verlassen, so kam er mit seiner Gemahlin, out
seinen OavaiBirtai und Dornet in raein Zimmer wieder hinein getretei.
Da hiest mich nun seine Oemahlin, wie auch die CavaUiers nnd Damm
alle willkommen, und sahen mich mit grosser Verwunderung an. Ich
muste auf Bitten des grossen Mogols die Begebenheit Ton der Bstt^
noch einmahl erzeblen, denn seine Gemahlin woltc dieselbe Hi.storie
80 gerne hören. Ey Saiiperment! wie hat das ^len.sche drüber gelacht:
Die CavnUier.f und Dames aber sahen mich alle mit irrossfr ^'er^Min-
drung an. und .sagte immer eines hrinilich zu den andern: Ich mü>t^
wohl was rechts in 'J'eut^chland sevn? weil ich von .«solchen I)iiiL'''ii
erzehlen konnte? Nun war es gleich Zeit zur Abendmahlzeit, da«
der grosse Jklogol zur Talel blasen liesz. Ey Sapperment! was hüret^
man da Tor ein Geschmitteie und Oesehmattere von den Trompetai
nnd Heerpaueken. Es stunden 900. Trompeter und 90. HeeipandKr
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in seine Schlosz-Hoffe auf einen gfosseu breiten Steine, die inusten
mir zu Ehren sicli da büren lassen, die Kerl bliesen der Tebel hohlmer
unvei<*:Ieiclilich. W\p sio nun auüirrljlasen hatten , so muste ich die
grosse Moi,'uln do.v Hand nchnun, u. sie zur Tafel führen, es liesz
der Tobel hohlmer recht artiij. wie ich so neben ihr hcr<;in<^. Sobald
als wir nun in das Tafieltjemach kommen, so nöthi^arte niii h der grosse
Mogol, dasz ich mich setzen solte und die Oberstelle au der Tafel ein-
nehmen; Ich hfttte Boldhes auch ohne Bedencken gethan, wenn ich nicht
Lost gehabt mich neben seiner Gemahlin au setaen, denn es war so
ein wonderschOn Hensche. Also mnste sich erstlich der grosse Mogol
setaen, neben ihn setzte ich mich, und neben mir anr lincken Hand
satate sich nun seine Idebste, Ich sasz da recht artig mitten inne.
Uber Tische so wurde nun von allerband dhcuriret. Die grosse
Mogeln fragte mich: Ob denn auch in Teutschland ^'ut Rier gebrauet
würde, u. welch liier man denn vor das beste da hielte? Ich ant-
wortete ihr liierauf sehr artig wieder, wie dasz es nenilicli in Teutsch-
land überaus gut Bier gebrauet würde, und absonderlich an den Orte,
wo ich zu Hause wäre, da braueten die Leute Bier, welches sie nur
Xlebe-Bier nenneten, nnd zwar aas der Ursachen, weil es so Maltareich
wftre, dasz es einen gante zwischen die Finger klebete, und schmeckte
anefa wie lauter Zucker so sflsse, dasz, wer Ton demselben Biere nur
ein Nassel getmncken hfttte, denielbe hemachmahls flugs darnach pre-
digen könte. Sapperm, wie verwonderten sie sich alle, dasz es solch
gut Bier in Teutschl. gäbe, welches solche Krallt in sich hätte. Indem
wir nun so von diesen und jenen über der Taffel disairirten und ich
gleich in Willens hatte die tlistoiic von nieiiien Hla«e-Kohre zu er-
zehlen. so kam des grossen 3I(i^ols seine Leib-Sängerin in das Taffel-
Gemacii hinein gegangen, welche eine Indianische Leyer an der .Seite
hängen hatte. Sapperm, wie kunte das 3Ieu8che schöne singen und
mit der Leyer den Qeneral-Ba88 so kttnstlicb dansn spielen, dasz ich
der Tebel hohlmer die Zeit meines Lebens nichts schöners auf der
Welt geboret hatte. Kans ni<^t sagen, was das Mensche vor eine
sdilfne Stimme zu singen hatte. Sie kunte der Tebel hol mer bisz
in das neunzehende gestrichene C hinauff singen, und schlug ein trillo
ans der Qrinfe bisz in die Octave in ein^ Athen auf 200. Tncfe weg
und wurde ihr nicht einuiahl sauer. Sie sung vor der Taffel eine Arie
von den rothen Aufiren nnd den schwartzen Backen, dasz es der Tebel
hohlmer ülieraus artig zu hüren war. Nachdem nun die Abendmahlzeit
zu Ende war, muste ich wieder die irrosse Moijoln der Hand
nehmen und mit ihr nach meinem Zimmer zugehen, allwo sie, wie
auch der grosse Mogol, CavaUiers und Dames von mir Abschied nahmen
und eine gute Nacht wflndscheten, worauf ich mich sehr artig bedanokte
und sagte: Dasz sie alle mit einander fein wohl schlaffen sollten und
sich was, angenehmes trftumen lassen. Hiermit verliessen sie alle mit
einander meine Stube, und gingen auch, sich ins Bette zu legen. Da
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gie nun von mir weg waren kamen 4. Laqvaiea nnd 3. Page» in mein
Genuch hinein, die fira^n nun ob sich der Juncker wolte aneriehen
lassen? Wie ieh nim ihnen aar Antwort gab, dass ich fr^lich etwas
BchlAffrig wftre und nieht lange mehr offen bleiben wOrde. Sappexm.
wie waren die Kerl jLreschäfftiij:. der eine lieff und höhlte mir ein paar
gantz göldne PaiitoflVln, der andere eine schöne mit Gold gestirkte
Scblaflf-Haube, der dritt»» einen iinvenjleii lili^lien schönen Schlatt Pckz,
der vierte schnalte mir die Scliue auf. der lünitfo zoir mir die StnimiitTe
aus, der sechste brachte mir einen gantz giddeueu Nacht-Tojifl'. und
der «liebende machte mir die Schiafil^ammer auf. O SappermeutI wad
stund da vor ein schön Bette, in welches ich mich legen mustOf es
war der Tebel hohlmer aneh so propre, dass iohs nieht genug beschrei-
ben kan, o. schlieff Bichs auch so weich darinnen dass ich aach die
gantse Naeht nicht einmahl aufwachte. Einen artigen Tranm hatte
ich selbe Nacht. Denn mich trftomete, wie dasz ich nach den Abtritte
meines Bier-Weges gehen wolte, und kunte denselben nicht finden,
und fand ihn auch nicht, weil ich nun über der Tafel vorigen Abend
ein Biszgen starck getruncken und Schertz und Ernst beysammen war,
80 kam mirs in Traume nicht anders für, als wenn einer von Laqraien
ein grosz silbern Fasz getragen brächte, und sagte: Juncker hier iiaben
sie was. Damit so griff ich su und meinte der Tebel hohlmer nicht
anders das Fass wflrde mir ans der Noth heUFen, und halff mir anch
im Tranme aiu der Noth. Aber wie ich des Uoigens firOh anfwachte
ey Sapperment! was hatte ich in Tranm tot Hlndel genmcht, ich
schwamm der Tebel hohlmer bald in Bette, so jmbz war es uiter mir.
Doch wars endlich noch gnt, dasi ich nicht gar mit der gantzen
Schule im Traume gegangen war. sonst würde ich nicht gewust haben,
auf was für Art solcher Fehler im Traume hätte können bemäntelt
werden, so aber blieb ich in Jiette brav lantje liei^en und trocknete es
so artig unter mir wieder, dasz es auch niemand gewahr wurde, was
ich gemacht hatte. Hierauf stund ich auf und liesz mich wieder an-
kleiden, wie ich nnn fertig war, schickte der grosse Mogoi sn mir,
liesB nur einen guten Morgen Termelden, nnd wenn mir was angeneh-
mes getriomet hfttto solte es ihn lieb an hören seyn, auch dabey sagen:
Ob ich mich nicht ein wenig in sein geheime Cabinet bemühen wulte.
Er wolte mich um etwas ro?pvfJfreu'? Ich war hierauf geschwinde mit
einer Antwort wieder lertit^ und liesz ihn sehr artig wieder sagen:
Wie dasz ich ich nenilicii sehr wohl gesch luden, aber was das träumeu
anbelangete, so hätte ich keinen guten Traum gehabt, denn der Angst-
fcichweisz wäre nur im Traume so ausgetähreu, und dasz ich solt« zu
ihn kommen in sein Cabinet, dasselbe solte gleich geschehen. Solches
Hess ich ihn durch seinen Oammer-JF^ffe» nnn wieder sagen nnd ging
hernach gleich an ihn und hörete was sein Anbringen war. Da ich
nun SU ihn hinkam und meine Can^iimente sehr artig bey ihn abge-
leget, so schloss er einen grossen Bflcher^Schrank auf und langete ein
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«
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gross Bnoh heraus, welehes in Schweins-Leder eingebunden war, das-
selbe seigte er mir und sagte: Dass er in dasselbe tftglieh sein Ein-
kommens schriebe, und %enn das Jahr um wftre nnd er die 8mma sn-
samnien rochnote, wolte es keinmahl eintreffen, nnd fehlte allemahl der
dritte Theil seiner Einkttnffte, und fragt« hierauf ob ich rechnen könte?
worauf ich ihn denn wieder zur Antwort i^ixh. wie dasz ioli ein hrav
Kerl wäre und Adam Riesen sein Rechen-Buch sehr wohl kante, Er
Bolte mir das j^rns.se Buch geben, ich wolte schon sehen, wie die
Siiviwa herausziibrine:en wäre. Hieraut so f^ah er mir das Buch
woriiineu seine Einkünffte stunden nml lirsz mich allein. Wie ich nun
das Buch so dorchblätterte ey Sappermenuent! was stunde da vor
Lehnen nnd Zmsen. Ich war her setzte mich hin nahm Feder nnd
Dinte nnd fing an Eins sehne hundert tausend su sohlen, und wie ich
nun sähe, dass der grosse tfogol in den Einmahl eins gefehlet hatte
nnd solches nicht richtig im Eopffe gehabt, so hatte es freylich nicht
anders seyn kttnnen, dass die Summa von den 3ten Theil weniger bey
ihm heraus gekommen war, als er täglich aufgeschrieben. Denn an
statt, da er hätte zehlen sollen: Zehen mahl hundert ist tausend, so
hatte er gezehlet zehn mahl tausend ist hundert, und wo er hätte suh-
fraliircn sollen, als zum Exempel Eins von hundert bleibet DD. ho hatte
er aber imbfrnJiireA: Eins von hunderten kan ich nicht eins von zehen
bleibt neune, und 9. von 9 geht auf. Das geht ja der Tobel hohlmer
unmöglich an, dass es eintreffen kan. Als ich nun solche Fehler sähe,
merckte ich nun gleich wo der Hund begraben lag. Ich war her und
satste mich drOber, und rechnete kaum 2. Stunden, so hatte ich alles
mit einander In die richtige Summa gebracht nnd behielt noch halb so
▼iel ttbrig über die gantjse Masse als er einzunehmen und Ton Tage
KU Taire aufijesclirieben hatte. Als ich nun den Cnhulum von Adam
Riesens Reelien-Bnehe sehr artiy: und riehtii^ gezogen, ruft'te ich ihn
wieder zu mir und wiesz ihn nun wie und wo er in den Einmal eins
geteblet hätte, nnd wie ich alles so artig und richtig iieraus gebracht
hätte, und noch halb so viel Uber-'^chusz behalten. Ey. iSapperm. als
ich ihn von den Uberschusse schwatzte spruug er vor Freuden hoch in
die Hohe, klopflte mich auf meine Achseln nnd sagte, wenn ich ge-
sonnen wttre bey ihn zu bleiben, er wolte mich su seinen geheimbden
Beicbs-Cantslar machen* Ich antwortete ihn hierauf wieder und sagte,
wie dass freylich was rechts hinter mir steckte und dasz ich der
bravste Kerl mit von der Welt wäre, und weil ich mein Hertze nur
daran gehängt hätte fremde Länder und Städte zu besehen, als wolte
ich mich vor das gute Anerbiethen hiermit bedanekt haben. Weil er
nun sähe, dasz ich zn solcher (Imrtjc keine I^ust hatte, so erwjesz er
mir die 14. Tage über ich als bt v iim war, auch solche Ehre, dasz ichs
der Tebel hohlmer mein i.,ebetage nicht vergessen werde. Denn es
ist ein ersch rück lieber reicher Herr der grosse Mogol, er wird als
Eeyser nur dort üM^ntt^ und hat so viel Schfttse als Tage im Jahre
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seyn, die habe ich auch alle mit einander gesehen. Denn er zeigte
mir alle Taije einen. Vortrefl'liche .«chitne Bücher liat er auch, und ist
ein sonderlicher IJehhaber von denselbeu, ieli »iu->te ihn auch mit Hand
u. Munde znsa)^en, dasz ich ihn eins ans TeutschlHud in seinen Kucher-
schrauk schicken wolle vor Geld und gute Wort. Als er nun sähe,
dass ich mich wieder reisefertig machte so verehrete er mir sein Bild-
niu mit der Kette, und seine Gemahlin sehenckte mir 1000. apeeie»
I>ncaten eines Schlags, woranf des grossen Mogols Bildnisz gepriget
war. Damit hang ich die Kette mit des grossen Mogols BUdniai an
mich, welches von den schönsten Indianischen Golde war, und nahm
von ihn sehr arti?. wie auch von seiner Gemahlin, Carnllierri und
DamM wieder Absdiied, nnd ging von dar an Schiffe nach Engelland so.
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Register
Die Zahl II. mit beigesetztem kleinen a bedeutet die zweite Hälfte
des zweiten Bandes.
Ahaxar II, Uil ff.
Abdimns I, lHf>.
Abies L •:iÜt) ff.
Abila IIa, HL
Abindairaez L
Abisajf von Sunem IIa, i9»
Abiseos I, ÜIL
Abraham a St. Clara IIa, IfiÖ.
Aceceffi^bhiillmmnnoorrssstiiu IIa,
AH.
Acerra exoticorura IIa, 115.
Acerra philologica IIa, LLL ff, 11»-
AchilleH, der wüttende II, 99.
Arhilles Tatius L L Ü ML
Acta eruditorum L 2^ II, '2:^5.
Ada II, IM.
Adalie L \^ Ha, \QL
Adam und Eva H. m
Adeli,Minde II. lüLL
Adelheid L ^ '-i^
Adelmnnd II, ßl ff., LH ff., M ff •
Adelphische Provinzen XI, 107.
Adelpbiis L llüL
Adelreich IIa. iQ ff
Adj^andester II, Ihl ff.
Prinz Adimantus IIa, IDIL
Adiinantus und Ormizella II, 248:
IIa, m, LiSu
Adriaiiscbe Kosemund II, 51^ 53,
Ae^idiii.s Albertinus II, Ifi ff., 21
ff.; IIa, aO, 6i 65, ZiL
Aembrich II, IM
Aeujuliis Hättgern IIa, 145.
Aeneas II, UL
Acneas Sylvins I, II. 22.
Afe.schacius Major II. 15.
Aesop I, 118, 125, 178, lltL
Aevquan oder der grosze ]&Iognl
II, 48, Ltti.
Agathe IIa, Gl ff.
Aglatidaa Ij 448,
Agraies L aü8 ff., 302 ff., 4ÖZ ff.
(traf von Atrranjont I^ 319.
Agrippina II, Ü9, 130, Iiis.
Frau Aia L ö4.
Akademischer Roman IIa, 115 f.
Alamode Kehrausz IIa, 125, L2iL
Alanio L 425, 451 ff.
Herzog Alba IIa, Ö,
Albadan L aOL
Albadanor L 114.
Albrecht L II, lüL
Albrecht II. II, 184.
Albrecht von Imola L 92, m
Albrecht III. v. Bayem"X üQ.
Albrecht von Halberstadt L 'ML
Albrecht, Pfalzgraf bey Rhein, I^
Albrecht, Soi)hia II, I2Ö.
Alcestis IIa, lliL
Alcidiane, le jeune Ij 442.
Alcofribas L 278.
Aldena L 3Ü2 ff.
Aleman II, II ff., 28^ 18L IMi
IIa, 2L fi4 ff.,
M. Aleph Beth (4imel la, UliL
Alexander (d. (L) L U ÜIL
11, 13(5^ V. J Hartlieb 1^ 38^
V. Lamprecht L
Alexander (griech. Kaiser) L ßü.
Alexander (in d. L W. 31.) L ^
Alexandrien Ij HiL
Allarache, (iusman v. vgl. Aleman.
Alfeo L ^
Alfons von Arragon L 128 f.
Alirarbien, Artus v. L iüL
Alidan IIa, ÖÖ.
Almahide II, 141. 142, 258.
— 194 —
Blumenfelder II, ÖL
Boccaccio I. 8H, 47. 61. 88 ff.,
IIW, LL5. lai f., 366, 3G9, 4l]3.
424; II, Vh IIa, TL
Bodmer L ML H. 48, 251L254flf.
Bohse, A. Talander.
Boiardo L 5-
Büileau I. 432. 441. 446 ff.; IL 61.
206, 250.
Bojocal II, 200, 264 ff.
Bonamicus IIa, 3, 5ii.
Boris II, im.
Bouquoi IIa,
Bragur I, li
Braina TT, 162
Bramandil L 41 1.
Braut, Seb. L 2ZÖ.
Brandau, St. L ^ 224.
Branfil L
Brantiime L 342
Brauufels, L. L 3Ü ff., 338, 340.
Bravor L 330, 33Ö
Breit ingerlT748j 256.
Brentano L 251 264.
Bretoni»ch-nordfranz. Sagenkreis I,
330.
Brian L 324 ff.
Briolania I, 3ÜQ ff., 370, 352 ff.
Brinaide IIa, 16ä.
Briseua I, 30.5.
Brilon If, UhL
Brocadan 1, 317.
Brun L 332.
Bruueo vom guten Meer I, 411.
Brutus L itü.
Buch der BeispieleL 118.125. 11,49.
Buch der Liebe L ilO, «L Ö4j
m 240, 300, 3QL
BuchhoU L II, 4, 52. 91, 110
ff., 128, 160, 182, 216, 210 f.,
229. 25Ü
Buguot II. 43.
Büheler, der L 1^
Btilow, Novellenbuch I, 94.
Burgsdorff, Curt v. II, ÜL
Büschiug I, 5L
Büttner, Wolfg. L 193.
Caesarius v. Heisterbach Ij 118;
IIa, m
Caesius II, 52.
Calderon II. IL
Callinich V, ^
Calpreuede L 433 ff., 442, 449^ II,
14D ff, 21M.
De calumnia novercali 1, 119.
Camilla II. IQL
Camillus u. Emilie L ^ 3QL
Cauard IIa, 77, m
Capeila II, 24L
Caraui, Lelio I, 2Z4.
Carceli de amor II, 29.
Carit6e L
Carl Gustav v. Schweden II, 1S2.
Card, d. deutsche IIa, IM.
Caron, L. IIa, 116.
Carsante I, ÜÜL
Cartadac der liie.'^e vom verbotte-
nen Berg L 315 (f., 413.
Cassaudra L If^ 43ti, 443: II, 14£L
Casanbona IIa, 15L
Catalogus Catalogorum perpetao
durabilis 1, 22a.
Catharinus Civilis IIa, 125. 130.
ML
Catherine IIa, 6L
Cato JL 120, 122.
Catta II. 2Ö1 ff.
Cammer II, LÜH-
Caviua IIa, 146 ff.
Celadon I, 431.
Celia L ^ ff'.
Celim IIa. LIQ.
Celinda IIa, UD.
Cent noQvelles nouvelles I, 343.
Cercovita 175.
Cereba<-hius IIa, 146 ff.
Cervantes 1, 17, 4ü. 5Ü. 52, 2Ül ff..
22ü ff., 35Ü ff.. 350 ff., 42iL II,
2L 5L 226i IIa, 64.
Charide I, ö.
ChariUs L 248.
Chasse-Ennuy IIa, 116.
Chann)igrenj iL liU ff., 178, 233.
Chlodwig IIa, 4L
Chlotar IIa, 4L
Cholevius II, ÜQ, 65, 28 ff., 113,
120, 122, 13Ü ff., llfi. IHQ, 191,
204. 211, 211L ^ 2J^, 233.
Chriemhild Ha, 76,
Christine v. Schweden II, 64, 194i
25>L
Christlich Meynende, der L ^LL
Christopherus Armenius L S!2.
Chronica Bohemiae L 80.
Chrvsostomus Dudulaeus Westpha-
fns L 22L
Cichorius IL 23iL
Cicero, der wehmüthige II, 99.
Cildadan v. Irland L ^ ff m 44i5 ff.
Cimbria litteratA II, 84i IIa, 18Q^
Cinthia I, 426 ff.
Google
— 105 —
Cinthio U, Ifi,
('laradis 1^ 05-
Claudia II, m
Claudius L Z«i H, 13Ö f.
Claus Narr ITll?. 135. 191. 193,
225 ff.
Ciawert, Hans lÜL
— Peter L '9'-
Cleander II. 5fL
Clelia 1, 15, 18, 446^ II, m 258.
Clemeuciu I,
Clemens 1^ 7(L
C16ment L 342, 34i.
Cleohulos II, d2 ff.
Cleopatra I. 18; II, 102. 193.
Cleophas I. 120. 123.
Clerante IIa, HL
('lodomirus IIa, 141.
Clorinde II. 49, 14L
Clytie de la cour II, Ö2.
Coeliude u. Corimbo II, lÖß f.
Collinrt IIa, IQ.
Colonna, Guido von L 8L
Commindorix II, 3£i ff.
Concordia L ^ Ü4iL
l)e tide concubinarum cit, 13L
Conrad lüthel v. Tübingen 1,
Conrad v. Wiirzburg L 09. itL
Conradus Agyrtas v. Bellemont 1^
Cunstantine IIa, 164.
Contes 1^ 3ixL
Continuationcu des Simplicisaimns
Ua. 24, 26j 60, 61, 22.
Coquetteu, Leben u. Tbaten der
engl. IIa, 1G<>.
Corilander II, iOL IIa, m
Corisnnda L 314 ff.
Cormantin IIa, 161.
Corneli8sen,Jeau v.Harlem IIa, 31.
Comt^lius Atfrippa 1, 21h.
Corylo IIa, 134,
Courage L 3Ü2. 367^ II. 28^ Ha,
13j 32 ff.. 49, 62, 65, 74, 77,
liÖ ff., mi ffT
Cours de l'Europe, les l, 15.
Courtilz, (ratieu de IIa, 164.
Crassus II, is.'S.
Crescentio IIa, 13L 115 ff.
Critische Abhandlung (üb. die Nat.
der Gleicbnisse) 11, 25Ü.
Critische Betrachtungen über die
poet. (.Teinählde der Dichter II,
25Ö.
Critische Dichtkunst II, 254.
Cromwell U, 192^ Ua, L
Cymon aus Cyperu L ÖL
Cyntliie (verführte Schäferin) II,
ma.
Cynthio I, 115.
Cypeni 1^ 85, 108.
Cyprian US- Legende I, 21L
Cyrus I, 18, 442 ff.; II, OL
Cyth6r6e 17442.
Dach, Simon IIa, llfl-
Dacia. Königin von 1, 329.
Dacosem II, IM ff.
Dafnis II, 14L
Daganil L 302 ff.
Dagobert L 2lL
Daraancenus, Johannes I, L
Daniascius 1, L
Damaspia II, 1 13.
Dämon und Lisille II, 108 f.
Daniello Amaido I, 356.
Dante L 35>L
Dardan L ^ ff-
Dardanus von Bulgarien IIa, 140.
Darinel L 351 ff.. 359; II, 4iL
Dario leta L 30^ ff., 33L
Darius 1, 44.>.
Decaraeron vgl. Boccaccio.
Decker, Thomas I, 04.
Deilerdinif, G. L 2iiL
De Fue II, ü; IIa, 103.
Delbois II, 12Ö.
Delio I^ 425.
Demetrius, der König II, IQ3 f.
Dt inokritus, lustiger IIa, llfi.
Demuht II, QiL
Deschamps IIa, likL
Desmarets II, 100.
Dialogus von der Trunkenheit I,
23lif.
Diana L 423 ff., 430 ff., 450; II,
Ifi. 48 f., 72j 93 ff., 258, IIa, 20.
Dianea II, 48, 03 ff., 100. 102.
Diarium biograph. II, 103.
Didacns II, 15.
Dido II, im ff.
Diemeringen, O. V. L 8L
Diephold II, löL
Diterich. Herzog L üfi.
Dietrich v. Bern I, 169, 362; IIa,
4ü ff , 20.
Dietwald u. Amelinde II, 139; IIa,
16, 30 ff.. 6L 19.
Dinarda L 32(L
Diocietianus L LiU.
Diogenes 1, 412 ff.; II, 250.
13*
— 196 —
Dionisius L 9L
Diony.siades L ^
Directoriuni huiuanae vitae Ij 12ü»
Disciplina clericalis Ij 125»
Discorsi del poeraa eroico I. 355.
Discourse der Mahlern llj L>r>().
Disou V. Seir II, \M.
Divitiacus II, hi2.
Docen L öL
Dominico Gonsalea IIa, Ö ff.
Don Quijote I, ^ ff., 203, 212 f.,
3m ff., 358^ II, 2ö ff:
Doria II,
Dorida I, 42ß ff.
Doris L 15^ IIa, IM,
Draclienstein Ij l(i7.
Drachsdorf, Fr. v. II, IQÖ-
Draifonis L 323^ 411-
Druiden II, m
Drummer v. Pabenberg IIa, 139.
Du Buisson IIa, 22.
Ducento novella 1, 89. II. 28,
Dürer IIa, 145.
Duicimunda II, KML
Dunalbius II, 32 ff.
Dunkelhtibsch L Ü13 ff., ff.
Dunlop (- Liebrecht) 1^ 19i 31,
58, 92. .3aö f., 346, 430, 44ii
Durin L 312 ff., 31U ff.
Eberhard von Lilien 1^ 243.
Eberhard V. Würtemberg L 125, IM.
Ebert II, 2iL
Echtermeyer IIa, 63*
E( kart, der treue L 2^
Eckstein I, 214»
Edelmann, der IIa, 144.
Eduard III. II, 15
Eduard, der Engelländische IIa,
IHL
Egen berger. C. v. Wertheim L bO.
Eginhard, Köu. v. Böhmen 1^ hÖt
Egwablus L IfiL
Ehreiibert I Ifia.
Elireiifried II, 11]9
Eiterich II, fiä ff.
Eifersucht der Verliebten IIa, lüL
Eitersucht, die erzwungene lla,lüb.
Eilhai t V. Oberge I, 39, ÜQ,
Ennone, di- eifersichtige II. 8Ö.
Elbianischer Schwanenorden 11,239.
Elbipolis IIa. 15L
Elbische Heldenbriefe II, 15iL
Elenchus IIa. M.
Eleonore von Oesterreich I, iL
Eleonore, Kai.«?erin II, 258»
Elias IIa, lü.
Elisa L Ulli
Elisabeth v. England L ^32.
Elisabeth v. Nassau I, 41. S2.
Elisabet, Meister L 'd2L
Elisena L 3Üa ff.
Elmen-Nymffen II. 1119»
Elsisien II, 1Ü4
Emilia L 9L 301^ II, lÜL
Eramich, Xatth. I, 12.
Eiidriague L 322,
Engelliard und Engeltrud L
Englische Studien II, 2iiü»
Enil L 323. 408 ff.
Euna II. 35.
Epeircte II, 32 ff.
Epicharis II. lÖL
Epictet IIa. IM»
Erado II, lÜL
Erato II, 182 ff.
Eremit, der verliebte IIa, 165.
Ergaste IIa, 13.
Erich 1, 254.
Eiistenes II, 33 ff.
Herzog Ernst I, 222 f.
Emst, M. .1. D. IIa, IHL
Eromena II. 48, 103.
Erquickstunden II, Öl.
Ertznarreu, die drei IIa, 123, 125.
Escla L i5Q»
Esel, der goldene I, 94»
Eslava, Antonio de IIa, 132.
Esplandian L 320 ff.; II. LIL
Espiegle u. Espieglerie 1^ 18.3.
des Essarts, >ficoTa8 Herberay I,
34ü ff., 364, 370, 312. 435.
Essay on criticisin II, 255 f.
Esther IIa,
Estrauas. Angriota von 1^ 404 ff.
Etzel L 2D5»
Eubagen II, 122.
Eugenia IIa, 1-18.
Euleuspiegel L HL UO, 112 ff.,
213, 270, 212 f.; II, 1^ 218;
IIa, 76, 112»
Eumathius 1, 214.
Euriolns u. Lucretia L 41: II, 74.
Europäische Hof-, Liebes- und
Heldengesch. IIa, I<>4.
Enryniedes II. 38.
Eurvlas IIa. 12Ö.
Eusebia II, 4L IDQ.
Etistathius L \h i-^"4.
Eutrapeliae hist.-phil. IIa, 115.
Ewiger Jude IIa, Zfi
Google
— 197 -
Ewicfwehrender Kalender IIa, 5,
22, 39^ 60, 62j 65j IL
Exiliuin Melanchofiäe Tia, 110.
Expertus Rupertus IIa, 12, IßL
Eyb, A. V. L 90, m
Eyrinfir, Euchar. I, IM.
Ezla L ^ ff-
Faber Cantharopolitanus 129, lfi2»
Fabius II, ILL
Fabliaux L 8a7.
Fabiilae Milesiae L 32.
Faceiien I. 1>2, IM ff., 126. 128,
im Iii, löL ^ Har 113.
Falangros L Üüü ff.
Fali.senns IIa, 141.
Fainaernsta 1, Üo.
Familienroman (der engl.) II, 12.
Famougomad L 315 if., lüG ff.
Fasznachtspiele I, 177.
Faust L ÜL ÜQi 201: ff., 265, 270;
IIa, 76, 112.
FaveursTIes f. et les disgraces etc.)
IIa, 11 f.
Felicia L ^ ff-
Felicitas L 248, 254.
Don Felis L ^
Felismena L ^ flf.
Felix L 2i5.
Gr. Felsenstein II, m
Felszecker IIa, 24^ ÜQ.
Femme, l'honnete IIa, 152.
Fenelüu II, 43i Ha, lüL
F6raulaa L
Ferdinand II. u. III, II, 184^ —
F. III. II, Iil2.
Ferdinandus L 253.
Ferrarius IIa, LkJ f.
Feverabend, Siec:mnnd T, 300j 3ilL
Fianunetta I, 424 ; IIa. L12.
Fiction 'History of) L 1^
Fielding L iL H. 22<L
Fierrabras I, 6t, 75, U5 ft'.
Filamon II, 108, 250.
Filemon I, 42s.
Filhart (v. Obret) I, ÖQ.
Filicopo I, !^ ÜL
Finkenritter 1^ 12iL
Fischart L 94, 126, 13Ü f., IM f.,
191. 2ÖI ff., 213 ff., 'ML
Fischmentzweiler, Artwisus v. 1^
27s.
Flavins II, li<8 ff
Fleck, Conrad L OL
Fleckenstein IIa, Sil
Fleming II, 4L
Fleurence IIa, Z£L
Flöhhatz L 212 f
Florens I, 76, HL
Florent et Lyon L 25.
Flores, Juan de II, 21L
Florestan I, 311 ff., 402 ff.
Florignnde L üiL
Florilegium politicuin auctum IIa,
116.
Floriman II, 132.
Floriua L 25H.
Florio u. Bianceffora I, 6L 241, 3QL
Florindo Ha, Liü ff.
Floripes 1,
Florisando L 310.
Florisel L 332.
Foillet II, 15.
Folz, Hans L löL
Fortignerra L :^57.
Fortunatus L 39^ i3j 81, 83 ff.;
II, 136; Ha. 26.
Francesco II, im ff.
Franciou IIa, ö5 ff., 90, 24.
Francisci, Erasmus II, 122 ff., 2öl;
IIa, im
Franciscus I, 253.
Franck II, m
Frau, die gute L 24.
Frauen-Reden II. 99.
Frauenzimmer - Belustigungen II,
103.
Frauenzimmer-Gesprächspiele IIa,
120.
Fremonde IIa. 6g,
Frene, Marquise v. IIa, 164.
Freudenhold II. IL 22, 2<L Ha. Ö5.
Frey, Jacob L 137, l:i8, 14L
Freymttthige Gedanken II, 239.
Freywillige Gemüths-Schertze H,
Fridanc L 186.
Fridbert L 245 ff., 203.
Friedberthar IIa, 40.
Friederfreute Teutonie II, 49, 105^
26L
Friederich L 100 ff.
Friedrich III. v. Brandenburg II,
238, 258.
Frischlin, Nicod. L 120.
Fronimftnn,dtsche.MunilartenT.125.
Fromschmidt v. Hugenlelsz, Israel
Ha, 4Ö.
Fruchtbriunende Gesellschaft II,
95. m
Frygier Aeneas II, 9L ilfi.
— 198 —
Fndasa L 1^
Fürsten, die tentschen cit. II, HL
Fürstenau II, 52
der Fütternde IIa, IßiL
Fylane U, 113.
Gabler, U,
Gabriotto und Reinbard I, 44, 2iQ
ff., 3QL
Galanteries diverse» IIa, 168.
Galaor L 3Ö5 ff , 43L
(ialbin, 1, IL
GaIenu8"L 1^
Galeote I^aaL
Galtrenmännlein IIa, 49^ 58.
Gallitia IIa, HL
Galmy L ^ IL löü ff-
Galpan L 306.
Galuanes L 32Q ff., Hfi.
(ialyen restorö 1^ ID.
Ganasch II, IM.
Gandacuriel L '^Iß-
Gandadel L lilL
Gandalac L ;10L 4U ff.
Gandales L ff . iö4 ff.
Gandalin I, \m ff-, 379, 302.
Garadan L 32L
Garj^antua L ff.
Garinter L 303 ff.
Gartengesellschaft L 13ß ff-, IMj
Gasqniilen L
Gaukeltaäcbe IIa, 39.
Gawein ü£L
Gayanpos I, 334, 33fi. ML 3M.
Gaza. Theodor II, 235
Gebauer U, 180, 212. 235. 239,
243. 250, 25L
Geiler v. Kaisersberfl: I, 133.
Lied vom Geiziitjen IIa, üQ»
Gelanor L 31 ff.; IIa, L>Ü f.
Gelasius, Papst L IM.
Geneviöve de Brabant I, 19.
Genffenbach, Pamphilus 1. 239. 223.
Genofeva L liL
Genserich L 274.
Gerhard, Paul IIa, 8L
Gerlach, Sam. IIa, 115.
Germania L 1-^L LIiL
Germanicus II, m 19fi ff.
Gemier vom Hag L 2^
Gersan II, ÜO.
Gervinns L 65. 74. IL 81, 119,
187. 203. 240. 265, 2üini,TL
72^ 97j 105. 132, 133. 262.
GeachichtjEredichte und Gedicht-
jjeschiohte L 22.
Geschichtklitterung L 19lj '«23 ff-t
280, 2iil ff.
Geschicht-Reden II. 98.
Ge.schichtxchrift L 215: II, 99.
Geschwenck IL Bebeiii [, 1:^6.
Gesellschatt, Lustii^e IIa, 1 IH.
Gesichte Philanders IIa. 74.
125.
Gespräche, freymüthig-e IIa, lfi2.
Gesprechspiele II. 9L 92.
Gesta Romanorum L 82, 84^ 118j
uu. m
Geübte, der IIa, 14.'>.
Giaffer L 92.
Gibald t IfiÜ.
Gibig IIa, 4Ö ff., Iß.
Giletta L ÖL
Gillan L 3iL iQ4.
Ginevra L
Giontes L 326, iOß ff.
Giraldi L 5, 30.
Giro, Gironr» L m 358, 3ß&
Giuseppe II. ÖL
Gläser, Enoch II, 1D9.
Glücks- und Liebeskampf II, 15.
Glücksverwaudlung der Verliebten
IIa, im
Gobrias II, 3S ff.
Godwin, Fr. IIa, 8»
Goedeke I, 28, 64. 74, 77. 92. 116.
IIÜ f., 113. IIa. IM, 192, ISö.
196, 221, 225. 238 ff., m 2ßÖ.
273. 424; II, 15, 17, 4K 58.
103 ff., 126, lölli IIa, m I14ff.,
130 ff.
Goethe L 215^ 3I0i U, 6, 226.
Goldfaden, der L 210, 254 ff.
Gomberville L 433 ff.; II, I41i
20Ü.
Gonella L IML
Goniscsa L 323.
Gonsales IIa, &
Görres L ^ 65, 13 ff., 79i 80, 84,
8L 119ff
Gothart II, 192.
Gottfried L 82.
Gottlieb L 241 ff.
Goitraeyer IIa. ML
Gottsched II, 12, 251 ff.
Gottwald II, 199 ff.
Graal L 38. ^ 33Ö.
Grasandor L 326 ff.
Grasiuda L 3?^
j Google
— 199 —
Gräsze I, 7^ 77, 82, Bi, 89. 124,
2^ m ^ ;Ji(J, 36üi II, 15,
17, 2Ö. 9L IWL 102. 107; Ha,
8, m
Grauen Mappe, Verfasser der 11,43.
Grenailles II, löL
G reu sing L 2LL
Grinianesa L 28;i ff.
Griinhild IIa, lü.
Grillenvertreiber L 191^ IM ff.
Grimm, Fr. W. iH 23a.
Grimm, Jac. I, 71, IIQ f., 186.
223, 225.
Grimmelshausen L 143, 199, 283,
m ML 419: irrÜ läf., 16,
2(L 2Ü 5a ^ 75, 83, 139.^
249; IIa, iC 122ff., IMff^
Griseidis L iL 79, 91, 92.
Gröber L ^
GrossetCHt, Kob. II, 80.
Grotius, Hugo L 24.
Grumedan L 322 ff., 4ÖÖ ff.
Grüuiuger OL. IQ.
Gryphius, Andr. II, 47, 48, 100,
206; Chr. II, 230.
Guelfis II. 4iL
Guevara, Ant. II, lö; IIa, 5, 30,
ÖL
Gui V. Burgund I, 63.
Guillau L 4J_L
Guiscard u. Sigismunda I, 9Q ff.
Gulistau II, 42.
Gundling II, 243, 251, 255.
Gundwald IIa, 4ü JT^
Gu.sman v. Alfaracbe, vgL.AIeman.
Gustav Adolf II, m
Habichthorst, Andr. Dan. II, öfi.
Hagdorn, Ch. W. II, 4s, 140.
Hageciu.«:, Wenceslaus L iJÜ.
V. d. Hagen L 72, 74i ITOi iöL
199, 201. 2ÄL
Hagenwald I, m
Haimonskinder L ÖL 64, 339.
Hamann II, 231L
Hannos Seereise L
Happel L 26i II, 259l Ha, 77^ 109,
145 ff.. 160, ML
Hapsa Ha, 51 f.
Härder, Michel L 43.
Harlequins Hochzeit IIa, 152.
Harpalice 11. 195.
Harsdörffer L 424, 429, 450i II,
ÜLL 22 ff., IIL 2()ii Ha, 112 f.
Hartlieb, Johann I, äQ.
Härz-wäbrt II, 60.
Hassana II, 1Ü3 ff.
Haupt L 222.
Hauptpillen IIa, 116.
Die drei Hauptverderber L Deutachl.
Ha, 124.
Haupt s Zeitschrift L HO, 122.
Hebräerinnen II, 12^»
Hedewig II, Ul.
Heidegger, Gotthart II, 233, ^
24ü ff.
Heidelberger JahrbUdier L 223.
Heiligenlegenden I, 6.
Heindörffer, Konrad I, Zö.
Heinrich IIa, IML
Heinrich von Braunschweig L 81.
Herzog Heinrich Julius 1, 122.
Pfalzgraf Heinrich 1, 222.
Heinrichmann I, 129, 1.3({.
Heinrich IV. von Frankreich 1,430.
Heinz Ontrost 1, 248.
Helaine, Le roman de la belle de
Conj«tantinople 1, IM.
Helden- u. Liebes-Geseh. IIa, 165.
Heldenbuch 1, 170^ IIa, lü.
Heldenliebe der Schrift II, 159.
Heldenschatz IIa, Zü.
Helena L 21Ü.
Helena, die Türkische IIa, 165.
Gesch. V. d. geduld. Helena I, 18.
Heliene sans per 1, 338.
Heliodor L L 9. 33, 94^ II, 24L
Helmovil 11, im
J. Helwig Ii, ILI2.
Hemor von Canaan II, 122.
Henriette v. Bourbon H, 43.
Heptameron Ha, 78.
Heracleon II, 32.
HeracliuH Ha, 51 ff., HL
Heraclius, Der tapfere II. 176.
Hercinie II, 48, 49, 104, 105^ IIa,L
Hercules vom Gestirn 1, 33*.
Herdegeii 11, 23 ff.
Herkuladisla II, 110, HÜ.
Herkules, Herkuliskus I^ 15, 25,
368; II, m ff., 120, 122, 235,
250.
Hermanfried IIa, 4L
Hermann II, Ül2ff.
Landgraf Hermann von Hessen IIa,
132.
Hermannus I, 254. 258.
Hermengard IL 201.
Hermion II, 1h4.
Hermiontes (Hemiintes) Ha,
Heroine musqnetaire IIa, lÜQ.
- 200 —
Heroisch-i^alauter Roman L 421 ff,,
laä flf.; II, 2 ff., 2«: IIa, h 2^
UX).
H^ros de Roman L ML U, 206,
Heizüi; Herpiu od. d. weisze Ritter
Hertzbruder IIa, 2H, ff., 96, ÖL
Hexameron IIa, 1;^}).
V. d. Heyde, Frantz .lansz. II, 177.
Heyn, liabriel I^ lÜL
Hieiiipsal II. M ff.
Hi^vauama II, llü ff.
Hildebrand 1, IM»
Hiluchi IIa, UL
Hilario IIa. Iü2.
Hiob 11, iSÜ
Hippon II, m
Hiilanda 1, liL
Hirs' hberg, Valent. Theocritus von
L 4Ü1
Hirschfeld, Samuel Greiffnson von
IIa. 13, i<2j 23, öa
Histoire g6n6rale des larrons IIa,
Histnires tra^iques de notre temps
IIa, ilL
Histoires tragiques extraites des
Oeuvres Italieunes du Bändel
IIa, liL
Historia de exordio capellae
Frawenkirchen 1^ JjL
Historische Nachricht II. 93, Ö5.
Hij<torische Schaubühne IIa, LLfl.
Historischer Blumeni:artenlla,lßü.
Histonscher Kern IIa, lß2.
Historischer Rosent?^arten IIa, 118.
Historisches Bilderhaus IIa. Iii).
Hisrnrisches Labvriuth der Zeit II,
Historisches Rosengebüsch IIa,
LliL
— Spatzier- und Conversation-
Büchlein IIa. IliL
Hochdeutscher Helikon II. 55^
Höre V. Wätterst<»rf IIa, Llü*
Hoffmann L •^4").
Hoffmatinswaldau II, 159, 25,5.
Hoffmeister, der getreue IIa, IfiL
Matthäus Hoffstetter II, 211
Hofiiiann L 5iL
Markgraf Rudolf v. Hohenburg L
LL I
Hüht-r Trauersaal od. Steigen und
Fullen y:roszer Herren IIa, IIH. ;
Holland, L. 1, 125^ IIa, 2a.
Holländerin, die schöne IIa, '
Honoria IIa, 51 ff.
Hopfensack. Ritter IIa, ÜL
Höpfner,Ref<)rmbestrebungenII,15.
Uoratius Codes i, üiL
Horn u. Rimenild L Ii.
Hortensius IIa, Gü ff.
Hub, Iguaz L lüL
Huber, .Joh. II. 248; IIa, 134,
Huet (Huetius) I, 2, 4 ff., 2iL
Hngschapler I, ü9 ff., 15.
Huldreich II. 02.
Hülffreich IIa, ML
Hummeln I, I^ f •
Hunibald L ö.
Hunold L 15.
Hyanisbe II, M ff.
Hyperephanier II, 3iL
Hypocras L L£L
Hypolite, Gräfin v. Donglas IIa,
1U5.
Ibburanes II, 33 ff.
Ibrahim 1, 440^ II, 5G, 5h ff., Ö3 ff.
Immerlustig, Ernst IIa, 116.
Inconstantia IIa, 154.
India II, 112.
Indianische Reisen II, III.
Indistavisus II, 2iIL
Iniruiomer II, 2tLL
L innocence reconnue Ij ZS»
Irdonozur IIa, Q ff.
Iro, Don IIa, 145.
Der Irr Reitend Bilger 1^ 230.
Isabella II, aü f.
Isania L 312 ff., 3ÜI ff.
Iseo Labrunda 1, 337.
Isidorus IIa, 140.
Ising IIa, lüfcL
Ismene II, IH.5.
Ismen ins L 94, 273, 2ßL
Isolt 1, üLL
Ivo L
Iwein Ij 321.
Jacob IIa, Ifi.
Jamblichus L L 3fiiL
Jan Perus IIa, ML
Jardin de flores curiosas IIa, 139.
Joachim I, ^ 12^
Joachiiuus Caesar II, 15.
Jobin L 214.
I Jöcher II, ÖL
•loconde IIa. 22.
I Jocorum et seriorum libr. duol, 13Ü.
Johann v. Capua L 125.
' Johann Georg v. Sachsen II, ISÖ.
, Google
— 201 —
Johann Hartlieb 1, 8Q»
Johann v. Würzburjä: L 224.
JoDHohn, Matthias II, 10s.
Jorcus u. Zivelles L üi^L
Jördens L IMi II, **4, I2ß ff., 135i
2'y()\ IIa, LL
Josef II, 15 ff., IIa, 15 ff, 23,
40, 62, liL
Josephus L 120, 123, 186; H, 85.
Jo>epb V. Ariniatbia 1^ 33U, 336.
Juba L ^ 11, läö.
Jubil II.
Juda IIa, UL
Judas IIa, m
Jude, der ewi^e L 22L
Judendeutscher Wigoleisz L öÖ«
Jüdische Sajfen Ua, UL
Julia II, IhL
Julian»' 1, 317.
Juliana, Schäfereien v. d. schönen
II, 15. Ü2
Juliano II, 137.
Julianus IIa. 140.
Julius Caesar II, m, iÜL
Julus und Avarus IIa, dL
.Junker vom Meere 1^ iJiß.
Justina II, 2«: IIa,
Justinian II, 5^
Juatinus IIa, 13{).
Kaiser Karl d. Gr. I, 62, 95 ff., m
Kalenberg, Pfaff v. I. 127. 185.
Kalloandro, Prinz II, UM.
Kalt u. Wann, Weisz u. Schwarz
IIa,
Karl L v. Engl. II, m
Kassandra L H5, 2,50.
Katzipori L 139. ÜO» 153 ff., ir»8,27Q.
Kelchner L
Keller, A. v. L 8Ü f., 124, 131,
146, 342, :m\ IIa, 25j 55. m
Kienlen L üaL
Kindermann, Balthasar II, 136,
231), 258.
Kircher, Athanasius II, ML t4L
Kirchhoff I, lÜÜ f . *
Klara II, LCL
Klearchus L 2*
Kleomedes II. fiL
Klingenfeld IIa, 1ASL
Klosterbibliotheken IL 242-
Klügsten Leute, die drei IIa. 124.
im
Knabenspiegel L 24Ö. 2M. 2iia.
Koberstein 1,59,119, 267^ IL ^
ÜL 251ü IIa, LiL
Koch II, QSL m
Kögel Ha, iL LL 2<L
Köhler. R. I,
Kongehl IL 2ü2-
Kormart IL LM) f.
Krebs an der Deichsel 1, 140.
Kriegs- Roman IIa, 161.
Kroeber u. Servois L 02.
Kruffter. Servais L IIÜ ff.
Krüger. Barth. L 1112.
Ktesias L ö»
Kuffstein. Frh. v. 1, 42£ 430; U,
16, 29 f.. m
Kühne 1^ 210.
Knrandor II, 136. 231L
Kürschners Nat. Lit. IIa, 1Ö8 f.,
115.
Kurtzweilige Sommertäge IIa, 142f.
Kurtzweiliger Zeitvertreiber IIa,
ü(L lllL
Kurz, H.L m, 237 ff., 26L IL 76;
IIa. 8, 13, 25, 32 ff., 48 f., 55,
63, TB, loa f.
Udasin L 311, 41fi.
Ladisla IL Ui 122.
Lafayette L 438^ IL 23L
Laienbuch L 104 ff-
Lamp recht L 82.
Lancelot L .^L 23fi ff., 337i 356,
368; II.
Languines L iiö4 ff., .^37.
Lappenberg 1, 112 ff , 18Ö ff.; IL ÖL
Lasalee II, lilZ
La.sarus I, 25L
Latendorf I, 125.
Lauremberg. Peter IIa, 114, Hfl.
LaurcU I, 242. 254.
Laurette IIa, üü ff.
Lauter-muht II, 68.
Lazarillo de Tormes II, 22 f.; IIa,
64, fiö-
Lehmann, Chrtph. IIa, 116, 12L
Leipziger Landkutsche IIa, 166.
Leugfrisch, Simon, von Harten-
fels» IIa, 55,
Lenglet du Fresnoj' L lü
Lentulus L 12Ü f .
LeonarduH Aretinus L fifi»
Leonora L 315 ff'., 32a 4ÜÖ ff.
Leonorina L 322.
Leopold L IL 184, 239. 258.
I Leopold u. Leonore L HL
Leopoldus L 85.
Leoriander II, 107.
Le Sage L 281; II. IL
— 202 -
Lesman. Dionys. H, dd.
Leu, Peter L
Lewfried L '.iül ff.
Leyermatz IIa, Ufi.
L'hoiuiiie dan.s la Lüne IIa, ä.
Libia IIa, iML
Licorides L ^
Liebe im Kloster IIa, IM.
Liebes- u. Heldengedicht, Talan-
ders letztes IIa, IM.
Liebesbegebenheiten, curiöse IIa,
Liebesgeschichten, Heinrichs cet
IIa, IIÜL
Liebesgeschichte, wahrhafte am
tiirk. Hofe IIa, Ifis.
Liebesirrgarten IIa, lt)4.
Liebeskabinet IIa. l&L.
Liebrecht L 19, itL
Lieb-. Tugend- u. Ehreuspiegel II,
Liederbuch ans dem XVL Jahr-
hundert IIa. liL
Lindener I. 92, 115, 136. m 140.
m
Lindenfeld IIa, 155<
LindopoUnder IIa, 106.
Lindoracq l, dlö ff.
Lion L 16.
Lisuart L 305. 'm, 379.
Lisuart v. Griechenland L
Livia II, 1K2 ff.
Lixa II. iL
Lob der Narrheit L 2m
Lob des Esels L ÜIS.
Locani II. 137.
Logau IIa, IL
V. Lohenstein. Daniel Caspar L L
JA 446^ U. 5. 9i l:i 4r). Ah. .yJ.
61. rJO, LiJ ff., KU. 135, LiiL
158, 100, Lm ff., m m 2U,
Uli ff.. 211t 221. 2:ia ff., 229,
231. 23fi ff.. 2i3. 245 ff., 25Ö f.,
251 ff.; IIa. ni, LLL
Lohensteinius sententiosus II, '^3.
V. Loheustein, Johann Caspar II,
ISO-
Loher n. Maller L Öfi,
Loosbuch L 23iL
Lope de Vega L 69, ML
Francisco Lopez de Ubeda II, ^
Pero l,opoy. de Ayala L 3.35.
Lorangy 11. llil f.
Loredano II. 93 ff., ÜÜff.. 102, 214.
Lorenz L 2.'">:^
Lotarius L 245 ff.
Löwhardns L 120.
Loznian L 258.
Lnbania L 328.
Luce IIa. 70.
Lacema diEnretaMisoscoIo IL1Ü2.
Lucia I, 251 ff.
Luciau^ L 9. 447; II. HL
Der rachsüchtige Lucidor II, 10s.
2fi2.
Lucina L 82 f .
Lucius IL Ibö ff.
Lucretia L 44iL H. ÖÖ.
Ludolflfus I^ 210.
Ludwig IIa, Üd.
Ludwig XIV. IL 43, 46. lüL
Lügengeschichten L 192.
Luhdwichche II, 10.
j Lumpus, Oberst IIa. ÖL
Lupanie IIa, 16(i.
Luther II, 192l Ua, fi.
Luthersche Bibelübersetzung II.
2 10-. IIa. 5.
liUthers Tischreden L 142.
Lycli-warc'h L 338.
Lympida IIa, 5L
Lyranu.s IIa, 148.
Lvsander u. Kalliste II. 56. 65.
74, 22L
Lysias IIa, 130.
Lysimachus L 444; II. ll>5.
Mabila T. 44, 313. 3fl5.
Macandon L 316.
Macaon II. IfifL
Macarie II. 262.
31acaronica L 131.
Madasima L 310 ff., 315. aSL
Minliiique L ■^9.
Magelone L 43, 74, 141, ÜOL
Magemia II. 104
Mahomet n. Hyrenea II, 15.
Hans Mair v. Nördlingen L ÄL
Maladie et mort cet. IIa, 15iL
Malaspina IIa. 1.^9.
Maicoimo von Libendan IIa. 109.
Malegis L Ö5. 339 ff.; IIa, LLL
M. Aleph Beth Girael L IM.
Malovend II. 183 ff.
von Malt/^ihn L 20.
Mancadon L 31Ö ff.
Mandafabul L 315 ff., 41L
Mandane L 441 f.; 11, !iL
Mandorell L 2!L IIa. lüL
Manifest wider diej., welche die
roth u. güld. Barte etc. IIa, 58,
62.
, Google
— 203 -
The Man in the Moon etc. IIa, 8.
Männling II. m 255.
3lap. Walther L 7^
Marbach, O. L 2L 60, ff., TO^
MO, Hl IMI lliL liliL 222.
Marcftssns, P. do IIa. ^C^H.
Marco mir II, IM.
Marco Polo L
Marcs de Corniiallo L 33L
31aret8 II, 1 Ifi.
Margarita facetiamra T.
Älar^'arete v. Lothrinj^en V. 63.
Mar>j:uerite v. Valois u. Navarra
h 43. 343^ IIa, 78, IßÖ.
Slarina L 2ilL
Marini II, IM
Markhold II. Qü ff., 73, IM ff.
Markoif I, löö ff.
Markomir II. 111 f.
Marioeline II, H)0.
3Iarobod II, IBß. IM ff.
3Iarqnart v. Stein L 12fL
Mars II. IM
Marsanlt IIa, ÖL
ilarsius II, 121L
Martabane II, IM ff.
Marzebilla L 7«>, LkL
Masetto L l2tL
Matheraatische Erquickstunden II,
92.
Mathilde von Oesterreich L 4L
Matrone von Ephesns L 123.
3Iattbäus L iü.
ilaundeville, Sir John L86,87j 221.
Mauretanien II, 34.
3Iauritius IIa, 51 ff.
Mauritius v. Ferrara IIa, 140
Maximilian IIa, lü2x
Kaiser Maximilian L 127, 2^ II,
l&L
Maximilian v. Baiern II, lö.
Medoro L 2IÜ.
Meier, Joachim II. 84, 128.
Meister. Wilbelm II, 2^
3lelau.ler l 1421 Ih 75.
Melanofenie L iL
Melchisedek II, 121L 242.
Meieander II. dü ff.
Meletaon IIa, 1 *!.").
Melicia L .lüL
M^lintes II. IUI f.
Meli.sea L 305 ff.
Melissa IIa, HL
Melo II. lüß ff.
Melusine L 4L 43, 41, 12» 73, 301i
IIa, Zß. I
Menantes L Iii H, 12^ ^ IIa.
m IMf.
Mendelssohn, Moses II, 212.
Mendoza, Diea^o Uurtado de II, 2L
3Iephostophiles L 2Dß.
Älerlin L 3H, m
Biensdorf L IS.
Mesopotamische Schäferei etc. LI
12!L
Älesserschmidt, G. F. IIa, 130.
Meszmahl, Sig-neur IIa, 50»
Meier. J. L 20.
3Iichelant L Ö4.
ÄIilcAride II. 12iL
Milon IIa, 14L
Minos L 447.
Miraeruarda L 359.
Mireflor L 314 ff.. 4Q5.
Mistevoi IIa, 125.
Mithridatos L 3ßö.
Modestus IIa, 5Q ff , la.
Moller II. ^ IIa, Ifil f.
Mttller. Joh. aeorge II, m
3Ionaak II. 5iL
Monat.sffespräche II. 239, 240.
Le Monde araoureux et galant 1. 15.
Mone Ij 72.
Mongaze L 318 ff.
Monstreil L ailL
Montalvo L 333 ff.. 340, 341 34fL
352 ff, 3IL 435.
Montano L 425 ff.
Montanus, 3tartin L SL 115. 137.
138.
Montemayor. Jorge de 1^ 423 ff.,
430 ff : II, 93.
3rorhof L 22 ff., 3D.
3Iormionde L Ö2..
Moscherosch IIa, L 12» 14» 14,
125. m m mi.
Kloses II. Hi
Mouchemberg II, 42.
Muhme Katherine IIa, 123.
Müllenhoff L HL
Müller. Gottfr. Ephr. II, 255.
Mummelsee IIa, 30. 55, m
Mllratielgart. Christoph von L 24.
Münchhausen L 1112.
3Iui)taner, Ramon L 33fL
Muraena II. lÄL
Äfnrner. Thomas L ISL 183. m
Älusai II. 7«, I39i IIa, 15, LI ff.
3fu8eum f. altd. Lit. u. K. L M.
Mustaffa IIa, 140.
Myrologns IIa, 50 ff.
Mythoscopia Homantica II, 234 ff.
— 204 —
Nachbaurn. von tönten und bösen
L 2i(L ff. . mL 2li;L im
2SÜ ff.
Nachtbüchlein L Ii iÜÖ, ÜU, lliÖ
ff.. 1112.
Nachtigall, Lied auf die Ha, fiO.
Naftalerin, Die II,
Naimas L 63, IQÖ.
Nais IIa, 22.
Narrenbeschwenin^ L 239.
Narrenbuch L löL
Das Narrensrieszen L 23Ö»
Nascian L ff.
Nassau II. U)7.
Nefrem II. Iii ff.
Nero II, 12ü ff*.
Neuenstadt. Heinr. v. I, ÖL
Neueröffnete Trauerbtthne IIa, 118»
Neukirch. Benj. II, lüQ. 255.
Neumarck. (ieorif II, 5L IQIf., 258.
Nherandi II, 102 ff.
Nicandre IIa. 171.
Nicephorus IIa. i-tO
Niceron II. ia.
Niclas L
Meister Nicolas L 350.
Nicopompus II, 31.
Nicoran X 411.
Nimbsleben IIa. 45.
Nitokris II. IL
Noel, Fr. Jos. L 12L
Norandel L iilil ff.
Nor^alles L 33H.
Norls, die liebensw. u. IIa, 1B5.
£ines Nordischen Hofes Liebes-
u. Heldens^esch. IIa, lfi5.
Normanna. Prinzessin IIa, IfiS.
Notest^rich II. in. LUL 125.
Notker Labeo I. mL
Novelas exempTäres II, 21.
Nnmeli.sinthis II. 1 1>5.
Nürnberger Dichterschule II,
m ff.: IQL
Nürnberger Schäfer L ^
Ochssenbach II. 49.
Octavia L LL L2ö ff., läL 135;
II, ÜL 12Ü ff.. 211.
Octavianus L ü lä 121, 122, 141,
aöL
Odia II. 122.
Oenone II, ÖÜ.
Oesterley L ÜÜ. 12Ü. liÜ 133,
135- im, lAiL
Offne Thür z. d. verborgu. Hevden-
thum II. 122.
Ogier L 63, 80.
Olinda I, 324.
Oliuas 1, £LiL
Olivier 11 62. SO. 9^; IIa, ffi ff.,
ßß, aß f,. im iHL
Olivier u, Artus L ßil
Olot»dpmus II, 33 ff.
Olorena II»i, liü
Olyiiipi.i II. Iö5.
Onogainbo IIa, lül ff.
Onoloria v. Trapeznnt L 35lj.
Opitz. Martin L 3ßl ff.. 42£ 431^
II. L 6. L aa 42 ff*.. 4äf., ÜL
IM: IIa. L 60.
Opitzianer II. UCfi. 210, 22L
Orangil I. 305 ff.
Oriana L 4i. ff., 322. aSQ ff.
Oriande L 33iL
Orniondo II, 102.
Orontaus IIa, 52 ff.
Oronies I^ 444.
Oroondate.«« L 443.
Orwin L 242.
Ostländischf'r Lorbeerhain II, 48.
Otger V. Denneinarck L 26, öS.
Othoraar Lnscinius L ^'^^
Otho Melander L 12iL
Kaiser Otto L hü. 222.
Ovid 1^ 2311.
Paderbrnnnen II. l£ß.
Pahsch Bastei V. d. Sohle II, 2S.
Palrtinedes II. lüL
Palekin II, 126.
Pallavicini II. ÖL fi5. 1Ö2. 155.
Pallidor II. 12.
Palm, H. IIa, 124. 126.
Palmerin von Oliva L 352.
Palomir L 41L
Pandior II. lüd ff.
Pantagrne! L 275 ff., 228 f.. 362.
Pantoja II. Iti '.
Parisatis L 444.
Pasquier L ^iQ.
Pasquilla L 131.
Passow 11,1. 4, 63.
Patin L 3L1 ff.
St. Patriciüs L 85.
Patrix L 245.
Pauli, Joh. L 43, liJ2 ff., m. 138.
142. 142. 123. 280.
Pauliini. Christ. Franz IIa, 121 f.
Paulus Cassius IIa, 141.
San Pedro, Diego de IL 22-
j Don Pedrn u. .Agnes v. Cartro
1 na, 163.
, Google
Pegnitzscbftfer II. Ol ff.
Pegu 11, im ff.
Peinhroke. Gialin v. 1, 431.
Pentai)olis L üJ^
Kaiser Pt'pinua IIa, 142.
Percel. Üonion de L UL 3i2, 344^
370; II, IIL 211 00, 02, Sil
IIa, ö, Zö. 164, Iiis,
Perceval L -iü
Penliccas L 444.
Perrette IIa, üL
Perelina II. lüL
Perez. Aiulreas II, 28.
Pericle.s I, «2i IIa, 50.
Perion L -lüä ff., 338, 353, 4Ö4.
Peniauer, Ferd. Adam. Herr v.
IVrney II, 14L 2üii
Peniauer, Joh. Phil. II, 142.
Perseforestiis I, 'ML
Person nages d^guisö.s I, 43Ö.
Petroniii.s h II, 2iiJ.
Petrus Alfon«U8 L 125.
Ptedersheiiner L 132.
Pteifler. Franz L 125.
Pfeiffer, M. Christoph II. Iä(L
Pfitzer. Joh. Nik. L 212.
Pforr, Anton von Ij 125.
Phantasus L 24.
Pharamond L 445^ II, 142.
Phareinun<l, Christian II, 29.
Pht'iecydea L iL
Philander IIa, HD ff.
Philipp IIa. m
Philipp II. L 353, 432] U, 43, 102.
Philippus II, lüü.
Philoniena I, 24L 284 ff.
Philosophische Luststunden IIa,
Philoritratns 1, fi.
Plioeni<;ia II, 41L
Phokas IIa, 5L
Phyloconio, Historia v. Ij 14.
Piali IIa, 140.
Picaresker od. Schelmenroman II,
10, 218] IIa, 1, 64, yo, 120.
Picaro II, Ifi.
Von einem piemontes. Edelmann
etc. II. 15
Pigna L 5.
Pinela L Ü2L
Pintiquiniestra h 351, 353, 359 ff.
Pipin L 68.
Piramus t IM
Pisistratus II. lüL
Papst Pius II. L Ü3.
Le idaisir des dames II, 104.
Platir L 359.
Plato L 355 f.
Plautia II. LILL
Plutareh L 12»; II. 235.
Podaurammisches Trostbüchlein L
2Iä.
Poetischer Trichter II. 92.
Poetisch - historischer Lustgarten
II. im
Poggio L 126, 128, 129, 137, 138, IM.
Pokazi, Der artliche IIa. Liif.
Poliarchus II, 30 ff.
Polidora L 42Ü ff.
Polikana L lüü.
Politische Bratenwender IIa, 133.
Bftrstenbiudergeselle IIa, 133.
— Colica II:i, LilL
— Fenerraäner-Kehrer IIa, 133.
— Grillentanger IIa, 1-33.
— Halbfisch IIa, 133
— Hof-Mäilgen IIa, 133.
— Leyermann IIa. 133.
— Manlaffe, IIa, 133.
— Nä.scher IIa. m 13L
--- Passagier IIa. l.^:}.
— Redner IIa. 1Ü2.
— Stockfisch IIa, 133.
Politischer etc. simplicianischer
Hanenkopf IIa, KHK
— Tractfit von Staats- u. Liebes-
saehen II, 262.
Politisch-theologischer Tractat II.
262.
Pol6xandre L 441 f .
Polycari) v. Kirlassa L 192.
Poua, trancesco II, 43, ifl2i
Ponnedro II, lül ff.
Kaiser Pojitianus L 120
Pontua u. Sidonia I, 4i ÜÜ ff.. 30L
Pontus, Polemon von II, iö5 ff.
Pope II, 255 f.
Porcius Cato II, 195.
Porphyrins I, 36jL
Possevin I. 24L 'ML
Potiphar Ii, II ff.; IIa, IL
Praktik L 210
Praetorius IL ^9.
Prasch II, 262.
Primaleon L 356, 369.
Priorau II, 52.
Procelli IIa, lÄL
Prora II, m
Prosa - Auflösungen mittelalterl.
Dichtungen I, 32 ff.
Prosadichtungen. Gesch. d. , v. .1.
Dunlop L 19.
— 206 —
Prosadicbt, Entstehung der in
Europa L 23 ff.
Prosa ijegen Ende des M-A be-
liebter als Verse L 32 flf.
Prophnlidor 11, 2aiL
Protoj^eues IIa, IL
Proximus u. Lympida II, 139; IIa,
16, 5Q ff.. 6L la.
Psellus L düÜ.
Psyche cretica II, 262.
Pu ci L
Püterich V. Reicherzhausen 1.41.77.
l^yloues IIa, ff
ünedragant L aiü ff , 32i ff., 4Öfi ff.
Queudn II. IßiL
(^uentin Durward I, 328.
Quintana IIa, Ifil.
Quirsfeld, J. IIa, 115..
Rabelais L 139, 22Q f., 215 ff., 342.
Rabs, Matlbias 11 löL
Radetfunde IIa. IL
Ra<lirobanes 11. 35 ff.
Rambouillet L 433
Ranisay IIa. 2L iML
Rastbuchlein L 139 f .
Ratgeber zum Freien IIa. 133.
Rathstübel Plutonis IIa, 13^ 49,
Ü2. 79, m
Ratiouis et adpetitus pngna cit.
U, 15.
Ratio Status IIa. 39» 48, ÖL
Raymond IIa. ÜlL
Rebhu, Jan II. 24üff.; IIa, 134 ff.
Rechuliu v. Sehmsdorff, Michael
IIa, 32
Reichard von Normandy L 9ß f.
Reichart L 250.
Reimanis. Albertus II, HL
Ri^ineke L 1^
Reinbart iL (iabriotto L 240, 260,
284 ff.
Reinold v. Montauban L 64.
Reisebeschreibunyren II. 177.
Rei.se der Söhne des Königs (iiaffer
L 92.
Reise des Brandanus I. 224.
Reise in die neue OFerwelt des
Mondes IIa, I, ö2. 24.
Reiseromane 1, 22L
Relationes curiosae IIa, li32.
Renatus Cericius L Zfi.
Rencheuer Kirchenbuch IIa, 5.
Repues franches I^ IbL
Res memoraudae L IIL
Rhaäcuporis II, 19ii.
Rhemetalces II. läL m
Richelieu II, 41L
Richtt^r, G. A. U. 47, Ö6, 8Ö. löQ.
Riemer, Job. II, 133.
Riesengeschiihte 1^ Üü.
Rihlniann. Andreas II. 202.
Rimado de Palacio I^ 335.
Riualdo L 92, 13h.
Rinconaete y C'oriaiiillo II, 22*
Ringoltiuifeu, Tiiüring v L 22.
Ritterbücher L 4D I •. II, 2iÜ.
Ritterhold v Blauen 11. 52, 65, fifi.
Ritter v. «rünen Schwerte 1» 322.
Ritter v. Thum L oüL
Robertus L 25Ü ff., 2b9 ff.
Robinson IL 11: Ha. 1Ü3.
Robinsonaden IL IL 249.
Rudenck Ruudom L Iß.
Rodrigo Narvaez L 4:;Ä<.
Roger, Abraham II, 177.
Roland L Ü2i IIa, L4L
Rolim II, m
Rollenhagen, Gabriel L ^il II,
IIL
Rolhvagenbüchlein L 135, 132, 1^
237, 24il
Roman, Begriff desselben nach
Lenglet d. F. L lü ff.
Roman, Entstehung (Huet) L L
— (leschichte desselben 1 S.
— Name i, 29 fl'.
— Theorie L 1 ff.. (Huet) Ö ff.
— Deutsche Rr., bei G. d. Percel
L 15.
— S. V. Birken über d. L 22.
— Fielding tt. d L 12 ff.
— M Ch. Roth ü d. L 2£
— bei den Alten L 31 ff.
Roman de la ßible L 3Ü.
Allgemeine Geschichte d. R. von
Wölfl', I.' 27.
Bibliothek d. R. L 27
Bibliotheque universelle des Ro-
mans 1^ 22L
Roman im Verhältnisz zum Drama
L 53.
Romaney L ii2L
Romeo u. Julia II, 15.
Romer, That der L 124: f.
Rosamunde L 24L ^ ff.
Rosemund, Adriati.^sche II, 9, Ö5 ff.,
82, h«. 143 ff . 211L 22Ü.
Roseumänd II, 55, 74, «Ü.
Rosiua II, 2L
, Google
— 207 —
Rossaens (Rosse), Alexander 11.177.
Rosset, Fr. IIa. IIZ
Kosaet-Zeiller IIa. US, lltL
Kost (Meletaon) IIa, IGO, 165,
Rousseau II, 10, 12.
Koxauc L 444.
Koxelane II. 58 ff.
Rubeu IIa, Iß.
Rudolf L 215 ff.
Rug^eltingeu L 22.
Kuland L ÖiL Ö?i »IL
Ryer Andreas du II, !49.
Saar, Joh. Jac. II, 177.
Saavadv II, l&L
Sabud IIa, 4iL
Sachs, Hans L ßa m 141,
187, 238. 260, 266; IIa, iil, II,
TL
Sacrapa, Vincentins Ladislaus I^
Ü12.
Sahraiuan L 332.
Saforet L öA-
Salangusta IIa, 154.
Salemyndonis II, iJlL
Sales mire festivi I, 121L
Saleuder L 322.
von Salisbury, Gräfin II, 15.
Salmasins I, Ü
Salonio, Köuißr L IM ff.; II. m
Salon ine II. IM ff.
Saluste Quide L 323 ff., 321L
Saluzzo, Markgraf Walther v. L ÖL
Salzraann, Wilhelm L lü»
Sambelle. Franciscus IIa, 134.
Ssmder L 2IL
Sandrart II, IISL
Sannazaro L 42Ü ii3.
San schweifen 1^ H > ff
Sansone IL 81^ 102. 155 ff.
Sappho l m
Sardaiuira L 313 ff.
Sar^il l, 32L
Sarmadan der Lew L 415.
Satyri.*<cher Filfijam IIa, ÜL 23,
60, (32, 65.
Satyrischer Roman IIa, 153 ff.
Savoyen, Mei.steri!:esanj^ vom Gra-
fen von L 74_i IIa. HL
Sayuveilra II, LL
Scandor IL liil ff, 252, 254.
V. Schack II. 43.
Schadefroh IIa. 14
Schäferromaue I, [m, 121ff.; II, IL
Schöferey. Die verwüstete u. ver-
ödete etc. II, lüL
Schatjskamraem IL 15. 233.
Schauplatz Lust- und lehrreicher
üesch IIa, llfl.
- täsrlicher der Zeit U, 15iL
Scheible, Kloster L 21L
Schelmuffsky IIa. 151 ff.»
läl ff.
Schereboy IIa, 157.
Schertz mit der Wahrheyt L 82,
L15-
Scherzi geniali II, öiL
Schiffbruch, Der gefährliche etc. II,
177
Schiida L 125-
Schildtberger u. St. Brandau L 222«
22L
Schiltbürj^er L 140, Iii! ff., 2Ü2 ff.,
22ü ff.. 270, 2äö ff.
Schimpf u. Ejnst L 132 ff., 142,
m ff.; IIa. 112.
Schiud.schersitzky II, 105.
Schlegel, A W. I, 22L
Schle^rtd, F. L lÖ.
Schleifheim von Sulsfort. German
IIa, 23.
Schlick, Kaspar L 23.
Schlieben, Eustachius von I, IfiL
Schmidt, Val. L 84, 34fi.
Schneid, Jobst v. d. II, 2L
Schottel II, 41. 86, 87, 100, 102,
IM LÜI L16
Schrammbansz L 140.
Schröter II. 255
Schultz. Walter II. 177.
Schumanns Naclitbüchlein I, 74,
139, 140, im ff.
Schupp II, 262: IIa, 24.
Schütz II. 152,
Schwabescher (.'atalog II, IM IfiÖ»
HL
Schwanenorden II, 2.Stt.
Schwankbücher L U4 ff., 130, 279;
IIa, 2 15. Ü2, 113.
Schwarack, II, IE
Schwibbog^en der getr. Liebhaber
L 312, Ml ff.
Schwieger. Jacob II, KH).
Sciathine IIa, 142.
Scipio IIa, 16.^.
Scott. Walter L 3O0_i 378^ 443;
II, 2->2.
Scud^Vi L 432 ff, 44L 445; II, 50.
tili 02. 72 f., 99, 103j 134, 140ff.,
2iüL
Secretariat- Kunst IIa, IM.
Seeland, Prinzessin v L 31L
— 208 —
Der Seelen Trost L II81 125, IM.
Setira II. II ff
Segesthes II, Lfi2 flf.. 2iLL
Segimer II. I8i ff.
Seifurades L ML
Seidel, Wolftrang II. i£L
Seiz, J. L IIa. LÜiL
Selander IIa, IM ff.
Seienisse II, -Ül ff.
Selicha IIa, II.
Selvagia L 423 ff.
Sentia II. IM ff , 224. 2fi4 ff.
Seraihnemoiren IIa, 1(>H.
Serapliine IIa, 140, 141.
Serlin L 122.
Serre. Sieur <le la II. 02.
Shakespeare 1^ 52. 82.
Siam II, 112 ff.
Sidnev L Mi 4Üli II, 4S. Ufi-
Sidoii L lili
Die Sieben Hanptlaster L 239.
Die Sieben weisen Meister 1^ 43.
llfl ff.; IIa. 112.
Siegfried L lüa ff ; IIa, Iß.
Sieghard L 16ß-
Siegesmund II, 100.
Sigismund, der Heilige IIa. 40^ 43.
Kaiser Sigismund L
Silvia L 353; II. 4iLi Ha, 14L
Simplicianische Schritten L 282.
420; II, 2. lA 26, 249^ Ha, 2^
39, 65, 14, bÜ. 114 ff .
Der Siinplicianische Weltkucker
IIa, m 134.
Simplicissimi Alberner Briefsteller
IIa, m
Simplicissimns II, 28^ IIa. 2^ 13.
Ii2.22ff.. 3ä.4iL4iLßüff.. Iii K
HH ff.. Üfi ff., IID ff
Der franz. Krieirs-Simplic. IIa, 109.
Simplicissuins Redivivus IIa. 10t).
Der TIng. od. Dacian. Simpl. IIa,
lOH.
Simrock, K L 2L 60, 23 ff., 79,
li2. bL IMI llü
Simson II. 52. ül ff., tüi ff.,. 99,
12H. 2111 242.
Sinold II, 15iL
Schäfer Sireno L 424 ff.
Sitaices II. 4Ü.
Smollet Ij 15 ff.
Snivrna. reine des Amazones L 15.
Sohradisa L 312 ff.. 391 ff.
Sofonisbe II. 41L 5!L üil 04 f., 25b
Soldina L 42-. ff.
Soliman II. 5b ff.
Solisa L 312.
Solms II. lüL
Sonnenritter, Der edle II. 2b.
Sorel, Charles IIa. 65, ÖL
Soreloys L
Sowizrzal L 184.
Spät, Conrad gen. Frühauf IIa, 152*
Spalatin. Georg L 14.
Spanische Novellen II. 130.
Der Spielende II. 91, 95. 2S, 1Ö2.
Spies L 2(j5.
Spinelli IIa, IfiL
Ritter Spiridou aus Perusina IIa,
134.
Sprachgesellschaften II, 210.
Springinsfeld IIa. 34 ff.. 4iL Ö2.
Ö5. n. ZZ, 9!L 97. 99. m
Squalora IIa, IM "ffT
Stainfels, Erich, v. Grnfeusholm
IIa. 49.
StAtira L 443.
StAufenherger IIa. Iß.
Steinhöwel, IL L ÖL bÖ ff., 92.
HW. Iis. 125. 231.
Sternfels. Melchior, v. Fuchsheim
IIa. 30.
Stief II. 159
Stockfleth II. 202.
Straff- u. Unglücks -Chronika IIa,
IÜ2.
Stranguilio L b2.
Stratageniata etc. L 137.
Stratonica II. 1Ü3.
Stubenberg II. 02. 9b. IM 245.
258.
Studien zur (»esch. d. span. und
portug. Nat. Lit. L 3^2.
Strephon. vgl. Harsdorffer.
Suidan L 312, 3bii.
Sulima, Aliianische IIa, 105.
Sulpitius llii, 141.
Sünnebald II, Oja ff.
Surbosia II. 202.
Surena II, li£L
Swift L 2ÜL 21)2: IIa. b.
Sylvagia L 45U ff.
Svlvander II. 4L 48, 50.
Svlvano I. 425 ff.. 454 ff.
Sylvia L 42ii ff; IIa, 150.
Syreuo I, 457.
Tachmas II. 59.
Tacitus IL 216, 211.
Tatinor L 32L
Tagades 323.
, Google
Talander 1, 15; n, 12, 99. 100.
259 ; IIa, 160, 1112 ff .
Taleinon II, Ißl ff.
Taliclea II. BL IM
Talipu II, Uyt-
Tamestris IIa, löö,
Tanfana II, IHL
Tangu n. m
Tanuassery II, Ifü flf.
Tannhäuaer L 22L
Tarnolast IIa, IM ff.
Tarsia I,
Tarsus I, 02 f.
Tasso, Bemardol, 301, 338, 844,
857.
Tasso, Torquato 1, 13.
Tatius II, 24L
Tausend u. eine Nacht IIa, 163.
Teatrum tragicum IIa, ll3i ilL
Techelia II, 264.
Tedaldo u. Ermeline I, OL
Telemach I, IM^ IIa, 1Ö4.
Tellus IIa. 142.
Tendre. Royaume de L 44iL
Tenzels Monatl. Unterredungen II,
2^39; IIa, 102.
Teophilus I, 2iL
Terbal U, m
Testamenta XII Patriarch. II, 80,
Des Teufels Insel I, m
Teutelindis IIa, 4Ö ff.
Teutetusa IIa. 4Q ff.
Teutscher Michel IIa. 5(L
Teutsche Wiuteraächte IIa, 142.
Theagenes u. Chariklea I, 3U1.
Theatrum amoris II, 49.
Theatnun virorum eruditomm II,
aL
Theocrine II, 2fi ff.
Theodorus Prodomus Ij fi.
Theogenes 1 8.
Theokrit I, 442.
Thesaurus exoticorum IIa, 102»
Theuerdank I, 14,
Tholomäus IIa, 14L
Thomas, Christian L 22; II, 214,
2iüL 240, 25L 255, 261_: Ha, iM
ThroiiiyläFlI. 2lilL
Thumelich II, lül ff.
Thum, Graf Matth, v. IIa, 32, 95.
Thum, Ritter vom L 12!L
Thusnelda II, LMl ff.
Tiberius II, IhL 193 ff.
Ticknor II, 17, 27, 30; IIa,
Tieck L 74. 75, 81, 84.
TigranesTT, 185.
IL 2.
Till Eulenspiegel L 122 ff.; II, 27.
Timandra II, 38.
Timandre u. Clidamire IIa. Iß8.
Timoclea II, m ff.
Timonides II, 31 ff.
Tirchanis II, IM,
Tiron L 32fL
Tisiphone L 449,
Titon IIa, 142.
Tittmann II, Ööf.; IIa, 22 ff.
Tobias L 239.
Tödtewald IIa, 45.
Tomyris L 44l>.
Torquemada. Antonio de IIa, 139.
Toroan IIa, Löl ff.
Tournon, Frl. v. IIa. 108.
Translatzion L ^ 83,
Traum gesch. v. Du- u. Mir IIa, 7,
62, 14.
Traurende, der IIa, löQ.
Die traurige Insel I, 319.
Trebbin L ISL
Treizsauerwein, Max I, 225.
Tristan L 38. 39, 43, 60, 270, 301^
33(). :IS7T. -Ml. 368.
Trojanerkrieg 1, üL
Troll IIa, m
Trommenheim auf Griffsberg, Phi-
larchus Grossns v. IIa, ^ 35,
Troubadours L »^^9.
Trouveres u. Troubadours fi.
Trutz-Simplex IIa, .32.
T.scheming, J. II. 179,
Tugendliebende Gesellschaft, die
II. 13Ö.
Tünger, Augustin L 131
Türkische Vagant, der IIa, 109.
Tursis, Prinz v. IIa, 149.
Tuscus Sicanus IL 129.
Tutzenhof, Adrian II, 24.
Tychander IIa, 145.
Tj-ridates II. 130.
Tyrsates IIa, 154 ff.
Ueberflüssige Gedanken der grttn.
Jugend IIa, 124.
Ulenhart, Nicolaus II, 22 f. ; IIa,
Ö4f.
Ungar, od. Dacian. Simpl. IIa, 108.
Unglückseelige, der IL. 98, 140.
Unglückseelige Nisettel 17136. 239.
258.
Unibos L i4L
Unzeitiger FUrwitz II, 27, 29,
d Urf6e. Honor6 L ^ 43ii Hi
63, 12.
U
— 210 —
Ur^randa die Unbekannte L 3Q4 ff.,
m sm. am 4^ ii. m
IJrspurt;. Job. von IIa, LLL
Uter l'ailragon h ;^7.
Valentin L IIa. ßü ff.
Valentinianus IIa. 140.
Valentin und Xamelos L ßtL
Valentin u. Örso I. ÜÖ»
Valentinas IIa.
Valerius IIa. Iii
Valerius Maxiimis L 118.
Valiska II. LLÜ ff., 122. 125.
Vandala II, ÜMI
Varnhatr' n L :t:U.
Varus II. lN2f.
Vasa, (iustav v. ITa, tfift-
V^asco Lobeira L
Väter Harb, der L
Vaumoriere. Pierre de L 445; II,
Veit L 25a.
Veit Warbeck L ^
Vels*>r, 3IicbaeI I, ÖL
Ventla. reine de Pologne Ij 15:
IIa, Itlß.
Venercus IIa, 14(^-
Venns Anaiitis II, iHft.
Verdier I, aiL
Verfasser der ^auen Mappe II,
Ver),Mliu8 L 122»
Verkebrte Welt IIa. 55» 74, 125.
Verliebte u. tjalante Welt Ua, 1G5,
Vom Verlorenen Sun ]_. 232»
Vernnch einer Kritik über die
deutseben Dicbter II, 255.
Vieli,'ekörnte. der II, 25.
Vilmar l 2ÜL
Vincentius Hellovacensis L 1 18.
Vincentius Fabricius Ha, 145.
Vindelisora L Ülil ff..
Violenta II. 15.
Virgil L 422. II. 02.
Virifilius etc., neu eingekleideter
deutscber II. ÖÖ.
Viterbo, (iotttried von L Hl.
Vogelnest II. 25 f.; IIa, 5,24,35,
37, 02, 65, 09, 74, IL fiö ff.,
Iü5?r
Volksbücher L 2L 105 ff., m II,
'ML
Vos.sius, Gerardus L 4-
Vulcaui Liebesgarn II, HL.
Wackernagel L 26L 223 ff., 280.
Wagner, Christian II, JM
lÄL
Wagner. Christoph L 206. 21L
Wäiger I, 212.
Waldachl m 122.
Waldeck II. lüL
Wales I. 338,
Wallenstein II, 97,
Walpurgis II. 1h2.
Walter L 25=) ff.
Walther. Markgraf L Öü f .
Wartburgis II. 2üL
Warmnnd IIa, 42.
WegkUrtzer L 02. im liL
Weiber-Hächei IIa, 134.
Weiber-Lob IIa. lüü.
Weidner. Job. Leonhard IIa, 1 14.
Weimarscbes Jahrbuch L 179.
Wei.se, Cb. II. 13, 21L 249, 259^
IIa, 108, 123 ff., 135 ff.
Wei.szer Ritter (Herpin) L 43.
Weisz- König L 225.
Weller L 28, 08, ÜL 13L 195, 22L
225, 2ärila, m
Wendunmuth L m 132.
Werder. Dietrich von dem II, 48i
94: ff., 102.
Wenler, Paris von dem II, ^
Wettstreit der Verzweifelten, der
II. loa.
Wetzel L 112,
Wetzelo. Graf L 222.
Weyssenhom L, 120.
Wickram. Georg L TL 1^
13L 138j 185, 233. 2Ü0 ff.. 206,
27ü: 11775, 21«.
W
\\
W
w
w
w
w
w
w
\y
w
w
w
w
w
w
w
w
w
w
'^'dmann, Georg Rudolf L 212.
eland L 3ÜL 302l H. 3. 12. ±24.
euer Jahrbücher L 342, 34ii.
goleysz L 3ü, 59 f., IM
Ibert L Ifiü.
Ihelm I, ZÖ»
Ibelm von Oesterreich L, 224.
Ihelm der Tichter L a2ß.
Ibelra von Tvrus L Ibö*
Ubald L 24.5. 2tlD.
llenhag, Wolfgaug von IIa, 138
ff., 142 ff.
Her, Georg L 342.
ukelfelder. Isaak II. 2L
nkler, Paul von IIa. 144.
ntertags Schüfferey II, lüfi.
rnt von (Jrafeuberg I, 60.
rrwarr, der verliebte IIa. IM.
tebergensis. Melchior Junius IIa.
133.
tt, de IL 182.
tte II, 103.
j Google
— 211 —
Wittekinrl IIa, 162.
Wittig IIa, 40.
Witzenbttr^er I, 194, 105.
Witzenlmusen, JospI T. 60.
Wöcheutl. Nachr. tVir Freunde der
Gesfh., Kunst und Geiahrtlieit
d. M. A. I. 57.
Wolf. Adolf I. 141.
Wolf, Ferd. 1, 342, 372, 37Ü.
Wolff, O. L. B. I, 27.
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wetohe als besonders stOrend la Teibesseni sind.
I, 79 lies Emmioh fttr Emmerich.
I, 98911.978 lies Gengenbach fttr Gangenbeehbei. QemeabeBh.
n, 80 lies BaroUy für Bareley.
n, 99 • Aeneas fttr Aenans.
n, 188 « Franoisco für Fernando,
n, 141 « OomberTille für GanbenriUe.
IIa, 1 „ Heroinie fttr Heiieynle.
Ha, 1(3 . Dietwald für Dietmold.
Ha, 77 „ Canard für Conrad.
Ha, 78 „ Gordon lür .lordon.
IIa. 139 , Salani. auca) für Solain.
IIa, 142 „ Zendorii für Zendohis.
Ha, 1dl . Koller für Möller.
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