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Full text of "Geschichte Arnsbergs... Mit einer alten Ansicht von Stadt und Schloss Arnsberg nebst Abtei Wedinghausen"

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Zu #5 

PRINCETON 

UNIVERSITY 
LIBRARY 





William Watson Smith 
Class of 1892 
Memorial Fund 





Gef hide Arusbergs. 


Don 


d 
Karl Eiaur de Lacroir Frau de 
Er LOcCI GV 


Karl 


Symnajial-Oberlehrer. 


Mit einer alien Anfıht von Stadt und Schloß Arnsberg 
nebſt Abtei Wedinghaufen. 





Arnsberg 1895. 
Drud und Berlag von H. R. Stein. 


DD 76/ 
1 HL, 
ET 





Verlag von H.R. Stein, Arnsberg. 


ae © 


— —— — — —— — — 


Digitized by Google 


Borwort, 


Eine Gedichte Arnsbergs in der Ausführung, wie fie hier ver- 
jucht worden ift, ift bisher noch nicht gejchrieben worden. Die „Chronik 
der Stadt Arnsberg”, die der Arnsberger Arhivar W. M. Hüſer im 
Jahre 1820 herausgegeben hat, bietet zwar manche Daten, bie ſonſt 
nicht erhalten find, und ift aus diefem Grunde nicht ohne Wert, fie ift 
jedoch im übrigen nur eine dürftige Notizenfammlung. Die Zeit der 
fruchtbaren Gejhichtsforihung Arnsberger Gelehrten, wie Seiberg, 
Pieler und anderer, ift leider dahingegangen, ohne der Stadt eine 
Darftellung ihrer intereffanten Vergangenheit als Vermächtnis zu hinter- 
laſſen. Dit jenen Männern, die gewifjermaßen mit einem Fuße nod) 
in der Vergangenheit ftanden, die nod) aus einer lebendigen Überlieferung 
Ihöpften, ift nicht nur eine unverfiegliche Forjcherluft, fondern auch ohne 
Frage viel Wiffensgut für immer zu Grabe gegangen. 

An Anregung zur Abfaffung einer Gejchichte Arnsbergs hat es 
gewiß nie gefehlt. Schon bald nachdem das Herzogtum Weftfalen 
preußifch geworden war, wurden jämtliche Gemeinden von der Königl. 
Regierung zu Arnsberg aufgefordert, Chroniken anfertigen zu Laffen, 
Im Jahre 1823 erſchien eine gedrudte Anweifung dazu. Aber in 
Arnsberg fand ſich troß aller Bemühungen der Bürgermeifter, wovon 
ein Aktenſtück im Archive berichtet, niemand bereit, diefe Arbeit zu über» 
nehmen, 

Allerdings war notwendig eine Vorarbeit erft zu leiften, die Ord— 
nung des ftädtifchen Archives. Diefer großen Mühe hat fid) der auch 
jonft jo verdiente Bürgermeifter Wulff im Vereine mit Archivar Hüfer 
unterzogen. Wulff hat auch, wie jein Vorgänger Seiffenshmidt, manche 
einzelne Gegenftände aus der Gejdichte der Gemeinde bearbeitet und 


feinen Verwaltungsberichten eingefügt. Ihre Aufjäge find diefem Werke 
zu Gute gekommen. 


IV 

Überhaupt Hat ſich nah und nah in Büchern und Zeitſchriften 
viel Material zu einer Geſchichte Arnsbergs angeſammelt, namentlich 
in der „Zeitjchrift für Gejchichte und Altertumskunde Weftfalens", mehr 
noch in den „Blättern zur näheren Kunde Weſtfalens“. 


Alle diefe Beiträge können eine große Lücke nicht ausfüllen. Im 
Jahre 1600 ift mit der Stadt auch das Ardiv in Flammen aufgegangen, 
und nichts wird dieſen Verluſt jemals erjegen fönnen. Die Gejdichte 
der Stadt bleibt für alle Zeiten Tüdenhaft. Ohne das Archiv des 
Klofters Wedinghaufen würden wir von der älteften Stadtgeſchichte faft 
nichts wiffen. Diefe Lüde mag für unfere Hiftorifer von Fach ein 
Hauptgrund gewefen fein, fi) von einer Arbeit fernzuhalten, die von 
vornherein undankbar ericheinen mußte. Und doch erheifchte gerade ihre 
Bewältigung eine mit allem Nüftzeuge wohlausgeftattete Kraft. Nun 
hat ein Nichthiftorifer die Löſung diefer ſchwierigen Aufgabe verjudt. 
Dan wird aljo nidts Vollkommenes erwarten dürfen und über die 
Mängel des Buches nachſichtig urteilen. Etwas Abjchliegendes wollte 
und konnte der Verfaffer nicht liefern; er hofft aber, eine breite Grund: 
lage für weitere Forfchungen geſchaffen zu haben. 

Die Sammlung de8 Material war mit ungewöhnlich großen 
Schwierigkeiten verbunden, da feine der hier befindlichen Bibliotheken 
hinreichend mit weftfälifcher Geſchichtslitteratur ausgeftattet ift. Auf 
der anderen Seite war dem Berfafjer das Schidjal infofern günftig, 
als ihm die Benugung der umfangreichen Sammlungen des verjtorbenen 
Dr. Hollenhorft ermöglicht wurde. Der Paderborner Abteilung des 
weſtfäliſchen Altertumsvereins und ihrem Borfigenden, Herrn Pfarrer 
Dr. Mertens, ift er für UÜberlaffung des Hollenhorftihen Manu: 
jEripte8 ?) zu großem Danke verpflichtet. Hollenhorft, ein vielbejchäftigter 
Arzt, der von 1780—1846 in Arnsberg gelebt hat, widmete feine Muße— 
ftunden der Erforfhung der heimatlihen Geſchichte. Abgeſchloſſen ift 
von ihm jedoch nur eine ganz ins Detail gehende „Geſchichte der Grafen 
von Arnsberg”, in der jest manches veraltet iſt. Verfaſſer hat ihr nur 
einige Notizen entnommen. Für die äußere Geſchichte des Scloffes, 
die furfürftlichen Anlagen, die Geſchichte einzelner Gebäude ꝛc. enthielt 
Hollenhorſt's Schriftendaos mandes Wertvolle. Zur Stadtgejdichte 
fand ih von ihm nur wenig Beiträge. Widtig nit nur für die 
Geſchichte des Klofters Wedinghaufen ift eine in den Sammlungen 
befindliche Klofterchronif, lateiniſch und deutſch. Wie fich diefelbe zu 
der des Mönches Bergh verhält, die Tüding und andere benukt 








I) Die Sammlung wird von uns citiert mit M. 9. 


V 


haben, konnte ich leider nicht genau feſtſtellen. Jedenfalls iſt erſtere 
viel umfangreicher. 

Von der Idee ausgehend, nicht ein gelehrtes Buch oder bloß ein 
Nachſchlagewerk zu ſchreiben, ſondern vor allem den Leſer zu feſſeln und 
zu unterhalten, hat Verfaſſer bei der Bearbeitung des Stoffes überall 
an dem Grundſatze feſtgehalten, Wiffenfchaftlichkeit und Volkstümlichkeit 
zu vereinigen. Daher hat er audy gute, anſchauliche Schilderungen, 
namentlich von Augenzeugen, oft unverändert aufgenommen und über- 
haupt möglichſt die Quellen fprechen laffen. Nur ihre Schreibung ift 
oft, um das Leſen zu erleichtern, verändert. Das Eitieren iſt möglichſt 
beſchränkt, namentlich in der Gejchichte der Grafen, von der mehrere 
wiſſenſchaftliche Bearbeitungen vorliegen. 

So viel über die Entftehung und den Zwed des Buches und über 
die Vorarbeiten. Meinem Antsgenofjen, Herrn Oberlehrer Daldrup, 
jowie dem Verleger, Herrn Theodor Stein, danfe id für ihre auf: 
opfernde Hilfe während der Drucklegung. Letzterer hat dieſem Werke, 
zu defjen Abfafjung er den Anftoß gab, ſtets das größte Intereſſe zu- 
gewandt und den Berfaffer mit Nat und That unterjtügt; ihm verdankt 
er manche fruchtbare Anregung, manche wertvolle Notiz. Dank ſpreche 
ich) auch allen denen aus, die mich fonft irgendwie bei meiner Arbeit 
unterftügt oder den Intereſſen derjelben gedient haben, namentlid den 
ftädtifchen Behörden, welche dies Unternehmen in hochherziger Weije 

unterftügt haben. 


Arnsberg, 15. Dezember 1895. 


Der Berfaller. 


Inhaltsüberfidht. 


Erſter Seil: Beit der Grafen. 


Erſter Abfchnitt: Gefchichte der Grafen von Arnäberg. 


Aus der Vorzeit. Die Grafen von Weftfalen. Erbauung des Arns— 
berger Schlofjes. Graf Konrad. Graf Friedrich der Streitbare. Graf Gott: 
fried I. Graf Heinrich I. Graf Gottfried II. Kapelle bei Drüggelte. Graf 
Gottfried III. Graf Ludwig. Graf Wilhelm. Graf Gottfried IV. Berfauf 
der Graffchaft Arnsberg. Lette Lebensjahre des Grafen und der Gräfin. 
Gottfrieds Abſchied von Arnsberg. Die Beifegung im Kölner Dom. Bejtand 
der Sraffchaft bei der Ubergabe an Köln. Seite 2—64. 


Zweiter Abfchnitt: Arnsberg (Mark, Hof (Dorf), Gemeinde und 
Stadt) unter den Grafen, 


Über die wejtfälifchen Marken und Höfe überhaupt. Marknutzung und 
Berfaflung. Mark und Dorf Arnsberg. Höfe und Dörfer in Arnsbergs 
Umgebung. Sik der „Schwarzen Edelherren don Arnsberg”. Entwidelung 
Arnsbergs zur Stadt. Gründung der Stadt Arnsberg durch Gottfried ILL. 
Die Stadt Arnsberg unter den Grafen. Stadtgebiet (Wald und Feldmarf). 
Vermischtes zur Kulturgeſchichte. Die Edelherren von Rüdenberg. ©. 65—93. 


Dritter Abſchnitt: 
Gedichte des Kloſters Wedinghaufen unter den Grafen. 
Stiftung des Klofterd. SKloftergebäude, Chor: und Pfarrkirche in 
Wedinghaufen. Grafenfapelle und Grafengrab. Das Grafenbegängnis in der 
Grafenkapelle. Das Grafenbegängnis in Neheim. Berfallung des Klojters. 
Lebensweife und Wirkfamkeit der Mönche. Abte und Pröpfte des Kloſters bis 
1369. ©. N—118. 


Bweiter Teil: Kurkölniſche Zeit. 


Erſter Abfchnitt: 
Ausgang bes Mittelalters (1507). Die Zeiten der Fehde und Veme. 


Die Erzbifhöfe Kuno und Friedrich von Sarwerden. Kämpfe um den 
Befiß der Grafſchaft. Innere Schidjale der Graffchaft. Landfriedensschlüffe. 
Grafſchaft und Marſchallamt. Verpfändungen des Marjchallamtes. Diedrich II 
bon Mörs. Schloßchronik bis 1434. Überficht über die Gefchichte der Veme. 
Denkivürdige Berhandlungen am Arnsberger Freiftuble. Die Arnsberger 
Aeformation don 1437. Die Soejter Fehde. Marſchälle unter Diedrich II 
bon Mörs. Bertrag det Erzbifchofes und der Stände zur Aufrechterhaltung 
des Friedens. Altes Arnsberger Statutarreht. Ruprecht von der Pfalz. 
Hermann IV von Wied. Der Oberfreiftuhl unter Hermann IV und feinen 
Nachfolgern. S. 119—187. 


vn 


Zweiter Mbichnitt: Zeitalter der Reformation bis 1612. 

Arnsberg und das Herzogtum Wejtfalen. Die Furfürjtliche Negierung 
oder mweitfälifche Kanzlei in Arnsberg. Grundzüge der landſtändiſchen Ber: 
faſſung. Die Kurfürjten Philipp IL, Hermann von Wied, Adolf II, Anton, 
Johann Gebhard, Friedrich IV. Salentin von Iſenburg. Neubau des Arns- 
berger Schloſſes. Aus Arnsbergs Chronif unter Salentins Regierung. 
Reihenfolge der weitfälifchen Landdroften von 1487— 1803. Gebhard Truchſeß. 
Die Truchſeſſiſchen Unruhen. Ernſt von Bayern. Ausgang des Kampfes 
gegen Truchjeß. Parteigänger des Truchſeß. Martin Schenk und Gloedt in 
BWeitfalen. Chroniſtiſche Darftellung der Ereigniffe von 1586—1612. Einfälle 
der Niederländer. Berordnungen, Hofhaltungen und Jagden des Kurfürſten 
Ernjt. Yungfer Gertrud. Herenverfolgungen. Der große Stadtbrand von 
1600 u.a. S. 188—264. 


Dritter Abſchnitt: 
Junere Geſchichte der Stadt Arnsberg in kurfölnifcher Zeit. 


Quellen der jtädtifchen Berfafiung. Statuten nebjt Morgenfprache von 
1608. Städtifhe Berfaffung. Bürger und Beilieger. Zunftweſen und 
Gemeindevertretung. Borjtand der Stadtgemeinde. Städtifche Polizei und 
Jurisdiktion. Berkauf der Lebensmittel. Der Markt. Die Juden. Die 
tädtifche Marl. Die Nubung des Waldes. Wufgang der Schweine in die 
Maft. Köhlereibetrieb. Waldſchutz. Schnadezüge. Pantaleonsgeridt. Stadt: 
haushalt. Städtifche Gerechtſame. Handel und Verkehr. Arnsberg als Borort 
von Hanfaftädten. Der Poſtverkehr. Die Schütengejellichaft. ©. 265—323. 


Vierter Abfchnitt: Regierung des Aurfürften Ferdinand, 
Beiten des 30jährigen Krieges. Die Jahre vor Ausbruch des Krieges. 
Der 3Ojährige Krieg. Der Anſchlag Beckermanns. S. 324—365. 


Fünfter Abichnitt: 


Regierung ber KHurfürften Marimilian Heinrich, Joſeph Klemens 
und Klemens Auguft bi 1758. Zeiten des franzöfifchen Einflufies. 
Kurfürjtlihe Hofhaltungen. Bauten und Anlagen. Borbereitungen, 
Aufzüge, Empfang. Die Jagd. Aus der Jahresrechnung des Furfürftlichen 
Oberfellners dv. Düder, 1667. Obereimer und der Tiergarten. Das Arıs- 
berger Schloß. Der Max-Heinrichs- und der Klemens-Auguſt-Bau. Scid- 
fale der Schloßruine. Jagdſchloß Hirſchberg. Landsberger Hof. Gleichzeitige 
Reubauten in der Stadt. Das von Düder’iche Haus. Das Kefuitenhaus. 
Aus Eßl's Beichreibung der Graffchaft und Stadt Arnsberg. BPolitifche Be- 
gebenheiten. Bon der Jahre Gunft und Ungunft. Landmeditus und Land» 
apotheke. Reihenfolge der Bürgermeijter von 1651—1757. ©. 366—431. 


Schöter Abichnitt: Der fiebenjährige Krieg 1756—1763, 


Die Jahre 1756-1760. Erſter, vergebliher Angriff auf das Schloß 
(1760). Zerftörung des Arnsberger Schloſſes. S. 432—455, 


VIII 





Siebenter Abſchnitt: Die letzten Kurfürſten. 


Die legten Kurfürſten in Arnsberg. Landdroſt Frhr. v. Spiegel. Der 
letzte Landdroſt. Einige hervorragende Arnsberger. Buchdruderei, Zeitungs: 
weſen, Buchhandel. Reihenfolge der Bürgermeijter von 1763— 1802. Fran— 
zöfiiche Zeit. KHurfürjtenwahl in Arnsberg. Der Kölner Domſchatz in Arns— 
berg. ©. 456—480. 


Achter Abichnitt: Das Mlofter Wedinghanfen und das Gymnaſium 
Zaurentianum in der Eurfölnifchen Zeit. 


Reihenfolge der Pröpjte und Übte. Die Gründung des Gymnafiums. 
Städtiſche Trivialfchule. Die Arnsberger Schaubühne. Blüte des Kloſters. 
Spätere Schickſale. Die Vermögensverhältniffe der Abtei zur Zeit der Auf- 
hebung. S. 481—502. 


Dritter Seil: Jeſſiſche Beit. 

Geſchichte der Verfafjung. Die Befitergreifung. Landtag 1803. Auf— 
hebung der landjtändifchen Berfaffung. Regelung der Berhältnifie des Adels, 
de8 Bauern und Bürgerjtandes. Die neue Landesverfafiung. Arnsberg als 
Sit hefjifcher Behörden. Umt Arnsberg. Innere Berhältniffe der Stadt. 
Geſchichte der Kirchengemeinden. Bon der Jahre Gunſt und Ungunft zc. Aus 
der Zeit der Befreiungskriege. S. 503—528. 


Vierter Geil: Preußiſche Zeit. 

Bor der Befißergreifung. Die Befitergreifung. Oberpräfident Freiherr 
v. Binde. Zum Patriotismus der Arnsberger. Beſuche aus dem Königlichen 
Herrſcherhauſe. Aufblühen der ftädtifchen Gemeinde. Verdienſte der preußifchen 
Regierung um die Hebung der Stadt. Stadterweiterung. Eichholz. Schloß— 
berg. Stadtvorjtand. Gemeindevertretung. Zum Stadthaushalte. Städtisches 
Bermögen. Der Stadtwald. Jagd. Hudegerechtſame. Fiichereigerechtfame. 
Städtifche Bauten und Anlagen, Wege, Straßen, Wohlfahrtseinrichtungen. 
Die alten Türme. Die Brüden. Straßenbeleucdhtung. Gasanftalt. Fried— 
hof. Geſchichte der Waflerverforgung. Marienhofpital. Städtifche Sparkafie. 
Feuerlöſchweſen. Städtifche Schulen. Arnsberg als Sitz ftaatlicher Behörden. 
Regierung. Juſtizbehörden. Poſt- und andere Behörden. Induſtrie. Neuere 
Geſchichte des Gymnaſiums. Arnsberg als Geburtsort, Bildungsjtätte und 
Wohnort hervorragender und befannterer Perjönlichkeiten. Chronik der neueren 
Zeit. Ausblide. Regifter. ©. 528—600. 


Erſter Geil, 


Die Zeit der Grafen von Arnsberg. 


Grfer Abſchnitt. 


Geſchichte der Grafen von Arnsberg. 


Quellen: Joh. Suib. Seiberk: Diplomatifhe Familiengeſchichte der 
alten Grafen von Wejtfalen zu Werl und Urnsberg. — Arns— 
berg 1845. 


Dr. ®. Tobien: Denkwürdigfeiten aus der Bergangenheit 
Weitfalens. Zweiter Band. Erftes Heft (Die Graffchaft Arns— 
berg). — Elberfeld 1873. 

Urfundenfamntungen von Seibert, Erhard, Wilmans 


(mit Ergänzungen von Diekamp, fortgefett von Ficker) Lacom— 
blet u.a. 


Aus der Vorzeit. 

Zu Beginn unjerer Zeitrechnung wurde das Sauerland, d. i. Süder- 
land, von den Sigambrern bewohnt. Es ift befannt, mit welder 
Kraft und Ausdauer ſich diefer deutſche Stamm den eroberungsjüchtigen 
Römern widerjegte, bis Tiberius ihm durch Lift und Verrat bezwang. 
As der römische Feldherr im Jahre 9 v. Chr. mit ftarker Heeresmacht 
den Rhein überjchritt, und die Germanen, von Furdt ergriffen, von 
allen Seiten Friedensgeſandtſchaften an ihn jchieten, waren die Sigam- 
brer zuerft nicht zu bewegen, ein gleiches zu thun. Erſt als der 
Raifer Auguftus erklärte, daß er den Deutjchen feinen Frieden gewähren 
würde, wenn nicht die Sigambrer demfelben beiträten, entjandten auch 
fie Unterhändler. 

Da übten die Römer jhändlichen Verrat: man ließ die Gejandten, 
die Vornehmſten de3 Stammes, gefangen nehmen und in verjciedene 
Städte bringen. Viele der Betrogenen gaben ſich felbft den Tod. Das 
feiner Häuptlinge beraubte Volk wurde dann von Tiberius mit Leichtigkeit 
unterworfen. Um bie hartnädigen Feinde der Römer für immer zur 
Ruhe zu bringen, verpflanzte er 40 000 ihrer ftreitbarften Mannen in 
die belgiiche Ebene. In das verödete Gebiet rückten Nachbarſtämme ein. 


4 Sefchichte der Grafen von Arnöberg. 


Im Jahre 9 n. Ehr. ſchlug Held Arminius die Befreiungsſchlacht. 
Die Sage ober vielmehr gelehrte Deutelei hat in früheren Zeiten den 
Glauben verbreitet, die „Grafen“ von Arnsberg hätten in jener Schlacht 
einen römischen Adler erobert und jeitdem diefen Vogel in ihrem Wappen 
geführt. 

In der nachfolgenden Zeit tritt unſer Gebirge in der Gejchichte 
jehr zurüd. Mit Karl dem Großen begann für dasjelbe eine neue 
Zeit. Furdtbare Kämpfe tobten Jahrzehnte lang, wie in der nördlichen 
Ebene, jo in den einjamen Thälern des Sauerlandes. In den og. 
Wallburgen, deren wir auch in der Nähe von Arnsberg einige 
nachweijen fönnen (3. B. auf dem Rümberg, der Hünnenburg), haben 
wir vielleicht Nefte von Befeftigungsanlagen, die zum Schutze gegen 
die vordringenden Franken gebaut waren. Eine alte Namensbdeutung 
bringt den Namen Wedinghaufen mit dem Sachſenherzoge Witte- 
find in Beziehung. Sein Schloß joll am Eichhulz geftanden haben, 
wo fich fpäter die Gebäude des Klosters erhoben. Geführt von diejem 
Herzoge, wehrten fih die Sachſen, in ihrem unbezwinglihen Troge 
den Sigambrern ähnlich, in wilder Verzweiflung gegen den fränfijchen 
Eroberer und verjuchten immer von neuem das Waffenglüd. Schließlich 
mußten fie doc den Widerftand aufgeben und das Joch des Siegers 
auf fi nehmen. Diejer gab dem Lande eine neue Meligion: das 
Ehriftentum. 

Im arnsbergijchen Gebiete wurde die Heilslehre vom hl. Liudger 
gepredigt, der das Benediktinerflofter Werden a. d. Ruhr gegründet hat. 
Während bis zu diefer Zeit (um 800) von Lokalgeſchichte im Sauer- 
lande faum die Rede fein kann, bieten die Giüterverzeichnijfe der genannten 
Abtei einen erjten Anhalt für derartige Studien. In den ältejten Liſten 
(um 793) finden wir neben anderen befannten Namen wie Aldenthorpa 
d. h. Altendorf (Allendorf), Berghem (Bergheim), Stipel, Hagnen (Hachen) 
auc) die Namen Arnesberga und Wedinghuſen. Aljo beftand 
der Name Arnsberg wohl jhon im 8. Jahrhundert n. Chr. 
Es gab damals noc Feine Stadt dieſes Namens, jondern nur eine 
Mark, ein aus zerftreut liegenden Höfen beftehendes Dorf von vielleicht 
hohem Alter, wie jpäter erörtert werden ſoll. 

Alte Ortihaften in Arnsbergs Umgebung find: Rumbeck, Untrop, 
Wintrop, Hellefeld, Wicheln, Eimer (Embere), Bruchhaufen, Weniglohe und 
befonders Hüften. Diefer Ort wird zuerjt in einer jehr interefjanten Iatei- 


nijchen Urkunde des Werdener Archivs aus dem Jahre 802 erwähnt. Sie 
lautet in der Überjeßung: 


„Wir wünſchen, day allen Gläubigen befannt werde, daß ih Thank: 
grim umd meine beiden Söhne Hardgrim und Athugrim für das Heil 


Aus der Borzeit. 5 


unjerer Seelen und die des verjchiedenen Boſoko einen Teil unferes Erbes, 
welder und durch gerechten Richterſpruch wegen der traurigen Ermordung 
de8 genannten Boſoko zugefallen ijt in dem Dorfe genannt Hüften (Hustene), 
nämlich das ganze Exrbteil, welches in demjelben Dorfe Bruniko und feine 
Söhne, die jenen Mord auf Anitiften des Teufels vollbracht haben, recht— 
mäßig bejaßen...... . zu den Reliquien unferes Erlöfers und in bie Hände 
des Abtes Liudger übergeben haben . . . . . Wir wollen, daß ſie 
(die Güter) für ewig abgetreten ſeien, und daß es zu feiner Zeit geändert 
werde. Dies ift öffentlich verhandelt worden im 34. Jahre der Regierung 
de8 Herrichers Königs Karl an den Iden des Januar in den Dorfe Huftanne 
an dem Ruhrfluſſe vor Zeugen, deren Namen unten vermerkt find.” 

Nach altem Deutſchen Rechte fonnten alle Verbrechen durch ein „Wehr: 
geld“ gefühnt werden. In Hüften hatte Brunifo den Boſoko ermordet; da- 
für wurden Thankgrim, dem Bater deöfelben, in einem offenen „Thirge” bie 
Hüter de8 Mörder zuerlannt. Thankgrim übergab diefe jedoch mit Ein- 
willigung feiner Söhne dem h. Yudgerus. Möglichermweije hat diefer aus den 
fo gewonnenen Mitteln die Hüjtener Pfarrkirche gegründet. Diefe ift un— 
zweifelhaft wohl die ältejte in unferem Gebiete. Auch Arnsberg war urjprüng- 
(id) in Hüften eingepfarrt. Nach der Sage pflegten ſich die Einwohner bon 
Hellefeld zur Zeit, wo in Hüften Meſſe gelefen wurde, auf die SHellefelder 
Höhe zu begeben, un aus der Ferne dem Gottesdienfte beizumohnen. Übrigens 
iſt auch Hellefeld ein alter Pfarrort. Es befaß eine merfrwürdige Kirche, von 
der jet nur noch der Turm fteht; aus ihrem Innern ſtammt der jehr jehens- 
werte alte Taufſtein. 


Die Grafen von Weftfalen. 


Karl der Große fand im Sachſenlande die alte germaniſche Gau— 
verfaffung vor, eine Einteilung in größere und Heine Gaue (Eentgaue, 
Hundertihaften). Karl ließ dieſe Verfaffung beftehen und fette in den 
einzelnen Gauen Grafen als königliche Bevollmächtigte ein. 

Arnsberg lag im Gau Weftfalen, im Centgau Angerun 
(Engern). Der erjte Graf in unferem Gau hieß Egbert. 

Die Eentgaue waren die alten Gerichtsſprengel. Jeder von 
ihnen hatte eine geheiligte Stätte, an der feit Alters Recht geſprochen 
wurde. An dieſen erjchienen jett die Grafen al8 Richter. Hinfichtlic) 
de3 Ortes blieb das Herfommen unangetaftet. — Wo das Gericht des 
Centgaues Angerun gewejen jei, kann wohl nicht zweifelhaft fein; es 
befand ſich an der jpäteren Veme- oder Freigerichtsſtätte am weit: 
(ihen Abhange des Arnsberger Schloßberges. 

Einzelne Höfe oder ein Dorf, eine gemeinjfame Mark, ein Ges 
richt: alles Dinge, die auf einen alten Urjprung hinweiſen. Was die 
Überfieferung und nicht gab, gewährt ung die Forſchung durch Rückſchluß: 
ein Bild Arnsbergs in den älteften Zeiten. 


6 Geſchichte der Grafen von Arnsberg. 


Seit Alters unterjchied man echte und gebotene „Dinge”. Die 
Grafen hielten bald hier, bald dort ein echtes Ding, das immer für die ganze 
Grafſchaft zuftändig war, ab. Das Urteil wurde von ficben Schöffen vorge— 
ihhlagen, die der Graf mit Zuftimmung der Gemeinde aus den angejeheneren 
Dingpflicdhtigen auswählte. Diefe befleideten ihr Amt auf Lebenszeit. Die alt- 
germanifche gemeine Dingpflichtigfeit blieb bejtehen. Die Schöffen machten 
dem „Umſtand“ (d. 5. den übrigen anweſenden Dingpflichtigen) den Borjchlag ; 
diefer billigte oder verwarf den Sprud. Das vom Grafen perjönlich oder 
durch einen bon ihm bejtellten Vertreter abgehaltene echte Ding urteilte 
über alle Strafſachen, die an das Leben gingen, fowie über Freiheit und 
Eigen. Das echte Ding fand regelmäßig alle ſechs Wochen ftatt. Außerdem 
trat in der Regel alle vierzehn „Nächte“ (engl. a fortnight; die alten Deutſchen 
zählten nad) Tacitus’ Zeugnis nad Nächten) ein „gebotenes” Ding zu- 
jammen, welches über geringere Recdhtöverlegungen urteilte. Dieſes murde 
in der Regel von Gografen (den alten principes) abgehalten, die zu dieſem 
Gerichte nicht befonders vom Grafen beftellt wurden. Bier ſprachen die 
Schöffen ohne Umstand das Urteil ; daher heißen diefe Gerichte in fpäteren 
Jahrhunderten Schöffengerichte. 


ALS Beifiger des Grafen tritt in Sachſen ein eigener Bolljtredungs- 
beamter, der Fronbote, auf. Diefer war zugleich der oberite Schöffe, an 
ben die Eröffnungsfragen zu richten waren. Er war häufig Stellvertreter 
des Grafen. — Der Graf richtete unter Königs „Bann“. Wenn die alten 
Germanen fi zu einem Dinge verfammelt hatten, fo ſprach der Priefter bei 
Beginn der Sigung die Hegeformel: „Ich gebiete Luſt (d. h. Schweigen) und 
verbiete Unluft”. Er gebot alfo den Dingfrieden und „bannte” die Ver— 
fammelten, d. h. er jtellte fie unter den Schub des Kriegsgottes Ziu 
Auch das Heer ftand in dem Frieden diefes Gottes, deſſen heilige Zeichen, 
fahnenartig an Speerftangen befejtigt, e8 begleiteten und die perfönliche An- 
mwefenheit des Gotte8 amdeuteten. Das Heer jtand unter dem „Banner“ 
(bandva, Zeichen) des Gottes. Im Mittelalter war es Sitte, da8 Gericht 
durch Aufhängen eines Schildes, Aufiteden einer Fahne oder dgl. Wahrzeichen 
der Föniglichen Gewalt zu bannen. Das Bannrecht ging don dem BPriejter 
auf den König über. Diefer erhielt dadurch die Befugnis zum Erlaſſe von 
abminiftrativen Strafgeboten, deren Übertretung beftimmte Strafen nad) ji) 
zog. Geldftrafen über 60 Scillinge durfte er nicht ohne befondere Ermäd)- 
tigung auferlegen; diefe Strafen hießen daher jchlechtHin „Königsbann“, 
Karl der Große ermädjtigte die ſächſiſchen Grafen allgemein, bei größeren Ber: 
gehungen den Königsbann verhängen zu dürfen. Ein Drittel der gefamten 
Gerichtsgefälle gehörte dem Grafen. (Nach Schröder: Deutfche Rechtsgefchichte.) 


Wir dürfen annehmen, daß die Grafen des Gaues Weitfalen 
lange Yahre am Weftabhange des Scloßberge8 Gerichte in der ge- 
jhilderten Weije abgehalten haben. Eine ganz neue Bedeutung erhielt 
diejer felbe Berg und feine Umgebung, als jene Grafen gegen Ende 
des elften Jahrhunderts auf feiner Plattform ein Schloß erbauten und 
ihren Wohnfig dorthin verlegten. Der Name Arnsberg erhielt dadurch 


Die Grafen von Wejtfalen. 7 


eine Stellung in der deutſchen Geſchichte. Kurz vorher ſchon!) hatten 
die Edelherren von Rüdenberg die gegenüberliegende Berghöhe (Alte 
Burg, Rümberg) zu ihrem Stammſitze erkoren. 


„Das Geſchlecht der alten Grafen von Werl und Arnsberg,“ 
ſagt Seibertz, „ausgezeichnet durch ehrwürdiges Alter und erlauchten 
Familienglanz, gehört zu den erſten unſerer Fürſtenfamilien.“ Den 
Stammbaum desſelben führt unſer Gelehrter auf einen Grafen Her— 
mann J zurück, der zuerſt im Jahre 987 urkundlich erwähnt wird. 
Seine Grafſchaft umfaßte ein großes Gebiet: das ſpätere Herzogtum 
Weſtfalen, die Grafſchaft Mark, den Süden des Münſterlandes, den 
nordweſtlichen Teil des Fürſtentums Paderborn u. a. Die Gemahlin 
Hermanns war Gerberga, die Tochter des Königs von Burgund. 
Aus diefer Ehe ftammten fünf Kinder, unter ihnen die fpätere Kaiſerin 
Gijela,?) die Gemahlin Konrads IL, die Stammmutter der 
Heinride (II, IV, V) aus fränkiſchem Geſchlechte. Auch mit dem 
ſächſiſchen Kaiferhaufe war das Grafengejchleht eng verwandt; und das 
preußiiche Königshaus zählt eine Gräfin aus diefem Gefchlechte zu feinen 
Ahnen, da Ida, eine Enkelin Hermanns, Stammmutter der Grafen 
von der Marf wurde. 

Es ift hier nicht der Ort, die Schidjale der Grafen von Werl 
weiter zu verfolgen und zu zeigen, wie ihre ausgedehnte Herrſchaft 
mehr und mehr an Umfang verlor und jchließlich bis auf einzelne 
Befigungen faft nur nod die heutigen Kreiſe Arnsberg und Mejchede 
umfaßte. Die Grafen des großen Kaiſers waren bei aller Madt- 
befugnis doc) nur feine Beamten, die er überwachen ließ und nad Gut- 
dünfen ein» und abſetzte. Die fpäteren Grafen waren Randesherrn 
mit reihsfürftlihem Charakter und erblicher Würde. Denn ihre Herr- 
ihaft war Reichslehn: fie waren unmittelbare Glieder des Reiches, die 
im Neichstage Sig und Stimme hatten, an den Königswahlen mit- 
wirkten ufw.?) Der Umfang ihrer Graffchaft dedte fich nicht mehr 
mit dem des Gaues, der ihren Vorgängern einft überwiefen war; durd) 
Kriege, Kauf, Vererbung ufw. waren hier fremde Gebiete dazuge— 
wonnen, dort Stüde des eigenen verloren gegangen. Daher war aud) 


') Seibertz ſchließt das frühere Bejtehen diefer Burg aus der Bezeid) 
nung „alte Burg. Der Ältefte von Rüdenberg, mit Namen Hermann, wird 
1112 zuerjt erwähnt. 

2) Die Bedenken, welche von Giefebreht und Wait gegen die Iden— 
tität beider erhoben find, dürften von Seibert, dem Erhardt und andere 
neuere Forſcher fi anfchließen, widerlegt fein. 

) ber das Verhältnis der Grafen zu den Herzögen fiehe weiter unten. 


8 Geſchichte der Grafen don Arnsberg. 


der Name des Gaues, über den die Grafen herrichten, unweſentlich ge- 
worden. So nannten ſich denn die älteren Grafen von Weftfalen nad) 
ihrem Wohnfige aud) Grafen von Werl, die jüngeren Grafen von 
Arnsberg Wohl in bewußter Anlehnung an den Namen ihrer neuen 
Nefidenz nahmen die Grafen einen Adler in ihr Wappen auf; denn 
Arnsberg, gebildet von der:arn, des arnes — Aares, bedeutet „Adlerberg”, 
was man im Mittelalter recht gut wußte. Das gräfliche Wappen zeigt 
einen filbernen Adler mit goldenen Yängen im blauen Felde. — (Bol. 
F. Köhler, Vierteljagresihrift für Heraldik ufw. Berlin 1895, Heft 1.) 


Die Grbauung des Arnsberger Scloffes (um 1080). 


Welcher Graf von Weftfalen feinen Stammjit von Werl nad) Arus— 
berg verlegt hat, iſt ebenjowenig überliefert wie das Jahr des Schloß— 
baues. Nach der herfümmlichen Darftellung hat Graf Hermann II im 
Jahre 1026 das Eigentum am Schloßberge erworben. Der Abt 
Heithanrih von Werden trat ihm für die Anfprüde, die er als 
Bogt (Schugherr) des Klofters Werden erhob — er nennt ihn den 
„Edeliten und Mächtigſten“ feiner VBögte — eine größere Anzahl von 
Gütern ab, darunter zwei Höfe in Ahtisberga oder Ahrisberga. 
Diejen Namen hat man auf Arnsberg gedeutet und geglaubt, durd jene 
Abtretung fei der Schloßberg in das Eigentum der Werler Grafen 
übergegangen. Dies ift möglid, aber durdaus nicht ficher; möglich 
unter der Vorausfegung, daß Ahtis- oder Ahrisberga ein Schreibfehler 
ftatt Arnesberga fei; falſch ift es jedoch, Ahtisberga ohne weiteres mit 
Arnesberga gleichzufegen, wie es neuere Forſcher gethan haben. — 
Die Gründung des Arnsberger Schlofjes ſchreibt Seiberg unbedenklich 
dem Grafen Konrad zu und giebt ca. 1077 als Gründungsjahr an. 
Dieje Annahme beruht vornehmlid) auf der Notiz eines alten Ehronijten, 
des Annalifta Saro, der zum Jahre 1082 bemerkt: Tertiam vero 
(filiam Ottonis de Nordheim) duxit Conradus Comes de 
Arnesberge genuitque ex ea Fridericum Comitem, d. h. die 
dritte (Tochter Ottos von Nordheim) heiratete Konrad Graf von 
Arnsberg und zeugte mit ihr den Grafen Friedrich. Hiernach muß im 
Jahre 1082 das Schloß Arnsberg geftanden haben; denn ſonſt Fonnte 
Konrad nicht danach genannt werden. 

Tobien, ein neuerer verdienſtvoller Erforicher der Geſchichte unjerer 
Grafen, hält nun zwar die Zuverläſſigkeit jener Mitteilung für möglich, 
bermißt aber eine urfundliche Beitätigung. Urkundlich werde das Schloß 
Arnsberg überhaupt erit im Jahre 1114 erwähnt, und deshalb könne man 
erſt von dieſem Jahre an mit Sicherheit von einem Grafen bon Urnsberg reden. 


Die Erbauung des Arnsberger Schlofies. 9 


Nun iſt zwar die ſicherſte Grundlage gejchichtlicher Forſchung die ur- 
fundlihe Uberlieferung. Diefelbe kann jedoch auf ihr allein nicht fußen. 
Die einzige Einwendung, die Tobien gegen die Glaubwürdigkeit jener Über— 
lieferung macht, ift, daß Graf Friedrich vor dem Jahre 1114 vornehmlich als 
„Sraf von Weitfalen“, nachher als „Graf von Arnsberg” aufgeführt werde. 
Die Bezeihnung „Sraf von Weitfalen“ läuft neben den anderen „von Werl“ 
und „von Arnsberg“, bis fie noch unter Friedrich ganz verſchwindet. So 
wird der Bruder Friedrichs bei dem Annalijten Gobelinus Persona „Frater 
Comitis Westfaliae de Arnsburg* genannt. Daher ijt jener Einwand nicht 
begründet. ES jteht aber jene Angabe nicht vereinzelt da; denn es wird 
weiter bei Annaliften des Schloffes Arnsberg zum Jahre 1102, des Grafen 
bon Arnsberg zum Jahre 1111 gedacht. Wozu annehmen, daß diefe Geſchichts— 
jhreiber fich immer im Irrtum befunden haben? Bu dem folgenden Jahre 
1112 (27. April) dann Tiegt die ältejte urkundliche Erwähnung des Comes de 
Arnesberga vor.') 


Einen weiteren Halt gewinnt die Seiberg’fcdhe Vermutung dadurd), 
daß für den Grafen Konrad ein beftimmter Grund vorlag, den Stamm: 
fig feines Geſchlechts zu verlaffen; denn fein Bruder Ludolf oder Luit— 
pold ſchenkte dem kölniſchen Erzftifte „Werl und alles, was er an 
Eigentum in der fölnifchen Diözefe bejaß, und außerdem ſoviel von 
dem Yürwalde (Arnsberger Wald), wie feinem Bruder Konrad verblieb.“ 
Wenn nun auch nur ein Teil der Werler Befigungen dem Grafen 
verloren ging, jo mochten ihn dieſe und andere Schenfumgen dod) be- 
wegen, jeine Refidenz mehr in den Mittelpunkt feiner Beſitzungen 
zu verlegen. Da nun eben damals die Sitte aufkam, auf fteilen 
Bergen Schlöffer anzulegen, jo ift es nicht zu verwundern, daß Konrad 
den Berg bei Arnsberg zum neuen Stammfite feines Geſchlechtes erfor. 

Diefe im Herzen der Grafſchaft inmitten einer wald» und wild- 
reihen Gegend belegene Anhöhe fpringt ein wenig über einer längeren, 
nah Süden gerichteten Bergzunge vor und fällt nad Weften und 
Dften ziemlich jhroff ab, ſodaß die Höhe auf diefen Seiten nicht 
angreifbar war. Die Nord» und Südſeite mußten dagegen durd) 
Mauern und Gräben gejchütt werden. In Huger Anpaffung an die 
örtlichen Verhältniſſe legte Konrad die Vorderſeite des Schloſſes nad) 
Süden und fperrte jo durch den mit mächtigen Edtürmen verjehenen 
Hauptbau den Gebirgsrüden in feiner ganzen Breite. An jene Türme 
ftießen mächtige Seitenflügel an; fie ragten unmittelbar über den fteilen 
Bergwänden im Weften und Often empor. Die jo gebildete Burg mit 
der Kapelle und dem tiefen Brunnen wurde im Norden durch 
eine feſte Mauer gejchloffen, in deren Mitte fich der den ganzen Bau 
beherrjchende „dicke“ oder „weiße" Turm erhob, des Schloſſes Boll: 


1) Wilmans Urk, Addit. ©. 91 Nr. 19. 


10 Geſchichte der Grafen von Arnsberg. 


werk (Belfried), deffen Spitze eine unbeſchränkte Ausſchau bis in die 
nördliche Ebene geftattete. Es ift freilich nur Vermutung, daß ſchon das 
ältefte Schloß dieje Form gehabt Habe, und deshalb erjcheint es zwecklos, 
eine noch eingehendere Schilderung zu verſuchen. Die Überlieferung 
läßt uns hier, wie in jo manchen anderen Punkten im Stich; die Ur- 
funden der Grafenzeit erwähnen nur einmal die Schloßkapelle (1114) 
und eine aurea caminata, ein „goldenes Kabinet”, was man auf eine 
glänzende Ausftattung des Schloßinnern deuten mag. — Außer dem 
Grafen, feiner Familie, feiner Dienerfhaft gewährte das ſehr geräumige 
Schloß auch einzelnen gräflihen Beamten, ſowie Rittern und Knappen 
Wohnung. 


Die Nachfolger Konrads erbauten zum Schutze der Grafſchaft 
nad) und nad nod eine Reihe von anderen Schlöffern, zumeift auf 
Bergeshöhen: das Schloß Neheim (nicht Vorftenberg über Neheim), 
Walfenjtein, Grevenftein, Wildshaufen, Hirſchberg, Eversberg u.a. 
Die Burg Hachen, die nicht von voruherein in ihrem Befige war, rühmte 
ſich eines höheren Alters als Schloß Arnsberg. Die gräflihen Burgen 
wurden von Burgmännern bewohnt und verteidigt. Auch manche 
Schlöffer von Edelleuten (Nobiles) ſchmückten die janerländiichen 
Höhen. Diefe Edlen ftanden, ohne landesherrlihe Befugniffe zu be— 
figen, den Grafen im Range gleich) und waren ihre Gefährten im Kriege 
und auf der Jagd. 


Die Jagd bildete damals wie jchon vorher und nachher die Lieblings- 
befchäftigung der Großen. „Der wichtigite Gehülfe des Jägers war der Hund, 
der unter Umftänden teurer bezahlt wurde, als felbjt Ochjen und Pferde. Es 
wurden unterfchieden der Leithund (Spion), dem der Jäger folgte, ber Treib- 
hund (Brade), der an der Leine geführte Schweißhund, der unter der Erde 
jagende Dachs, das Windjpiel (Hafenfänger), der Hühnerhund, der Saufänger 
(zur Jagd auf Eber, Bären und Büffel), der Schäferhund (gegen den Wolf). 
Die Jagdhunde wurden als gelernte und als Meiſterhunde unterjchieden. 
Man zähmte auch Wild, um ungezähmtes durch Jagen und Rufen zu berüden. 
Zur Bogeljagd („Feder-Spiel“), einer bejonders noblen Pafjion, zähmte man 
Falken, Habichte, Sperber und fogar Tauben. Für einen Freien gehörte es 
zum guten Tone, nicht auszugehen ohne einen Stoßvogel an der Hand.” Man 
fing aud) das Wild in Striden, Schlingen uſw. und veranjtaltete Heßjagden, 
indem man große Reviere mit Negen und Tüchern umijtellte, um das Wild 
einzuengen. „Am Arnsberger Walde Hatte eine Schlucht den Namen Netze— 
winkel, weil bier ein von zwei Waldbähen (Quambeke und Hagenfiepen) 
gebildeter Winkel vorzugsweife zum Aufitellen von Netzen für das geheßte 
Wild fi eignete. Seitdem die Jagd mit Pulver und Blei ausgeübt murde, 
erlegten die Jäger das hier durchſchlüpfende Wild; Netzewinkel wurde ums 
getauft in Schlupf”. Jagdbares Wild waren Bären, Wölfe, Büffel, Eber, 


Graf Konrad und fein Bruder Heinrich. 11 


Hirſche, Rebe, Füchſe, Auerwild uſw. Beiläufig ſei bemerkt, daß im Arnsberger 
Walde ſich auch wilde Pferde tummelten. GSeibertz, Blätter zur näheren 
Kunde Wejtfalens 1862, ©. 51; Landesgeſch. I, 117; III, 239 f.) 


Graf Konrad (bis 1092). 


Konrad, der erfte Graf von Arnsberg, war mit der dritten Tochter 
de8 berühmten Herzoges Dtto von Nordheim vermählt. Diefer war 
das Haupt der ſächſiſchen Fürften, welche fich gegen den Kaijer Hein- 
rih IV verbündeten. Wie Konrad ſich in diefem Zwifte zu feinen 
Verwandten geftellt Hat, ift nicht überliefert. Jedenfalls war er cin 
Anhänger des Ratjers zu der Zeit, wo die aus der Reichsgeſchichte befannten 
Kämpfe zwiichen dem Kaifer Heinrich) IV und dem Bapfte Gregor VII 
Deutjhland in zwei große Parteien jpalteten. Dies ſchloß Seiberk 
daraus, daß der Graf durd) feinen Einfluß beim Kaiſer feinem Bruder 
Heinrih die Würde eines Biſchofes von Paderborn verjchafft habe. 
Diefe Vermutung wird dur eine jehr merkwürdige Mitteilung aus 
der Ehronif der Erzbifchöfe von Magdeburg beftätigt.") 


Als im Jahre 1083 Poppo, der Biſchof von Baderborn, geftorben 
war, wurde Heinrid) von Asloe von dem Gegenfönige Hermann auf 
den bijchöflichen Stuhl gejett. Diejer wurde von dem Grafen Hein: 
rid von Werl, dem Bruder Konrads, aus feiner Stelle verdrängt. 
Heinrich, heißt es in der Ehronif, ftammte aus nicht minder edlem 
Haufe als der Vertriebene und wurde wegen feiner Schönheit Her- 
melin (Harmo) genannt. Um den Kaufpreis für das Paderborner 
Bistum zu gewinnen, trat er feinem Bruder, dem Grafen Konrad, 
feinen Anteil an dem väterlichen Erbe ab. Dann begab cr ſich nad) 
Rom, wo Heinrich IV eben den Papft Gregor belagerte. Hier gelang 
es ihm auch durch Vermittelung feines Bruders Konrad, das Bistum 
zu erfaufen, und er wurde mit der Zuftimmung des Gegenpapftcs 
Wibert zum Bifchofe ernannt. 


Aus diefer Angabe folgt, daß Graf Konrad den Kaijer 
Heinrih IV auf feinem durch die Belagerung der Engels— 
burg befannten Römerzuge (1081-—1084) begleitet hat. Nad) Er- 
oberung des Laterand am 21. März 1084 fette befanntlich Heinrich IV 
Wibert zum PBapfte ein, der ihn am 31. März zum Kaifer Frönte. 
Hierzu erzählen die Annalen von burg): „Der Kaifer Heinrich wählte 


) Diefamp in den Ergänzungen zu Wilmans Urkundenbud, ©. 22 ff. 
) Diefamp a. a. DO. ©. 24. 


12 Gefchichte der Grafen von Arnsberg. 


aladann Heinrih, den Sohn de8 Grafen Bernhard!) von Werl, zum 
Biſchofe von Paderborn.” 


Heinrich kehrte nun nad Weftfalen zurüd, um feinen fanonijd) 
gewählten Gegner mit Waffengewalt aus dem Bistume Baderborn zu 
vertreiben. Heinrich von Asloe mußte jchließlich feinem Gegner weiden. 
Er entfloh nad) Magdeburg, wo er fpäter zum Erzbiichofe gewählt 
wurde. Graf Konrad hat ohne Zweifel feinen Bruder im Kampfe um 
das Bistum nachdrücklich unterftügt. Diefer jöhnte ſich jpäter mit dem 
päpftlihen Stuhle aus. 

Aus dem Leben unjeres erften Grafen ift jonft nichts als jein 
traurige Ende befannt. Auf einem Feldzuge nad) Oftfriesland, den 
er vielleicht zur Behauptung des Emsgaues unternommen hatte, wurbe 
er nad) den Worten des jähfiihen Annaliften „mit feinem Sohne 
Hermann und vielen andern Edeln von den Frieſen, welhe Mor: 
jeten genannt werden, erjhlagen" Die Grafidaft ging auf feine 
Söhne Heinrich und Friedrich über, welche meift vereint erſcheinen, 
jedoh jo, daß Friedrich als regierendber Graf von Arnsberg 
hervortritt. 


Graf Friedrich der Streitbare (bis 1124). 


Graf Friedrichs Zeit bezeichnet den Glanzpunft in der Ge» 
ihichte der Grafſchaft Arnsberg. Sein kriegeriſcher Sinn, fein ftarker 
Arm war weit über die Grenzen feiner Herrſchaft befannt und gefürchtet. 
„Eben jener," fagt von ihm der ſächſiſche Annalift, „war ein 
zweiter Cäſar; jeine Hand war gegen alle und aller Hand 
war gegen ihn." Daher erhielt er den Beinamen „der Streitbare” 
(Bellicosus). Ihn zeichnet vor allen andern Grafen aus, daß er fid) 
einen Namen in der Gejchichte des Neiches gemacht und auf die Scid- 
ſale der gleichzeitigen deutjchen Kaifer Einfluß geübt hat. Freilich er- 
lebte Friedrich auch manden Mißerfolg, manche Enttäufhung; und auf 
jeinen Charakter fallen mande Schatten. Insbeſondere entwarfen geijt- 
liche Scriftfteller aus begreiflichen Gründen ein fehr ungünftiges Bild 
von ihm. Trotz allem muß Friedrich nicht bloß für den hervorragend: 
jten Grafen von Arnsberg gelten, jondern überhaupt für einen nicht 
unbedeutenden Herrfcher, bei dem es immer „zu bedauern bleibt, daß 
er die ihm verliehenen Kräfte durch Überbietung fprengte”. 


) Hiernach berichtigt Diefamp a. a. DO. die genealogiſche Tafel von 
Seiberk, der ohne Grund Bernhard kinderlos fein läßt und Heinrich I, defien 
Bruder, den Brüdern Konrad, Ludolf und Heinrich zum Vater giebt. 


Friedrich der Streitbare und die Kaifer Heinrich IV und V. 13 


Im Kahre 1102 fiel Friedrich in das Gebiet des kölniſchen Erz- 
biſchofs Friedrich ein. Ihre Feindſchaft beruhte wohl auf einer 
verjchiedenen Stellung zum Kaiſer Heinrih IV. Der Erzbiſchof rächte 
ſich durdy einen Kriegszug in die Gebiete des Grafen und zerftörte 
Schloß Arnsberg. Dod war fein Kriegsglüd nicht von Dauer. 
Friedrich überfiel das Fölnifche Heer, befiegte e8 und führte viele Ge- 
fangene mit ſich. 

Darauf wandte er fid) gegen den Biſchof Burdard von Münfter. 
Im Jahre 1105 hatte Heinrich V fidy gegen feinen unglüdlihen Vater 
Heinrich IV erhoben. Faſt alle geiftlihen und weltlichen Fürften 
Deutichlands waren auf die Seite des Empörers getreten, unter ihnen aud) 
Burdard. Diefer wurde von Friedrich im Jahre 1106 gefangen ge- 
nommen und dem Kaiſer ausgeliefert, der ihm fpäter fterbend die 
NReihsinfignien übergab, um fie jeinem ungetreuen Sohne zu überreichen. 
Heinrich V feste Burchard wieder in feine Biſchofswürde ein. 

Als der neue Kaiſer im Jahre 1111 jeinen Römerzug antrat, 
um den Inveſtiturſtreit beizulegen, befand ſich Heinrich, der Bruder 
Friedrichs, in feinem Gefolge. Bei Beginn der Verhandlungen ftellten 
fih der Kaifer und Bapft Paſchalis II zur Gewährleiftung ihrer Sicher— 
heit ©eijeln. Unter den Geifeln des Kaifer8 wird Heinrich, der Bruder 
de3 Grafen von Arnsberg, genannt. 

Im Frühlinge des folgenden Jahres befuchte der Kaifer in Be— 
gleitung der Erzbifchöfe von Mainz, Trier und Köln und vieler anderer 
Fürften die Stadt Münfter. Auch Friedrid von Arnsberg erjchien 
damals im kaiſerlichen Hoflager. Indes war das hier befundete gute 
Einvernehmen beider nicht von Dauer. Denn als Heinrich V durd) 
jein herrifches und felbftjüchtiges Auftreten die ſächſiſchen Fürften zur 
Empörung gereizt hatte, gejellte ſich Friedrich von Arnsberg mit feinem 
Bruder Heinrid zu feinen Feinden. Im Jahre 1114 unternahm 
Heinrich V einen Feldzug gegen die riefen. In Köln angelangt, fand 
er die Stadt in hellem Aufruhr; und als er ſich anſchickte, die auf- 
läffigen Bürger zu züchtigen, vernahm er, daß viele Fürften vom 
Niederrhein und aus Weftfalen mit Heeresmacht gegen ihn heranzögen. 
Da wandte er fich gegen Jülich, wo das feindliche Heer lagerte. Hier 
fam es zu einem heftigen Kampfe. Schon wandten fid) die Verbündeten 
zur Flucht, als plöglic; Graf Friedrid von Arnsberg mit feinem 
Bruder Heinrich dem faiferlichen Hecre in den Rüden fiel und deffen 
vollftändige Niederlage herbeiführte. Der Kaifer jelbft entging mit 
fuapper Not der Gefangenihaft. Diefe Schmad zu rächen, zog der 
Befiegte noch im Dftober desjelben Jahres mit ftarfer Macht gegen den 


14 Geſchichte der Grafen von Arnsberg. 


Grafen von Arnsberg zu Felde. Bon der Stadt Soeft erpreßte er 
eine große Summe Geldes, z0g plündernd und brennend burd die 
Grafihaft und befeftigte im Gebirge ein Kaftell (vielleicht Lüdenſcheid). 
Dur den Einbrucd des Winters gezwungen, fchrte er zurüd. Daß 
Friedrih den Verwüftungen feines Landes unthätig zugejehen habe, ift 
nicht anzunehmen. Leider fehlt über fein Verhalten jede Nachricht. Der 
Raijer begab fi) nad) Goslar. Dorthin berief er auf Weihnachten viele 
Fürften zu einem Reichstage. Der Sachſenherzog Lothar von Supplin- 
burg, der Biſchof Reinard von Halberftadt, der Pfalzgraf Friedrich, der 
Markgraf Rudolf u. a. erjchienen nicht und wurden deswegen vom 
Kaiſer in die Reichsacht gethan. Dieſe zogen ihre Heere in die fefte 
Burg Walbeck zujammen und ließen öffentlid) erklären, daß fie nur ge- 
zwungen fämpfen würden. 

Der Kaiſer rüdte jedod jhon im Januar 1115 aus und begann 
den Feldzug mit der Eroberung von Braunjchweig, dem Erbe der Ge- 
mahlin Lothars; dann verwüftete er Halberftadt, während jein Feldherr 
Hoyer von Mansfeld Orlamünde belagert. Währenddem zogen aud) 
die Weftfalen heran unter Führung Friedridg von Arns— 
berg und feines Bruders Heinrid, der Grafen Calvelage (Ravens- 
berg) und Heinrid von Limburg. Die jo verftärkten Bundesgenofjen 
wandten ſich gegen Hoyer. Eiligft fam nun auch der Kaifer herbei, 
und die vereinigten Heere beider Zeile ftanden ji) eine Zeit lang 
drohend am Welfesholze in der Grafſchaft Mansfeld gegenüber, bis 
Graf Hoyer, welchen die Hoffnung auf das verjprochene Herzogtum 
Sadjjen ungeduldig machte, den Angriff begann. Nad) erbittertem 
Kampfe fiel Hoyer unter dem Schwerte de8 Grafen Wipredht von 
Groitſch, feines perſönlichen Feindes. Der Fall des Feldherrn brachte 
Verwirrung und Flucht in die Reihen des Heeres. Lothar gewann 
einen entjheidenden Sieg, Es war der 11. Februar 1115. 

Heinrich) V zog mit den Überbleibjeln feines Heeres nad) Mainz; 
die Verbündeten eroberten Dortmund (Trotmunde), vertrieben von hier 
die Faiferliche Beſatzung und zerftörten das Faiferlihe Schloß. Dann 
wandten fie fi) nad Münfter. Diefe Stadt hatte Biſchof Burdard 
auf die Seite des Kaifers gezogen und „aus Furt vor den Grafen 
von Arnsberg und Tedlenburg und den Edlen von Meinhövel” mit 
einer Mauer umgeben. Die Verbündeten drangen in die Feſtung cin 
und nötigten die Bürger, ihnen Treue zu ſchwören. An Burdards 
Stelle jegten fie Theodorid von Weizenburg als Biſchof ein. 

Bon Münfter zogen Lothar und Friedrich von Arnsberg auf 
Corvey und zerftörten die Burgen Falfenftein und Waldhaufen. In 


Friedrich der Streitbare und Kaiſer Heinrich V. 15 


Eorvey erjchienen alsbald als Abgeordnete des Kaiſers Biſchof Erlung 
von Würzburg umd Herzog Welf von Bayern, um eine Ausföhnung 
anzubahnen. Man erklärte jich bereit, auf einer Reichsverſammlung 
zu Mainz am 1. Nov. 1115 in Verhandlungen einzutreten. 

Während feines Aufenthaltes in Corvey fchloß Friedrich mit dem 
Abte Erdenbert Freundihaft. Er ließ ſich fogar von ihm in bie 
Bruderſchaft des h. Veit, des Stiftspatrones, aufnehmen, deren Zwed 
fromme Andachtsübungen und Almofengeben war! Zu den Befigungen 
der Abtei Corvey gehörte durch Schenkung Ludwigs des Frommen die 
Reichsveſte Eresburg, deren Bewohner ſich damals gegen den Abt 
empört hatten. Diejer bat num feinen mächtigen freund, die Eresburger 
zu züchtigen. Friedrich gehorchte und zerftörte die ihm wahrſcheinlich 
ohnehin verhaßte Nachbarburg. 

Inzwiſchen erwartete der Kaijer in Mainz vergeblid bie 
Ankunft der weltlichen Fürften zu dem im Ausficht geftellten Kon— 
greſſe. Seine Anmwejenheit wurde von den Mainzern benugt, um 
die Freilaffung ihres Erzbifchofes Adelbert zu erwirfen, den der 
Kaifer jeit vier Jahren auf dem Schloffe Trifels gefangen gehalten hatte, 
Einjt des Kaifers Kanzler und befter Freund, hatte er fi nachher aus 
Anlaß des Ymveftiturftreites mit ihm überworfen und war eingeferfert 
worden. Der Befreite verlieh den Mainzern zum Danke bejondere 
Privilegien, die auf metallene Kirchenthore eingegraben wurden. Unter den 
Zeugen, die diefem Akte beimohnten, erjcheint als erfter in der Reihe der 
Grafen Friedrich von Arnsberg. Aus diefem Umftande geht her- 
vor, daß Friedrich fi) nad) Mainz begeben hatte, und zwar um ſich mit 
dem Kaifer auszuföhnen. In der That jehen wir ihn fortan auf defjen 
Seite und im feinen Dienften thätig. In Osnabrück war Dethard 
(Ditmar) von der Geiftlichkeit zum Biſchofe gewählt worden. Dieſe Wahl 
war dem Kaiſer nicht genehm; er ernannte anftatt feiner den Propft von 
Hildesheim, Konrad. Friedrich von Arnsberg nahm es auf ich, diejen 
mit den Waffen zu ſchützen. Die Geiftlichkeit, die Meinifterialen, die 
Bürger der Städte im Stifte Dsnabrüd fetten ji) zur Wehr und 
führten Dethard nad) Köln, wo er am 11. April 1119 von dem Erz- 
biihofe Friedrich geweiht wurde. Aber Friedrich gönnte ihm feine Ruhe; 
er drang mehrere Male verheerend in feine Diözeſe ein und gab die 
Feindjeligfeiten nicht eher auf, al8 bis der Erzbifchof Friedrid von Köln 
Dethard mit dem Kaiſer ausgejöhnt Hatte. 

Am Ende des Jahres 1120 zog der Kaijer unter dem Geleite 
des mächtigen Arnsberger Grafen von Worms, wo er eine 
traurige Weihnacht gefeiert hatte, nad Goslar. Hier bewilligten 


16 Geſchichte der Grafen von Arnsberg. 


ihm der Erzbiſchof von Köln, der Herzog Lothar und die übrigen ſächſiſchen 
Großen wenigitens Waffenruhe. Es ift wohl fein Zweifel, daß Friedrid) 
damals der Vermittler zwiſchen Kaiſer und Fürſten war. 


Während Friedrichs Thätigfeit ſich bis dahin vornehmlich außerhalb 
feiner Graffchaft abgejpielt hatte, fand fie jet daheim ein Feld. Hart 
an den Grenzen feiner Herrichaft auf dem Wulfsed an der Lenne legte 
der Graf von Berg ein feites Schloß an. „Alte na” (allzunah) war 
das dem Arnsberger; er rüjtete, den Bau zu hindern; aber es gelang 
ihm nicht. Laffen wir den alten Chroniften davon erzählen. Lewold von 
Nordhof jagt in feiner Chronik der Grafen von der Mark folgendes 
(Seib. Quellen I, S. 17): „So dit (den Burgbau auf dem Wulfseck) de 
Grave van Arnfbergh vernomen, wilchers Macht und Gehoer totten Tyden 
fit verne und wyeth ftredende und anders geinen in den Yändern erfante, 
hefft hie durch de Syne de Gebrodere (Berg) bejandt, je dat ange» 
hauene Werf beruften leithen, wante ſulches Beveftung und Slott oem 
dair al te nae were, dar uth je dem Slotte einen Namen geven Al- 
tenae und wenich up de Botjchafft geachtet, Haben mit gröterem vlythe 
und Arbeide gejterfet. Demnahe de Graeff van Arnßbergh jei willen ver— 
driuven, hefft den Bergh umblacht dan thom leſten jehende nicht fonnen 
beſchicken, moſte fie beruften lathen.” (So dies der Graf von Arns— 
berg vernommen, deſſen Macht und Gehör zu den Zeiten fi fern und 
weit erjtredte, und der anders feinen in den Rändern anerkannte, hat er 
durch die Seinigen die Gebrüder bejandt, daß fie das angehauene Werk 
ruhen ließen, da eine folde Feitung und ein foldes Schloß ihm zu 
nahe wären. Daher haben fie dem Schloffe einen Namen gegeben 
„Altena“ und wenig auf die Botichaft geadjtet, haben e8 mit größerem 
Fleiße und mehr Arbeit verftärft. Demnach wollte der Graf fie vers 
treiben, hat den Berg umlagert; dann zuletzt fehend, daß er fie nicht 
beſchicken konnte, mußte er fie in Ruhe lafjen.) 


Eine andere bittere Enttäufhung erlitt Graf Friedrih im Schoße 
jeiner Familie. Seine Tochter Yutta war mit Gottfried, dem Grafen 
von Gappenberg, vermählt. Diefer übergab fein Schloß und feine 
übrigen reihen Bejigungen dem h. Norbertus zur Gründung eines 
Norbertinerflofter8 und trat ſelbſt ſamt Jutta und feinem Bruder 
Dtto in den Ordensſtand. Vergebens ſuchte Friedrich dies durch 
Drohungen und Waffengewalt zu hindern. Er fand aud beim Kaiſer 
mit feinen Vorftellungen fein Gehör. Diejer beftätigte die Stiftung, und 
Friedrich gab ſich jchlieglic zufrieden. Bald nachher ftarb er eines 
plöglichen Todes. 


Friedrich der Streitbare und der Hl. Norbertus. 17 


So viel dürfte als gefhihtlid verbürgt gelten. Wir laſſen 
nunmehr die Erzählung mit allen Einzelnheiten folgen. 

Norbert war um das Jahr 1082 zu Kanten im Elevifchen aus der 
adeligen Familie von Gennep geboren. Seine jhöne Erjcheinung, feine 
reihen Anlagen, feine vornehmen Sitten verſchafften ihm bald die Gunft 
der höchſten Männer. Er wurde Geheimjchreiber des Kaiſers Heinrich V 
und begleitete dieſen auf alfen feinen Reiſen. Ein bedeutendes DVer- 
mögen jegte ihn in den Stand, an allen VBergnügungen und Zerſtreuungen 
der großen Welt teilzunehmen. Einft jchleuderte ihn, heißt es, ein 
Blisftrahl von jeinem Pferde. Dies machte jolden Eindrud auf Norbert, 
daß er auf die Freuden der Welt verzichtete und fich einem ftrengen 
Büßerleben Hingab. Der Erzbiichof von Köln weihte ihn zum’ Priefter. 
Norbert begann in Xanten zu predigen; dann zerriß er die letzten Bande, 
die ihn an die Welt fnüpften, indem er auf feine Pfründen Verzicht 
leiftete, feine Habe verkaufte und den Erlös den Armen gab. Nun 
zog Norbert in härenem Gewande als Bußprediger umher. Auf einer 
jeiner Reifen fam er nad) Laon. Der dortige Bifchof erlaubte ihm, in 
jeiner Diözeſe ein Klofter zu erbauen. Norbert wählte hierzu ein rauhes 
umd einſames Waldthal, und gründete im diefer Einöde (1120) „auf der 
(vom Himmel) gezeigten Wieſe“ (pratum monstratum, pr& montre) mit 
13 Schülern das Klofter Prämonftrat, dem er im folgenden Jahre 
ftrenge Ordensregeln vorjchrieb. 

Kurz nachher unternahm Norbert wieder eine Reiſe nad Köln. 
Hier hörte ihn, als er vor vielem Volke predigte!), Gottfried von Cappen— 
berg. Das weiche, fromme Gemüt des Grafen ward von den Worten 
de8 Bußpredigers tief ergriffen. Sein Herz drängte ihn, dem Bei- 
jpiele Norberts zu folgen. Da fand er nun heftigen Widerſpruch bei 
feiner Gemahlin, der jchönen Jutta von Arnsberg, und bei feinem 
Bruder Otto. Aber des Grafen Entjhluß war bereits gefaßt. ALS 
von ihm geladen einft Norbert jelbjt auf jeinem Ejel in Eappenberg er- 
ſchien, da ſchmolz unter den feurigen Worten des Predigers der Wider- 
ftand der ftolzen Jutta und des jungen Dtto dahin, und aud) fie ent- 
jagten ber Welt. Cappenberg, Weſtfalens ftolzejte Ritterburg, wurde in 
ein Klofter verwandelt. 

Das erfuhr Graf Friedrich von Arnsberg. Wilder Zorn jchüttelte 
den grimmen Haudegen, „mit deſſen Fauſt das Schwert verwachſen zu 
jein ſchien“. Wütend rief er, man habe jeine Tochter verführt; durch 
Pfaffentrug werde ihm ihre Mitgift geraubt. Nicht deshalb habe er 

) Ein Hübjches neueres Glasgemälde in einem Fenjter an der Süd— 
jeite unſerer Kloſterkirche ftellt diefe Predigt Norbert3 dar. 

Feaur, Geihichte Arnsbergs. 2 


18 Sefchichte der Grafen von Arnsberg. 


jie dem Grafen Gottfried vermählt, daß er eine Nonne aus ihr mache, 
jondern um an dem mächtigen Schwiegerfohne eine Stüge feiner Herrichaft 
zu haben. Auch dürfe die erjte Ritterburg des Landes nicht gebrochen 
werden, um gar fürderhin feigen Mönden zum Faulenzen zu dienen. 

Indes wurde am Himmelfahrtstage 1122 das Schloß Cappenberg 
von dem Biſchofe Dietrih von Münfter in Norbert8 Gegenwart zum 
Kloſter geweiht. Nun rüftete Graf Friedrich zum Kriege. Höhnend 
und drohend rief er aus: „Hüte ſich Norbertus, der Gütererjchleicher, 
daß er nicht in meine Hände falle! Mit feinem Ejel will ich ihn an 
eine Wage hängen und jehen, wer von beiden am jchwerjten wiegt!" 
So zog er vor Gappenberg, belagerte das Schloß und eroberte es mit 
leichter Mühe. Er nahm Norbert mit den übrigen Mönchen gefangen, 
und während er ſich mit Gottfried ausjöhnte, warf er den Urheber 
ſeines Verdruſſes in ein Berließ der jüngft von ihm neugebauten 
Wevelsburg, wo ber Unglüdliche bis zum Tode Friedrihs in den 
Ketten der Gefangenschaft ſchmachtete. Noch heute zeigt man dort das 
„Norbertusloch“ und die Klammern, welde die Ketten des Gefangenen 
hielten. 

Etwas anders lautet folgende Erzählung. ALS Friedrid mit Roß 
und Reifigen vor dem Klofter Cappenberg lagerte, und drinnen Angjt 
und Entſetzen aufs höchſte geftiegen waren, beruhigte Gottfried feine 
Schar, trat furchtlos vor feinen erboften Schwiegervater und fprad) zu 
ihm: „Wohlan, elender Menſch, du jcheinft zu glauben, du wohnteft 
allein im Mittelpunfte der Welt, und alles müßte fi) nad deinem 
Willen bewegen. Weißt du nicht, wie graufam du mit der Tochter deines 
einzigen Bruders (Eilife, Erbin von Rietberg) umgegangen bijt? daß 
du fie aus Habjucht, um ihr Erbe an dich zu reißen, ing dunkle Verlieh 
geworfen? Noch bijt du ein großer Mann, ein reicher Fürft; aber aud) 
dur mußt den fteifen Naden in den Staub beugen. Schon find deine 
Haare gebleicht, deine Wangen fahl; beftelle dein Haus, daß du jenjeits 
nicht zu den Unterften gerateſt.“ Lächelnd eriwiderte Friedrich: „hr, 
Herr, jeid mit dem Geifte Gottes noch nicht derartig erfüllt, daß ic) 
nicht gerade jo gut in die ewige Seligfeit eingehen könnte, wie ihr und 
euer Sklave da, der Verführer Norbertus." Dod gab er die Be- 
fagerung auf, um von dem Kaiſer die Aufhebung der Stiftung zu er- 
wirken. Dieſer aber wies ihn ab und machte ihm jogar wegen jeines 
Benehmens gegen Gottfried und Morbert die heftigjten Vorwürfe 
Verdrießlich kehrte der Enttäufchte nad) Arnsberg zurüd und lud Gott- 
fried zur Verſöhnung auf jein Schloß. Gottfried erſchien, und Friedrid) 
führte ihn umher und zeigte ihm alle jeine Bauten, jeine Schätze und 


Das Arnsberg der Grafenzeit nach der Überlieferung. 19 


Herrlikeiten; er führte ihn auf die Zinnen der Burg, von da man 
weit ind Land jchaute, und in die Tiefe der Kerfer, wo feine Gefangenen 
ihmadjteten. Aber umſonſt verjuchte er jo in dem Grafen weltliches 
Empfinden zu weden. Vergeblich verwendete diejer fich andererjeit8 für 
die Unglücklihen im Burgverliefe. Man begab ſich zur Tafel. Während 
der Mahlzeit ftürzte Graf Friedrich tot „mit geborftenem Leibe” Hin. 

Des Grafen Tochter Yutta und ihr Gemahl Hatten, ehe fie ſich in 
voller Ruhe dem Flöjterlichen Leben ergeben konnten, noch ein Abenteuer zu 
bejtehen. Eines Tages wurde Jutta von einem Ritter Namens Franko ent- 
führt. Gottfried jah den Räuber und jtürzte ihm, unbemwehrt wie er war, 
nad. Schon hatte er ihn eingeholt, als der Verfolgte fi) ummandte, um den 
Srafen mit der Lanze zu durchbohren. Das fejte Auftreten desjelben machte 
jedoch jolden Eindrudf auf den Räuber, daß er mit feiner Beute weiter ritt, 
ohne ſich um jenen weiter zu kümmern. Gottfried verjah fih num erjt mit 
Waffen und Gefolge und entriß nad) langer Berfolgung Jutta glüdlich den 
Armen ihres Entführers. 


Aus Friedridyg Leben haben wir nod) zwei Ereignifje nadjzutragen. 
Im Jahre 1114 übergaben ſich mehrere Freie der Kapelle feines 
Sclofjes zu Arnsberg als Wahszinfige, um feinen Schuß zu gewinnen. 
Mit diejer Thatjadje bringt man die Anfänge der Stadt Arnsberg in 
Beziehung, wie im zweiten Abjchnitte erörtert werden fol. An biejer 
Stelfe möge eine, vielleicht jehr alte, am Ende des vorigen Jahrhundertes 
aufgezeichnete Überlieferung über den Charafter de8 alten Arnsberg 
Pla finden, weil fie die Grafen nicht weniger als die Stadt fennzeid)- 
net. Wenngleich in diefer Schilderung die Phantafie desjenigen, der 
fie abgefaßt Hat, augenjcheinlich ſtark ausgeprägt ift, jo wollen wir fie 
doc; unverfürzt wiedergeben. Das alte Arnsberg hatte, heißt es darin, 
urſprünglich nur zwei Eingänge, den einen am ©lodenturme, wo eine Art 
Fort war, den anderen an der Nordſeite dicht unterm Sclofberge. 
Ein paar andere Feine Durchgänge waren nur mit Mühe für Menſchen 
zu erflimmen. Das Innere bot folgendes Bild: „Auf der linfen Seite 
der vom Schlofje herabführenden Hauptftraße ftanden Scenfen und 
Herbergen für die Meifigen und Knappen verworren durdeinander. 
Dicht an der rechten Seite diefer Straße zog in gerader Linie eine 
Menge Reiterjtälle, Stall an Stall, vom oberen Ende bis faft zum 
Sfodenturme hinab; jie waren von Ziegelfteinen aufgeführt, mit Pfannen 
gededt und bei de8 Grafen Anmwejenheit ganz mit Pferden bejett. Sie 
fielen durch ihre rötliche Farbe jchon weit auf den wejtlichen Gebirgen 
in die Augen. Unterhalb diefer Reiterftälle nad) Weiten an der Berg— 
wand hinab wohnten außer Bädern, Brauern und anderen Handwerkern 
mr Waffenjhmiede, deren unabläſſiges Hämmern, Klopfen und 


2* 


20 Bejchichte der Grafen von Arnsberg. 


Schlagen einen faſt unausftehlichen Lärm in der ganzen Umgebung ver- 
urfachte und jogleich auffiel, wenn man über die entfernteren Höfe zum 
Thale fam. Eine Zeit hindurch wurden alle Arten Helme, Harniſche, 
Schilde von den Arnsberger Waffenſchmieden ganz vorzüglich gefertigt 
und in benachbarte Yänder abgeführt.“ 

Bon dieſer Überlieferung findet fich auch eine Spur in der im borigen 
Kahrhunderte gedrudten „Anweiſung Seithens Bürgermeifter und Rath der 
Stadt Arensberg gegen das Gotted-Hauß Wedinghaufen”. Im 87 Heißt e8: 
Durch den Berfauf der Grafihaft habe die Stadt „an Nahrung überhaupt 
abgenohmen, insbejondere aber das Waffen-Schmiede-Handwerck, welches bey 
dem befanten kriegeriſchen Geijte aller Arensbergiicher Grafen die mehrifte 
Einwöhner ernährete, bey nun veränderten Umjtänden in dergejtaltigen Ber: 
fall gefommen, daß nach und nach die mehrijte Einwöhner von dem Aderbau 
und der Vieh- Zucht ihre Nahrung juchen”. ’ 

Indeſſen meijt eine andere höchſt merkwürdige Überlieferung auf das 
Beitehen der (Waffen-) Schmiedefunjt auch in der nachgräflichen Zeit Hin. 
Der Ehronijt des Kloſters Wedinghaufen erzählt zum Jahre 1538: Ebenjo 
find um diefe Zeit allhier aud) einige Eifenhütten geweſen (vorher war 
von Schleifereien im Walpfethale die Rede), welde in der Nähe der Ruhr an 
dem Wege jtanden, der nad) dem jog. Sälzerberg (Selteröberg) führt und 
welcher deswegen der „Hüttenweg“ genannt worden ijt. Und als im Jahre 
1583 die unerhörte große Waflerflut war, welche fat alle Brüden auf der 
Nuhr und auf dem Brüdenplate die Bogeljtange fortriß, auch in den ge- 
nannten Hüttenweg weit hineinbrach gegen aller Menſchen Bermuten, da 
wurden zur Verwunderung aller in dem abgerifienen Ufer tief in der Erde 
einige Böde und Balken entdedt. Es findet ji) auch (in einem näher be- 
zeichneten Regifter), daß diefe damals vorhandene Eifenhütte uns jährlid) vier 
Pfund Wachs hat geben müfjen. Much, fährt der Chroniſt fort, muß an 
diefer Stelle bemerkt werden, daß um jene Zeit bier in Arnsberg viele 
Schmieden gewejen find, woher noch jetzt die Schmiedejtraße ihren Namen 
hat. Diefe war allein von Schmieden bewohnt, auch wird gejagt, daß damals 
allein die Schmiedezunft den Turm, welchen wir Limsturm nennen, gebaut habe. 

In allen diefen Überlieferungen ift ficherlich ein wahrer Kern. An 
einer ehemaligen Blüte des Schmiedehandwerks, fpeziell der Waffenſchmiedekunſt 
in Arnsberg, tft wohl nicht zu zweifeln. 

Wir haben num noch einer Übelthat Friedrichs zu gedenfen. Das 
Sündenbefenntnis des Goldſchmiedes Sibo!) enthält gegen 
ihn eine ſchwere Anklage. Dasjelbe lautet in UÜberfegung etwa fo: 

„sh Sünder Sibo habe das Gold und die Edeljteine angenommen, 
die mein Sohn Rother der Paderborner Kirche diebifch entwendet hatte, Einen 
Teil dieſes Goldes und dieſer Edelfteine haben Friedrich) von Geſeke und 
jeine Frau gejtohlen. Der Teil des Goldes aber, der mir verblieben var, 
wog 3 Pfund. Eine Mark Goldes (etiva 72 Rthlr., j. Wilm. Anm. 4) und 
eine halbe habe ich dem Künſtler Engelrich verfauft für 11 Mark (Silber). 


») Wilm. Add. 28. 


Der Paderborner Kirchendiebſtahl. 21 


Diefe 11 Mark Hat mir der Graf Friedrich dur den Herrn Walo ab: 
genonmen (extorsit). Eine Marf Goldes hat Herr Walo befommen; bon der 
Hälfte derjelben ließ er feiner Tochter Ohrringe (inaures) machen und eine 
foftbare Kette (flum). Bon der anderen Hälfte Habe ich für 3 Frauen Ohr— 
ringe gejchmiedet. (Er zählt nun die Käufer auf.) Jenes ganze Geld hat 
Walo bekommen. — Dem Eszifin habe id) eine halbe Markt Goldes und 17 
Pretiofen für 6 Mark verkauft; 3 davon hat er mir ausgezahlt, 3 jchuldet er 
nod. Ebenſo find 8 Hyacinthen (iacineti) und 2 Perlen in einem Kreuze 
de8 Grafen Friedrih in Arnsberg (in cruce comitis Friderici in 
Arnesberc). Ebenſo hat 2 Hyacinthen die Tochter des Herrn Walo nebjt 100 
Heinen und 4 großen Perlen befommen, die ic) nebjt (cum) 4 Edelſteinen 
gekauft Habe, die Almandinei) heißen. Da war nur wenig Gold bon der 
(legten) halben Mark übrig, welches ich für Ohrringe gebrauchte. Diejes 
babe ich mit den Steinen, die ich noch hatte, in Bremen irgendwen für 2 
Mark verfauft.”?) 

Die hier angedeutete Beteiligung des Grafen an dem Kirchenraube 
ericheint uns um fo verwerflidher, a8 er Schirmvogt der Pader— 
borner,Kirche war. Die Paderborner Vogtei war bereitS feit 1051°) 
in den Händen jeiner Ahnen gewejen. Nad) Friedrichs Tode ging das 
einträgliche Amt auf den Grafen Widefind von Schwalenberg über. 

Nach Friedrichs Tode wurden, wie der ſächſiſche Annalift erzählt, die 
Schlöſſer Wevelsburg und Rietberg, die wahre Raubburgen geweſen, von 
den ummwohnenden Landleuten niedergerifien, Rietberg jogar auf Befehl des 
Herzogs Lothar, der einjt des Grafen Waffengefährte geweſen war. Diefe 
von Seiberg und anderen als richtig hingenommene Nachricht möchte doch an 
Übertreibung leiden. Jedenfalls haben beide Schlöfier noch eine lange Ge— 
ihichte gehabt, aus der wir folgendes hervorheben. Beide verblieben zunächit 
im Bejite der Grafen von Arnsberg. Rietberg wurde jpäter als bejondere 
Sraffchaft von der arnsbergiichen abgezweigt. Die Wevelsburg übergab der 
Graf Ludwig jeiner Tochter als Brautjchat, wodurd die Burg in den Befit 
der Grafen von Walded überging. Diejer verkaufte fie an das Stift Bader: 
born. Zu Anfang des 17. Jahrhunderts führte der Biſchof Dietrich von 
Fürſtenberg das verfallene Schloß gänzlich neu auf. Diefer Neubau ward 
gegen Ende des dreifigjährigen Krieges von den Schweden teilweije zerjtört. 
Im Jahre 1815 fchlug der Blik in den Hauptturm; das Schloß wurde nun 
zur Ruine. Die anjehnlihen Trümmer heutzutage bilden die größte Zierde 
des Almethales. 


Graf Friedrich ftarb ohne männlihe Nachkommen. Seine Ge: 
mahlin, eine Tochter Heinrichs von Limburg, des vormaligen Her: 
zoges von Lothringen, hatte ihm zwei Töchter geboren, Jutta und Sophie. 


») Almandine oder orientalifcher Granat wird in Europd, Afien, 
Afrifa gefunden. Prrtümlich nimmt Wilmans eine Korruption aus Alaban— 
dinae an.) 

2), Wilm. a. a. DO. 6, Anm. 

) Wilm. Add. zu 12, 


22 Geſchichte der Grafen von Arnsberg. 


Die Sciejale der erjteren find uns bereits befannt. Sophie war 
mit einem Grafen aus einem vornehmen niederländiicden Geſchlechte, 
Gottfried von Euid, vermählt. Sie ift die Stammmutter der 
jüngeren Grafen von Arnsberg. 


Graf Gottfried I (bis 1154?). 

Gottfried hat ohne Zweifel gleich nad) Friedrichs Tode die Graf— 
ihaft Arnsberg angetreten und auf Schloß Arnsberg zeitweilig refidiert. 
Er hat hier aber feine Spuren feiner Thätigfeit hinterlaffen ; nicht 
einmal den Titel „Graf von Arnsberg” führt er in den Urkunden vor 
dem Jahre 1141. Häufig treffen wir ihn am Hofe des Kaijers Lothar.') 
Später wurde er jedoch nebft feinem Bruder wegen einer Blutſchuld 
verbannt. 

Während Lothar einen Zug nad) Italien unternahm, fanden nad) 
der Aufzeichnung des ſächſiſchen Annaliften arge Neibereien zwifchen den 
Arnsbergern und Soeftern jtatt, die in Brandftiftung und Mord aus» 
arteten. Der Anlaß wird nicht beridtet. Ob Graf Gottfried oder, 
wie Seibertz vermutet, fein Sohn Heinrich dabei beteiligt gewejen ift, 
fönnen wir nicht fetftellen. 

Kaiſer Lothar ftarb auf der Rückkehr aus Italien (1137). Kon- 
rad III von Hohenjtaufen, jein Nachfolger, hob die Verbannung der 
beiden Brüder von Cuich wieder auf. Gottfried ift nun wieder häufig 
im Gefolge des Kaiſers anzutreffen.) Daß er bei dieſem fogar in be- 
jonderer Gunft geftanden hat, darf man aus einer Urkunde fchließen, 
laut welcher Konrad feinem „geliebten und getreuen Gottfried, Grafen 
von Arnsberg und Cuich“ die Erlaubnis giebt, auf feinen Patrimonial- 
oder Lehnsgütern, wo es ihm gefallen möge, eine fefte Burg zu bauen. 
Dadurch wurde Gottfried eine herzoglicde Befugnis zugejtanden. 
Der Arnsberger Graf ſcheint auch bei dem folgenden Kaiſer, dem be— 
rühmten $riedrih Barbarofja, Gunft und Anfehen genoffen zu 
haben. Am 14. Yuni 1153 erklärte Kaiſer Friedrich Veräußerungen 
des Erzbiichofes Friedrih von Köln auf dem Reihstage zu Worms 
für ungültig. Hierbei mußte Graf Gottfried von Arnsberg vor offener 
Berfammlung der Reichsfürften einen Ausſpruch des vorigen Kaiſers 
bezeugen. Auf feinem Zeugniſſe beruhte die Entſcheidung. 


») 1129 zu Duisburg, 1131 am 2. Mai in Neuß. 

2) Wir finden Gottfried mit feinem Bruder Hermann im Eaijerlichen 
Hoflager: 1141 am 14. Sept. in Köln, 1145 zu Aachen und Utrecht, 11. April 
1147 zu Aachen, 17. Dt. zu Nymtvegen, 17. Mai 1151 ebendafelbft. — Bol. 
Seibert ©. 108 ff, Wilmans Add. ©. 9. 


Gottfried IL. Heinrich I. 23 


Das Zodesjahr Gottfrieds ift unbefannt. Urkundlich erjcheint 
er zuletgt im Jahre 1154 am Hoflager des Kaijers in Nymwegen.!) 
Für die Gejchichte der Grafſchaft war feine Regierung unwichtig. Um 
jo bedeutungsvoller — freilich nad der jhlimmen Seite — wurde die 
Regierung feines Sohnes Heinrich. 


Graf Heinrid; I?) (bis 1185). 

Heinrich I Hatte den gewaltthätigen Sinn jeine® Großvaters 
geerbt. Noch bei Lebzeiten feines Vaters führte er (1145) eine Fehde 
mit dem Grafen Bolquin von Schwalenberg (Waldeck). Die Bewohner 
der Eresburg hatten ſich wieder gegen ihren Abt empört. Während 
der Abt ein Bündnis mit dem mächtigen Grafen Volquin ſchloß, riefen 
die Empörer den Grafen Heinrich von Arnsberg zu ihrem Schuge herbei 
und ließen ihn mit jeiner Mannſchaft in die Thore ein. Heinrich Tag 
daran, die fefte Grenzburg in feinen Befig zu bringen. Er bejdied 
die Ritter von Schwalenberg und Cajeberg her, um mit ihnen nod) mehr 
Türme auf dem Eresberge zu bauen. An dem Tage, wo jene Ritter 
eintreffen jollten, eilten Abt Heinrih und jein Bundesgenoſſe mit 
ftarfer Heeresmacht herbei, um die Vereinigung zu hindern und die 
Burg in ihre Gewalt zu bringen. Sogleich erftiegen fie die Höhe und 
beratjchlagten dann, wie beim Angriffe den Einwohnern der Burg der 
geringfte Schaden zugefügt werden fönne. Damit ging der ganze Tag 
hin. Auf den folgenden Morgen wurde der Sturm bejchloffen. Aber 
während noch alles in tiefem Schlafe lag, brad) der ungeftüme Volquin 
plöglih mit feinen Reitern zum Sturme auf. Seine Soldaten er- 
ftiegen die Mauern und warfen Feuer in die Feftung. Diefe wurde 
jest zum dritten Male zerftört. Graf Heinrid) zog umverrichteter 
Sade ab. 

In den nächſten Jahren weilte Heinrich, wie jein Vater, häufig 
am Hofe?) jowie in der Umgebung des Erzbiſchofes Rainald von Köln 
und feines Verwandten, des Herzoges Heinrich de Löwen. Aber das 
Anjehen, welches er anfangs bei den Fürften des Reiches genoß, ver- 
iherzte er ſpäter durd eine gräuliche Blutthat. 


1) Wilmans, Add. ©. 9. 

*) Heinrich I benannt zum Unterfchiede von feinem Sohne Heinrich II, 
der indefien nicht zur Regierung gekommen ijt. Bergl. ©. 27. 

) Im April 1152 war Friedrih Barbarofia in Soeft. In feiner 
Umgebung befand fi) damals Heinricus comes de Arnesberg. (Wilmans, 
Add. S. 95). In demfelben Monate treffen wir Friedericum de Arensberch, 
jeinen Bruder, in Köln am Eaiferlichen Hoflager. Im Jahre 1154 war Heinrid) 
in Dortmund mit dem Kaifer zufammen. 


24 Geſchichte der Grafen von Arnsberg. 


Heinrich hatte zwei Brüder; der eine hieß Friedrich,) der andere, 
wie er felbft, Heinrih. Nach dem Tode Friedrichs zerfiel der Graf 
mit dem jüngeren Bruder, vielleicht weil derjelbe die Grafſchaft Rietberg 
als jelbftändige Herrichaft beanſpruchte. Kurz, der Graf brauchte gräß— 
liche Gewalt: er ließ den Unglüdlihen in ein dunkles DVerließ werfen 
und erbarmungslos darin verſchmachten (1165). Noch heute zeigt man 
unter den Trümmern des Arnsberger Schloſſes ein Kerfergewölbe, in 
welchem die Miffethat verübt fein joll. 


Hatte Heinrich durch diejes Verbrechen auch feinen nächſten Zweck 
erreicht, jo war dod) der Erfolg jeiner Gewaltthat gerade der entgegen- 
gejegte, wie er gehofft haben mochte; denn anftatt daß er zu größerer 
Macht gelangte, führte er feinen eigenen Sturz herbei und bradte den 
Stern feines Haufes zum Sinfen. 


ALS der Mord ruchbar geworden war, traten die vordem mit ihm 
befreundeten Fürften, der Erzbiihof von Köln und Heinrich der Löwe 
— dieſer wohl in feiner Eigenihaft al3 Herzog von Sachſen — als 
Räder feines Bruder8 auf. Ihnen fchloffen fih die Biſchöfe von 
Paderborn, Minden und Münfter an. Das vereinigte Heer belagerte 
Arnsberg und eroberte und zerftörte im Jahre 1166 das fefte Schlof. 
Heinrich entfam dur die Flucht. Der wilde Graf hätte vielleicht für 
immer jeine Herrſchaft verloren, wenn er fich nicht Flügli) vor dem 
mächtigen Erzbijchofe von Köln gedemütigt hätte. Diejer nötigte den Ver— 
triebenen zu gewilfen für das Erzitift vorteilhaften Zugeftändniffen und 
jette ihn dann im feine Grafſchaft wieder ein. Welcher Art jene Zugeftänd- 
niffe des Grafen waren, ift jehr unklar (die Frage wird an einer anderen 
Stelle nochmals berührt werden); aber wenn der Graf au nit recht— 
lich zu einem Lehnsmanne des Erzbijchofes wurde — dem widerfprechen 
urkundlich feftftehende Thatſachen —, jo ift er doch thatſächlich 
wenigftens faft zu einem Vaſallen desjelben herabgejunfen. 


So gräßlich Heinrichs DVerbrehen war, fo wurde es doc dem 
Lande eine Quelle des Segend. Denn der Erzbijchof Philipp, Rainalds 
Nachfolger, veranlaßte den Grafen um das Jahr 1170, zur Sühne des 
Brudermordes ein Klofter zu ftiften. Heinrich gründete an einem Orte, 
der „durch die Gebeine feiner Eltern geehrt war," ?) die Abtei Weding— 


1) Siehe vor. Anm. Friedrich erjcheint zuletzt 1163 auf einer Fürſten— 
verfammlung zu Hannover mit feinem Bruder Heinrih und Heinrich dem 
Löwen. Der Brudermord fiel zwei Jahre jpäter vor. 

2) Ur. v. 27. Febr. 1173, in welcher Erzbiſchof Philipp die Stiftung 
betätigt. Näheres weiter unten. 


Heinrichs I Brudermord. Bertrag don Gelnhaufen. 25 


haufen, deren Kirche und Gebäude am waldigen Grunde des Eichholzes 
das Bild Arnsbergs fo wirkungsvoll im Süden abjchliefen. Mönche 
des Ordens, defjen Gründer von einem Arnsberger Grafen, eben dem 
Großvater des Klofterftifters, jchwere Unbill erlitten hatte, Norber- 
tiner in weißem Gewande zogen in die Räume diejes Klofters und 
entwidelten daſelbſt eine höchſt erjprießliche Thätigkeit. 

Die Stiftung des Klofter war jedod) fchwerlich einem bußfertigen 
Herzen entjprungen. Denn bald nachher (1172) verübte der Graf 
eine neue Gewaltthat gegen feinen Echwiegerjohn, den Grafen Otto von 
Bentheim. Auch diefen ließ er in die Nacht des Kerfers werfen, bis 
er ihm das Verſprechen abgenötigt hatte, außer dem Brautſchatze jeiner 
Gemahlin nichts mehr von der Grafſchaft Arnsberg beanjpruchen zu 
wollen. 

Im Jahre 1175 jtellte Heinrich eine Urkunde aus, die als ältejte Ur— 
kunde eines Grafen von Arnsberg merkwürdig ift. Er nennt fich in derfelben 
„von Gottes Gnaden Graf zu Arnsberg” Sein Siegel mit der 
Umfchrift „Heinricus Comes de Arnesberg* jtellt einen aufjteigenden Adler 
dar. „Bis gegen Ende des 12. Jahrhundertes pflegten nyır Könige und hohe 
Kirdhenprälaten Urkunden für ſich und andere weltliche Fürſten auszujtellen 
und zu beſiegeln.“ (Seiberk, Grafen S. 126.) 

Einige Jahre jpäter trat jenes Ereignis ein, weldes die Ab- 
hängigfeit Heinrichs vom kölniſchen Erzbifchofe und diejenige feiner 
Grafſchaft vom kölniſchen Stuhle dauernd begründete und deshalb als 
das bedeutungsvolljte in der ganzen Geſchichte der Grafjchaft angejchen 
werden muß. Das war der Vertrag von Gelnhauſen (1180), 
durch welden Heinrich der Löwe feines Herzogtumes ent- 
jegt und der Erzbijhof von Köln zum Herzoge von Weit: 
falen erhoben wurde. Diejes Ereignis bezeichnet den Wendepunkt 
in der Geſchichte unjerer Grafſchaft. Eine Erörterung der in Betradht 
fommenden Thatjadhen und Verhältnifje foll dies näher erläutern. 


Mit dem Sinfen der faiferlihen Macht in Deutjchland nad) Karl 
dem Großen erfolgte zugleich ein Steigen der Macht einzelner Fürften. 
Es bildeten jich wieder große Herzogtümer. Innerhalb diefer entwicelten 
ſich manche der alten Graffchaften zu felbftändigen Landesherrichaften. 
Die vorzüglichfte Grundlage einer Landesherrſchaft bildete der Länderbeſitz; 
in diefem Sinne jpriht man von territorialen Herzogtümern und 
Grafſchaften. 

Die Grafſchaft Arnsberg gehörte zum Herzogtume Sachſen. Aber 
die Grafen waren in ihr die Landesherren; die Herzöge kümmerten ſich 
nicht um die Regierung und die Schichſale einer Herrſchaft, in der fie 


36 Bejchichte der Grafen von Arnsberg. 


nicht begütert waren. So war es überhaupt mit dem weſtlichen Zeile 
ihre8 Herzogtumes. Mit dem Übergange eben dieſes Zeile8 an das 
Erzftift Köln trat hierin eine Wandlung ein. 


Die kölniſchen Erzbiſchöfe richteten auf die Gründung eines terri- 
torialen Herzogtumes in Weftfalen und Engern ihr Augenmerk, weil fie 
dajelbjt bereit3 ausgedehnte Befitungen hatten. Außerdem gehörte ein 
großer Teil des Landes jeit der Einführung des Chriftentumes zur 
Diözeſe Köln. Daher waren jchon früher jo mande Schenkungen aud) 
im Gebiete der Grafihaft an Köln gemadht worden (Werl, Wicheln, 
Haden). Philipp von Köln verwendete auf Gütererwerbungen in Weſt— 
falen über 50 000 Darf (etwa 600 000 Amf. heutigen Geldwertes). 
Wir können beobachten, wie fih um die Grafſchaft Arnsberg allmählic) 
ein Ring von kölniſchen Befigungen zog, ſodaß jene ſchließlich velut 
centrum in circulo, gleihjam der Mittelpunkt in einem reife war, 
wie der letzte Arnsberger Graf fid) ausdrüd. In der Beripherie 
diejes Kreijes legten die Erzbifchöfe als Stüte ihrer Macht nad) und 
nad) viele feite Städte an. 


Medebach war ihr uraltes Tafelgut und befam bereit3 1144 Soejter 
Markrechte. Brilon, einjt von Dtto d. Gr. an das neugegründete Erzbistum 
Magdeburg gefchenkt, war durch Taufh an den Biſchof von Paderborn ge— 
fommen und wurde von dieſem an den Grafen von Walded verlichen. Diefer 
übertrug es jeinerjeitS einem Minifterialen als Zehen, welcher ſich von Brilon 
nannte. Später kaufte der Erzbifchof Engelbert I die Billa und befejtigte 
fie als Stadt. Rüthen (damals Rüden), vordem von den meitfälifchen 
Grafen an Köln verichenft und Lehen der NRüdenberger, wurde bon Erz— 
biſchof Adolf 1200 befeſtigt. Geſeke (Gejede) war ſchon 1014 in den Schuß 
des Erzbifchofes Heribert geſtellt. Beleke (Badelike, befannt aus dem Streite 
der ſächſiſchen Fürſten) wurde 1296 befejtigt ; Callenhardt 1276, Warſtein 
1276. Menden wurde alS doppelte Grenzitadt gegen die Graffchaften Arns- 
berg und Mark, vielleiht ſchon von Erzbiichof Philipp, Schmallenberg 
1242, Hallenberg und Winterberg von Erzbiſchof Konrad, Atten— 
dorn 1222 von Engelbert I angelegt. An Marsberg, das, wie erwähnt, 
dem Kloſter Eorvey gehörte, erlangte Erzbifchof Heinrich 1230 die Hälfte aller 
Elöjterlichen Befitungen. Durch Erwerbung des Amtes Waldenburg ge— 
fangte Köln in den Beſitz von DIpe, welches 1131 don Erzbiſchof Heinrich 
befeftigt wurde, fowie von Drolshagen, welches zunächſt Freiheit blieb. 
(1495 wurde es Stadt.) 


Die Grafichaft Arnsberg fehlte, um ein territoriale8 Herzogtum 
Köln zu bilden. Um fo mehr waren die Erzbifchöfe darauf bedacht, 
diefelbe in ihren Befig zu bringen. Konnten fie nun auch bei der Ge— 
ichloffenheit diefer Herrichaft an eine territoriale Zerbrödelung derjelben 
nicht denken, jo hatten fie doc) durch ihre alten Lehen in der Grafſchaft 


Der Wendepunkt in der Gejchichte der Sraffchaft. Heinrichs I Tod. 27 


einen Anhang dafelbjt. Viel wichtiger war es, daß fie durch ihr herzog- 
(iches Amt über die Macht der Grafen allmählich ein Übergewicht er: 
fangten. Denn dieſes Amt gab ihnen fortwährend Gelegenheit, ſich 
in die Angelegenheiten der Grafjchaft einzumifchen und jo die Erwerbung 
der begehrten Herrihaft anzubahnen. 

Bejonders wichtig dafür war die herzogliche Aufgabe, den Land— 
frieden zu wahren, aus welcher fid) die Befugnis herleitete, im Gebiete 
des Herzogtumes die Anlage von Städten und Burgen zu 
überwachen und nad; Gutdünfen zu verbieten. Wie jehr hierdurch die 
jpäteren Grafen von Arnsberg in ihrer freien Bewegung gehemmt 
wurden, lehrt ihre ſpätere Geſchichte. 

Graf Heinrich war ſelbſt auf dem Fürftentage in Gelnhauſen an: 
weſend; er hat die Urkunde umterfiegelt, welche die Macht feines Hauſes 
brach. Auch war er al8 Bundesgenoſſe des Erzbiſchofes von Köln 
thätig, al3 Heinrich der Löwe diefem das Feld nicht räumen wollte") 
Aus dem jpäteren Leben unſeres Grafen find nod folgende That— 
jahen bemerkenswert. Im Jahre 1185 schenkte Heinrich dem Klofter 
Wedinghaufen das Eihholz (Efholt), den Hof Evenho (nördlid vom 
Schlofje), den Hof Rumbeck u. a. und übertrug die Regierung der Graf: 
haft jeinem Sohne Gottfried. Im Jahre 1187 bejuchte er mit feinem 
Sohne Heinrih den Reichsſtag zu Worms und diente dem Kaiſer 
Friedrich J al8 Zeuge in einer Urkunde für Cappenberg. Am 88. 
?ebensjahre (1198) trat er al3 Laienbruder in das Klofter ein, das er 
einft zur Sühne des Brudermordes geftiftet hatte. Er ftarb in dem— 
jelben am 4. Juni 1200. 


Dem Grafen Heinrich wurden von feiner dem Namen und Ge— 
ichledhte nad) unbefannten Gemahlin vier Kinder geboren. Eine Tochter 
war, wie oben erwähnt, mit dem Grafen von Bentheim vermählt. 
Eine zweite Tochter Adelheid wird als Äübtiſſin der Stifter Meſchede 
und Odingen in den Jahren 1175--1200 genannt. Von den beiden 
Söhnen folgte Gottfried feinem Vater in der Regierung; Heinrid) (IT), der 
zweite Sohn des Grafen Heinrid) I und Bruder Graf Gottfrieds, zeich- 
nete ſich durch großes Wohlwollen gegen das Klofter Wedinghaufen aus. 
Er nötigt ung deshalb ein bejonderes Intereſſe ab, weil fi) fein Grabmal 


ı) Die Schlacht auf dem „Halrefelde” bei Osnabrüd, in welchem 
Heinrich) d. 2. feine verbündeten Gegner, darunter auch Heinrich von Arns— 
berg befiegte, fällt nach neueren Unterfuchungen vor diefe Zeit in das Jahr 
1179. Bereits jeit 1177 fanden zwiſchen dem Sadjjenherzoge und dem 
kölniſchen Erzbifchofe Kämpfe ſtatt. Tobien, Denkw. IS. 108, II ©. 37. Anm. 
152 verweift auf Göttinger gel. Anz. 1866. ©. 606, 


28 Geſchichte der Grafen von Arnsberg. 


in der heutigen Propſteikirche befindet. Eine neuere Inſchrift bezeichnet 
dieje8 Denkmal als das Grabmal ſeines Vaters, des SKlofterftifters 
Heinrih I. Möglich ift e8 immerhin, daß auch deffen Gebeine in dem 
Sarfophage ruhen; ficher ift es aber nicht. — Das Nähere über die 
Grabftätte uſw. wird in dem Abjchnitte über die Abtei Wedinghaufen 
dargelegt werden. 


Graf Gottfried II (bis 1235). 


Gottfried trat, wie er ſelbſt in einer Urkunde hervorhebt, noch bei 
Lebzeiten und voller Gejundheit feines Vaters im Jahre 1185 die Re— 
gierung an. Gleih im erften Jahre derjelben bewies er, daß die 
Kraft des ftreitbaren Friedrich in feinen Enfeln noch fortlebte. Er be- 
jiegte fünf feindlihe Grafen, unter ihnen den Grafen Engelbert 
von Berg an der Edhthaufer Brücke (unterhalb Neheims), und nahm 
drei derjelben gefangen. Zum Danfe machte er dem Klofter Scheda, 
in deſſen Nähe der Sieg erfodhten war, eine Scenfung. Dieje Ur- 
Funde datiert Gottfried aus dem „erjten Jahre des Sieges". Das ftolze 
Selbftgefühl, welches diejer Ausdruck befundet, jpricht ebenjo aus der 
Devije eines Siegels, deſſen er ſich auch in jpäterer Zeit häufig bediente. 
Das Siegel zeigt einen auffteigenden Adler mit der Umjchrift 
„Aquila moras nescit“ „der Adler fteigt unaufhaltiam empor!“ 
Die Nachrichten über das Leben und Wirken diejes anſcheinend tüchtigen 
und maßvollen Negenten, der ein halbes Jahrhundert jeines Amtes ge- 
waltet hat, find fehr lüdenhaft und ohne Zufammenhang. Zwar find 
die Urkunden, in denen der Name des Grafen genannt wird, jehr zahl- 
reich; beweifen zur Genüge feinen freigebigen Sinn, lafjen uns aber 
über feine Schickſale im Unflaren. 


Schon bald nad dem Negierungsantritte jehen wir Gottfried 
auf gejpanntem Fuße mit dem Erzbiichofe von Köln nad) dem Tode des 
Kaiſers Heinrid, IV. AS im Jahre 1198 der Thronftreit zwijchen 
Philipp von Schwaben und Dtto IV entbrannte, ftellte ſich Adolf, Erz— 
biſchof von Köln, auf Ottos Seite. Um dem Erzbiichofe zu danken, 
verzichtete Otto, ein Sohn Heinrids des Löwen, auf alle Güter in 
Weftfalen, welche einft der Erzbiſchof Philipp von Köln nad) Achtung 
feines Vaters erhalten hatte, zu Gunften der kölnifchen Kirche. Obwohl 
hier Gottfried von Arnsberg unter den Zeugen Adolfs erjcheint, jo 
war er doch mit deſſen Politif nicht einverftanden. Vielleicht glaubte 
er auch, jett jei feinem Haufe eine günftige Gelegenheit geboten, ſich 
von den läftigen Feſſeln der kölniſchen Kirche zu befreien. Dafür erfuhr 


Gottfried II. Sieg bei Echthaufen. Berhältnis zu Köln. 29 


er eine Demütigung. In einer zu Soeſt ausgejtellten Urkunde vom 
29. September 1200 erklärt nämlich Erzbifchof Adolf: Als einft zwijchen 
ihm und den anderen Neichsfürften wegen der Königswahl ein Zwift 
ausgebrochen wäre, und ihm große Gefahr gedroht habe, und er zu 
gleicher Zeit wegen gewiffer Thaten (super quibusdam factis suis) von 
dem Grafen von Arnsberg Genugthuung gefordert habe, da habe diejer 
auf den Rat vornehmer kölniſcher Geiftlicher und feiner und des Erz- 
biihofe8 Getreuen unter Eid und Stellung von Geijeln gelobt, niemals 
von der Treue zum Erzftifte zu weihen ujw. Zum Lohne ver- 
(eiht ihm der Erzbifchof die Hälfte der Einfünfte aus der neuerbauten 
Stadt Rüden. (S. 26.) Keiner von beiden jolle von dort aus 
Kriegszüge unternehmen, Feiner ohne Genehmigung des anderen eine Burg 
dajelbft bauen. 

Der Kampf um die Krone dauerte inzwijchen in Deutjchland fort. 
Beide Könige fuchten damals den mächtigen Papſt Innocenz III für ſich 
zit gewinnen. Der Papſt entjchted ſich für Dtto und teilte dies in 
einem Rundſchreiben, das auch die Adreſſe des Grafen von Arnsberg 
enthält, den einzelnen jächjischen Grafen mit (de dato Lateran, 1. März 
1201.) Zugleich forderte er fie zu treuem Feithalten an Dtto auf. 
Im November desjelben Jahres dankte er durch ein gleiches Rund— 
ſchreiben für treues Feithalten.?) Der Kampf war aber damals, wie 
befannt, keineswegs beendet. Wir verfolgen ihn nicht weiter, weil uns 
über die Stellungnahme Gottfrieds nach Adolfs ſchmählichem Abfalle ujw. 
nichts befannt ift. 


Sm Jahre 1202 übertrug Gottfried dem Kloſter Wedinghaufen den 
Hof zu Herdringen, zwei Käufer in Wintrop und andere Höfe, weil ihm das 
Klojter die größeren Bäume in der Mark Marsfelde im Werte von 150 Mark 
überlaffen Habe, „zur Entihädigung für einen jo großen und augenjcein- 
lichen Verluſt“. Diejer Kauf deutet auf ein größeres bauliche Unternehmen 
bin. Möglicherweife wurde das Holz zum Wiederaufbau der Häufer Arnsbergs 
gebraucht, welches, mie wenigitens Hollenhorjt aus einem alten Manujtripte 
des Kloſters Wedinghaujen erjehen haben will, im Jahre 1201 abgebrannt 
war, oder zum Bau der Pfarrkirche, vielleicht auch zur Befejtigung der Altjtadt. 

Aus den nächſten Regierungsjahren des Grafen iſt nichts bekannt 
außer einigen Zumendungen an Klöſter uſw., mit deren Aufzählung wir die 
Leſer nicht ermüden wollen; nur die Schenfung der Kirche zu Werl an 
Wedinghauſen, ſowie die des Gutes Bulchem?) an das Frauenklofter Wille- 
badefien feien erwähnt. Diefe letztere Übertragung geſchah auf Bitten des 


») Wilmans (Ficker) V, 185. 
2, Ebenda 187. 
2) Wilmans IV. 1. 66. 


30 Sefchichte der Grafen von Arnsberg. 


Bifhofes Bernhard IH von Paderborn, der damals (1216) mit einem 
großen Gefolge von Domherren und Miniiterialen den Grafen in Arns— 
berg bejuchte. Die Zuftimmung der Gräfin Agnes und ihrer Kinder Gott- 
fried, Johannes und Adelheid wird hervorgehoben. 

In feinem 60. Lebensjahre nahm Gottfried an einem Sreuzzuge 
Zeil. Hiervon ift uns leider nur wenig mehr al3 die durch drei Ur— 
funden beglaubigte Thatjache des Unternehmens befannt. Es war, nad) 
den Daten der Dokumente zu jchließen, zweifellos der Zug vom Jahre 
1217. In Weitfalen und am Niederrheine predigte Oliver, ein ge- 
borener Wejtfale, mit großem Erfolge das Kreuz. ALS auch Gottfried ſich 
zur Teilnahme entjchloß, fehlte e8 ihm an Geld. Deshalb verkaufte er 
u. a. dem Klofter Wedinghaufen ein Gut für 150 Marf — 1600 Am. 
Diefe Summe zahlte das Klofter, obgleid) das Gut nicht ſoviel wert 
war, „mit Rückſicht auf den guten Zwed". Die Zeit drängte, jchon 
nad) vierzehn Tagen (29. Mai) jollte die lette Abteilung der Wejtfalen 
fich zu Vlardingen an der Maas einjchiffen. Daher wurde feine Ver— 
faufsurfunde aufgenommen; der Graf begab ſich vielmehr mit feiner 
Gattin Agnes und jeiner Tochter Adelheid in die Kloſterkirche und 
übergab am Hauptaltare mit lauter Stimme vor dem ganzen Convente 
das Gut als freies Eigentum dem Kloſter. Mit diefer feierlichen Er- 
klärung begnügte er fi) jedoh nicht. Als er mit feinen Scharen in 
Drüggelte anlangte, wiederholte er in Gegenwart vieler edler Zeugen 
die Schenkung und ließ fie beurfunden. Den Zug madten, wie der 
Graf ausjagt, unzählige andere mit, wahrjcheinlich cben jene Edlen, 
die in Drüggelte feine Zeugen waren: Heinrich) der Schwarze von 
Arnsberg und fein Sohn Heinrich, die Edelherren von Ardey, von 
Nüdenberg, drei Brüder von Neheim, ſechs Herren von Soeft (der Vogt, 
der Schulte und fein Bruder, der Nitter Timo und jein Bruder, ein 
Kanonifus) und außer andern aud ein von Scorlemer (Scurlemere), 
ein Gejchlecht, das noch heute befteht. Auf der Kreuzfahrt ernteten die 
Weftfalen Lorbern, namentlich bei der Erftürmung von Damiette, einem 
Hafen vor der Mündung des Nils. 

„Das ftärkite Bollwerk der Stadt war ein mitten in den Nil erbauter 
Turm. Schwere Stetten waren bon demjelben aus nach beiden Ufern Hin durd) 
den Fluß geipannt und machten e8 den Schiffen unmöglich), in den Hafen der 
Stadt zu gelangen. Der Turm mußte zuerjt genommen werden. Die riefige 
Kraft der riefen und die Tapferkeit unjerer Wejtfalen fette ziwar die Ver: 
teidiger der Werfe am Ufer in Schreden, vermochte aber nichts gegen Die 
von Waller umgebenen Anlagen. Der tapfere Führer Graf Adolf fiel im 
Stampfe und viele Brave mit ihm. Unter diefen wird auch genannt Heinrich 
der Schwarze von Urnsberg. Endlid kam Oliver mit einer Mafchine, 
welche er erfonnen hatte, zu Stande. Diejelbe machte e8 den Belagerern 


Sottfrieds TI Kreuzzug. Ermordung Engelberts des Heiligen. 31 


möglid, an den Turm zu gelangen und in denfelben einzudringen.” (Bieler, 
Arnsberg ©. 54.) 

Doh ging dieje Eroberung den Chriften durch eigene Schuld 
ihon bald wieder verloren. Das Heer zerjtreute ji, und auch Gott— 
fried eilte wieder in die Heimat zurüd; er war 1219 jchon wieder in 
Arnsberg. 

Aus den folgenden Jahren heben wir nur in Kürze eine Schenkung 
an das Klojter Marienfeld (1223) hervor,) die der Graf im Beifein einer 
großen Zahl von Edlen und Mannen auf dem Schlofje Arnsberg (qui omnes 
aderant in castro Arnesberg) vornahm ; ferner feine Anweſenheit im Hoflager 
des Kaiſers Heinrich VII zu Herford (20. Sept. 1224). Im nächſten Jahre 
verjegte eine entjeßliche Begebenheit, bei der auch de8 Grafen Namen genannt 
wurde, Weitfalen und Rheinland, jogar ganz Deutichland in Aufregung. 

Damals war Engelbert der Heilige Erzbifhof von Köln, ein 
wirklich hervorragender Fürft von energiſchem Willen und mächtig durd) 
die Gunft des Kaiſers. Diejer war den Grafen Wejtfalens verhaßt, 
weil er den Kirhenihug mit großer Strenge handhabte und jeden 
Übergriff der Vögte ohne Anjehen der Perſon unnahfidhtig ftrafte. 
So hatte er fich viele Feinde gemacht; unter ihnen war des Erzbiſchofes 
eigener Vetter, der Graf Friedrich von Iſenburg, der ſchlimmſte. ALS 
Engelbert dieſem einſt auf einer Fürftenverjammlung zu Soeft, an der 
auch Graf Gottfried teilnahm, heftige Vorwürfe machte, faßte der Iſen— 
burger den furchtbaren Entſchluß, feinen erzbijchöflicden Vetter zu er- 
morden. Er jtiftete eine Verſchwörung unter den anmwejenden Fürften an. 
Der heimfehrende Erzbiichof ward in einem Hohlwege bei Gevelsberg 
von den nachziehenden Mordgejellen überfallen (7. Nov. 1225). Vom 
Streitroffe zu Boden gerifjen, wehrte er ſich wie ein Löwe, entwand fid) 
jeinen Gegnern und ftürzte fliehend in die Büſche. Da jchrie Friedrid) 
von Iſenburg: „Stoßt ihn nieder den Räuber, der die Edlen ihres 
Erbteiles beraubt und feinen verſchont“; und alles ftürzte auf den Un— 
glülihen ein. Diejer bat vergebens um Schonung: er ward buchſtäb— 
(ih hHingefchlachtet. Die Vergeltung blieb nit aus. Der Mörder 
wurde gerädert, feine Raubburg gejchleift. Auch Gottfried wurde zur 
Verantwortung gezogen; aber für feine Mitjchuld waren jo wenig An- 
jeihen vorhanden, daß man ihm nicht einmal wie den übrigen Edlen 
zumutete, ſich dur einen Eid von dem Verdachte der Teilnahme zu 
reinigen. Gegen eine jolde Annahme mochte aud) wohl jein graues Haar 


») Wilm. III, 192. 

2) Wilm. II, 19. — Die Zuwendungen des Grafen bereicherten 
bauptfächlich die Klöſter Olinghauſen, Marienfeld, Willebadefien, Rumbed, 
Wedinghaufen. 


39 Geſchichte der Grafen von Arnöberg. 


ein wenig fpredhen. Denn er war damal3 68 Jahre alt. Gottfried 
lebte nocy zehn Jahre. In dieſer letzten Zeit feines Lebens „erjcheint er 
faft nur noch als Wohlthäter frommer Stiftungen oder als Geſellſchafter 
und Zeuge des kölniſchen Erzbiichofes Heinrich, des Nachfolger des heil. 
Engelbert”. Wir übergehen die zahlreichen Urkunden, die dies be- 
jtätigen, und weifen nur noch auf eine derfelben furz hin, eine Schenfung 
an das Klofter Claholt, die der Graf im Kreife der Seinigen bei der 
berühmten Drüggelter Kapelle (super flavium Moyne, iuxta Capellam 
Druchlete) am Sonnabend vor Palmjonntag des Jahres 1227 vor- 
nahm.!) Befondere Erwähnung verdient außerdem die Erwerbung der 
Burg Hachen (11. März 1231) um 700 ME. oder etwa 8000 Rmk., 
welche einjt durch Erbteilung von den Grafen von Werl an die Nord» 
heimer und von diefen an Köln gefommen war. Die Erzbifcöfe hatten 
die Grafen von Daffel damit belehnt. 


Gottfried II war in erfter Ehe mit einer nicht weiter befannten 
Elijabeth vermählt. Seit 1210 erjcheint in den Urkunden feine zweite 
Gemahlin. Sie hieß Agnes und war eine Tochter des Edelherrn 
Konrad von NRüdenberg. Auf fie bezieht fi) die fchöne Sage 
von derledernen Brüde, die unjer Landsmann Harbert jo jpannend 
ausgedichtet hat: 


Einjt als der Edle vom NRüdenberge von einer wilden Jagd heimkehrt, 
begegnet ihm im Dunkel des Waldes ein rabenfchwarz gefleideter Fremdling, 
der dorgicbt, des Weges unkundig zu fein. Der Edelherr nimmt ihn mit 
auf fein Schloß. Am Abend Freifet Fröhlich der Becher ; doch um die zmölfte 
Stunde erhebt ſich der Gajt und mit der Verheißung „Gajtfreiheit wird drumten 
jelbjt geachtet” verläßt er den Saal und die überrafchten Becher. Laut 
dröhnt jein Schritt dur) die einfamen Hallen der Burg. Nun bat bald 
nachher die Rüdenburg einen jchiveren Angriff zu bejtehen. In Bittere 
Thränen bricht das Burgfräulein aus; denn in der Ferne meilt der edle 
Bräutigam, der tapfere Graf vom Schloffe dort drüben. Der verzweifelte 
Graf ſchickt fi in dunkler Nacht an, der Tochter das Leben zu nehmen, 
um fie vor Schande zu bewahren. Da dringt ein eigentümliche8 Geräufch zu 
feinen Obren, daß der Dolch feiner Hand entjinkt; man hört ein Hämmern 
und Rollen, ein Snattern und Pochen, und hundert Lichtlein glimmen. Und 
beim Morgengrauen jieht man eine lederne Brüde don einem Schlofje zum 
anderen gezogen. Der Edelherr und feine Tochter wagen die Flucht auf 
ihmwindlihem Pfade, die Bejagung der Burg folgt nad. Und ſchon find 
alle im Arnsberger Schloſſe geborgen, da dringt der Feind, der inzwiſchen 
das Burgthor erbrodhen hat, den Flüchtigen nad. Als aber die Echar 
auf der Brüde Mitte ift, da ertönt ein furchtbares Krachen, und ein hölliſches 
Hohngelächter jchallt von der Zinne der Alten Burg: die Brüde reißt, und 
die Feinde jtürzen in die furcdhtbare Tiefe. 


1) Seib, Urk.B. III, 1082, 


Die Kapelle bei Drüggelte. 33 


Bon jeiner zweiten Gemahlin Agnes hatte Gottfried folgende 
Kinder: Adelheid; Gottfried (unicus filius, unicus et legitimus heres 
omnium bonorum Arnesberg pertinentium); Agnes; Bertha (1250 
bis 1291 Äbtiſſin zu Eſſen); Ermengarde, Nonne zu Olinghauſen; 
Syradis, Äbtiſſin des Ägidiikloſters in Münſter. 


Gottfried II ſtarb im Jahre 1235 (oder 1236) nach einer fünfzig— 
jährigen Regierung, welche durch Tapferkeit und Beſonnenheit aus: 
gezeichnet ift. 


Die Kapelle bei Drüggelte. 

Die Urkunden, welche Graf Gottfried II in der Kapelle bei Drüggelte 
aufnehmen ließ, find nicht nur für die Lebensgejhichte des Grafen wichtig, 
fondern auch für die Gefchichte der Kapelle felbit, eines jedem Kunfthiftorifer 
befannten Baumerfes. Sie find nämlich die älteften und fajt die einzigen 
Urkunden, welche die Kapelle erwähnen. Die Urkunde vom Jahre 1217 be— 
weiſt zumächit, daß damals der Bau ftand; ferner giebt fie zu mohlbegründeten 
Vermutungen über die Beitimmung der Kapelle und ihren chrijtlihen Urjprung 
Anlaß. „Woher fommt es, daß dreißig Ritter, die im Begriffe find, den 
Kreuzzug anzutreten („in procinctu peregrinandi“), nicht auf einer Burg, 
jondern bei einer Kapelle fi verfammeln? Sie ziehen, ehe fie die meite 
Reife zum Grabe des Erlöfers antreten, zubor zu der heiligen Stätte, bie 
dem heiligen Kreuze gemeihet und dem heiligen Grabe nachgebildet iſt, 
um Glück für die mweite Reife zu erflehen.” Dat nämlich die Kapelle dem 
heiligen Kreuze geweiht war, geht aus einer Urkunde vom Jahre 1560 hervor. 
Auch glaubt man in der Mitte des Portals das Bild des Kreuzes ausgehauen 
zu fehen. Daher ſchloß Giefers, unfer Gewährsmann, daß wir es mit einer 
zur Zeit der Sreuzzüge gebauten „Heiliggrabfapelle” zu thun haben. 
Diefe Kapellen Haben ihren Namen daher, weil fie der alten Rundfirche des 
heiligen Grabes zu Jeruſalem nachgebildet find. Gieferd Vermutung wird 
von Fachmännern als richtig anerfannt. Früher hatte der feltfame zmölf- 
edige Bau mit feiner doppelten Säulenjtellung im Innern zu manchen ab- 
jonderlichen Deutungen geführt. Stangefol, ein von uns mehrmals citierter 
Scriftjteller des 17. Jahrhunderts, erzählt in feinen Annalen des Weit: 
fälifchen Kreifes: „Bei der Belagerung von Soeſt im Jahre 1447 verfchonten 
die Feinde, mas jehr bemerkenswert ift, das Klofter Paradies. Gleichzeitig 
gingen die Höfe zu Drüchgelte am Möhnefluffe durch Fromme Schenkung an 
diejes neue Klojter über. Auch befand fi in dem ſehr alten Tempel daſelbſt, 
der jett noch jteht, vormals ein Bild der Göttin Trigla mit drei Köpfen, 
zu welchem die Heiden in größter Not hülfeflehend ihre Zuflucht zu nehmen 
pflegten. Es iſt nicht unmahrjcheinlid, daß das Dörflein Drüchgelte von 
eben diefem Standbilde jeinen Namen hat. Diejes ging im Jahre 1583 
im Truchjeffiichen Kriege gänzlid zu Grunde.” Giefers weiſt nad), daß die 
Erzählung bon der Göttin Trigla Fabel ift; denn eine folche Göttin hat e8 
nie gegeben. Nicht glüdliher Hat man den Namen Drüggelte mit Druida 
zufammengebradit. An heidnifchen Urjprung der Stapelle fann man ſchon 
wegen de8 Bauftiles nicht denken. Diejer ijt ausgeprägt romaniſch 


Feaur, Geſchichte Aınsbergs. 3 


34 Geſchichte der Grafen don Arnsberg. 


und zwar nicht frühromaniſch; denn die Edenverzierungen an den Säulen: 
füßen weiſen auf die Mitte des zwölften Jahrhunderts hin. Wahrjcheinlich 
jtammt die Stapelle von Soejter Baumeijtern. „Die Anordnung eines ring- 
fürmigen Tonnen- und Streuzgewölbes beurkfundet jchon einen gewiſſen Fort: 
fchritt in der Technik” gegenüber dem im Jahre 1118 begonnenen jchwer- 
fälligen Soejter Dome. Der einfache Altar ift grüner Mergel:Sandjtein, der 
auch in Soeſt verwandt wurde. Die Säulen zeigen durchweg jogenannte 
Wirfellnäufe, aber in den verfchiedenften Formen. Es find zwölf hohe und 
fchlanfe, vier niedrigere und ftärfere Säulen. Nach der Deutung des Dom: 
dechanten Nübel in Soeft ftellen jene zwölf im äußeren Kranze die Apojtel, 
die vier inneren die Evangelijten dar, von diefen wieder die zwei ſtarken die 
Evangelijten Matthäus und Johannes, die zugleich Apojtel waren. Auf 
riftliche Symbolik weiſt auch ein Fiſch, ein Symbol für Chriſtus, an einem 
Kapitäl hin. In der Kapelle wird noch heute an gewiffen Tagen Meile 
gelefen. (Bergl. Giefers, Drei merkwürdige Kapellen Wejtfalens, Paderborn 
1854. Blankenſtein in „Zeitfchrift für Bauweſen“ von Erbfam, 1854 ©. 388 f.) 


Graf Gottfried III (bis 1285 ?). 

Gottfried III, der, feinem Vater an Kraft und Einficht nicht 
unähnlich, die Grafihaft 48 Fahre lang regiert hat, ſetzte ſich bald nad) 
dem Antritte feiner Regierung mit feinem Better Konrad, einem Sohne 
des in Wedinghaufen begrabenen Grafen Heinrid) II derart auseinander, 
daß das Ländchen Rietberg als bejondere Grafſchaft end— 
gültig vom Arnsberger Comitate abgetrennt wurde. Die 
Grenze der beiden Grafichaften ſollte die Lippe bilden; alle Stamm- 
güter, Vafallen und Dienftmänner nördlih von diefem Fluſſe follten 
fortan zu Rietberg gehören. Der feierlihen Aufnahme dieſes Erb- 
vergleiches, der am 1. September 1237 zu Arnsberg gejchloffen 
wurde, wohnte eine große Anzahl von Edlen bei, die den Vertrag gegen 
jeden Frevler mit aller Macht zu ſchützen verjprachen. Außer Nietberg 
erhielt Konrad die Stammgüter der Cuichſchen Familie in Holland. 
Konrad wurde der Stammpater der Grafen von Rietberg. Diejer 
Zweig des gräflich-arnsbergiſchen Geſchlechtes grünte no, als die 
Hauptlinie in Arnsberg ausjtarb. 

Unter den Söhnen Konrad, des eriten Grafen don Arnsberg, wird 
auch Heinrich, gewöhnlich mit dem Zuſatze „Sraf von Rietberg“, erwähnt. 
Diefer war jedoch nicht Stammvater der Rietberger; er hinterließ vielmehr 
nur eine Tochter Namens Eilife, die, wie oben erwähnt ift, Friedrich der 
Streitbare, ihr Oheim, nad) ihres Vaters Tode gefangen hielt, um fie zur 
Berzichtleiftung auf Rietberg zu zieingen. Friedrichs Mannen benutten dann 
das Rietberger Schloß als Raubburg, die nad) dem Tode des Gemaltthätigen 
gejchleift fein foll. (Vergl. ©. 21.) Später (1150) erjcheint in den Urkunden 
ein Heinrich von Rietberg — vielleicht jener unglüdliche im Felsverließ ver- 
hungerte Bruder des Grafen Heinrich I. Heinrich II dann, der Bruder Gott— 


Gottfried II. Abzweigung Rietbergs. 35 


fried8 II (vergl. S. 27), hat Rietberg zwar thatfächlich beſeſſen, aber den recht— 
lien Befit befam erjt fein Sohn Konrad durch die erwähnte Totteilung- 
Im fünfzehnten Jahrhunderte ging die Grafichaft Rietberg durch Nachfolger 
an die Grafen von Hoya über, 1586 an die Grafen von Ojtfriesland, 1758 
an die Grafen von Kaunit, die 1840 das Stammgut an einen Bauern 
verfauften. 


Wenn die Graffchaft Arnsberg durch die Abtrennung Rietbergs 
vielleicht nicht unerheblich verkleinert wurde, jo blieb fie dod fortan vor 
weiteren Teilungen verfchont. Diefe wurden in Zukunft gewöhnlid) 
dadurch vermieden, daß jeweilig die nachgeborenen Kinder der Grafen 
mit geiftlichen Pfründen abgefunden wurden. Die Grafſchaft, räumlich) 
im großen und ganzen auf den Umfang der heutigen Kreife Arnsberg 
und Mejchede beichränft, grenzte nördlich mit ihren äußerſten Punften 
an die Bistümer Paderborn und Münfter, öftlih an den Comitat der 
Grafen von Schwalenberg (ſpäter Walded), jüdlih an das Nothaar- 
gebirge, weftlid an die Grafjhaft Mark. Ahr Gebiet wurde durch die 
ſich ſtets mehrenden Beſitzungen der Erzbiihöfe von Köln eingeengt, 
die alles an fich zogen, was die Grafen nicht al8 ihr Eigentum nad): 
werfen fonnten, und, wie bereit3 auseinandergefett wurde, die Graf- 
haft mit einem Kranze befejtigter Städte und Schlöffer umgaben. So 
fonnten die Arnsberger Grafen faum an eine neue räumliche Aus- 
dehnung ihrer Herrihaft denfen. Sie find denn aud, im richtiger 
Berüdfichtigung der gegebenen Verhältniſſe, mehr darauf bedacht ge- 
weien, ihren Befig im Innern zu Eonjolidieren und zu fejtigen, als 
ihn nach außen zu mehren. Diejem Streben verdanken in diejem letten 
Beitabjchnitte der Grafengeihichte die Städte und Freiheiten der Graf- 
haft ihre Entftehung. Die Reihe derjelben eröffnet Arnsberg, weldes 
Gottfried III in den erjten Jahren feiner Regierung, nämlich 1237 oder 
1238 zur Stadt erhob. Eversberg und Neheim folgten. 

Gottfried III war ein thatenluftiger Ritter, dem es ſchwer fallen 
mochte, die Bahnen einer friedlichen Politit zu wandeln. Doch ſollte 
er ſchon bald die Übermacht des Erzbifchofes von Köln zu fühlen be- 
fommen. Er erfuhr von ihm, allerdings durch eigene Schuld, eine 
empfindliche Demütigung. Gottfried hatte — man weiß nicht, weshalb 
— auf Berwide, einen Ort in der Soefter Börde, einen Überfall 
gemacht, wobei Menfchenleben umgefommen waren. Deswegen mußte 
der Graf fih nah Köln vor den Richterſtuhl des Herzoges Erz- 
bifhof Konrad begeben. Dort mußte er urkundlich erflärer — die 
Urkunde ift datiert vom 9. November 1238 — mit 50 Nittern be- 
Ihwören zu wollen, daß er durd) jenen Überfall feinen Frieden gebrochen, 
den zu jühnen er verbunden, auch daß er dadurd den Rechten und der 

3* 


36 Bejchichte der Grafen don Arnsberg. 


Ehre des Erzbiſchofes und feiner Kirche nicht habe zu nahe treten 
wollen. Er wolle den Getöteten Genugthuung leiften, wolle die Ent- 
jheidung über den Umfang jeiner Vogteirechte über Soeft dem Urteile 
geihworener Schiedsrichter unterwerfen. Endlich macht er ſich ver- 
bindlih, für die Erfüllung alles dieſes 24 Bürgen zu ftellen und, 
wenn einer von ihnen ftürbe, diejen jofort durch einen anderen zu er- 
jegen. Sollte er trogdem feinen Verpflichtungen nicht nadfommen, fo 
jollten die Edlen unter den Bürgen fortan ihre Güter von Köln zu Lehen 
tragen. Zulegt verjpridt der Graf noch, dem Erzbijchofe auf Erfordern 
mit zweihundert geharniſchten Rittern auf deſſen Koften gegen 
jeden dienen zu wollen, joweit er es unbeſchadet feiner Ehre fünne; — 
und damit der Erzbifchof die vorftehenden Bedingungen deſto geneigter 
annehme, werde er ihm zu Köln mit dreihundert Rittern 
zu Füßen fallen. Bei etwaigen Bwiftigfeiten mit dem Erzbiſchofe 
wolle er ſich einem Sciedsgerichte unterwerfen, zu dem jeder zwölf 
Ritter zu wählen habe. 

Zu folden Zugeftändniffen mußte fid) der ftolze Arnsberger Graf 
herbeilafjen! So hatten ſich jeit dem jtreitbaren Friedrih die Ver— 
hältniffe geändert! Daß er den Fußfall wirklich gethan Hat, iſt freilich 
nicht ohne weiteres anzunehmen. Aber eine tiefe, fchwere Demütigung 
war es jedenfalls. Dennoch wußte Gottfried feinen Groll zu zähmen. 
Er hielt mit dem Erzbifchofe Frieden, und bald fehen wir ihn fogar in 
deffen Intereſſe die Waffe führen. 

In dem Streben, ihre herzoglihe Macht in Weftfalen und Engern 
zu befeftigen, fanden die Erzbifhöfe von Köln nicht bloß bei den Grafen 
von Arnsberg, fondern auch bei den übrigen weltlichen und geiftlichen 
Fürften der beiden Länder Widerftand. Obwohl aber diefe Fürften 
das gleiche ntereffe hatten, der Ausdehnung der fölnifchen Macht ent- 
gegenzuarbeiten, jo waren fie doch häufiger unter ſich getrennt und 
verfeindet, al3 im Kampfe gegen den gemeinfamen Gegner verbunden. 
So trat Biihof Simon von Paderborn, ein überaus fehdeluftiger 
Kirhenfürft, gegen die wejtfäliihen Machthaber ebenjo feindlih auf wie 
gegen ben Erzbiihof Konrad. Ohne deſſen herzogliche Erlaubnis ein- 
zuholen, befeftigte er den Ort Salzkotten und brandichatte von dort 
aus die angrenzenden Gebiete. Darauf ließ der Erzbifchof die Be— 
feftigungen zerftören, und Simon mußte verjprehen, diejelben nicht 
wieder aufzuführen. Unbefümmert um dieſe Zufage, verfchanzte der 
Biſchof aufs neue Salzkotten und Vilfen und plünderte wieder, wie 
vorher, die Gebiete der Grafjchaft Arnsberg, das Land Lippe, die Soeſter 
Börde uſw. Dann verbündete er fi mit dem Grafen von Yülich, 


Gottfried III gegen Simon von Paderborn. Befejtigung Neheims. 37 


jowie andern Feinden des Erzbiichofes und durdhzog im Sommer 1255 
mit ftarfer Heeresmacht brennend und raubend die weftfälifchen Lande. 
Diejem argen Unmwejen zu ſteuern, rüfteten die gejchädigten Fürften und 
Herren, der Graf von Arnsberg an der Spike, gemeinfam zur that: 
kräftigen Abwehr. Sie griffen den ftreitbaren Biſchof zwiſchen Dort- 
mund und Büren an und nahmen ihm gefangen, al8 er wie ein 
Rafender auf feine Feinde einhieb. Simon wurde von feinen Siegern 
in ftrengfter Haft gehalten. Dieje berichteten den Vorfall an den Papſt 
Aerander IV, um ihr Vorgehen zu rechtfertigen und zu verhüten, daß 
aus der Gefangennahme des Biſchofes dem Erzbiihofe von Köln 
Ungelegenheiten erwüchjen, dejfen Hand gar nicht dabei im Spiele ge- 
wein war. Das bezüglihe Dokument ift an erfter Stelle von 
unjerem Gottfried unterzeichnet; ihm fchließen fi an die Grafen Otto 
von Altena, Engelbert von der Mark, die Edelherren und Dynaften 
Theodorich von Neuenlimburg, Bertold von Büren, Theodorich von 
Bilftein, der Landmarſchall Albert von Störmede, Heinrih, Schulte von 
Soeſt, Goswin von Nodenberg, Heinrich Droft von Iſenberg, Albert 
von Hörde u. a. Auffallender Weiſe ftellte fi der Papft auf die 
Seite Simons und erklärte einen Vergleih, zu welchem fi) der Erz- 
biihof nad) langen Verhandlungen (24. Aug. 1256) hatte bereit finden 
laffen, für ungültig (16. März 1257), entband den Biſchof Simon 
von feinen Eiden und beftimmte für die Paderborner Kirche die Ein- 
jegung in den früheren Stand. Den weiteren Verlauf der Sache zu 
unterſuchen, ift hier nicht der Ort; der endgültige Vergleich ift nicht 
befannt.!) Später jehen wir Simon mit feinen alten Gegnern in 
Veitfalen verjühnt und verbündet. (S. u.) 


Unter Konrads Nachfolger, Engelbert II, dauerte das freund- 
ihaftliche Verhältnis Gottfrieds zum Erzftifte fort. Jener geftattete ihm 
am 4. September 1265 bie Befeftigung des Dorfes Neheim zu einer 
Stadt. Der Anfang der in mehrfacher Hinficht merkwürdigen Urfunde 
lautet: 

„Wir Engelbert, von Gottes Gnaden Erzbifchof der Heiligen Fölnifchen 
Kirche und Erzkanzler des heiligen römifchen Reiches durch Stalien, und 
Gottfried, Graf von Arnsberg, thun allen fund, daß wir den nachbezeichneten 
Bundes- und Freundſchaftsvertrag abgeſchloſſen haben, — der Art nämlich, 
daß ich, der oben genannte Graf, meinem Herrn, dem Erzbifchofe und ber 
fölnifchen Kirche, fo lange ich lebe, mannhaft und Fräftig helfen werde gegen 
jeden, der ihn oder feine Kirche befämpft oder ungebührlicher Weiſe beläftigt, 


) Es kommen bier mehrere neu edierte Urkunden in Betracht. Wil« 
mans — Ficker V 575, 580, 581, 586, 587. 


38 Geſchichte der Grafen von Arnsberg. 


wozu ich mich durch einen Förperlichen Eid verpflichtet habe, jedoch mit Aus- 
nahme des chrimürdigen Waters, des Herrn Simon, Bijchofes der Kirche 
von Paderborn; des Herrn Engelbert, Grafen don der Marl, meines Ber- 
wandten; meines Schtiegerfohnes, des Herrn Bernhard des Älteren bon 
der Lippe und feines Sohnes Bernhard, der Edelherren; ebenfo mit Aus— 
nahme meines Schwiegerjohnes, des Grafen Heinrih von Walde und des 
Edelheren Dtto don Ravensberg, gegen melde ich, ohne meiner Ehre zu 
nahe zu treten, nicht feindlich vorgehen kann. Wir aber, der borgenannte 
Erzbifchof, da wir auf den Rat unferer Getreuen das in folder Weife von 
dem genannten Grafen uns gegebene Berjpreden des Gehorfams redlich zu 
achten gefonnen find, damit wir nicht undankbar gegen ſolche Wohlthat cr- 
feinen, verjtatten ihm und geben ihm Bollmadit, daß er aus feinem Dorfe 
Neheim eine befeſtigte Stadt made, wozu wir ihm wirklich Hülfe Leijten 
werden, jedod unter dem Vorbehalte, da er den Bau diefer Stadt unter 
feinen Umftänden anfangen wird vor Ablauf von bier Wochen nad) dem 
beborftehenden Tage des heiligen Michael. Und fobald uns fcheint, da der 
erwähnte Bau für uns und für unfere Kirche nicht läſtig fei, fo werden wi 
dem erwähnten Grafen zur Entfchädigung 400 Mark geben” ufm. 


AS im Jahre 1267 zwiſchen der Stadt Jülich einerſeits und 
dem Erzbifchofe andererfeitS wegen der in Neuß neu errichteten Zölle 
eine heftige Fehde ausbrach, trat Gottfried mit dem Biſchofe Simon 
von Paderborn, den Grafen Otto von Ravensberg, Friedrih von Riet— 
berg u. a. auf die Seite des Erzbifchofes, während die Biſchöfe von 
Münfter und Osnabrüd, die Grafen von der Mark und von Walde 
u. a. die feindliche Partei unterftüsten. Am 18. Oft. 1267 wurden in 
der Schladht bei Marienwald (bei Zülpich) Erzbiſchof Engelbert, Biſchof 
Simon und Graf Friedrich von Nietberg gefangen genommen und 
Engelbert auf das Schloß Nidegg gebracht!), Simon dem Biſchofe von 
Münfter übergeben. Engelbert blieb trog der Einſprache des päpftlichen 
Nuntius zwei Jahre im Gefängniffe. Erft nahdem er ſich zu be- 
deutenden Zahlungen an den Grafen von Jülich und zur Verzicht— 
leiftung auf die Anlegung neuer Zölle und Abgaben verftanden Hatte, 
wurde er entlaffen. 

Welches das Schickſal Gottfrieds im diefer Fehde geweſen, ift nicht 
bekannt; jedoch zeigt ihn uns eine erwähnenswerte Urkunde aus dem Jahre 
1268 in SriegSbereitfchaft. Diefelbe enthält einen Dienftvertrag, den Die 
Gebrüder Ritter Bernhard und Friedrih) von Davensberg (de Daveren- 
berg) mit dem Grafen Gottfried von Arnsberg über gegenfeitige militärifche 
Hülfe eingehen.) Sie ijt datiert vom 10. November 1268. Die Ritter 


1) Wilm. Wejtf. Urt. III Nr. 769. — Seiberk, Landes: und Rechts— 
geſch. III ©. 150 ff. 

2, Ediert in Wilmans: Add. Nr. 112. Die Urkunde tft leider lüden 
haft und ſchwer verjtändlicd). 


Sottfried III und Erzbifchof Siegfried II. 39 


veriprehen dem Grafen, auf ihre Gefahr und ihre Koſten zehn gepanzerte 
Reiter und Noffe in feine Befeitigungen zu ftellen während der Dauer des 
Krieges; auf Feldzügen wollen fie ihn auf eigene Gefahr und feine Koften 
noch getreuer unterjtügen; wenn fie im Kampfe oder unterwegs Gefangene 
machen oder fjonjtige „Ritterhbabe” (ritderehave) erwürben, fo joll fie ihnen 
gehören. Wenn der Graf jenfeits der Lippe in Not gerate, fo wollen fie 
verpflichtet fein, ihm in ihren Schlöfiern und Befeftigungen Schuß zu gewähren. 
Der Graf verfpricht ihnen in allen Bunkten gleiche Unterjtügung. 

Die Stellung Gottfriedg zum Erzftifte wurde eine andere, als 
der ftreit» und herrjchfüichtige Graf Siegfried II von Wefternburg 
den erzbifchöflichen Stuhl beftieg. Bald nad) dem Antritte der Re— 
gierung erregte derjelbe durch den Abſchluß mächtiger Bündniſſe den 
Argwohn der weitfälifchen Fürften. Am 7. April 1277 traten in Deut 
Simon, Bifhof von Paderborn, Gottfried von Arnsberg und fein 
Sohn Ludwig, fowie dreizehn andere Grafen, der Landgraf von Helfen 
und acht Edelherren zu einem mächtigen Bunde zufammen. Auf die 
Seite des Erzbifchofes ftellten fi der Biihof von Münfter und der 
Abt von Eorvey. Diejer Kampf hatte eine prinzipielle Bedeutung; es 
ging um das Bejtehen des fülnifchen Herzogtumes in Weftfalen. Das 
Glück war auf Siegfricds Seite. Der Tod lichtete die Reihen feiner 
Feinde. Schon im Juni desfelben Jahres ftarb Biſchof Simon, die 
Seele des Unternehmens; bald nad ihm wurde Graf Engelbert von 
der Mark das Opfer eines verräterifhen Überfalles. Im Oftober ver: 
ſprachen Biſchof Konrad von Osnabrück und deffen Bruder, Graf 
Friedrich von Rietberg, dem Erzbijchofe mit hundertdreifig bewaffneten 
Reitern gegen die Grafen von Jülich, Mark und Arnsberg Hülfe 
zu leiten. Auch der neu gewählte Abt Heinrich von Corvey fagte ihm 
mächtigen Beiftand (iuvabimus potenter et patenter) gegen die ge: 
nannten Grafen und den Landgrafen von Heffen zu. Der Krieg zog 
ih in den Winter hinein. Er verlief für Gottfried unglücklich. Am 
21. Januar 1278?) unterfiegelte ev im Lager bei Neheim einen 
Sriedensvertrag. Der Krieg, heißt es darin, fei freundjchaftlic) beis 
gelegt; der Graf und fein Sohn würden lebenslänglih in des Erz- 
biichofes Dienften bleiben und ihm, wenn nötig, unbejchadet ihrer Ehre 
(honore nostro salvo) helfen. Bon weiteren offenen Feindjeligkeiten 
ift dann auch nicht die Rede. Das Schidjal der übrigen Bundes— 
genojjen war fein glüclicheres. Graf Wilhelm von Jülich, der mit 


— — 





?) Seibertz ſetzt unter Nichtberückſichtigung der kölniſchen Jahresrechnung, 
welche das neue Jahr von Oſtern ab datierte, die Urkunde in das Jahr 1277 
und giebt infolgedefien eine falfche Darjtellung der Begebenheiten. S. Tobien, 
Denkwürdigkeiten II ©. 53, Anm. 225. 


40 Sefhichte der Grafen von Arnsberg. 


einem Sohne und vierhundert Neitern in Aachen eingedrungen war, 
wurde dafelbft von Metzgerknechten erichlagen. Nachdem aud) die übrigen 
Gegner ſich unterworfen hatten, jchloß Siegfried im Oftober 1279 mit 
der Witwe des Grafen von Jülich einen fürmlichen Frieden. 


Gottfried III Hat, ſoweit befannt ift, feine weiteren Fehden ge 
führt. Daß er fih im Innern als Städtegründer näher hervorgethar. 
hat, haben wir jchon berichtet. Thun wir noch kurz einiger anderer 
Friedensthaten des Grafen und der Gräfin Erwähnung. 


Gottfrieds Gemahlin, eine geborene Gräfin von DVliekcaftel, aus— 
gezeichnet dur frommen Sinn, legte im Jahre 1246 im walbdigen 
Möhnegrunde an einem Drte, den „fie für ihr eigenes Geld gefauft 
hatte”, ein ifterzienjerinnenklofter an, da8 den Namen Himmel: 
pforten erhielt. Die neue Stiftung kaufte ſchon im nächſten Jahre 
dem Grafen und der Gräfin die Niefenberger Mühle für 39 Mark ab. 
Der Graf ſchenkte dazır die TFicherei auf der Möhne, unter Vorbehalt 
des Mitgebraudhes. Das Nonnenklofter ift zu Anfang diejes Jahrhunderts 
aufgehoben. Doch tönt nod) heute hell und rein das Glöckchen der alten 
Klofterfirhe durch das ftille Waldthal. Die übrigen ausgedehnten 
Gebäulichkeiten, Stallungen ufw. find nad) der Säcularifation 1803 in 
Privatbefig gefommen oder zu Räumen für die Königliche Oberförfterei 
eingerichtet, welche die Klofterwaldungen umfaßt. 

Der Eifterzienfer-Orden ift eine Berjüngung des im elften Jahr— 
hunderte in Berfall geratenen alten Benediktiner-Ordend. Nobert aus 
der Champagne rief den neuen Orden, welcher die alte Strenge, Armut und 
Entfagung nad der urfprüngliden Regel Benedikt wieder herſtellen follte, 
ins Leben und ließ ſich 1028 im milden Waldthale von Eiteaur (Cisternum) 
in Südfrankreich nieder. Durch den Hl. Bernhard von Glairvaur (F 1153), 


einen der gemaltigjten Männer feiner Zeit, der die Zierde feines Orbens mar, 
nahm der Orden einen bedeutenden Aufſchwung in ganz Europa. 


Weiter aufwärts im Möhnethale überließ Gottfried im Jahre 
1266 das Eigentum des Hofes zu Mülheim dem Deutſchen Orden, 
von welchem die Kommende Mülheim errichtet wurde.) Das alte Ritter- 
haus, in welchem ſich jest ein Noviziat der Franzisfanerinnen befindet, 
belebt das Thal. Die alte Ordens- und Pfarrkirche enthält noch einige 
Erinnerungen an die Nitterzeit. 


1) ©. den Auffag von Pieler in den Blättern 3.n.8.W. 1864, Nr. 7, 
8 und 9. — Seit 1554 war Mülheim Landfommende (unter Yandfomthuren). 
1809 wurde der Deutfhe Orden durch Napoleon aufgehoben und die Land— 
fommende als Königliche Domaine eingezogen. 1840 murde das Gut für 
80 000 Thlr. verkauft. 


Graf Gottfrieds III Stiftungen. Soefter Vogtei. 41 


Gleich große Bedeutung, wie die jtille Wirkfamkeit der Eifterzienfer, hatte 
für Chriftentum und Deutjchtum im Norbdoften unfere® PBaterlandes der 
mehr nad) außen hervortretende Deutſche Orden, namentlich feit dem Jahre 
1309, wo der Hauptjig desfelben nad) Marienburg verlegt wurde, deſſen 
großartige edle Bauten, den Geiſt des berühmten Ordens wiederfpiegelnd, in 
neuefter Zeit durch kaiſerliche Huld in alter Pracht mwiederhergejtellt wurden. 
An der Spitze des Ordens jtand der Hochmeijter, ihm zur Seite der Groß: 
komthur (zugleich Minijter für Burgen, Handel und Schiffahrt), der Ordens: 
marſchall (für SKriegswefen und Bemwaffung), der Oberjtfpittler (für 
Hofpitäler und Krankenweſen), der Oberfttrapper (von drap=Tud; für 
Beugftoffe für Krieg und Frieden), der Ordensdresler (tresor = Geld; 
für Finanzen). Unter dem SHochmeijter ftanden drei Qandmeijter: für 
Stalien, Deutſchland, Livland und Preußen. Unter diefen ftanden der Kom- 
ıbur, welcher für fein Gebiet die oberjte Militär- und Civilbehörde, der 
oberfte Juſtiz- und VBerwaltungsbeamte war. An der Spitze eines größeren 
Bezirkes, wie der Ballei Wejtfalen, ftand ein Landkomthur. 


Den Klöftern Wedinghaufen, Rumbeck, Olinghaufen und Benning- 
haufen erwies ſich Gottfried ebenfalls durd reiche Schenkungen als 
wohlwollender Gönner. 


Zu den wichtigſten und merkwürdigſten Rechten, welche die Grafen 
bon Arnsberg außerhalb ihres Territoriums befaßen, gehörte ohne Zweifel die 
Bogtei über die mächtig aufblühende Stadt Soejt, die fie vom Reiche zu 
Lehen trugen. Der Artikel 14 des älteften Soefter Stadtrechtes (Soeſter 
Schrae) aus dem Anfange des zwölften Jahrhunderts weiſet das Erkenntnis 
über Berwundung mit fcharfen Waffen (Blutbann) dem Vogte zu. Die 
Bogtei wurde von dem Grafen weiter verliehen, jedoch mußte der Lehnsmann 
de8 Grafen fi vom Könige mit dem „Bann“ belehnen laſſen. Auch behielt 
der Graf das Recht, dem Bogtdinge, fo oft er wollte, ſelbſt vorzufigen. 
So befennt Graf Gottfried III im Jahre 1230, daß der Edle Herr Walther, 
Bogt zu Soeſt, auf dem dortigen Rathaufe, als er (der Graf) im Vogtdinge 
den Borfig führte (me praesidente judicio quod teutonice Vogethinc diei- 
tur) erjchienen jet und befannt habe, daß er tags zubor mit feiner Gemahlin 
Sophia dem Klofter Rumbed fein Gut zu Embed verkauft Habe. Nach Herrn 
Walthers Tode ließ Gottfried 1262 den Nitter Rutger gnt. Pape durd) 
König Richard mit dem Königsbanne belehnen. In der betreffenden zu 
BWalingford ausgeitellten Urkunde befiehlt der König den Soejtern, dem neuen 
Bogte pünktlich Folge zu leiten. 

Gottfried mochte Schwierigkeiten in der Behauptung feiner Rechte 
über Soeft gefunden haben gegenüber den Anfprüden der Erzbijchöfe 
bon Köln, die bereits feit 600 Jahren das Schultheigenamt, bejtehend aus 
mehreren Ober- und Unterhöfen, inne hatten. Daher ließ er durd) feinen 
Sohn Ludwig da8 Amt an die Stadt Soeit verkaufen, jamt dem 
Königsbanne und einer Vogtrente don zwölf Mark, melde er aus drei zum 
Schultenamte gehörigen Haupthöfen zu beziehen hatte. Er belieh zwölf 
Bürger damit in der Weife, daß er fich verpflichtete, fo oft einer derjelben 
abgehe, einen anderen an deſſen Stelle zu belehnen. Auch verſprach er, daß 


42 Sefchichte der Grafen von Arnsberg. 


das FFreigericht, dem er an den Maljtellen außerhalb der Stadt vorzufigen 
pflege, Ddiefer nicht näher gelegt werden und Fein Soefter Bürger vor 
dasfelbe geladen werden folle. Gegen dies Kaufgeſchäft erhob Erzbifchof 
Siegfried Einfprud. Durd) einen Vergleich dom Jahre 1281 wurde feſt— 
gefeßt: die Stadt refigniert die angelaufte Bogtei in die Hände des Erzbiſchofes, 
diefer erklärt die Stadt Soejt für frei, d.h. er hebt den alten Hof- und 
Hörigfeitsverband volljtändig auf, und verlegt das mit der Bogtei verbundene 
„stille Ding”, dem die Soeſter als Bolkfreie unterworfen fein würden, außer: 
halb der Stadt nad; Neuengeſeke, derart, daß fein Soejter dorthin geladen 
werden folle. Dagegen folle das offene Gericht, welches der Graf von Arns— 
berg oder defien Vogt zu halten pflegte, bei dem erzbifchöflihen Richter (Go— 
greben) in der Stadt verbleiben, zu dem der Erzbiichof immer einen Soejter 
Bürger machen molle.') 

Gottfrieds Gemahlin Adelheid gebar dem Grafen neun Kinder. 
Bon diefen war Agnes die lette Abtiffin in Mefchede und Konrad erjter 
Propft dajelbjt, nachdem das Damenftift in ein Kanoniferfapitel ver: 
wandelt war. Ludwig wurde Nachfolger des Grafen, nachdem er bereits 
längere Zeit Mitregent gewejen war. Gottfried III, dejfen langjährige 
Negierung troß einiger Miferfolge eine tüchtige und fegensreiche ge— 
nannt zu werden verdient, ift innerhalb der Jahre 1284 und 1287 ge- 
ftorben. Er und fein Vater zufammen haben nahe ein Jahrhundert 
lang die Geſchichte der Grafſchaft geleitet. Der Lejer wird überhaupt 
die Beobachtung machen, daß unjere Grafen ein fräftiges, Tanglebiges 
Geſchlecht waren. 


Graf Ludwig (bis 1313). 


Graf Ludwig war im Gegenſatze zu vielen jeiner Ahnen ein 
friedliebender und bejonnener Herrſcher. Dieſe Eigenſchaften treten 
während feiner langen 40jährigen Negierung in feiner äußeren wie 
inneren Politik hervor. Nach außen fuchte er in einer fehdereichen Zeit 
durch weiſes Nachgeben kriegeriſche Konflikte zu vermeiden; im Innern 
war er darauf bedacht, feine Herrichaft durch territoriale Konfolidierung 
der Grafihaft und durd Förderung der Landeskultur zu befeftigen. 
Infolge diefes Verhaltens wurden der Grafihaft Kämpfe gegen das 
kölniſche Erzftift erjpart. Allerdings wurde der Graf durch die Über- 
griffe der Erzbiſchöfe, beſonders Siegfrieds von Wefternburg fehr gereizt. 
Die ſchwierigen Kämpfe, in welche diefer Erzbifchof mehrfach verwicelt 
war, mochten den Grafen um jo mehr zur Auflehnung gegen das Erz- 
jtift loden, al der mächtigfte Gegner Siegfrieds, der Graf Eberhard II 


1) Seibertz Landes und R.G. III ©. 386 ff. 


Ludwig und Siegfried von Wejternburg. 43 


von der Marf, des Grafen Better war. Dennoch widerftand Ludwig 
diejem Drange und begnügte fi, gegen die Anmaßungen Siegfrieds 
jein gutes Recht nachdrücklich hervorzuheben. 


In einer Urkunde vom Jahre 1288 fagt Siegfried von Wefternburg: 
„Da der edle Mann Graf Ludwig von Arnsberg, unfer Betreuer und Freund, 
über das Gericht Widede, welches in der Landessprache Gogericht bon 
Videde genannt wird und von dem wir behaupteten und behaupten, daß es 
mit vollem Rechte uns und unferer Kirche gehöre, nachdem eine Fehde zwischen 
uns und dem edlen Manne Eberhard, Grafen von der Mark, entjtanden, eine 
Streitfrage erhoben hatte und erhob, haben wir nad) gemeinfamer Beratung 
auf gemeinfame Entſchließung binzugezogen die Geliebten in Chrifto: den 
Domſcholaſtikus Wicbold, den erwählten Chorbifchof Johann von Rennenberg, 
den Edelherrn Johann von Bilftein, unferen Marfchall von Weitfalen und 
Hunold von Plettenberg uſw.“ Diefe, heißt es weiter, follten den Streit ent— 
ſcheiden, und beide wollten fich ihrem Ausfpruche fügen. Dann verfpricht der 
Erzbichof, er wolle, da Graf Ludwig mehrere Brüder und Söhne habe, die in 
den geiftlichen Stand zu treten wünſchten, c8 fich eifrig angelegen fein laſſen, 
daß einer von den Söhnen im Domkapitel von Köln, einer feiner Brüder aber 
in das dortige Gollegiatftift zum hf. Gereon bei der eriten Bafanz aufgenommen 
würde. Da ferner der Graf den Berbindungen, in denen er bisher mit 
dem Grafen Eberhard von der Mark und anderen Feinden der kölniſchen 
Kirche gejtanden habe, aus Rüdficht auf diefe entfagt und nichts Nachteiliges 
gegen die kölniſche Kirche zu unternehmen verfprochen habe, jo werde der Erz— 
biſchof ihn gegen alle Feindfeligkeiten jhüten, die dieferhalb von dem Grafen 
von der Mark und deſſen Berbündeten gegen ihn unternommen werden 
möchten. Ebenfo folle der Graf ihm Hülfe leiſten. 


In welcher Weife Ludwig durch das Bündnis mit dem Erzbijchofe 
zur thätigen Beteiligung an den Kämpfen desjelben herangezogen wurde, 
läßt fich nicht mit Sicherheit beftimmen. Außerlich jcheint das gute Ein- 
vernehmen mit ihm fortgedauert zu haben, wenn aud Ludwig im Jahre 
1293 mit der erzbifhöflihen Burgmannſchaft zu Hoveftadt in Fehde 
lebte. Der Erzbifchof verfchaffte den Angehörigen des Grafen die ver- 
Iprochenen Pfründen. Er jelbft vollzog im Jahre 1296 in dem Scloffe 
zu Rüden die Trauung des jungen Grafen Wilhelm von 
Arnsberg mit Beatrir, einer Gräfin von Rietberg. Daß aber 
innerlich der Graf dem Erzbiſchofe gram war, weil er fortfuhr, ihn in 
feinen Rechten zu kränken, erjehen wir aus einer Beſchwerde des Grafen 
bei Siegfrieds Nachfolger Wicbold (1267 —1304). Siegfried Habe, 
heißt es im der betreffenden Urkunde, dem Grafen das Gogericht Widede 
gewaltjam entriffen; darauf fei auf vieles Drängen des Grafen von dem 
Erzbiichofe ein Sciedsgeriht von vier Männern eingefegt worden, 
welche das Eigentum des Gerichtes prüfen jollten. ALS aber dann die 
Schiedsrichter in Werl zufammengelommen wären, und einer von ihnen, 


44 Geſchichte der Grafen von Arnsberg. 


Wiebold (der nunmehrige Erzbijchof), erkannt habe, daß die Anjprüche 
des Grafen beſſer begründet ſeien, als diejenigen des Erzbiſchofes Sieg- 
fried, fo fei er, ohne das Geſchäft zu erledigen, davongegangen, mit der 
Äußerung, daß er durch feinen Schiedsſpruch die kölniſche Kirche in 
feinem Punkte kränken oder verurteilen wollte; und die übrigen Richter 
hätten ohne ihn Fein Urteil fällen wollen. So ſei denn nocd heute das 
Erzftift im unredhtmäßigen Bejite des Gerichtes zu Widede, zum großen 
Schaden de3 Grafen. Zweitens gehöre die Hälfte des Gerichtes zu 
Werl feit Alters den Grafen von Arnsberg und fein Bruder Friedrich 
habe diejelbe in Beſitz gehabt; der Erzbiſchof aber habe ihm aud) diejes 
Gericht gewaltjam genommen. Er habe außerdem das Dorf Werl, 
welches auf dem Grund und Boden des Grafen gelegen jei, ohne feine 
Einwilligung, ja gegen feinen Willen befejtigt. Werner habe ber 
Erzbifchof innerhalb der Grenzen jener beiden Gerichte Werl und Widede 
und innerhalb der Freigrafichaften des Grafen zu feiner großen Be— 
ihwernis ein neues Schloß auf dem Borjtenberge (Fürftenberg 
bei Neheim) erbaut; und endlich habe er innerhalb des gräflichen 
Forftes, den der Graf vom Kaiſer zu Lehen trage, drei Städte, 
nämlich Warſten (Warftein), Bedeleke (Beleke) und Callenhortt 
(Callenhardt) angelegt; die Einwohner diefer Städte verwüfteten feinen 
Wald umd verbürben feine Jagd.) 


Welchen Erfolg diefe Beichwerde des Grafen hatte, ift nicht be- 
fannt. Bemerkenswert ift, daß die Angelegenheit auch den dentſchen 
König bejhäftigt hat. Denn im Jahre 1301 verbürgte fid) Eberhard 
von der Mark dafür, daß König Albreht mit dem Erzbifchofe von 
Köln nicht eher einen Waffenjtillftand oder Frieden abſchließen werbe, 
bi8 Graf Ludwig und fein Sohn Wilhelm, die fi) dem Könige dienft- 
bar gemacht Hatten, ihr Recht und ihren freien Befig in der Gograf- 
ſchaft Widede erhalten würden. 


Ob dieſe Fönigliche Erklärung älter oder jünger als die Beſchwerde 
des Grafen ift, läßt fich nicht beftimmen, weil diefe legtere fein Datum 


) Diefe jo merkwürdige Urkunde wurde nad) Seibert’ Angabe am 
5. Mai 1629 in einem Prozeſſe des Furfürftlichen Fiskus gegen Jagdan— 
maßungen der Stadt Warjtein angezogen. Sie lag in der Kapelle zu Arns— 
berg in einer Kiſte, in der fich viele alte, von Mäuſen bejchädigte Perga— 
mente befanden. Diefelbe follte beweiſen, daß die Stadt Warftein eigentlich mit 
Unrecht vom Erzbifchofe Siegfried angelegt fei und deshalb von demjelben 
auch Feine Jagdgerechtſame erhalten Fonnte. Die Urkunde Hatte ſehr von 
Mäufefraß gelitten und wurde auf Berlangen der Warjteiner, fomweit fie noch 
lesbar war, ihrem vollen Inhalte nad zu den Alten genommen. 


Ludwigs innere Politik. 45 


trägt, jondern nur im allgemeinen nad der Regierungszeit des Erz- 
bifhofes datiert werden fannı. Daß die berührten Streitigkeiten kriege— 
riihe Verwidelungen zur Folge gehabt hätten, wird nicht berichtet; und 
eben aus dem Fehlen ſolcher Nachrichten darf man bei Ludwigs 
Charakter wohl ſchließen, daß er ſich wenigftens nicht in größerem Um— 
fange an den Friegeriichen Unternehmungen feines Vetters Eberhard von 
der Mark beteiligt, jondern feinem Lande den Frieden gewahrt habe. 


Ludwig jcheint überhaupt fein Augenmerf mehr auf die inneren 
Verhältniffe der Graffhaft, als auf Erfolge nad) außen gerichtet zu 
haben. Dies folgt zunächſt aus feinem Beſtreben, die Grafſchaft zu 
einem gejchlofjenen Territorium abzurunden. 


Manche Yamiliengüter des Grafen, die außerhalb der Grafichaft 
lagen, wurden gegen Beſitztümer vertaufcht, die innerhalb ihrer Grenzen 
lagen. Einen bedeutenden Güterfompler jchenfte ihm die Erbin der 
ſchwarzen Edelherren von Arnsberg,') Elifabeth von Holte, 
nämlich alle Güter, welche ihre Vorfahren von der Grafihaft Arnsberg 
zu Lehen getragen. Seiner Schweſter Mechtilde, die mit einem Grafen 
von Walde verlobt war, gab Ludwig die entfernte Wevelsburg zum 
Brautihage. Vom Klofter Scheda erwarb er das Patronatsrecht über 
die alte Pfarrei Hüften (1290); von Konrad dem Edelherrn von 
Nüdenberg die Hälfte der Freigrafſchaft Velmede. Diejer fchenkte ihm 
ipäter „aus verwandtichaftlicher Liebe und Freundſchaft“ die Freigraf— 
haft „Stodheim" (Stodum). Das Dorf Wenholthaufen an der 
Wenne, welches durd die alten Erbteilungen mit dem Freigerichte, dem 
Gerichte und dem Patronatsrechte über die dortige Kirche an den Erz- 
biſchof und von diefem durch Verleihung an die Edelherren von Arbei 
gefommen war, kaufte Ludwig für 300 Mark an die Grafihaft zurüd. 


Andere Abmachungen ähnlicher Art übergehen wir, um die landes- 
väterliche Fürforge des Grafen noch nad) einer anderen Seite zu be» 
leuten. Dichter Wald, in deſſen Gründen fi viel Wild, aud) 
ihlimmes Raubwild (Bären, Wölfe) aufhielt, bededte in jenen Zeiten 
einen weit größeren Zeil des Sauerlandes als heutzutage. Von dieſem 
ließ der Graf größere Streden lichten, den Boden urbar maden und 
mit menjchlihen Wohnungen bejiedeln. So entftanden die Dörfer 
Hagen, Langjheid („Langenjheid"), Walde („Wallen“) und 
Sundern, die teilweife zu Freiheiten erhoben wurden. Da nämlich 
die herzogliche Erlaubnig zur Anlage feiter Städte jo jchwer zu erlangen 
war, fo verzichtete Ludwig darauf, neue Städte zu gründen; aber indem 


») Über diefes Gefchlecht wird weiter unten gefprochen werden. 


46 Geſchichte der Grafen von Arnsberg. 


er größere Dörfer zu Freiheiten machte, gab er deren Einwohnern die- 
jelbe rechtliche Stellung wie den Bürgern der Städte. Eine Freiheit 
unterjcheidet fi) von einer Stadt nur durd) den Mangel der Befeftigungs- 
mauern. — Sundern (Sonderen) bedeutet, beiläufig bemerkt, eine vom 
Gemeindewald für den Marfenherrn „abgejonderte" Waldparzelle. 


Die Bejonnenheit, welche Graf Ludwig in allen feinen Regierungs— 
handlungen an den Tag legte, verichaffte ihm einen weiten Auf und 
bewirkte, daß er häufig als Schiedsrichter in rechtlichen Streit- 
fragen angerufen wurde. Wir wollen hier eine für die Geſchichte 
Arnsbergs und feiner Umgebung bejonder8 merkwürdige Verhandlung 
anführen. 


Gottfried von Rüdenberg behauptete, ein Zehntreht an mehreren der 
Stadtkapelle zu Arnsberg gehörenden Gütern zu Obereimer zu haben. 
Ebenjo beanspruchte Wilhelm Schekel (Scekel), Befiter des Schefelhofes zu 
Dbereimer (an der Stelle, wo heute die Papierfabrik jteht) mehrere Ländereien 
dafelbjt als jein Eigentum. Diefe Anfprüche wurden von dem Geiftlichen 
Heinrich, dem Provifor der Stadtkapelle und Notar des Grafen Ludwig, be- 
jtritten. Beide Parteien erjchienen in figura indieii — wie zum Geridt — 
vor dem Grafen Ludwig. Nachdem die Kläger ihre Anſprüche vorgetragen 
hatten, erwiderte der Provifor, daß die in Frage jtehenden Üder ſchon über 
Menſchengedenken, „vielleicht jeit dreihundert Jahren“ (übertrieben!) der 
Kapelle als freies Eigentum gehört hätten. Zwar habe unter feinem Vor— 
gänger Ererfried, Pfarrer zu Enkhaufen, am 7. Mai 1276 eine Witwe Hel— 
wig von Hüften ein Zehntrecht auf diefe Ader behauptet, unter dem Bor- 
geben, diejes von den Edeln von Nüdenberg zu Lehen zu tragen. Damals 
feien drei alte Männer von vielleicht Hundert Jahren als Zeugen vernommen, 
der Schulte Heinrich von Herdringen (Herderindhe), der mehrere Jahre 
in Obereimer getvohnt habe, Hermann Lindemann und Arnold von 
Niedereimer, deren Ausfagen die Witwe Helwig zur Zurüdziehung ihrer 
Anjprüche beivogen hätten. Mehrere „Bürger“ (eives) von Eimer (Embere) 
bezeugten dies. Als nad) dem Abgange des Pfarrers Erenfried ihm, dem 
Provifor Heinrich, die Kapelle übertragen fei, habe im Jahre 1286 am 21. 
Juli jene Witwe ihre Anfprüche erneuert, aber nad) abermaliger Bernehmung 
mehrerer alter Zeugen, des Schulten Hermann von Herdringen, des Arnold 
von Niedereimer, des Gerhard Klunghaſe zu Eimer, wiederum Berzicht geleijtet. 
Bei diefer Ausſage waren gegenwärtig: Hermann genannt Schürmann 
(Scuremann); Guntram genannt Heffe, der „Behnteinnehmer“ (Decimator) 
der Witwe Helwig; Helmich von Obereimer und deflen Sohn Fohannes ; 
Heintih Schulte von Eimer; Helmichs Bruder Konrad von Eimer, der auf 
Schefeld Gut wohnte; Arnold genannt Strafewage; Johannes und Bruno 
von Walpe (Walpfe, im Seufzerthale befanden fi) damals mehrere Höfe), 
und jehr viele andere cives de Embere. Der Proviſor erklärte ferner, als 
die Witwe Helwig damals ihre Anfprüche geltend gemacht hätte, habe der 
Pfarrer Erenfried von Enkhauſen erklärt, daß der Zehnte jeit vierundvierzig 
Jahren nicht gefordert ſei als jenes einzige Mal, tvo die Witwe auf ihr be— 


Ludwig als Schiedsrichter. 47 


hauptetes Recht verzichtet hätte. Der anmejende Pfarrer Gerhard von Ent: 
haufen, Erenfrieds Nachfolger, bejtätigte, don Erenfried dasjelbe gehört 
zu baben. 

Nachdem der Provijor feine Behauptungen durch viele alte nod) lebende 
Zeugen erhärtet hatte, wurde don dem Grafen Ludwig nad dem „Rate 
mehrerer erfahrener Geijtlichen“, nämlich des Propjtes Wigand zu Weding- 
baujen, des Priors Gerhard dafelbit, ſowie auch des Ritters Heinrich 
Bogt don Elspe, des gräflihen Drojten Anton von Enje und feines 
Bruders Heinrich, beides Burgmänner des Grafen in Arnsberg, und vieler 
Bürger zu Arnsberg, jo des Bürgermeijters Theodor (Theodoriei 
fabri magistri consulum, der Bürgermeijter hieß Schmidt, vgl. weiter unten), 
des Heinrih don Hüften, nadhdem die Parteien fi) gegen eine Strafe 
von bierzig Mark verpflichtet hatten, dem jchiedsrichterlihen Ausfpruche genau 
Folge zu leijten, und darauf die ftreitige Sache von den damit beauftragten 
Berjonen zum dritten Male unterjucht und beraten war, endlich dahin er- 
kannt, daß die Kläger mit ihren Anfprüchen gänzlich abzumeifen feien. Bei 
der dritten Prüfung fand auch eine Ortsbefidhtigung in Anweſenheit der 
Kläger und vieler Zeugen ſtatt. Auch der gräflihe Nichter in Arnsberg 
Statius wird erwähnt. 

An der im Wedinghaufer Archive erhaltenen Urkunde Hängen nad) 
Seibert’ und Hollenhorjts Beichreibung an weißen Zwirnſträngen drei Siegel 
in grünem Wachs: 1) das des Grafen Ludwig mit dem aufjteigenden Adler; 
2) das des Propjtes von Wedinghaufen, welches einen vor dem Altar jtehen- 
den Prieſter zeigt; 3) da8 große Stadtfiegel don Arnsberg mit 
einem auffteigenden Adler und der Umſchrift Sigillum Opida- 
norum de Arnesberg. Die Urkunde iſt gegeben feria quarta post Vincula 
Petri (3. Auguft) 129%. 

Graf Ludwig ftarb nad) einer ruhmmwürdigen Negierung laut dem 
Zotenregifter (Liber obitualis) von Wedinghaufen am 2. Mai 1313. 
Seine Gemahlin Peronette (PBetronella), eine Tochter des im SXahre 
1277 zu Aachen erichlagenen Grafen Wilhelm von Jülich, hat ihm 
neun Kinder, jehs Söhne und drei Töchter, geboren. Bon den Söhnen 
wurde der zweitältefte, Wilhelm, Nachfolger jeines Vaters; die übrigen 
(Friedrich, der ältejte, Gottfried, Walram, Johann und Gerhard) traten 
ſämtlich in den geiftlihen Stand. Gerhard und Johann wurden 
Kanonifer in St. Gereon (vergl. oben ©. 44), Walram Kanonifus zu 
Aachen (diefe Pfründe befam nad) ihm fein Neffe, ein Sohn des Grafen 
Wilhelm), Friedrich Abt zu Steinfeld, jpäter Helfer feines Bruders 
Gottfried. Der legtere war erſt Domſcholaſter zu Münfter, danır 
feit 1318 faft 32 Jahre Biſchof von Osnabrüd. 1350 wurde er auf 
den erzbifhöflichen Stuhl zu Bremen berufen. Dieſes Kircdhenamt 
machte ihm der Domherr Graf Morig von Oldenburg ftreitig, welcher 
in den legten Jahren des vorigen Erzbijchofes für diejen regiert hatte. 
Schon fam es zwijchen beiden zum offenen Kampfe, al3 der Magijtrat 


48 Sefchichte der Grafen von Arnsberg. 


von Osnabrück einen Vergleich verfuchte, der Hinwiederum Gottfried 
nicht befriedigt... Nach fruchtlojen Kämpfen ftarb diefer gramgebeugt 
im Jahre 1313. 


Graf Wilhelm (bis 1338). 

Kurz nad) dem Tode feines Vaters berief Graf Wilhelm feinen 
Oheim Gerhard von Jülich nad) Arnsberg, der vor dem Pfingft- 
fefte des Jahres 1313 einen Erbvergleid zwiſchen den zahlreichen 
Kindern des verftorbenen Grafen ftiftete. Wilhelm wurde als aus— 
ichlieglicher Herr der Grafihaft anerkannt. Zehn Tage fpäter hielt er 
einen allgemeinen Lehnstag ab. Das darüber aufgenommene Protofolf 
enthält ein fehr genaues Güterverzeihnis de8 Grafen. Er vergab im 
Ganzen 261 Lehen. Dieje waren ſämtlich fogenannte Kunkel- oder 
Erblehen, d.h. fie mußten, jo lange nod irgendwelche Verwandte 
des letzten Vaſallen da waren, an diefe weiter verliehen werden. Kurz 
nachher lieg Wilhelm den Edelherrn von Büren, wahrſcheinlich wegen 
einer Unbotmäßigfeit einferfern, und entließ ihn gegen die hohe Kaution 
von 600 Mark auf drei Monate, innerhalb deren die Sühne zu ftande 
gefommen fein mußte. 


In der Gejhichte der früheren Jahrhunderte fpielte da8 Lehnsweſen 
eine große Rolle. Am Gegenjage zum freien Eigentum (Allod) bezeichnet 
Lehen ein Gut, welches von jeinem Eigentümer, dem Lehnsheren (dominus 
feudi), einem anderen, dem Lehnsmanne oder Bafallen (vassus) in der Weife 
zur fajt unbefchränften Nutung übergeben („geliehen“) wird, daß zugleich 
zwijchen Geber und Empfänger das Verhältnis twechjelfeitiger Treue entitcht- 
Häufig find die Lehnsauftragungen, darin bejtehend, daß jemand, um den 
Schuß eines mächtigen Lehnsherrn zu gewinnen, diefem fein Allod als 
Eigentum überträgt, um es dann von ihm als Lehen zurüdzuempfangen. 
Die Begründung eines Lehens gefchieht durch die Inveſtitur, welche aus der 
Belehnung (feitens des Lehnsheren) und der Huldigung (feitens des Bafallen) 
beiteht. Bei der Belehnung bediente man ſich häufig eine® Schwertes oder 
einer Fahne als Symboles. Die Huldigung (homagium) bejteht in der eid— 
lihen Berfiherung (Lehnseid), dem Lehnsheren treu, hold und gewärtig zu 
fein. Ausnahmsweiſe genügte der Handichlag (Handlehen). Eine mwejentliche 
Eigenſchaft des Lebens ijt feine Erblichkeit. Das Lehnsfolgereht kommt 
aber nur den leiblichen, ehelichen Nachkommen männlichen Gejchlechtes zu, es 
fei denn, daß das Lehen als Weiber: oder Kunkellehen errichtet worden iſt. 
Diefe Beſchränkung kommt daher, weil der Bafall urjprünglich ſtets feinem 
Herrn gegenüber zu Kriegsdienjten verpflichtet war. Dieje find fpäter in 
Geldleiftungen verwandelt. Auch Hofdienjte mußte der Balall leiten. Lehns— 
erneuerung tritt ein ſowohl bei Veränderungen in der Perfon des Lehns— 
heren (Hauptfall, Ihronfall), al® auch bei Veränderungen in der Perjon 
des Bajallen (Nebenfall, Bafallenfall). Felonie d. i. Treubruch zieht Berluft 
des Lehens nad) fi. (Bergl. Pätz, Lehrb. d. Lehnsrechtes. Göttingen 1819.) 


Wilhelm. Die Reichslehen der Grafen. 49 


Ein denfwürbdiges Ereignis brachte das Jahr 1314. Der uner- 
wartete Tod des Kaiſers Heinrich VII Hatte für das Reich Zwieſpalt 
und Unruhe zur Folge. Ein Zeil der Fürſten wählte den Herzog 
Friedrih von Dfterreich zu feinem Nachfolger, ein anderer den 
Herzog Ludwig von Bayern. Während fat alle Fürften am 
Niederrhein und in Weftfalen dem Tetteren Huldigten, ftellte fich der 
Erzbiihof von Köln, Heinrid) II, auf Friedrichs Seite und frönte ihn 
in Bonn. Ludwig wurde dagegen von dem Erzbiſchofe Peter von Mainz 
in Aachen gekrönt und von dem Erzbiſchofe von Trier in Köln ein- 
geführt, wo der Yubel des Volkes bewies, daß dieſes anders dachte, 
als jein Herr. Damals erſchien unter anderen Fürften auch Graf 
Wilhelm in Ludwigs Hoflager und erhielt von ihm nad) dem Huldigungs- 
eide als Reichslehen: die Vogtei über Soeſt; die herzog- 
lihen Rechte (ducatus) innerhalb der Grenzen feiner 
Grafihaft; den Vorftreit zwifhen Ahein und Wefer für 
den Fall, daß der König oder oberjte Herzog (summus dux; der Erz- 
biihof von Köln) in Weftfalen Krieg führten; ferner den Lürwald 
(Arnsberger Wald) und den Wildforft in demjelben; endlich den Zoll 
(daS „Brüggegelt”) zu Neheim. 

Wie der Herzog von Lothringen zwiſchen Rhein und Mofel, der Herzog 
von Schtwaben im ſüdlichen Deutfchland, fo hatte der Erzbifchof von Köln als 
Herzog in Weitfalen da8 Reichsbanner zwiſchen Rhein und Wefer zu 
führen. Dieſes Recht des „Vorſtreites“ follte nach der Eaiferlihen Belehnung 
der Graf don Arnsberg dann ausüben, wenn der Saijer, der König oder 
der Erzbiichof von Köln, (Seibertz' Deutung don summus dux; alle neueren 
Auslegungen fcheinen uns verfehlt) zwiſchen Rhein und Weſer Krieg führte, 
Ihm Hatte alddann die ganze Schar der übrigen Bannerherren zu folgen. Es 
jei Hier bemerkt, daß dies ritterliche Ehrenredt von dem Erzbifchofe nad) dem 
Ankaufe der Grafſchaft Arnsberg auf den Grafen Johann bon Naſſau über- 
tragen wurde, um ihn wegen jeiner Anſprüche auf die Grafjchaft zufrieden 
zu ftellen. So wurde auf dem Reichstage zu Worms 1495 bei der Fatjerlichen 
Belednung der Kurfürjten das Panier des Herzogtumes Wejtfalen bon dein 
Grafen Johann zu Naffau-Beiljtein getragen. Der Graf hatte damit wieder 
die Herren von Bennenberg beliehen für den Fall, daß er nicht perſönlich zu 
Felde ziehen würde. (Pieler, Blätter 3. n. K. W. 1869 ©. 56.) Nad) der Heffifchen 
Befigergreifung von Weſtfalen hinderte der gejchilderte Wechjel den Land: 
grafen Ludwig X von Heſſen nicht, fi) „Graf von Arnsberg und des Heiligen 
römifhen Reiches Vorfechter zwifchen Rhein und Wefer” zu nennen. Bei 
Wegräumung des alten Grafendenfmals aus dem Kapitelhaufe fcheint die 
Hoffnung, das Schtvert der Borfechter zu finden, eine Rolle gejpielt zu haben. 
(Nach einer Notiz des M. 9.) 


Sp wichtig dieje genannten Verleihungen an fid) waren, jo gering 
war doc; fchließlich ihr praktiſcher Nuten. Denn die Grafen waren 


Feaury, Geſchichte Arnsbergs. 4 


50 Geſchichte der Grafen bon Arnsberg. 


bereitS nicht mehr ftarf genug, um ihr Mecht gegen fremde Übermacht 
zu behaupten. So hören wir, wie Graf Gottfried IV, Wilhelms Nad- 
folger, zur Befeftigung der Stadt Hirjchberg die herzogliche Erlaubnis 
des Erzbichofes von Köln einholte. 

Dementſprechend jehen wir aud Wilhelm, wie feinen Vater, fo 
viel und jo gut er es Fonnte, in den Bahnen des Friedens wandeln. 
Seine ganze Regierungszeit bietet faft nichts als eine Folge von fürjorg- 
lihen Regentenhandlungen. Erwähnenswert iſt die Anlage der Stadt 
Grevenjtein.!) Daß ihm übrigens ritterliche Gefinnung nicht fremd 
war, bewies der Graf, als er noch im Greijenafter, wie fein Ahne 
Gottfried I, im Dienfte des Chriftentumes das Schwert ergriff. Er 
leiftete mit vielen andern Grafen und Herren der Einladung des Königs 
Johann von Böhmen Folge, weldher dem Deutjchen Orden (vergl. 
S. 41) gegen feine feindlihen Nachbarn, die Litthauer, Hülfe brachte. Auf 
dieſem Zuge gründete er ſich und jeinem Gejchlechte ein Denkmal, indem 
er auf der Inſel Oſel (jett ruffiih; vor dem Riga'ſchen Meerbufen be 
legen) die Stadt Arnsburg anlegte, die noch heute jein Wappen trägt. 

Wilhelm ftarb im Jahre 1338 nad) fünfundzwanzigjähriger Re— 
gierung, beinahe 62 Jahre all. Er regelte feine Angelegenheiten in 
einem Zeftamente, zu deſſen Bollftreder er feinen Bruder Gott: 
fried, Biihof von Osnabrück, ernannte. Seine Gemahlin Beatrix 
von Mietberg, die ihm, wie ſchon erzählt ift, vom Erzbijchofe Siegfried 
angetraut war, gebar ihm ſechs Kinder. Warn fie geftorben ift, wiſſen 
wir nit. Im Umgange des Kloſters Wedinghaufen hatte fie ihr 
Grabmal mit folgender Inſchrift: 

Morte erepta iacet quondam Comitissa Beatrix; 
Haec fuit in Arnsberg?) dominans, sed sanguine Rietberg. 


Ad, eine Beute des Todes, liegt hier Beatrix, einft Gräfin; 
Herrin war diefe auf Arnsberg, doc) Nietberg’ihem Blutes entjtammt fie. 


Die Kinder des gräflichen Ehepaares hießen: Gottfried, Wilhelm, 
Konrad, Mechtilde, Adelheid, Jutta(?). Gottfried wurde Nachfolger 


ı) Mit dem Grafen von Walded, der die zweite Hälfte der Frei— 
grafichaft Rüdenberg erworben hatte, fette fi Wilhelm dahin auseinander, 
daß die Volme (an der Ramsbeck Tiegt) die Grenze bilden follte. Der Graf 
von Walde erhielt die rechtsfeitig belegene Hälfte. Später erhoben fid) 
hierüber Landeshoheitsitreitigkeiten zwifchen Köln und Walded, die erſt 1663 
verglichen wurden. 

2) Bei Seiberk (S. 221 Anm.) nad) Gelen, vita 8. Engelb. p. 251: 
fuit Arnsberg; bei Hüſer ©. 39 in Arnsberg. Vielleicht jtand richtig: Arns- 
bergae da. 


Wilhelm I. Gottfried IV. 51 


feines Baters, Wilhelm Propft zu Mejchede, Konrad Domherr zu 
Osnabrück, Mectilde Abtiffin zu Bödeken. 


Graf Gottfried IV (bis 1369). 

Gottfried war der letzte ſeines Stammes und der legte Graf 
von Arnsberg. Seine Regierung fpiegelt noch einmal die unruhigen 
Zeiten der früheren Grafen wieder.) Noch bei Lebzeiten feines Vaters 
verwirfte Gottfried den päpftlichen Bann, weil er „Ludovicum, Biſchof 
zu Münfter gefangen hielte, defjen Amtsleute feinem Vater Wilhelm 
von Arnsberg in feiner Grafjhaft mit Brennen und Nauben großen 
Schaden zugefüget hatten."?) Bapft Benedift XII abjolvierte ihn davon 
im erſten Jahre feiner Regierung (1335). Als Gottfried als Herricher 
auftrat, war er bereit$ vierzig Jahre alt. Nach dem Beifpiele feines 
Vaters berief er zuvörderſt einen allgemeinen Lehnstag nad) Arnsberg. 
Das darüber aufgenommene Protofoll weift an ſechshundert Mann- 
und Dienftlehen auf. Unter den Lehnsträgern des Arnsberger Grafen 
eriheinen u. a. der Graf von Wittgenjtein, die Edelherren Berthold 
von Büren, Heinemann von Itter, Johann von Grafſchaft, die Ge— 
brüder Ritter von Schnellenberg. Aud ließ Graf Gottfried einen 
Katalog feiner Urkunden aufftellen, der jedoch unvolfftändig ift; er zählt 
nur jechzig Nummern. 

Am 17. Auguft 1338 ließ fi) der Graf in Koblenz vom Könige 
die Reichslehen übertragen, die fein Vater Wilhelm gehabt Hatte. Wir 
erwähnten ſchon, daß Gottfried troß der Belchnung mit den herzoglichen 
Rechten im Jahre 1340 bei der Befeftigung der Stadt Hirfhberg 
die Erlaubnis des Erzbiihofes Walram nachſuchte. Die darüber ger 
pflogenen Verhandlungen weijen auf ein freundjchaftlices Verhältnis 
der beiden Machthaber Hin. Der Erzbiſchof erteilte die gewünjchte Er- 
laubnis, während der Graf das in feinem freien Befittume gelegene 
Dorf dem Erzbifchofe übertrug, der es ihm dann als Lehen zurüdgab. 
Zugleich wurde beftimmt, Stadt und Schloß Hirſchberg jollten dem 
Erzbifchofe und feinen Nachfolgern allezeit offen ftehen, außer wenn 
zwijchen dem Grafen und dem Erzbijchofe bezw. ihren Nachfolgern eine 
Fehde ausbräde; in diefem Falle follten Stadt und Schloß durchaus 
neutral bleiben und für die Dauer der Fehde volle Sicherheit genieken. 


1) In der Lebensbejchreibung diefes Grafen find wir vornehmlich Tobien 
(a. a. D. ©. 65 ff.) gefolgt, deffen Darjtellung auf Urkunden beruht, die 
Seiberk zum Teil noch unbefannt waren. 
) Kleinſorgen, Kirchengejchichte II S. 272, 
4* 


52 Geſchichte der Grafen von Arnsberg. 


Das freundichaftlihe Verhältnis zwiſchen Graf und Erzbiſchof 
dauerte nit lange. Die Gründe des Zerwürfniffes find unbe— 
fannt. Im Jahre 1344 überfiel Gottfried im Bunde mit dem Grafen 
Adolf von der Mark die vom Erzbifchofe eben erft (1331) neubefeftigte 
Stadt Menden, welche als Grenzveſte dem Grafen von der Mark in 
hohem Grade verhaßt war. Der erjte Angriff wurde von der Befagung 
zurückgeſchlagen; der zweite, am Alferheiligentage, glückte. Das Kriegs- 
volf erftieg zur Nachtzeit die Mauern umd eroberte und plünderte bie 
Stadt. Adolf jchonte aud der Kirche nicht; er ließ fie niederreißen 
und die Gloden nad; Camen, den Taufjtein nad) Unna, die Monftranz 
mit der geweihten Hoftie nad) Fröndenberg bringen, wobei er bemerft 
haben ſoll, daß der Sohn billig bei der Mutter fei. Im nächſten Jahre 
309 der Graf Adolf ins Belt Nedlinghaufen und erfocht daſelbſt einen 
glänzenden Sieg über die Kölnifchen, wobei er viele edle Ritter umd 
Knappen zu Gefangenen machte. Um dieje Schmad zu rächen, cilte 
Erzbifhof Walram mit einem mächtigen Heere heran; aber noch ehe 
e3 zum Kampfe fam, wurde durdy Vermittelung der Grafen Diedrid) 
von Kleve, Adolf von Berg, des Markgrafen Wilhelm von Jülich und 
anderer Fürften ein Vergleich zuſtande gebracht zwijchen dem Erzbifchofe 
Walram und dem Biſchofe Ludwig von Münfter einerfeit3 und den 
Grafen von der Mark, Arnsberg und Walde andererfeits. 


Eine aus der Zeit diefer Fehden jtammende Urkunde wirft auf das 
damalige Kriegsweſen ein intereflantes Streifliht. Der Marjchall des Herzog 
tumes Wejtfalen verbündete jih im Mai 1344 mit den Städten und Burg- 
mannen des Herzogtumes zur Aufrcchterhaltung des Landfriedens und zu 
gegenfeitigem Schuße, und zwar „mit dem Willen des Erzbifchofes”. Der 
Marſchall verpflichtete jih 17 Mann an Gemwaffneten zu jtellen, die Stadt 
Soejt 10, die Stadt Brilon 4, Werl 3, Gefefe 3, Rüthen 3, Warjtein 2, 
Gallenhardt 1, Belefe 1, Medebach, Hallenberg, Schmallenberg und Winter- 
berg zufammen 6 Mann. 


Unter den Friedensbedingungen war die wichtigjte, daß der Graf von 
der Mark die neuen Befejtigungen von Volmarjtein und Bochum wieder zer- 
jtören follte. Wenngleich der Erzbijchof einige Vorteile aus dem Frieden zog, 
fo hatte ihn doch der Krieg in eine jo tiefe Schuldenlaft gejtürzt, daß er in 
die größte Verlegenheit geriet und alle feine Einkünfte, feine Schlöſſer, Ge- 
richte uw. verpfänden mußte. Nach dem Tode Adolfs von der Mark geriet 
er mit dejfen Sohn Engelbert in neue Streitigkeiten, die abermals verglichen 
wurden. Gngelbert verſprach, den Erzbifchof an der Wicderherjtellung der 
Befeftigungen von Menden nicht zu hindern, fein geſchworener Nat zu werden, 
ihm mit 300 ®ewappneten zu dienen, wenn der Erzbifchof in Wejtfalen 
„Botdinge” halte u. a. m. (1349). In dafjelbe Jahr fällt Walrams Tod. „Durd) 
Widertwärtigfeiten und bejtändige Fehden beunruhigt, von Schulden gedrüdt, 
bon feinen Verwandten verlaffen, vermweilte er einige Zeit im Königreiche 


Gottfried IV. Berjtörung Mendens. Engelbert III von der Mark. 53 


Frankreich, während alle Schlöffer und Befitungen der Kirche als Pfandftüce 
für fehr große Schulden in den Händen feiner Gläubiger ſich befanden; in 
Paris wurde er vom Fieber ergriffen und jtarb.”*) 

Walrams Nachfolger war Wilhelm von Gennep (1349—1362). 
Diefer befferte die zerrütteten Finanzen des Erzftifte8 und wußte mit 
Erfolg das herzoglicde Anfjehen in Weftfalen zu wahren. Mit dem 
Grafen Engelbert III von der Mark ſchloß er ein Bündnis. Diefe 
Verbindung war der Todesftoß für die Grafſchaft Arns— 
berg. Die Grafen von Arnsberg hatten bisher aus der Eiferfudht 
zwifhen dem Erzbifchofe von Köln und den Grafen von der Mark 
Nuten gezogen: jett ftand der Arnsberger Graf allein zwei mächtigeren 
Feinden gegenüber. Im Yahre 1352 brach zwifchen den beiden Grafen 
eine Fehde aus. ALS Veranlaffung wird angegeben, mehrere Unter: 
thanen des Grafen von Arnsberg hätten ſich auf den öffentlichen Land— 
fragen, jelbft in der Grafihaft Mark, Räubereien zu Schulden fommen 
laffen, und der Graf wäre nicht eingefchritten. In diefe Fehde mijchte 
fi) der Erzbifhof von Köln ein, der den Grafen von Arnsberg zu 
wichtigen Zugeftändniffen nötigte. Er mußte geloben, den Geiftlichen 
in feiner Grafſchaft das Geld wiederzugeben, welches er unter der Re— 
gierung der Erzbifhöfe Wilhelm und Walram von denjelben mit Ge— 
walt gefordert und erhalten habe. Demgemäß erging eine Aufforderung 
an alle betr. Geiftlichen, die Höhe jener Summe anzugeben. Dann 
verzichtete der Graf auf die Ausübung der geiftlichen Gerichtsbarkeit in 
feiner Grafſchaft und befannte, daß diefelbe dem erzbiihöflihen Stuhle 
von Recht und Gewohnheit zuftehe. Ebenſo entfagte er allen Anfprüchen 
auf die Herrſchaft Ardey, die ihm der Erzbifchof jett zu Lehen gab, 
auf das Hochgericht zu Schmallenberg und zu Körbede, auf Galgen und 
Rad zu Weftrih. Größeren Nachteil brachte dem Grafen Gottfried der 
Friede mit dem Grafen von der Mark. Er trat diefem das Land 
Fredeburg ab, während er das Schloß behielt. Sein Schloß Schwarzen 
berg war während der Kämpfe zerftört worden. Dies war bie erjte 
Demütigung des Grafen von Arnsberg durch den Grafen von der Marf. 


Zwei Jahre fpäter finden wir den Grafen Gottfried wieder im 
Kampfe mit dem Erzbiſchofe. Diefer hatte am 3. Dftober 1356 den 
Ritter Johann von Padberg zu feinem Marſchall in Wejtfalen ernannt 
und durch denjelben eine Anzahl von Rittern gegen Gottfried anwerben 
laffen. Im folgenden Jahre gab der Erzbiihof dem Marſchall den 
entichiedenen Auftrag, gegen den Grafen von Arnsberg in der gegen» 


1) Jatob von Soeſt; vergl. Tobien — Seibertz Landes- und Rechts— 
geſchichte IV, 1, ©. 32. 


54 Gejchichte der Grafen von Arnsberg. 


wärtigen Fehde mit aller Macht aufzutreten, wobei er ihm veriprad, 
ihm zu diefem Zwede außer den Einkünften aus Weftfalen noch jährlid 
zweitaufend Florin zu geben. 

In diefer Fehde erfolgte wahrjheinlic") die urfundlid) bezeugte 
Zerftörung der Stadt Winterberg durd den Grafen Gottfried’ 
Im Jahre 1357 verlich der Erzbiichof der von den Grafen von Arns— 
berg und anderen Feinden eroberten und gänzlich zerftörten Stadt Ab- 
gabenfreiheit auf zehn Jahre. Der Ausgang de8 Kampfes war für 
beide Zeile ungünftig: der Erzbiichof war in neue jchwere Schulden ge: 
ftürzt ; der Graf von Arnsberg aber mußte fi) dazu verftehen, das 
Marihallamt in Weftfalen zu übernehmen, weldes ihn u. a. dazu 
verpflichtete, den Zandfrieden, welden der Erzbijchof mit mehreren 
Biihöfen, Edlen und Städten in Weftfalen gejchloffen hatte, zu des 
Erzbifchofes Vorteil auf eigene Koften mit feiner Mannſchaft auf- 
recht zu erhalten. 

Der Krieg mit Engelbert von der Mark entbrannte von neuem, 
als diefer Anfprüde auf das Schloß Fredeburg erhob, welches ja im 
Beſitze des Arnsberger Grafen geblieben war. Graf Engelbert rüdte 
eiligjt mit jeinem Kriegsheere in die Grafichaft Arnsberg, belagerte 
am 20. Auguft 1366 die Hauptjtadt Arnsberg, eroberte 
jie und äſcherte fie größtenteils ein. Weiteren Feindfeligfeiten 
wurde durch VBermittelung des Erzbifchofes Kuno von Falfenftein vor- 
gebeugt, der nad) dem Tode des Erzbiſchofes Wilhelm von Gennep 
neben feinem Erzbistume Trier auch noch das Erzitift Köln verwaltete. 
Der Vertrag, welder im Jahre 1367 abgejchloffen wurde, brachte auch 
das Schloß Fredeburg in den Befit des Grafen von der Mark. 


Diejer neue DVerluft, diefe neue bittere Demütigung von feiten 
des Grafen Engelbert, Fränfte den Grafen fo tief, daß ein wohl ſchon 
länger erwogener Entjhluß reif in ihm wurde. Graf Gottfrichd 
lebte mit feiner Gemahlin Anna von Eleve in Finderlojer 
Ehe. Durd diefe war er mit dem Grafen von der Mark verwandt, 
deſſen Mutter die Tochter eines Bruders der Gräfin war. So lag 
es nahe, die Grafichaft Arnsberg an das Haus der Grafen von der 
Mark zu vererben. Der Graf beſchloß es anders. Nimmer hätte 
er dem Grafen die Schmad) vergefjen, die er von ihm erlitten. Er 
war alt, jatt der unaufhörliden, fruchtlofen Kämpfe; er war Finderlos 
und feines Stammes Legter; nur feine Schwefter Mechtilde, die Abtiffin, 


1) Tobien, Gejch. der Grafen dv. U. ©. 69; Landesgeſch. IV, 1, ©. 34. 
Seiberk, S. 228 verlegt die Zerjtörung in das Jahr 1346. 


Zerſtörung Arnsbergs durch Engelbert III. Verkauf der Grafichaft. 55 


(ebte noh. Graf Gottfried verkaufte oder verſchenkte vielmehr 
die Grafſchaft Arnsberg an das Erzftift Köln! Bevor wir 
die näheren Umstände erörtern, unter denen ſich dies wichtige Ereignis 
vollzog, wollen wir noch einen flüchtigen Blick auf die wichtigften fried- 
lichen Thaten des letten Grafen werfen. 

Im Yahre 1358 gab er der Stadt Neheim Lippe’fches Recht 
und 1360 einen Jahrmarkt. Das Dorf Hüften erhob er 1360, das 
Dorf Freienohl 1364 zu Freiheiten mit Arnsberger bezw. Lippe'ſchem 
Rechte. Dem Klofter Wedinghaufen ſchenkte er 1363 die Pfarrei 
Hüften. Im SYahre 1348 übertrug er die Schuk- und Schirm: 
herrichaft über die Arnsberger Mark auf die Stadt Arnsberg.!) 
Im Jahre 1364 ſchenkte er der Stadt Arnsberg eine Rente von zehn 
Malter Korn, wofür fie ihm und feiner Gemahlin ein feierliches Jahres— 
gedächtnis halten ſollte. (Vgl. Grafenbegängnis im Abjchnitte „Weding- 
hauſen“.) 


Der Verkauf der Grafſchaft Arnsberg. Die letzten Lebensjahre 
des Grafen und der Gräfin. 

Über den Verkauf der Grafſchaft liegen mehrere intereffante 
Urkunden vor, aus denen zugleich hervorgeht, daß die Verhandlungen ſich 
jehr in die Länge zogen. Die ältefte und wichtigfte derjelben ift 
datiert vom 25. Auguft 1368. Sm diefer Heißt es: In fchwerer 
Not und Bedrängnis habe der Graf allein an dem Erzitifte Köln eine 
Stüge und Hilfe gefunden; die Verwandten des Grafen und der Gräfin 
hätten ihn dagegen im Stich gelaffen. Da er nun feinen Leibeserben 
habe, der nad) feinem Tode die Grafſchaft übernehmen würde, und dieſe 
deswegen neuen Unruhen, VBerwirrungen und Zeilungen ausgefegt jein 
würde, jo habe er und feine Gemahlin nad) Prüfung aller Möglichkeiten, 
nad reiflihen Nachdenken auf den gemeinjamen Nat ihrer Getreuen und 
Unterthanen ſich endlich entjchloffen, die Grafihaft dem Erzftifte Köln 
zu übergeben: die einzige Möglichkeit, um fie vor den erwähnten Ge— 
fahren dauernd zu ſchützen, da die Grafichaft inmitten der kölniſchen 
Länder und Grenzen, wie der Mittelpunkt im Kreiſe, gelegen jei. Das 
Land, in weldhem fie und ihre Ahnen jo viele Ehre ſich erworben hätten, 
folfte doch nicht dem Elende und der Zerftücelung preisgegeben werden. 
So hätten fie denn ben Adminiftrator der kölniſchen Kirche, den Erz- 
biſchof Kuno von Trier, innigft gebeten, die Grafſchaft für die fölnijche 
Kirche zur kaufen, da fie diefelbe lieber diejer, als irgend einer anderen 


1) Geiffenjchmidt, Blätter 3. n. K. Weftfalens 1870, ©. 20. 


56 Geſchichte der Grafen von Arnsberg. 


Perjon übergeben wollten. Der Adininiftrator habe nad) verfchiedenen 
Unterhandlungen mit ihnen und nad) vorheriger Beratung mit dem chr> 
würdigen Kölner Domkapitel eingewilligt und die Grafihaft im Namen 
des Erzitiftes Köln und für dasjelbe mit allen Rechten, Herrlichkeiten, 
hohen und niederen Gerichten, mit allen Schlöffern und Städten, 
Dörfern, Freiheiten und Pfarreien, die namentlich aufgeführt werden 
(vergl. unten), mit dem Rechte des Primipilariates d. h. des Vorftreites 
zwijchen Rhein und Wejer, mit allen Mannen, Deinifterialen ufw. uſw. 
für 130 000 Goldgulden (etwa 600 000 deutjche Reichsmark) gekauft, 
von denen 30000 bereit3 bezahlt feien, während über den Reſt eine 
den Grafen und die Gräfin befriedigende Beftimmung getroffen ſei. 
Was etwa die Grafihaft und das Land Arnsberg mehr wert fein 
möchten als den bedungenen Preis, das insgefamt und überhaupt, wie 
viel es auch fein möchte, überließen fie dem feligen Apoftel Petrus und 
der vorgenannten Fölnischen Kirche, hätten es ihr gejchenft und fchenften 
e3 unwiderruflich zum Danfe für die Gunjt und die Dienfte, welche 
fie vielfad) von der genannten Kirche empfangen hätten und zum Erjatze 
für die fchweren Schäden, welche derjelben Kirche und ihren Unterthanen 
von ihnen bei Gelegenheit der heftigen Fehden zugefügt feien, welche 
der Graf gegen fie in früheren Zeiten gehabt Habe. 


Beſonders hervorgehoben wird in der Urkunde, daß alle Befigungen 
des Grafen und der Gräfin durdaus Frei- und Allodialgüter jeien, 
mit Ausnahme der Würde des Vorftreites, der „Frygedinge“, des 
Arnsberger Waldes („Silva de Arnsberg“, früher Lürwald) und des 
Zolles zu Neheim, was ſämtlich Reichslehen feien, jowie der Burg 
Hirfchberg, des Dorfes Hüften, der Herrſchaft Ardey und einiger Vog— 
teien und anderer Güter, welche er von Köln zu Lehen trage. 


Die lateinisch abgefaßte Urkunde, die in ihrer breiten Sprade und 
bei der üblichen Genauigkeit und Umftändlichkeit in der Aufzählung der 
mitverfauften Rechte und Objekte fieben Drudjeiten in Seiberg Samm- 
fung (Zeil U, 793) füllt, ift im ganzen mit fünfzehn Siegeln (des 
Grafen und der Gräfin, der Burgmänner und der Städte) verjehen. 

Am Himmelfahrtstage des folgenden Jahres (1369) ftellten der 
Graf und die Gräfin eine neue Urkunde aus, in der fie erflären, daß 
fie die Grafjhaft Arnsberg dem Erzitifte umwiderruflih geſchenkt 
hätten unter der Bedingung, daß ihnen gewijfe Summen zur Be- 
zahlung ihrer Schulden und Kahresrenten ausgezahlt würden, nament- 
lich aber auc) unter der Bedingung, daß das Erzitift Köln niemals 
weder die Grafjhaft Arnsberg noch aud eine dazu ge- 


Verkauf der Grafſchaft. 57 


hörige Stadt, Burg oder Gerichtsbarkeit an den Grafen 
von der Mark ſolle kommen laſſen, noch an irgend einen 
märkiſchen Mann. 

Eine wohl gleichzeitig abgefaßte Urkunde des Adminiſtrators Erz— 
biihof Kuno bringt dies noch deutlicher zum Ausdrucke. Er verpflichtet 
ih darin im Namen des Erzftiftes, 1. feines von allen jenen erwähnten 
Stüden weber an den jett regierenden Grafen von der Mark nod an 
einen feiner Nachfolger fommen zu laffen, noch an irgend einen Mann, 
der auf irgend eine Weife durch Verwandtichaft oder durd) ein jonftiges 
intimes Verhältnis mit demfelben verbunden wäre; 2. alle Burgmannen, 
Mannen und Unterthanen der Graffchaft bei allen ihren Rechten, Frei— 
heiten und guten Gewohnheiten zu belaffen; 3. diejenigen Leute, die der 
Graf vor langer Zeit aus feiner Grafſchaft verwiefen habe, nicht ohne 
jein Wiffen und feinen Willen wieder in diefelbe aufzunehmen. 


Der Anfang der eben erwähnten merkwürdigen Schenkungs— 
Urfunde (vom 10. Mai 1369) lautet fo: 


„In godes namen amen. Wir Godart greue van Arnsberg ind Anna 
ban Cleue ſyne ehliche Huysbroume greuynne dan Arnsberg, dun Fund allen 
luden ind befennen offentlichen in dejen brieue zu ewigen tzyden, dat wir 
mit guden, wolbedachten, vrien, eyndrechtigen mude, mit guytdunfen ind raide 
unfer mage ind vrunde ind uns gemeynen Raides, deme almechtigen gode zu 
[oeue ind zu eren, ind umb unfer beider ind ouch unfer alderen ind vurſeiſſen 
greuen ind greuynnen zu Arnsberg fielen heil, gedechtniſſe ind erwige felicheit, 
ind ouch umb vrede, troift ind genade deme lande van Arnsberg damede 
nuglihen zu erweruen ind zu fchaffen, want wir engeyne lyues eruen nyt 
enhan noch ouch gewynnen enmugen, darumb dat vurgenante lant in groifie 
berderflihe werrunge, rot ind byſterheit ayne zwiuel comen muyhſte van 
mancdherleye partien, die dat angryffen fulden, of wir van dodes wegen af- 
giengen in dat burgenante lant van uns unbejtalt bleue, ind vort umb 
Junderlinge gunſt, vruntſchaff ind genade, die wir Hain zu deme gejtichte van 
Colne; deme guden jante Beter ind dem gejtichte van Colne burgenant recht— 
fihen ind rebdelichen gegeuen Hain, ind geuen mit frafte ind urkunde diß 
briefs zu emwiger ind erflicher guft, nummer ze wederrouffen, under leuendigen 
[uden, vur uns ind al unje eruen ind nalomen die alinge ind ganke graiſ— 
haft, herheit ind lant van Arnsberg mit allen ind funderlingen yren rechten, 
renten, nußen ind zubehoren, mit namen die burch ind ftat zu Arnsberg, die 
burch ind ftat zume Euersberge, die burch ind ftat zume Hertesberge, die 
burch ind jtat zu Neheim, die burch ind ftat zume Greuenfteyne, die burch zu 
Hagden, die buch zu Waldenfteyn, die burch zu Wildeshufen, mit yren ge— 
richten ho ind neder, erfucht und unerſucht, mit ouerjten, nutzlichen ind orde- 
lihen herjchaffen, die man nennit in latine dominiis directis et utilibus, mit 
lutterre ind vermengeder gewalt ind gerichte, dat man nennet in latine merum 
et mixtum imperium, mit alle den brugrafichaffen, mit allen Ienen, dienſt— 
mannen, burhmannen, mannen, ritteren, Inechten, dorpluden ind underfeiflen, 


58 Geſchichte der Grafen von Arnsberg. 


ſy fyn in der vurgenanten graiſſchaff oder dar enbuyſſen gejeffen oder ge- 
legen, mit vryheyden, dorperen, welden, weſen, bilicherten, wiltbennen, aderen, 
kienden, tollen, mulen, zynſen, pecdhten, beden, ind mit firhen ind anderre 
geiftliher fene guft, die zu der vurgenanten grafchaff gehoret, alfo doch dat 
die ergebuffchof van Colne ind fyn ouerjte amptmann, die Arnsberg ynnehait, 
die lene fementlichen geuen fulen, wanne die ledich werdent, ind vort mit alle 
gereitfchafft, die zu der were gehoret in den floffen, a8 armburjte, noitjtelle, 
donrebufien, tarkgen, geſchoſſ, ſchyrm ind blyden, ind gemeynlichen mit alle 
deme, dat zu der egenanter graiffchaff gehorende iS, ind dat hyburmails unſſ 
greuen Godark vurgenant alderen bi$ an uns, ind wir bis up deje zyt hatten 
ind befaifien, oder hauen ind befigen fulden oder muchten mit rechte, jo wie 
man die nennen oder heiffen mac, nyt uyfigefcheiden oder zu behalden an 
der graifihaff mit yren zubehoren bvurgefchreuen uns oder unfern eruen, fo 
wie die weren.” uſw. 

Am Schluſſe Heißt es: „Ind zu ewiger ganger jtedicheit alle dejer vur— 
genanten punte ind artifeln han wir greue ind greuynne dvurgenant unfe 
groiffe ingejigele an defen brief dun bangen, ind wir hant vort fementlichen 
gebeden unſe vrunde ind Rait, die Hy ouer ind ane gewejt fynt, mit namen 
Heidenrih den Wolf, Urnolt Hafen, Wilhelm QDuatterlant, Nolkyn ban 
Bernynidufen, Conrait Wrede ind Johan Schurman, dat fy yre ingefigele zu 
eyme gezuge mede an dejen brief hant gehangen; des wie Heidenrich — be— 
fennen dat dit wair ſy ind geſchien ſy. Gegeuen in den jaren unff herren 
Dufent dryhundert nuyn ind ſeſtzich up unſſ herren upuark dach.“ 

Am 7. Juni 1369 erklärten der Graf und die Gräfin, daß ihnen 
ein Zeil der am 10. Mai ausbedungenen Summe von 30 000 Gulden 
bereit8 ausgezahlt jei und zwar 8000 Gulden, und daß fie daher jchon 
jegt einen Teil des Landes, 3. B. Burg und Stadt Arnsberg, die Burg 
Wallenſtein u. a. an das Erzftift abtreten wollten; den Reſt würden fie 
räumen, fobald dem Grafen das Marjchallamt in Weftfalen urkundlich 
übertragen und die noch fehlenden 22 000 Gulden gezahlt jeien. 

Aus diejer Urkunde ſchließt Tobien mit Recht, daß die Angabe 
der Urfunde vom 23. Auguft 1368, nad) welcher der Kaufpreis auf 
130 000 Gulden feſtgeſetzt fei und davon bereit3 30 000 Gulden bezahlt 
wären, auf einer Fiktion (Schein) berube. 

Schon am 25. Juni 1369 erfolgte die in Ausficht geftellte Ver— 
feihung des Marjhallamtes. Dasjelbe wurde dem Grafen Engel- 
bert von der Marf genommen und diefer dadurch fchwer gefränft. Im 
Frühlinge des folgenden Jahres Löfte der Erzbiihof das dem Grafen 
für 8000 Gulden verpfändete Amt wieder ein und übertrug es dem 
Biihofe Heinrich; von Paderborn. 

Noch ehe die Verhandlungen zum vollftändigen Abſchluſſe gekommen 
waren, traten am 23. September 1369 Graf Gottfried und feine Ge, 
mahlin Anna die Grafihaft Arnsberg dem Erzitifte Köln ganz ab, 


Berlauf der Graffchaft. Gottfrieds IV Tod. 59 


Zugleich erklärte der Adminiftrator Kuno, daß, da jene Abtretung ers 
folgt und vom Papſte beftätigt fei umd diefer dem Erzitifte befohlen 
habe, dem Grafen und der Gräfin ein Jahrgeld zu zahlen (diefer Brief 
des Papſtes Urban V ift erhalten), jo habe man fich über folgende 
Punkte geeinigt: der Graf und die Gräfin follten Burg, Stadt und 
Amt Brühl erhalten; ferner follte der Graf „all fein Lebtag“ in der 
Grafihaft Arnsberg jagen und fiichen dürfen, ebenſo im Geftichte Köln ; 
jodann ſolle er jährlich beziehen „jeffdujent ind vierhundert kleyne gulden, 
guyt van golde ind fwar van gewichte". Für den Fall, daß die Gräfin 
ihren Gemahl überlebe, folle ihr jährlich) jo viel an gutem Gelde bezahlt 
werden, wie die in früherer Zeit von dem Grafen für fie ausgejette 
Witwenpenfion betrüge; außerdem folle fie jährlich zehn Fuder guten 
Weines erhalten. Falls die Gräfin nad) dem Tode ihres Gemahles 
fieber in Weftfalen wohnen wollte, jo follte ihr die Burg Hachen mit 
all dem Gute, welches ihr der Graf für ihren Witwenftand ausgeſetzt 
habe, überwiejen werden; in dieſem Falle fei das Stift von der Zahlung 
der Penfion entbunden, nit aber von der Lieferung des Weines. Wenn 
der Graf, dem der Erzbifchof ein langes Leben wünfche, „von Todes 
wegen abgehe”, jo jolle er in geziemender Weije auf Koften des Erz- 
ftiftes Köln beftattet werden. 

Schon im November 1371, al3 Kaijer Karl IV den Erzbiichof 
Friedrich III von Köln, der am 13. November 1370 in die Vakanz 
eingetreten war, mit der Grafichaft Arnsberg belehnte, war der lekte 
Graf von Arnsberg aus dem Leben gefchieden. Er war am 21. Febr. 
1371 in Brühl als 75jähriger Greis geftorben. Im Kölner Dome 
ward er begraben. Der Erzbijchof verordnete im Jahre 1392, daß für 
den Grafen und die Gräfin zum Danke für die Schenfung der 
Grafſchaft Arnsberg am die kölniſche Kirche alljährlich am Jahres— 
tage des Grafen ein Gedächtnis „mit den für Verftorbene üblichen Vigi— 
lien, Meſſen, Fürbitten und Gebeten, fowie mit ſechs Wachskerzen, deren 
jede drei Pfund Wachs enthält, und die um das Grab des genannten 
Grafen ſowohl bei den Bigilien, als auch bei den Meffen und bei den 
Fürbitten bremmen ſollen in unferer genannten (Dom-) Kirche zu 
alfen Zeiten andädhtig und feierlich begangen werde.” Die Dankbarkeit 
des Erzbiſchofes ging noch weiter; er ordnete an, e3 follte die Gedächt— 
nisfeier für den Grafen den für die fölnifhen Erzbifchöfe abge- 
haltenen Feierlihfeiten gleid fein. Er feste 24 Goldgulden 
jährlicher Einfünfte aus feinen Tijchgütern dafür aus, nämlich zehn Gul- 
den für den Dom und je zwei Gulden für die übrigen fieben Stiftskirchen, 
in denen gleichzeitig daS Gedächtnis des Grafen gehalten werden jollte. 


60 Gefchichte der Grafen von Arnsberg. 


Andere Gedädhtnisfeiern ordnete Graf Gottfried ſelbſt für fih an; 
jo im Kloſter Grafſchaft ftatt eines Fuders Wein, weldes diejes ihm 
jährlich zu liefern verpflichtet wäre. Uber die Jahresgedächtniſſe in 
Arnsberg und Neheim wird fpäter gejprochen werden. 

Der Gräfin Anna war, wie bemerkt, die Burg Haden als 
Wohnſitz nad) dem Tode ihres Gemahles angewiejen für den Fall, daf 
fie in Weftfalen ihre legten Tage zubringen ſollte. Ob fie dort wirf- 
lid) eine Zeit lang gewohnt hat, ift ungewiß; ficher dagegen, daß fie 
Ihon im Jahre 1370 das Gut Wildshaufen im ARuhrthale vom Erz- 
biſchofe Kuno ftatt ihres Wittums ſich hat anweijen laffen. Sie erhielt 
daſelbſt jährlich je 100 Malter!) Roggen, Gerfte und Hafer, 40 Hämmel, 
25 Kühe, 40 Schweine, 200 Hühner, 30 Pfund Wahs und an Geld 
300 arnsbergifche Mark. Ferner durfte fie bis zu 100 Stüd Schweine 
in die benachbarten Marken zur Maft eintreiben, auch dur einen 
Jäger in den anftoßenden weiten Wäldern mit 6 oder 7 Koppelhunden 
die Jagd ausüben. Von dem Aufenthalte der Gräfin in Wildshaufjen 
giebt eine fieben Jahre fpäter abgefaßte Urkunde Zeugnis, in der fie 
ihre Mentenanfprüde an die Grafſchaft Eleve zu ihrem und ihres ver- 
ftorbenen Mannes Scelenheile dem Erzbiſchofe Friedrih von Köln als 
ihrem treuen Freunde und Helfer abtritt. Ihr verftorbener Bruder, 
Graf Dietrih X von Eleve, hatte ihr nämlich eine jährliche Rente aus- 
gejchrieben, die feit neun Jahren nicht bezahlt worden war.?) Offenbar 
hat die Gräfin damal3 perfünlich mit dem Kurfürften verhandelt. Diefer 
ſtellte nämlich fünf Tage fpäter (20. Auguft 1377) zu Arnsberg eine 
Urkunde aus, die gleichfall3 auf Wildshaufen Bezug nimmt.) Er 
übertrug durch diejelbe dem Propfte von Meichede, Wilhelm Frefeken, 
wegen jeiner dem Erzjtifte geleifteten Dienfte das Haus Wildshauſen 
mit dem nebenliegenden Haupthofe (curtis), der zum Gute gehörigen 
Fiicherei in der Nuhr, den Weinbergen (vineariis) und allen anderen 
Zubehörungen auf Lebenszeit in der Art, daß er das Burghaus treu 
bewahren, erhalten, bejhüten, bei dem Verfalle auf feine Koften wicder- 
herftellen und auf Befehl des Erzbiichofes feinen Nachfolgern und 
Freunden den Zutritt geftatten jolle, jo oft e3 ihm belicbe und der Propft 


1) Malter ijt ein uraltes deutjches Fruchtmaß (an Gewicht etwa 100 kg), 
bedeutet eigentlich fobiel Getreide, als ein Mann cine Stiege hinauf tragen 
fann zum Mahlen oder auch die Tracht, die der Mahlgaft auf einmal 
mahlen läßt. Vergl. Wiegand, deutfches Wörterbud), II, ©. 16, Gießen. 

2) Seibertz, Grafengefh. ©. 261 f.; Tobien S. 82; Seiffenfchmidt, 
Blätter zun. K. W. 1862 ©. 3 in „Wildshaufen und feine Befiger. 

2) Ungedrudt; angeführt im M. 9. 


Letzte Jahre der Gräfin. Die Beifegung im Kölner Dome, 61 


dazu aufgefordert würde. Nach feinem Tode follte das Burghaus mit 
den angeführten Zubehörungen dem Erzbijchofe wieder zufalfen. Durch 
diefe Übertragung war jedod) feineswegs die Nutznießung des Gutes der 
Gräfin entzogen, joweit fie ihr zugeftanden war; vielmehr follte der 
Propft erft nad) ihrem Tode in diefelbe eintreten. 

Wie lange die Gräfin Anna in Wildshaufen gelebt hat, ift un- 
befannt. Im Jahre 1392 weilte fie nicht mehr unter den Lebenden. 
Dog fie in dem Lande, in welchem jie manche Jahre Freud und Leid 
mit ihrem Gemahle geteilt, nad) jeinem Tode lieber weilen wollte, als 
auf ihren anderen Beſitzungen, das ift ein jchöner Zug an ihr, der fie 
uns ſympathiſch macht. 


Gottfrieds Abſchied von Arnsberg. Die Beifehung im Kölner Dom. 


Den Abjchied des legten Grafen von Arnsberg malt Pieler in 
finniger und ergreifender Weiſe aus: 


„An einem Frühlingsmorgen des Jahres 1369 ritt Graf Gott— 
jried den Scloßberg hinab, ihm zur Seite Frau Anna. Einige wenige 
von den vertrauteften Nittern, Knappen und Reifigen in voller Rüftung, 
der Beichtvater Johannes in feinem Minoritenhabite folgten. Die 
Diener mit den Saumpferden waren ſchon voraus gejandt, um die 
Abreife etwas geheim zu halten. Nur vom Klofter, der Nuheftätte 
teurer Ahnen, follte Abjchied genommen werden. Am Eingange der 
Kirche ftanden die Klofterbrüder bereit mit Nauchfaß und Weihbrunnen 
zum feierlichen Empfange und führten das gräfliche Paar auf das Chor 
zu dem herrichaftlichen Site. Die Bewohner der Stadt, welde den 
Zug die Straßen herablommen ſahen, hatten bald erfannt, was vor- 
ging. Alles eilte nach Wedinghaujen; die Kirche füllte ſich mehr und 
mehr bis zum legten Raume. In ſtiller Andacht wohnten die Bürger 
dem Gottesdienfte bei; fie beteten alle für die jcheidenden Wohlthäter. 
Nach dem Hochamte wurde nod) die Feine Nebenkirche, deren weſtlicher 
Teil damals ſchon zum Kapitelhaufe eingerichtet war, beſucht, um an 
der dort befindlichen Grabjtätte der älteren Grafen ein Gebet zu ver- 
richten. Der Graf und die Gräfin empfahlen fi) nod einmal dem 
frommen Andenken der Brüder, dann beftiegen fie die auf dem Klofter- 
Hofe zurückgelaffenen Roſſe und ritten langjam davon. Bi zur Ruhr 
folgte ihnen alles Volk, und weithin tönten ihnen nad die lauten Ab- 
Ichiedsgrüße und Segenswünſche. 

Das war der Abjchied des edlen Haufes Arnsberg von jeiner 
Herrihaft. In ftummer Trauer ritt Graf Gottfried, mit unverhaltenen 


62 Geſchichte der Grafen von Arnsberg. 


Thränen Frau Anna, dem Walde zu. Auf dem freien Gipfel ber 
Hellefelder Höhe wendeten fie noch einmal ihre Blicke zurüd nad dem 
in hellem Sonnenglanze herüberjchauenden Scloffe, bis der Wald es 
ihren Augen entzog. Graf Gottfried hat fein Arnsberg nicht wieder: 
gejehen. Er ſtarb ſchon bald nad feiner Ankunft auf dem Schloſſe 
Drühl in den Armen feiner treuen Anna am 21. Februar des Jahres 
1371. Seine irdifchen Überrefte fanden eine ehrenvolle Auheftätte im 
Kölner Dome. Keine Verwandten folgten der Leiche zum Grabe; denn 
die Brüder des Grafen waren ſchon vor ihm geftorben, auch entferntere 
Verwandte waren nicht mehr da. Nur einige feiner alten Dienftleute, 
die ihm nad) Brühl gefolgt waren, fah man in dem Zrauergeleite zum 
Dome ziehen. Als nad) dem feierlichen Seelenamte der Sarg ein- 
gejenft wurde, rief der greife Ritter Kuno von Neigern, an den Rand 
des Grabes tretend, mit lauter, aber bebender Stimme: „Hier liegt 
unfere Herrichaft von Arnsberg!" und warf den zerbrochenen Schild 
dem Sarge nad) in die Gruft. Der Reiſende von Arnsberg, wenn er 
im Kölner Dome weilt, unterläßt e3 nie, da8 Grab im Umgange des 
Chores aufzufuchen, und mit Rührung betradjtet er das auf dem Monu— 
mente ausgeftredt liegende Steinbild des letten Grafen feines Heimat- 
landes.“ 

Gottfried IV von Arnsberg iſt der einzige weltliche Fürſt, welcher 
im Kölner Dome beigeſetzt iſt. Sein ſteinerner, freiſtehender Sarkophag be— 
findet ſich gegenüber dem Grabmale des Erzbiſchofes Reinald von Daſſel, des 
Überbringers der Gebeine der hl. Dreikönige nach Köln, in der herrlichen 
Marienkapelle, die unmittelbar an die ſieben um den Chorumgang laufen— 
den Kapellen vom Hocjaltare aus gefehen links zwifchen der ſüdlichen Wand 
und der füdlichen Pfeilerreihe des Domchores anfchließt. Der letzte Arns— 
berger Graf ruht in voller Rüftung mit höchſt kunstvoll ausgehauenem Leder— 
panzer und Settenhemd auf dem Grabmale, deffen Seitenwände mit leider 
ſtark bejchädigten Figuren in Tempera bemalt find. Auffallend erjcheint 
das ſtarke Eifengitter, mit dem das Grabmal gefhügt it. Wie der 
Kölner Ehronijt meldet, follen die früheren Unterthanen des Grafen Gottfried 
aus Zorn darüber, daß er fie durch Verkauf der Grafſchaft an das Erzjtift 
und damit unter geijtliche Herrjchaft gebracht habe, jein Denkmal wiederholt 
bejchädigt Haben. Dadurch habe fi das Domkapitel unter Erzbiſchof Kuno 
von Falkenjtein genötigt gejehen, da8 Grabmal mit einem eifernen Schuß- 
gitter zu umgeben. Die Erzählung des Kölner Chroniften foll indejien er- 
dichtet fein. (Bergl. Kölner Domblatt, 1843 vom 14. Mat.) 

Eine alte!) Inſchrift (nad) dem lekten Brande erneuert) am 
Eingange in den Fürftenfaal unjeres Nathaufes meldet den Nad)- 
fommen den denfwürdigen Verkauf der Grafichaft: 





1) Ihr Alter verbürgt das Citat bei Boigt von Elspe. (Seib. ©. 97.) 


Beitand der Grafjchaft. 63 


ALS man jchreef im har 
MCCCLXVIUI in allem Frommen, 
Hit die Graffihafft Arnsberg ahn das 
Ersftift Cölln gefommen. 


Behand der Groffcaft Arnsberg bei der Übergabe an Köln. 


Über den Beftand der Grafſchaft giebt die Verfaufsurfunde 
genauejten Aufihluß. Sie begriff 

A. Ortſchaften. 1. Beſetzte Burgen mit Städten und einzeln 
liegende Schlöffer, nämlich Arnsberg, Neheim, Grevenfteyn, Eversberg, 
Hachen, Waldenftein, Wildeshufen, Hirkberg; 2. Freiheiten (villae et 
oppida): Huftene, Aldendorpp, Sunderen, Langefcheid, Hachgen, Frihen- 
ole, Staggenhagen, Bodenfelde, Meſcheide; 3. Kirchdörfer (villae et 
parochiae): Gorbefe, Allagen, Bremen, Voyßwinkele, Egginchufen, 
Afeln, Balve, Stocheym (Stodum), Hielvelde (Hellefeld), Kalle, Vel— 
mede, Memmelinchufen, Bye (Bigge), Neefte (Neifte), Weenholthufen, 
Raerbefe (Rarbach), Yffelpe (Eipe?), Overenkirken, Efjeleve (Eslohe), 
Wurmbefe (Wormbach), Lene (Lenne), Dverenhundeme, Dedinge, Berg: 
hujen. Die Größe der Grafſchaft betrug demnach im ganzen ungefähr 
567 750 Morgen — etwa 26 DMeilen oder 1430 DRilometer. Das 
Land mochte 40—50 000 Einwohner haben (jet etwa 70 000). — Bu 
den Pertinenzien der Graſſchaft gehörten 

B. die Lehnsleute innerhalb und außerhalb der Grafſchaft, deren 
etwa 400 verzeichnet werden, die Burgmannen und alle Unterthanen. 


C. Die Einkünfte des Grafen, feine Güter, Grundftüde, Wälder, 
Wildbann, Fichereien, die Abgaben von den Höfen ufw. Die Einkünfte 
betrugen nad) einer Aufnahme von 1348: 1. an Gutsabgaben ber 
Höfe, Mühlen, Zehnten ufw. Weizen, Roggen, Gerfte und Hafer 2620 
Malter, Wachs 200 Pfund, Schweinen (Ervefwine = Erbenſchweine) 300 
Stüd, Kühen (Herrenfühe) 80 Stüd; 2. an eigentlihen Steuern 
den Frühlings- und Herbtbeden (petiones, die für die uralten Heer— 
bannsfteuern gehalten werden und welche nad) und nad) fixiert waren), 
a. vom platten Rande: von den Leuten an der Ruhr unterhalb 
Neheims 20 Marl; von den Leuten an der Möhne 40 ME.; von den 
Pfarreien Arnsberg, Hüften, Enfhaufen 160 Mk.; Hellefeld und Stodum 
320 ME.; von der Pfarrei und dem Amte Eversberg 320 ME; von den 
Pfarreien Eslohe und Wenholthaufen 150 Mk.; Plettenberg, Balve, 
Affeln 50 Mk.; von den Leuten und Gütern in der Pfarrei Iſerlohn 
20 ME.; von den Freien in den Pfarreien Stodum, Hellefeld, Kalle 


64 Gefchichte der Grafen von Arnsberg. 


TOME; b. von ben Städten: von Arnsberg 90 ME.; Eversberg 
60 ME; Grevenftein 50 Mk.; Neheim 30 Mf.; Hirſchberg 25 DIE; 
c. von den Freiheiten: Hüften 16 ME.; Hachen 15 Mk.; Langjcheid 
25 Mk.; Sundern 40 Mk.; Freienohl 40 ME.; Hagen (bei Allendorf) 
40 ME; Meſchede 8 Mk.; Böpdefeld 7 ME. ; die eigentlichen Steuern 
betrugen aljo im ganzen 1596 Marf. Eine Marf Hatte aber im 
14. Yahrhundert den Wert von etwa zehn Reichsmark heutigen Geldes. 
Dazır fommen noch Wortgelder und Abgaben geringerer Art; ferner der 
Zoll zu Neheim') 26 Mark und der Zehnte von Hütten und 
Eifenwerfen (!) 500 Goldgulden. 

D. Das Patronatsreht über folgende Pfarrkirchen und 
Kapellen: über die Kirchen zu Enfhaufen, Neheim, Eversberg, Wen: 
holthaufen, Grevenftein, Hirfchberg, Hagen, Sundern, Bödefeld ; die 
Kapellen der Burgen Arnsberg, Eversberg, Hachen. 

E. Die fämtlihen Kriegsgeräte auf den gräflichen Burgen: 
Zelte, Catti (Kattenföppe? Feine Kanonen), Donnerbücdfen, Bogen, 
Pfeile ufw. 

F. Das herrſchaftliche Arhiv mit allen Urkunden, Regiſtern 
und Alten. 

Diefes Archiv blieb in der kölniſchen Zeit im Arnsberger Schloſſe. 
E83 befand ſich in einem fenerfeften Unterraume des „Weißen Turmes“. 
Später wurde das Archiv wegen Kriegsgefahr geflüchtet und nicht 
wieder zurückgebracht. Es ift verjcholfen, jedoch waren von vielen Ur— 
funden Kopien vorhanden. In der gründlichen Widerlegung der dom- 
fapitularifchen Proteftation ujw. vom Jahre 1726 heißt es: das Ardiv 
jei unter Kurfürft Max Heinrich wegen Kriegsgefahr nad) Cöllen ab- 
gefordert; es fei in ſechszehn Fäffern dorthin geſchafft. Hier ift 
natürlich das Geſamtarchiv des Sclofjes gemeint. 


1) Der Zoll zu Neheim, den die Grafen vom Neiche zu Lehen 
trugen, hängt zufammen mit der Lage des Ortes an der Wejtgrenze der 
Sraffhaft auf dem Kreuzungspunktte der Handelsftraßen dur das Ruhr-, 
Röer- und Möhnethal, fowie über den Haarjtrang. QTüding in den Blättern 
3. n. 8. Weitfalens, 1879, ©. 62. 


Zweiter Abſchnitt. 


Arnsberg (Mark, Hof (Dorf) Gemeinde und Stadt) 
unter den Grafen. 
Quellen: Die im erſten Abjchnitte verzeichneten Urkundenfammlungen. 
Seiberg: Landes- und Rechtögefchichte, Theil III. Die Ab- 
bandlungen von Seiſſenſchmidt, Tüding und Pieler in den 
Blättern zur näheren Kunde Wejtfalens, Jahrgang 1861, 1866, 
1870, 1875, 1881. 


Über die weſtfäliſthen Marken und Höfe überhaupt. 

„Es giebt in Weftfalen uralte Einhöfe, aber auch uralte 
Dörfer. Auf der Haar herrſchen die Einhöfe vor, weshalb hier die 
Ortsnamen meift auf — hof ausgehen, im Sauerlande bilden die 
Dörfer die Regel, daher Hier jo viele Namen auf — haufen, d. i. 
Häufer endigen. Die Dörfer hatten Fein regelmäßiges Ausjehen; jedes 
Haus hatte eine freie Umgebung. Mochten aber die Aderhöfe einzeln 
oder in foldhen Gruppen, die Tacitus Dörfer nennt, zufammenliegen, 
jo waren fie doc unter fi) zu einzelnen Verbänden vereinigt, und dieje 
Berbände nannte man Markfen."?) 

Das Gebiet einer Mark?) war anfangs wahrfcheinlich im Gefamt- 
eigentume ihrer Bewohner, der Marfgenofjen. Der Fortichritt des Ader- 
baues führte zu einer Zeilung der Feldflur. Zu einer Hofftätte famen 
etwa 30 Morgen Landes.) Das ungeteilte Land verblieb im Geſamt⸗ 


1) Zufammengejtellt aus Seibertz Landesgeſch. I S. 50 m. Anm. 

*) Markt (marca) bedeutet eigentlich Grenze (limes bei Ulfilas),. Der 
Name übertrug fih auf das eingegrenzte Gebiet (vgl. fines von finis). Ein 
anderer Ausdrud für Grenze iſt Schnade (Schneide). 

) Man bejtimmte noch in fpäter Zeit die Maſtberechtigung nach Der: 
tigen (Dreißigen) und Bertigen (BVBierzigen), was auf die Morgenzahl der 
Höfe zu beziehen ift. Seiberg Landesgefch. III, S. 193, Anm. 12. 


Feaug, Geſchichte Arnsbergs. 5 





66 Arnsberg unter den Grafen. 


eigentume der Markgenofjen und hieß nun vorzugsweife ihre Mark. 
Diefelbe umfaßte den Wald, ungebaute Wiejen, Bäche und Flüffe, 
Brühe, Heiden ufw. 

E83 läßt fi nicht mit Sicherheit ermitteln, zu welcher Zeit und in 
welcher Weife in den einzelnen deutjchen Gebieten durch Aufteilung der Feld— 
mark Sonbdereigentum entjtanden ijt. „Schon im ältejten Deutjchland, jagt 
Jakob Grimm,!) muß man bei den Einwohnern Hinfichtlid) de Grundeigen- 
tumes zwei entgegengejette Richtungen annehmen, die eine geht auf Er- 
haltung der Genofienfhaft am Grundeigentume, auf defien Bereinzelung die 
andere. Das Volk lebt von Viehzucht und Aderbau. Dem Hirten, der 
unveränderliche Triften, Wiejfen und Wälder zur Weide und Majt braudit, 
liegt an der Ganzheit des Tandeigentumes; dem Bauern liegt die Ylur recht, 
welche jeinen Hof umgiebt und die er durch Zäune einfriedigen kann: ihm 
liegt an Verteilung.” „Geſchichtlich, fährt Grimm fort, ift diefe das Zweite: im 
Berlaufe der Zeiten weicht der Wald dem Ader, das Bich dem Getreide.” Zu 
Cäſars Zeiten herrihhte bei den Sueven (Schwaben) noch da8 Nomaden- 
(eben und die Jagd vor. In Wejtfalen war man jedod) vielleiht ſchon da— 
mals zu feiten Unfiedlungen und zu einer intenfiveren Bodenkultur gelangt. 
Zur Zeit des Tacitus waren die Germanen zur Feldgrasmwirtichaft vorge: 
Schritten, d. 5. fie ließen ein Feld, wenn es ein oder mehrere Male mit Frucht 
bebaut war, driefch liegen. Dies tft die neuere Auslegung?) des umitrittenen 
Sates ber Germania (Kap. 26): Arva per annos mutant. „Das Pflugland 
bejtellen fie in mechjelnder Folge.” Seiberk und andere verjtanden den 
Wechſel als Dreifeldermwirtihaft (Roggen, Hafer, Dungland; Sommerfeld, 
Winterfeld, Brache); diefe ift jedoch fpäteren Urjprunges und vielleicht erſt 
durch die Klöſter eingeführt.) Hinter mutant folgen bei Tacitus die Worte: 
et superest ager, welche Seibert überfekt: „außerdem bleibt noch Gemeinde: 
land (ager publicus) übrig.” Er nimmt alfo ſchon für diefe Zeit Sonder- 
eigentum an, und wie uns fcheint mit Recht. 

Zu der Zeit, wo aus der urfundlichen Überlieferung auf die An- 
fiedblungen im Sauerlande einiges Licht fällt, finden wir zur Bezeichnung 
der menschlichen Wohnftätten verjchiedene Ausdrücke, wie mansus, curtis, 
curia, villa. Curtis und curia bedeuten größere Höfe, Haupt- oder 
Herrenhöfe, mansus (frz. maison, von manere bleiben) heißt Neben- 
oder Bauernhof, villa Dorf. Die Größe eines Haupthofes wird vom 
Biſchofe Meinwerk von Paderborn angegeben zu 5 Pferden, 6 Ochſen, 
30 Schafen mit Lämmern, 30 Schweinen, 20 Laten (Hörigen) und 
Aderland zu 20 Pflügen (Salland, terra salica). Die Bauernhöfe 
hatten bis zu 40 Morgen und waren oft von Hörigen bewohnt. Ein 
oder mehrere Haupthöfe mit ihren mansi machten eine villa aus. Das 
Dorf bildete entweder für fid) oder in Verbindung mit benachbarten 


) Deutjche Rechtsaltertümer, ©. 494. 
1) Bol. die Anmerkung in der Ausgabe von Schweizer-Sidler. 
») Grupp, Kulturgeſchichte des Mittelalter 1894 I, ©. 119. 


Marken, Markgenofien, Marknutzung und Berfaffung. 67 


Höfen und Dörfern eine Marfgenoffenichaft, d. h. die Beteiligten, Erben 
der Marf genannt, „genofjen“ gemeinschaftlich deren Nugungen. Welches 
dieſe waren und wie die Mark verwaltet wurde, ſoll ein kurzer Über— 
blid lehren. 


Marknutzung und Berfaflung.') 

Die Mearfbeerbten waren zur Teilnahme an allen Nutungen, 
welche die Marf gewährte, berechtigt. Den Inbegriff diefer Berech— 
tigung nannte man ein Echtwort, weldes mit dem Befite eines 
Gutes unablöslich verbunden war. Unter den Nutungen galt die Maft 
als die vorzüglichſte. So oft es foldhe gab, wurde darüber beraten, ob 
Ederih von Eichen und Buchen genug vorhanden fei, um Schweine 
zum Fettmachen in die „Fratmaſt“ zu treiben, wie viele Schweine 
überhaupt eingetrieben werden könnten und welde Zahl jeder Beerbte 
mäften lafjen dürfte. Darnad wurden die Maftregifter angefertigt. 
Das ganze Geſchäft nannte man die Sathejegung. Über den Maft- 
betrieb in der Arnsberger Mark Liegt eine Beichreibung aus fpäterer 
Zeit vor, die im zweiten Teile dieſes Werkes folgen ſoll. Ferner erhielten 
die Beerbten aus der Marf das zur Bewirtihaftung ihrer Güter 
nötige Brandholz. ES wurde darauf gehalten, daß weder Eichen 
noch jonftiges fruchtbares Holz, ausgenommen die Windfälle, zum 
Kohlen gehauen wurde. Drittens befam jeder Beerbte das zu feinen 
Gebäuden ufw. nötige Bau- und Gejhirrholz. Die zum Hauen 
beftimmten Bäume wurden von den Markbeamten bezeichnet. Sie 
hießen Losbäume. Viertens endlid hatten die DBeerbten das Hude- 
recht in der Mark, und zwar 1) für Schweine außerhalb der Maft« 
zeit al3 Bor- oder Nachmaſt; bei Fratmaſt als Sprengmaft, wenn für 
eine Fratmaft nicht Ederid) genug war; 2) für Schafe und Nindvieh. 
Alte näheren Beftimmungen wurden auf den Holtdingen getroffen. Die 
Hude durfte nicht von jedem einzeln, fondern nur in gemeinjchaftlichen 
Herden ausgeübt werden. Die gemeine Marf war nur ungebautes 
Yand. Es war geftattet, durch Moden die Morgenzahl eines Hofes zu 
mehren; dafür wurde nur der Nottzehnte entrichtet. Das Neuland 
hieß Waldemei oder Waldemeine (anderwärts Almende), wenn es 
zur Hude benugt wurde. 

Der Graf von Arnsberg war Schugherr und Holzgraf der Marken 
jeiner Grafſchaft. Er hatte für fich vorab die hohe Jagd (Wildforft) 
und nahm an den Nutungen der Marken Zeil. Er beauffichtigte die 


ı) Seifjenfchmidt, Gefch. der Umtropper Mark (Zſchr. f. vat. Geſch. und 
Alt. XXVIII, 170 fi.; Seiberg, Yandesgejch. III ©. 550 ff. 


5* 


68 Arnsberg unter den Grafen. 


Sathejegung, ließ für fich feine Anzahl Schweine mit eintreiben (Ob- 
trift), bezog das nötige Bau- und Geſchirrholz für feine Schlöfjer und 
Burgen, für Brüden, Schladhten, Zäune uſw., ebenſo das nötige Brand- 
holz, (Herrenholz, Warwagen), erhob die Markfenbußen und Marken: 
zehnten ujw. Dafür lag ihm der Schuß und die Verwaltung der 
Marken ob und er mußte den im Walde tagenden Holtdingen ent- 
weder perjönlid beimohnen oder einen SHolzrichter entjenden. Geine 
Forjtbeamten waren die Holzrichter, die Scharmänner (scaratores, 
davon wohl Scuremann [Schürmann] von scara = Schar in Pflugſchar) 
die bejonder8 die Maftnugung leiteten, Holzfnehte u. a. In der 
Forftverwaltung wurde der Graf von den Beerbten unterftügt. 


Die Grenzen der Marken wurden, da man Karten noch nicht 
kannte, durch Begehungen im Tebendigen Andenken gehalten. Da die 
Grenze auch Schnade hieß (f. ob.), jo wurden dieſe Marfengänge jpäter 
Schnadezüge genannt. Bäume, Steine, Dämme u. dgl. wurden an 
geeigneten Stellen gejett, um die Grenze äußerlich zu bezeichnen. 


Mark und Hof (Dorf) Arnsberg. 


Die ältefte Erwähnung des Namens Arnsberg (S. 2) läßt 
eher auf das Vorhandenfein eines jo benannten Dorfes (Villa oder 
Vicus) als eines Einzelhofes jchließen. Es find nämlich) in den Werdener 
Negiftern die Bezeichnungen „in“ und „bei” Arnsberg (in und iuxta A.) 
gewählt.) ebenfalls ift durch diefe Erwähnung eine alte Anfiedelung 
des Namens Arnsberg feftgeftellt.) Es ift wahrjcheinlid, daß diejes 
Arnsberg auf dem Bergrüden lag, wo ſich fpäter die Stadt gebildet hat. 


In den Urkunden der fpäteren Zeit kommt der Name Arnsberg 
als Hof» oder Dorfname lange nicht vor. Schon oben (S. 8) wurde 
bemerkt, daß man Arnsberg in Ahtisberga oder Ahrisberga, wie 
Rindlinger jchreibt, Hat wieder finden wollen. Will man dem unter 
der Annahme eines Schreibfehler beipflichten, jo wird eine Beftätigung 
der Eriftenz des Dorfes Arnsberg für 1026 gewonnen. Die nädjfte Ur— 
funde, welche den Namen Arnsberg erwähnt, ift vom 27. September 1207 
(Seib. Nr. 131). Diejes in mehreren Beziehungen wichtige Dokument 
lautet in der Überjegung fo: 


ı) Seibertz, Urf. III ©. 417, 418. 

2) Eolite das Fehlen eines beftinnmten Datums bei der Erwähnung 
des Namens Bedenken erregen, jo prüfe man die Anmerkung zu Nr. 1059 
de8 Urkundenbuches. Der h. Qudger, der im Jahre 802 in Hüften war, bat 
wahrjcheinlich eben damals jene Arnsberger Übertragungen entgegengenommen. 


Mark und Dorf Arnöberg. 69 


„Im Namen der hi. Dreieinigkeit. Wir Heinrich Graf don Arnsberg 
machen allen Ehrijtgläubigen, den jetzt lebenden wie den zufünftigen, bekannt, 
daß Uneinigfeit und Streit war zwifchen der Kirche von Mefchede auf der 
einen und unferen Bürgern von Arnsberg (cives nostros de Arnsberg) 
auf der andern Seite wegen des dritten Teiles des Holzes und der Eicheln 
(aljo der Holznutzung und der Maft) in der Markt Arnsberg (marcha 
Arnesberg). Nachdem fie ihre Beſchwerde endlich vor uns gebracht, Haben 
wir bei Prüfung der Privilegien der Mejcheder Kirche gefunden, daß die ge= 
nannte Kirche volles Recht an dem BVBorbezeichneten Hat, und zwar hat jenes 
Net des dritten Teiles des Holzes und der Eicheln die Herrin Jutta, zur 
Zeit Abtiffin, und der Konvent mit dem Haupthofe Wettere (cum curte 
sua Wettere) den Mönchen in Wedinghauſen (Wedinchusen) zu ewigem 
rehtmäßigem Befige übergeben. Der, genannte Haupthof hat auch noch die 
Majt der Schweine in der Marf Üntrop (Unnenctorp) für drei Dertige 
. ©. 65) und den Holzichlag für einen Wagen, was ebenfalls den Religiojen 
von Wedinghaufen mit jenen Gütern für immer übertragen it. Damit aljo 
in der Zufunft feine Irrung und nicht nochmals Streit entjtche, haben wir 
auf Wunfch beider Parteien eine mit unſerem Siegel bejtätigte Urkunde dem 
Heren Arnold, zeitigem Abte von Wedinghaufen, und den Brüdern dafelbit 
in Verwahrung gegeben. Anweſend waren der Herr Hermann don Rüden 
berg; Eberhard von Ardey; Jonathas, fein Bruder; Kohannes, Pfarrer in 
Arnsberg; der Richter Walter; Heinrih, DOffizial in Meſchede; Eberhard, 
welcher des vorgenannten Hofes Schulte!) gewejen war, und ſehr viele andere 
glaubwürdige und ehrenhafte Männer. Gegeben und verhandelt im Fahre 
1207 der Fzleifchwerdung am Tage der Märtyrer Cosmas und Damian.” 


Nach unjerer Urkunde Hatten Streitigkeiten obgewaltet zwiſchen 
den Arnsberger Bürgern und dem Stifte Mejchede beziehungsweije dem 
Kloſter Wedinghaufen, welches Rechtsnachfolger des Stiftes geworden 
war, wegen gewiffer Rechte, die diefes in der Arnsberger Mark zu 
befigen behauptete. Die Parteien wählten den Grafen Heinrich zum 
Schiedsrichter. Da Heinrich I 1200 geftorben war, fo ift fein Sohn 
Heinrich II gemeint (vgl. S. 27). Die Anſprüche des Stiftes beruhten 
auf Rechten des Hofes Wetter, welden das Gtift vordem erworben 
hatte. Wetter war nämlich, wie die Urkunde lehrt, zu einem Drittel 
in der Arnsberger Mark beerbt. Dieſes Recht ging durch eine erfte 
Schenfung des Hofes an das Stift Mefchede und von diefem durch 
eine zweite an das Klofter Wedinghaufen über. Nachdem der Graf 
die Anſprüche des Klofter8 geprüft und aud den früheren Schulten 
(j. Anm.) des Hofes Wetter vernommen hatte, fand er jene Anſprüche 
begründet und ftellte darüber eine Urkunde aus. 


ı) Die Schulten (villieus) waren Berivalter folder Güter, welche der 
Kirche übertragen und alfo ohne „Erben” waren. Die Lölnifchen Erzbifchöfe 
baben aus manchen ihrer „Billitationen” Städte gemacht, 3. B. Soeft, Rüthen, 


70 Arnsberg unter den Grafen. 


Wenn wir früher durch urkundliche Thatſachen zu dem Schluffe 
geführt wurden, daß vormals ein Hof oder ein Dorf Arnsberg be- 
ftanden hat, jo beweift die Urkunde vom Jahre 1207 zunächſt, daß es 
eine alte Marf Arnsberg gegeben hat. Woher hatte die Mark den 
Namen? Doch wohl von dem alten Gehöfte oder Dorfe. Für beides, 
für Dorf und Mark, dürfen wir nad) dem, was oben im allgemeinen 
ausgeführt wurde, einen uralten Urfprung annehmen. Unſere Urkunde 
(ehrt weiter, daß außer der damaligen Gemeinde Arnsberg, die 
übrigens noch feine Stadtrechte beſaß,) die Erben eines Hofes Wetter 
in der Mark berechtigt waren. Mit diefem Hofe und wahrjcheinlich 
einigen anderen hatte Arnsberg demnach vordem eine Markgenoſſenſchaft 
gebildet. Da die Mark nah dem Hofe (Dorfe) Arnsberg benannt 
war, jo muß diefer Hof der bedeutendfte gewejen fein. Im Jahre 1207 
und wohl jhon lange Zeit früher, war abgejehen von dem an das 
Klofter Wedinghaufen übergegangenen Anteile nur nod die Ge— 
meinde Arnsberg in der Marf beredtigt. Denn fonft 
würde der Streit nit von den Bürgern (cives), fondern 
von den Marfgenofjen von Arnsberg (markanoti) erhoben 
worden fein. Wir müffen num zunädhft den Spuren der Höfe und 
Dörfer nachgehen, welche in der Nähe von Arnsberg lagen und ver« 
mutlich wenigftens teilweife ehedem in der Arnsberger Mark berechtigt 
waren. Ein näheres Eingehen auf ihre Geſchichte ift auch aus anderen 
Gründen geboten. 


Die Höfe und Dörfer in Arusbergs Umgebung. 
Die Wetterhöfe. 

Es ift nicht richtig, von einem Wetterhofe zu fprechen. Wetter 
war ein aus drei Haupt und einigen Mebenhöfen beftehendes Dorf. 
Diejelben lagen im Auhrthale am Lüfenberge etwa vom heutigen Bahn- 
hofe bis zur fogenannten Xeutenburg hin. Den erften Herrenhof 
Wettere haben wir im vorigen Kapitel kennen gelernt. Eine zweite 
Curtis Wettere befand fi im fahre 1277 im Beſitze des Geſchlechtes 
von Holte (Seiberg Urk. 1097). Als Arnold von Holte dem Grafen 
Ludwig feine Güter abtrat (S. 45), behielt er fi) unter anderem den 
Wetterhof und feine Mühle zu Arnsberg vor. Dies läßt vermuten, 
daß der Hof damals noch ftand und bewohnt war. Ein dritter Haupt: 
hof, die Curia Lütteke-Wetterhof, mußte zur gräffichen Rentei je 
fünf Malter Roggen, Gerfte und Hafer liefern. (Urkunde v. 1348 bei 


1) Sonft würde 3. B. der Bürgermeifter unter den Zeugen nicht fehlen. 


Die Höfe in Arnsbergs Umgebung. 71 


Seiberg). Seiſſenſchmidt (Gefch. der uͤntr. Mark) hält diefen Hof für 
identiih mit dem vorigen, aber ohne Grund. Mit den urkundlichen 
Zeugniffen ftimmt folgende Notiz des Chroniften von Wedinghaufen 
überein: „ES gab ehemals drei Höfe in Wettere, und obgleich Keiner 
von diejen mehr vorhanden ift (um 1700), jo haben doc die Ader, die 
dazu gehörten, noch jett den Namen Wettere.“ 


Der Hof (Dorf) Wedinghanien. 


Das ehemalige Vorhandenfein diefes Hofes oder vielmehr Dorfes 
wird nicht nur durch die Werdener Regifter (S. 3) bewiejen, fondern 
auch durch die für die Gefchichte der Etadt wicdhtigfte Urkunde vom 
Jahre 1238. Laut diefer giebt der Graf Gottfried den Brüdern von 
Wedinghauſen, da fie fich dur Anlage von Wall und Graben im bie 
Befeftigung der Stadt einſchließen wollen, unter anderem die Zujicherung, 
es jollten ihre (zwijchen Klofter und Stadt liegenden) Hofftätten (areae), 
wenn diefelben etwa wieder mit Gebäuden befett werden möchten, (nicht 
al3 gefreite ftäbtifche Häufer angefehen werden, jondern) dem Kloſter 
pacht- und zinspflichtig verbleiben.!) Dieſe richtige Deutung der Stelle 
giebt Pieler, der übrigens mit Unrecht infolge einer mißlungenen Wort» 
deutung annimmt, Wedinghaufen fei durd Umnennung aus Arnsberg 
entſtanden. 


Der Hof Ole 

wird urfundlih nur einmal erwähnt, nämlich in einem Güterverzeichniffe 
des Grafen Gottfried IV vom Jahre 1348 (Seiberg Nr. 795). Dort 
wirb die Curtis dieta de Ole, d.h. der Haupthof genannt „de Die“, 
unter den in der Pfarrei Arnsberg gelegenen Höfen aufgeführt. Er 
lieferte zur gräflihen NRentei 25 Malter Roggen und ebenfoviel Gerfte 
und Weizen, aljo fünfmal mehr als der Lüttefe-Wetterhof. „Der Die“ 
bedeutet wohl „der alte” (olle). Er lag im „alten Felde” (früher 
Diderfeldt). Ein anftoßender Waldbiftrift Heißt „Alteberg". Pieler 
jegt Ole glei Wieſe. 


Der Haupthof Evenho. 
Der Haupthof Evenho wird zum erften Male erwähnt in einer 
Urkunde vom Jahre 1185, durch welche der Erzbifhof Philipp die 
Schenkungen de8 Grafen Heinrih an Wedinghaufen beftätigt. Er wird 


!) Bei Seiber& (Urk. I, 211) fehlt das Wort aedificiis zwiſchen perti- 
nentes fuerat (Pieler). 


72 Sejchichte der Grafen von Arnsberg. 


dort zugleich mit dem Eichholze unter den übertragenen Gütern genannt, 
und zwar al3 „Haupthof, der neben dem Schlofje liegt auf dem 
Evenho genannten Plage (curia, quae est iuxta castrum in loco 
qui dieitur evenho). In der Beftätigung dieſer Schenkung durch 
Papft Eoeleftin vom Jahre 1196 wird der Hof zugeid) mit dem 
Eichholze und dem Fahlen Berge (mons, qui dieitur calvus) auf» 
geführt. Die Grafen hatten ſich gewiffe Rechte an dem Hofe vorbehalten, 
auf welche Gottfried im Jahre 1235 verzichtete (super iure curtis 
evenho). Im Jahre 1314 war der Hof ſicher verfhwunden. Evenho 
war in der Untroper Mark beerbt.*) 


Wie es gefommen, daß die Gemeinde Arnsberg ſchon fo früh faft 
Alfeinbefigerin der Marf wurde, ift nicht überliefert und ſchwer zu bes 
greifen. Es muß jedoch beadjtet werden, daß die Grafen die meiften 
Arnsberger Höfe früh an ſich gebracht Haben. Schon vor Heinrich I 
waren fie nad) Ausweis der Urkunden im Befige von Evenho, jener 
Curtis Wettere, welche Heinrih8 Tochter Jutta dem Stifte Mejchede 
übertrug, eine® mansus Wettere, jpäter des Lüttefe-Wetterhofes und 
des Dierhofes. Es ſcheint demnach, daß die Grafen, vielleicht ſchon che 
das Schloß gebaut wurde, faſt die ganze Arnsberger Gemarkung ange- 
fauft haben. Wenn diefe Annahme richtig ift, jo liegt die Vermutung 
nahe, daß die Gemeinde Arnsberg durch eine gräflide Schenkung 
in den Befit der Mark gelangt ift. Wann dies gefchehen fei, dafür giebt 
unfere Urkunde von 1207 einen Anhalt. Die Gemeinde mußte, als 
fie jenen Anſpruch des Kloſters Wedinghaufen auf Mitbenugung abwieg, 
ihon längere Zeit unbejchränftes Nutungsreht an der ganzen Mark 
gehabt haben. Das Recht des Stifte8 mußte erft durch das Zeugnis 
des noch lebenden (Leiten) Schulten des Hofes nachgewiefen werben; es 
war aljo wohl lange Zeit nicht geübt worden. Wie hätte die Gemeinde 
e3 fonft überhaupt abjtreiten fünnen? So können wir das Eigentum 
der Gemeinde Arnsberg an der Arnsberger Mark um ein Erhebliches 
zurüddatieren. Natürlich) alfo auch das Beftehen der Gemeinde felbit. 
ft das Schloß um 1080 gebaut, jo hat jpäteftens etwa fiebzig Jahre 
nachher auch ſchon eine Gemeinde beftanden. Vielleicht war fie jchon 
früher gebildet. Ehe wir uns diefer Frage zuwenden, haben wir noch 
einen von der Forſchung in die Gejchichte Arnsbergs eingeführten Hof 
zu betrachten, welcher der Wohnfig der im Laufe der Darftellung mehr- 
mals erwähnten Edelherren von Arnsberg gewejen jein foll. 


1) Die Ländereien der genannten Höfe bildeten jpäter die ftädtijche 
Feldmark; f. w. u. 


Das Castrum der ſchwarzen Edelherren von Arnsberg. 73 


Der Sit der „Ihwarzen Gdelherren von Arnsberg“ und die 
fogenannte Curia Attisberga. 


In der Geſchichte der Grafen von Arnsberg tritt während des 
zwölften umd dreizehnten Jahrhunderts ein edles Geſchlecht auf, über 
dem ein gewifjes Dunkel jchwebt: die Edlen von Arnsberg, mit dem 
Beinamen Niger (ſchwarz). Ahr Wappen zeigt einen doppelföpfigen 
Adler. Nach der Vermutung Kindlingers, eines älteren, verdienten Ge— 
ſchichtsforſchers, ſtammten diefe Edlen von jenem unglüdlihen Heinrich 
ab, welchen fein gräflicher Bruder im Burgverließe verſchmachten Tief. 
Diefer Meinung haben ſich die früheren Gelehrten angeſchloſſen, aud) 
Seibertz. Ein Sohn des urkundlich erjten Henricus niger nobilis 
de Arnsberg nahm mit dem Grafen Gottfried II am Kreuzzuge teil und 
fand auf demfelben feinen Tod. (S.30.) Mit dem Sohne dieſes Heinrid) 
ftarb das Geſchlecht in männlicher Linie aus. Der Iette Edelherr von 
Arnsberg hatte nur eine Tochter, mit Namen Efifabeth, welche fid) mit 
Adolf von Holte vermählte. Der einzige Sohn aus diejer Ehe übergab 
nad) des Vaters Tode mit Einwilligung feiner Mutter einen großen 
Zeil der ererbten Güter dem Grafen Ludwig von Arnsberg, wie ſchon 
oben (S. 45) erzählt worden ift. 

Die Befisungen der Edlen von Arnsberg waren teils Allodial- 
güter"), teild Lehen der Grafen von Arnsberg und der Erzbijchöfe von 
Köln. Überhaupt fcheinen die Edlen ſich den Letzteren enger angeſchloſſen 
zu haben; denn die Urkunden zeigen fie uns häufig im ihrer Umgehung. 
Nun wird in einem Güterverzeichniffe des Erzbifchofes Philipp (1167 
bi8 1191) ein castrum Arnesberg cum allodio, d. h. Schloß Arns— 
berg mit einem dazu gehörigen Allodialland erwähnt, welches den Ge— 
Iehrten viel Kopfzerbrechen gemadt hat. Man dachte natürlich nur an 
das gräflidhe Schloß, und da Graf Heinrich wegen des Bruder» 
morbe3 fi) vor dem kölniſchen Erzbifchofe hatte demütigen und zu ge= 
wiffen Zugeftändniffen bequemen müffen, jo glaubte die Forſchung zu 
dem Schluſſe berechtigt zu fein, daß Graf Heinrich fein Stammſchloß 
Arnsberg dem Erzbiſchofe aufgetragen und von diefem als Lehen zu— 
rüdempfangen habe. (Vgl. ©. 24.) ber, wie bereit8 oben bemerkt 
wurde, die fpätere Gejhichte der Grafen lehrt zur Genüge, daß dieſer 
Schluß nicht richtig ift. Die Urkunden beftätigen ausdrüdlich, daß, 
einige Lehen ausgenommen, die als folche bejonder8 bezeichnet werden, 
die Beſitzungen der Grafen Allodialgüter waren. Daher kann das 
Castrum das gräflihe Schloß nicht gewejen fein. Hier fommt nun 


1) S. 48. Allod = AU—Od, Od = But. 


74 Arnsberg unter den Grafen. 


Seiſſenſchmidts Hhpothefe der Forſchung zu Hilfe Das fraglidhe 
Castrum, meint diefer Gelehrte, war das Schloß der ſchwarzen Edel- 
herren von Arnsberg. In den umficheren Zeiten des Naubrittertumes 
ſahen ſich manche minder mächtige Edelleute im eine mißliche Rage ver: 
jest. Viele verzichteten auf ihre Selbftändigfeit und begaben fid) als 
Minifteriale in den Schuß eines Machthabers, indem fie diejem ihre 
Güter zu Lehen auftrugen. (Vgl. ©. 48.) So hätten nun aud nad) 
der Meinung Seiffenshmidts die fchwarzen Ebdelherren ihre Freiheit 
aufgegeben und ihr Schloß dem Erzbijchofe von Köln zu Lehen übergeben. 

Man kann zu diefem Punkte der fraglichen Hypotheſe feine Zujtimmung 
geben; alles übrige aber ift teils unrichtig, teils fehr gewagt. Seiſſenſchmidt 
geht von der Meinung aus, daß in der Arnsberger Mark drei Höfe, nämlich 
Wetter, Die und „Mttisberga” zu gleihen Teilen beerbt geweſen feien. 
Attisberga las er wohl jtatt Ahtisberga. Graf Konrad erivarb hier, wie S. 5 
erzählt, zivei Höfe; diefe mansi (!) waren, behauptet Seiſſenſchmidt, die Höfe 
Die und Wetter (!). Der Befiter des dritten Hofes blieb frei: Ahtisberga 
war Sig der Edlen von Arnsberg. Wie foll denn dies beiwiefen merden? 
Doc) wohl nur durch die Namensähnlichkeit, indem man Attisberga gleich Arns— 
berga fett. Doch nein, hier begeht Seiſſenſchmidt eine Inkonſequenz, indem 
er cine andere Ableitung des Namens Arnsberg verfudt. Der Befiter des 
Hofes habe Arent d. i. Arnold geheißen ufw. Den Hof Attisberga werden 
wir alfo wohl mit Recht endgiltig aus der Geſchichte Arnsbergs jtreichen 
dürfen, und fo einen Wunſch Pieler3 erfüllen. 

Dabei bleibt aber doch beftehen, daß die Edlen von Arnsberg 
hier vielleiht ein Schloß gehabt haben, und Seiſſenſchmidt Hat nicht 
verfehlt, für dasſelbe einen beftimmten Ort in Arnsbergs Nähe nad)- 
zuweilen. Da die Höfe Wetter und Die das Thal einnahmen, fo 
glaubte er, daß der „dritte” Marfenbeerbte am Didenbrude gewohnt 
haben müffe. Einen Fingerzeig gab ihm die Flurbezeichnung „am 
Arnsberg”. Auch wollte ein Gutspächter dortjelbft einmal beim Pflügen 
auf Refte von Mauerwerk geftoßen fein. So foll denn auf dem Diden- 
bruche das Schloß der Edelherren von Arnsberg gejtanden haben. Dieje 
Vermutung fteht auf jehr Schwachen Füßen. Hören wir, was Pieler jagt: 

Der „Didebruch” war für einen Edelhof feiner Iofalen Natur nad 
gänzlich ungeeignet. Es iſt ein ziemlich flaches Feld und fchon der Name 
Brud) zeigt an, von welcher Bejchaffenheit dasfelbe if. ES hat Hier einft 
wahrſcheinlich ebenſo ausgefehen, twie auf dem Rumbecker Bruche, der bis 
zur Anlage der Rumbecker Chauffee in der heffiihen Zeit ganz unangebaut 
und unbewohnt war, ein Wildland, hier und da mit Buſchwerk bewachſen. 
Ein Berg oder felbjt irgend eine hervorragende Anhöhe, auf welcher das 
feſte Schloß eines Edlen hätte erbaut werden können, mit „den um basjelbe 
liegenden Gemüfe- und Objtgärten” ijt dort nirgends zu finden. „Erjt der 
jetzige Befier bat die meiften der urbar gemacht und die urfprüngliche 
Wüſtenei zu einem einigermaßen einträglichen Gütchen umgeſchaffen.“ Pieler 


Entwidelung Arnsbergs zur Stadt. 75 


macht dann gegen Seiſſenſchmidts Hypothefe überhaupt noch folgendes geltend: 
Eine adelige Familie von Arnsberg neben dem Geſchlechte der Grafen 
bon Arnsberg Hat es nicht gegeben. Aus einem Bauern konnte fein Edel- 
mann werden. Alle Edelherren, die in der Geſchichte Weftfalens auftreten, 
find alt. Sie alle hatten eigene GerichtSbarkeiten angeerbt und hatten meijt 
auch eine zahlreiche Lehnsmannshaft. Wie könnte ein folches Gefchlecht von 
einem Heinen, ja dem fleinften Grundbefiger in der Arnsberger Mark ab» 
ſtammen? Bom Sabre 1179 an (1165 ftarb Heinrich im Kerker) erjcheinen 
die Schwarzen von Arnsberg in faft allen Urkunden der Erzbifchöfe und 
Grafen unter den edlen Zeugen, dagegen ſuchen wir fie in den vielen 
früheren Urkunden vergebens. Dies wäre geradezu unmöglich, wenn 
fie bereit8 früher als felbjtändige Edelherren erijtiert hätten. Daß aber auf 
der anderen Seite der reuige Graf Heinrich den verwaiſten Kindern feines 
Bruders einen Teil des Vermögens übergab, das ihrem Vater rechtmäßig 
zukam, erfcheint den Berhältnifien durchaus angemeffen. Die Grafen würden 
ferner fi) nicht von Arnsberg genannt haben, wenn ſchon ein edles Ge— 
ſchlecht dieſes Namens hier vorhanden gemwefen märe. 


Die Entwickelung Arnsbergs zur Stadt. 


Die erften Anfänge der Stadt Arnsberg, d. h. einer bürgerlichen 
Gemeinde, hat man, wie bereit3 in der Gejchichte des Grafen Friedrich 
erwähnt wurde, in einer Begebenheit gefunden, die ein fehr merkwür— 
diged, alte8 Dokument aus dem Jahre 1114 beurfundet. Laut des— 
jelben begaben fi damals vierzehn Freie mit ihren Familien, wozu 
auch das Hofgefinde gehörte, dem Grafen der Kapelle auf der Burg 
Arnsberg als Wahszinfige.!) ES waren freie Erbbefizer, von freien 
Eltern gezeugt; fie ergaben fi) dem Kaplan der Kapelle auf dem 
Schlofje zu Arnsberg zu Dienft (serviendos), um Hilfe und Schu 
vom erlaudten Grafen Friedrich zu erlangen; feinem andern 
Grafen oder Bizegrafen, fondern nur dem Grafen Friedrich und deſſen 
Nachfolger allein und feinem dort dienftthuenden Kaplan wollten fie 
treuen Gehorjam leiften. Der Familienältefte joll jährlicd auf Pfingften 
zwei Denare oder entiprechend viel Wachs freiwillig auf den Altar 
zahlen, die rauen bei ihrer Verheirathung ſechs Pfennige. Bei Todes- 


ı) Die Wahszinfigen oder Altarhörigen begaben fi in den Schutz 
eines Heiligen, d. 5. eines Kloſters oder einer Kirche, und entrichteten jährlich 
eine Recognition in Wachs oder jtatt deſſen in Geld. Sie bildeten eine 
Innung. Hährlich hielt der Küfter der Kirche „eine Sprache” mit ihnen am 
Ultare, um zu willen, wer zur Innung gehörte. Die Wachszinfigen blieben 
übrigens perjönlich frei. Einen eigenen Gerichtsitand hatten fie nit. Sie 
wohnten oft zerjtreut. (Seibert, Landesgeſch. II, ©. 524 ff.) 


76 Arnsberg unter den Grafen. 


fällen follte der Erbe, wenn ein Mann geftorben, einen Ochſen oder das 
befte Stüd Rind; wenn ein Weib, das befte Kleid an den Geiftlichen 
abgeben. 

Die Namen der Freien find (nad) der Schreibung der Urkunde, 
die übrigens nicht im Originale vorliegt): Bunico, Herph, Huozes, 
Hebelo, Hojo, Eppo, Voodo, Lambracht, Benefa von Dreven, Theodorid) 
von Glodern, Nelden, Elimarch, Hojo. 


Wie interejfant die vorftehende Urkunde dem Forſcher auch jein 
mag, jo darf man dod Feine weitgehenden Schlüffe daraus ziehen. 
Daß die Schutbedürftigen ihre alten Wohnfite verlaffen und fi unter 
dem Schloſſe angefiebelt hätten, ift immerhin eine gewagte Folgerung.) 
Und wer wollte ferner beweijen, daß fie die Erften gewejen, welche 
den Schuß des Grafen von Arnsberg zu gewinnen juchten? Unſere 
Unterfuhung hat ergeben, daß auf dem Bergrüden, welder Standort 
des Schloſſes wurde, außer dem Evenho die Dörfer Arnsberg und 
Wedinghaufen lagen. Hier haben wir einen Grundftod für die Stadt. 
Es fonnte dann nicht ausbleiben, daß das Schloß ein Anziehungspunft 
für Handwerker und Gewerbetreibende aller Art wurde. In der alten 
Überlieferung von den Arnsberger Waffenjchmieden (S. 19) liegt etwas 
Wahres. Auch der Schutz, weldhen die Nähe des Schloſſes verhieh, 
war natürlich der Vergrößerung der Gemeinde förderlich. Man darf 
ferner annehmen, daß die Anfiedlung unter dem Schloſſe jelbft auch 
Ihon jehr bald mit Mauern umgeben wurde; denn fie bildete ja den 
Zugang zum Schloſſe, und es lag im Intereſſe des Grafen, diefen zu 
befeftigen. Dieſe Annahme wird durch die frühe Erwähnung der „Alt 
ſtadt“ (ſ. w. u.) beftätigt. Um die Mitte des 12. Jahrhunderts muß 
ferner nad) unferer Unterfuchung die Gemeinde Arnsberg ſchon Eigen- 
tümerin der Arnsberger Mark gewefen fein. So weijt alles darauf hin, 
daß die heutige Altjtadt Schon jehr bald nad) der Erbauung des Schlofjes 
entjtanden ift und eine Gemeinde gebildet hat. 


1) Bol. d. dv. Anm. Nach Seiffenfchmidts Theorie waren es die Even— 
hoer Bauern, die, durch den Feldzug des Erzbifchofes Friedrich (S. 13) in 
Bedrängnis gebracht, den Schuß des Grafen nachſuchten. Sie wurden Be- 
jiedfer der Altitadt. Seiffenfchmidt wollte Hierdurch erklären, daß deren Bes 
wohner in jpäterer Zeit die Evenhoer Ländereien allein mit Ausſchluß der 
Neuftädter in Nutnießung hatten. Ferner hält diefer Forſcher die in der 
Urkunde erwähnte Kapelle (gegen den Wortlaut der Urkunde) für die Stadt- 
fapelle, um die Teilnahme des Kloſters Wedinghaufen an dem fpäter zu be- 
ſprechenden PBantaleonsgerichte zu erflären. So geiftvoll Seiſſenſchmidts Ber: 
mutungen find, jo widerjpricht ihnen doch unferer Meinung nad) die urkund⸗ 
lie Überlieferung. 


Arnsberg erhält Stabtredt. 77 


Die Gründung der Stadt Arnsberg durd; Gottfried III. 
Die Stadt Arnsberg unter den Grafen. 


Die Urkunde über die Verleihung des Stadtrechte8 an Arnsberg 
ift längſt nicht mehr vorhanden; fie ift wohl mit vielen anderen für die 
Geſchichte wichtigen Dokumenten bei dem großen Stadtbrande (1600) 
vernichtet worden. Hinſichtlich der Zeit der Verleihung ergiebt fich aus 
einer Urfunde vom Jahre 1238, daß damals die Stadt gefreit war 
(Seiberg Nr. 211). Im Eingange derjelben heißt e8: cum nos civi- 
tatem de arnesberg cum incolis suis liberam!) esse decrevisse- 
mus „als wir bejchlofjen hatten, das Gemeinwejen Arnsberg mit 
jeinen Bürgern zu freien". Hier bezeichnet fich Gottfried III ſelbſt 
al3 denjenigen, der die Freiheit verlieh. Da num Gottfried III erft im 
Jahre vorher zur Negierung gelangt war, jo hat Arnsberg 1237 oder 
1238 Stadtrehte erhalten. Auch Ichrt die Faſſung der Urkunde, daß 
die Freiung erft furz vorher erfolgt war, denn fie zeigt uns in gewiffer 
Weije die Stadt noch im Entftehen. Der Graf hegte den Wunſch, daf 
das Klofter gleihen Schuß wie die gefreite Stadt genöffe; daher habe 
er verfügt, jagt Gottfried III, dasjelbe in ihre Befeftigung mit einzu- 
ihliegen, und zwar fowohl zu des Ortes, als zu feiner eigenen Sicher— 
heit. Da nun das Klofter übernommen habe, zu ſolchem Zwede auf 
eigene Koſten einen befeftigten Graben bis an das Thor zu legen, fo 
wolle er ihm „zum Danke für eine jolhe Wohlthat" nicht nur alle 
alten Rechte und Freiheiten beftätigen, jondern ihm zugleich auch ver« 
fihern, daß es nad eingeführtem neuen Rechte zu feinen bürgerlichen 
Laften, wie Wachen, Verteidigung der Befeftigungen oder bürgerlichen 
Abgaben herangezogen werben, vielmehr feine bisherige Immunität?) 
weiter genießen ſolle. Auch follte e8 von jeinen Hausftellen (areae), 
die etwa zur Stadt gezogen würden, die bisherigen Abgaben fortbezichen. 
(Bel. ©. 71.) 

Welcher Art nun das Stadtreht war, weldes Arnsberg erhielt, 
läßt fi mit ziemlicher Sicherheit vermuten; e3 war das damals jehr 
beliebte Recht der Stadt Lippe (Lippftadt), eine Modification des alten 
Soeſter Stadtrechtes.?) Um eine Vorftellung von dem Charakter der 
verlorenen Bewidmungsurfunde zu geben, ſei das von dem Grafen 





ı) Der Ton liegt nicht ettva auf eivitatem, das nicht mit Stadtgemeinde 
(oppidum) gleichbedeutend ijt, jondern auf liberam. 

) Immunität ift Freiheit von Öffentlichen Dieniten und Abgaben, be- 
fonder8 aber Heraushebung aus der Gewalt der öffentlichen Gerichte, hier 
ipeziell des gräflichen. 

) Seiberß Landes- und Rechtsgeſch. III S. 181. 


78 Arnsberg unter den Grafen, 


Gottfried IV der Stadt Neheim verliehene Recht angeführt.) Es muß 
jedoch bemerkt werben, daß das Recht einer Mutterftadt (wie Lippe) 
nicht immer wörtlich übertragen, ſondern den örtlichen Verhältniffen der 
zu bewidmenden Stadt verftändig angepaßt wurde. 


Lippeſches Stadtrecht in Neheim (1358). 


1) Die Stadt felbjt Hat das Gericht über blutige Berwundungen inner- 
halb ihrer Mauern mit Ausnahme derer, welche von Waffen Herrühren, und 
berivendet die Strafgefälle zur Befejtigung und Beflerung der Stadt. 2) Alle 
Bergehen beim Baden und Brauen, gegen Maß und Gewicht Hat die Bürger- 
ſchaft unter fi) zu richten. 3) Kein Bürger foll von einem anderen bor ein 
auswärtiges Gericht geladen werden. 4) Auch in Erbangelegenheiten hat die 
Stadt die ausschließliche und höchſte Gerichtsbarkeit. 5) Zwei Tage vor und 
nad) dem Jahrmarkt, ſowie allwöchentlich am Sonntag, Montag und Donners- 
tag follen Feine GerichtSladungen erfolgen ald wegen dann begangener Un- 
gerechtigkeiten. 6) Bon gejtohlenem und gefundenem Gute fol dem Richter 
nichts gebühren. 7) Wer Jahr und Tag in Neheim gemohnt hat, kann nicht 
weiter angefprocdhen (von feinem früheren Herrn zurüdgeforbdert) werden. 8) Der 
Graf verzichtet für fi und feine Nachkommen darauf, Bürgermeijter und 
Nat einzufegen ohne gemeinen Rat der Bürger. 9) Nut: und Bauholz darf 
bon den Bürgern nad) Bedürfnis gehauen werden. 10) Auch Waldemeine 
und Weide werden ihnen verliehen. 11) Unrecht bei Bauten oder Umzäu— 
nungen follen durch bejondere Nichtleute oder durch die Bürgerſchaft ge- 
jchlichtet werden. 12) Beim Tode eines Bürgers ohme rechte Erben ijt die 
Nachlaſſenſchaft, wenn nicht binnen Jahr und Tag ein Rechtsanſpruch nad)- 
gewiefen worden, dem Grafen auszuliefern. 13) Wer mit der Tochter, 
Schweſter oder Nichte eines Bürgers verbotenen Umgang pflegt, joll fie zur 
Ehe nehmen oder zehn Mark gangbaren Geldes zahlen. 14) Allen, welche 
in der Stadt wohnen, oder welche etwas dahin bringen und fahren, wird der 
gräfliche Zoll erlaffen. 15) Bei Pfandfegungen oder Bürgfchaften zu fünf 
Mark find vier Schillinge, bei folden von vier Schillingen find zwei Pfennige 
und, wenn einer „overtughet” d. 5. durch Zeugen überführt wird, ſechs 
Pfennige zu erlegen. 16) Der Bürgermeifter hat, wie in der Stadt Eversberg, 
die Weide zu verleihen. 17) Der Graf und feine Leute jollen und wollen 
einen Bürger außerhalb der Stadt weder anhalten noch Hindern, jondern 
vielmehr fördern nach aller Macht, wie fie Fünnen und mögen. 


Ähnliche Beftimmungen finden wir in den fpäter zu befprechenden 
alten „Nottuln“ der Stadt, die etwa aus dem Jahre 1450 ftammen, 
wieder und ebenjo in den Statuten derjenigen Städte und Freiheiten, 
die jpäter Arnsberger Recht erhielten (3. B. Balve). 

Die Grundlage alles ftädtifchen Lebens, fagt Seiberk,*) war die 
Freiheit der Bürger, und dieſe beſtand teils in der Immunität ihres 


) Seibertz Nr. 748, überſ. v. rang, Blätter 3.n. K. W. 1879, ©. 60. 
2) Yandes- und Nechtsgefch. IIT ©. 408 f. 








Inhalt des Stadtrechte. Ummauerung. 79 


Gemeinwejens von der Grafengewalt, teils in ihrer perfünlichen Frei— 
heit von Hörigfeitverhältniffen; zugleich aber aud in ber Gleichheit 
aller Bürger vor den in der Stadt geltenden Geſetzen. Hörige, die ſich 
Yahr und Tag in einer Stadt aufgehalten, waren dadurd von jelbjt 
perjönlich frei. Die Stadtrechte unterjagten alle Selbjthilfe gegen ihre 
Mitbürger, ſowohl durch Zweifampf als durch Verbündung mit fehde- 
Iuftigen Junfern. Nur bei dem Nichter follten die Bürger Schut ihres 
Rechtes ſuchen. 

Der Grad der Freiheit nun und der Umfang der den Gemein- 
wejen übertragenen richterlihen Vollmacht war verjchieden und hat 
manden Schwankungen unterlegen. Im allgemeinen gehören leichtere 
Vergehen vor den ſtädtiſchen, jchwerere vor den gräflichen Richter.) Eine 
beftimmte Klaſſe von Rechtshändeln und Geſchäften gehört vor das 
Freigericht. 

Weſentlich für jede Stadt war ihre Befeſtigung durch Mauern. 
Das ältefte Arnsberg hatte ohne Frage bereit8 Mauern erhalten, ehe 
der Graf jeine Einwohner mit Stadtredht begabte. (Bgl. S. 76.) Im 
Süden und Weften diejer Ummauerung hatten ſich mit der Zeit andere 
Umwohner angefiedelt. Dieje „neue” Stadt wurde gleichfall8 befeftigt; 
wann dies gejchehen, kann nicht feftgeftellt werden; unjere Urkunde vom 
Jahre 1238 jcheint darauf hinzuweijen, daß man eben damals mit der 
Anlage der Feſtungsmauern bejhäftigt war. Daß aber zu jener Zeit, 
als Arnsberg Stadtrecht zu teil wurde, bereits beide „Städte“ vor- 
handen waren, darf man wohl mit Wahrjcheinlichkeit daraus ſchließen, 
daß 28 Jahre fpäter, in einer Urkunde des Jahres 1264, der Graf 
Ludwig befennt, dag dem Paftor von Hüften feine Regiſter in der 
olden ftaidt to Arnsperg verbrannt feien. (Seiberg I Nr. 330.) 
Die Befeftigung der neuen Stadt gejhah nicht in der Weiſe, daf 
die Mauern der alten niedergeriffen und eine Gejamtjtadt hergeftelft 
wurde; die alten Mauern blieben vielmehr wohl der erhöhten Sicher— 
heit wegen beftehen. Die zweite Ummauerung verließ unterhalb des 
Slodenturmes, an der Ede der Höllenftraße und Kahr (Karre), die 
alte Grenze, 309 fi) an der nördlichen Seite der Höllenftraße nach der 
Mühlenftraße und dem Miühlenthore (Chauffeeftraße) und wandte ſich 
ſüdlich zum jetigen Regierungsgebäude Hin, von da nad) dem Halb- 
turme (Honfamps- oder Friedrihsturme), verlief dann öſtlich nach dem 
Lindenberge mit der Klofterpforte und zog fi von hier ummittelbar 


— 





In der Urkunde erfcheinen als gräfliche Richter in Arnsberg: Wal- 
therus index (1207), Steling (1279), Eusthatius (1285), Statius (1295), Hein- 
rich de Barichfrede (1301), Johannes Sceninc (1331), 


80 Arnsberg unter ben Grafen. 


am Bergrande in nördlicher Richtung nah) dem Schloſſe Hin, unter 
broden von der Vogelspforte (Tilmans Gäßchen) und dem noch heute 
vorhandenen Kaiferspförthen. Die Thore der Altjtadt waren das 
Schloßthor, die Dieypforte (mo der Soefter Weg mündete), aud) Dligs- 
und Dlerthor genannt, und das Limpsthor. Don den alten Wacht: 
türmen ftehen noch drei: der jetzt fogenannte grüne Turm, Limpsturm 
und der Halbturm (Honlampsturm, früher grüner Turm geheißen). 


Der Umfang der Stadt ift im ganzen bis zum 19. Zahrhunderte der: 
jelbe geblieben. Allerdings begann man jchon im 15. Jahrhundert außerhalb 
der Thore fi) anzubauen, nämlich vor der Kloſter- und Mühlenpforte; indes 
verblieb es bei vereinzelten Anfiedelungen. So ijt auch die Einwohnerzahl 
während langer Zahrhunderte ficherlih nur geringen Schwankungen unter- 
worfen geivefen ; man wird fie auf 2500 jchäten dürfen. 


Außerhalb der Ningmauern verlief ein tiefer Wallgraben, inner- 
halb der Stadt führte an derjelben ein jchmaler Pfad entlang, um zu 
den Warttürmen gelangen zu können. In der Nähe diefer Warttürme 
befanden ſich maffiv gebaute Burgmannshäufer mit geräumigen, ſchön 
gewölbten Kellern, die vielleicht dazu dienten, die Effekten der Burg— 
männer — meift Adliger — bei Belagerungen aufzunehmen. Soldye 
Gewölbe fand Hollenhorft in dem Garten des Freiheren von Weichs 
und an der Kahrſtraße. Nod im Anfange des 17. Jahrhunderts hielt 
man ftreng darauf, daß der Gang längs der Stadtmauer frei blich. 
Denn als Kurfürft Ernft von der Stadt die Erlaubnis erhielt, zum 
Bau des Landsberger Hofes ein Stück von der Stadtmauer nieder- 
zureißen und an deren Stelle die Hinterwand des Hauſes aufzuführen, 
mußte er doc einen unterirdiihen Gang unter dem Gebäude anlegen 
laffen, um den Mauerweg nicht zu unterbreden.!) 


Der Schuk und die Erhaltung der Mauern, die Bewadhung und 
die Verteidigung der Stadt lag den Bürgern ob. Dieje übten fid) 
fleißig in den Waffen. Die Zunftfahne, der jede Zunft (vgl. u.) bei 
jeder Bittfahrt (Prozeſſion) folgte, war zugleich Kriegsfahne, der Vor— 
fteher der Zunft Kriegshauptmann. Nahte ein Feind, jo ertünte die 
Glocke (des Glodenturmes?); Waffengeſchrei eriholl in den Strafen 
und alsbald füllten fi) die Mauern mit Scharen bewaffneter Kämpfer. 
Die reihen Bürger dienten zu Pferde. Viele jah man im Harnifche, 





!) Angabe Hollenhorjts, der hieraus die befannte Sage bon dem unter- 
irdiihen Gange erklären will. Aber an deſſen Bejtehen braucht doch nicht 
gezweifelt zu werden. 


Marti. Münze. 81 


bewehrt mit Schwert und Lanze (Bike), Bogen und Pfeil, jpäter mit 
Büchſe und Armbruft.?) 


Zu den wejentlihen Erforderniffen einer Stadt gehörte ferner ein 
Markt, Wochenmarkt und Jahrmarkt, ſowie Zoll- und Minzgerechtig- 
feit. Die Grafen von Arnsberg trugen die Münze vom Weiche zu 
Lehen und Tiefen nur im ihrer Nefidenzftadt prägen. So erjcheint der 
Münzmeifter Helenword als Zeuge in Urkunden von 1247 und 1261, 
der Müngzmeifter Theodorich 1267 und 1279.?) 


Bor etwa zehn Fahren wurden im Seufzerthal bei Arnsberg zwei Münz- 
funde gemadjt, welche berechtigtes Aufjehen erregten, weil die gefundenen 
Münzen zu den ältejten gehören, die überhaupt in Wejtfalen geprägt find. 
Sie fallen nämlich in die Fahre 1150—1223, reihen alfo noch in die erfte 
Grafenzeit zurüd. Nur war es auffallend, dab fich feine Münze eines 
Arnsberger Grafen darunter befand, menigftens joweit der Fund dem Herrn 
Beingärtner in Münfter borgelegen bat. Bierfünftel der betreffenden Münzen 
entfällt auf die Miünzjtätte der kölnifchen Erzbifchöfe in Soeſt, einige auf das 
Bistum Münfter, Paderborn und auf Kur-Köln. Münzen der Grafen Ludwig 
und Wilhelm, nämlich 37 Denare und Obolen (!), Denar) kamen bei dem 
Münzfunde zu Everswinkel, Bauernihaft Ertel im Jahre 1859 zu Tage 
(Geisberg in Zichr. f. vat. Gef. und Alt. XXII, ©. 304). Außerdem wurden 
gräflich-arnsbergifche Münzen hauptjächlich bei den Brümmeloher, dem Bürener 
und dem Hefleler Münzfunde gewonnen. Umfaffende Bearbeitungen bei 
Grote (Münzftudien VII ©. 75 f. 172 und 501 f.) und 3. Weingärtner (Die 
Silbermünzen von Cölniſch Weitfalen, Münfter 1886, ©. 113 ff.) Die meiften 
Arnsberger Münzen enthält die Münjterfche Eammlung. Die Arnsberger 
Denare müſſen, da fie arg verſchliſſen find, ſehr in Umlauf gemwefen fein. 
Bon „arnsbergiicher” Münze ijt erſt in der nadhgräflichen Zeit die Rede 3. B. 
1370 „300 arnsbergifche Mark;“ die gräflihen Münzen gehen unter allge- 
meinen Bezeihnungen. Auf den Averſen diefer Münzen fieht man meift den 
betreffenden Grafen abgebildet mit einer Krone auf dem Haupte; einem 
Schwerte, Szepter, Fähnchen, einer Kugel oder anderen Abzeichen der Gewalt 
in den Händen, und Umfjchrift de8 Namens; auf den Reverſen den Namen 
Arnsberg und ein Gebäude (Schloß?) mit drei Türmen oder das gräfliche 
Wappen. Die älteften Münzen find von Gottfried II; von Gottfried IV find 
noch feine gefunden. 


ı) Für Arnsberg fehlen beſtimmte Nachrichten. ES war hier aber nicht 
anders, wie in den Nachbarjtädten. Das Stadtreht von Rüthen entfchädigte 
den Bürger, der feinen Harniſch oder fein Pferd im Dienſte der Stadt verlor. 
In Brilon mußten fih die Bürger bei einem Glodenfchlage mit Waffen und 
Harniſch unter dem Stadtbanner fammeln. Sogar in der Freiheit Mejchede 
waren noch fpäter Harnifch, Pike, Büchſen uſw. vorgefchrieben. In Lippftadt 
verteidigten die Schneider den „Schneiderdamm”. (Chalybaeus). Geibert, 
8. und R.-G. III, 397. 

9) Seiberk a. a. O. III, ©. 416. In den Urkunden wird er ausdrüd- 
lid) Bürger (burgensis, oppidanus) Arnesbergensis genannt. 


Fear, Geſchichte Arnsbergs. 6 


82 Arnsberg unter den Grafen. 


Die Verwaltung der ftäbtifchen Angelegenheiten war Sache eines 
eigenen ftädtifchen Magiftrates, beftehend aus Bürgermeifter (proconsul 
magister consulum, magister burgensium; burgenses Stadt», 
castrenses Schloßbewohner) und Rat (consules). In Arnsberg be» 
ftand der Rat im Jahre 1323 aus einem Bürgermeiſter und zehn 
Näten. Die Zwölfzahl war in Wejtfalen die gewöhnlide und im ber 
fölnischen Zeit auch in Arnsberg beftändig. Als Gehülfe des Nates 
diente ein Stadtfchreiber, der die Protokolle führte, das Ardiv in 
Drdnung hielt und oft die Seele des Magiftrates war. — Das Wappen 
der Stadt war das gräfliche (ſ. ©. 8; vgl. das große Stadtfiegel S. 47). 

Sene Urkunde vom 29. Auguft 1323, aus welcher jich die Zufammen- 
ſetzung des Magiſtrates in diefer Zeit ergiebt, betrifft den Wiederaufbau der 
Stadtkapelle und deren Einverleibung in die Pfarrliche (Vgl. unter Weding- 
haufen). Sie ijt lateinisch abgefaßt und enthält im Eingange die Namen 
der Ratsherren wie folgt: Nos Conradus dietus Bunte magister consulum, 
Godescalscus iuxta portam, Richardus Sutor, Henricus diet. Creuit, Ger- 
winus Thome, Gobelinus diet. Rouer, Hennemannus dict. Missner, Her- 
bordus Piscator, Wernerus diet. knop. Joannes de Vreter et Heydenricus 
Faber consules ... . 

Man muß nicht denken, da die bez. Natsherren Sutor, Piscator, Faber 
geheißgen Haben; fie hießen vielmehr Schufter, Fifcher, Schmied (Schmid, 
Schmidt). Allerdings giebt c8 Heute den Familiennamen Faber u. a., diefe 
find indefien ein Erzeugnis der Gelehrſamkeit im Zeitalter der Reformation. 
Damals wurde e8 bei den Gelehrten üblich, ihren deutſchen Namen ins 
Lateinifche oder lieber noch ins Griechifche zu überfegen, namentlich wenn 
der Name einen befcheidenen Stand anzeigte. In unferer Urkunde find die 
betreffenden Namen einfach überſetzt. Bei den anderen Namen hat der Über— 
feger ein „dietus“ (genannt) dem Namen borgefegt, wenn ihn feine Kunft im 
Stiche ließ. Wie wenig dies feinen gelehrten Trieb befriedigte, mag man 
daraus entnehmen, daß er den Namen Amthor (am Thor) überjegt bat 
(iuxta portam). Nach Sleinpaul (Menfchen- und Bölkernamen, Leipzig 1885) 
famen Familiennamen beim Bürgerjtande feit dem 14. Jahrhundert vor und 
wurden erjt feit dem 16. Jahrhundert allgemein üblich. Unfere Urkunde und 
einige frühere von 1314 (Seib. Nr. 562), 1301 (Wilm. III Nr. 1681 Anm.) 
und 1295 (3. Aug.) lafien einen Rückſchluß auf ein höheres Alter zu. 

Für das Aufblühen von Handel und Gewerbe wurde in der 
neuen Stadt da8 Zunftwefen von der größten Bedeutung. Es be» 
ftanden in Arnsberg feit Alters vier Zünfte oder Ämter: 1) das See- 
wider Amt oder die Zunft der Kaufleute oder Krämer, die vor- 
nehmfte, nad) dem Vorbilde der alten Schleswider Brüderſchaft in 
Soeft gebildet, die bis in die Mitte des 13. Jahrhunderts zurüdreicht 
(Seewicker ift offenbar aus Scleswider verderbt). 2) das Bäder-, 
3) da8 Schmiede-, 4) das Lederfhneider- oder Schufteramt. 
— In einer Urkunde des Grafen Gottfried II von 1225 erſcheint aud) 


Magiftrat. Zünfte. Hanfa. Landftraßen. 83 


ein Goldfchmied Friedrid. Bon der Blüte des Schmiedehandwerfs 
war bereit3 oben die Nede; im übrigen wird über die Zünfte erft im 
zweiten Teile abgehandelt werden, weil die einfchlägigen Urkunden ſämt— 
(id) aus fpäterer Zeit find. 

Daß im alten Arnsberg jo gut wie in anderen Städten Weit- 
falens auch Hallen oder Amtshäufer ſich befunden haben, wo die Kauf- 
feute ihre Waaren auslegten, läßt fid) zwar urkundlich nicht beweijen, darauf 
iheint aber die Bezeihnung Hallenftraße mit Beftimmtheit Hin- 
zuweiſen. Hierbei fommt auch der Anfchluß diefer Straße ans Rathaus 
in Betradt. In Brilon war der ganze untere, von Schwibbogen und 
Pfeilern getragene Stod des ein Straßenviertel einnehmenden Rathaujes 
zu offenen Hallen eingerichtet.”) 

Was den meiften weitfäliihen Städten zu einer Blüte verholfen 
bat, von der man fich heute Feine Vorftellung mehr machen kann, das 
war ihr Anſchluß an die Hanfa. Auch Arnsberg gehörte ſeit frühefter 
Zeit diefer Verbindung nicht nur felbft an, fondern war auch Vorort 
jämtliher in der Grafjchaft gelegenen Städte und Freiheiten. Auch 
hierüber reichen die Urkunden nicht in die Grafenzeit zurüd, weshalb 
alles Weitere einer fpäteren Erörterung aufgefpart werden muß. 


Arnsberg berührten in alten Zeiten folgende Straßen: 


I. Neuß (Düffeldorf), Efien, Werl [wo wieder 1) die alten 
Römerftraßen von Wefel, Zanten, Hellweg oder Haarweg (Unna), Bader: 
born, 2) von Asciburgium (Ruhrort gegenüber) und Duisberg (Dis- 
purgum) Effen, Dortmund, Unna mündeten. Römiſche Münzen aus 
der Raijerzeit wurden zu Wefternfotten und bei Menden gefunden.] 
Neheim, Arnsberg, Mejhede, Brilon, Paderborn bezw. Kaffe. In 
der Hochebene von Brilon wurden römiſche Münzen gefunden. Alte 
Wallburgen. 

I. Köln, Wipperfürth, Lüdenſcheid, Werdohl, Balve, Hachen, 
Arnsberg. Bon Haden Straße über das Lenjcheid nad Attendorn 
und Siegen. 

DI. Arnsberg, Haarhof, Erwitte, Tippftadt, Baderborn. 

IV. Arnsberg, Soeft. III und IV durd den Arnsberger Wald, 
(II Sdilfingsweg). 

Nah) Mainz (Frankfurt) ging die Straße über Olsberg (T), Winter- 
berg, Hallenberg, Marburg. (Seiberg in Zſchr. f. vat. Geſch. u. Alt. 
1842 V, ©. 1 ff.) 


1) Geibers a. a. DO. ©. 448. 
6* 


84 Arnsberg unter den Grafen. 


Das Stadtgebiet (Wald und Leldmark).') 
1. Die Walbmarf. 


Wie oben ausgeführt wurde, war bereit die Gemeinde Arnsberg 
in den Beſitz der nad) ihr benannten Waldmarf gelangt. Diejelbe 
grenzte öftlih an die Rumbecker und füdlid an die Hellefelder Mark. 
Auf der Südgrenze war ein beiden benachbarten Marken gemeinjamer 
Streifen, die „doppelte Schnat" genannt. Eine Sonderung trat erft im 
Yahre 1773 ein. Im übrigen ift aber die Süd- und Oftgrenze der 
Mark bis auf den heutigen Tag beftehen geblieben. Dagegen war bie 
alte Mark nah Südweften und Weiten Hin bei weiten nicht jo aus» 
gedehnt wie der Heutige Stadtwald; die fog. Walperberge (Diftrikte 
Goldkuhle, Iſenberg, Elbertenkopf und Ofterfeldsköpfe) fowie das Wreden- 
holz find von der Stadt in fölnifcher Zeit erworben worden (1507, 
bezw. 1667), da8 Wredenholz von den Erben von Wrede auf Reigern. 


Als berechtigt (beerbt) in der Arnsberger Mark trat neben der 
Stadt das Klofter Wedinghaufen auf wegen des durd) Erwerbung des 
Wetterhofes gewonnenen Anteile8 (vgl. ©. 69). Der Umfang biejer 
Berechtigung war von früh an Gegenftand fortwährender Streitigfeiten,?) 
die am 8. Juni 1575 durch DVermittelung des Kurfürften Salentin 
dur einen Erbvergleich dahin beglichen wurden, daß 


1. die Stüdzahl der vom Kloſter in der Waldemei, Feldmark 
und Gehölze, einzutreibenden Schafe, weswegen eine Uneinigfeit fid) 
entfponnen hatte und die Stadtgemeinde zur Pfändung gefchritten war, 
auf 450 feftgeftellt wurde, und fonften „in Huden und Weiden beider- 
jeit8 Pferde und Kühe, Fafeljchweine und andere Beejter in Arnsberger 
Waldemei, Marken und Gehölze gute Nachbarſchaft gehalten werden jolle”. 


2. Das Klofter zur Maftzeit bei volliger Maft 50, bei halber 
Maft 25 Schweine und aljo „nad Advenant des dritten und vierten 
Stranges und Gelegenheit der Springmaft“ ihren Anteil in der Arns- 
berger Mark einzutreiben berechtigt fein jolle, das Klofter fi der Nach— 
maft begeben, dagegen ihm das Eichholz mit allen Nutungen in Holz, 
Maſt, Laub und Gras vorbehalten bleiben, denen von Arnsberg aber das 
trodene, abgefallene Holz daraus zu holen geftattet jein jolle. 


1) Die Darftellung greift in diefem Kapitel mehrfach in die folgende 
Beitperiode über, teil$ durch den Gang der Unterfuhung gezwungen, teils 
der Ülberfichtlichkeit wegen. 

2) Ausführlih Handelt darüber Tüding, Blätter 3.n. 8. W. 1975, 
©. 82 ff. 


Waldmark. 85 


Außer dem Kloſter hatte der Graf von Arnsberg als Schirm— 
herr der Marken gewiſſe Nutzungsrechte an der Arnsberger Mark, wie 
©. 67 f. ausgeführt if. Es ſcheint, daß Graf Gottfried IV ſich diefer 
Rechte begeben Hat, indem er die Schußherrihaft über die Marf an 
die Stadtgemeinde abtrat. Zur Zeit der Truchjeffiihen Unruhen (1583) 
fieß nämlich die Stadt eine Anzahl wichtiger Urkunden nad Soejt 
Ihaffen, unter denen ein „Privilegium Gottfried Grewen tho Arns- 
pergh anno domini 1348 gegewen“ aufgeführt wird. Dieſe Urkunde 
wurde jpäter nad Arnsberg zurückgebradht, aber im großen Brande von 
1600 zerftört. Daß nun diefelbe eine Vergünftigung hinfichtlich der 
Mark enthielt, ergiebt fi) mit Sicherheit daraus, daß die Bürger von 
Arnsberg im ihren Prozeffen mit Wedinghaujen ſich gerade auf cine 
Urfunde von 1348 bezogen und behaupteten, durch diefe vom Grafen mit 
der ganzen Mark und allen einliegenden Huden begnadet zu fein. Dies 
fann aber nicht jo verftanden werden, daß damals die Stadt überhaupt 
erft zum Beſitze der Mark gelangt fei, fondern e8 kann nur die Über- 
tragung der Schirm» und Schukherrihaft und der damit verbundenen 
gräflichen Gerechtſame gemeint fein.) Wahrjcheinlich beftätigte der 
Graf in diejer Urfunde die Rechte der Stadt Arnsberg an der Mark 
überhaupt, wie er ein gleiches im Jahr 1369 bezüglich der den Bürgern 
in der Mark Üntrop zuftehenden Brandholz-Gerehtigkeit gethan zu 
haben jcheint. 


Wenn der Graf ſich feiner Rechte an der Arnsberger Mark nicht 
dur eine Urkunde begeben hätte, jo würden diejelben auf den Erz- 
biihof von Köln übergegangen fein. Thatſächlich haben aber die Erz- 
biſchöfe Feinerlei Nechte in der Arnsberger Mark ausgeübt, während fie 
in ben fämtlichen fünf Ruhr- und fünf Möhnemarfen dauernd ihre 
Gerechtſame als Obermärker durch das Forftamt wahrnehmen Tiefen. 
Daher fommt es auch, daß die Arnsberger Mark unter den Ruhrmarken 
nicht aufgezählt zu werden pflegt. Die Beerbten der übrigen Marken 
nahmen, beiläufig bemerkt, die Satheſetzung im Hirſchberger Schloffe vor. 

Die eben erwähnte auf die üntroper Mark bezügliche Urkunde 
wird unter folgendem Titel aufgeführt: Godert Greve tho Arnsperch 
privilegium de van Arnsperch über Brandholz in Eimer 
und Üntropper marke unter dato 1369 ipso die Epiphani 
intergegeven. Während die Stadt bei der Teilung der Niedereimer 
Mark ihr bezügliches Recht durch rechtsfräftiges Erkenntnis erftritten 


2) Diefe einzigmögliche Deutung giebt Seiffenfchmidt, Blätter 3. n. K. 
®. 1870, ©. 8 f. 


86 Arnsberg unter den Grafen. 


hat, hat fie das gleiche Recht bei Teilung der ÜUntroper Mark nicht 
verfolgen fönnen wegen mangelnder Beweismittel. (Seiffenfhmidt, Geſch. 
der Untr. M., Zichr. uſwp. XVII ©. 202.) 


2. Die Feldbmarf. 


Zu einer Feldmark gelangten die Bürger der Stadt dadurch, 
daß fie die zu den alten Höfen gehörigen Ländereien nad) dem Unter: 
gange diefer Höfe nah und nad zuerft in Pacht, fpäter in Erbpacht 
befamen. Im Jahre 1314 beftimmte Graf Wilhelm das Kloſter 
Wedinghaufen, die zu Evenho gehörigen Yändereien den Bürgern in 
Pacht zu geben. Das Klofter bezog dafür jährlich dreißig Malter 
Hafer und , Mark Geldes. Der auf die Dauer von ſechzig Jahren 
gejchloffene Vertrag wurde im Jahre 1452 unter Erhöhung der Padıt 
verlängert. Erft im Jahre 1623 verlieh das Klofter die bis dahin in 
Zeitpacht vergebenen Grundftüde in Erbgewinn. Eigentümlich und nicht 
genügend aufgeklärt ift die Thatſache, daß die Nukung dieſer Rändereien 
auf die Altftadt beſchränkt war. Wenngleich) bei der Parzellierung im 
Jahre 1314 die Neuftadt bereit3 vorhanden war, jo ift doch in ber 
Urkunde des Grafen von einer Beichränfung des Nutungsredhtes auf 
die Altftädter nicht die Rede. Seiſſenſchmidt wurde wohl vornehmlich 
dur jene Thatſache zu feiner Hypotheſe geführt, daß die Evenhoer 
Bauern die Befiedler der Altſtadt gewejen feien (vgl. S. 76 Anm.). 
Das Klofter Wedinghaufen Hat fi hinſichtlich der Ländereien ſtets 
einige Rechte vorbehalten, nämlich 1) die an Evenho haftende Marfen- 
gerechtfame in der Untroper und Niedereimer Mark; 2) die Mitwirkung 
am Feldgerichte, dem fogenannten Bantaleonsgerichte (f. zweiter Teil). 

Wie die zu Evenho gehörigen Acer, fo wurden auch die Ländereien 
ber Höfe Wetter und Die nad) deren Eingehen ben Bürgern Arns- 
bergs in Pacht gegeben, und zwar wahrſcheinlich ſchon unter dem lekten 
Grafen und von diefem, jo weit er Eigentümer war. Zum erblidhen 
Beige der Länder des alten Hofes gelangten die Bürger erft im Jahre 
1554; denn in dem oben erwähnten Regifter der nach Soeft gefandten 
Urkunden wird erwähnt: Adolphi archiepiscopi Coloniensis Erb» 
gewinn über das Alderfeld sub dato am legten November 1554. 

Die Pacht war per Morgen beftimmt und mußte bon zwei feiten® der 
Stadt dazu befonders bejtellten und vbereideten Beamten, den fog. Teil» 
genoſſen („Theilgenothen”) bezw. deren Diener erhoben und in pleno (in 
einer Summe) an die Eurf. Kellnerei abgeliefert werden, derart, daß wenn 
auch das eine oder andere Grundftüd durch die Ruhr beſchädigt oder fort: 
geriffen fein mochte, dennoch die volle Pacht abgeliefert werden mußte. Die 


Feldmark. 87 


Teilgenoſſen (in ſpäterer Zeit war es nur mehr einer) mußten in Curia (auf 
dem Rathauſe) vor Bürgermeiſter und Rat die richtige Ablieferung durch 
Quittung des Oberkellners nachweiſen. Als Entſchädigung für ihre Thätig— 
keit erhielten ſie einige Fluren angewieſen; außerdem fiel ihnen das— 
jenige Fruchtquantum zu, welches zu viel erhoben war, jedoch abzüglich des 
„Zeilgenothenkorns” — 2 Mütte und 2 Spint = ca. Ah, Scheffel Hartkorn 
(Roggen oder Gerſte) —, welches der Stadt zufiel. Letztere haftete für die 
richtige Ablieferung des Korns in der Weiſe, daß die kurf. Kellnerei ſich bei 
etwaigem Ausfall zunächſt an die Stadt Halten konnte. Die Teilgenoſſen 
führten eine Lifte über die bon den Bürgern benußten Ländereien. Diefe 
lagen nach einem im Jahre 1834 auf Grund alter Heberegifter aufgejtellten 
Lagerbuche Hauptfählich in den Diftriften Im Altenfelde, Unter dem Alten- 
felde, in den Tiergärten, auf den Kämpen (zwiſchen Mühlengraben und Ruhr) 
($lur IL, V, VI), einige wenige am Lüfenberge, am Strippwege. Wie hoch 
die Pacht urjprünglich gemwefen ift, läßt fich nicht ermitteln. Im dreißig- 
jährigen Kriege wurde fie auf die Hälfte ermäßigt (f. zum Jahre 1635). Der 
Kurfürjt Mar. Heinrich Tieß 1652 diefe Ermäßigung weiter bejtehen, um bie 
Stadt für einige Grundftüde zu entfchädigen, die fie ihm zur Anlage des 
Tiergartens bei Obereimer abgetreten hatte. Die Pacht betrug im Jahre 
1679 24 Malter Hartlorn, 12 Malter Hafer und 36 Scillinge an Geld, 
wovon 4 Scillinge zum Grafenbegängniffe. Epäter trat Hinfichtli der zu 
leiftenden Pacht Unflarheit ein; denn im Jahre 1736 wurde von der Furf. 
Kellnerei eine Spezififation der Pacht, fowie Auskunft darüber verlangt, 
welcherlei Rechte die Stadt oder die einzelnen Bürger an jenen Ländereien 
beanfpruchten. Bürgermeijter und Rat wieſen diefes Anfinnen jedoch zurüd, 
fie beriefen fi) auf die im Rezeſſe von 1652 gemachte Ermäßigung und das 
„ab immemoriali tempore“ (jeit unvordenklichen Zeiten) bejtehende Berhält- 
nis, wonach diefe Pächte bon dem ftädtifhen Magiftrate zur kurf. Ober- 
fellnerei geliefert werden mußten, und bemerkte noch, daß gefamte Einwohner 
in campis et agris, de quibus ille reditus uniformiter, fie mögen bejamet 
und mit Früchten bejtellt fein oder nicht, den Weidgang ihres Hornviehs 
hätten (mie noch Heute), erfolglich feien Bürgermeijter und Mat famt der 
gemeinen Bürgerfchaft in complexu bei diefer Sache intereffiert. Hier nahm 
aljo die Stadt ftatt des alten lofen Bachtrechtes ein feftes, nicht ohne weiteres 
zu löſendes Benutzungsrecht in Anjprud. — In der Folge verdunfelte fich 
das alte Verhältnis immer mehr. Im Jahre 1834 meldete die Stadt dieje 
Pacht wie aud) die Evenhöer (f. ob.) zur Eintragung in das Hypothekenbuch 
bei der Hypothekenbehörde an, nachdem fie ein genaues Lagerbuch aufgejtellt 
hatte. Die Inhaber der pflichtigen Ländereien, welche urfprünglid) und von 
Rehtöwegen nur Anpächter waren und als folche ſtets bezeichnet worden 
find, wurden bei der nunmehr erfolgenden Berichtigung des Befittitels als 
Eigentümer anerkannt und die zu leijtende Pacht sub rubr. II des Hypo- 
thefenbuches eingetragen. Darnad) betrug das zu erhebende Quantum 75 
Sceffel 14 Metzen Hartlorm, 46 Sch. 11 M. Hafer, wovon 2 Sc. 131, M. 
Hartlorn an die Stadt, und 3 Sch. 13 M. Hartlorn, 6 Sch. 4 M. Hafer an 
den Erheber fielen. Später wurde dies Quantum ermäßigt. Im Jahre 1859 
überwies Fiskus der Stadt Arnsberg gegen Zahlung von 4512 Thlr. die ſämt— 
lichen von den Altefelder, Wetterhofer und Evenhöer Grundjtüden zu ent- 


88 Arnsberg unter den Grafcır. 


rihtenden Realabgaben. Durch Rezeß vom Jahre 1861 wurden diejelben 
endgiltig abgelöft. So haben die alten Arnsberger Höfe ihre Spuren bis in 
die neueſte Zeit im Rechte Hinterlafien. (Zum Teil nad) einer Bearbeitung 
des umfangreihen Archivſtoffes durch Bürgermeifter Wulff.) 

Es erübrigt noch die Grenzen der ftädtiichen Feldmark zu be- 
zeichnen. Die Grenzen des ftädtiichen „Weichbildes” (von vicus Dorf; 
vgl. Oft» und Beftwig, letzteres eigentlich Weftwig) waren meiftens 
Bäche oder Siepen. Bon Untrop ſchied ſich die Arnsberger Feldmart 
durch) die Gosbecke (Gießbach) und die Wiggenfcheid, eine Höhe, die 
wohl Wigbeldicheid d. i. Weichbildfcheide bedeutet. Von der Gemarkung 
Rumbeck trennte fie das Scede- d. i. Scheideficpen. Gegen Nieder: 
eimer bildete die Berbfe d. i. Berbede oder Bergbad die Grenze. 


Die Grenzen der Yeldmarf wurden durch Umzüge nicht weniger 
forgjam in der Erinnerung gehalten, wie die Schnaden der Waldmarf. 
Noch heute fieht man an den Feldrainen hie und da Heiligenhäuschen, 
Kreuze u. dgl. An diefen zogen in alter Zeit die Prozejfionen vorbei, 
welche die Grenze umgingen. Eine Prozeſſion ging um das „alte 
Feld", eine andere von der Scefferei am fog. Gericht her. Diefer 
Punkt Heißt auch „Salgenberg”, weil der Galgen für die Verbrecher 
dort einst geitanden hat, defjen übrigens in Urkunden nirgends Er- 
wähnung geſchieht. Der Ausdrud „Gericht“ kommt wohl daher, daf 
auf der Höhe das Pantaleonsgericht anhielt (j. w. u.). Die Grenze 
war oft mit Steinen und Pfählen bezeichnet, woher der Name Pfahl- 
bürger fommt. Mit diefem wurden folche bezeichnet, die zwar außer- 
halb der Stadt, aber innerhalb der Pfähle, der Bannmeile (Beifang, 
bivanc) der Stadt wohnten. 


Dermifchtes zur Kulturgeſchichte. 

Die Lebensweife der niedrigen Stände war in dieſer Zeit im 
ganzen recht ärmlich. Ihre Wohnungen entbehrten jeder Bequemlichkeit 
und Behaglichkeit. Schwälende Ollampen boten ein trübes Licht. Die 
Kleidung der gewöhnlichen Leute beſtand aus einem Hemde, einem Leib- 
rocke, der bis an die Knie reichte, und Hofen, d. h. zwei langen Strümpfen, 
die man über Bein und Schenkel zog. Die Freien trugen das alte 
ſächſiſche Meſſer (Sahs, davon Sachſe) in einer offen an der Hüfte 
hangenden Scheide. Hüte waren im allgemeinen nicht im Gebraud). 
Die weibliche Kleidung unterfchieb fich nur wenig von der männlichen. 
Die Vornehmen trugen bis an die Knöchel herabwallende Röcke. Seit 
den Kreuzzügen machte fi unter ihnen ein unfinniger Kleiderftaat breit. 


Lebensmweife. Weinbau. Mühlen. Obſtbau ufw. 89 


An Gelegenheit zu Gaftmählern und Trinfgelagen fehlte es ebenjo 
wenig wie heute. Wirtshäufer gab es allenthalben. In den be: 
deutenderen Städten lagerte der Wein im Ratskeller und wurde dort 
verzapft. So war es wenigjtens jpäter aud) in Arnsberg. Das Vor- 
fommen von Vinitores (Winzer) in Urkunden des 13. Jahrhunderts be- 
weiit, daß in Arnsberg Wein gebaut wurde. Der Binitor Konrad wird 
in den Urkunden von 1267 und 1279 als Arnsberger Bürger bezeichnet. 
Wie nad) Ausweis von Urkunden (1231 und 1369) bei den gräflichen 
Shlöffern zu Haden und Wildshaujen Weinberge (vinearii) waren, 
jo weift die noch heute übliche Bezeichnung „am Weinberge” darauf hin, 
daß vordem an dem fonnigen Weftabhange des Arnsberger Schloßberges 
Wein gezogen wurde. Daß der Wuchs fein bejonderer war, kann natür- 
(id nicht bezweifelt werden. Bei den Gelagen der Bornehmen wurden 
Rheinweine, fowie franzöfifche, fpanifche und andere Marken aufgetiſcht. 
Der Graf Gottfried IV wurde im Jahre 1340 Burgmann von Batten- 
burg und bezog als Entihädigung vier Fuder Lahnfteiner. Das be— 
nachbarte Stift Mefchede bezog feinen Weinbedarf von der Curtis Lim- 
purg, die ihm der Burggraf vom Drachenfels geſchenkt hatte. Es wird 
genau aufgezählt, wie viel die einzelnen Weinbauern zu Limburg, Vilich, 
Rheindorf, Metternicd und Kaffel an Ohmen, Certarien und Bierteln 
geben mußten. 

Das gewöhnliche geiftige Getränf war jedoch das Bier, welches 
anfangs auf jedem bedeutenderen Hofe gebraut und fpäter gewerbsmäßig 
bergeftellt und vertrieben wurde. Das Malz wurde hauptfähhlicd aus 
Gerfte bereitet. Man unterjchied Dünnbier, Lagerbier und Meth; 
legterer wurde durch einen Zuſatz von Honig bereitet. Man tranf aus 
Krügen, Seideln (lateinifd) situla) und Bechern. 


Die wichtigſten Speifen waren Fleifh und Brot. Die Mühlen, 
in denen man das Korn mahlte, wurden durch Wafferkraft getrieben. 
Man legte Schon früh, um ftärferes Gefälle zu gewinnen, Mühlengräben 
an. Ein Wehr hieß in Arnsberg ſchon im 13. Jahrhundert Schladht 
(sclacht). In der bezüglichen Urkunde vom 4. Yuli 1246 (Seiberk 
245) befennt Graf Gottfried III, daß er dem Kloſter Wedinghaufen 
die Mühle Kahlenberg nebft der Fiicherei vom Mühlenteich (mulendic) 
bis zur Schlacht verfauft Habe. Diefe Mühle mag bei der Schefferei 
gejtanden haben. Eine andere Mühle war im Befige der Familie von 
Holte. (S. 70.) 


Man buf Brote jeglicher Art und Größe, Grofchenbrote, Pfennig- 
brote, Brötchen, Grobbrote (Bumpernidel?), Weizenbrote, kölniſche Brote 


90 Arnsberg unter den Grafen. 


(Roggen und Weizen gemifcht) ufw. In den Städten wurde das 
Baden allgemein von gelernten Meiftern betrieben. 

Nebenbei baute man aud Gemüfe, wie Erbjen, Bohnen und 
mandherlei Gartengewächſe. Auch Obft wurde gezogen. In dem „Baum: 
garten" unterhalb des Schloſſes tagte das Trreigeriht. Arnold von 
Holte batierte feine Urkunde von 1261 in pomoerio nostro Arnes- 
berg (Obftgarten). Feinere Obftforten wurden vom heine bezogen, 
jo Pfirfihe (peyrseke) und Trauben. 

Pferde waren rar und fehr teuer. Die Rindviehzucht war nicht 
unbedeutend. Die Butter hieß bis zum 14. Jahrhundert Smeer, dann 
begann „Butter" (vom lateinischen butyrum) durdzudringen. Käſe 
war ein wichtige8 Nahrungsmittel. Oben wurde erwähnt, daß der 
Graf von Arnsberg jährlih 80 fog. Herrenfühe für den Bedarf feines 
Hofes aus der Grafichaft bezog. Am wichtigsten war natürlicy bie 
Schweinezudt (vgl. ©. 67). 

Die Gefundheitspflege lag fehr im Argen. „Zu anderen Miß— 
ftänden famen ſchmutzige, ungepflafterte, oft jehr enge Gaffen, unbequeme 
Wohnungen in hölzernen Häufern, auf deren folide Einrichtung wenig 
verwendet wurde, weil fie mit Stroh oder Schindeln gededt einer be— 
ftändigen Feuersgefahr ausgeſetzt waren, die weder durch zweckmäßige 
Löſchanſtalten noch irgend eine Art von Verficherung gemildert wurde. 
Ferner der Umftand, daß wegen Unvollkommenheit des Aderbaues und 
wegen der Unficherheit de8 Verkehrs zwijchen den einzelnen Ländern 
bei jeder etwas anhaltend ungünftigen Witterung eine Hungersnot ent- 
ftand, an deren Milderung durch wechjelfeitige Aushülfe nicht gedacht 
werden fonnte und die dann anſteckende Krankheiten und Seuchen, welche 
die Gejchichtsichreiber des Mittelalters mit dem allgemeinen Namen 
Pet bezeichnen, jo häufig zur Folge hatten. Außer diefen einheimifchen, 
durh Mangel und Schmug erzeugten Krankheiten, fehlte es auch nicht 
an anderen, welche durch die Kreuzfahrer bei ung eingefchleppt wurden. 
Die widerwärtigfte darunter war der Ausſatz, deſſen Unheilbarfeit auf 
der einen und Anftedungsfähigfeit auf der anderen Seite die davon 
Befallenen gleihfam zu Auswürfen der menſchlichen Geſellſchaft ftempelte, 
jedoch zugleich auch hriftliche Liebe und Barmherzigkeit zu Stiftungen 
für die Linderung folder Not veranlaßte, die alle Stürme der Zeit 
überdauernd, teilweife noch jett ihre frommen Zwecke erfüllen. Es 
find die namentlich die Leprofen- oder Siehenhäufer für unheilbare 
und die Spitäler für heilbare Kranfe. Die erfteren waren immer 
außerhalb der Stadtmauern angelegt, um durch ſolche Abfonderung die 
Anftekung zu verhüten, und faft alle Städte von irgend einiger Ber 


Gejundheitspflege ufw. Die Edlen von Rüdenberg. 91 


deutung waren damit verjehen."!) Das Arnsberger Leproſenhaus lag 
an der Walpke (Waldbede, Seib.) im jpäteren Tiergarten und hatte 
einen Hofraum, einen Garten und zwei Teiche. Bei der Anlage des 
Ziergartend 1652 (j. w. u.) wurde das abgebrochene Siechenhaus mit 
Hof ufw. an den Kurfürften abgetreten. Auch ein altes Hofpital be 
ftand in Arnsberg und zwar an der Weſtſeite der Wedinghaufer Kirche 
(Seib.), welches in einer Urkunde von 1311 erwähnt wird (f. w. u). 


Über Peſt, Hungersnot und anderes Ungemach liegen aus ber 
Örafenzeit nur wenige direkte Nachrichten vor. „1202 hat die Peſt 
gräßlich bei uns gewütet."?) Am furdtbarften wütete der „schwarze 
Tod" in ganz Europa 1349. Nach Soeft ſoll er durch vier Kaufleute 
gebracht worden fein und dann in Weftfalen grauenhaft gehauft haben. 
In Soeft, heißt es, ftarben 10 000 Menſchen. Scharen von „Geißlern“ 
durchzogen das ganze Land, vom Himmel Erbarmen erflehend. 


Zur Linderung der Not der armen Eingefeffenen im alten 
Arnsberg Hat einer der Grafen zwölf Präbenden geftiftet. Drei der- 
jelben, die im Jahre 1648 frei waren, beliefen fi zufammen „ad 
fünfzehn Moller Korns"; ohne Frage eine reihe Stiftung. °) 

Ärzte und Apotheker laffen fi) aus den Urkunden für Arnsberg 
nicht nachweifen; in Brilon wird unter dem Jahre 1297 ein jüdijcher 
Arzt erwähnt. 

Über Schule und Kirche wird der Abfchnitt „Wedinghaufen“ handeln. 


Die Edelherren von Rüdenberg.*) 


Dem Schloffe der Grafen von Arnsberg gegenüber auf der 
andern Seite der Ruhr erhob fi) auf kühn anfteigendem Bergkegel ein 
zweites Schloß, welches von den Edelherren von Nübdenberg bewohnt 
war. Wenngleih die Gefchichte diefer Edlen nicht in ummittel- 
barer Beziehung zur Geſchichte Arnsbergs fteht, fo find wir doch dieſem 
nahbarlihen Wittergefchlechte eine kurze Betrachtung ſchuldig. Die 


1) Seibertz Landesgeſch. II ©. 748 f. 

2) Hüfer, Chronik ©. 49. Woher H. dieſe und andere Notizen aus 
* älteren Geſchichte genommen hat, giebt er nicht an und läßt ſich nicht 
eſtſtellen. 

) S. meinen Aufſatz: „Die Gründung des Arnsberger Gymnaſiums“ 
in der Feſtſchrift z. Gymn.-Jubil. 1893, ©. 36. Ferner unten z. J. 1604. 


) Seiberg Landesgefch. I (Diplomatifche Kamiliengefchichte der Dynaſten 
und Herren im Herzogtum Weftfalen) ©. 192—291. 


99 Arnsberg unter den Grafen. 


Nüdenberger haben mehrere Jahrhunderte hindurch gleichzeitig mit den 
Grafen von Arnsberg als mächtige Ritter in unſerer Gegend gehauft 
und ohne Zweifel einen größeren Einfluß auf die Schidjale ihrer Um— 
gebung ausgeübt, als wir e3 auf Grund einer lüdenhaften Überlieferung 
nachweijen können. 


Die Edelherren von Rüdenberg gehörten zu den „vornehmften 
und reichjten Dynaftengefchlehtern Weſtfalens“. Der Stammfit der 
Familie ſcheint das Dorf Mark bei Hamm geweſen zu fein. Sie be: 
famen von den kölniſchen Erzbifchöfen bedeutende Güter zu Lehen, 
welche den Erzbijhöfen von Werler Grafen gefchenft waren. Unter 
diefen Gütern war der Haupthof Rüden. Hier bauten unfere Ebel: 
herren auf einer ins Möhnethal vorfpringenden Bergzunge ihr erftes 
Schloß, nad) welchem fie die Herren vom Nüdenberge hießen. Ein 
weites wichtiges Lehen, welches die Edelherren empfingen, war ein 
Teil des alten Lürwaldes in der Nähe von Arnsberg mit dem Haupt: 
hofe Wiheln, den die Witwe des Grafen Heinrich de8 Diden von 
Nordheim gegen Walfenried (am Harze) an Köln vertaufcht Hatte. 
Diefes Beſitztum umfaßte die Gegend von Arnsberg und die Freigraf- 
ſchaften Stodum an der Röhr und die Freigrafihaft an der Valme 
(Velmede). Die Lage an der quer durch das Gebirge zum Rheine hin- 
ziehenden uralten Ruhrftraße machte nit nur den Beſitz wichtig, 
jondern fie war auch durch ihre Ortlichkeit reizend. So erbauten die 
vom Rüdenberge hier eine zweite Burg und übertrugen ihren Namen 
auch auf den neuen Sitz und den Berg (Rümberg — Rüdenberg). 
Auf den Namen weiſt auch ihr Wappen hin, welches einen zum Streite 
aufgerichteten Hund (Rüden) mit geſtutzten Ohren und aufrecht ſtehender 
Rute darſtellt. „Wie das erſte Rüden (durch das erzbiſchöfliche Schloß 
und die neue Stadt) zu Altenrüden wurde, ſo wurde die erſte Burg 
bei Arnsberg nach Erbauung des gräflichen Schloſſes zur alten Burg.“ 
Unter dieſem Namen waren die Ruinen bereits im 17. Jahrhunderte 
bekannt, wie aus einer Notiz des Kloſterchroniſten von Wedinghauſen 
hervorgeht (ſ. u.). Ein drittes Hauptlehen der Rüdenberger war die 
große Freigraffchaft zwifchen Soeft und Werl, nad) ihnen „Rüdenberger 
Freigrafihaft” genannt. 


Die Rüdenberger erſcheinen auch al8 Herren von Wicheln, von 
Marf x. Die Edlen von Ardey find nad einer jcharfjinnigen 
Unterfuhung von Seiberg ihren Stammes. In fpäterer Zeit erwarben 
fie die Burggrafihaft Stromberg. Demnächſt entftanden durd Teilung 
drei Linien; die alte Rüdener, die 1508 erloſch, die (berüchtigte) Strom- 


Die Nüdenberger. 93 


berger und die Nübdenberger bei Arnsberg. Diefe letztere begann feit 
dem Ende des 13. Jahrhunderts fehr zu finken. Infolge einer „exem- 
plariſch üblen Verwaltung” ſanken unſere Burgherren mehr und mehr 
in die Reihen des niederen Adels herab. Ein Gut nad) dem anderen 
wurde veräußert, und ſchon feit 1325 gaben fie den Titel „Nobilis“ 
auf und nannten fi) nur mehr Kappen. Zuletzt verkauften fie aud) 
ihre Güter in der Walpe und in Ober- und Niedereimer an das 
Kofter Wedinghaufen. Schon damals (1359) beftand die Burg viel- 
metrijcher Teicht nicht mehr. 

Wie viele Urkunden aud den Namen eines Rüdenbergers ent- 
halten, fo wenig ift doch von Thaten derjelben befannt. Mit den 
Örafen von Arnsberg ſcheinen fie im ganzen gute Nachbarſchaft ge- 
halten zu haben. Was aus ihrem Leben und Wirken wiffenswert ift, 
haben wir meift ſchon in der Grafengejchichte geftreift. (S. 30, 32, 45 f.) 
Hier ſei noch die Grabjchrift des Niüdenbergers, Gottfried I, erwähnt, 
ber um 1330 ftarb und in Wedinghaufen begraben wurde. Diejelbe 
nimmt auf die romantische Lage der Burg felbjt Bezug und beweift, 
daß Gottfried auf ihr refidiert hat. Der im zweiten Diftihon erwähnte 
Balken mit den drei Vögeln gehört dem Stromberger Wappen an. 

Die in Hüfers Chronik erhaltene Grabſchrift lautet im hexa- 
metriicher Überfegung: 

Gottfried, der Herr in der Walpe, den Rüdenbergern entftammet, 
Seht, jett liegt er dahier im kühlen Grabe begraben (tumulo tumulatus). 
Wachſamkeit findet der Hund und mutvolle Stärke der Balken, 

Und die drei Vögel bedeuten, daß Lob deinem Herrn du gefungen. 
Gottfried! dur liebteft e8 ftetS auf hohen Bergen zu wohnen; 

Aber den Chriftusberg zu erflimmen, wareft gewillt du. 

Du mit deinen Verwandten gabft fromme Geſchenke der Kirche, 
Dankbar zahlen wir diefe zum Heile jet aljo zurüd dir. 

Jahrhunderte find über dem verfallenen Schloffe dahingegangen. 
Wo einft feine Mauern und Türme fi erhoben, ragen Heute hoch— 
ftrebende Fichten in die Lüfte. Auf dem Boden laſſen bemoofte epheu- 
umkränzte Trümmer die Umriffe der alten Bauten mit einiger Sicher— 
heit erfennen. Auf der alten hiftorifchen Stätte liegt ein geheimnisvoller 
Bauber, der den Beſucher in Nachſinnen über die Vergänglichkeit irdiſcher 
Pracht bannt. 


Dritter Abfehnitt. 


Geſchichte des Kloſters Wedinghanfen unter den Grafen. 


Quellen: Die zum 1. Abjchnitt erwähnten Urkundenbücder und Schriften. 
Ferner: Dr. 8. Tüding: Das Stlofter Wedinghaufen umd das 
Gymnaſium zu Arnsberg (Blätter 3.n.8.%W. 1873, ©. 36 ff.) — 
Die Klofterhronif bon einem unbekannten Mönche, der um 1700 
ſchrieb, in Hollenhorſt's Papieren. 


Die Stiftung des Kloſters. 

Welcher traurigen Veranlaffung das Klofter jeine Gründung ver- 
dankt, ift in der Gejchichte des Grafen Heinrich erzählt worden (S. 24.)- 
Die ältefte Urkunde, die auf das Klofter Bezug nimmt, ift die Be— 
ftätigung feiner Stiftung durch den Erzbiſchof Philipp I von Köln vom 
27. Februar 1173. Diejelbe lautet in deutjcher Überſetzung etwa fo: 


Im Namen der heil. Dreieinigfeit. Ich, Philipp, von Gottes Gnaden 
Erzbiſchof der HL. kölniſchen Kirche will, daß allen Menjchen der Gegenwart 
wie der Zukunft in Ewigkeit befannt fei, daß Heinrich, Graf von Arn$- 
berg, auf Eingebung Gottes die Kirche Wedinghaufen mit allen ihren Zus 
behörungen zum Seile feiner Seele und für die Seelen feiner Eltern in 
unfere Hände übergeben Hat zur Förderung des Gottesdienjtes an einer 
durch die Gebeine feiner Eltern geehrten Stätte Wir aber, den 
Fußftapfen umferer gottesfürchtigen Vorgänger wenn nicht in der Vollkommen— 
heit der Heiligkeit, jo dod) im Eifer frommer Nahahmung folgend, haben 
nicht nur feine frommen Wünfche erfüllt, fondern aud), da e8 uns angeht, 
daß in unferen Tagen Gottes Berehrer ſowohl an Berdienft wie an Zahl 
wachen, den Entſchluß gefaßt, alle Sorge auf das Werk zu beriwenden. 
Deswegen haben wir bejtimmt, daß die vorgenannte Kirche, auf daß in der— 
felben die Diener Gottes dem Herren frei und Fanonijch') dienen fünnen, 


1) D. h. dem Kanon, der Regel ihres Ordens gemäß. Der Ausdrud 
fommt daher, weil das Borbild des Fanonifchen Lebens (Einheit der Ge— 
finnung, Gemeinſamkeit des Befiges) in der Apojtelgefhichte (IV, 32), einer 
fanonifchen Schrift (Gegenfaß: apokryph) gefunden wurde. Canoniei heißen 
die nad) dem Kanon lebenden Kleriker. Chrodegang d. Hl., 742 Biſchof don 
Meß hatte ein klöſterliches Zuſammenleben auch auf Kirchen ausgedehnt, wo 
ſich mehrere Geijtliche befanden. Schon im 10. Jahrhunderte begannen fich 
diefe Berbände zu lodern und die Canoniei regulares verharrten allein bei 
der Regel. 


Die Stiftung von Wedinghaufen. 95 


von allem Rechte und jeder Forderung der Biſchöfe, Pröpite und 
Dekane frei fei, jedoch fo, daß unfere Fanonifche Gerichtsbarkeit erhalten 
bleibt. Die Brüder ſelbſt jedoch, die diefen Ort bewohnen, follen in allem 
die Seelforge ausüben, ſowohl im Taufen der Heiden mie in 
der Olung der Kranken, in der Abnahme der Beihte und in der 
Synodalgerihtsbarkeit in ihrer Pfarre. Das Chrisma und das 
ÖL follen fie wie eine Mutterlirche für ſich Haben und es von der Kirche des 
dl. Apojtels Petrus, der ihr Gehorfam gebührt, holen.) Wenn aber etwas 
bei der Befferung von Unfolgfamen das Maß oder die Kräfte des Prälaten 
der Kirche ſelbſt überfteigt, fo möge er e8 an uns oder unfere Nachfolger 
bringen. Die Befigungen, die wir ihnen beftätigen, die Mitgift der Kirche, 
ind, je 1 Hof Wetter, Lenole, Buren, Hachnen, Holthufen, Ekkinkhuſen und 
der Kahle Berg, der fich erjtredt von dem Orte, der Thüringeswinkel heißt 
zwiſchen dem Ruhrfluſſe und dem Bache, der Berbefe heißt, mit allen 
Behnten don den Ländern, die fie felbft urbar machen. Was immer fie durch 
die Freigebigfeit des Grafen in Wäldern, Viehweiden, in der Fifcherei in 
ihrem ganzen Bereiche, worin er ihnen volle rechtliche Freiheit eingeräumt, be— 
fommen haben oder mas fie durch die Freigebigkeit von Gläubigen oder durch 
ihr eigenes Bemühen noch bekommen merden, das follen fie frei und fonder 
Störung befigen. Damit diefer unfer Befhluß für alle Zeit unzerftörbar fei, 
haben wir ihn mit dem Anfehen unferes Siegel$ bejtätigt und durch unfern 
Bann bekräftigt. Wer immer durch frevleriſches Wagnis fi) erfühnt, die 
Brüder in dem, was ir ihnen betätigt haben, zu ftören und unferen Be- 
ihluß anzutaften, den möge der Zorn Gottes und des h. Petrus, des Apojtel- 
fürjten, und aller Heiligen treffen, und er möge wiſſen, daß er durch das 
Band der Ausjtogung aus der Kirche gefeflelt ift, bis er durch eine ent- 
Iprehende Genugthuung feine Ausjchreitungen gefühnt hat. Wer fie (die 
Brüder) aber durch Rat oder That unterftügt, der möge Gottes Segen als 
Erbe befiten. 


Geſchehen im Jahre der Fleifchwerdung 1173 Indiet. VI. unter der 
Regierung des erhabenen Kaijers Friedrich und behändigt dem von uns dazu 
erwählten Bruder Reiner, in Gegenwart folgender Zeugen: Bruno, Propſt 
der großen Kirche; Sifrid, Propft in Kanten; Johannes, Propſt von Seleuce, 
Ufo, Abt von Graffchaft; Albert, Dekan der Kirche zu Soeſt; Konrad, Küftos; 
Gerhard, Priefter von der Inſel des h. Suitbert. Freie und Adlige: Graf 
Arnold; Friedrich von Altena, fein Bruder; Heinrich) von Bore; Konrad von 
Rüdenberg; Engelbert Munzum; Helyas, fein Bruder; Heinrich von Herrife;; 
Bernhard van ther Lippe. Minifteriale: Gerard, kölnifcher Vogt: Hermann, 
fein Bruder; Thiemo von Soeft; Leonius von Hulfe; Zohann, fein Sohn; 
Hildiger; Brunften und viele andere. Gegeben zu Soejt am 3. März. 


Indem der Erzbiſchof mit diefer Urkunde die Stiftung des Klofters 
beftätigte, hob er es zugleich aus dem Defanatsverbande und vereinigte 


ı) Diefe Beitimmung wurde etwa 50 Jahre jpäter mit Rüdficht auf 
die lange und Loftjpielige Reife aufgehoben. Bon da an durften diefe heiligen 
Gegenjtände aus jeder beliebigen Kicche in der Nähe bezogen werden. 


96 Wedinghaufen unter den Grafeit. 


mit ihm die Pfarre zu Arnsberg!) Dies gefchah, wie bemerft, 
im Anfange des Jahres 1173. Daß die Stiftung felbft erheblich 
früher vollzogen, Tann nicht angenommen werben, da der Bau des 
Klofters längere Zeit in Anfprud nahm, und der Brudermord in das 
Jahr 1165 fällt. Kleinforgen ftellt in feiner „Kirchengeſchichte von 
Weftfalen"?) die Stiftung ungefähr gleichzeitig mit der des Kloſters 
Dredelar (1170). Der Klofterhronift von Wedinghaufen, den wir jeßt 
über Zeit und Ort derjelben ſprechen laſſen, jagt: „Diejes Fahr (1170) 
drückt aud folgender Vers aus: 

SanCtUs NorbertUs praesUL MagnUs 

(Sanft Norbert, ein großer Schirmherr.) 
und ein anderer: 

SUper eXCeLsa statUens Me 
(Auf hohem — Feljen — mid) erbauend) 
SCapULlIs sUls obUMbrabJt tIbI 
(wird er mit feinen Schultern dich beſchatten.) 

Wenn angenommen wird, man habe im folgenden Jahre den 
Bau weiter fortgefegt, welder Meinung auch Kleinſorgen ift, dann 
drückt folgender Vers das Jahr des vollendeten Baues aus: 

T U sdngULarJter Jn spe ConstJtUJsti Me." 
(Du Haft befonders auf die Hoffnung mich gegründet.) 

„Es ift eine alte Sage, fährt der Chronift fort, daß Heinrich für 
das Klofter anfangs einen andern Ort, nicht weit Sundern, auserjehen 
habe, der davon big jett no den Namen Müneke (Mönche) Hag oder 
Heide behalten haben joll. Aber die dort zum Bau des Hanjes zu— 
jammengetragenen Hölzer follen wunderbarerweije in Wedinghaujen ge— 
funden worden fein. Mag es fih nun mit diefer Erzählung verhalten, 
wie immer e8 wolle, jo ift doc) gewiß, daß der Graf feine Gefinnung 
änderte und biefen Ort wählte, der durd die Gebeine feiner Eltern 
geheiligt war. Wie wäre num diefer Ausdrud zu erklären, wenn nicht 
ſchon längft eine Kapelle dafelbft gewejen wäre, wo die Leichname 
der Grafen beigejest zu werden pflegen? Da die Leichname der 
Ehriften immer nur an geheiligter Stätte beerdigt wurden, jo er— 
heit, daß der Drt ſchon vor der Gründung des Klofters wegen des 


1) Arnsberg gehörte bis dahin zum Dekanate Meſchede (fpäter nemig ell 
zu Attendorn), dieſes zum Archidiakonate des Kölner Dompropſtes. Die Äbte 
von Wedinghauſen nannten ſich auch Archidiakone von W., ſpäter, nad Er- 
werbung der Pfarrei Werl, jogar auch Archidiakone bon Werl. 

2) Münfter 1780 II ©. 66 


Zeit und Ort der Stiftung. Gebäude. 97 


Grafenbegräbniffes zum Gottesdienfte geheiligt und beftimmt war. Des- 
halb jagt vielleicht Stangenfol, der Graf habe die Kirche in Weding- 
haufen in ein Klofter verwandelt. Ich glaube, daß da, wo jekt das 
Sanctuarium ift, fic) jene Kapelle befunden hat; denn als im Jahre 
1685 das Landsbergiſche Begräbnis bereitet wurde, fand man unter 
der Erde einige Überbleibſel eines gemauerten Fundamentes. Der 
Graf wollte jedoch den alten Namen dieſes Ortes beibehalten, Weding- 
haufen d. 5. Haus des Wedekind, oder Wittelind. Man findet 
darüber folgendes: „Arnfberg an der Nuhr gelegen hat zugleid ein 
Bergſchloß und ift der Erzbiichöfe zu Cölln Luſthauß. Es finden ſich 
etliche vornehme Ortchen, unter andern Wedinghauſen, welches alte 
Gebäude, Wedekinds Schlößer und Wohnungen geweßen.“ 


Die Kloſtergebüude. 


Der gewöhnlichen Bauart der Klöſter entſprechend bildeten die 
Gebäude Wedinghauſens ein längliches Viereck und umſchloſſen einen 
Hof, um den ein offener Bogengang mit Kreuzgewölben, Umgang 
oder Kreuzgang genannt, lief. Die Nordſeite wurde durch die 
Kirche ausgefüllt. Auf der Oſtſeite lag das Kapitelhaus, das 
unmittelbar an die Kirche anſtieß. Dieſes Gebäude hatte feinen Namen 
von dem Kapiteljaale, in welchem der Konvent, d. h. die vereinigten 
Klofterbrübder, die wichtigften Klofterhandlungen, namentlich die Abtwahl, 
vornahmen. Der Name rührt daher, daß den Mönchen in diefem Saale 
urjprünglic täglich ein Kapitel ihrer Regel vorgelefen wurde. An der 
äußeren Mauer des Kapitelhaufes befand fid ein Kleiner fapellenähn- 
licher Ausbau, die fogenannte Grafenkfapelle, über deren Stiftung 
und Benutzung weiter unten gejprochen werden jol. Sie fprang in 
das Fleine Kloftergärtchen vor, welches den ſchmalen zwijchen den Klofter- 
gebäuden und dem fteilen Abhange des Berges gelegenen Raum aus— 
füllt. In diefem Gärtchen zeigt man die „Weinede”, wo die Brüder 
an ſchönen Sommerabenden fih an einem „guten Tropfen“ erquickt 
haben follen. Wo die übrigen Räume des Klofters, wie das Refek— 
torium (gemeinfamer Speifefaal) und Dormitorium (gemeinjamer 
Schlafſaal) gelegen haben, ift nicht befannt. Die gemeinjhaftlichen 
Räume lagen in der Regel in den unteren Stodwerfen, die einfad 
ausgeftatteten Zellen der Mönche in den oberen. Erft in fpäterer Zeit 
wohnte der Abt von Wedinghaufen von den Mönden gejondert. Auf 
dem Klofterberge haben die Norbertiner, wie man annehmen darf, ſchon 
früh Anlagen gejhaffen und ein „Sommerhaus" mit Kegelbahn gebaut. 


Feaur, Geſchichte Arnsbergs. 7 


98 Wedinghaufen unter den Grafen. 


Durch das Eichholz führten zwar einzelne Wege, wie der „Eſelsweg“ 
zur Kloftermühle im Auhrthale; es war jedoch noch nicht wie heute 
ein Park, und die reiche Maft, welche feine zahlreichen Eichen darboten, 
war den Klofterfchweinen nicht weniger willfommen, wie den Wild: 
Ihweinen, deren noch im 17. Jahrhunderte ganze Rudel im Eichholze 
angetroffen wurden. 

Weſtlich von der Pfarrfirhe war das wahrjcheinlid vom Klofter 
bediente Hofpital (S. 91)'), nördlich von derjelden lag der Kirch 
hof. Zum Kloſterthore der Stadt führte der Kreuzweg. 

Daß das Klofter ſchon in früher Zeit befondere Ofonomiegebäude 
ufw. bejeffen Hat, ift zweifellos. Die heutige Propftei, die Aula und 
andere frühere Kloftergebäude find fpäteren Urfprunges. Bon den alten 
Kloftergebäuden ftehen noch die Kirche und das Kapitelhaus mit der 
Grafenkapelle. Uber dieje Bauten joll nunmehr gefprochen werden. 


Die Chor- und Pfarrkirche in MWedinghaufen. 


Während die Stadt Arnsberg häufig durch Fenersbrünfte bald 
gänzlich, bald teilweife zerftört ift, jo daß Feine jehr alten Bauten mehr 
darin gefunden werden, jcheint Wedinghaufen von größeren Bränden 
und anderer Zerftörung verjchont geblieben zu fein. ‘Daher liegt die 
Vermutung nahe, daß fi) von einem majfiven Baue wie die Kirche 
und das anftoßende Kapitelhaus find, nod) Zeile des ältejten Baues 
vorfinden. Hören wir zunächſt, wie der Kunfthiftorifer W. Lübke in 
einem feiner beften Bücher, betitelt: „Die mittelalterlihe Kunft in 
Weſtfalen“ (Leipzig 1853) auf S. 269 über das Alter der Kirche ur- 
teilt. Zuvor ſei noch kurz bemerft, daß die Kirche eine Hallen- 
firche ift, indem die Seitenſchiffe gleihe Höhe mit dem Mittelichiffe 
haben. Diefe Bauart war im alten Wejtfalen bejonders beliebt. 

„Die älteften Zeile des gegenwärtig vorhandenen Baues, jagt 
Lübke, jcheinen noch aus der früheften Gothif der legten Hälfte 


ı) Der Kloſterchroniſt äußert fich über die Lage des Hoſpitals fo: 
1438 verkaufte oh. Bonnemann dem Herm. Suren, Propft von Rumbed, 
einen Garten, der zwiichen der Stadt Arnsberg und dem Hofpitale bon 
Wedinghaufen bei der nächſten Gaſſe der Stadtpforte lag. Wenn man bom 
Kloſter zur Stadt geht, fo fieht man den „Küftersgraben” und in dem Garten 
einen Hügel, auf diefem foll ehemals ein Hofpital gejtanden Haben. Der 
benachbarte Graben hieß der Spitalsgraben. Ob das Hofpital deshalb 
Stlojterhofpital genannt wurde, weil es vom $llofter erbaut war oder weil es 
an der Kloſterſtraße Tag, oder weil das Kloſter dort die Armen unterhielt, ift 
unbefannt. Unter der nächften Straße ijt die Twiete zu verſtehen. 


Die Chor: und Pfarrkirche. 99 


des 13. Jahrhunderts zu ſtammen. Dahin gehört der dreifeitig ge— 
ihloffene Chor und der öftlihe Teil des Langhauſes. Im 
Chore find nämlid die fpigbogigen ſchmalen Fenfter nody von jener 
früheften Form, ohne alles Maßwerk. Im Schiffe finden fich je zwei 
jolder Fenfter famt einem darüber angebrachten Rundfenfterden in 
eine Mauerblende hineingeordnet. Außerdem ein großes Radfenfter 
von eigentümlicher Form, aus Numdftäben zuſammengeſetzt. Die 
Pfeiler, welde in diefem Zeile das Mittelſchiff von den beträchtlich 
ihmäleren Seitenjhiffen trennen, find adhjtedig; fie tragen die breiten 
Ipigbogigen Quergurte und die Gräten der Kreuzgewölbe, die hier 
feine Rippen haben. Die Erweiterung des Langhaufes fällt wahr- 
heinfih mit der Thatſache zufammen, daß die Kirche zugleich nod) 
Pfarrfirhe wurde. Wann diejes gejchehen, ift mir nicht befannt; indes 
jpriht der Stil der weftlihen Zeile für die zweite Hälfte des 14. 
Jahrhunderts. Hier nämlid treten an die Stelle der achtedigen Pfeiler 
kräftige Rundpfeiler; an Stelle der Fenftergruppen gothiſche Fenfter 
mit ausgebildetem Maßwerk. Zugleich ift der vieredige Weſtturm an- 
gejett worden, während der Fleine auf dem öftlichen Teile befindliche 
Dachreiter urſprünglich ohne Zweifel der einzige Turm war. Die 
Seitenanficht der Kirche zeigt zwei mit Schiefer befleidete Walmdächer.“ 

Unjer Klofter ift um das Jahr 1170 gegründet. Damals begann 
die Gothik in Franfreid) aufzublühen und aud in Deutſchland Beach— 
tung zu finden. Daher ift es nicht unmöglich, daß die Kirche bereits 
im gothifhen Stile aufgeführt wurde. Dies ift um fo eher glaublich, 
als die Arnsberger Grafen viele auswärtige Beziehungen hatten. Da 
nun ferner fein Grund zu der Annahme vorliegt, daß die von Heinrich 
gegründete Kirche ſchon nad) hundert Jahren zerftört und dann neugebaut 
jei, jo find wir geradezu gezwungen, für die Arnsberger Pfarrkirche 
ein noch höheres Alter zu behaupten, als Lübke ihr zujchreibt und fie 
al3 ein Erzeugnis der älteften deutjchen Gothif zu betrachten. 

Lübke bemerkt richtig, daß die Verfchiedenheit der Bauart, wie fie 
in der Kirche felbft hervortritt, auf die Erweiterung der urjprünglichen 
(Chor⸗) Kirche zur Pfarrkirche zurüdzuführen jei. In der That be- 
ftanden innerhalb der Geſamtkirche bis zur heffischen Zeit zwei gejonderte 
Kirhen. Ein eijernes Gitter zog ſich durch die Mitte. Die Pfarr- 
firde lag fieben Stufen tiefer al8 die Chorkirche. Jeder Teil hatte 
bejondere Altäre; die Chorkirche fünf, die Pfarrkirche drei. Daß bie 
Pfarrkirche ſchon zur Zeit der Grafen angebaut ift, lehrt nicht nur ihr 
Bauftil (vgl. Lübke), fondern wird auch vom Klofterchroniften behauptet, 
der bemerkt: Im Jahre 1342 war die Pfarrfirche ſchon mit dem Chore 

7* 


100 Wedinghaufen unter den Grafen. 


verbunden; denn in alten Schriften Tieft man, daß irgend eine Meſſe, 
die nad einer Fundation im Kapitelhaufe gelefen werden mußte, in 
den Faften im unferer Pfarrkirche gelefen werden könne. Die Kirchen 
haben jedoch diejelben Patrone, die hl. Yungfran und den unbefiegten 
Märtyrer Laurentius; daneben im Chor nod die Martyrerin Benedicta.“ 
(Über die Patrone j. Tücking a. a. DO. ©. 49.) 


Die Grafenkapelle und das Grafengrab. 


Über das Alter und den Stifter diefes Kapellchens, welches ſich 
der Aufmerkſamkeit der Archäologen erfreut, war man bisher im Un— 
Haren. Und doch ift die Stiftungsurfunde Tängft veröffentliht. In 
einer in der Zeitjchrift für vaterländiiche Geſchichte uſp. Band XV 
(S. 265) von Roſenkranz mitgeteilten Urkunde zur Geſchichte der Grafen 
von Nietberg befennt Konrad, „einft Graf in Rietberg!) jett 
aber demütiger Bruder des Deutjhen Ordens", daß er der 
Kirche im Arnsberg, weil „unfere Voreltern, erlaudte Herren 
und Grafen in Arnsberg”, fie gegründet umd ausgeftattet haben, 
aus natürlicher Sorge um das Seelenheil feiner verftorbenen Eltern, 
im Rapitelhaufe (capitulo) des Klofters Wedinghaufen eine kleine 
Kapelle (capellula) habe bauen lafjen zum Heile insbejondere der 
Seelen feines Vaters und feiner Mutter, weil ebendort ihre 
Leiber ruhten. Außerdem madte der Graf noch Memorien- 
ftiftungen zu ihrem Angedenfen. 

Der Stifter der Grafenfapelle ift und aus der Geſchichte der 
Grafen befannt; er ift der Enkel Heinrichs I, der Sohn Heinrichs II, 
der Vetter Gottfried8 III, der ihm bei Antritt der Regierung die 
Grafſchaft Rietberg abtrat (S. 34). Konrad ließ fi im Jahre 1264 
auf der Burg zu Rietberg in der Umgebung feiner Familie als Deutjcher 
Ordensritter einfleiden und trat in das Ordenshaus des Hl. Georg zu 
Münfter, wo er in Einjamfeit nad) 1275 fein Leben beſchloß (Klein- 
forgen, Kirchengefh. II, 147; Roſenkranz, Zeitſchr. f. vat. Geſch. und 
Alt. XIV, ©. 32). 

Der Stifter des Kapellchens bemerkt ausdrüdlic, daß die Gebeine 
feines Vaters und feiner Mutter im Kapitelhauje ruhten. Es find dies 
der Graf Heinridy II und die Gräfin Ermengarde. Heinrich hatte fid) 
im Jahre 1203 dies Begräbnis ausbedungen. In der bez. Urkunde 
(Seiberg 119) nennt er fi „Stifter und Sohn des Stifter8 (vom 
Wedinghaufen)“. Der Sarfophag wurde in einer Kapelle aufgeftellt. 


1) Vorher Rietbed genannt. 


Grafenfapelle und Grafengrab. 101 


An diefe Kapelle wurde die Kleine Kapelle angebaut. In diefer wurden 
fpäter die Grafenmeffen gelejen (j. das folgende Kapitel. In der 
heffiishen Zeit wurde der Sarkophag aus dem Kapitelhaufe in die 
Propfteifirhe verbracht, wo er noch heute zu jehen if. Das Denkmal 
wird von Seibertz fo befchrieben. 


„Auf der maffiven Dede des Sarkophages find bie Figuren des Grafen 
und der Gräfin in Lebensgröße ausgehauen. Heinrich in ritterlicher Rüftung 
zur Rechten, Ermengarde im reihen Gewande zur Linken; beide mit gefalteten 
Händen. Zu den Füßen des Grafen ruht ein Löwe, zu denen der Gräfin 
ein Hund, als Sinnbilder der Stärke und der Treue. Die Figuren find in 
jo funftvoller Bollendung ausgehauen, daß man fie wohl nicht als Portraits 
betrachten kann, aber die Kleidung, mit der fie angethan find, Bleibt doch 
nicht ohne Intereſſe für die Betradhtung. Der Graf trägt langes Haar, aber 
einen gefhhorenen Bart. An dem Ringfinger jeder Hand hat er einen Ring. 
Er iſt befleidet mit einem Schuppenpanzer, der oben mit Halöberge, unten 
mit Sporen verfehen ijt. Darüber hängt ein bis an die Kniee reichender 
Waffenrod, oben auf jeder Seite der Bruft mit einer Rofe geziert; über dem- 
jelben ift der Graf mit dem Schwert gegürtet, an welchem ein Herzfchild mit 
dem Arnsberger Adler hängt, der auch zu beiden Seiten des Kopfkifiens auf 
Heineren Schilden angebracht ift. Über die Schultern ift ein weiter Grafen- 
mantel geiworfen, der auf der Bruft mit einer Spange zufammengehalten 
wird und bis unten auf die Füße reicht. 

Die Gräfin trägt eine runde, aus Spiken und Tüchern zufammen- 
geſtochene Haube und innerhalb derfelben zufammengefräufeltes Haar um den 
Kopf. Um den Körper hängt ein langes faltiges8 Gewand, welches am Halfe 
mit einem einfachen Perlenſchmucke geziert ift. Ihre Hände tragen ebenfalls 
jede am Ringfinger einen Ring, die Armel find enge, dicht zugeknöpft und 
reichen durch mweitgefchligte Öffnungen des langen Mantels Herbor, der um 
die Schultern der Gräfin hängt und bis auf die in Schuhe gehüllten Füße 
reiht. Ein Wappenſchild der Gräfin, aus deflen Figuren etwa auf ihre 
Familie zu ſchließen wäre, ift weder am Kopfkiſſen derjelben, noch fonjimo 
angebradht. Der Sarkophag hat etwa 2,7 m Länge, 1,3 m Breite und 1 m 
Höhe.” Der zu dem Monumente gehörige Grabjtein trägt folgende Inſchrift: 

„Hinricus Comes et Ermengardis Comitissa, 
Quorum sunt ossa monumenti condita fossa. 
Hos Deus in regno faciat gaudere superno, 
Namque fuere loci constantes semper amici.“ 


(Graf Heinrih und Gräfin Ermengarde, deren Gebeine in diefem Denkmale 
geborgen find, fie möge Gott im Himmelreiche der Freude teilhaftig werden 
laffen; denn fie waren diefer Stätte ſtets treue Freunde.) 

„Nachdem der Sarlophag 600 Jahre lang, merkt Seiberg an, in dem 
Kapitelhaufe des Kloſters gejtanden und letteres durch das Heſſiſche Gouver— 
nement aufgehoben worden mar, wollte man ihm den alten Pla nicht länger 
gönnen. Man räumte ihn weg (1804) und warf die Gebeine heraus. Dieſem 
fluchwürdigen Vandalismus wurde aber noch am nämlichen Tage ein Biel 
gejegt. Die Gebeine wurden in einer blechernen Sapfel wieder gejanmelt 


102 Wedinghaufen unter den Grafen. 


und demnächſt in dem Sarkophage, welcher auf der Linken Seite des Chors 
in der Slirche eine neue zwedmäßige Stelle erhielt, in Gegenwart der an— 
wejenden landjtändifchen Deputirten, des Magiſtrats und vieler Einwohner 
der Stadt feierlich beigejegt. Ein Verwandter des Verfaſſers (Seiberk), Zeuge 
jener Impietät, nahm zwei aus den Schädeln gefallene Zähne zu ſich, bon 
denen der Berfaffer den einen als ehrivürdige Neliquie verwahrt. Er ijt 
ganz gefund und ftark.” 


Das Grafenbegängnis in der Grafenkapelle. 


Der letzte Graf von Arnsberg, Gottfried IV, ſchenkte im Jahre 
1364 der Stadt Arnsberg eine Fruchtrente, unter der Bedingung, daf 
die Stadt zweimal jährlich ihm und feiner Gemahlin eine „Begängnis“ 
abbalte. Die Urkunde, durch welche die Stadt fi) Hierzu verpflichtet, ift 
bei Seiberg (Nr. 778) abgedrudt. Sie hat folgenden Wortlaut: 


Wy burghermefter. rat vnde gante meynheit der jlat to. Arnsberg 
but Fund allen Iuden. dat vns eyn edele man Greue. Godefred to Arns— 
berg vnſe gnedige here beuet ghegyuen — V malder Eorns. II malder 
roggens. II malder gheriten vnde eyn malder haueren — darumme heue wy 
gHelouet — dat wy en. Annen fyn elife wyf — alfolange alze Arnsberg 
dey tat ftet. my vnde onfe nakomelinge fuln und welt dey beghenenuffe doyn. 
als hirna ghefcreuen fteit. to dem eirjten. fo fulle wy des neften funnendages 
na funte Mychaels daghe des auendes mit den Hoden to Wedindufen to 
Iudene. vnde myt bigilien to fingene des mandages mit feilemiffen mit comen- 
datien vnd maninge. bey mwefen fal van eynen veirdel wyns, twelf 
pennint wart brodes vnde eyne ſyden vlefches vnde mit gheluchte 
— vnde wann men diffe beghanenuffe doit. — dar fulle wy ghemeynlife eder 
vnſe Husprowen by fun. Ok fo folle my to der feluen tyt ghiuen eyme 
jumwelifen prejtere — to Wedinghufen — eynen pennint. dat hey eyne feilen- 
miſſe lefe. In differ felnen mwYyfe fule my doin des funnendages wam men 
finget Reminifcere — Datum Arnsberg. — Me. CCC®. LXIII®. in die Mareci 
evang. 

(Wir Bürgermeifter, Rat und ganze Gemeinheit der Stadt zu Arnsberg 
thun allen Leuten fund, dab uns ein edeler Mann Graf Gottfried zu Arns— 
berg unfer gnädiger Herr gegeben hat fünf Malter Korns, zwei Malter Roggens, 
zwei Malter Gerfte und einen Malter Hafer. Darum haben wir gelobet, daß 
wir ihn und Anna, fein eheliches Weib, jo lange als Arnsberg die Stadt 
jteht, wir alfo, und unfere Nachkömmlinge follen und wollen die Begängnifie 
thun, als hiernach gefchrieben fteht. Zu dem erften, fo follen wir des nächſten 
Sonnentages nad Sankt Michaelstag des Abends mit den Gloden zu Weding- 
haufen läuten, und mit Bigilien fingen, des Montags mit Seelenmeflen mit 
Sommendacien (Fürbitten) und Maninge (Meinungen?). Dafür follen wir 
geben ein Biertel Weins, zwölf Pfennig weißes Brot und eine Seite See 
und Licht, und wenn man dtefe Begängnifie thut, da follen wir gemeinigli 
und unfere Hausfrauen dabei fein. Auch follen wir zu derfelben Zeit geben 
einem jeweiligen Priejter zu Wedinghaufen einen Pfennig, daß er die Seelen 


Grafenbegängnis. 103 


mefje lefe. In diefer ſelben Weife follen wir thun des Sonnentages wann 
man fingt Reminifcere. Gegeben Arnsberg 1364 am Tage des Evangelijten 
Markus.) 

Jahrhunderte lang hat die Stadt das gegebene Verſprechen ge- 
halten. In den Statuten der Stadt Arnsberg vom Jahre 1618, in 
welchen die durch den großen Brand von 1600 zerftörten Sakungen 
der Stadt erneut werden (bei Seiberz Nr. 1039), wird sub 2 die Ber- 
pflihtung der Stadtväter zur Teilnahme am Grafenbegängniffe aus— 
drüdlich wiederholt. Die Grafenmefjen werden nod) heute gelejen; im 
ſtädtiſchen Etat wird für diejelben ein ftiftungsmäßiger Betrag von 
Mk. 4,80 von Jahr zu Jahr weiter geführt. Die Beteiligung der ftädti- 
hen Behörden ift (jeit der heſſiſchen Zeit) allmählich in Wegfall ge- 
fommen. Archivar Hiüfer in feiner 1820 gejchriebenen Chronif ber 
Stadt Arnsberg klagt (S. 38): „— man fann fi) der Bemerkung nicht 
enthalten, daß nur jehr wenige Glieder de3 hiefigen MagiftratS dem» 
jelben beyzumwohnen ſich bemühen; überhaupt, daß das feierliche diejes 
Afts fast gänzlich bei Seite gejet fei." Im Stadtardive ift eine aus 
dem Ende des vorigen Jahrhunderts ftammende, umſtändliche Be— 
Ihreibung ber alten Zeremonie erhalten, wahrſcheinlich eine Aufzeihnung 
des Bürgermeifter8 Hüſer. Diejelbe beginnt mit einer anſchaulichen 
Beichreibung der Ortlichkeit. 


Der Begräbnisplag der Grafen, heißt es, liegt im öftlichen Teile 
des Klofterfreuzganges!) in der Mitte des Flügels links, wenn man 
von ber Kirche her eintritt, mit einer großen Bogen-Flügelgitterthür. 
Die Kapelle befteht aus einem länglichen Viereck (30° lang, 26 tief) 
und ift nicht hoch. Nach Dften, der Gitterthür gegenüber, fieht man in 
der Wand der Kapelle eine Heine Gitterthür von Holz, faft 5° breit, oben 
mit einem gegitterten Aundbogen, durch welchen man in ein jehr Feines 
Kapellchen fieht, ein Ausbau, in welchem ein Altar zum Meffelefen. Es 
it nur fo viel Pla darin, daß ſich hödjitens ein paar Menſchen um den 
Altar bewegen können. In diefem Kapelichen wird die Meffe, ber 
Grafen Begängnis, gelefen. In der Mitte der Kapelle vor dem Aus: 


1) Bon dem alten Kreuzgang (5. 97) find noch Teile vorhanden, auch 
der bier in Betracht kommende. Die beiden Kapellen find beide ihrer Be- 
ftimmung berloren gegangen. Die größere Kapelle diente vor Erbauung des 
neuen Gymnafiums (1879) längere Zeit als Bibliothek des Gymnafiums. 
Sie wird fälſchlich als der frühere Kapitelsfaal ausgegeben. Die Eleinere 
Kapelle (Grafenkapelle) diente früher als Gymnafiallarzer. Die beiden Gitter: 
thore find verſchwunden und die Thüröffnungen erheblich verkleinert. Man 
tritt Heutzutage nicht mehr durch die Kirche, fondern von der Hauptjeite des 
alten Kapitelhaufes ein. 








104 Wedinghaufen unter den Grafen. 


bau fteht da8 Monument der Grafen von Arnsberg, um weldes vier 
etwa 5—5"/,‘ Hohe Leuchter von Holz aufgejtellt find: jchwere Dreh: 
arbeit, von Farbe dunkelbraun und glänzend, fo alt wie das Denkmal 
jelbft. Zu beiden Seiten der Eingangsthür find bewegliche Kniebänke, 
auf denen der Magiftrat während des Begängniffes Plag nimmt. Vor 
einer jeden der beiden Seitenwände ftehen , Dutend Bulte, hinter 
denen ſich die Geiftlichen während der Meſſe befinden. Nah Often, 
auf jeder Seite des Eleinen Ausbaues ift ein Fenfter. Außerhalb unter 
der Kapelle, nad Oſten, ift ein Kleiner Blumengarten. 

Vor Anlegung des Slofters, berichtet diefelde Handſchrift an einer 
anderen Stelle, ftand dort (am Eichholz, „dem alten Hain der Gottesverehrung“) 
ein Kapellen, welches die Reſte der Grafen dedte, wahrjcheinlich bei Ein- 
führung des Chriſtentums errichtet. Ob das fpätere Kapitelhaus mit diefer 
Kapelle identisch ift, ift ungewiß. Nah Gründung des Klofters an diefer 
Stätte eilten jeden Morgen nach der Prime, um ſechs Uhr, die Geijtlichen 
aus der Kirche in die Grafenfapelle zum Gebete. Als ungefähr 1770 am 
Fuße der Grafenfapelle viel Schutt weggenommen wurde, fam ein runder, 
oben fpigiger und offener Turm zum Vorſchein, in deffen AInnerem man 
unter anderem eine alte römische Münze und eine Art Opfermeffer fand. 
Mit den jegigen Grund- und Umfangsmauern des Klofter8 Fonnte er nicht 
im Zuſammenhang gejtanden haben; er mußte aus früherer Zeit fein. Er 
wurde der Steine wegen zufammengeftürzt. 

Das Grafenbegängnis, fährt unfer Gemwährsmann fort, 
beginnt am erften Montag in der Faften um Biertel nah acht Uhr in 
der Zotenfapelle der Abtei. Die Natsglieder ſammeln ſich in ihren 
ihwarzen Mänteln auf dem Rathaufe. Im Eingange desfelben die 
beiden Stadtdiener in dumfelblauen Mänteln und im fchwarzen Mantel 
der Teilgenotenknecht.) Diefer trägt einen ſchwarzen Kaften mit vier 
jehr jchweren, gelben Wachslichten, die auf die vier Leuchter in der 
Kapelle zu ftehen fommen. Der Mann hat einen flachen, runden Hut 
mit großem Rande; der Mantel geht kaum bis auf die Kniee; er 
jcheint aus dem 13. Jahrhundert zu ftammen. Der Kaften wird von 
dem ZTeilgenoten verwahrt. Die Ratsperfonen, vier Bürgermeifter, vier 
Kämmerer, vier Ratsherren fiten um den Tiſch auf dem Rathaufe 
oder ftehen am Ofen. Der Zeilgenote ift auch da, ohne Mantel, nur 
um den Wirt zu machen. ‘Derjelbe präjentiert auf einem mittelmäßig 
großen, faft wie Silber ausjehenden runden Präfentierteller mit durch— 
brodhenem Rande in unbefannten hohen Spitgläfern Kornbranntwein 
und Bregeln. Weil für Arnsbergs fleißige Bürger die Morgenftunde 


1) Die Teilgenofjen mußten die Abgaben von den alten arnöbergifchen 
Höfen Wetter und Ole für die Eurfürftliche Oberfellnerei beitreiben. ©. 86 f. 


Grafenbegängnis. 105 


im Winter die vierte ift, — weshalb die Wintermonate hindurch um 
vier Uhr auf dem Stadtturm die Glode läutet, da bei der Yahreszeit 
Stürmen die Uhr oft nicht allgemein gehört werden kann —, jo hebt 
hier und da jchon einer der Ratsherren ein Spitglas. Dann meldet 
der Teilgenotendiener, daß zum zweiten Male in der Abtei die Toten: 
glode töne. Da greifen fhon einige der Herren zu ihren Mänteln, 
der Kämmerer ergreift die Büchje mit der alten Opfermünze und zählt 
nad, ob für jeden noch ein Stüd da jei. Da meldet der Diener, daß 
die Glocke zum dritten Male läute, und alle erheben fih. Den alten 
und neuen Bürgermeifter an der Spite, geht der Magiftrat zu zwei 
und zwei nad Wedinghaujen, vorn auf der ZTeilgenotendiener mit dem 
tihterfaften und der Büchſe mit den Opfermünzen. Die beiden Stabdt- 
diener jchließen den Zug. Auf dem Wege durd die Kirche überreicht 
ein Novize dem Teilgenotendiener den Schlüffel zur Grafenkapelle. 
Diefer fchließt diefelbe geräufchvolf auf, und der Magiftrat verteilt ſich 
gleichmäßig zu beiden Seiten der Thür Hinter die Sitbänfe; die beiden 
Stadtdiener ftehen zu beiden Seiten der Thür. Der Küfter bereitet 
den Altar zur Meſſe vor. Der Zeilgenotenfnecht ftellt feine gelben 
Wachslichte auf die vier Leuchter um das Monument. Die Mönde 
nahen mit dumpfem Totengeſange von der Kirche her, vierundzwanzig 
an der Zahl, mit großen Büchern. Sie ftellen ſich zu beiden Seiten 
hinter die Bulte. Der Priefter mit dem Kelch tritt zum Altar. Der 
ZTeilgenotendiener verjchließt nun die Thür der Kapelle wieder und 
ftellt fi) vor das Schloß. Andächtige treten vor den Kreuzgang 
und die Gitterthür, und um ihnen den Anblid der Zeremonie zu er: 
feihtern, find neben der großen Gitterthür auf jeder Seite eine Bogen- 
öffnung in der Mauer angebradt. Während der Mefje ift für diefen 
Teil des Kreuzganges die Klaufur gehoben, fo daß auch Frauenzimmer 
nahen dürfen. In der Grafenfapelle wird nur beim Grafenbegängnis 
Meſſe gelejen. Die Geiftlichen fingen während der Mefje das Nequiem. 
Die Stadtdiener haben hellblaue Livree, ſchwarzblaue Mäntel und auf 
dem Oberarm der letteren den gräflichen Adler. Wenn die Opferung 
beginnt, tritt der Zeilgenotendiener auf die rechte Seite vor den 
regierenden Bürgermeifter, der auf einer Heinen Bank nahe vor dem 
andern Bürgermeifter allein kniet, öffnet die Büchſe und legt mit einer 
Verbeugung ein Stüd der alten Opfermünze vor ihn hin. Dann geht 
er zu gleihem Zwede zu den übrigen MagiftratSmitgliedern und end» 
li zu den Stadtdienern. Jetzt erheben ſich alle und treten ernft zum 
Altar, der regierende Bürgermeifter an der Spike, welcher auf bie 
Stufe des Altars kniet. Iſt die Opferung vorbei, fo fteht der Bürger⸗ 


106 Wedinghaufen unter den Grafen. 


meifter auf, legt das Geldſtück auf den Altar und Fehrt auf jeinen 
Plat zurüd; die übrigen folgen, einer nad dem andern. Während 
diefer Opferung ift alles jtill, und der Geſang der Geiftlichen jchweigt. 
Nachher beginnt er wieder. Die Opfermünze ift einzig in ber Abtei 
unter dem Namen Mürden oder Mürrchen!) befannt, auf einer Seite 
geprägt, hohl, der Hälfte eines gefpaltenen Kirfchfteines nicht unähnlich 
und außerordentlich) dünn. Dieje Münze wird am Altare geopfert und 
von den Geiftlihen einfaffiert und auf Grafenbegängnis vom Magiftrat 
eingewechjelt. Für die Auswechſelung muß 3'/, Stüber oder 5 Kreuzer 
bezahlt werden. Für die Meffe Legt der erjte Bürgermeifter zugleich 
22 Stüber oder 33 Kreuzer (7'/, Sgr.) auf den Altar. Nach Be- 
endigung der Meffe tritt der Priefter bloß mit Albe und Stola be: 
fleidet an den unteren Teil des Monuments und betet, während 
der Gefang fchweigt, das Miferere. Die Mönde fallen ein. Die 
Totenglode läutet. Dann opfert der Pricfter mit Weihraud; das 
Monument umgehend, ergreift er den MWeihquaft und beiprengt das 
Monument, küßt fein Buch und geht zum Altare zurüd. Der Teil: 
genotendiener öffnet die Thür. Der BPriefter, welcher fein Meßgewand 
wieder angezogen hat, geht aus der Kapelle. Die Geiftlihen ftimmen 
den Geſang wieder an und ehren in die Kirche zurüd. Der Magiſtrat 
tritt in der früheren Ordnung durd die Kirche den Rüdweg an. Der 
ZTeilgenotendiener nimmt feine Lichte wieder in den Kaften, löſcht alfe 
Kerzen, giebt in der Kirche den Schlüffel einem Novizen und eilt an 
die Spike de8 Zuges. Der Magiftrat Fehrt unter dem Geläute ber 
Zotenglode zum Rathaufe zurüd. 


Für die Meffe, welche an jedem der beiden Begängnistage ge- 
fefen wird, werden von den Zeilgenoten zwanzig Betermännden erhoben 
(eine alte trierfche Münze, drei bis fünf Kreuzer). An das Klofter 
müffen beim rafenbegängnis geliefert werden vier Dia Wein und 
für vier Stüber Weißbrod, was den Geiftlihen zu Mittag vorgefett 
wird. Der Teilgenotenknecht, der Küfter und die zwei GStadtdiener 
ipeifen den Mittag in der Abtei und es muß ihnen voll aufgetijcht 
werden. Drei Petermännchen müffen für Gläfergeld an die Abtei ge- 
zahlt werden. Der Zeilgenote muß auf dem Rathauſe Y, Maß Korn 
und für zwei Stüber Breteln traftieren, die er aus dem Üüberſchuß 
der Früchte bezahlt erhalten. Die Opfermünzen löft der Zeilgenoten- 
diener am Tage nad) dem Begängnis für drei Petermännden ein, die 


) Mürchen oder Heller Tieß der kölniſche Erzbischof Friedrich zuerſt 
1409 prägen im Werte von 4!/, Pfg. 


Grafenbegängnis. Berfafjung des Klojters. 107 


er jelbjt bezahlen muß. Der ZTeilgenote hat als Gehalt eine Eleine 
Wieſe auf dem Felde der Teilgenoffen und zwei Mütte Hartlorn. Der 
Zeilgenotenfnecht erhält für jährliches Läuten zur Ablieferung der Frucht, 
Anmahnen ujw. eine Heine Wiefe im ZTeilgenotenfelde und drei Mütten 
Hafer. Soweit Hüfer. (Vgl. übrigens ©. 86 f.) 


Das Grafenbegängnis in Neheim.') 

Aus Anlaß einer Schenkung von 925 Morgen Wald im Jahre 1368 
entjtand auch in Neheim ein Grafenbegängnis, das, mit einigen Abweichungen 
bon der urjprünglihen Einrichtung, noch Heute fortbejteht. „Um Sonntag 
bor Michaelis werden nad) dem Nachmittagsgottesdienfte die Vigilien gefungen, 
am folgenden Morgen wird ein feierlihe8 Hochamt mit Predigt gehalten, 
jowie eine ftille Mefie gelefen. ‘Die Stadtväter, welche zu der Feier durch den 
Stadtdiener befonders geladen werden, legen dabei ihr Opfer auf den Altar. 
Nach dem Gottesdienfte werden den noch nicht 14 Jahre alten Kindern auf 
dem Rathaus Feitbrötchen verabreicht. Die Vertreter der Stadt, die Geiſt— 
lichen, Lehrer und Kirchendiener verfammeln fih Montags und Dienstags, 
da die Gefellfchaft nad) der Schenktungsurkunde ziveimal gehalten werden 
muß, in der Wohnung des Stadtrentmeifterd zu einem Mittagsefien auf 
Koften der Stadtkaffe. Die Mahlzeit erhielt den Namen Donatoren (im 
Bollsmunde: Doftoren)-Traftament; eine andere Bezeihnung: „Hühner: 
effen“ erklärt fi) aus dem Umftande, daß zwölf Sohflftätten in Neheim che: 
dem verpflichtet waren, ebenfalls um Michaelis Hühner an die Stadtverwaltung 
zu liefern und daß dieje Hühner zu der Mahlzeit verivendet wurden. 


Derfaffung des Blofters. ZLebensweife und Wirkfamkeit der 


Mönche. 

Für wie viele Brüder das Kloſter Wedinghauſen urſprünglich 
eingerichtet war, iſt nicht überliefert. Als Würdenträger erſcheinen ſeit 
den älteſten Zeiten Abt, Propſt, Prior, Subprior, Kuſtos, Kantor, 
Succentor, Lektor und Novizenmeifter. Die Wahl eines Vorftehers 
war durch päpftliches Privilegium zuerft im Jahre 1177 für eine aus» 
ſchließliche Sache des Ordens erklärt und jede Einmifhung eines 
Didzefanbifchofes unterfagt. Von dem Papfte Gregor IX wurde 1234 
ausdrücklich beſtimmt, daß nur der als Vorſteher des Klofters zu 
Wedinghauſen angejehen werben folle, welcher entweder von ſämtlichen 
Klofterbrüdern oder von der Mehrzahl derfelben erwählt wäre.?) An 
der Spige des ganzen Ordens ftand der Drdensgeneral mit feinem 
Sige in Prömontre. Diefem zur Seite ftand das Orbensfapitel, be- 


1) Tüding, BI. 5. n. 8. W. 1879, ©. 61. 
) Tüding, BI. 3. n. 8. W. 1873, ©. 52. 


108 Wedinghaufen unter den Grafen. 


ftehend aus den übten der franzöfifchen Circarie (Provinz). Jährlich 
wurde ein Generalfapitel in Brömontre gehalten, zu welchem die Vor— 
fteher fämtlicher Klöfter, anfangs jedes Jahr, fpäter abwechjelnd in 
größeren Zeiträumen zu erjcheinen hatten. 

Ob die erften Orbensmitglieder von Cappenberg gelommen find, 
wie Schaten meint, oder von der Inſel der HI. Jungfrau in Holland, 
wie es im Klofter Überlieferung war, läßt ſich nicht entjcheiden; nur 
fteht feft, daß die Abte der Inſel (Abbates insulae) in der erjten 
Zeit als Patrone des Klofter8 erjcheinen. Erft als fie weder zur Bor- 
fteherwahl nod bei andern wichtigen Angelegenheiten erjchienen, wurde 
das Paternitätsreht auf die Abtei Knechtſtaden am Nicderrheine 
übertragen (vgl. u.) und verblieb bei diefer bis zur Aufhebung des 
Klofters. Wedinghaufen erhielt in Knechtftaben ebenfo wie Scheda und 
Varlar durh den Drdensgeneral einen bejonderen Pla im Chore an- 
gewicjen.!) Weltliche Patrone des Klofters waren anfangs die Grafen; 
doc bekundet Graf Gottfried IV im Yahre 1352, daß er durchaus 
feine Vogteirechte über Wedinghaufen und deſſen Güter befite. 

Der Beſitz des Klofter8 nahm dur fortgejegte Zuwendungen 
jeiten8 der Grafen, benachbarter Adeligen ufw. während der Grafenzeit 
immerwährend zu. Alle im Laufe der Zeit leichtfinnig verkauften und 
verzettelten Güter wurden durch eifrige Pröpfte im 15. Jahrhundert mit 
päpftlicher Hülfe zurüderworben, jo daß fid) etwa vom Jahre 1488 ab 
das Klofter im Befige feiner ungefchmälerten Liegenfchaften bis zu feiner 
Aufhebung gefichert fah. Den Beftand und Umfang der Kloftergüter 
werden wir im 2. Zeile, 3. Abfchnitt dieſes Buches angeben. 

Um nun von der Rebensweife und dem Wirfen der Norbertiner 
eine genügende Vorftellung zu gewinnen, wird es nütlich fein, zunächſt 
eine Skizze von dem Charakter und der Thätigfeit dieſes Ordens übers 
haupt zu entwerfen, da die direften Nachrichten über Wedinghaufens 
Wirkfamfeit nur ein ganz unvollftändiges Bild darbieten. 


Die Prämonftratenfer, nad) ihrem Stifter auch Norbertiner (S. 17), 
nad) ihrer Tracht „weiße Mönche“ (monachi nivei) genannt, gehören zu der 
weitverzweigten Congregation der regulirten EChorherren (canonici regu- 
lares), welche die Regel des großen Kirchenlehrers Auguftinus mit geringen 
Abänderungen annahmen. Die Norbertiner verbanden pfarramtlide Seel- 
forge mit den Pflichten der Mönche, lebten nad deren Urt, Hielten Die 
fanonifhen Stunden (Mette, Prim, Terz, Sert, Non, Befper und Compflet), 
jpeiften gemeinfam im Refeftorium uſw. Wie bei allen Mönchen berubte ihre 
Orbdensregel auf den drei Prinzipien der Armuth (des Einzelnen), de8 Gehor- 
ſams und der Enthaltfamkeit. Sie führten, namentlich in dem eriten Jahr— 


1) Tüding ©. 53. 


Die Norbertiner. 109 


hunderte ihres Bejtehens, ein äußerſt ftrenges Büßerleben, enthielten ſich 
bolljtändig des Fleijchgenufjes, waren jtreng im Falten und übten fait be- 
jtändiges Schweigen. Ihre Tradt war weiß; und bejtand aus Tunifa (langer 
eng anſchließender, bis auf die Knöchel reichender Rod), Skapulier und 
Barett; außerhalb des Kloſters trugen fie weißen Mantel und breitfrempigen 
weißen Hut. 

Neben einem befchaulichen Leben widmeten ſich die Canonici regulares 
Ord. Praem. borzugsmweife dem aktiven, kirchlichen Dienfte. Außer dem 
Gottesdienjte am Altare und im Chore pflegten fie vorzüglich das Prediger- 
amt und die praftifche Seelſorge. Die Priefter des Ordens (canonici), im 
Gegenfage zu den Laienbrüdern (conversi), wurden bielfah als Pfarrer auf 
die benachbarten Parochien berufen und blieben dann mit dem Klofter nur 
im äußeren Berbande. Auch der Willenfchaft lagen fie ob und dieſe war 
ftetö eine Ehrenſache der Prämonftratenjer. Vorzugsweiſe wibmeten fie ſich 
der höhern Jugendbildung. Auch die Kunft pflegten fie, fomweit fie dem 
firhlihen Leben diente, insbefondere den Geſang und die Mufil. Nicht 
minder war die Kultivierung des Grundes und Bodens eine Höcdhjjt wichtige 
DOrdensaufgabe. In der Yugendzeit des Ordens, im 12. und 13. Jahrhunderte 
jeden wir nicht felten felbft die Orbdenspriefter, ihren Abt voran, mit Art 
und Pilugfchar den rohen Boden bearbeiten und zu friedliden Wohnftätten 
der Menjchen ummandeln. Es ift unbeftritten, daß die Norbertiner und die 
ihnen befreundeten Gijterzienfer (S. 40) die landwirtfchaftliche Blüte zu der 
bezeichneten Zeit in unferen Gegenden gejchaffen, und daß die zahlreichen 
Pfarrer, melde dem Norbertinerorden entnommen waren, für ihre Ge— 
meinden ebenfjoviele und zwar praftifche Lehrer der Landwirthſchaft waren. 
Für die Ehriftianifierung und Germanifierung unjeres deutfchen Nordens haben 
die Söhne des Hl. Norbert, thatkräftig unterjtügt von Kaiſer und Fürften, 
grundlegend für die Jahrhunderte gewirkt. Das bejagen die glänzenden 
Annalen ihres Ordens und deuten heute noch an die Ruinen der zahlreichen 
Ordenshäufer, mit denen der Nordoſten unſeres Baterlandes bededt ijt. 


Aber nicht durch alle Jahrhunderte Hat fich der Prämonjtratenjer-Orden 
in feiner Jugendkraft erhalten. Es kamen Zeiten der Erjchlaffung, der Ber- 
weichligung und des Berfalles. ALS der Orden im Laufe der Zeit in größeren 
Grundbefig fam, und der Nachwuchs der Drdensbrüder immermehr den 
adeligen und mohlhabenden bürgerlihen Yamilien entnommen murde, wich 
die alte Strenge, Einfachheit und Zucht vielfach einem behaglicheren, genuß- 
reihen Leben. Der Orden verfeinerte fi, es kam ein ſtark arijtofratijcher 
Zug in denfelben, wie folder aud) den verwandten Auguftiner-Chorherren 
eigen war. Hiervon zeigen fi) aud Spuren in der Geſchichte von Weding- 
haufen; aber im großen und ganzen hat fich diejes Klofter durch alle Jahr— 
hunderte einen ehrenvollen Namen zu erhalten gewußt. 

Was nan die Mönde von Wedinghaufen angeht, jo finden 
ſich zumächft ſchon für die ältere Zeit Spuren wiſſenſchaftlicher Thätig- 
keit. Cäſarius von Heifterbad, ein gelehrter Mönd, erzählt von einem 
Bater Rihard in Wedinghaufen folgendes. Richard, ‚von Geburt 
ein Engländer, habe ſich nicht weniger durch Gelehrfamfeit wie durd) 


110 Wedinghaufen unter den Grafen. 


frommen Wandel ausgezeichnet. Zwanzig Jahre nad feinem Tode fei 
die rechte Hand, mit der er fo manches fegensreiche Wort gejchrieben, 
neben dem verweften Körper, frijh und wohl erhalten im Sarge ge- 
funden worden, al8 wäre fie eben erjt abgejchnitten worden. Sie wurde 
von den Klofterbrüdern als Foftbare Reliquie aufbewahrt. 


„Die Hand, bemerkt Seiberk in der Anmerkung‘) hierzu, befindet fich 
noch heute im Reliquienjchage der Kirche. Sie iſt 7'/, Boll lang, ganz ein- 
getrodnet und mit einer ſchwarz-braunen Haut überzogen, unter der fid) 
Muskel und Flechjen deutlich auszeichnen. Auf dem Daumen, der nad) der 
innern Seite der Hand Hin faft wie zum Schreiben gebogen ijt, befindet fich 
noch der Nagel, der an den Fingern fehlt; das vordere Glied des Fleinen 
Fingers ijt abgebrochen. Die Hand iſt augenjcheinlih in friſchem Fleiſche 
an der Handwurzel vom Arme abgejchnitten worden, wie die fcharfen Ränder 
der hervorjtehenden Flechſen und der durch das Eintrodnen etwas zurüd- 
gezogenen Haut deutlich ergeben. Auf dem Knorpel der Handmurzel find 
noch zwei alte Schnitte, die wohl bei jener Operation entjtanden, erkennbar 
und bon einigen fpäteren Abjhabungen am Knorpel deutlich zu untericheiden. 
In diefem Zustande befand ſich die Hand ſchon vor 140 Jahren, wo fie unter 
den durch die Truchſeſiſchen Soldaten zerjtreuten Klojterreliquien wieder auf: 
gefunden murde.”?) 


Ferner haben die Mönde ſchon während der Grafenzeit als 
Lehrer gewirkt. Wir müſſen hier etwa weiter ausholen. Karl der 
Große hatte verordnet, die Geiftlichen follten nicht nur die Kinder ge- 
ringer höriger Leute, jondern aud die der Freien um fi verfammeln 
und Lejejchulen für fie einridten, in denen das Singen der Pjalmen, 
Rechnen und Grammatik, letzteres bei allen Klofterjchulen, gelehrt würde. 
Trogdem jah e8 im 10. Jahrhundert in Sachſen mit den Schulen nod) 
ihleht aus. Erft dur den Einfluß des Erzbifchofes Bruno von Köln 
(9353— 965), eines Bruders des großen Otto, fcheint das Unterrichts⸗ 
wejen im Herzogtume Weftfalen einen erheblichen Auffhwung genommen 
zu baden. Bruno hat in Köln eine höhere Schule für die Geiftlichfeit 
errichtet, wa8 in Verbindung mit andern Thatſachen die Vermutung 
nahe legt, daß er auch auf die Schulen feiner Diözefe fein Augenmerk 
gerichtet habe. Namentlich bildeten ſich bei allen Klöſtern Schulen. 
So auch in Wedinghaufen. In einer Urkunde des Kloſters Scheda 
vom Jahre 1398 heißt e8 in der Zeugenreihe: „Gerhardus prior, 
Albertus reetor scholarum, sacerdotes et canonici ecclesie 








1) Landesgeſch. III ©. 765 Anm. 103. 


2) Im Jahre 1714 beim Abbruch eines Beinhaufes. Man mar der 
Identität der beiden Hände nicht ficher, daher wurde die Berehrung der 
Religuie unterjagt. GPieler, Arnsberg, ©. 56. 


Kofterfchule. Sendgericht. 111 


in Arnesberg.')“ Sodann findet fih in von Steinens Weftfälifcher 
Geſchichte?) folgende Notiz: „Karl von Alindhofen auf Laer bei Menden 
geboren 1314, geftorben 1326 zu Arnsberg auf der Schule.” Auf 
Grund diefer Zeugniffe muß man annehmen, daß in Wedinghaufen be- 
reitS in dieſer Periode ſogar eine Art Höhere Schule bejtanden hat. 
Es gab nämlih um die Wende des 14. Jahrhunderts faft in allen 
Städten Weſtfalens Kirchſpiel- oder PVolksichulen.?) Für Arnsberg 
ſtammt zwar die ältefte Erwähnung eines Volksſchullehrers erft aus 
dem Jahre 1451, wo „Conrad Dulle Scholemeifter tor tied to Arnf- 
perg umd Elſeke fine chelihe Huisfrowe““) urfundlicd genannt werben. 
Da aber ja alle alten ftädtifchen Urkunden durd) den Brand von 1600 
zerjtört find, jo kann das Fehlen von älteren Nachrichten nicht be- 
fremden. Der oben genannte junge von Alindhofen machte offenbar 
den Kurjus eines Triviums, nicht den einer Volksſchule in Weding- 
haufen dur. Er war zwölf Jahre alt, als er ftarb; er hat aljo wohl 
nod einen Bli in die Fabeln Äſops, in Katos Sentenzen und in 
ähnlihe Schriften gethan, die vom neunten bis zum zwölften Lebens— 
jahre gelejen wurden. — Im 15. Yahrhundert entwidelten ſich aus den 
Klofterfchulen die Gymnafien. 


Wenn num die Norbertiner durch Pflege der Wiffenjchaften und 
Einrichtung einer Gelehrtenfchule unmittelbar und mittelbar auf die 
Bildung der Stadtbewohner fegensreih einwirkten, jo war doch das 
Hauptfeld ihrer Wirkjamkeit in der Stadt Arnsberg die Seeljorge.’) 
Die oben angeführte Abhandlung von Tücking enthält eine umfafjende 
Bufammenftelflung von allem, was dieje Seite der Thätigfeit unferer 
Mönche betrifft. Wir entnehmen derfelben folgendes: 


Der Abt oder zur Zeit, wo ein ſolcher dem Klofter nicht vorftand, 
der Propft, war jedesmal zugleid Pfarrer von Arnsberg, ernannte 
jedoch in der Regel aus den Konventualen einen Stellvertreter zur 
Wahrnehmung des Pfarramtes. Ferner hatte der Abt oder Propft wegen 
der dem Klofter zugejtandenen Synodalgerichtsbarfeit volle Archidiakonal— 
gewalt in der Pfarrei. Das Sendgericht wurde gewöhnlicd) zweimal 


1) Frey, Programm-Abhandlung Münjter 1894, ©. 3. 

», VI ©. 1630, 

) Geiberg, Landesgejchichte III, S. 700. 

*) Notiz don Hollenhorit. 

5) Zur Pfarrei Arnsberg gehörten außer der Stadt die Höfe bei 
Arnsberg, der Hof Wildeshusen, der Ort Glusnichen (Glöfingen), der Ort 
Dynteschede (Dinjchede), der Hof Vinnentorppe (Wintrop), der Ort Överenn- 
dorppe (Öventrop) und Eimer. (Kampfchulte, Blätter z. n. K. W. 1866, ©. 28.) 


112 Wedinghauſen unter den Grafen. 


im Jahre an einem vorher beftimmten Tage und zu einer durch Gloden- 
ihlag angekündigten Stunde in Gegenwart des Stadtrat3 und ber 
Bürger auf dem Chor der Kirche abgehalten. Nad) einer Einleitungs- 
rede des Paters Prior wurden die auf Veranlaffung der Bromotoren 
dur den Sendboten vorgeladenen öffentlihen Sünder zur Rechenſchaft 
gezogen und ihnen je nad) Befinden entweder eine bejtimmte Bußübung 
oder eine Geldftrafe auferlegt. 

Mit der Übertragung der Pfarrrechte zu Arnsberg erhielt das 
Klofter Wedinghaufen zugleich den Patronat über die jog. Stadtlapelle. 
Dieje hatte, wenngleich fie dem Abte von Wedinghaujen al8 dem Pfarrer 
von Arnsberg untergeben war, noch längere Zeit ihren eigenen Kaplan 
und zwar einen Weltgeiftlichen, fowie auch ihre eigenen Befitungen. 
Erft als die Bürger von Arnsberg an Stelle der alten Kapelle, welde 
eingeftürzt war, eine neue errichtet hatten (S. 82), erhob das Klofter Proteft 
gegen die fernere Abhaltung des Gottesdienftes dur einen Weltgeijt- 
lichen. Durch Vermittelung des Grafen Wilhelm von Arnsberg und 
des Weihbifchofes Hermann von Köln, welder zur Einweihung ber 
Kapelle erfchienen war, fam es am 29. Auguft 1323 zu einem Ber- 
gleiche zwijchen der Stadt und dem Kloſter, nad) welchem der Gottes- 
dienft in der Stadtkapelle durch einen Konventualen abgehalten werden 
jollte, die Spendung der Saframente und die Beftattung der Toten 
dagegen der Klofterficche als eigentlicher Pfarr- oder Mutterfirche vor- 
behalten blieben. Die Stadt hatte dem Kloſter fortan jedes Jahr an 
ben FFeittagen der hl. Walburgis und des hi. Michael eine Mark als 
Abgabe zu zahlen. Für die Entſcheidung jenes Streite8 war von be- 
fonderer Wichtigkeit das vom Papſte Cöleftin III dem Kloſter erteilte 
Privilegium, daß feine neue Kapelle in deſſen Pfarrbezirfe errichtet 
werden ſolle. Seit 1323 war aljo das Klofter im vollen Befige der 
Stadtkapelle. Ein Konventuale las in derjelben fortan jeden Tag eine 
Meſſe; an Sonn» und Feittagen aber wurde morgens 5’/, Uhr in ber 
Kapelle die Frühmefje mit Geſang und einer Anrede an das Volk ge- 
halten, um 8"), Uhr begann in der Kloſterkirche die Hauptmeffe für 
die Pfarreingejefjenen mit Geſang und Predigt und gleich darauf um 
9, Uhr folgte da8 Hochamt des Konvents mit Choral» und Figural« 
gefang. Es mag noch bemerkt werben, daß mit ausdrüdlicher Erlaub- 
nis des Kloftervorftcher8 auch in der Kapelle mitunter die Taufe ge- 
jpendet und Trauungen vollzogen wurden. 

Über den Gottesdienft in der Mofter- und Pfarrkirche ift ing- 
bejondere Folgendes zu bemerken. Das Feſt der Einweihung der Klojter- 
firhe wurde am erjten Sonntage nad) Michaelis gefeiert. An dem— 


Abhängige Kirchen und Klöſter. 113 


jelben Zage wurden jeit der Zeit, wo Arnsberg Stadtrechte erhalten 
hatte, die neuen Bürgermeifter und Ratsherren gewählt. Am folgenden 
Tage batte die Bürgerfhaft am ſog. Grafenbegängniffe in der Kapelle 
des Kapitelhaufes Zeil zu nehmen (ſ. oben). In derfelben Weiſe 
wurde ein Grafenbegängnis am erjten Montage in der Faftenzeit ge- 
halten. Die Verpflichtung zu dieſem letteren übernahm der Konvent 
1363, al8 Graf Gottfried IV ihm das Patronatsreht über die 
Hüftener Kirche übertrug. Gleichzeitig verfprad er, auch am zweiten 
Sonntage im Advent, am Sonntage vor Pfingften, fowie am Sonntage 
vor Mariä Himmelfahrt abends Vigilien zu fingen und am folgenden 
Morgen Chorgottesdienjt wie bei einer über der Erbe ftehenden Leiche 
zu halten. Das Feſt der Einweihung der Pfarrfirhe wurde am 
Pfingftdienstage mit einem mufikalifchen Hochamte unter Ausfegung des 
Hohmwürdigften und mit einer Predigt gefeiert. Für Erhöhung des 
Gottesdienftes in der Kirche jorgten bejondere Fundationen, gemäß weldyen 
auch jetzt noch am Donnerstage zu Ehren des h. Altarjaframents und am 
Samstage zu Ehren der h. Jungfrau Maria ein Hochamt gehalten wird. 


Die Pfarrfirhe zu Werl wurde durch die Grafen Heinrich und 
Gottfried dem Kloſter Wedinghaufen übertragen. Dieſe Einverleibung fand 
zunächſt 1196 durch Papſt Eölejtin III, dann 1200 durch den Erzbifchof Adolf 
von Köln ihre Betätigung und wurde weiterhin noch durch die Päpjte Inno— 
cenz III 1214 und Gregor IX 1234 bekräftigt. Seitdem galt der zeitige Abt 
oder der Propjt des Kloſters als Hauptpfarrer (pastor primarius); die Wahr- 
nehmung der Pfarrgefchäfte aber übertrug er einem Stonventualen, ben er 
ganz nach feinem Gutdünfen einjette und abberief. Ein im 15. Jahrhunderte 
vom Archidiakon erhobener Anſpruch auf das Recht der Inveſtitur wurde 
vom Dechant Albert zu Soeft kraft päpftlicher Vollmacht am 4. Febr. 1457 
jurüdgewiefen. Als nad) dem Tode des Abtes Johann Köfter 1612 das 
Klojter Wedinghaufen drei Jahre ohne Abt war, verſuchte der Werler Stadt- 
rat den Abt zu Steinfeld, Chriſtoph Bilkmann, zu beivegen, daß er den 
Bruder Kaſpar Hake, weldher damals Kaplan zu Werl war, zum Pfarrer ein- 
fege. Aber auf Protejt des Wedinghaufer Konvdentes wurde diejfer von der 
Stelle wieder entfernt, und der neu ernannte Pfarrer Hermann Hemmer be- 
bauptete fich, obwohl der Stadtrat ihm wegen feiner niederen Herkunft wider— 
itrebte, im Amte. Im Jahre 1677 machten die Werler noch einen Verſuch, 
auf die Beſetzung der Pfarrei Einfluß zu gewinnen, indem fie forderten, daß 
der Konvent zwei oder drei Brüder präfentiere, von denen der Stadtrat 
einen zum Pfarrer auszumählen habe; aber der Abt von Wedinghaufen 
wurde in feinem Ernennungsrechte durch den Erzbiſchof von Köln gefchütt. 
Der Abt hatte ferner auch das Recht der Inveſtitur für einige Bifarien in 
der Kirche zu Werl, welche teild von Klojterbrüdern, teil von Weltgeiftlichen 
berivaltet wurden. Dazu fam der Gottesdienjt in zwei Kapellen; die eine zu 
Werl wurde vom Erzbifchofe Heinrich I am 26. Februar 1230, die andere zu 
Bergitraße in der Pfarrei Weftönnen durch Gottfried don NRüdenberg am 


Feaur, Geſchichte Arnsbergs. 8 


114 Wedinghaufen unter den Grafen. 


11. Juni 1338 dem Klofter übertragen. Der Vikar ad s. Johannem in Werl 
verwaltete in der Regel auch die Kapelle zu Bergitraße, wo er monatlid) eine 
Meſſe lefen mußte. Beiläufig fei bemerkt, daß das Kapitel zu Soejt das 
Recht der Anvejtitur für legtgenannte Kapelle Hatte. 


Die Kirche zu Hüften ftand lange Zeit unter dem Patronate der 
Edelherren von Ardey, bis fie bon diefen endlich dem Kloſter Scheda geſchenkt 
wurde. Aber der Graf Eberhard von der Mark beivog das Klofter, auf die 
aus jener Schenkung hergeleiteten Rechte zu berzichten, und übertrug dem 
verbündeten Grafen Ludwig bon Urnsberg am 24. Auguſt 1290 das Patronats- 
recht über die Kirche. Der letzte Graf von Arnsberg, Gottfried IV, fchenkte 
die Kirche 1363 dem Kloſter Wedinghaufen und diefe Schenkung wurde 1369 
bon uno, dem Adminiftrator des Erzitiftes Köln, beftätigt. Der Klojterbor- 
jteher hatte feitdem das Recht, einen der Brüder, welcher zur Verwaltung der 
Pfarre geeignet fchien, dem Dompropjt zu Köln zur Betätigung zu präjentieren. 


Die Bilarie zu der Jungfrau Maria und den HH. drei Königen in 
der Kirche zu Rhynern zwifhen Werl und Hamm wurde von einer edelen 
Familie, welche ald Gründerin das Patronatsreht übte, 1653 dem Kloſter— 
bruder Richard Rham und von diefem dem Konvente zu Wedinghaufen über- 
tragen. Seitdem hatte der Klofterborjteher dem Pfarrer, welcher das Inve— 
ftiturrecht befaß, den Vikar zu präfentieren. 


Das Nonnenklofter zu Rumbed, welches nad Etangefol (Annal. 
ad a. 1153) ſchon vor Wedinghaufen geftiftet fein foll, jedenfall aber 1193 
bejtand, wird in der mehrerwähnten Urkunde des Papftes Cöleſtin III vom 
Sabre 1196 als unferm Konvente rechtlich untergeordnet bezeichnet. In dem— 
felben Jahre wurde durch den Abt Hermann von Eappenberg bei Gelegenheit 
der Schlichtung eines Streites zwifchen beiden Klöftern bejtimmt, daß die 
Schweſtern zu Rumbed der Leitung des Arnsberger Abtes fich gehorjam unter- 
werfen müßten. Doch follte ihnen, was fie durch eigene Arbeit verdienten 
oder was ihnen an Almofen gefpendet würde, ausſchließlich zu ihrem Unter- 
halte verbleiben. Wenn ein bei ihnen mweilender Bruder dom rechten Wege 
abwiche und geradezu unverbeſſerlich erfcheine, fo jolle der Abt das Recht 
haben, ihn in feinen Stonvent zurüdzurufen. Weltgeijtliche oder Laien, welche 
fih bei den Schweſtern niederlaffen wollen, dürfen nicht gehindert werden; 
nur bedarf e8 der Erlaubnis des Abtes, wenn fi) mehr als zwei oder drei 
Priejter dort aufhalten wollen. Ob das Patronatsverhältnis jpäter in Frage 
gekommen ijt, wiſſen wir nicht; doch hielt e8 das General-Ordensfapitel zu 
Premontr6 am 19. Mat 1618 für notivendig, neuerdings zu erklären, daß die 
Nonnen zu Rumbeck dem Abte zu Wedinghaufen als ihrem Bater unter- 
worfen fein follten. 

Auch das Nonnenklojter zu Delinghaufen ftand unter dem 
Patronate des Wedinghaufer Abtes. ALS der Propft zu Scheda auf Deling- 
haufen als eine Tochterkirche Anfpruch erhob, wurde durch den Generaltonvent 
der Prämonftratenfer 1228 entfchieden, daß die Delinghaufer Kirche nur die 
zu Wedinghaufen als ihre Mutterkirche anfehen und chren ſolle. E8 mag 
bier beiläufig bemerkt werden, daß das Nonnenklojter zeitweilig in ein welt— 
liches Kollegiatjtift umgewandelt wurde, fpäter aber wieder zur Regel des 
h. Norbertus zurückkehrte. (Borftehendes aus Tüding a. a. O. ©. 50 ff.) 


Reihenfolge der Äbte. Einzelheiten. 115 


Die Äbte und Pröpfte des Kloſters bis 1369, 


Der erfte Vorfteher von Wedinghanfen, welcher nad der Klofter- 
tradition nur den Titel eines Propftes führte, war Reiner (S. ? Seine 
beiden Nachfolger, Ehriftian und Arnold, waren Äbte. Sie finden ſich 
in Urfunden aus den Jahren 1186 bis 1217 und zwar wird 1186 
Chriftian, 1191 Arnold und 1196 wieder Chriftian als wirffidher, 
Arnold aber als abgegangener Abt (quondam abbas) bezeichnet; letzterer 
wurde, wahrjceinlih nad) Chriſtians Tode, abermals zum Borfteher 
berufen und verwaltete das Amt bis 1217. Während der folgenden 
drei Zahrhunderte, von 1217 bis 1517, wurden die Kloftervorfteher — 
aus welchem Grumde, ift nicht erſichtlich — nicht mehr Abte, fondern 
Pröpfte genannt. Als Arnolds Nachfolger bezeichnet Berghs Klofterchronit 
Hermann von Etophenberg; doch findet ſich deffen Name in feiner der 
vorliegenden Urkunden, vielmehr wird in demjelben Jahre mit Arnold 
1217 Hartmodus als Propft angeführt. Diejer verwaltete jein Amt 
wenigftend 30 Jahre, da er in fämtlihen auf Wedinghaujen bezüg. 
lichen Dokumenten von 1217 bis 1247 als PBropft auftritt. Der Ber- 
fafjer der Klofterdhronif irrt, wenn er 1235 Hartwinus, 1241 Dtto 
al3 zeitige Pröpfte nennt; Dtto findet fi in Feiner Urkunde, und 
Hartwinus ift ohne Zweifel verlejen jtatt Hartmundus, der im Diplom 
von 1235 Hartmodus genannt wird. Außer Hartwin und Otto werben 
in der Chronik noch 17 Nachfolger des Hartmodus aufgeführt, wogegen 
ſich urfundlih nur 13 nachweiſen laffen. Die Namen der Iekteren 
folgen hier in gejperrtem Drud; die eingeflammerten Zahlen bezeichnen 
das Jahr, wo fie in Urkunden vorkommen; die übrigen Pröpfte find 
nad; der Chronik eingefchoben. Noch bemerken wir, daß von den 
urfundlid) nachmeisbaren Pröpften drei, nämlich Friedrich (1261), 
Matthäus (1359) und Bernhard (1385) in der Chronif gar nicht ge» 
nannt werden. Bon der Mitte des 13. Jahrhunderts bis 1513 hätten 
demnach als Bröpfte fungiert: Wilhelm (1253), Friedrid (1261), 
Heinrih, Wigand (1267; 1278; 1279; 1284; 1285; 1295), Ger- 
hard (1301) (Wilm. Urk. III); 1311; 1314), Johann Mafen, Theo- 
dorich (1320), Heinrich, welcher nad) der Chronik den Familien- 
namen Lange führte (1323), Gerhard, Berthold, Matthäus (1359), 
Hermann von Medebach, Gottfried nad der Chronik aus dem Haufe 
Plettenberg (1376). (Aus Tücking a. a. O. ©. 52 mit einer Ergänzung. 
Die citierte Chronik ift die des Mönches Bergh (um 1720), nicht die 
vom Berfafjer benutzte.) 


8* 


116 MWedinghaufen unter den Grafen. 


Einige Notizen aus der Rloſterchronik. 


Graf Heinrich fchenkte uns auch den Hof Evenhoe neben der Burg und 
den Berg Eihholz. Ob uns nun aud das Jagdrecht im Eichholze 
gebühre, darüber diefes: Es iſt hier fein Widerſpruch des Landesherru zu 
fürchten; denn diefer hatte dort nie die Jagd, und als einjt der Konvent fich 
bei dem Kurfürften Ernejtus beflagte, daß uns das Jagdrecht, wo wirs 
früher gehabt, geraubt fei, foll er geantwortet haben: „Sie laffen ſich ver- 
gnügen mit Ihrem Eichholz.” Ebenfo fagte der Herr Gaudentius Raab, 
Baron von Weir, als er einjt im Eichholze mit unferem Kellner %. Everhard 
Eöbbinghof fpazierte, zu diefem: „Was hierauf ftreihet und was hr bier 
werdet fangen fünnen, das möget Ihr wohl thun, will Euch feine Einfperrung 
thun.” Nur von dem Haufe Reigern fünnte uns ein Widerfpruch fommen, 
da diefes ſich das Jagdrecht im Eihholze anmaßt. 


1193 verlegte Erzbiſchof Bruno mit Einwilligung der Grafen Heinrich und 
Gottfried das Klofter Wedinghaufen mit allem, was dazu gehörte, nad) Rumbed. 
Diefe Bereinigung geſchah, damit fortwährend Chor gehalten werden könnte 
indem auf das Dffizium der Brüder unmittelbar der Chor der Jungfrauen 
folgte. Ferner follten die Brüder von dem täglichen Umgange mit den Arns— 
bergern ferngehalten werden. Auch Eojtete ihre Unterhaltung auf diefe Weife 
weniger. (Die Berlegung jcheint jedoch nicht zur Thatfache geworden zu fein.) 


1246 ſchenkte Graf Gottfried dem Klofter Wedinghaufen die Mühle am 
Kahlen Berge und die Filcherei von da bis zur Schlacht für 30 Marl. Der 
„table Berg” fängt beim „Ihuringes Winkel? zwiſchen Ruhr und Berbfe an. 
Wenn am Frohnleichnamsfejte nach der 1. Station die Prozeffion fih aus dem 
Felde neben Obereimer rechts wendet und Bis zur 2. hinauffteigt, jo heißt der 
ztoifchen der 1. und 2. befindliche Berg der „kahle“, weil er unbewaldet ijt, 

1254 weihte Bifhof Theodor den Tabernafel im Hauptaltare unferer 
Kirche am Tage vor Peter und Paul zu Ehren der HH. Dreifaltigkeit ein. 
Der jetige Altar tft unferes Wiſſens der vierte (errichtet 1680); an die Stelle 
bes erften trat der bon Theodorus eingemweihte, und diejer jtand bis zur Beit, 
des Abtes Köfter, unter dem ein Laie jenen Funftvollen Altar aushaute, 
deſſen Haupttafel das Leiden unferes Herrn borftellte und die im Jahre 1717 
in unferem Kreuzgange aufgeftellt wurde. Marieninfel, im Gebiete von Gel- 
bern, blieb unfere Mutter, bis es 1555 völlig zerjtört wurde und Knechtſtett 
an feine Stelle trat. (Vgl. ob. ©. 108.) Seiberk, Urf. Nr. 286. 

1314 zu Hermann bon Rüdenberg bemerkt die Kloſterchronik: Diefer 
Name kommt von der Burg ber, die ehemals dem Schloffe gegenüber auf 
dem Romberg lag, jegt (1697) die alte Burg beißt. 

1336 verkaufte uns eine gewiſſe Jutta ihren Kotten im Haſenwinkel 
für 5 Marl... Seit Menfchengedenten iſt da8 Haus zufammengeftürgt ; 
die dazu gehörigen Üder gehören noch immer uns und find an die Bürger 
der Stadt verpachtet. 

1345 im Nefrologium wird unter dem 24. November ein gewiſſer Otto, 
Propft von Rumbed erwähnt, welcher der erjte Reformator unjeres Klofters 
genannt wird. Die Schrift war fehr alt, Zeit und Jahr der Reformation 
werben nicht angegeben. 


Zweiter Geil, 


Die kurkölniſche Zeit, 


GErſter Abſchnitt. 


Ausgang des Mittelalters (bis 1507). Die Zeiten der 
Fehde und Veme. 





Quellen: Tobien, Fortfegung (Band IV) der Landes- und Rechtsgefchichte) 
bon Seibert. 
Die Urkundenfammlungen von Seibertz ufw. (f. Teil I, Abſchn. J. 
Lindner: Die Beme. 
Seibert: Der Oberfreiftuhl in Arnsberg. 
Wigand: Das Fchmgeriht Wejtfalens. 
Ujener: Die Frei- und heimlichen Gerichte Weftfalens. Frankf. 1832. 
Berk: Gefchichte der weitfäliichen Vemgerichte. Bremen 1814. 
Hanjen: Die Soejter Fehde. 
Derf.: Chronik von Soeſt (Städtechronifen Bd. XXL). 
Seibert: Quellen der Weſtfäliſchen Gefchichte 
u.a. m. 


Vorbemerkung. 


Wenn der letzte Graf von Arnsberg gehofft hatte, mit dem Über: 
gange feiner Herrichaft an Köln werde das Land von vielem feindlichen 
Ungemache verjchont bleiben, jo hatte er ja gewiß dazu guten Grund, 
injofern, als der Hauptfeind feines Gebietes, eben Köln, befriedigt war. 
Die weitere Gejchichte Ichrt indes, daR die Wohlthaten des Friedens 
der Grafſchaft Arnsberg nad) der Grafenzeit noch viel weniger zu teil 
wurden, als unter den letten Grafen; die unruhigften Zeiten begannen 
gerade damald. Die Wörter „Fehde” und „Veme“ Tennzeichnen dieſe 
Periode wildefter Gejfetlofigfeit, die ungefähr mit dem allgemeinen 
Landfrieden des Kaiſers Marimilian I (1497) ihr Ende nimmt. Arns- 
berg, bis dahin Vorort der gleichnamigen Grafſchaft, gewann durch fein 
Schloß aud im Herzogtum Weftfalen, in welches die Grafſchaft, über- 
ging, eine befondere Bedeutung. Insbeſondere wurde der Arnsberger 
Freiftuhl während diejes Zeitraums in ganz Deutſchland weit und breit 
befannt. 


120 Kurkölniſche Zeit. ?ychde und Bene. 


Die Erzbifhöfe Kuno und Friedrid; von Harwerden. (1369—1414.) 
Kämpfe um den Befis der Graffchaft Arnöberg. 


Die Erzbiſchöfe von Köln blieben nicht unangefochten in dem Be: 
fige der Grafſchaft. Zwar nicht der Graf von der Mark, aber deſſen 
Schwiegerjohn, Graf Yohann von Naffau, machte Verſuche, fie zu ge- 
winnen. Er erlangte wirklich am 27. Juli 1369 von dem damaligen 
Reichsverweſer Herzog Wenzel von Yuremburg die Belehnung mit der 
Grafſchaft Arnsberg; der Verkauf an das Erzftift wurde gleichzeitig für 
ungiltig erflärtt. Am 18. März 1370 entfagte der Graf mun zwar 
allen feindlichen Unternehmungen gegen das Erzjtift Köln, wegen der 
Dienfte, die ihm Kuno in einer unglüdlihen Fehde mit Johann von 
Wefterburg und zur Rettung aus der Gefangenſchaft erwiejen Hatte. 
Auch belehnte Kaifer Karl IV am 20. November 1371 Kunos Nach— 
folger Friedrih von Sarwerden mit der Grafſchaft. Dod nad dem 
Tode diejes Kaijer8 machte Johann bei dem jungen Nachfolger desjelben, 
Wenzel, neuerdings feine Anfprüce geltend, und diejer befehnte ihn am 
29. März 1379 wiederum mit Arnsberg, al3 einer ihm recht und 
redlich zugefallenen Grafjhaft. Nunmehr kam es zu einer wirklichen 
Fehde, die am 14. Februar 1381 durch Kuno von Zrier verglichen 
wurde: Friedrich trat Johann die Hälfte der Burg und Stadt Siegen 
und das Recht des Vorftreites zwifchen Rhein und Weſer ab. (S. 49.) 
„Die weiteren Vertragsbedingungen über Freigebung der Gefangenen, 
Scabenerfag wegen Raub und Mord und Aufhebung vrüdjtändiger 
Brandſchatzungen beweijen, daß die Fehde mit der damals gewöhnlichen 
Erbitterung geführt worden war." Indes jcheint Johann noch immer 
nicht gänzlich Verzicht geleiftet zu haben; denn es find noch Verträge 
aus den Jahren 1401, 1404 und 1420 vorhanden, in denen Johann und 
jeine Söhne die früheren Sühnebriefe unverbrüchlich zu halten geloben. 
Auch Liegen Anzeihen von einer neuen Fehde vor. Denn im Jahre 
1386 erjucdhte Graf Johann von Naffau den Herzog von Berg, ihm 
auf Grund des Landfriedens (von 1385) 40 Bewaffnete gegen die 
Brüder Henneke und Arnold Hake zu Walbdenftein zu enden, 
die ihm Dörfer und Höfe „binnen den Ederzäunen” (d. i. Hofzäune) 
gebrannt, genommen und dadurch den bejchworenen Landfrieden gebrochen, 
auch auf den Straßen Pfaffen und Kauflente beraubt hätten. Der hier 
genannte Arnold Hale zu Waldenftein ift ohne Zweifel der damalige 
Burgmann des gräflic-arnsbergiihen Schloſſes Wallenftein an der 
Wenne. Es ſcheint, daß Hake als Vafall des Erzbifcofes gegen Johann 
von Naffau feindlic aufgetreten war. Weiter ift zu vermuten, daß die 


Kämpfe um die Graffchaft Arnsberg. 121 


genannte Bergvefte in diefer Fehde zerftört ift, da fie fpäter nicht mehr 
erwähnt wird. !) 

Der Graf von Naffau war nicht der einzige, der nad) dem Beſitze 
der Grafjchaft trachtete. Bei der Kinderlofigkeit des Grafen Gottfried IV 
richteten fic natürlich die Augen des Grafen von Nietberg, defjen 
Haus ja ein Abzweig des Arnsberger Haufes war, auf die Grafſchaft 
Arnsberg. Dies wird außer Zweifel gejegt durch eine bisher nicht 
weiter becchtete Urkunde aus dem Jahre 1362, laut welder Graf 
Engelbert von der Marf ſich anheifchig macht, dem Grafen Konrad III 
von Rietberg nad) dem Ableben des Grafen Gottfried zum Befite der 
Graffhaft Arnsberg zu verhelfen.?) Konrad verpflichtet fich dagegen, 
ihm nad) Gewinnung diefer Herrihaft das Land Fredeburg u. a. ab» 
jutreten; ferner joll Konrad ihm geben 2000 Mark guter märkiſcher 
oder Dortmunder Pfennige, jo gut, daß 20 Scillinge eine Mark 
Silber8 im Feuer machen, wofür er ihm das Gericht Balve und Aslen 
zum PBfande geben joll ufw. 

Daß Graf Konrad in der That nad) dem Verkaufe der Graf: 
haft Anftrengungen und Verſuche gemacht hat, diefelbe mit oder ohne 
Hilfe des Grafen Engelbert an ſich zu reißen, dürfte aus einer fpäteren 
Urkunde zu jchließen fein, die zugleich beweifen würde, daß fid) diejer 
Kampf jehr in die Länge gezogen hat und erſt von Konrads Enkel zum 
Austrag gebradt if. Denn im Jahre 1403 befennt Dyderich Kette- 
ler, Amptmann to Arnsberge, daß er dem edelen Junker Conrade 
Greven to deme Netberge einen „ganzen, ftäten Frieden" für feinen 
gnädigen Herrn, den Erzbiſchof Friedrich, gegeben habe,?) der dauern 
jolfe, bis ihm etwa fein Herr zwei Monde vorher mit feinem befiegelten 
Briefe an den Pförtner zu Rietberg aufgejagt habe. 


Innere Schieffale der Grafichaft. Landfriedensichlüffe. 
Grafſchaft und Marichallamt. 


Noch che die Grafihaft vollftändig an das Erzftift abgetreten 
war, vollzog Kuno in derjelben die erften landesherrlihen Handlungen. 
Jeder Stadt und Freiheit wurden ihre Rechte und Privilegien er- 
neuert; jo auch der Stadt Arnsberg am 27. Juni 1369 (Seib. 
II, 802). Sn der bezüglichen Urkunde erwähnt Kuno, daß die Burg— 


1) Siche Arnoldi Gesch. der Oranien-Naſſauiſchen Länder I p. 214 f. 
Pieler in Blätter 3. nn. K. W. 1869, Seiſſenſchmidt ebendaf. 1868 ©. 89 ff. 

N Beitfchr. f. bat. G. und Alt. XV, ©. 279, (Rofenfranz). 

) ebenda ©. 287. 


122 Kurkölnifche Zeit. Fehde und Veme. 


männer, Vajallen, Stadtbewohner und Unterfaffen der Grafihaft Arns- 
berg der kölniſchen Kirche bereit3 den Treu- und Huldigungseid ge- 
leiftet hätten. Marſchall d. h. Statthalter des Erzbiidofes in Weftfalen 
war zu dieſer Zeit der letzte Graf von Arnsberg'), der vielleicht im 
feiner Stammburg wieder refidierte, wie eine für Arnsberg ausgeftellte 
Urkunde vermuten läßt (S. 85). Im März des nächften Jahres wurde das 
Marſchallamt Heinrih, dem Biſchofe von Paderborn, verpfändet, und 
am 9. März 1371 bekundet Kuno, daß er den Biſchof Heinrich von 
Paderborn auch zum Droften und Amtmann im Lande 
von Arnsberg eingefegt habe,?) daß diefer alfe Einfünfte durch einen 
Mentmeifter heben, alle Burglehen, fowie die Gulden der Gräfin davon 
zahlen folle ufw.?) „Burglehen“ erhielten ſolche Ritter (castrenses), 
die den Schu einer landesherrlichen Burg oder von Zeilen derjelben 
(Zurm,*) Thor) als Turm- und Thorwädter übernommen hatten. 
Kuno hatte alle Burgmänner des Grafen, wie auch deffen Amtleute in 
ihrer Stellung belaffen. Wegen ihrer Dienfte beim Erwerbe der Graf: 
Ihaft vermehrte der Erzbiſchff am 21. Januar 1370 mehreren jolchen 
Bajalfen ihre Lehen. Dem Kohannes Schürmann wies er 15 Ylorin 
(= 3 alte Mark), dem Wilhelm Quatterlandt gnt. Wunnemann zehn 
Florin zur Vermehrung ihrer Burglehen in Arnsberg zu. Dieje 
bewohnten wohl mit ihren Knappen einen Zeil des Sclojjes; wenig- 
ſtens waren fie für deffen Sicherheit und Inſtandhaltung verantwortlich.?) 
Im Dezember diefes Jahres ernannte Kuno den Ritter Rotger gut. 
de Kettler zum Befehlshaber der Burg Hachen, Heinrih Sturm zu 
dem des Schloſſes Hirfchberg, H. Wreden zu dem der Burg Everäberg. 


1) ©. 58. 

3) Fürſtenb. Mon. Pad. ©. 217 und Schaten berichten, daß Wennemar 
von Fürjtenberg 1371 mit der Marfchallwürde betraut fei (Seib. in Ledeb. 
Archiv VIS. 78) Dies kann nur für kurze Zeit gewwefen fein. — Urfprüng: 
(ih beſtand * Abſicht, für Arnsberg dauernd einen beſonderen Marſchall zu 
beſtellen; die Ämter verſchmolzen jedoch allmählich; in unſerer Samenung 
kann man die Spuren dieſes Prozeſſes verfolgen. 

9) Seib. II 813 u. Anm. 


+ Am 9. Sept. befam Wolf von Lüdinghaufen den Turm der Burg 
Neheim in Berwahrung. Er mußte ihn auf feine Kojten bewachen, ber: 
teidigen, in Stand halten und jederzeit von wenigjtens zwei Getreuen hüten 
lafien, von denen immer nur einer und zivar bei Tage den Turm wegen 
etwaiger Gejchäfte verlaffen dürfte; dafür erhielt Wolf 8 Mark jährliche Ent- 
ihädigung. — Eine größere Anzahl von Burgmännern läßt fich namentlich 
für Werl, Menden und Rüthen nachweifen. 

5) Seib. Urk. B. II 807 Anm. — 8. u. R.Geſch. III. 


Friedrich von Sarwerden. Landfriedensichlüffe 123 


In der Belehnung für Hachen heißt es, Kettler folle außer feinem ge- 
wöhnlichen Gefinde auf der Burg ftets in feiner Koft halten „tzwene 
getrume portnere, vunf getruwe Knecht”, die ſchießen können, die auch 
„mynes Hern Korn trumwelichen waren". Seine Einnahme beftand in 
36 Mark „as zu Arnsberg gange und geve iS", die der Furfürftliche 
Rentmeifter in Arnsberg ihm aus den Beben (S. 64) des Landes 
Arnsberg zahlen jollte. 

Während bdiefer und anderer NRegierungshandlungen Kunos war 
am 13. November 1370 Friedrih von Sarwerden zum Erz 
bifchofe von Köln gewählt. Derjelbe wurde am 20. November 1371 
von Kaifer Karl IV mit der Grafſchaft Arnsberg belehnt. Faſt gleich- 
zeitig erwirfte der neue Erzbifchof durd die VBermittelung des Biſchofes 
von Paderborn und im Bereine mit ben Bilchöfen von Münfter, Os— 
nabrüd („Oſembruge“) und dem Grafen Engelbert von der Mark für 
Woeftfalen, welches in „große unfriede” war, vom Kaiſer einen allge 
meinen Randfrieden, durd den insbefondere die Landleute und 
Reifenden geſchützt werben follten. Das Bild, welches Werner Rolewint 
aus Laer im Münfterlande in feinem zuerft 1488 gedrudten Bude Da 
laudibus antiquae Saxoniae seu nunc Westfaliae von dem Land: 
adel entwirft, dürfte bejonders auf dieſe Zeit paffen. 

Sie find, wie don altem, gutem Herfommen, fo auch von hohem jtatt- 
lihem Körperbau, von Natur gutmütig, ehrbegierig und fich untereinander 
treu ergeben. Nur die Not drängt fie zu Gemaltthaten. Hätten fie Geld 
genug, ihren Bedarf zu befriedigen, fie würden ihre Hütten nicht verlaffen, 
um auf Raub auszugehen. Aber Armut und Not verleiten fie zu vielem 
Übel. Sie verdrehen das Credo, verläugnen das Pater noster. Nicht ohne 
Thränen kann man diefe jungen Herren anfehen, wie fie für Kleidung und 
tägliches Brot kämpfend ſelbſt Galgen und Rad nicht fcheuen. Sie Halten 
für Ehrenpflicht, denjenigen, welchen fie etwas anhaben mwollen, vorher Ab- 
fagebriefe zu fenden. Iſt diefes aber gefchehen, dann dünkt ihnen alles gegen 
fte erlaubt und ehrenhaft. Blutdürftig find fie nicht und eben fo wenig be- 
gierig, Eoftbaren Aufwand zu maden. Nur das Notwendigſte ſuchen fie zu 
erlangen. Kaum aus der Wiege, ſchon mit fünf Jahren, werden fie hohen 
Pferden auf die Sättel gebunden. Bald zu guten Reitern geworden, machen 
einige ſchon Kleine „Reifen“, andere legen fi, nachdem fie gegefien, zu Bette. 
Die Heinen Buben werden ohne Weiteres auf ftinkigen Mift gemwiefen, two fie 
ihlafen, bis fie der Stallfneht zum Aufitehen mwedt, wo fie dann equorum 
urina madefacti, egestis cooperti, morsibus exanimati, ictibus laesi, von 
dem Hausjunfer geprüft werden, ob fie einige Fortfchritte im Waffenhandwerfe 
gemacht haben. Sie werden gefcholten, geprügelt und überaus hart gehalten, 
indem man verlangt, daß fie das Unglaubliche leisten Sollen. Nicht viel beſſer 
geht es an den Höfen der Fürften und Herren zu. Sind fie ſtärker geworden, 
jo werden fie zum Dienjte mit Schild, Schwert, Bogen und Lanze gezwungen. 
Kehren fie aus dem Kampfe als Sieger zurüd, fo ift es gut; werden fie ge— 


124 Kturkölnifche Zeit. Fehde und Behme. 


bangen, fo hat das eben auch nichts zu bedeuten. Nur vornehmeren Herren 
wird der Tod durchs Schwert als Auszeichnung gegönnt oder das Rad 
ſolchen, deren Gottlofigkeit e8 verdient. Sie pflegen daher zu fingen: 


Ruten roven dat en is gheyn Schande, 
Dat doynt de Beiten van dem Lande; 
wogegen die Bauern ermwidern: 
Hangen, raden, Eoppen, jtefen iß gheyn Sunde; 
Were dat nit, wy en behelden niet im Munde. 

Der genannte Yandfriede beftimmte u. a., es follten nad) Datum 
dieſes Briefes alle Kirchen, alle Kirhhöfe, alle Hausleute und ihr ganzes 
Gut fiher fein, auch der Pflug mit den Pferden und zwei Leuten, die 
ihn bewahren, während fie pflügen und adern; desgleihen alle „wilden 
Pferde” (S. 11), ferner alle Kaufleute, Pilger und geiftliche Leute mit 
Leib und Gut „off den Strazzen für unrechter gewalt“. Eine bejon- 
dere Bedeutung hatte diefer Ranbdfriede für die Macht der Vemegerichte, 
da fie durch denfelben gewifjermaßen zu Landfriedensgerichten erhoben 
wurden. (S. 135 f.) 


Diefen Landfrieden nun verdanfte Wejtfalen nicht fo jehr feinem 
eben erft gewählten neuen Landesherrn al8 dem Biſchofe von Paderborn, 
Heinrich Spiegel vom Defenberg, der, wie oben erwähnt, Marſchall 
von Wejtfalen und Drofte der Grafichaft Arnsberg war.!) Friedrich 
von Sarwerden ließ ſich währenddem bereits in Weftfalen huldigen. 
Im Dezember 1371 hielt er in Arnsberg einen allgemeinen Lehns— 
tag ab.*) 

Im folgenden Jahre wurde der Landfriede erneuert und mit 
einigen Zufägen verfehen. Der Kaijer, erflärt Erzbiſchof Friedrich, habe 
dem Lande eine Gnade und ein Recht gegeben — e8 folgen die Be- 
ftimmungen des Landfriedens — und da er (der Erzbiſchof) nicht immer 
perfönlic in Weftfalen fein könne, habe er ſich mit Bifhof Heinrich und 
alfen weftfälifchen Herren und Städten, die hinzutreten möchten, ver— 
bindet, das vom Kaiſer gegebene Recht treulich zu halten. Er gebietet 
feinen Städten Soeft, Arnsberg, Werl, Neheim, Brilon, Eversberg, 
Geſeke, Attendorn und allen Schlöffern, Städten, Burgmannen ufw., 
fie jollten nimmermehr einem Erzbifchofe, Marjchall oder Amtmanne 
huldigen, als bis fie dasſelbe Recht beſchworen hätten. 


ı) Schon Kuno hatte ihm bei der Übertragung des Amtes die Ruhe 
und Ordnung der Provinz befonders anempfohlen. 

2) Seibertz, Urf. II ©. 524 f. Anm.; eb. Nr. 825; am 4. Dezember 
beftätigte er die Rechte der Burgmannjchaft in Werl. 


Friedrich v. Sarwerden. Berpfändungen des Marjchallamtes. 125 


Hier feien kurz die weiteren Schidfale des mweitfälifchen Landfriedens 
erwähnt, für den Friedrich und fein Marichall Heinrich) fo rühmlich eintraten. 
Im Jahre 1385 vereinigte der Erzbifchof faſt alle geiftlichen und weltlichen 
Fürſten und Städte Weftfalens zu einem gemeinen Landfrieden zu dem 
Zwecke, das Fehderecht!) fo zu befchränken, daß dadurch die Sicherheit aller 
friedlihen Perfonen nebjt ihrer Habe nicht gefährdet werden könne. Es 
jollten ficher fein alle Wagen und Starren mit zwei Leuten, nebft Gejpann 
und Inhalt, alle Feldarbeiter, Weingärten, Hopfengärten, Jäger nebjt Hunden 
und Fagdgerät, jeder Mann innerhalb feines Zaunes oder auf dem Kirch— 
gange. Für diefe Sicherheit mußten die Unterthanen aber Abgaben leijten. 
Ein „Landvogt” machte über die Handhabung des Landfriedens. Indes 
führte Eiferfucht im folgenden Jahre zu einem Sonderbunde mehrerer Macht- 
baber; und — am 10. März 1387 hob der neue König Wenzel den weſtfä— 
liſchen Landfrieden, mit dem „jegund groffes Geverde gejchieht, getriben und 
gefurt wirdet”, wieder auf!!?) 


Die Geldnot des Erzbifchofed. Verpfändungen des Marichallamtes. 

Wenn fhon die Kämpfe um den Befit der Grafichaft Arnsberg 
und die Raufluft der Yunfer das Land in ftäter Bedrängnis hielten, 
jo trug die immerwährende Geldnot des Landesherrn und die durd) 
diefelbe veranlaßten fortgefetten Berpfändungen des Marjchallantes 
nicht wenig dazu bei, den Wohlftand der Bevölkerung zu mindern und 
die allgemeine Unficherheit in allen Verhältniffen zu mehren. Schon 
im Jahre 1373 richtete der Erzbifhof an fämtliche Ritter, Kappen, 
Bajallen, Burgmänner, Städte und Unterthanen des Marjchallamtes 
Weftfalen, der Grafichaft Arnsberg und des Amtes Waldenburg das 
dringende Erſuchen, es möchte jeder, der zwölf Jahre und darüber alt 
fei, zur Bezahlung der Schulden, die beim Anfaufe der Grafichaft 
Arnsberg gemacht wären, zwei alte Königstournofen?) beitragen. Wenn- 
gleich die Unterthanen diefe Beiſteuer bewilligten, fo war der Erzbiſchof 
doch nicht imftande, die an den Biſchof Heinrid) von Paderborn ver- 
pfändeten Ämter eines Marfchalles von Weftfalen und von Arnsberg 
wieder einzulöjen. Das Marſchallamt von Arnsberg wurde an Heiden- 
rei von Der weiter verpfändet, das andere Amt blieb in Heinrichs 








) Um eine Fehde zu beginnen, ohne die herrſchenden Rechtsanſchau— 
ungen zu verlegen, bedurfte e8 nur der fürmlichen Abjage (diffidatio) an 
den Gegner. Bgl. Rolewink ob. 

2) Lindner, ©. 457. Seiberk, Urk. Nr. 875. 

») Etwa 15 Rmk., in der franzöfifchen Stadt Tours geprägt als 
„Srofchen” (von grossus, di), für die fehr dünn gewordenen Denare. Die 
Livre tournois bildete die Einheit des franz. Münzweſens bis 1795, wo der 
Frank fie verdrängte. 


126 Kurköfnische Zeit. Fehde und Vene. 


Händen. Am 23. Februar 1376 lieh die Stadt Soeft dem Erzbijchofe 
2000 Gulden, damit er das Yand Arnsberg von Heidenreich zurüd- 
laufen könnte. Der Erzbiihof gab das Verſprechen, es jollte das 
Marſchallamt von Arnsberg und dasjenige von Weitfalen niemals von 
einander getrennt werden und das erjtere niemals wegen etwaiger Geld— 
not des Erzbifchofes oder feiner Kirche verpfändet werden, bevor nicht 
jene 2000 Goldgulden richtig und voll zurücgezahlt feiern. Im folgen- 
den Jahre wurde aud) das Marſchallamt von Wejtfalen wieder eingelöft. 

Auf Biſchof Heinrich folgte Gotthard, Herr zu Wevelinghofen, 
als Marjchall.) Als diefer 1381 refignierte, ſah ſich der Erzbifchof 
durch neue Geldverlegenheiten genötigt, das vereinigte Marjchallamt 
Weftfalen und Arnsberg wieder an Heinrid v. Der für 6000 Gulden 
zu verjegen, der dadurch auf jehr kurze Zeit Marſchall wurde. Bereits 
am 16. Juli diefes Jahres bradte Simon II, Graf von Stern- 
berg, Bifhof zu Paderborn, durd Zahlung jener Summe das 
Amt an fih. ES jcheint jedod, daß die Grafſchaft Arnsberg wenigftens 
teilweife von der VBerpfändung befreit war; denn am 1. Sept. dieſes 
Kahres wies der Erzbiſchof Friedrih feinen Amtmann in Arns— 
berg, Johann Shuyrmann, Propft zu Soeft, an, Stadt und Burg 
Eversberg dem Heidenreich v. Der zu überliefern, für den Fall, daß 
er, der Erzbifchof, jäumig fein follte in der Zahlung des jenem ver- 
brieften Unfoftenerjages von 10500 Gulden, die v. Der gegeben habe 
zu dem Kriege des Erzbijchofes mit dem Grafen von der Marf, ber 
Stadt Köln und ihren „Helperen“, den Grafen von Kleve, Naſſau ufw. 

Biihof Simon wurde als Marfchall in viele Kriege verwidelt, 
geriet dadurd in Schulden und verpfändete num feinerjeit8 wieder Städte 
und Sclöffer in feinem Amte. Am 16. November 1382 trat er gegen 
Rückempfang des vorgefchoffenen Pfandihillings das Amt dem Erz- 
bijchofe wieder ab, jo jedoch, daß 3700 Gulden ftehen blieben. 

Die Namen der nachfolgenden Marſchälle unter Friedrich find:?) 
Nütger von Brempt, Kohann von Plettenbracht (1388), Theodor von 
Kettler, Präfeltus in Arnsberg (1388—1409), Adolf Jonghertzoge zom 
Berge, Engelbert Graf v. Nafjaıt. 


1) Ledeburs Ardiv a. a. O. ©. 81. 

) ©eib. in Ledeburs Ardiv a. a.D. Ob die Namen und die Reihen 
folge überall richtig find, kann ich nicht feititellen. Falſch ift die (nad) von 
Steinen und anderen) gemachte Angabe, daß auf Engelbert von Nafjau 
Johann von Haßfeld gefolgt fei, der nad von Steinen zulegt den Titel 
Marſchall (bis 1443) geführt hat; diefer war 1461 und fpäter Marjchall. Der 
Titel Landdroft erfcheint zum eriten Male 1486, 


Friedrich von Sarwerden auf Schloß Arnsberg. 127 


Beſuche des Erzbifchofes Friedrich in Arnsberg. 


Es liegt eine Anzahl von Daten vor, die zeigen, daß jchon der 
erfte neue Landesherr, der ſich auch zuerjt Herzog in Weftfalen nannte, 
Arnsberg als feine Reſidenz betrachtete. Aus den Urkunden läßt fich faft 
für alle Jahre feiner langen Regierung der Beſuch Arnsbergs nachweifen, 
jo für die Jahre 1371, 1374, 1375, 1377, 1379, 1381, 1382, 1383, 
1384, 1385 (20. Yan., 31. Mai) 1386 (1. Nov.) 1388 (7. Dez. u. f.), 
1389, 1390 (19. Oft.), 1391, 1392 (19. Dez.), 1393, 1394 (FFebr.), 
1396 (24. März u. ſ.) 1397 (Epiph.), 1398, 1399, 1400 (28. März), 
1403 (9. Okt.) 1405 (8. Juli), 1406 (13. Jan.) 1410, 1411 (9. 
Jan.), 1412.?) 

Don den Regierungshandlungen, die der Erzbifhof in Arnsberg 
borgenommen hat, gewähren außer den bereits dargeftellten noch folgende 
einiges Intereſſe. Einige andere Geſchichtsdaten find angejchloffen. 

1381 am 7. Juli belehnte er Anton von Reyden d. i. Reigern (im 
Nöhrthale) mit den Gütern feines Vaters. Am 28. Yuli (der Erz- 
biihof hielt damals aljo längere Zeit in Arnsberg Hof) übergab er 
Wilhelm Frejefen ein im Kriege mit dem Grafen von der Marf neıt- 
gebaute8 Burghaus in Neheim („tujhen Schungells Hus und dem 
Sale"). Am leiten dieſes Monats Hatten der Nidhter Konrad Wolderinc 
von Rüden und die DVürgermeifter und einige Bürger dieſer Stadt 
eine Audienz beim Erzbifchofe in castro Arnsbergh, um in Gegenwart 
hoher geiftlicher und weltliher Zeugen in feierlicher Weife zu befunden, 
daß die Appellationen vom Gericht in Gefefe wie von allen anderen 
Heineren Städten Weftfalens an das Gericht in Rüden gingen.?) 

Im November 1382 und ebenjo im Jahre 1383 ftellte der Erz- 
biihof in Arnsberg Lehnsbriefe aus. ALS er hier am 20. Yuli 1384?) 
den Ambrofius von Bulleren zum Burgmann in Eversberg bejtellte, 
war u. a. Rutghere (Rötger) von Breemt, Drofte zu Arnsberg, zugegen. 
Diefen nennt der Erzbifchof in einer Urkunde des Jahres 1382%) „unfer 
Spender" (Schenk). Am 14. Sept. 1385 vergleicht Bremt in Arnsberg 
al8 „marjcale to weſtfalen“ eine Streitfadhe wegen des Marfzehnten in 
Kalle.) Er vereinigte aljo das Marſchallamt von Weftfalen und das 
Droftenamt in Arnsberg in feiner Hand und refidierte in Arnsberg. 


1) Bol. nam. die Anm. in Seiberg Urk. zu den NN. 484 und 7%. 
Brunabend, Attendorn, ©. 227. 

2) Geibert, S. 624 u. NN. 850, 851. 

®) Aus dem M. 9. 

*) Geibert, Nr. 860. 

6) Seiberk, Nr. 871. 


128 Kurkölniſche Zeit. Fehde und Veme. 


1391 auf Simon und Juda reverfiert die Stadt Arnsberg, daf 
jie auf Stiftung des Erzbijchofes Friedrich ein ewiges Licht zu Weding- 
haufen zu Ehren Unferer Lieben Frau unterhalten joll. 

1394 ordnete Friedrid ein Sciedsgeriht an zur DBejeitigung 
der Uneinigfeiten, die zwiſchen Stadt und Klofter über Gerecdhtjame in 
der Mark entftanden waren. Die Schiedsmänner Joh. Schuyrmann, 
Propft zu Sort, Wild. Frejefen, Kanonifus zu Münfter, Heinrid von 
Olpe, Bropft zu Meſchede, ftifteten, einen Vergleid auf 24 Jahre. 
(Vgl. ©. 84). 

1398 Regenhard Ulshower juder (Richter) zu Arnsberg. 

1400 Johann Clauwes jworen wertlihe Richter myns Heren 
van Colne in der zyd to Arnsberge ind in dat gerichte to Arnsberg. 

1403 do man jchreyff 1403 — do woch ein pennich8brodt jo 
ſchwer als ein Erz (Stangefol ©. 477). 

1404 den 24. Juli wurde gegen die zehnte Stunde in der Nacht 
dahier ein ſtarkes Erdbeben gejpürt. (Hüfer, Ehronif.) 

1406 Joh. Sobbe gnt. dey Gripper, Amtmann zu Arnsberg. 


Diedrich IT von Mörs. (1414—1463.) 
Shlofchronif bis 1434, 


Die Regierung Diedrichs IL, eines geborenen Grafen von Mörs, 
ift ohne Frage eine der merfwürdigften und wichtigften für die Ge- 
ſchichte Weftfalens im allgemeinen und Arnsberg im beſonderen. 

1414. Die erfte Urkunde, die Diedrih in Arnsberg ausgeftelft 
hat, Betätigung des Stadtrechtes für Menden,') ift vom 9. Yuni 1414 
datiert. Der neue Erzbifchof Hatte ſich demnach jchon im erften 
Sommer feiner Regierung ins Herzogtum begeben, noch ehe feine Wahl 
von Kaiſer und Papft beftätigt war.?) Er hatte an Wilhelm von Berg, 
dem „Elekten” von Paderborn (er hatte die Bijchofsweihe noch nicht 
empfangen), einen Nebenbuhler. Diedrid) fcheint feinen erften Aufenhalt 
auf dem Arnsberger Schloffe länger ausgedehnt zu haben. Denn am 
fetten des genannten Monates belehnte er den Edlen von Berinchujen. 
In feiner Umgebung befanden ſich damals die Herren von Lippe, Gott- 
fried von „Dradenvelg" und Johann von „Plettenbradht”.?) 


1) Seibertz, Urf. III ©. 501 Anm. 

2) Betätigung des Papftes Johann XXIM vom 1. Sept. 1414; des 
Kaijerd Sigismund vom 13. Dez. 1416. 

) Geiberk, Urk. TI ©. 522 Anm. 


Diedrich von Mörs. Erjte Regierungsjahre. 129 


Andere Lehen teilte Diedrich in Arnsberg am 25. November d. %. 
aus in Anweſenheit des Grafen Mürfen (Mörs), Salentin von Iſen— 
burg, Roilmann von Dadenberg, Ritter, Gerhard von Melre, Thürmwärter; 
wieder andere am 22. Dezember in Gegenwart des Ferdinand und 
Wilhelm von Fürſtenberg u. a. 

1415. Im November diejes Jahres wird der Ritter Wygand 
von Haetzfeld wegen feiner treuen Dienfte gegen das Erzftift umd 
den Erzbiſchof und weil er fein Schloß und feine Stadt Haetfeld mit 
alfen Rechten und Zubehör ufw. dem Erzbifchofe zum offenen Schlofie 
gemacht hat, von Diedrih, Erzbiihof von Köln, zum Burgmann zu 
Arnsberg gemadt. Nachdem er für fi und feine Erben den Lehens- 
eid geleiftet, werben ihnen zugleih 24 Gulden Geld, alle Jahre auf 
St. Andreastag zu erheben, als ein Burglehen zu Arnsberg bewilligt, 
jedod auf Wiederlös mit 240 jchweren Gulden, wie er zu der Zeit zu 
Soeft gang und gäbe ift, wenn es beiden Zeilen gelüftet. Ein gleiches 
Lehen mit gleicher Verpflichtung empfängt dafür der Erzbiſchof auf 
Stadt und Burg Haekfeld. Gegeben Arnsberg im Jahre 1415!) 
Donnerstag nad) St. Elifabethstag (19. Nov.). 


1416. Als Wilhelm von Berg, Graf von Ravensburg, Biſchof 
von Paderborn (S. zu 1414), mit dem Domkapitel und der Stadt 
Baderborn in heftige fFehde geraten und von jeinen Feinden vertrieben 
war, wurde Diedrich v. Mörs vom Papfte Johannes mit der Adınini- 
ftration des Bistumes Paderborn betraut. Wilhelm, aller Hoffnung 
auf den Bijchofsftuhl beraubt, entjchloß fich, eine Ehe einzugehen, weil der 
Stamm Ravensburg zu erlöjchen drohte. Seine Wahl fiel auf eine 
Baſe des Erzbiichofes Diedrich, die jchöne Adelheid, eine Tochter des 
Grafen Nikolaus von Tecklenburg. Die Hochzeit wurde am 19. Febr. 
1416 auf das Glänzendfte in der alten Stammburg der Grafen von 
Arnsberg gefeiert.*) 


1417 erteilte Diedrich) dem Theodorich von Helden gt. Jagedüvel (Jagd— 
teufel) und anderen Bajallen Lehen. (Seibert Urk. I ©. 600, 614.) 


1419 wurde oh. von Lon (LXoen) vom Herzoge in Arnsberg belehnt. 
Der Kellner des Erzbifchofes in Arnsberg hieß Friedrich von Sarwerden. 


1420 teilte der Erzbifchof in Arnsberg Lehen am Tage nad) diviſ. S. 

—— (19. Juli) in Gegenwart des Arnold von Meldricke, Johann Wrede 

u. a. — In dieſem Jahre hielt er daſelbſt den erſten großen Kapitelstag. 
(S. Geſch. der Veme.) 


2) M. H. 
) Mersei, Catal. Episcop. Colon. p. III, Schaten II 372. 
Feaur, Geſchichte Arnöbergs. 9 


130 Kurkölnifche Zeit. Fehde und Veme. 


1421 am 9. Juni wird Hermann von Enhorft mit dem Hofe to En— 
horſt u. a. belehnt. In der bez. Urkunde Heißt es: „Wenn unferes Herren 
Jäger bei dem Hofe jagen und nächtigen, fo fol er fie mit den Hunden be- 
herbergen und beköftigen die Nacht, „jo dide und vafe a8 dat geſchut.“ Dt. 
unferes Herren „Bögeler mögen in den Hof taften und nehmen drei, bier, 
fünf oder fech8 Hühner zum Behuf der Habichte, warın ihnen das Not ijt.“ 
Anweſend waren Joh. von Plettenbracht, Gottfried Fürftenberg, Friedrich von 
Sarwerden. 

1423. Der Knappe Wygand von Haetzfeld empfängt dasſelbe 
Burgmannslehen zu Arnsberg, wie fein verſtorbener Vater 1415, und 
ſchwört das Burglehen treulich zu verdienen und zu bermannen, das Beite 
zu werben, das Ärgſte zu warnen und zu kehren und dem Erzbifchofe mit der 
Deffnung des Schlofies und der Stadt Haekfeld gehorfam zu fein ufm. Zum 
Beichen der Wahrheit bittet er feinen Freund Thomas von Osbeck, jein 
Siegel mit an diefen Brief zu hängen. Gegeben des Dienstages auf St. 
Thomastag (11. Dez.). 

Am 29. Sept. ſetzen Ritterfchaft und Städte des Marjchallamtes und 
der „Herscop vom Arnsberge” mit Genehmigung Diedrich eine Gefinde- 
ordnung feſt. (Seib. N. 921.) 

1424 am 11. Mai giebt Diedrich der Stadt Allendorf alle Rechte der 
übrigen Städte der Grafjchaft Arnsberg. Datum Arnsberg. 

1425 auf Oculi wird Hunold von Hanrlede mit einem Lehen in Böde- 
feld in Arnsberg belehnt. 

1426 am 7. Sept. hält ber Erzbifchof einen Kapitelstag in Arnsberg 
ab. (©. Geſch. der Beme.) 

1427 am 4. April verleiht der Erzbifchof der Stadt Schmallenberg ein 
Privilegium de non evocando gegen alle auswärtigen Richter. Datum Arns- 
berg. Bernard don Hörde!) war Droft zu Arnsberg, Joh. Bommel 
Kellner (Verwalter der kurfürſtlichen Gefälle, Rentmeifter; fpäter Ober- 
fellner) daſelbſt. 

1430 am 20. October übergiebt Diedrich II dem Gotthard von Mejchede 
die wüſte Hofjtatt zu Almen auf 50 Jahre miederlöslih. Datum Arnsberg. 

Am 22. Dctober giebt Diedrich IT der Stadt Balve Arnsberger 
Recht. Geben zo Arnsberg. Er bekundet, „um großen Schaden zu ver- 
hüten, der unferem Rande von Arnsberg vormals gefhehen ijt 
und nod) gejchehen möchte in zufommenden Zeiten, habe er eine Feſtung und 
Stadt zu Balve gemacht und diefe Stadt begnadet und ihr Freiheit gegeben, 
daß alle die jegt darin Wohnenden oder zufünftig dahin Kommenden „Arn$- 
berger gerihtes und rechtens“ gebrauchen follten; das ift zu willen, 
wann an ihrem Gerichte zu Balve e8 gebredhe an Urteilen, daß fie das in 
Arnsberg holen follen. Doc, follen die Bürgermeifter, Rat und Gemeinheit 
der Stadt Balve binnen den drei nächſten Jahren von unfern zubehörigen 
Leuten niemand in die vorgen. Stadt aufnehmen, es fei denn mit Wiffen 
und gutem Willen unfer und unferes Amtmanns und unferes Kellner zu 
Arnsberg..... 


) Als Amtmann in Arnsberg bis 1438 nachzuweiſen. Auf ihn folgte 
Ailf von Halle, auf diefen oh. v. Scheidingen. S. Soeſter Fehde. 


Befchichte der Bene, 131 


Sie mögen einen Bürgermeifter und Rat ſetzen nad) Gewohnheit derer 
bon Arndberg. Ferner mögen fie alles das richten, was brüchtenfällig wäre, 
in Wegen und Straßen binnen der Stadt und binnen der Feldmarf. Des 
Montags, warn Markttag ift, foll jedermann, der feine Kaufmannjchaft jucht, 
ficher fein von des Sonntags zur Befper-Beit an bis Dienstag Mittag in 
allen Wegen unferer Stadt vorgenannt. Wenn ihr Jahrmarkt ijt, jo ſoll jeder, 
der jeine Kaufmannſchaft jucht und bringt, drei Tage vorher und nachher ficher 
und velich jein” ꝛc. 

1434. Goddert von Haekfeldt, ein Bruder des oben genannten Burg— 
hauptmannes, und diejer werden zufammen mit dem Burglehen zu Arn$- 
berg belehnt in Gegenwart der erzbiichöflichen Räte Bernard van Hörde zu 
Arnsberg, Friedrih) von Sarwerden zu Andernad, Henede von Hanxlede 
zu Brilom und zum Kogelnberg, Amtsleuten und Hunold von Hanrlede, 
Gegeben Arnsberg 1434 des nächſten Gudenstages nad) St. Andreas 
(10. Nov.). 

Am 18. November erneuert und betätigt Erzbifchof Diedrich IT den 
Sälzern zu Werl ihre alten Rechte und Privilegien, da ihnen die früheren 
Briefe verloren gegangen. „Gegeben 30 Arnsberg” in Anweſenheit vieler 
Edlen, Grafen, Amtleute und Sälzer, darunter Bernt von Hörde, Amtmann 
zu Arnsberg, Hermann Lilie, Bürgermeifter und Sälzer, Diedrich Lilie, Sälzer. 

Am 4. December 1434 verlegte der Erzbiihof das geiftliche 
Obergeriht im Herzogtum, das jogenannte Offizialatgeriht mit Offi- 
zial, Siegler, Advofaten, Profuratoren ufw. von Arnsberg nad 
Soeſt, um fi diefer Stadt gefällig zu erweifen. Nach der Soefter 
Fehde wurde es von dort dauernd nad) Werl verlegt. In Arnsberg 
hatte es nicht lange bejtanden; denn der Kurfürft jagt in der Urkunde 
„.. . unſe geiftlife gerichte, dat my „eyne tydt (eine Zeit lang) in 
unjer Stad Arnsberg gehadt und noch hebben”. 

Die folgende Zeit, insbejondere das Jahr 1437, ift durch die 
Thätigfeit des Erzbifchofes am Arnsberger Freiftuhle ausgezeichnet. Um 
eine Vorſtellung von der Eigenart des Vemegerichtes und der Stellung 
Arnsbergs in der Geſchichte desſelben zu vermitteln, wollen wir zunächſt 
einen Überblick über die Geſchichte der Veme überhaupt zu geben ver» 
juchen. Hierbei werden wir vornehmlid Lind ners erfchöpfenden Dar- 
legungen folgen und öfters diejen gediegenen Forſcher felbft ſprechen laſſen. 


UÜberficht über die Geſchichte der Veme. 

In Feiner Gefchichte des Vemegerichtes kann der Name Arnsberg 
fehlen und umgekehrt wird eine Geſchichte Arnsbergs länger bei diefem 
eigentlmlichen Gerichte verweilen, welches der Stadt für alle Zeiten 
einen Plat in der Weltgefchichte gefichert hat. Wenn auch die neuere 
Forſchung jene Einrichtung des Mittelalters ihres ehemaligen Zaubers 
entfleidet hat und vor dem müchternen Blicke des Forſchers die ver- 

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132 Kurkölnifche Zeit. Fehde und Veme. 


mummten, gejpenfterhaften Geftalten, da8 Grauen der mitternächtlichen 
Verhandlung beim heimlichen Fladern der Fackeln in bdüfterem Höhlen: 
gemache wie Nebelgebilde zerfloffen find, jo Hat doch thatſächlich das 
Wort „Veme“, aus Weftfalen erflingend, eine Zeit lang die ganze 
europäische Welt in Erregung gehalten, jo daß die Gejchichtserzähler nie 
mit Stillihweigen darüber Hinmweggehen werden; und Arnsberg war der 
Hauptfit dieſes Gerichtes, hier war der „Oberfreiftuhl”. Das Intereſſe 
jedoch, das unfere Gejchichte an der Veme nimmt, ift nicht allein durch 
diefen mehr zufälligen Umftand begründet, fondern auch dadurd, daß 
die Bürger der Stadt nad; Ausweis der Urkunden in hervorragenden 
Maße an den Verhandlungen des Oberfreiftuhles teilgenommen haben. 


Wenn man der alten Soeſter Strafe am Weſtabhange des 
Schloßberges bis hinter das legte Haus nachgeht, jo fieht man links 
eine enge, fteinige Gartenftiege abwärts führen. Sie heißt noch heute 
am „Friggen Staul“. Folgt man diefem Pfade etwa 150 Schritte, 
jo entdedt man linf3 eine mit Gras bewadjene Mulde: dieſe bildete 
mit dem darüberliegenden Garten die Gerichtsjtätte. Sie hat, durd) 
föniglihen Willen gejhütt, ihr urjprüngliches Ausjehen bewahrt. Es 
ift eine eigentümliche Stätte: zur Seite bewahren die Mauern und der 
epheugrüne Turm der Stadt ihren alten Plat, von droben jchauen 
ichwermütig die Auinen des Sclojjes hinab; aus der Tiefe tönt gleich« 
mäßig da8 Rauſchen der am Geftein ſich brechenden Ruhrwellen herauf, 
deren Lied einft dasjelbe war wie heute. So wirft hier alles zu- 
fammen, um im Geifte die Erinnerung an das vormalige Thun und 
Treiben an dieſer Stätte mächtig zu erregen. 


Des Arnsberger Freiftuhles „in dem Baumhofe unter der Burg 
an der Dleypforten” gefchieht bereit3 früh (zuerft im %. 1174) Er- 
wähnung. Seine Bedeutung erhielt es, wie die Vemegerichte überhaupt, 
im 14. und 15. Jahrhunderte, feine bejondere Bedeutung durd die 
Kurfürften, welche in dem Freigerichte ihrer weftfälifchen Reſidenz als 
Stuhlherren die wichtigften Kapitel abzuhalten pflegten. 


Die Beme- umd Freigerichte find eine fpezifiich-weitfäliihe Ein- 
rihtung, was am jchärfften darin jeinen Ausdrud gefunden hat, daß 
nach einer faiferlihen Bejtimmung überhaupt nur auf weftfälifcher Erde 
reigerichte abgehalten werden fonnten. Die eigenartigen Verhältniſſe 
Weitfalend hatten dieje eigenartigen Gerichte hervorgerufen; und als 
diefe durch eine eingreifende Thätigfeit die Aufmerkſamkeit der Welt 
hervorgerufen, befürchtete man, ihre Eigenart anzutaften, wenn man fie 
verpflanzte. Auch find die Verſuche, anderswo Stühle zu gründen, ohne 


Geſchichte der Veme. 133 


Erfolg geblieben. In Weſtfalen hatten im Gegenſatze zu andern Ländern, 
wo faſt nur noch die Adeligen ihre Freiheit behielten, die bäuerlichen 
Grundbeſitzer ihre Freiheit bewahrt, und dieſe bildeten den Kern der 
Bevölkerung. Sie waren Richter im Freigerichte, welches über freie 
Berjonen und freies Eigentum richtete. Was der Ausdrud „Veme“⸗ 
(oder „Fem“⸗)Gericht bedeutet, ift ftrittig. Seibertz leitet ihn von fama- 
Gerücht, „Beleume“ ab, es ift aljo ein „Verruf”-Gericht; nach Koftes- 
Lindner (S. 307) heißt es nichts als „Genoſſenſchaft“, Verbands. Gericht 
mit Hervorhebung des Gemeinfamen; am richtigften deutet den Namen 
wohl Schröder (Deutſche Rechtsgeſchichte S. 562) als „Straf-" oder 
Scharfgericht, da veme in der Bedeutung „Strafe“ feit dem 13. Yahr- 
hunderte bezeugt und die Hervorhebung der wichtigften Thätigkeit der 
Gerichte im Beftimmungsworte ſehr glaublich ift. ALS Stifter verehrten die 
Freigrafen mit feljenfefter Überzeugung Karl den Großen und ben 
Bapft Leo. Ein gefchichtlicher Kern liegt in diefem Glauben, injofern 
der Bann, unter dem die SFreigrafen richteten, der alte Königsbann war. 
Die Freigrafſchaft entwidelte ſich aus der Grafſchaft, das Freiding aus 
dem Grafendinge (S. 6), indem diejes einerfeitS wejentliche Beſchränkungen 
dur die Grafſchaft erlitt, andrerfeits alte nationale Elemente (die jähe 
Hinrichtung bei handhafter That, die Heimlichkeit) neu aufnahm. Seit 
ber Meitte des dreizehnten Jahrhundertes fing der Freiſchöffenſtand an, 
fih abzufhliegen und eigene Formen und Gebräuche einzuführen, welche 
er geheim hielt. Der Vemeeid entjtand. Die Freigrafen dehnten ihre 
Gerichtsbarkeit über die engen Grenzen der Sprengel aus. Auch außer 
dem Lande wurden Schöffen ernannt. Fürften und Herren aus Weit 
falen und den benachbarten Ländern bewarben fi) bei Karl IV um 
Freiftühle. Deren wachjendes Anfehen lenkte die Aufmerkjamfeit der 
Kölner Erzbiſchöfe auf fih; fie fuchten eine Oberftellung über alle 
Stühle im Herzogtume zu erlangen. Ehe wir verfolgen, wie ihnen bies 
gelang, wollen wir die Einrichtung des „heimlichen Gerichtes" im Zu- 
ſammenhange furz erörtern. 


Die Einrihtung der Veme. 


Der Freijtuhl, an dem das Gericht gehegt wurde, war gewöhnlid) ein 
Hügel, jedenfalls aber ein offener und allgemein befannter Ort; die Zeit des 
Berichtes war der helle Tag. Stuhlherr hieß der Eigentümer und Patron 
des Gerichtes, meiſt Yürften, auch Städte. Freigrafen waren die bon den 
Stuhlherren ernannten Borfigenden des Gerichtes. Die Freigrafen hatten 
meiftens mehrere Stühle unter fi. Sie wurden gewählt aus Freifchöffen 
oder Wiffenden (Veme-noti), den Mitgliedern des Vemebundes. Jeder Deutfche 
bon freiem Stande, ehelicher Geburt und unbefcholtenem Rufe konnte aufge— 
nommen werden. Die Aufnahme erfolgte vor einem Freiftuhle „auf roter 


134 Kurkölnifche Zeit. Fehde und Veme. 


Erde”. Der Aufzunehmende mußte, wie das Arnsberger Kapitel von 1490 
(j. u.) lehrt, Enieend, die linfe Hand auf zwei kreuzweiſe gelegten Schwertern 
und dem Stride des Freigrafen, ſchwören, „de Beihme hemlid (Heimlich) 
tho holden vor Wief und Kind, Sand und Windt”. „Wäre es, daß ein 
Freifchöffe die Heimlichkeit und Loſung der heimlichen Acht oder irgend etwas 
davon fagte, den follen die Freigrafen und Freifhöffen greifen underklagt, 
und ihm feine Hände vorn zufammen und ein Tuch vor feine Augen binden 
und ihn auf feinen Bauch werfen und ihm feine Zunge hinten aus dem Naden 
winden und ihm einen dreiftrömigen Strid um feinen Hals thun und ihn 
fieben Fuß höher hängen als einen verurteilten, vervemten, millethätigen 
Dieb.” Diefer Hall des Bruches der Heimlichkeit und feiner Beftrafung kam 
laut einer urkundlihen Angabe in Arnsberg einmal vor. Die Lofung, die 
jo ftreng geheim gehalten twurde, war: „Strid, Stein, Gras, Grein“ 
(8. 8. G. G.); ihre Bedeutung ijt ebenfo unflar wie die des „Notwortes“: 
„Reinir dor Feweri“, das „Carolus Magnus der heimlichen Acht gejeiven 
hat”, Der heimliche Schöffengruß bejtand darin, daß der anfommende Schöffe 
jeine rechte Hand auf die linke Schulter des anderen legte und fagte: „Ed 
grüt ju, lewe Man, — Wat fange ji hi an?“ Hierauf erwiderte der 
Gegrüßte, die rechte Hand auf des andern linke Schulter legend: „Alles 
Glüd kehre in, — Wo de Fryenſcheppen fyn! Der Freifhöffe Hatte 
als Kläger und Bellagter Zutritt zur heimlichen Acht und zu den Kapiteln. 
Freiſchöffe zu fein, ſchützte mehr, als kaiſerliche Schußbriefe; daher der Zudrang 
zu dem Bunde der Veme. Zum offenen Gerichte konnte jeder Freie er- 
jcheinen. Ueber die Zuftändigkeit der Veme zur Zeit ihrer Blüte überhaupt 
und über die befonderen Aufgaben des offenen und heimlichen Gerichtes wird 
der unten mitgeteilte Tert der Arnsberger Reformation Auffhluß geben. 
Wenn die Unterfuhung ergeben hatte, daß eine Sache „fembroge” jei 
d. h. vor das Vemegericht gehöre, fo wurde der Angeflagte, war er nicht 
wiſſend, vor das offene Gericht; war er wifjend, vor das heimliche Gericht 
zur Verantwortung geladen. (Ueber die Borladung f. d. Arnsb. Reform.) 
Den Borfig übernahm der Freigraf. Vor ihm auf dem Tifche lag ein entblößtes 
Schwert und ein mweidengeflochtener Strid (Wyd). Um ein „heimlich Gericht 
unter Königsbann zu hegen und zu fpannen“, mußten wenigjtens fieben 
Schöffen aus dem Gebiete der Freigraffchaft anweſend fein ; die übrigen Schöffen 
und Freien bildeten den Umftand (vergl. Grafengeriht ©. 6). Die Chöffen 
teilten jich in zwei Banken; zur erjten gehörten die fchildbürtigen oder ritter- 
lien Schöffen mit Waffen und Schild; zur zweiten die bloß „echten und 
rechten‘. Die Sitzung wurde dadurd eröffnet, daß der Freigraf den Frohn— 
boten (der die Aufträge der Fyreigrafen zu vollziehen und Drönung zu halten 
hatte) fragte, ob es wohl am Tage und an der Zeit fei, am Stuhle des 
Kaifers oder Königs ein Gericht unter Königsbann zu hegen. Nachdem dies 
bejaht war, fragte der Freigraf, wie viel Schöffen am Gerichte fein follten und 
wie der Stuhl bekleidet fein ſollte. Waren auch diefe Fragen beantwortet, 
fo wurde das „Gericht gebannt” oder „die Bank gefpannt”. Kläger und An— 
geflagter Eonnten fi dur einen Profurator, welcher Freiſchöffe fein 
mußte, vertreten laffen. Dem Angeflagten wurde die Anklage vorgelegt und 
er alsdann zur Verteidigung aufgefordert. Diefe konnte er auch durch einen 
Fürſprecher führen lafien. Bei Hinlänglicher Kaution Fonnte ihm ein Königs- 


Einrihtung der Beme. 135 


tag, d. i. eine Gnabenfrift von 6 Wochen 3 Tagen gegeben werden, fallö er 
den Kläger zu befriedigen verfprad. Als Beweismittel diente der Eid. Der 
Wiſſende genoß in den ältern Zeiten das Kecht, fi) durch einen einfachen 
Reinigungseid von der Anklage zu befreien. Später ſchwur der Ankläger ihn 
bon zwei Eideshelfern unterftüßt. Diefer Eid wurde vom Bellagten mit ber 
Unterftügung von 6 Eideshelfern überboten. Der Kläger konnte nun 12 
Eideshelfer heranziehen; ſchließlich fiegte der Beklagte, wenn er 20 Eides- 
helfer hatte. 

Nach der Bemweitaufnahme beauftragte der Freigraf auf die Bitte de 
Klägers um ein gerechtes Urteil einen Freifchöffen mit der Yindung defielben. 
Rahm diefer die Aufforderung an, fo befpradh er ſich mit den Lmftehenden- 
War die Beratung beendet, jo fehrte er mit dem gefundenen Urteile an den 
Freiftuhl zurüd. Wenn das Urteil verdammend war, jo war die gewöhnliche 
Strafe!) der Tod dur den Strang; an einem Baume, nicht an einem 
Galgen, wurde der Berurteilte von den Freifhöffen aufgefnüpft. War der 
Angellagte troß gehöriger Borladung bis 3 Uhr Nachmittags nicht erjchienen, 
jo beteuerte der Kläger knieend und das Schwert berührend eidlich die Wahr- 
heit feiner Anklage, worauf der Freigraf die Vervemung fprad: „Ich 
nehme den Angefiagten aus allem Frieden und fee ihn aus allen Frei— 
heiten, Frieden und Rechten in Königsbann und Wette (Wedde — Strafe; die 
Königsmwedde ift der Tod) und den höchſten Unfrieden und Ungnade und 
made ihn unmürbdig, achtlos, rechtlos, fiegellos, ehrlos, friedlos und unteil- 
baftig alles Rechtes und verführe ihn und verbeme ihn und fee ihn hin 
nad) Sakung ber heiligen Acht und meihe feinen Hals dem Stride, feinen 
Leihnam den Tieren und den Bögeln in der Luft, ihn zu verzehren” uſw. 
Darauf warf er den Strid aus den Schranken des Gerichtes; die Schöffen 
jpieen aus, und des Berurteilten Name ward in das Blutbuch eingetragen. 
Der Ankläger erhielt eine mit fieben Siegeln verfehene Urkunde. Das Urteil 
ward geheim gehalten. „Auf den Angeflagten warteten jeßt viele taufend 
Henfersfnedhte, um ihn an den Baum zu fchaffen.” 


Abweichend war das Berfahren der Beme bei „handhafter That“; 
d. h., war ein Thäter auf frifcher That mit „habender Hand“ (bei der 
Ausübung) oder „blinfendem Schein“ (unter beweifenden Umftänden, 
3. B. bei offener Wunde des Erfchlagenen) oder „gihtigem Munde” (unter 
Geftändnis der Schuld) von mindejlens drei Schöffen ertappt, fo konnten 
ihn diefe ohne weiteren Prozeß ergreifen und hinrichten. Dabei galt auch 
der Berbreder, den man noch auf der Flucht einholte, der Dieb, in deſſen 
Gewahrjam man die gejtohlenen Saden fand, für bei „habender Hand” 
überführt. 


Bald nad) dem Übergange der Grafſchaft Arnsberg an Köln gab 
der Landfriede, welchen Kaifer Karl IV im Jahre 1371 für Weftfalen 
erließ (S. 123), den Freigerichten Kraft, Nahrung und Auf, zumal er 
im Verfahren und in der Strafe diefen fo ähnlich) war, daß Landfriede 


Y) Aber doch nicht die ausſchließliche. ES gab doch auch Geldftrafen. 
Wie konnten überhaupt Korporationen, 3. B. Städte, anders beftraft werben? 


136 Kurkölnifche Zeit. Fehde und Veme. 


und Veme faft für identifch galten. Der Landfriede beftimmte nämlich, 
daß „wenn jemand auf der That (des Friedensbruches) ertappt wird, 
jo ift das fo gut, als wenn er gerichtlich vor Öffentlichen oder heimlichen 
Gerichten überführt und rechtlos erklärt wäre”. Er ſoll jofort gehängt 
werden, und jeder, der zugegen ift oder unter Königsbann dazu gerufen 
wird, joll ihn hängen. Man ſoll ihn fofort bei der That (zu Stunb 
mit der Thate) in des Reiches und des Landes Adıt und Veme thun. 
(Lindner 448). „Lebt erft drang die Kunde von dem DBeftehen der 
Veme in weit erentfernte Gegenden." Schon im nächjften Jahre erlangte 
der Erzbifhof Friedrih von Köln ein wichtiges Zugeftändnis, indem 
der Kaiſer verordnete, daß niemand im Herzogtume Wejtfalen Yreigraf- 
haften haben und ausüben dürfte ohne Wiffen der Erzbijchöfe, welche 
den Redtstitel zu prüfen hätten (Lindner S. 414). Derjelbe Erzbiſchof 
erlangte unter Kaifer Wenzel (1378—1400) am 15. Yuli 1382 das 
Recht, feine Freigrafen jelber zu belehnen, da die Schwierigkeit, 
zum Könige zu gelangen, oft verjchulde, daß die erledigten Stühle nicht 
befegt würden. König Ruprecht (1400—1410) beſchied im Jahre 1408 
mehrere Freigrafen (aus Volmarftein, Valbert, Hamm, Wilshorft) nad) 
Heidelberg, um fi über das ftaatsrechtliche Verhältnis der damals ehr 
gefürchteten Vemegerichte durch gründliche Belehrungen aus dem Munde 
Wiffender aufzuklären. Dieje Fragen wurden fehriftlicd überreiht und 
chriftlih beantwortet. Die „Ruprechtſchen Fragen" find das ältefte 
Altenſtück über die Vemegerichte, das die Kraft eines Weistumes (Rechts— 
quelle) erhielt (bei Lindner S. 212—220). Eine der ragen lautete, 
ob ein römischer Kaifer irgendwo anders als in Weftfalen Schöffen 
machen fünne, wenn er drei oder vier Schöffen bei ſich habe. Die 
Antwort verneint das („Das er das nit getum muge von rechtes wegen 
noch tun jolle”). Seitdem galt es für Negel, daß nur in Weftfalen 
Schöffen gewählt werden fünnten „auf roter Erbe”, wie zuerft ein 
arnsbergiſches Weistum von 1490 fagt, wobei rot auf die vielfad rote 
Erde des Nothaargebirges zu deuten iſt. (Eeiberk, Lindner; gegen 
Pieler = räue, rohe Erde!) — Erzbifhof Dietrih von Mörs, ein 
„Dann von Ehrgeiz und rühriger Unternehmungstuft”, joll glei bei 
der Krönung des Königs Sigismund (1410—1437) erreicht haben, dag 
ihm dieſer die heimlichen Gerichte unterftellte. ine weitere wichtige 
Vollmacht erteilte er ihm wegen feiner Verdienfte in den Huffitenfriegen 
am 7. März 1422 in Skalitz, nämlih die, alle Freigrafen in 
Weitfalen jährlihd an beftimmten Tagen in „gemeinen 








1) Nah Brüning: gerodete Erde (Sauerl. Gebirgsbote I, 4. ©. 52.) 


Gefchichte der Veme. 137 


Kapiteln" zu verfammeln und ihre Handlungen zu prüfen. Wer 
der Heiſchung nicht Folge Leiftet, ift meineidig und in des Königs und 
Reiches Ungnade gefallen. Der Erzbifchof war fomit der rechtmäßige 
Bertreter des Königs für alle Freigerichtsfachen, deffen Statthalter der 
heimlihen Gerichte. Schon früher hatte er große Verfammlungen be» 
rufen, 1420 eine nad) Arnsberg, um einen Streitfall zu entjcheiden, 
an der 15 Freigrafen aus verjchiedenen Zeilen Wejtfalens, 31 adelige 
Freifhöffen, die Räte von 8 Städten und mehr al3 200 Freiſchöffen 
teilnahmen, besgleichen ebendort 1426 (4. Sept.), wo er fih ſelbſt 
als gehorjames Glied des hi. Reiches und heimlichen freien Gerichtes 
einer gegen ihn gerichteten Vorladung ftellte (Lindner 421). Der Erz 
biihof war nämlich mit mehreren anderen von der Ritterfchaft und von 
den Städten zugleich an drei verjchiebene Freiftühle vorgeladen und ließ 
durch jeinen Vorſprecher Yohann van Vreter (Fretter) fragen, wie es 
mit ſolchen Borladungen zu halten ſei. Diejelben wurden für nichtig 
erklärt. 

An diefer Verſammlung, welche der Freigraf Gerhard Seyner zu 
Arnsberg leitete, nahmen außer dem Erzbijchofe felbft teil: der Graf 
Wilhelm zu Limburg, Gerhardt von Manderſcheid, Rorich von Rennen« 
berg, Bernd von Hörde, Gerd von Meldrife, Gerd von Enje, Gerwin 
von Kobbenrode gt. Schwerge, Johann von Drachenfels, Beiffel von 
Rode, Luther Duade, Heinrich; von Dadenberg und 20 andere von der 
Ritterfchaft, dann Bürgermeifter und Rat von Arnsberg, Richter Hein- 
rich; Meinertshagen, der Bürgermeifter von Attendorn und eine große 
Zahl von Freiihöffen.”) 

ALS erjted gemeines Kapitel wird das von Soeft 1430 bezeichnet, 
dem das von Dortmund folgte. Wenngleich diefe Kapitel die Grund— 
züge des DVemerechtes gelegt zu haben fcheinen, fo wurde ihr Ruhm 
doch vollftändig verdunfelt durch die fog. Arnsberger Reformation 
1437 (vgl. S. 142 ff.), welche mit den übrigen Arnsberger Weistümern 
als erjte Veme⸗Rechtsquelle gegolten und am meiften Verbreitung ges 
funden Hat, wie die zahlreichen Abjchriften beweijen. $ 14 beftimmt, 
daß jährlich einmal ein Kapitel ftattfinde „an einer bequemlichen Stelle 
auf weftfäliicher Erbe". „Obgleich fomit Arnsberg nicht als regelmäßige 
Stätte bezeichnet wird, find doch ſchon unter Dietrich) alle Kapitel, von 
denen wir wiffen, hier zufammengetreten, fo 1438, 1439, 1441, 1443, 
1450, 1452, 1454, 1456, 1457, 1460, 1463. Die Zahl läßt an- 
nehmen, daß wirklich jährlich Kapitel ftattfanden. Dadurch befam ber 


1) Seiberk, Oberfreiftuhl ©. 16. 


138 Kurkölnifche Zeit. Fehde und Veme. 


Arnsberger Stuhl allmählid ein Anfehen, welches er früher nie beſeſſen 
hatte, wie überhaupt urjprünglicd alle Stühle gleidy berechtigt waren.") 
Zwar wurde ſchon 1438 auf dem Reichstage zu Nürnberg die Errich— 
tung von OÖberftühlen für Berufungen vorgejchlagen, aber erjt 1483 
nennt Kaiſer Friedrih (1440—1493) den Arnsberger Stuhl „den 
oberen Freiftuhl“, und das Kapitel von 1490 heißt „Oberveym- 
gericht zu Arnsberg”. (Lindner 422.) 


Die Zeit von 1430—40 bezeichnet überhaupt den Höhepunkt der 
Bemegerihte (Lindner XX). „Ein gewaltiger Schreden hatte die Zeit— 
genoffen ergriffen vor diefen Gerichten Karla des Großen, von welchen 
vor faum 50 Jahren die erfte märdenhafte Kunde über den Rhein ge- 
drungen war. Geiftliche und weltliche Fürften festen eine Ehre darein, 
Freifchöffen zu werden, wie König Sigismund felbjt es war, und mand) 
einer von ihnen fam mit den Gerichten in unliebjame und fcheinbar 
gefährliche Berührung. Auch die adeligen und ftädtischen Kreife drängten 
fi zu den Geheimniffen heran. Weftfalen, welches bis dahin in dem 
deutfchen Leben einfam ftand, ift auf einmal in ganz Deutjchland be- 
fannt, mit Furcht genannt und von zahlreichen Fremden aufgejucht." 
Die Gerichte dehnten ihre Zuftändigfeit weit über die urjprünglichen 
Grenzen aus. Fürſten, Geiftlihe und Juden Iuden fie vor, ohne die 
entgegenftehenden Rechtsſatzungen zu beachten; Fein Ausnahmeprivileg 
der Fürften und Städte ließen fie gelten. Sie zogen jett alle Fälle 
bürgerlicher Gerichtsbarkeit vor ihre Stühle, indem fie ſich bei jeder 
Nehtsperweigerung al3 berufenes Tribunal betrachteten. Klagen 
um Geldſchuld bildeten den Hauptgegenftand der Prozeſſe, befonders 
gegen Städte. Die Sorge für Erhaltung des Chriftenglaubens ift 
ihnen freifih) nur dem Namen nad) erft damal3 zugewiefen worden, 
als Widerfpiel der Huffitiichen Bewegung. Die Freigrafen hielten ſchließ— 
(ic ihr Gericht für das höchſte im Reiche, dem jelbft der Kaifer Ge— 
horſam ſchulde (Lindner XX). AS der Kaifer im Januar 1437 den 
DBilfteiner Freigrafen Hans von Menfhufen für abgefegt erflärte, be— 
tradhtete das Arnsberger Kapitel feinen Spruch al8 rechtswidrig und 
Johann blieb im Amte (Lindner ©. 435). In diefer Überhebung Tag 
für die Freigerichte der Keim ihres Verfalles. Schon Kaifer Sigmund, 
dejfen romantifher Sinn ihre Blüte gezeitigt Hatte, änderte in den 








1) Das Anfehen, welches vor diefer Zeit der Dortmunder Stuhl 
genoß, gründete fich darauf, daß die Kaifer daſelbſt Rechtsfragen entſcheiden 
ließen (daher „Kammer des Königs” genannt) und Sigismund vor ihm 
wiſſend wurde. Eine obergerichtlihe Stellung, wie man früher glaubte, hat 
diefer Stuhl nie gehabt. 


Geſchichte der Beme. 139 


letzten Jahren ſeine Geſinnung; ihm wurde „bange vor den Geiſtern, 
die er zum großen Zeile ſelbſt heraufbeſchworen hatte“. Schon vor der 
Arnsberger Reformation beabfichtigte er, auf einem Reichstage die Ber: 
hältnifje der Beme von Reichswegen zu ordnen; aber er ftarb, ohne 
jeine Abfiht zu erreihen. Er Hat nicht einmal mehr die Arnsberger 
Reformation unterzeichnet. Sein Nachfolger Albrecht II (1438—1439) 
nahm auf dem Neichstage zu Nürnberg (1438) eine ausgedehnte Beſſer— 
ung ber Gerichte und namentlich der heimlichen in Betradt. Nicht 
jeder jollte Schöffe werden können, ein Inſtanzenzug zum Könige ge: 
ihaffen werden, von außerhalb Weftfalens feiner geladen werben, der 
niht Schöffe wäre; feiner mehr Schöffe werden, der nicht Weftfale jei, 
ufw. Friedrich III (1440—1493) erlieh im Einverftändniffe mit dem 
Erzbifchofe Dietrich auf dem Reichstage zu Frankfurt 1442 ein Land» 
friedensgejeß, das auch die heimlichen Gerichte umfaßte und deshalb 
auh die Frankfurter Reformation: genannt wird. Die Gerichte 
jollen mit frommen, verftändigen, erfahrenen Leuten ufw. befett werden 
und zwar fo, wie es Karl der Große und die Arnsberger Reformation 
vorgefchrieben haben. Vorladungen an fie dürfen nur ergehen um 
Saden, die dorthin gehören ufw. Das Wichtigfte war, daß das erfte 
wirkliche Reichsgeſetz über die Vemegerichte geſchaffen war. Thatſächlich 
half das Geſetz zunächſt wenig; es rief ſogar ſcharfe Konflikte zwiſchen 
König und Veme hervor, da Friedrich III es verſäumte, ſelbſt Frei— 
ſchöffe zu werden (Lindner 246, 438 ff.). Man beſtritt ihm deswegen 
das Recht, ſich überhaupt in Vemeſachen zu miſchen. So lange er 
nicht Schöffe ei, jet nicht er, fondern der Herzog von Weftfalen oberfter 
Herr der Gerichte. Königliche Schreiben, durch welde Verklagte von 
den Gerichten ab vor den König und fein Hofgericht gezogen wurden, 
nahm man höchſt unehrerbietig auf. Hitzköpfe verftiegen ſich zu der 
Behauptung, jelbft der König fei gegen die Freigerichte nicht gefeit, 
und allem Ubermute jetten 1470. die Freigrafen Dietrid von Dietmers- 
heim, Heinrich Schmidt und Hermann Grote die Krone auf, indem fie 
den Kaijer, feinen Kanzler, den Biſchof Ulrich von Paffau und bie 
Beifiger des Reichsfammergerichtes vor den Stuhl zu Wunnenberg 
luden. Das faijerliche Hofgericht Hatte nämlich ein Urteil, weldes das 
Arnsberger Kapitel in der Prozeßſache zweier Freifhöffen gegen Straß- 
burg gewiefen, vernichtet und den Grafen von Walde und vier Frei— 
grafen im die Acht erklärt. ALS die erfte Ladung erfolglos blieb, erging 
ein zweites Schreiben an den Kaifer felbft, welches zum Hohne mit 
genau denfelben Worten jchloß, die das Hofgericht feinen Vorladungen 
anzuhängen pflegte: „hr kommet oder fommet nicht, jo muß das Ge- 


140 Kurkölnifche Zeit. Fehde und Veme. 


richt feinen Gang haben, wie ſich nad) freien Stuhles Recht gebührt.“ 
Der Brief wurde in der That nah Grat an den Kaiſer abgejandt, 
welcher das Kammergericht mit der Bejtrafung der Frechen beauftragte. 
Doc diefe fanden einen Rückhalt an dem damaligen Oberjtuhlherrn. 
Am Jahre 1463 nämlich war auf den Erzbiihof Dietrich Pfalzgraf 
Ruprecht gefolgt. Diefer füumte, ſich die Negalien geben zu laſſen, 
und zerfiel deshalb mit dem Könige, der 1467 den Grafen Gerhard 
von Sayn zum Statthalter über die heimlichen Gerichte ernannte und 
ihn die nötigen Kapitel abhalten hieß. Nun erließ 1469 der Erzbiſchof 
eine leidenfchaftliche Erklärung gegen Gerhard, in der er ihn bejchuldigte, 
vom Kaiſer die Belehnung erjchlichen zu haben. Er ließ vom Arns— 
berger Stuhle, der ihm noch gehörte, den Prozeß gegen ihn anftrengen. 
Gerhard hatte Luft, von feinem Amte zurüczutreten, wurde aber vom 
Raifer zum Ausharren veranlaßt. 1471 ließ fih nun Ruprecht endlich 
die Regalien erteilen und verlangte auch die Belehnung mit den weit 
fälifhen Gerichten. Zur Begründung feiner Anſprüche legte er Urkunden 
vor, aber nur in Abjchriften, die dem Kaifer nicht genügten. Der Erz- 
biihof von Trier wurde mit der Prüfung der Driginalien beauftragt. 
So ftand Ruprecht immer nod mit dem Kaiſer auf gejpanntem Fuße, 
als die Schöffen fich erfühnten, den Kaiſer vorzuladen. Ruprecht berief 
1473 in der fragliden Sade ein Kapitel nad) Arnsberg (Ujener, 
©. 259 ff.), das ſich ganz entſchieden gegen den Kaiſer ausſprach; einer 
jener Freigrafen (Grote) nahm fogar ungehindert an dem Kapitel teil. 
Der Kaifer übertrete die Geſetze des Papftes Leo und Karls des Großen 
und brede feinen Krönungseid, der ihm vorjchreibe, gegen die freien 
heimlichen Gerichte Feinem Herrn, keiner Stadt Freiheit zu geben noch zu 
verbieten, Recht zu nehmen, als mit Wiffen und Willen aller Kurfürften. 
Dies war eine Anmaßung; ein Recht gegen den König hatte das Frei— 
gericht nicht; die Rechtsbücher verbieten jedes Gericht gegen den König. 
Bald nachher erlag Ruprecht im Kampfe gegen fein Domkapitel; an 
feine Stelle wurde Landgraf Hermann von Heffen gewählt, der 1475 
mit der Statthalterfchaft der heimlichen Gerichte belehnt wurde. Doch 
war unter feinem Vorgänger alles in Unordnung geraten, man erkannte 
Kölns Oberftellung nicht mehr an; Bifhof Heinrich III von Münfter 
jegte felbft FFreigrafen in feinem Bistume ein und hielt Kapitel ab. 
Daher erließ Kaifer Friedrih auf Beichwerde des Erzbifchofes eine 
iharfe Erklärung gegen ihn (1483); lediglich und allein der Kölner 
Erzbiſchof ſei Statthalter und dürfe Kapiteltage an dem Oberfreiftuhle 
zu Arnsberg im Baumgarten berufen. Dies Recht beftehe feit „Menſchen⸗ 
gedenken". ALS dann die Freigrafen des Biſchofes auf die Einladung 


Geſchichte der Veme. 141 


des Erzbiſchofes doch nicht auf dem Kapitelstage erſchienen, wurden ſie 
abgeſetzt. Jetzt erſt gelangte Köln in den andauernden Beſitz der Ver— 
weſerſchaft über alle wejtfälifchen Gerichte und das Kapitel in Arns— 
berg blieb eine bleibende Einrihtung. (Lindner ©. 427.) Uber 
ſchon bereiteten äußere und innere Gründe den Verfall der Vemegerichte 
vor. Mande von den Stuhlherren ergaben ſich einem fürmlichen 
„Raubrittertum der Juſtiz“. Niemals hat die Geldſucht jo graffiert 
wie damals. Freiſchöffe zu werden, war für jeden, der Geld genug 
aufwenden wollte, eine leichte Sache; das Recht war oft genug feil. 
„Die Überraſchung des erſten Augenblicks, welche Deutſchland gefangen 
hatte, verflog allmählich. . . Die ruhiger werdende Überlegung fing an, 
die Berechtigung der Sreiftühle zu bezweifeln, dann jchabete ihnen der 
Mißbrauch der Gewalt . . ., am meiften jedoch die ſich aufdrängende 
Überzeugung, auch von ihnen gelte das bekannte Wort über die Nürn- 
berger, daß fie feinen hängten, den fie nicht hätten. Die Zahl der 
wirklich vollzogenen Todesurteile war nad) allem, was wir wiffen, jo 
gering, daß jedermann getroft es wagen Fonnte, eine Vervemung über 
fi ergehen zu laſſen.“ (Lindner XXI) Die Eluge Politik, die Fried» 
rich III gegen die FFreiftühle einſchlug und Fonfequent verfolgte, nament- 
ih in der reichlichen Vergebung von Privilegien gegen die Gerichte, 
bewirkte, daß deren Kraft jhon am Ende feiner Regierung (1493) ge- 
broden war. Hierzu wirkten viele Yandesherren und namentlich die 
Städte mit, die am meiften unter der Anmaßung der Veme zu leiden 
hatten. 


Waren nun auch die Tage, weldhe Ströme von Geld nad Weit- 
falen geführt hatten, für immer dahin, jo friftete dod) die Veme vieler- 
orts noch lange Jahrhunderte ein jchemenhaftes Xeben. „Bis in unſer 
Jahrhundert jchleppten ſich einzelne Freigerichte hinüber und hegten 
Yreigrafen ihr Gericht mit dem Schwerte Karls des Großen umd den 
uralten Formeln, die fie kaum nod) verftanden; denn Geift und Leben 
war der Mumie entwichen." Sie erkannten nod) über geringfügige 
Saden, als Schmähungen, Schlägereien, Feldihäden u. dgl. Noch 
immer ernannten die Erzbifchöfe Oberfreigrafen; das lette Batent lautet 
vom 11. Sept. 1784; jein Inhaber war der Hof-Gerichtsafjefjor Franz 
Wilhelm Engelhard zu Werl, der 1786 das legte Stuhlgericht zu 
Allendorf abhielt und 1806 in dem Hofgerichts-Advokaten Sched zu 
Erwitte den legten Freigrafen vereidigte. Engelhard kannte die heim- 
liche Lofung jelbft nicht mehr. Er ftarb 1835 zu Werl. 


142 Kurköfnifche Zeit. Fehde und Veme. 


Denkwürdige Derhandlungen am Arnsberger Freiſtuhle unter 
Erzbiſchof Dietrich II. 


Die Arnsberger Reformation vom Jahre 1437. 


Als ſich die Befchwerden über die weftfälifchen Vemegerichte mehr 
und mehr häuften und der Kaifer jelbft auf dem Reichstage von 1435 
in Frankfurt eine Läuterung derfelben angeregt hatte, fand ſich Erz- 
biſchof Dietrich II, der Statthalter diefer Gerichte, durch Zuſchriften 
von Fürften und Städten gedrängt und vom Kaifer aufgefordert, bereit, 
in Arnsberg eine Reformation diefer Vemegerichte vorzunehmen. Am 
29. November 1426 ging „den fürfichtigen wifen unſere befundere lieben 
und guten Frunden dem Rate zu Frankfurt” ein Schreiben folgen-“ 
den Inhalts zu: 


„Unſere willigen Dienfte . . . vorab. Wir find in diefer Zeit zu Baſel 
bei einander geweſen und haben uns dort umterredet über die Gerichte in 
Wejtfalen, da diefe anders vorgenommen und geübt werden, denn bor alters 
hergefommen ift, wodurch manig Biedermann zu Kummer, Koften und Arbeit 
gebracht iſt. Nun haben wir vormals darüber beratjchlagt und unfere ehrbare 
Botſchaft darum gethan zu dem hochwürdigen Fürften Heren Dietrid) Erz- 
bifchof zu Köln unferm gnädigen Herrn und zu andern Fürften und Städten, 
die auch großes Mißfallen an ſolchem haben. Und fo hat der jeßtgenannte 
gnädigfte Herr etliche Fürften und Herren, fo freie Stühle haben, und andere, 
jo feine Gnade dazu nötig bedünkt, befchrieben und einen Tag gen Arnsberg 
(Arisperg) in Wejtfalen gefegt um den 21. Tag nad Weihnachten Fünftig, 
und meint die Sachen dafelbjt vorzunehmen und zu unterfuchen, ob die wieder 
ins alte Herfommen gebracht werden mögen. So haben wir denn auch unfere 
ehrbare treffliche Botfchaft auf diefen Tag nad) Arnsberg abgeordnet, um unfer 
Anliegen, das doch nicht blos unferes, jondern auch Euer und aller Herren 
und Städte Anliegen iſt, dajelbjt zu offenbaren und zu bitten, die Sachen 
fo zu behandeln und bleiben zu lafjen, „als die bey alten Zyten gehalden find.” 
Da nun ohne Zweifel Eure ehrbare Botſchaft uns tröftlich und nüglich an 
demjelben Ende fein wird, fo Bitten wir Euch ernſtlich, Euch gegen uns alle 
und Euch felbjt gütig zu zeigen, und Eure ehrbare Botfchaft abzuordnen, daß 
fie mit unferer auf den ehegenannten Tag gen Arnsberg fich verfüge uſw. 
Befiegelt mit der Stadt Bafel Secret-Ingefiegel von unſer aller Bitte wegen. 


Smahhmans Herrn zu Rappoltjtein ung Hrichaft von Oeſtrich uſw. 
Landvogzs Bottfchaft, Rudolff von Ramſtein frie hrn zu Gilgenberg, Wilhelm 
von Grünenberg, Turnig von Halvile, und der Stetten, Straßburg, Bajel, 
Züri, Bern, Freiburg im Aechtland, Lutzern, Solotorn, der Richtsftette im 
Eilfaß, Friburg, Briſach, Numenburg, Rinfelden, Zofingen, Enfheim, Tann, 
Maßmünſter und Altkirch Bottfchaften.... . 


Liebe Freunde, will es auch genehm fein, Eure Botfchaft mit der 
unfrigen abzufertigen, fo wollet anordnen, daß fie auf Donnerstag zu Nacht 





Arnsberger Reformation. 143 


nad) dem beiligen Jahrestag „Circumeisionis domini zu latine” (13. Januar) 
zu Mainz (Menke) an der Herberge feyn, fich mit unſeren zu verbinden.’) 

Frankfurt ſchickte diefem Antrage gemäß Gejandte nad) Arnsberg. 
In deren Inſtruktion werden als bejondere Beſchwerdepunkte hervor- 
gehoben: das Verfahren der Gerichte, ganze Städte und Gemeinden, 
fowie Einwohner folder Staaten vorzuladen, die (wie Frankfurt) Privi- 
fegien gegen die Gerichte hätten; daß aud) Unwiſſende vor das „geheime 
Gericht” gezogen würden, die doch an das „offenbare” gehörten u. a. 
Auch jollten fie fid) genau nad) der Kompetenz der Gerichte erkundigen. 
Ob nun bereitS am dem feftgejegten Tage die Sitzungen in Arnsberg 
begonnen haben, oder ob ihr Anfang fid) um einige Monate verzögert 
hat, wifjen wir nicht: jedenfalls liegen erjt beftimmte Nachrichten über 
Sigungen im April vor. Der Erzbiihof nahm am denfelben teil jamt 
jeinem Bruder, dem Bifchofe Heinrih II von Münfter, den Freigrafen 
Gerard Seyner von Arnsberg, der den VBorfig führte, Bernt Dufer 
von Heiden, Kurt Hafe aus Hamm, Dietrich Yevefing aus Erwitte uſw. 
Am 10. und 11. April fanden Kapitelsfigungen ftatt, in denen eine 
Anzahl teils allgemeiner Urteile über das Verfahren der Freigerichte, 
teil8 beſonderer über einzelne Rechtsſachen gewiejen wurde. 


Die Reichsftadt Frankfurt hatte an diefen Tagen Feine Abgeordnete 
in Arnsberg. Aber der Stadtjchreiber Nicolaus von Werftad aus Mainz 
war daſelbſt anwejend. Diejer richtete am 16. April folgendes Schreiben 
nad Frankfurt: 


Den ehrfamen und weiſen Herren Johann von Holthaujen, Jacob 
Brune, Walther Schwarzberg, Jacob Stralnberg, alle Schöffen zu Frankfurt. 

Meinen freundlichen Dienjt allzeit zuvor. ALS ich vergangenen Frei— 
tag in Arnsberg (Arnßberg) in Weſtfalen geweſen bin, jo Habe ich mid) ge- 
eilt Tag und Nacht, daß ich auf heute Dienstag des Morgens zu jechs Uhr 
gen Mainz gefommen bin, und laſſe Euch wiſſen, daß mein guädiger Herr 
von Köln in Gegenwart feines Bruders, meines Herrn, des Bijchofes bon 
Münſter, zu Gerichte gewefen ift auf Donnerstag und Mittwoch dor dem 
vorgeſchr. Freitag, dazu find dabei gemwejen beinahe alle die Freigreven 
jo zu Wejtfalen find und der Stuhlherren viele, und haben eine neue Re— 
formazie derjelben gerichte gemacht, wovon jeder Freigreve ein Nottel (eine 
Abjchrift) mit fich Heimgeführt hat für feinen Stuhlheren, da nicht alle Herren 
der Stühle dageweſen find, und foll num jeglicher Freigraf bon feinem Herrn 
wiederbringen, was der Stuhlheren Meinung wäre, und zwar auf den nächiten 
Samstag nad) dem Sonntage Yubilate (27. April) nad) Arnsberg, wo unfer 
Herr wieder hinkommen wird, und bdajelbjt fol die Reformazie beſchloſſen 


ı) Ufener, die Frei» und heimlichen Gerichte Weſtfalens. Nach Ur- 
funden aus dem Archiv der Stadt Frankfurt Frankf. 1832 ©. 110 ff., 
vergl. ©. 12 fi. 


144 Kurkölnifche Zeit. Fehde und Veme. 


und alsdann unferem gnädigjten Heren dem Römifchen Kaiſer gefchidt werben. 
Und Euch ift der gnädige Herr ein Förderer zum Rechten gewejen, und Eure 
Hauptfache, angehend don Schwarzberg iſt dreimal gewiefen, unjer Kaiſer 
habe des feine Macht, und wiewohl die Sache blind war und eine 
gemeine frage, fo verjtand ich doch wohl, daß e8 Eure Sache war.) Aud) 
hab’ ich die Neformacio dreimal gelefen, da mich ein guter Freund die heim- 
lich lefen ließ; wollet das auch heimlich bei Euch bleiben lafien ... Schidt 
von Stund an einen Freifchöffen zu mir herab... 

Gejchrieben in Eile Dienstag Morgen zwiſchen 6 und 7 Uhr nad) dem 
Sonntag Mifericordia Anno 1437, 

Nicolaus von Werftad, Statfchriber zu Menke. 
Reformation 
des heiligen Gerichte, wie man das ordentlich nad) altem Gejege und 
Herfommen der heimlichen Acht halten und Freigrafen und Freiſchöffen 
machen joll. 

1) Zum erjten foll unſer gnädigjter Herr, der Römifche Kaifer oder 
König, oder ihr Statthalter, nämlich ein Herzog von Weſtfalen, die des pribi- 
legiert find, feinen $reigrafen maden, e8 präfentiere denn der Stuhlherr, 
der fein Lehn der Freigraffhaft von einem Römifchen Kaifer oder Könige 
oder von einem andern Her, von dem der Stuhl oder die Freigrafichaft zu 
Lehen geht, unſerem gnädigjten Herrn, dem Römiſchen Kaifer oder Könige, 
oder jeinem Statthalter feinen Brief mit feinem anhangenden Siegel, darin 
er jchreibe auf feinen Eid, daß der, welcher Freigraf werden foll, echt und 
recht und frei ei, von Bater und Mutter auf weſtfäliſcher Erde ge 
boren und er feine Beleumdung offenbarer Mifjethat von ihm wiſſe, jo daß 
er das Freigeriht mit Recht wohl befiten möge; worin er auch die Fyreigraf- 
ihaffhaft und den Stuhl nennen fol. Diefe Präfentation foll der Kaifer 
in die Konfirmation (Bejtätigung des Freigrafen) fegen, in welcher der Frei— 
graf geloben und ſchwören foll, der Freigraffchaft und des Stuhles ein rechtes 
Geriht und rechte Vorladungen zu thun; und über feine andere Sache zu 
richten, denn fi) vor dem Freiftuhle gebührt zu richten, wie das Kaiſer 
Karl „hilger dechtenuſſe“ geſatzt hat und e8 bon alters gehalten iſt; und auch 
gehorfam zu fein zum Kapitel zu fommen auf Anfinnen unferes gnädigjten 
Herrn uſw. einmal des Jahres, wie man fie dazu heifchet, auf eine bequemliche 
Stätte auf weftfälifcher Erde, allwo fich das gebührt, zu befehen, wie er fi) in 
ber Freigrafichaft und dem Gerichte gehabt hat; und wenn fich erfinde, daß er 
das kundlich übertreten habe in einigen Punkten, fo ſoll er feines Grafenamtes 
entjeßt werden und um der Mifiethat mag man ihn meiter fordern mit Recht. 


1) Der Kaifer Hatte den Bilfteiner Freigrafen im Januar 1437 für ab- 
gejegt erflärt. Graf H. v. Schwarzberg hatte Klage gegen Frankfurt erhoben. 
Sigmund verbot dem Freigrafen, den Prozeß weiter zu führen, da er ſelbſt 
für die Stadt gut jtehe; als diefer fich nicht darum kümmerte, lud ihn der 
Kaijer vor das Hofgeriht und ſetzte ihn ab, als er nad) 45 Tagen nicht er- 
ſchien. Das Arnsberger Kapitel ſprach dem Kaifer, ohne den fpeziellen Fall 
> — das Recht dazu ab, und der Freigraf blieb im Amte. Lindner 


Die Arnsberger Reformation. 145 


Zum eriten (wird gerichtet) über Ehrijten-Laien männlider 
Geburt, die von dem Ehrijtenglauben treten in IUnglauben. 


Zum anderen Male, die geweihte Kirhen und Kirchhöfe und 
Königitraßen brennen, ſchinden und rauben mit Vorſatz. 


Zum dritten Male, die fundlihe VBerräterei oder Falſchheit 
thun. 

Zum vierten Male, die Kindsbetten ſchinden. 

Zum fünften Male um Diebſtahl, Mord, Leichenraub, Mord— 
brand und alle diejenigen, die wider Ehre thun und darum zu Ehren nicht 
antworten wollen. 

2) Item ſoll kein Freigraf einen Freiſchöffen machen, er bringe denn 
einen offenen befiegelten Brief, oder wenn er außerhalb des Wejtfalenlandes 
anfäffig ift, von zwei ehrbaren wiflenden Leuten, daß er echt, recht und frei 
und jo beleumundet fei, daß er mit Recht dorthin gehen möge, und in gleicher 
Weije ſoll der Freigraf auch feine Bürgen nehmen an dem Gerichte, wie 
das gewöhnlich ijt. Und befonders fol er feinen Baftart noch eigene Leute 
wiſſend machen, er jehe denn dvorerjt ihre Freilaſſung durch Papſt, Kaifer oder 
König. 

3) tem foll Fein Freigraf jemand Borladungsbriefe (verbouz 
brieve) geben über einen untoiffenden Mann, denn an dem gehegten freien 
Gerihte, und mit rechtem Urteile, vememwrogig gewiefen find auf folche 
eben ($ 1) genannten Punkte. Auch foll niemand folche Vorladungen thun, 
die Kläger ſeien denn gerührt (genannt) in dem Borladungsbriefe. 


4) tem foll er niemand die VBorladung übergeben al8 zwei freien 
Schöffen, die er kenne und die auch bei ihren Eiden geloben, rechte Borladung 
zu thun und zur rechten Zeit wieder an das Gericht zu bringen. 


5) Item foll fein Freigraf jemand borladen, denn mit Wiffen und 
Willen jeines Stuhlherrn in vorgefchriebener Weife, und aud feine Bor- 
ladungen fürzer jeßen denn ſechs Wochen und drei Tage. 


6) Item fo foll man einen Freiſchöffen vorladen (berboiden) und 
den mit feinem Namen und Zunamen nennen mit der Klage. 


7) Item hätte ein unmwijfender Mann einige Miffethat begangen 
oder gethan, die bemerügig wäre und beflagt würde, fo foll ein Freigraf ben 
unmwijfenden Mann mittel8 feines befiegelten Briefes vorladen und den 
(Gerihts-)Tag legen über drei 14 Nächten vor das offenbare freie Gericht, 
mag ſich der dann der Miſſethat entjchlagen und entledigen als recht ijt, das 
mag er genießen; und möchte er fich der nicht entjchlagen als recht ift, jo 
möchte man die Mifjethat Über ihn zeugen und richten in der heimlichen 
Acht, als recht wäre. 

8) Item joll man nicht heiſchen noch Borladung thun um irgend einer 
Sade willen Frauen anders denn bor das offenbare Gedinge mit den 
Frohnen an dem freien Bann, two fie anfäffig find. 

9) tem jollen diejerigen, die borgeladen werden, und die die Vor— 
ladung thun, aus (draußen) und heim vor jedermann (bur aller Mallich) 
velich (ficher, befriedet) fein, ausgefchieden, mas derjenige, der angeſprochen 


Fear, Geſchichte Arnsbergs. 10 


146 Kurkölnifche Zeit. Fehde und Veme. 


wird mit Recht, zu der Zeit am Gericht verlöre, ohne Argliſt; und wer hier— 
gegen thäte, der ift dem Gerichte in Strafe verfallen (in „Wedde und Bruce 
gevallen”), als fi) das mit Recht gebührt. 

10) Wäre Sadıe, daß einer borgeladen ift und feinen Tag halten will, 
wäre dann das Gericht beſchloſſen, daß man ihn nicht mit einer Zahl, näm— 
ih mit 30 Leuten oder darunter ungewwaffnet und mit einem Fürſprecher 
nach des Angefprochenen Wahl mit feinem Fürfprecher an das Gericht laſſen 
wollte, fich zu verantworten, aljo daß er nicht velich mit feinen Freunden 
an und weg fommen könnte, jo foll man über den zu der Zeit nicht richten 
und ber foll der Borladung los jein. 

11) Stem wenn ein Freigraf einen Mann von feinem Rechte jegen und 
berbenten wollte, darin joll der Graf niemand dringen noch gebieten einige 
Folge zu leiften, denn der Kläger foll ſechs mit ji bringen, fein 
Recht zu vollführen, als es ſich gebührt, anders foll der Graf niemand auf 
die Klage vernehmen, und thäte er es darüber, jo joll er jelbjt in der felben 
Vervemung ftehn. 

12) Item ſoll fein Freigraf einen Brief geben, zu befennen, daß irgend 
ein Mann vervemt jei, nur mag er dem Kläger eine Kundſchaft geben mit 
feiner Siegel urkunde fieben Freifhöffen, daß er den Mann von feinem Recht 
gefett Habe mit rechter Borladung und Urteil, als vecht iſt; denjelben Brief 
joll der Kläger heimlich bei fich behalten und niemand offenbaren, denn echten 
und rechten Freifchöffen, die diefen freien Bann empfangen haben. 

13) Stem foll Fein Freigraf einen anderen Stuhl befigen 
denn die Stühle, darauf er FFreigraf ijt und die in die Freigraffchaft gehörig 
find, e8 wäre denn Sache, daß einem fein Freigraf abgegangen wäre oder er 
in Krankheit liege: jo mag ein Freigraf einen andern Stuhl befigen mit 
Willen feines Stuhlherrn und auch desjenigen, deſſen der Stuhl wäre. 

14) Item foll ein jeglicher Freigraf ein Regijter machen und darin 
fchreiben alle Schöffen, die er machen wird und alle ihre Bürgen dabei 
mit ihren Namen und Zunamen und aus was für Landen fie find; und auch 
alle diejenigen bei Namen ufmw., die überführt werden und die Kläger 
dabei; und die Regijter mit fich bringen, als Kaifer, König oder ihr Statt- 
halter deren begehren zu den Kapiteln, die verfündigt find. 

15) Item foll man einen jegliden wijjenden Mann vborladen 
zum erften mit zwei Freiſchöffen, als vorgefchrieben ift zu ſechs Wochen und 
drei Tagen, und in feiner Gegenwart oder in feiner Wohnung; hätte er feine 
Wohnung, jo ſoll man ihn fuchen, wo fein zeitweiliger Aufenthalt („totydynge“) 
und feine Ein- und Ausfahrt ift, und wäre e8, daß er ein Landjtreicher 
(„Stridelynd”) wäre, daß man feine Wohnung nicht wüßte noch feine Aus- und 
Einfahrt, den foll man an dier Orten des Landes, DOften, Süden, 
Weften und Norden an den Wegſcheiden borladen und fortan, als es 
fi gebührt. 

16) Wenn die Boten an dem Tage, da die Vorladung geſchehen follte, 
bor Angjt nicht kommen dürften, fo mögen fie die Borladung in der 
Nacht thun vor der Stadt oder dem Schloß, wo der Mann ift, wohnt ober 
zeitweilig fi) aufhält und in den Thürring („Sryndell”) den Brief 
fteden und einen Spahn ausbauen und mitbringen zur Urkunde und den 
Wächter anjprechen, dat fie dem Manne den Brief da gebradjt haben und in 


Die Arndberger Reformation. 147 


den Thürring gejtedt mit eines Königes Urkunde; oder fic mögen die Vor— 
ladung thun an einen Freigrafen, wo jener in feinem Freienbanne unterge= 
jeffen ijt oder fich zu behelfen (fich Necht zu holen) pflege. 

17) tem jo joll fein Freigraf einerlei Borladung bon fi) jchreiben 
an einen andern Freigrafen, ihm zu erlauben, die Sachen fort zu richten, die 
vor ihm angefangen find, es wäre denn Sache, daß er feines Stuhles ent- 
jegt wäre, oder fein Herr ihm verböte, daß er nicht recht thun möchte: fo 
möchte er wohl an einen anderen Grafen jchreiben, was vor ihm verhandelt 
wäre, auf daß das Recht nicht Hinterbliebe (d. h. zur Geltung fomme). Auch 
jollen die Saden, da fie angefangen find, bleiben und gerichtet 
werden, es fiele denn ein Hindernis ein, als vorgefchrieben fteht, daß der 
Graf jtürbe, krank oder jeines Amtes entfett würde oder andere Gebrechen 
hätte, darum er nicht richten möchte. 

18) tem wäre e8, dat ein wiſſender Mann einen anderen toiffenden 
Mann vorlüde an das heimliche Gericht, um deſſen mweil er ihm zu den Ehren 
nicht antworten wollte, und erböte ſich derjenige, der aljo verboten oder ge- 
laden wurde, dem Gericht ziemlich Glauben zu thun zu behuf des Klägers 
oder mit ſeinem Eide gelobte dem Kläger zu thun auf gelegener ge- 
bührliher Stätte und Zeit, nämlich binnen 6 Wochen, was er ihm von 
jeiner Ehre wegen ſchuldig fei: fo foll er die borgenannte Zeit davon 
unbeläftigt jein und bleiben fonder Arglijt; und wenn der Kläger das 
alfo nicht nehmen wollte, wie vorgefchrieben ſteht, jo foll der Graf fein Gericht 
über ihn thun. 

19) Item joll man mit dem heimlichen Gerichte feine geiftlihen 
Leute, die fi) zu dem freien Banne nicht verbunden Haben, mit des hi. 
Röm. Reichs Gerichte nicht beläftigen noch beſchweren, auch foll das geiit- 
ide Gericht Feine Inhibieien (Hinderungen) noch Mandate (WUufträge) 
geben gegen das heimliche Gericht um einerlei Sache willen, die in dem heim- 
lichen Gericht gebührlich jind zu richten. 

20) Item joll man um feine Punkte, die vemerügig mit Recht erfannt 
find oder ſich mit Recht gebühren in der heimlichen Acht zu richten, davon 
aus des hl. Reichs heimlihem Gerichte appellieren noch fich berufen an 
ein anderes Gericht oder Stätte, e8 würden denn zwei Urtel im Gericht 
jweifchellig (widerfprechend) gewiejen oder gefcholten: der Urteile mag man 
ih berufen und fommen an die Stätte, da fi) das mit Recht gebührt; und 
warn fo ein Urteil vor Gericht gejcholten wird, jo foll der Graf Glauben 
nehmen von den Parteien, jo viel al8 recht iſt. 

21) Item foll fein Gericht einen Punkt richten, womit des HI. Reichs 
Freigericht gefränft werde und worüber dem Freienſtuhl gebührt zu 
richten. 

22) tem follen und mögen alle Stuhlherren, Freigrafen und alle echte 
rechte Freifchöffen dieſe vorgefchriebenen Punkte gebrauchen und ihre Freiheit 
darin genießen, als ihnen mit Necht gebührt, und alle Freigrafen und Frei— 
ihöffen follen ungewaffnet velich reiten und gehen nad) altem Herkommen 
und Recht des hl. Reich und ihre VBorladungen draußen und heim; in allen 
diefen vorgefchriebenen Artiteln und Punkten follen alle Argliſt und Gefährde 
gänzlich und zumale ausgejchieden fein. 

10* 


148 Kurkölnifche Zeit. Fehde und Veme. 


23) tem foll unfer gnädigjter Herr, der Staifer, diefe Reformazie confir- 
mieren und bejtätigen und die Freigrafen follen auch geloben und ſchwören 
die zu Halten. 

(Borjtehende Ueberfeßung ift nad) den Texten von Uſener (S. 114 ff. 
und ©. 124 ff.) und Seiberk (938). Der Tert der fog. Kölnifchen Reformation 
fügt Hinzu: tem bat hochgemeldeter Weiland unfer Kaifer diefe Reformation 
confirmiert . . . ... Und iſt die obgeſchrieben Reformation durch weilandt 
Ertzbiſchoff Dietherichen löblichen gedacht, als jme das durch Kayſer Sigimund 
bevolhen was, zu Arnßberg in beiweſen vil Gräven, Freihern uſw. ge— 
macht, geordnet und verkündet worden.) 


Kapitel und Gerichtöfigungen am Arnöberger Freiftuhl 
in den folgenden Jahren bis zum Ausbruch der Soefter Fehde (1443). 


1438. Am 26. Juni hob der Freigraf Gerhard Seyner in einer 
jehr zahlreichen Verſammlung von Wittern, Freigrafen und Schöffen 
ein Urteil des Freiftuhls zu Lüdenfcheid gegen Bürger der Stadt 
Dortmund auf. Der Freigraf Heyne von Valbert, ein fühner Mann, 
hatte jene Verurteilung eintreten laffen, trogdem der Erzbijchof felbft 
die Vorladung der Dortmunder für nichtig erklärt hatte. — Zu be- 
achten ift, daß jchon hier Arnsberg al8 Berufungsinftanz hervortritt.') 


1439 reftituierte derjelbe Freigraf mehrere Mainzer Bürger. — 
In demjelben Jahre kam Hermann Abel al8 Profurator (Sadjwalter) 
des Erzbifhofs „in den Bomgarden to Arnsberg — in dat gehegebe 
gerichte der heymlichen Acht”, um eine Entſcheidung in der Sadıe 
Wente Peter gegen Stadt Mainz herbeizuführen. Unter den Befieg- 
(ern der betr. Urkunde ift Bernd von Hörde, Droft zu Arnsberg.) 

Am 24. Nov. dieſes Jahres hielt Erzbifhof Dietrich) wiederum 
ein Generalfapitel in Arnsberg ab.?) 

Abgefandte von Frankfurt, Mainz und Worms waren früher in 
Friedberg, und Abgeordnete von Mainz, Speier, Frankfurt und Straß- 
burg am 1. Nov. 1439 in Frankfurt verfammelt und „haben unter 
andern Sachen ſich unterredet von den unbilligen Vornahmen und 
Handlungen, jo von des heimlichen Gericht3 wegen zu Zeiten gegen 
die Städte und ihre Bürger in mander Weife unterftanden werden, wo— 
durch fie in große Mühe, Koften und Schaden gebradt. 


1) Geibert, Oberfreijtuhl ©. 17. 

2) Geibert I. c. 18. Der Erzbifchof war am 23. Nov. in Arnsberg 
anmejend (Seibert 942). ine andere Urkunde diefes Jahres, die Arnsberg 
betrifft, weiter unten. 

s) Ujener, ©. 17 f., 128 f. 


Sitzungen am Urnsberger Freigerichte von 1438—1458. 149 


Frankfurt delegierte den Schöffen W. von Schwarkenberg. In 
jeiner Vollmacht heißt e8 „. . . So ſchicken wir zu dem vorgenannten 
Rapitelstage den Ehrjamen Walthern von Schw. unjern Mitjcheffen 
und Ratgejellen und geben ihm ganze Macht und volle Gewalt in und 
Kraft dieſes Briefes, unjere Gebreden vorzubringen ...“ Syn feiner 
Inſtruktion werden die Beichwerdepunfte furz bezeichnet: die Stadt in 
Gemeinschaft geheiihen. — It. etliche Bürger, die ehrbar und unbe- 
läumundete Leute find und bei Gericht und Rechte wohnen in der 
Stadt. — Ft. von Geldjhuld wegen. 

In dem Kapitel jelbft wurde nichts ausgerichtet, und ber Erz: 
bifchof felbft riet zu warten, bis der neue Kaifer die Krone angenommen. 

1440 und 1441 fanden wieder Kapitel ftatt. Bei leterem waren 
der Erzbifchof, fein Bruder, der Biſchof von Utrecht, der Dompropft zu 
Mainz und viele andere Ritter und Knechte, ſowie die Freigrafen von 
Eversberg, Dorften, Erwitte, Rüthen ufw. anweſend. (Ujener ©. 267.) 

1442 wurde Henrih Kulind gt. Vedder mit der Freigrafſchaft 
Arnsberg beichnt, aber ſchon 1443 tritt Hynrich Vyſchemeiſter als Frei— 
graf in Arnsberg auf. 


Sitzung vom Jahre 1458. 


1458. Die im Kapitel beim Freienftuhl zu Arnsberg im Baum- 
garten verfammelten Freifchöffen erkennen in der heimlichen Acht das 
von dem FFreigrafen Wynefe Pafchedael und Johann Gadenberg zu 
Bockheim (Bochum) gegen den Friedrich von Pelden, genannt Kluts, 
ergangene Erkenntnis für nichtig, weil die Sache feine „vemewroge” ift, 
und verurteilen in contumaciam den Kläger zum Erjat des Schadens 
und der Koften. 

In diefer Urkunde kommen als jchildbürtige Freiſchöffen vor: 

Eort von Wrede zu Reigern, Marfhall; Johann Scüngel, 
Drofte zu Balve; Wilhelm von Plettenberg; Heinrich jein Sohn ; Cort 
Boigt, Wilhelm Voigt, Johann Voigt von Elspe, Lambert von Meljchede 
u. a. m., Räte und Amtleute des Erzbiichofes Diedrih von Cöln. 

Und Thiedemann Kattenar, Evert Nagebart, Gerwin Hont, 
Bürgermeifter von Arnsberg. (S. 160.) 

Pelegrinus Schwartte, Hermann Mid, Kämmerer in Arnsberg. 

Lambert Kohouet, Johann van der Lippe, Hans Muithart, Brune, 
Hinrich, Gerke, Noftes, Ratsleute in Arnsberg. 

Gert Schömeder, Hans Baumgarder, Bürger zu Arnsberg, und 
viele andere Freiſchöffen. 


150 Kurkölnifche Zeit. Fehde und Veme 


Verurteilung der Städte Nürnberg (1460) und Halle (1461). 


1460. Ulrich Hafenheuer von Nürnberg hatte gegen den Bürger- 
meister Bomgarten und andere Bürger daſelbſt am Freigerichte Klage 
erhoben, worauf der Erzbijchof einen Tag zur Unterjuhung der Gebrechen 
beftimmte. Der Kläger erſchien am Gerichtstage nicht, weil ihn der 
Stadtrat zu dem Schwure gezwungen hatte, das Kapitel nicht zu be- 
juhen. Da ließ der Erzbifhof am Freiftuhle zu Arnsberg über die 
verwegene Stadt ridten. Konrad von Ruſoppe, Freigraf zu 
Arnsberg, befennt am 3. Det., daß er am Datum dieſes Briefes den 
Freienſtuhl zu Arnsbergh gefpannter Bank beſetzt habe nad) des Hl. 
Römischen Reiches Rechte. Bor ihn gefommen ſei Hans Krüfe, ein 
rechter Freifchöffe, BProfurator und Kläger bes hl. Reiches und 
feines gnädigen Herrn, und habe ihn gebeten, ihm einen VBorfpreder 
zu gönnen und zu geben, nämlich den feften Konrad von Wrede, einen 
hildbürtigen, echten, rechten Freiſchöffen. Dieſer erflärte nad) Dar- 
legung des Sadverhaltes, daß durd) das Benehmen der Stadt Nürn- 
berg der Erzbifchof und das Gericht geſchmälert und geſchmäht und in 
großen Schaden und Unkoſten gebracht, daß das Gericht niedergedrückt 
und der Kläger von feiner Rechtforderung gedrungen wäre. Diefe 
Schmähung ufw. möchte fein Herr nicht geleiden um „eyn und ber&ig 
dufent overlendische Rynſche Gulden und vill meyr“; daher fragte er, 
ob Nürnberg jhuldig fein jolle, die genannte Summe dem Erzbijchofe 
zu bezahlen. Ruſoppe wie das Urteil an den Freiſchöffen Herm. 
Fröneborn, der fi) ummwandte und mit den Dingpflichtigen und Um— 
jtehenden ſich beriet. Dann fehrte er ins Gericht zurüd und wies für 
Recht, dag Nürnberg die 31 000 Gulden bezahle, es wäre denn, daß jemand 
dies auf heute an diejem freien Stuhle widerlegte und dagegen verhandelte. 
Daher ließ Ruſoppe die von Nürnberg an das Gericht heifchen, ob fie 
oder jemand anders da wäre, ber dem gewiejenen Urteile widerfprechen 
wollte. Da fi niemand meldete, wurde das Urteil zugelaffen und 
beftätigt und beurfundet. Darauf fragte Konrad von Wrede, wenn die 
Nürnberger nicht zahlen wollten, ob fie dann noch ihre Privilegien, 
ihre Freiheit und „Veligheit" (Sicherheit zu Waffer oder zu Lande, 
auf Straßen oder auf Stegen) genießen jollten. Nachdem Hermann Fröne- 
born bierüber ſich wieder mit dem Umftande bejprochen hatte, wurde 
dag Urteil in verneinendem Sinne gegeben. „Standgenoffen" des Ge: 
vihtes waren u. a. Everhard Nafebart, Bürgermeifter; Heinr. Schweffer 
und Herm. Scharpfhütte, Kemner; Hans Röder, Lambert Kochovet, 
Gerwin Todel, Kerftian Schroder, Richtmänner; Johann Buſe, Diedrich 


Berurteilung von Nürnberg und Halle. Soejter Fehde. 151 


vom Enje, Yoh. Kannengeter und Johann Roſtken „alle Burgher to 
Arnsborgh". (Seiberk 967.) 

Der Erzbiſchof war bei der Verhandlung nicht zugegen; dagegen 
finden wir ihn im Dezember diejes Jahres in Arnsberg (Seib. 965). 
Welche Folgen die Verurteilung der Stadt Nürnberg gehabt hat, ift 
nicht befannt; jedoch mußten noch im Jahre 1469 die oben genannten 
Arnsberger nebft einigen anderen „Standgenoffen” den Inhalt des Urteiles 
al3 eine „unter ihren Augen vorgegangene” Thatſache umſtändlich be— 
Funden. (Seiberk, Oberfreiftuhl ©. 23.) 

Am 14. Sept. 1461 wandte fi) der Erzbifhof Friedrih von 
Magdeburg befhwerend an den Marſchall Joh. v. Hakfeld, den Stuhl- 
herrn umd reigrafen Konrad von Ruſoppe ufw. zu Arnsberg: die 
Ratmänner und Meifter der Gilden zu Halle hätten ihm geklagt, 
fie jeien nad) Laut des VBorladungsbriefes, ausgejandt von Johann 
Gardelbech, Freigrafen zu Arnsberg, vor den Freiftuhl dafelbft auf Klagen 
des Markgrafen Friedrich von Brandenburg geladen. Der Erzbiſchof 
bittet, die Kläger an ihren gewöhnlichen Michter zu verweifen, weil er 
mit jenem Markgrafen in einem Vertrage ftehe, nad) dem jeder von ihnen 
den wechjelfeitigen Unterthanen zu ihrem Nechte verhelfen müffe, wozu 
er ſich aud) dem Markgrafen gegenüber erboten habe.!) — Das Gericht 
zu Arnsberg nahm aber dennoch die Sade an und verurteilte die 
Stadt Halle zu 50000 Gulden und 200 Pfund Goldes, wovon die 
Hälfte den Klägern (Markgraf Friedrich und dem Kurfürften von Sachſen) 
zugejprochen wurde, die andere Hälfte im die kaiſerliche Kammer fallen 
jolite.?) 


Die Soeſter Fehde. 

Die Bedeutung der Soeſter Fehde, durch welche Soeſt, die älteſte 
kölniſche Beſitzung in Weſtfalen, unter die Oberhoheit von Kleve geriet, 
liegt vornehmlich darin, daß in ihr der feit Jahrhunderten beftehende 
und ſtets gefteigerte Antagonismus der hartnädig auf Abrundung 
ihrer Gebiete und Feftigung ihrer Landeshoheit bedachten kölniſchen Erz- 
bifchöfe und der nad Unabhängigkeit trachtenden weltlichen Fürften in 
Weſtfalen und am Niederrheine in entfheidender Weife zum Ausbrud) fam. 
In jenem Ringen hatte einft die Grafſchaft Arnsberg ihre Selbftändig- 
feit verloren. ine Huge und Eonfequent befolgte Politik hatte die Grofen 
von der Mark vor einem gleichen Schidjale bewahrt; und bald nachdem 


1) Seibertz, Oberfreiftuhl ©. 22 f. 
2) Lindner, ©. 564, 


152 Kurkölniſche Zeit. Fehde und Veme. 


die Erzbifchöfe durd die Erwerbung jener Grafſchaft in den Bejig einer 
ausgedehnten Zerritorialherrichaft gelangt waren, erfuhr aud die Macht 
ihrer Gegner eine bedeutende Verftärkfung, da die Länder Kleve und 
Mark in einer Hand vereinigt wurden (1398). Einen Anlaß 
zu fortwährenden Reibungen zwiſchen Kleve-Marf und Köln bot die 
Handhabung der geiftlihen Gerichtsbarkeit in den kleviſchen Landen. 
Eine andere Verwidelung wurde gejchaffen dur die ehrgeizigen Be— 
ftrebungen des Bruders des Herzogs Adolf von Kleve mit Namen Ger- 
hard, der, unzufrieden mit den ihm überlaffenen Gebietsanteilen, im 
Jahre 1419 mit dem Erzbifchofe Diedrih ein Bündnis gegen feinen 
Bruder ſchloß und ihm die einträgliche Rheinzollſtelle Kaiſerswerth ver: 
pfändete. Die Folge diefer Einmifhung war, daß Herzog Adolf nad) 
längerem Widerftreben ſchließlich, um vor feinem Bruder Ruhe zu haben, 
diefem etwa zwei Dritteile der Grafſchaft Mark auf Lebenszeit übergab 
(1437). Eine zweite Stütze feiner Macht gewann Diedrich, als es ihm 
1424 gelang, feinen Bruder Heinrih zum Biſchofe in Münfter zu be— 
fördern, der 1442 zugleich Biſchof von Dsnabrüd wurde. Ein weiterer 
Plan des Erzbifchofes ging dahin, das Herzogtum Berg zu erwerben und 
dadurch den Bogen von Ländern zu jchließen, der die Hevijch-märkifche 
Macht umgab: was Iebhaft an die vordem gegenüber der Grafſchaft 
Arnsberg beobachtete Politik erinnert. Übrigens fchloffen die Gegner am 
31. Dezember 1435 einen Frieden auf Lebenszeit, jeder wohl nur von 
der Erwägung geleitet, daß die Zeit zum Losſchlagen noch nicht da wäre. 
Das Verhalten der Stadt Soeft follte hierzu den Anlaß bieten. 
Soeſt, die wichtigſte Stadt des Herzogtums, hatte feit längerem 
mit Erfolg nad) einer gewiffen Unabhängigkeit geftrebt, wenngleich es 
nicht gerade reichsunmittelbare Stellung erlangte. Eine Hinneigung zu 
Kleve beweift der am 6. Yuli 1398 mit diefem gefchloffene Freund» 
Ihaftsbund; doch war das Verhältnis zum Erzbijchofe Diedrich anfangs 
nicht gejpannt. Diejer hatte fogar, um das materielle Wohl der Stadt 
zu heben, das bisher in Arnsberg befindliche Dffizialatgeriht im Jahre 
1434 nad) Soejt verlegt (S. 131), der Stadt eine Accife gewährt und 
ihre Neubefeftigung erlaubt. Die Verwicelungen beginnen mit dem 
Jahre 1437, wo die Städte und die Ritterfchaft Weſtfalens unter Soeſts 
Leitung zufammentraten, um gegen eine vom Erzbifchofe ausgejchriebene 
allgemeine Kopffteuer Einſpruch zu erheben und ſich zugleich alle Rechte 
und Privilegien gegenfeitig zu verbürgen. Unter den 17 Städten, welde 
diejer „erften Erblandsvereinigung“ beitraten, ift Arnsbergs Name 
nit. Dem Erzbiſchofe gelang es, durch Vermittelung des Domlapitels, 
das im Jahre 1438 Abgeordnete nad Weftfalen entfandte, den Bund 


Soeſter Fehde. 153 


aufzulöfen. In dem Vertrage wurde den Städten Wahrung ihrer 
Privilegien und Abftellung der Übergriffe des geiftlihen Gerichtes zu- 
geſichert. Merkwürdig ift die damals feſtgeſetzte Mark- und Holzordnung, 
deren Wortlaut Kleinjorgen (Kirchengefchichte III) aufbewahrt Hat. 

„Hort ijt von den Wäldern berramet (vereinbart), daß man für die Küchen- 
jchweine unferes gnädigen Herrns einen Stege in die Herbreme maden ſoll, 
wofern Ederen darin find, und die Schweine darin treiben; und alsdann 
mögen die Schweinhirten ſolche Küchenfchweine durchführen, durch alle Marken, 
wo Ederen ijt, hüten, und einen Tag und eine Nacht darinn bleiben, und jo 
nacheinander durch alle Marken, und eine Mark für die andere mit der Hocde 
(Hude) nicht beſchweren. Wär es auch Sade, daß in der vorbeichriebenen 
Herbremen feine Ederen wären, jo foll man für dtefelben Küchenſchweine einen 
Stege machen, wo Gderen find, wo fo auch die Hirten die Schweine, tie 
ihnen das bequemlichjte zu feyn dünkt, zween Tage nad) einander oder drey 
auf das allerlängjte hüten follen, und fo ferner auch in allen Marken, wie 
borgejchrieben ift, und die Marke fodann, worum der Steg gemacht wär, ber- 
ihonen, jo viel fie mögen um destwillen, weil der Steg barinn gemacht ift. 
Und foll man den Küchenſchweinen unjeres gnädigen Herrn fein BZutrift 
thun. Nur ein Umtmann zu Arnsberg mag 10 oder 12 Schweine, und 
und jeglicher von dem Hausgefinde auf der Borg zu Arnsberg ein Schwein 
zutreiben. — tem auf den Kölnifhen Sundern mag ein Holzförfter eine 
Selftrift thun aus Gnade unfers gütigen Herrns, und darin die Schweine 
bejtegen, mit den Hirten fügen, daß jie mit derfelben Trift den Marken feine 
unredliche Beſchwerniß thun“ uſw. 

Die Verhandlungen mit den weſtfäliſchen Ständen hatten ein 
günftigesS Ergebnis hauptſächlich deshalb gehabt, weil man Soeft zu 
tolieren gewußt hatte. Daher jehen wir die Stadt bald für ſich gegen 
die erzbijchöflichen LUbergriffe fämpfen. Anlaß zu Konflikten gaben Kom— 
petenzfragen der Tyreigerichte, wegen deren in Arnsberg am 13. Dec. 
1440 eine Verhandlung unter dem Vorſitze des Erzbifchofes ftattfand, 
die zu feinem Refultate führte. Wie die Urkunden lehren, war das 
alte Grafenjchloß in dieſer Zeit und während der Fehde Diedrich ge- 
wöhnlicher Aufenthaltsort. Die Differenzen mit Soeft häuften fid). 
Jeder Zeil bejchwerte ſich über Beeinträchtigung feiner Rechte. Am 
19. Juli 1441 kam ein Vergleich zu Stande des Inhaltes, daß beide 
Zeile ihre Anfprüche und Beichwerden ſchriftlich zufammenftelfen und 
einem Schiedsgerichte von 45 Berfonen unterbreiten follten. Die dem- 
gemäß vom Erzbifchofe eingereichte Beſchwerdeſchrift — „eine engbe- 
jchriebene Papierrolle von faft fünf Meter Länge” — ließ deutlich feine 
Abjiht erkennen, die Stadt wieder in die Abhängigkeit früherer Jahr— 
hunderte zurüdzufchrauben. 

In derjelben werden auch zwei Beichwerden aus Arnsberg vorgeführt. 
Diedrih von Gütersloh (Gutersloe) „unfer Burger zu Arnsberg“ Hagt, 


154 Kurkölniſche Zeit. Fehde und Behme. 


der Soejter Magiftrat habe ihm fälfchlich vorgeworfen, „in Borzeiten“ bei 
Nachtzeit Gefangene von Soeſt durch „Oeffnung des Schlofjes” herausgebradht 
zu haben. Bon Bürgermeifter und Rat der Stadt Arnsberg fei verlangt, mit: 
zuteilen, ob Diedrich ihr Bürger fei. — Henneken Kod, ein „infommende 
man und unfe Burger zo Arnsberg” war um feiner Krankheit willen nad 
Soeſt gezogen, hatte dafelbjt einen Anfall befonmen und war in der „Schwarzen 
Brüder Haus“ gejtorben. Darauf liegen „die von Soeft von Stund an mit 
Selbjtgewalt und ohne Gericht und Necht ihre Knechte zum Prior des Klofters 
gehen und des toten Mannes Nachlaß gefinnen und auch gewaltlid vom 
Prior nehmen”. Der Schaden wird auf 300 Gulden abgefhätt. (Städte: 
chroniken Bd. XXI Soeſt, ©. 389.) 


Die Stadt Soeft glaubte ſich aller Verpflichtungen auf dem Boden 
des Kompromiffes enthoben und knüpfte geheime Verhandlungen mit 
Kleve an. Sie ftellte dem Herzoge die Oberhoheit über die Stadt in 
Ausfiht. Nun verfuchte das Domkapitel auf eigene Fauft eine neue 
Bermittelung zu Wege zu bringen. Dies Eingreifen verhütete, daß 
Soeft ſich fofort offen dem Herzoge von Kleve übergab. Es joliten 
neue Unterhandlungen ftattfinden; aber der Erzbifchof verſchob dieſe von 
einem Termine zum anderen; zulett noch wurde eine nah Arnsberg 
auf den 3. Februar 1443 angejagte Tagfahrt wegen „starken Schnee— 
falle8" abbeſtellt. Da entſchied mit einem Male Diedrid eine der alten 
Streitfragen ohne vorherigen Vergleich; hierdurdy wurde die Spannung 
wieder mächtig. Schon das Ende diejes Jahres (1443) führte den 
endgiltigen Anſchluß der Stadt an Kleve herbei. Diedrichs Verſuch, 
durch Klage beim Königlichen Kammergerichte ihre Unterwerfung herbei- 
zuführen, bejchleunigte nur den Gang der Ereigniffe. Der Vorladung 
des Kaiſers nad) Graz glaubten die Soefter nicht Folge leiften zu 
brauchen; e8 galt die Meinung, „über einen Sachſen dürfe aud) 
ein König nur auf fähfifher Erde richten.“ Das Grazer 
Gericht übertrug die Entjheidung dem Herzoge von Lauenburg, welder 
erfannte, daß die Stadt Soeft im Unrecht fei (21. Febr. 1444). Jetzt 
zauderte diefe nicht mehr, ſich dem Herzoge von Kleve zu übergeben, der 
mit Köln längft fchon wieder auf gejpanntem Fuße ftand. Am 23. April 
wurde abgemacht, daß die Stadt, wenn fie nicht bi8 zum 31. Mai mit 
dem Erzbifchofe verföhnt fei, acht Tage fpäter den Sohn des Klever 
Herzogs, den Yungherzog Johann, als ihren Landesherrn anerkennen 
jolfte, der feinerfeitS die Privilegien ufw. der Stadt aufrecht erhalten 
würde. Die Stadt ftellte dem Domkapitel wie dem Erzbifchofe ein 
Ultimatum zu. Diefer begab fich, als der entjcheidende Tag (Pfingften 
1444) herannahte, nad) Arnsberg, wo er mehrere Monate Hof hielt. 
Die Unterhandlungen, welde er durch Vertreter de8 Domkapitels, der 
Ritterfhaft und Städte auf diefer „Tagfahrt zu Arnsberg" führen lieh, 


Soejter Fehde. 155 


waren vergeblih. Die Urfundenfammlung bei Hanjen jtellt aus diejer 
Zeit folgende aus Arnsberg datierte Dokumente auf: 

Arnsberg 1444, 4. Juni: Erzbiſchof Diedrich von Köln an die 
Gemeinde zu Soeft: fie follten fi) von niemand verleiten laſſen, ſich 
von Köln zu trennen. 

Arnsberg 1444, 4. Juni. Abgeordnete des Kölner Domkapitels 
an Bürgermeifter und Rat zu Soeft: Sie möchten die Angelegenheit 
nicht weiter betreiben; das Kapitel fei bereit, auf den Wunſch Soeſts 
nochmals zu vermitteln. 

Arnsberg 1444, 17. Juni. Erzbiichof Diedrid von Köln an den 
Yungherzog Johann von Kleve: erfucht ihn, ſich nicht in feine Streitig- 
leiten mit Soejt einmiſchen zu wollen. 

Diefe Verſuche, wie auch die Anrufung des Herzogs Philipp von 
Burgund, der Diedridy von Mengersreut al3 Vermittler nad) Arnsberg 
ichiefte, blieben ohne Erfolg: am 15. Juni fjagten Herzog Adolf, am 
19. AYungherzog Johann, am 25. die Stadt Soeſt dem Erzbijchofe 
die Fehde an mit den lakoniſchen Worten: „Wettet biscop Diedrich van 
Moers, dat wy den veften Junker Johann van Eleve ever hebbet, alß 
juwe (Eu) und wert juwe hiemet abgejagt.” Am 22. Juni zog Yung» 
herzog Johann mit einer anfehnlihen Mannſchaft in Soeft ein. Die 
Boten des Kaifers, welche der Stadt eine neue Vorladung vor Gericht 
brachten, fanden ihre Thore verjchloffen und wurden fogar verhindert, 
die Ladung an die Stadtpforte zu fchlagen. Daher wurde Soeft in die 
Acht erklärt und fpäter, als auch dies feine Wirkung ausübte, in die 
Aberacht (1. April 1446). 

Aus den Jahren 1444 und 1445 haben außer den bereits ange- 
führten noch folgende in Arnsberg vollzogene Urkunden Intereſſe: 

Arnsberg, 1444, 3. Juli. Erzbiſchof Diedrich von Köln erſucht 
die Stadt Dortmund, auf feiner Seite zu bleiben. 

Arnsberg 1444, 6. Auguft. Johann Spiegel, Marjchall von 
Weitfalen, . . . Johann von Schedingen, Amtmann zu Arnsberg, treten 
dem Bunde des Erzbiichofes mit Dortmund bei.!) 

Arnsberg 1444, 4. September. Die Abgefandten Kaifer Fried: 
rih8 III, Ulrich Riederer und Happe Hade, laden den Yungherzog 
Johann von Kleve auf den 19. Oktober vor das königliche Gericht, 
nachdem ihre VBermittlungsverjuche erfolglos geblieben find. 


!), BereitS am 12. Juli 1441 hatten Koh. Spiegel, Walram von Mörs, 
Adolf von Halle, Bernt von Eidlinghofen und Lutter Quad der Stadt die 
Fehde angejagt. 


156 Kurkölnifche Zeit. Fehde und Veme. 


Arnsberg 1445, 10. Mai. Erzbifchof Diedrich giebt dem Grafen 
von Pyrmont das Amt Yügde in Pfandbefis und 300 Goldgulden für 
die Stellung von 15 reifigen gewappneten Schügen für den Kampf 
gegen Soeft. 

Nun begann jene große Fehde, welche weniger durch entjcheidende 
Kämpfe al3 durch Verwüftungen und Brandidhagungen ausgezeichnet ift. 
Wehrlofe Yandbewohner, die am Kriege ganz und gar unbeteiligt waren, 
mußten am meiften umter feiner Plage leiden. Viele Höfe und Dörfer, 
auch Feinere Städte wurden ausgeplündert und zum Teil gänzlid vom 
Erdboden vertilgt. Wer alle die Greuel haarklein befchrieben haben 
will, lefe die in Seiberg Quellen der weitf. Geſchichte Bd. II, ©. 254 ff. 
und in Band XXI der deutfhen Städtechronifen abgedrudte Geſchichte 
der Fehde des Bartholomäus von der Lafe, eines Augenzeugen, der in 
jener Zeit Stabtjefretär in Soeft war. 

Arnsberg, das, wie aus der früheren Darftellung erfichtlich ift, 
ſchon während der Vorjpiele zur Fehde der Aufenthaltsort des Erz- 
bifchofe8 gewejen war, blieb auch während der Fehde feine vorzüg- 
lichfte Warte, der Stüßpunft für feine Unternehmungen. Daher werden 
auch feine Truppen kurz die „Arnsberger” oder „die von Arnsberg” 
genannt. Hieraus darf man jchließen, daß Schloß und Stadt ſtark be— 
feftigt waren und eine bedeutende Bejatung beherbergten. Arnsberg 
muß zur Zeit der großen Fehde einem Kriegslager geglichen haben. Die 
Thatſache, daß die Soefter niemals auch nur einen Anſchlag auf die 
Veſte des Erzbifchofes gemacht Haben, dürfte allein jchon zur Genüge 
veranfchaulichen, welche Kriegsmacht dajelbft zujammengezogen war. 
Unter den Führern der kölniſchen Truppen treten die Beamten des Erz- 
bifchofes, namentlich der Amtmann (Drofte) in Arnsberg, Yohann von 
Sceidingen, hervor. Die Arnsberger Bürger, die Bürgermeifter an der 
Spike, mußten die Truppen des Landesherrn verftärken. 

Am 12. Januar 1445 war Johann don Scheidingen Anführer bei 
einem nächtlihden Anfchlage auf Meiningjen (Menynkhuſen). Seine Leute 
erbradden das Kirchenthor, Eletterten den Turm Hinauf und ftürzten den 
Wächter, welchen die Soejter dort hielten, herab, daß er tot auf der Erde 
liegen blieb. Am 30. Januar richtete die Stadt Soeft ein Klagerundſchreiben 
an Fürften und Städte, in welchem fie Beſchwerde führten über Mißhand— 
lungen von Soefter Frauen feitend der Amtleute und Rittmeifter des Erz- 
bifchofes zu Werl, Arnsberg, Neheim und Eversberg. Umgekehrt führten die 
Amtleute des Erzbifchofes im Dezember desfelben Jahres Klage, daß zwei 
Frauensperfonen in den Ratshof zu Soeſt gefett feien und dafelbft gefangen 
worden, zwei andere feien „tufchen Werl und Eoeft uf der ftraißen ange- 
feirtigt und gefchinnet worden”. Diefe Beſchwerde unterfiegelten Joh. Spiegel 
zum Dejenberge, Marſchall von Weftfalen, Godert von Fürſtenberg, Johann 


Soejter Fehde. 157 


bon Sceidingen, Alard von Hörde, Heidenreich Wulf von Lüdinghaufen, Heinrich 
bon Enfe.') Zugleich warnten fie die Soefter Frauen, Soeft zu verlaſſen, 
da fie Gleiches mit Gleichen vergelten würden. 


Im Januar 1446 juchte der Erzbiſchof vergeblich durch ein Schreiben 
an die Ämter der Stadt Soejt, Zwietracht unter den Bürgern derfelben 
zu ſäen. Daffelbe ijt „gegeven zo Arnsberch na der hilgen III Stonynge 
Adent”. Am Montage nad) Lichtmeß kamen die Kölnifchen nachts vor Soejt 
und jchofjen Feuerpfeile (VBüerpile) in die Stadt. Die Wächter bemerften cs, 
Ihlugen die Gloden, das Volk eilte herbei und bemädhtigte fich der Pfeile. 
Diefe wurden auf dem Rathaufe aufbewahrt, um vielleicht jpäter wider bie 
Kölnifchen zu dienen. Lekteres geſchah „up Gudens dad) na Mitfaften”. In 
der Nacht zogen die Soejter vor Neheim, um zu verfuchen, ob die Feuerpfeile 
auch noch gut wären. „Da e8 gegen den Tag ging, thaten die von Soeft 
nod) große Gnade und Barmherzigkeit (!), daß fie fein Feuer ſchoſſen gegen die 
Nachtzeit, wie die Kölnifchen vor Soeft gethan. Auch ließen fie eine große 
Büchſe losſchießen, auf dat fie ja wachhaftig wären und nicht „gemortbrant“ 
würden. Darnad) jhofjen fie ihre eigenen (der Feinde) Feuerpfeile darin und 
brannten das ganze „Steden” (Städtchen) aus, auf 8 Häufer nad.” So 
Bartholomäus Lake, der das Ganze als Gottes Rache hinjtellt für die Schänd- 
(ihfeiten, welche die Neheimer an Weibern und Jungfrauen begangen hätten. 


Am 4 März drängten nad) Bartholomäus die kölniſchen Amtleute 
einen armen Gefangenen, Namens Korte, dazu, daß er geloben und ſchwören 
mußte, er wollte „Weken“ (Qunten) in Soeſt legen. Korte verfprad) es, um 
fein Leben zu retten. Darauf ward ihm bon „guden Fronden“ geraten, er 
follte die Lunten legen. ALS dies gejchehen, famen andere und entfernten fie. 
In einem Rundſchreiben (!) erflärten nun die Umtleute, Korte habe ſich freiwillig 
erboten, die Lunten zu legen, al8 er „to Urnsberge in der gevenkniſſe und 
ſtock“ geweſen; er fei nicht gezwungen worden. Sorte habe vorgegeben, einen 
Racheakt an zwei Soefter Mitbürgern verüben zu wollen, die ihn um 5 Mark 
14 Scillinge gefränft hätten ufmw.?) 


Am Montag nad; Mitfajten zogen aus Soejt 60 Berittene und 120 
zu Fuß und durchitreiften den „Arnsberger Wald’ auf Beute. Da kam „ein 
Mönd von Wedinghaufen (Weynkhufen), genannt Herr Bernt von Altena, 
geritten, der fiel ihnen in die Ruhr (Nure), aber die Soejter „Eregen dat 
Perdt ..““ An einer anderen Stelle wird erzählt, wie die Werler den Mönchen 
von Wedinghaufen die Kapuzen entliehen, dor Soejt ritten und ein Pferd 
raubten. Nicht fo viel Glüd, wie der eben genannte Mönch Bernt von Altena 
hatte der Sohn des Furfürjtlichen Kellners in Arnsberg, den die Soejter auf 
einem andern Raubzuge gefangen nahmen. 


Am Montag nad; Walpurgis „hielten die Soejter ihren Mai und 
einen großen Raub vor Arnsborge, brannten darum ber, zu Neheim, 








ı) Diefer war feit dem 15. Juli 1444 Befehlshaber auf Schloß An— 
röchte (Blätter 3. n. 8. W. IX, 54). 


2) Städtehronifen XXI, ©. 108, Anm. 2 und 3, 


158 Kurkölnifche Zeit. Fehde und Bene. 


fort „über die Rure“ Müfchede (Muficheden), Hüften (Huyſten), Herdringen 
(Herderyngen), Eimer (Emmeryngen), Obereimer (Obveremmeryngen) und was 
Dörfer und Höfe da mehr waren, und gewannen die jteinernen Warten (de 
jtenen Warden), zwei Hofeleute- Wohnungen (in einer anderen Handſchrift 
iteht Junkernſchlöſſer) Brucdhhaufen (Broychuzen) und Barenhagen (in der 
Nähe der Diden Eiche, wie der Name eines benachbarten Walddiftriftes be- 
weijt), plünderten was da war, und verbrannten fie in den Grund, raubten 
biel Betten, Kannen, Töpfe (Botte) und allerlei Hausgerät fonder Zahl, 
Ebenfo 160 Aderpferde, 6 befchlagene Wagen, über 500 Kühe, 100 Stälber- 
400 Schweine, 300 rheiniſche Schafe und viel Segen (Getreide), Sie fingen 
aber nur 11 Mann, da fich alles in die Wälder geflüchtet Hatte.” Auf dem 
Rückwege wurden fie von den Kölnifchen (aus Arnsberg) verfolgt, brachten 
fie aber zum Weichen. 


Am 29. Detober dieje8 Jahres maßen ſich endlich einmal die 
feindlichen Heere im offenen Kampfe nicht weit von Neheim an der 
Haar. Die Truppen des Erzbijchofes erlitten eine vollftändige Nieder- 
lage. Nach der Aufzeihnung des Bartholomäus von der Lake wurden 
29 vom Adel gefangen genommen, darunter der oft genannte Johann 
von Schedyngen, Drofte to Arnsborch; ferner von „reifigen Knechten 
und borgers folgende 7 van Arnsbord 1. Berent Quant, bajtart. 
2. Frederik van Neyme, baftart. 3. Henrich von Geſeke, borgermeifter. 
4. Gerwin Todele, borgermeifter. 5. Gert Blume, richter. 6. Johann, 
Hermann Molmers fon. 7. Heynemann Kolver”. (Chronifen XXI. 
©. 134.) In einem Schreiben ermahnte Herzog Adolf von Berg die 
Soefter darauf zu achten, daß fie von den gefangenen Abeligen ein 
hohes Löfegeld erwirkten; insbejondere follten fie den Amtmann von 
Arnsberg nad dem Urheber der feindlihen Haltung Dortmunds aus- 
fragen, um womöglid in Dortmund ſelbſt Zwieipalt zu erregen. 


Um diefelbe Zeit hatten die Soefter durch Adolfs Fluge Politik 
einen anderen Erfolg in der Diplomatie zu verzeichnen. Jener erwirfte 
nämlih beim Kaiſer, fowie beim Papfte Abjegung des Erzbiſchofes 
Diedrih. Freilich ſcherte fich diefer daran nicht im Geringften. Er 
machte vielmehr im nächften Jahre eine letzte, gewaltige Anftrengung, 
um den Widerftand der Stadt Soeft zu breden, indem er ein aus 
Sachſen und böhmiſchen Söldnern beftehendes Heer, weldes damals 
gerade unthätig in Sachſen lagerte, durch Soldverjprehungen zu feiner 
Hülfe herbeirief. Die vereinigten Heere des Erzbiſchofes und der 
Sadjjen zogen durch das Detmoldſche zunächſt gen Xippftadt, ohne 
imftande zu fein, diefe durch Natur und Feſtungswerke geſchützte Bundes- 
genoffin Soeft8 zu erodern. Ende Juni 1447 zog der 15 000 Mann 
ftarfe Heeresihwarm vor Soeft. Die Stadt wurde vom Jungherzog Johann 


Soefter Fehde. 159 


verteidigt, der wegen feiner burgundifchen Tracht (Wamms, Hofe, lang- 
geihnäbelte Schuhe mit filbernen Schellen) fcherzweife von feinem Vater 
das „Johanneken mit den Bellen“, von den Feinden fpottend das 
„Kind von Gent” genannt wurde. Doch bewies Johann während der 
Fehde jold) ritterlihen Mut, daß die Chroniften feines Yobes voll find. 
Nad einigen umbedeutenden Gefechten während einer jchon dreiwöchigen 
Delagerung wurde auf den 19. Juli ein Hauptfturm auf die Stadt 
von drei Seiten bejchlofjen. „Der Erzbiſchof und fein Bruder waren 
mitten unter den Stürmenden. Drei Pfeile trafen des Erzbijchofes 
Helm, drei andere feinen Schild, und Biſchof Heinrid, fein Bruder, 
war bereit3 am Graben hingefunfen, als einer der Krieger, ein kräftiger 
Dürger aus Osnabrüd, ihn mit ſtarken Armen aus der Gefahr hinweg 
trug. Berhängnisvoll für den Angriff war der Umſtand, daß die 
Sturmleitern, deren 1600 an die Mauern gejett wurden, nicht die 
erforderliche Länge hatten. Gleichwohl verfuchten die Stürmenden hin- 
aufzugelangen und waren bei diejem tollkühnen Bemühen den Gejchofjen 
der Soefter Bürger, jowie den fiedenden Stoffen und glühenden Kohlen, 
welde die Soefter Frauen zum Empfange der Feinde in Bereitſchaft 
gejet hatten, unaufhörlic) preisgegeben. Nur einem Fleinen Teile der 
Böhmen gelang es, die Binnen der Mauern zu erfteigen, aber der 
mutige Widerftand der Bejagung trieb fie wieder in die Gräben hin- 
unter. Drei Stunden währte der higige Kampf, dann mußten fic die 
Angreifer auf allen Seiten zurüdziehen. Zwar hatten fie nur etwa 50 
Zote verloren, aber bei 1000 Verwundete und Gejengte lagen in den 
Stadtgräben, während die Soefter nur 12 Tote und etwa 50 Ber- 
wundete zu beklagen hatten. Es war eine vollftändige Niederlage des 
fölniihen Heeres ... .. Der Hunger drängte, und es blieb nichts 
übrig al3 der Rückzug. Zwiſchen dem Herzoge von Sadhjen und dem 
Erzbifchofe trat eine heftige Spannung ein wegen ber auf mehr als 
200 000 Gulden ſich belaufenden Schuld des letzteren ....... Am 
21. Juli brach das Heer vor Soeft das Lager ab; das erfte, nod) ge- 
meinjame Nachtlager wurde in Gejefe aufgejchlagen; hier trennte fich 
der Erzbiihof von dem jähfish-böhmijchen Heere, weldyes den Heimweg 
einſchlug. Die Stadt Soeft war gerettet. Ganz Weftfalen atmete 
wieder auf. Doc nicht bloß Weftfalen, fondern ganz Deutſchland war 
von dem Anzuge des böhmischen Heeres erjchredt; und jeder fragte mit 
Bangen, wohin ſich die Horde wenden werde. Folgender Briefwechſel 
fand zwifchen dem Frankfurter Stadthauptmann und einem Arnsberger 
Bürger ftatt: 


160 Kurkölnifche Zeit. Fehde und Beme. 


Dem erbern (ehrbaren) Gerwin Hunt, burger zu Arnsberg. 

Minen fruntlihen Dinft zuvor, befunder liebe frunt. Als ir mir 
geichreben Hat von des fremden foldes wegen vor Soft ujw. danden 
ih uch mit ganzem flijffe und Laffe uch wiffen, wie dag ein gancz lant- 
mer ift und han verjtanden, wie das mynes hern grade von Collen mit 
dem fremden und fime folde an drien enden zu der ftad Soeft uf mit- 
woche neft vor dato diß Briefs geftormet und deshalb großen jchaden 
an vil guten luden genommen fulle han und haben die von Soft yme 
alle ir ftigeleitern und gezug angewonnen. Wer das aljo, das wer mir 
getrumwelich leit. Alſo, bejunder gude frunt, bidden ich uch recht freund- 
(ih und dinftlich das ir mir grunt und wareheit davon jchribt und wer 
von myns gnedigen heren guden mannen blieben jij wiffen zu tun, und 
wo fi) das fromde folde hyne meynen zu feren. Und weres, das ir 
nit in dem here weret, fo wullet mir doc, fovil uch davon wiſſentlich 
ift, Schriben, und aud, wie iß umb Arnold von Barlen gelegen und 
wer dot blieben fij. 

Geben under mynen ingefiegel uff jant Marien Magdalenentag 
anno ujw. Gerlad von Londorf. 

(Meinen freundlichen Dienft zuvor, befonders lieber Freund. ALS (da) 
Ihr mir gefchrieben habt wegen des fremden Volkes vor Soejt ufw., danke 
ih) Euch mit ganzem Fleiße und laffe Euch wiſſen, wie (daß) das eine ganze 
Landmäre ijt (die Welt davon ſpricht) und Habe vernommen, daß meines Herrn 
Gnade von Köln mit dem fremden und feinem Volke (Heere) an drei Enden 
gegen die Stadt Soeft am Mittwoch nächſt (letten Mittwoch) vor Datum 
dieſes Brief gejtürmt und deshalb großen Schaden an vielen guten Leuten 
(Edlen) genommen haben foll und die von Soeft ihm alle ihre Steigleitern 
und Rüjtzeug erobert haben. Wär’ das fo, (fo) wäre mir das getreulich leid. 
Alfo, beſonders guter Freund, bitte ich Euch recht freundlich und dienftlich 
(ergeben), daß Ihr mir Grund und Wahrheit davon jchreibt und wer bon 
meines gnädigen Herrn guten Mannen geblieben jei (mich) wiſſen zu thun, 
und wohin ſich das fremde Volk zu fehren (wenden) meint (gedenft),. Und wär! 
e8, daß Ihr nicht in dem Heere mwäret, jo wollt mir doch, ſoviel Euch davon 
befannt ift, jchreiben, und auch, wie e8 um Arnold von Barlen jteht, und 
wer tot geblieben fei. 

Gegeben unter meinem Inſiegel auf St. Marien Magdalenentag anno 
ujw. Gerlad von Xondorf.) 

Gerwin Hunt, Bürger zu Arnsberg, an Gerlach von Londorf in 
Frankfurt a. M. 
(Antwort vom 26. Yuli 1447.) 

Minen vruntlihen Deinft und wat ich liffs und gu vermach, 
befunder liebe frunt. Als ir myr nu zom drytten male gefchreven hant, 
wij ir gerne wyſten, wie alle ſachen vur Soift erfaren weren, laiffen 
ich uch wifjen, dat man off den mytwoichen Soift ftormede an dreyn 


Soejter Fehde. 161 


enden und fie affe gedreben wurden; und as ir dan jchrybet, dat myns 
heren grade an fynen guden luden vele und groißen jchaden genomen 
joffe haven und ſyne ftigeletren aff gewunnen haven, laiffen ich ud 
wiffen, dat myns heren gnade gegangen und den jtorm geftanden hait, 
a3 eyn erber here bijt jo lange, dat ene fyne frunde von dannen nomen, 
dan her wort drywerff off ſynen iferenhoyt gejhoißen und drywerff yn 
jinen jchilt ind Her ift nyt gewunt und iS geſunt und ftard. Und fyne 
Gnade en hait ouch nyt mye van fynen guden mannen verloren, dan 
dere und wol by czhenen eder by czwelffen burgeren und husluden, die 
dar doit fin gebleven, und wol by vunffzich, die gewunt und gejchoißen 
fin, den doich nyt zom libe enjchadet. Und die letteren blieven yn dem 
graven vur Soift; anders en gewunnen fie myns heren gnaden feyne 
buffen eder gerejchoff affe. Dan myns heren gnade und ſyne frumt 
hant den van Soift wol vunffczhen bufjen affe gewunnen. Wer ud) 
anders faid, des engelobet nyt, a8 uch deje bode auc wol muntlichen 
berichten jall, dan ich enfan uch nyt gejchreven, wer dar doit eder ge- 
wunt fij van den Miyjenern eder den Bhemeren. Duch hant fi) myns 
heren gnade van dem herczoge van Sachſen und dem van Sterneberg 
gutlihen gejcheden, und nyt ſchuldich en iS und fie wol beczalt hait. 
Und fie fint off dem wege hemverger, dan ich enfan uch nyt gefchreven, 
war fie fich hen leren, dan as ic vernomen have, jo weren fie gerne 
na Kaſſel durch dat lant zu Helfen und vort na Gottingen. Lieve 
frumt, ich enweiß uch bejunder nyt 30 jchreven, dan myns heren gnade 
i8 noch myt ung, as ud, Eidert de bode wolf berichten jal. Got ſy 
myt uch, und gebeydet alzijd zo myr. 

Gegeven under myme jegel up den mytwoichen na jente Jacobes 
dage ujw. 

Girwin Hunt, burger 30 Arnsberg. 

Adr.: An den erfamen Girlache van Lundorpe, myme befunderen 
licven frunde ufw. 

(Meinen freundlichen Dienjt und was ich liebes und gutes vermag, 
bejonders lieber Freund. Da Ihr mir nun zum dritten Male gejchrieben 
habt, dat Ihr gern wüßtet, wie alle Saden vor Soeſt verlaufen wären, 
laſſe ich Euch willen, daß man auf (am) Mittwoch) Soeſt ftürmte an drei 
Enden und fie abgetrieben wurden; und als (da) Ihr dann jchriebt, daß 
meined Herrn Gnade an feinen guten Leuten (Edelleuten) vielen und großen 
Schaden genommen haben joll und (fie ihm) feine Sturmleitern abgenommen 
haben, laſſe ih Euch willen, daß meines Herrn Gnade gegangen (ift) und 
dem Sturme jtandgehalten bat, als ein ehrbarer Herr, jo lange, bis ihn 
jeine Freunde fortrifien, denn er wurde dreimal auf feinen Eiſenhut gefchofjen 
und dreimal in feinen Schild, und er ijt nicht verwundet und iſt gejund 
und ftarf. Und feine Gnade hat auch nicht mehr von feinen Edelleuten 


Fé aur, Geſchichte Arnsbergs. 11 


162 Kurkölnifche Zeit. Fehde und Veme. 


verloren als vier, und wohl an zehn oder an zwölf Bürger und Haus: 
leute (Knechte), die da tot geblieben find, und wohl bei fünfzig, die ber- 
wundet und gefchoffen find, denen jedoch nicht zum Leibe gefchadet. Und 
die Leitern blieben in dem Graben vor Soeſt; fonjt gewannen fie bon 
meine8 Herrn Gnaden feine Büchfen oder Gerätſchaft. Doch Hat meines 
Herrn Gnade und feine Freunde denen bon Soejt wohl fünfzehn Büchjen 
abgenommen. Wer Euch anders erzählt, dem glaubet nicht, da Euch dieſer 
Bote auch wohl mündlich berichten wird; doc kann ich Euch nicht fehreiben, 
wer da tot oder beriwundet jei von den Meißenern oder den Böhmen. Auch 
bat fi) meines Heren Gnade von dem Herzoge von Sachſen und dem bon 
Sterneberg gütlich gefchieden, und nichts ift er (ihnen) fchuldig und (ſondern) 
er hat fie wohl bezahlt. Und fie find auf dem Wege heimmärts, Doc 
fann ich Euch nicht fchreiben, wo fie fich hin wenden, doc) twie id) vernommen 
habe, wären fie gern nad) Kaſſel durch das Land Hefjen und fort(meiter) nach 
Göttingen. Lieber Freund, ic weiß Euch Bejonderes nicht zu jchreiben, dod) 
meines Herrn Gnade ijt noch mit uns, wie Euch Eidert der Bote wohl be- 
richten wird. Gott fei mit Euch, und gebietet allzeit mir. 

E ia unter meinem Siegel auf dem Mittwoch) nad St. Jacobus 

ag ꝛc. 

Die Fehde war mit der rühmlichen Abwehr der Soefter nod nicht 
beendigt. Erſt im Jahre 1449 fand man nad wiederholten Unter- 
handlungen, Waffenftillftänden, neuen Kämpfen ufw. einen Weg zum 
Frieden, durch welchen Soejt endgültig an Kleve, dagegen Yand 
und Schloß Bilftein und Fredeburg an Köln famen. 

Der Erzbifchof ftellte auf dem Arnsberger Schloffe, wo er nad) der 
Soefter Belagerung längeren Aufenthalt nahm, folgende Dokumente aus: 

Burg Arnsberg, 10. September 1447: Unterwerfung des Erz- 
bifchofes unter die Entjcheidung des Herzogs Philipp von Burgund. 

Burg Arnsberg, 12. DOftober 1447: Diedrid) dankt Johann von 
Gehmen (Kleine Herrihaft am Rheine) für feine Mitteilung über einen 
beabfichtigten, gegen den Erzbichof gerichteten Bund von Kölner und 
Jülicher Unterfajfen; bittet ihn, diefem Bunde nad) Kräften entgegenzu- 
treten, in acht Tagen werde er am Rheine und zu mündlicher Beſprechung 
bereit fein. 

Burg Arnsberg, 30. Mai 1448: ein fernere8 Schreiben an 
Kohann von Gehmen. 

Burg Arnsberg, 21. Auguft 1448: Diedrid teilt der Stadt 
Köln Näheres über die Vorgänge bei der vom Jungherzoge Johann 
von Kleve an den Erzbijchof gerichteten Forderung zum Zwei— 
fampfe mit. Johann von Kleve ſchickte nämlich am 18. Juni, als 
die beiden Heere in der Nähe von Soejt fich gegenüberftanden, Herolde 
zum Erzbijchofe, um dieſen zu einer Entſcheidungsſchlacht zu veranlafjen. 
Diefe lehnte Diedrich ab, erbot ſich aber, als „treuer Hirt für feine Herde 


Soeiter Fehde. Marfchälle unter Diedrich IT. 163 


Dlut und Leben einzufegen”, wenn der Jungherzog einen ehrlichen Zwei- 
fampf mit oder ohne Waffen, in einer Kammer oder auf freiem Felde 
wünſche. Als num aber Johann auf diefe feltfame Herausforderung 
einging, machte Diedrich; Ausflüchte. 

Arnsberg, 18. September 1448. Der Erzbifchof verſpricht dem 
Grafen Konrad von Rietberg und dem Notger Ketteler von Affen, daß 
er die denjelben verpfändeten Schlöffer Hoveftadt und Affen nicht zurüd- 
fordern wolle, ehe er ihnen die ganze Pfandfumme zurüdgezahlt habe, 


Dieje Urfunde weift auf einen andern großen Nachteil Hin, den 
der Erzbiſchof aus der Soefter Fehde zog, eine ungeheure Verſchul— 
dung, die noch nad) Diedrihs Tode drüdend auf dem Erzjtifte laftete 
und über das Land fortwährend neues Ungemad brachte. In politicher 
Beziehung hatte der Verluft der alten Hauptftadt des Herzogtumes die 
Folge, dab auf Brilon als am meijten bevölferte Stadt (mit etwa 
11000 Einwohnern) der Primat überging, d. 5. e8 nahm als Stadt 
unter den Städten den erften Rang ein (3. B. auf Yandtagen), während 
Arnsberg, die furfürftliche Refidenz, Sig der Landesregierung, aljo 
Hauptftadt im modernen Sinne wurde. 


Marichälle unter Diedrich II von Mörs.!) 

Heinrih von Allinghofen gnt. Laar um 1441 war nur 
fünf Jahre in diefem Amte. 

Heinrid von Mörs, Biſchof von Münfter, Bruder Diedrichs, 
wurde von diefem wegen feiner Dienfte in der Soefter Fehde zum 
Marſchall ernannt. Biſchof Heinrich ftarb 1450 an den Folgen eines 
Sturzes vom Pferde, den er 1449 bei der Nüdfehr von Arnsberg 
erlitten hatte. 

Kohann Graf von Najjau hatte den Erzbijchof in der Soefter 
Fehde mit Waffen und Geld weſentlich unterftügt. Seine Vorſchüſſe 
und Kriegsfoften, wofür ihm Diedrich das Marſchallamt verpfändete, 
wurden 1455 auf 41050 Gulden „Hauptftuhl“ und 2050), Gulden 
jährlicher Renten berechnet, die ihm damals auf den Zoll zu Königs— 
dorf verjchrieben wurden. Dagegen gab er das Schloß Hirjd- 
berg und nad bejonderer Ablöfung mit 5000 Gulden aud) die Herrichaft 
Fredeburg zurüd. 

Eort dey Wrede, Marſchalk yn Weftfalen und Drofte 
30 Arnsberg, wohnte 1454, 1457, 1459 den Generalfapiteln der 
Freigrafen in Arnsberg bei. 


ı, Bgl. Zeiberk in Ledeburs allgem. Archiv VI, ©. 84. 
11* 


164 Kurkölnifche Zeit. Fehde und Veme. 


Johann von Hatzfeld erfheint als Marſchall in Urkunden 
der Jahre 1461— 1479. Irrig läßt Seiberk ftatt feiner Bernard zur 
Lippe folgen, dem nad) der Erzählung des lippifchen Chroniften Piderit 
das Schloß Arnsberg zur Nefidenz eingeräumt wurde. Siehe unter 
Erzbiſchof Ruprecht. 


Vertrag des Erzbiſchofes und der Stände zur Aufrechterhaltung 
des Friedens und zum Schutze des Rechtes, geſchloſſen zu Arnsberg 
am 28. Auguft 1452.') 

Ende der Regierung Diedrich IL 


Als der Erzbiſchof Diedrich IT im Auguft des Jahres 1452 in 
Arnsberg Hof hielt, fchenkte er den Klagen über die allgemeine Unſicher— 
heit im Lande und die unordentliche Rechtspflege im bejonderen Gehör. 
Er verfammelte feine Räte, jowie Vertreter der Nitterihaft und der 
Städte um ſich und ordnete, damit Gericht und Recht ordentlich 
gehandhabt würden und das Land „zo frede ind wolfart kome“, fol- 
gendes an: 


1. Bor den Gerichten foll jedermann Necht geſchehen und es niemand 
getveigert werden ; wer fi) durch ein Urteil bejchtwert fühlt, foll fi an das 
Haupt („hoedet”, die höheren Inſtanzen) berufen, „as diſſ Landes gemwoinheit 
ind reicht iS”. Diejenigen, welche fich frevlerifch gegen einen Rechtsſpruch auf— 
Ichnen, jollen von den Amtleuten umter dem Beijtande der Ritter, Städte ufw. 
gewaltjam in Schranken gehalten werden. 


2. Jedes Gericht ſoll einen Schreiber haben, der „die ſachen, proceſſe 
und ordele ſchryve“, auf daß man jehe, wie die Gerichtsjachen „gehandelt“ 
werden. 


3. Jeder, ſei er Ritter, Bürger oder Hausmann, ſoll ſein Recht bei 
dem für ihn zuſtändigen Gerichte ſuchen und feiner es ſich mit Gewalt ver— 
Ihaffen. Mit den „eygenen luden“ foll man es jedoch halten, wie „van 
alters herfomen ind gewonlich ijt”. 


4. Wäre jemand, der ums oder umferer Ritterfchaft, Städten oder 
Unterfajien Feind würde oder mit Gewalt unfer Land und die Unjrigen über- 
fiele, das follen unfere Amtleute, Mannen, Städte und Unterfafien jonder 
Unterjchied mehren und bejchügen helfen, und dem thun, als wenn fie ihre 
Feinde wären, und niemand foll die vor fein Heim reiten oder kommen Tafjen, 
jondern man foll „mit Cloden flan ind Land gerudt eyn (d. i. Striegs- 
geichrei eins) dem anderen folgen“, das Land und die Interthanen treu- 
lich zu befchügen helfen; und das foll man in allen Burgen, Städten und 
Ämtern in unferem Lande Wejtfalen von Stund an verfündigen und ge- 
bieten, jo daß jedermann, der darinnen gefeflen, dazu folge und befchügen 
helfe, und wenn einige von den Unſrigen in ſolchen Geſchäften jemanden fingen 








1) Geiber& III Nr. 959. 


Die Arnsberger Abmachung zum Schuße des Friedend. 165 


„bufen veden“ (d.h. außer Fehde, außer in einer regelrechten Fehde), da 
follen wir der unferen Ehre darin berforgen nad Notdurft und auch ihres 
Hauptes (Lebens) Herr fein, als gewöhnlich iſt. 

5. Niemand foll Auswärtige befehden oder fchädigen, wenn dadurch 
dem Lande Schaden und Laft fommt. Wer Auswärtigen gegenüber nicht 
zu feinem Rechte kommen kann, foll es nicht mit Fehde und Gewalt fuchen, 
fondern durch Bermittelung des erzbifchöflichen Amtmannes in Arnsberg. 

6. Unfere Amtleute follen zu und beieinander reiten, die Straßen zu 
ihirmen. Auch fol man die Wege, Päffe und Landwehren mit 
Berbauen, Gräben und Schlägen befejtigen mit Hülfe der Amt- 
leute, Ritterſchaft und Städte. 

7. Die dazu verpflichteten Güter follen die erforderlichen Fuhrdienſte 
leiften. 

8. Unfere Städte follen unter fich fügen, daß jegliche Stadt täglich 
einen reifigen Schüßen halte, der mit unferen Amtleuten zu ihrem 
Geſinnen zurelite auf die Feinde uſw. 


I. Wenn einige mutwillige Kriegsleute („kreichslude“) wären und wollten 
fein Recht von den Unfrigen nehmen oder tun und ſich aus anderen Ländern 
wider uns mit Gewalt und Fehde Iegten, fo follen unfere Ritterfchaft ufm. 
uns treulich helfen denen Widerjtand zu thun. — 


10. Uinfere Amtleute, Richter uſw. follen niemand geleiten oder Schuß 
geben, die unfere oder der Unfrigen Feinde wären oder uns befchädigt hätten, 
deſſen fie nicht gefühnt oder gefriedet wären, es wäre denn, daß unfere Amt- 
feute den Tag beſcheiden (Gerichtstag anfagen) mit Wiffen und Willen ber 
Parteien, die das antrifft, zu dem Tage zu fommen und wieder um nad) 
Haufe und nicht länger. 


11. Unfere Amtleute mit etlichen aus der Ritterfchaft und den Städten, 
die num dazu beſtimmt twerden, nämlich aus der Ritterſchaft ſechs und 
aus den Städten ſechs mit Namen „Heydenrih den Wolff van Ludine— 
bufen, Goddert van Mefichede, Reinwert Elufener van dem broich, Nultegen 
ban Meldrike, Henrich van berenghufen ind Conrait faygt (Vogt) van Elfpe; 
item dan Brylon Yohan van Nehene ader bruin tointerberg, item ban 
Geiſſike Johan made ader Henrich Kordind, item van Ruden Johan Neve— 
ling, item dan Werle Evert Roift, item van Arnsberg!) Herman ban 
Olpe off (oder) Henrifus van Geifife, item van Attendorn Heilmann Bitter“ 
follen ein- oder zweimal des Jahres zum Mindeften („zo mynſter“) zuſammen— 
fommen, um zu beſprechen und zu beftellen, daß diefe Ordnung „a8 man nu 
overdragen iS” fejtgehalten werde zu unferem und des Landes und der 
Untertanen gemeinem Beten. 


Am Schluffe Heißt e8: Und wir meinen und getrauen, wann dieſelbe 
Ordinanzie feit und ftark gehalten wird von den Kleinen und den Großen 
unparteilich, aljo dag man Gott, das Recht und die Ehrbarkeit lieb und vor 
Augen hat, als wir getrauen, daß es fortan gefchehen folle: fo kommt dies 
Land mit Gottes Gnaden in Frieden, dabei die Unterfaffen alsdann auch 


) Man beachte die Rangordnug der Städte. 





166 Kurkölnifche Zeit. Fehde und Bene. 


gemeiniglich reich und felig werden mögen. Und auf daß dies dejto fejtlicher 
gehalten werde, fo haben wir auf Bitten und Begehr unferer Ritterjchaft uſw. 
unfer Siegel hierunter gedrüdt zu Arnsberg uſw. 

Aus den folgenden Negierungsjahren des Erzbijchofes Liegen für 
unſere Geſchichte feine befonder8 bemerfenswerten Daten vor. Diedrich), 
der „ein better Krigesman alß Bifjcop geweſen“, ftarb im 
Anfange des Jahres 1463 und wurde „tho Coln yn den Dom mit 
groter Pracht begraven”. 


Altes Arnsberger Statutarredht (um 1450). 


Im Archive der Freiheit Mefchede befindet ſich eine Abjchrift von 
alten Arnsberger Statuten, die nad Seibert (N. 955) in die Zeit um 
1450, aljo in die Megierungszeit Diedrich II zurüdreihen. Dieſelben 
enthalten im wejentlichen die Grundzüge ber fpäteren ſtädtiſchen Ver— 
faffung und finden infoweit weiter unten ihre Erläuterung in einem 
allgemeinen Kapitel, das fi) hiermit befaßt. Sie bieten aber aud) 
manches Bejondere und fönnen ſchon wegen der eigentümlichen Sprache 
und Form nicht übergangen werden. Wir begnügen ung mit einer 
Überfegung,!) da das Original ſchwer verſtändlich ift. 


Bläubige Abfchrift dero Städte Arnsberg uralten Gebräude 
und Gewohnheiten. 


In diefer Nottelm iſt fchriftlich begriffen ein altes Herflommen und 
gute Gewohnheit, als unfere alten Vorfahren zu halten pflegen, weil menſch— 
lihe8 Gedächtnis vergänglich und vergeßlich ift. 

1. Zum erjten, damit unfere Bürger und Einwohner feine auswärtigen 
Gerichte fuchen noch jemand da verklagen, foll der Bürgermeijter mit feinem 
Nate zu allen 14 Tagen („veirteynnachten”) des Montags auf das Rathaus 
gehen, jo daß man das Gericht findet. Hierzu foll man mit den Gloden 
läuten. 

2. Wenn der Bürgermeifter von unferem gnädigjten Herrn oder von der 
Stadt wegen zu fprechen oder zu thun bat, das foll er auf derjelben Stelle 
thun, wenn die Thür zugemacht ijt.?) 

3. Es foll der Bürgermeifter bejtellen mit denen, die das Höderamt?) 
wahren, daß die vornehmen, was der Kauf fei von Heringen, Stodfifchen, 
Butter („Botteren”) und Käfe, und er foll diefes dann vor den Rat bringen, 


1) Benußt wurde ein bezügliches Manufkript von Seiſſenſchmidt, der 
übrigens manches falfch gedeutet hat. 

2) Derartige Berhandlungen waren alſo nicht an einen bejlimmten 
Tag gebunden. 

) Krämerzunft. Der Verkauf der Viktualien wurde, um Teurung der 
Lebensmittel zu verhüten, vom Magijtrate Eontrolliert. 


Alte Arnsberger Statuten. 167 


auf dat die Höder redlihen Kauf geben; und derfelbe foll bervahren und mit 
zufehen, was feil fomme, daß man das auf den Markt bringe und e8 unter- 
weges auf der Straße nicht gekauft werde, und daß das feine Zeit auf dem 
Markte ftehe, ehe daß es die Höder einkaufen. 

4. Es follen die Stadtfifcher die Filche auf den Stein vor die Halle 
bringen. 

5. Die Bürger und Einwohner unter fich, Feiner fol den andern bor 
jemanden verklagen, denn bor dem Bürgermeijter und feinen Geſellen, e8 
wäre denn, daß einem da das Recht geiweigert worden und Fein Recht wider— 
fahren könnte. 

6. Wäre Sadje, daß dem Bürgermeifter mit feinen Gefellen Rats nötig 
wäre, dazu foll einer thun und das Halten, was bon Alter Herfommen ift, 
fo foll man den alten Kat!) zu fich heiſchen; iſt e8 ferner nötig, die Richt- 
leute?) aus den Ämtern; was bie fürder unter fi) eins werden, darnad) foll 
man fich richten und halten. 

7. Kein Bürger noch Einwohner follen fi) untereinander mit irgend 
welchen auswärtigen Gerichten beſchweren, weder geiftlichen noch weltlichen. 

8. Wer ein Waffengefchrei („geroichte”) macht, der brüchtet fünf Mark, 
die joll man niemand quitt geben.®) 

9. Eoll man nicht zulaffen, daß man binnen Arnsberg jemand an 
tafte, außer man thue das mit dem Gerichte.*) 

10. Auch foll man unfere Bürger und Einwohner noch Bürgerinnen 
oder ihr Angefinde nicht antajten laffen mitteljt unferer gnädigften Herren 
Amtleute und Diener, einer fei denn verflaget oder verfolgt vor dem Bürger: 
meifter und feinen Gefellen, und dann noch mit @ericht gefordert und ge— 
wonnen (überführt ?).’) 

11. Soll und mag der Bürgermeifter gewöhnliche Borwerde (Schuß) und 
Geleide geben.?) 

12. Wäre Sache, daß von unfern Bürgern einer in diejfer Graffchaft von 
Arnsberg”) befümmert würde, der foll fprechen zu dem Richter, wo der Kummer 
geihieht: „Herr Nichter, ich gehe mit Urlaub bis an meinen Bürgermeifter 
in Arnsberg, der mich des Kummers wohl quitt machen foll, als ich hoffe 
nad) altem Herkommen und guter Gewohnheit derer bon Arnsberg ;” und als 
nun die Klage an den Bürgermeifter kommt, fo foll er mit Rate feiner Ge- 
jellen den Mann verteidigen und des Kummers zu Frieden helfen. 


') Die zwei alten Bürgermeifter und zwei alten Kämmerer. 

2) Bunftborfteher. 

2) Strenges Berbot des Alarmes. Die Strafe darf feinem nachgelaffen 
merden. 

) Berbot der Selbithilfe. 

s) Auffallend, daß der kurf. Nichter („Richter und Gograf zu Arns- 
berg”) nicht erwähnt wird. Bielleicht ift der Diener de8 Amtmannes damit 
gemeint. Die Kompetenz des Stabdtyerichtes war übrigens auf Civilſachen und 
leichtere Eriminalvergehen bejchränft, was hier gar nicht ausgedrüdt wird. 

0) Am Stadtgebiete war jeder gefchüßt. 

?) Der Arnsberger konnte im ganzen Gebiete der Grafſchaft verlangen, 
bon dem Arnsberger Bürgermeifter gerichtet zu werben. 


168 Rurkölnifchhe Zeit. Fehde und Veme. 


13. Soll ein Bürger den andern in feinem Gewinne und Kaufe ruhig 
(„reſtlichen“) fiten laffen und ihn um Haß, Neid oder um Mißgunſt willen 
deshalb nicht befchiweren.!) 

14. Auch foll man Häufer und erbhaftige Güter nirgends auflaſſen 
denn vor dem fienden Rate, als diefes von Alters her gehalten ift. 

15. Auf daß nun der Bürgermeifter und Rat dejto fleißiger dazu find, 
dies Borgefchriebene und des Nates Stelle zu halten und zu bewahren an 
gutem altem Herkommen und guter Gewohnheit, fo ijt der Gemeinheit Wille 
und gute Meinung, was ihre Vorfahren bishero an Ehren: Präfenten und 
Hochlichkeit?) gehabt Haben, daß fie das aud) nun fo forthin Haben und Halten. 

16. Der Bürgermeifter und feine Gefellen jollen die Weine jegen und 
mit den Weinherrn bejtellen, damit jedermann fein Maß werde. 

17. Soll der Bürgermeifter bejtellen, daß während der Friedenstage durch 
das Jahr, das ift von allen Saterstagen zu 9 Uhr bis auf den nächſten Mon- 
tag zu 9 Uhr, niemand mit Gerichten oder anderer Beſchwer beſchwert werde. 

18. Wäre gut, daß man beftellte, daß das Nachtsgerüchte abgejtellt 
würde ; das follte fo zugehen: wer über 9 Uhr einig Gerüchte machte, den 
jollte der Bürgermeijter in die Stadthachte ſetzen, jo lange bis er dem Rate 
befierte.) 

19. Desgleihen wäre gut, Gott zum Lobe, wer den! Teufel („die 
Drofe”) nännte oder Gott feinen Leichnam, Fleifch und Blut uſw. ohne Not 
verſchwüre, daß der ein Pfund Wachs („eyn punt waſſes“) gebe. 

20. Als man ein Urteil vor den Rat gejcholten Hat und der Rat 
darüber willen will, fo follen beide, Kläger und Antworter, die unfere Bürger 
find, zuvor ein jeglicher 4 Pfg. vor den Rat legen. Wer das Urteil verliert, 
der verliert auch fein Geld. Aber dad mag den Gäſten (Fremden) nicht ge- 
dienen, die müflen das belegen mit einer Marf. 

21. Wäre gut, daß man des Jahres einmal die Mark umginge, auf 
daß die Jungen lernen mit den Alten. 

22. Den Dreſchern durd) das Jahr vier Pfennig.*) 

23. Den Bimmerleuten von St. Michael bis zu St. Peter; dem Meijter 
neun Bfg., den Knechten fieben Pfg. 

24. Denjelben: dem Meifter von St. Peter bis zu St. Michael einen 
Schilling, den Knechten neun Pfg. 

25. Den Dedern von St. Michael bis zu St. Peter: dem Meijter 
fieben Pfg., den Knechten ſechs Pfg. 

26. Denjelben: dem Meijter von St. Peter bis zu St. Michael neun 
Pfg., den Knechten fieben Pfg. 





1) Ein Bürger durfte den andern nicht „underwinnen“ d.h. bei er- 
neuter Berpachtung der Wetterhöfer zc. Ländereien (S. 87), die den Bürgern 
in Beitpacht gegeben wurden, dur Anbietung eines höheren Pachtgeldes aus 
feinem bisherigen „Semwinnlande” vertreiben. 

2) Ihre Bezüge an Wein, an Geld, gewiffe Vorzüge bei Benukung des 
jtädtifchen Eigentumes. 

) Wer nad) I Uhr auf den Straßen lärmte, wurde ins Gefängnis ge- 
jperrt umd mußte dem Rate Beflerung angeloben. 

4) Nämlich Tagelohn. 


Alte Notteln. Erzbiſchof Rupredt. 169 


27. Den gemeinen Tagewerfern bier Pfg., den Hedenbindern fünf Pfg. 

28. Gut Bier, den Becher zu einem Pfg. 

29, Wer Bier verzapfen will, der foll den Bierwiſch ausſtecken, und 
man foll den Eingefellenen ſowohl verkaufen als den Einfommenden; mer 
das nicht thut und wie oft, fo brüchtet') er 4 Schillinge. 

30. Soll man die Aihung vornehmen („vrouge dregen”). 

31. Wer Feiles („vele”) brauen will, der foll geben Akzife und Pfannen— 
geld, wie von Alters. 

32. Wer der Stadt Feitung abbricht oder davon wegträgt (? „en weich) 
dreget”), der foll einen Monat aus der Stadt bleiben und zahlen dazu 1 ME. 

33. Wer den anderen befchädigt, es fei in Gärten, in Höfen oder im 
Felde, der zahlt dem Kläger ſechs Schilling, der Stadt drei Schilling 
Brüchten. 

34. Den Mähern mit den Senſen ſechszehn Pfennig, mit den Sicheln 
zehn Pfennig, den Binderinnen vier Pfennig. 

35. Wer anders fiſcht, denn ſich gebührt, der brüchtet vier Schilling. 

36. Wer die Akziſe vorenthält, brüchtet fünf Mark. 

37. Man ſoll keine Sonderhude haben, jedermann ſoll vor dem Hirten 
treiben.?) Wer das nicht thut, dem ſoll man pfänden für vier Schilling. 

38. Wer das Vorgeſetzte verhält oder verjtopft (Hindert), der joll des 
Rades Brüchte jtehen.?) 

39. Wer den vorgeſetzten Lohn anders gibt oder nimmt, der brüchtet 
vier Schillinge. 


Ruprecht von der Pfalz (1463—1478 [1480)). 


Die ahtundvierzigjährige, unruhige Regierung Diedrich II hatte 
über ganz Weftfalen viel Kriegsnot, Verwirrung und Ungemach jeder 
Art gebradt. Um das Land vor ähnlichen jchweren Schädigungen in 
Zukunft zu hüten, traten die weftfälifchen Stände, d. h. der Adel und 
die Städte, bald nad Diedrich Tode, dem Vorgange ber rheiniſchen 
Yandftände folgend, mit dem Domkapitel zu einer zweiten Erbland3- 
bereinigungt) zufammen, welche die Grundlagen der jpäteren Landes— 
verfaffung enthielt. Sie jhrieb vor, alle weltlihen Gerichte fo zu 
beftellen, daß fie nad) guter Gewohnheit und Recht der Städte, Frei- 


») Brüchte heißt Strafgeld ; brüchten ald Strafe zahlen. Der Einnehmer 
der Brüchten heißt Brüchtenmeifter. 

3) Die Hude wurde gemeinfchaftlich betrieben, vergl. ©. 67. 

9) Driginal: „wie dieffe vorgefchr. vorhelde edder vorſtoppede die folde 
= raides broide ftain.” Für die Nichtigkeit der überſetzung kann ich nicht 
ürgen. 

9 Erblande find ſolche Winder, über die ein Fürſt kraft Erbrechtes 
regiert. 


170 Kurkölnifche Zeit. Fehde und Veme. 


heiten und Länder, fo darin gelegen find, ihren Gang Haben; daß 
männiglih, arm und reich, fonder „Indracht“ (Verhinderung) unver: 
züglich Recht erhielte; daß das freie Gericht nad) der Arnsberger 
Reformation gehalten werde; daß ein zufommender Herr alle Grafen, 
Freien, Nitterihaft, Städte ufw. belafje bei ihren guten Gewohn— 
heiten, Rechten, Gerichten, Privilegien ufw.; daß er keine Bünd— 
niffe made ohne deren Zuftimmung; daß er einen ftändigen Rat 
von geiftlihen und weltlichen Perfonen beftelle aus bes Stiftes Unter- 
faffen u. a. 

Unter den ſechs Städten, welche diefe Vereinigung befiegelten, erfcheint 
Arnsberg an letter Stelle. Es nahm alfo damals den 6. Rang 
ein (nad) der Einwohnerzahl); vor ihm ftehen die jog. vier Hauptftädte 
(Brilon, Rüthen, Geſeke, Werl) und Attendorn. Bemerkenswert ift, 
daß dem Pandesherrn die Einrichtung einer Regierung vorgeichrieben 
wird. Diefe erhielt demnädft in Arnsberg ihren Sit. 


Aus den erjten Negierungsjahren Ruprechts Tiegen folgende 
Daten vor: 


1464 war eine große Überſchwemmung der Ruhr, durch welche 
die Kapelle zu den Rodentelgen in Brudhaufen zerftört wurde. 
Eine Inſchrift Hinter dem Hocdaltare der Kapelle meldet: 

Anno MCCCCLXIV. 
Do her Robertus Hertog in Bayern Erzbiihop to Cölln und Cordt 
de Wrede to Reidern Vormünder differ Eapelle was, ift de van Waters 
wegen afgeflottene Capelle to den Robdentelgen durch guder lüde hülpe 
weder getimmert. 

Man errichtete damals den öftlihen Zeil (Chor) des jegigen 
Kirchleins; der weftliche Teil ift erft 1659 von dem Hüftener Pfarrer 
Peter Berghs erbaut worden. Der genannte „Vormünder“ der Kapelle 
ſchenkte ihr zwei Drittel der Einfünfte feines Kottens zu „Weninclo” und 
de8 dinger Gutes zu „Leyfflinchufen”, einem untergegangenen Orte 
bei Wenigloh. Kort Ketteler fchenkte den Zehnten von Herblinghaufen. 
Bei Epidemieen, namentlid) dem „roten Weh" (Muhr), wallfahrtete 
man zur Kapelle, wie mehrere Widmungen aus der Zeit de8 dreißig— 
jährigen Krieges beweifen. An den Hauptfeften der Kapelle verfammelten 
fih die Geiftlihen von Hüften und aus der Nachbarſchaft zu einem 
Feſtmahle, an dem 1651 34 Perjonen teilnahmen. Neben der Kapelle 
ftand eine Klaufe, deren 1484 Erwähnung gefhieht. Dem Klausner 
war gejtattel, in Werl, Büderih ufw. einen Korn- und Saattermin; 
in Hellefeld, Grevenftein, Eslohe uſw. (Orten des Sauerlandes) einen 


Rodentelgen. 171 


Butter» und Fleifchtermin zu halten. Der Klausner Joſeph Voß baute 
1780 eine neue Klaufe, die jpäter Lehrerwohnung wurde.) Dieje Klaufe 
ift 1878 abgebrochen. 

Der Name „Telgen” bedeutet nad Seiberk hohe Bäume oder bie 
ſchlanken Zweige derjelben. „Rode” heißt wahrjcheinlich gerodet. So erklärt 
auch die Sage den Namen. Ein Nitter kehrt frohgemut aus dem Kreuz— 
zuge zur heimatlichen Burg zurüd. Da raunt ihm fein Burgvogt ins Ohr, 
jein Weib habe ihm die Treue gebrochen. In ohnmächtigem Zorne tötet der 
Belogene eine Unfchuldige und darauf den Schuldigen, den Burgvogt, der 
des Weibes Treue verfucht hatte. Alsdann eilt er unftät von einem Orte 
zum anderen, ohne Gewiſſensruhe zu finden. Schließlich ergiebt er ſich dem 
Büherleben. Er baut eine Kapelle und eine laufe, nachdem er am Orte die 
„Zelgen gerodet”. Die Kapelle weiht er der Büßerin Magdalena. Dann 
pflanzt er eine Linde, an deren Fuße er fich fein Grab gräbt. Die Linde 
iteht noch heute, und ein Kreuz neben ihr bezeichnet die Stelle, wo des Klaus— 
ners Gebeine ruhen.?) 

1465 beftätigte der in Weftfalen weilende Kurfürft die Privilegien 
der Freiheit Hadhen.?) Auf den 30. Dezember beraumte er von Bonn 
aus einen Tag „zo Arnsberg” an, um feinen Getreuen Wichart van 
Enfe mit dem Kapitel in Soeft zu verjühnen.*) 

1470 teilte der Kurfürft auf feinem Schloſſe zu Arnsberg Lehen 
aus in Gegenwart des Hofmeifter8 Goto von Abdelsheimb.?) 


1471 am 14. Januar erließ er der Stadt Eversberg bis auf 
Widerruf jährlich vier Mark „an dem Schotte" (Schoß, Abgabe), um 
ihre Thore, Türme und Mauern ausbeffern zu laſſen, die durch 
„Sterfden, Friege vnd mißwas der fruchte vaft aenbuwich (unbauig, 
baufällig) vnd nederfellich worden fynt vnd degelichs vorder wurden, 
wa man den inthde nyet zu holffen queme”. Gegeven zu Arnfbergh.®) 


ALS Freigraf des Erzbifchofes in Arnsberg blieb Konrad von 
Rujoppe in Thätigfeit, wenngleich, wie oben?) erzählt, der Kaifer wegen 
Widerfpänftigkeit des Erzbifchofes einen anderen Freigrafen ernannt hatte. 

1470 bejaß Konrad „den fryen Stuhl zu Arnfbergh in dem Bom- 
garden under der Burgh gelegen” und erließ ein Schreiben mit folgender 


1) Tüding in „Blätter 3. n. 8. W.“ 1877, ©. 12 ff. 

2) Bol. das Hübjche Gedicht im ‚Eentral:Boltsblatt”, Arnsberg 1895, 
Nr. 48. Harbert (Gedichte, ©. 149 f.) läßt den Slausner die „Telgen rot 
weinen‘. Am Tage der h. Maria Magdalena (Ende Zuli) findet noch immer 
der ganze Pfarrgottesdienjt von Hüften nebjt Prozeffion in Rodentelgen ftatt. 
Die Pfarrei Hüften hat als Erbin das Vermögen der Kapelle und deren 
Unterhaltungspflicht. 

®) Seiber 972. 9) Seiberk 973. 5) M.H. °) Seiberk 975. ”) ©. 140. 


172 Kurkölnische Zeit. Fehde und Bene. 


jelbftbewußten Einleitung: „Hirumb gefynen und gebieden ich Conrait 
von Ruſoppe, Freigreve van Feijerliher magt und gewalt myns ampt 
an ud undertanen femptlihen und eynen itlichen befonderen . . ."") 


1472 am 7. November reverfiert „Herman mytendorp 
(Mittendorf) burger zo Werle, frygreve des fryenftol3 zu Arnspergh“ 
dem Erzbiſchofe Ruprecht die erhaltene Belehnung mit der Freigrafichaft 
Arnsberg.?) Diejer hielt 1473 am 31. März das ©. 140 erwähnte 
große Kapitel ab, welches alle Verfügungen des Kaijers, weil er nicht 
wifjend fei, für nichtig und ungültig erffärte.°) Das Protokoll beginnt fo: 

„Ich, Hermann Myddendorff, van konynck und keyſerlich gewalt 
und macht, gewerdicheit (gewert-geprüft, beftellt) und geordnet Richter 
des heylgen Romiſchen Rychs, ein gehuldet Frygreve der Fonynd und 
keyſerlicher Dindftatt und Fryenftoll der fryen Grafſchaft zu Arnsberg, 
befennt vermißft dießen uffen verfiegelten Briff, vür allen und Iglichen 
Hochmechtigen, hochwerdigen, Hochgeborn Fürften und Herrn, konynck, 
keyſer ufw., das ich uff tag datum diß Briff befaßen hann Stat und 
fryenftolf zu Arnfberg inn dem Baumgarten under der Burch gelegen, 
mit Urtel und mit Recht, gekleydeter gejpannter Banf, zu rechter gericht 
Zyt tages, na ordnunge der heymlichen frien Gerichte, na fryenftoll recht 
zu richten ower Lyff und ere mit andern erberen und Erjamen Fry- 
greffen der hHernachbefchrieben, mit Namen Regenhart Lorynden, der 
hochgeboren Fürfte und Herrn, der Landgraven von Hefjen, Johann von 
Hulichede der Stat Dortmunde, Conrait von Ramfpede zu Fredeberch, 
Moße von Loweyrud, Huffen zu Calwe, Herman Groffe vom Wenne— 
berg, Steforff zu Ruden, Yohan Leweliet der von Hurde, alle von 
konyncke und feyjerlic macht Richter des heylgen Romiſchen Rychs ufw. 
Unter den Anwejenden werden weiter erwähnt der Ritter Johann von 
Haigfelt, Herr zu Wildenberg, Marſchalk in Weftfalen und fein Bruder 
Johann, Jungherr Otto, Graf zu Waldeden, Heinrich Schauer, Kellner 
zu Trenſpergk (wohl Arnsberg, der Kellner hieß vielmehr nah Sei» 
berg III ©. 143 Anm. Scanner [1474]), der Landdroft des Stiftes 
Paderborn, mehrere Droften (3. B. von Hachen), die Bürgermeifter von 
Werl, Korbad und Arnsberg (Eberhart Neffebart). 

Die jchroffe Haltung des Kapitel3 wird recht erflärlich durch bie 
zwei Monate vorher (24. März) erfolgte Amtsentſetzung des Kurfürften 
Ruprecht. Das Domkapitel und die rheinischen Stände ergriffen dieje 
Maßregel, weil der Erzbifchof die bei Antritt feiner Regierung über: 


1) Seibertz Oberfreiftuhl ©. 24. ?) Seiberk a. a. DO. 
2) Uſener S. 9%; 259 ff. 


Kämpfe um Arnsberg und Eversberg. 173 


nommenen WBerpflichtungen der Erblandsvereinigungen nicht eingehalten 
hatte. Hermann von Hejjen wurde zum Abminiftrator des Erz- 
ftifte8 gewählt. Da aber Ruprecht nicht gutwillig weichen wollte, 
jondern fih in Weftfalen zu halten fuchte, jo folgte eine Zeit erbitterter 
Kämpfe, die erjt 1478 durd den Rücktritt des abgejegten Kurfürften 
ihr Ende nahmen. Diefer ftarb zwei Jahre nachher. Daß er auf 
Schloß Blankenftein eingeferfert und geftorben fei, ift Sage. Die Lage 
des Herzogtumes war während jener Kämpfe um fo jchlimmer und 
verwidelter, al8 Zeile des Landes verpfändet waren und von den 
Pfandinhabern mit Heeresmadht in Beihlag genommen wurden. Hier— 
von wurden ingbejondere die Schlöffer Arnsberg und Eversberg 
betroffen. Im einzelnen ergiebt ſich aus der Überlieferung folgendes; 

1473 wurde die Stadt Arnsberg, jagt Stangefol, von einem 
ſchweren Brande heimgefucht und erlitt großen Schaden. Vielleicht 
geihah dies während der Kämpfe. 

1474 begaben fid) Vertreter de8 Domkapitel, der Ritterjchaft 
und der Städte des rheinischen Erzftiftes nad) Wejtfalen und forderten 
die wejtfäliichen Etände auf, gegen Roprecht zum Domfapitel zur ftehen. 
Dieſe verfprachen aud), „den Heren vam Capitell vurbaſſ gehoirfam 30 
ſyn ind nyt Hern Roprecht“. Bon einem Anjchluffe an den Admini- 
ftrator Hermann iſt nicht die Rede; derjelbe wird gar nicht erwähnt. 
Wo der Landtag abgehalten worden, und welche Vertreter der weftfäliichen 
Stände erjchienen waren, wird auch verjchwiegen.") 

1475 nahm der Gubernator Hermann die Stadt Werl in Schuk 
gegen die Beſchwernis, die ihr durch die „geiftlic Yurisdiftionen van 
Arnjberd vnde anders upgelaicht iſt.“) Hieraus ift erfichtlich, daß 
Arnsberg noch in Ruprechts Befige war. 

1476 verbietet Kaifer Friedrich III dem Herzoge Johann 
von Kleve, von dem abgejegten Ruprecht Schlöfjer, Städte ufw. an- 
zunehmen, die ihm dieſer verjprochen hatte, um jeine Hilfe zu erlangen.°) 
Daß Johann dem Faiferlichen Befehle nicht nachgekommen ift, geht aus 
einer Urkunde vom Jahre 1478 hervor, laut welder der Erzherzog 
Marimilian dem Gubernator (Verweier) Hermann von Heffen Hilfe 
zu leiften verjpricht zur Wiedererlangung der Schlöfferr und Städte 
Soeft, Xanten, Ajpel und Rees gegen den Herzog Johann von Kleve, 
der fi) aud) der Schlöjjer und Städte Arnsberg und Evers- 
berg unterwunden habe.*) ‘Dies ſoll wohl heißen, er habe fie an ſich 
gebracht. Dieje Angabe ift jedoch nicht ganz zutreffend. Denn im Jahre 

) Seibertz, Nr. 977. ?) Seibert, 978. *) Zac., IV 388. 9 Lac., ©. 449, 
Anm. 2. 





174 Kurköfnifche Zeit. Fehde und Veme. 


1477 erklärt Bernard, edler Herr zu Rippe, „Marſchalk des 
Stifftes van Eollne in Weftfalen”, in einem der Stadt Hannover mit- 
geteilten Schreiben an den Herzog von Braunfchweig folgendes: Er 
habe dem Erzbiſchofe Diedrich und defjen Domkapitel einft über 3000 
Florin baar vorgeftredt und von Diedrichs Nachfolger, Ruprecht, wie 
aud von dem Gubernator Hermann das Geld vergeblid zurückverlangt. 
Schließlich jeien ihm von Ruprecht pfandweije für jein Geld die Schlöffer 
und Amter Arnsberg und Eversberg übertragen. Doc fei Eversberg 
in den Händen des Gubernator8 Hermann gewejen, und da biejer 
das Schloß ihm nicht habe übergeben wollen, fo ſei er zu feindlichen 
Vorgehen genötigt worden.!) Hiernach Hatte Ruprecht, offenbar um 
den Gubernator aus Eversberg zu verdrängen, dem Edlen zu Rippe 
dieſes Schloß und die Stadt zu Pfande angeboten. Weiter jcheint es nad) 
unferer Urkunde, daß das Schloß Arnsberg 1477 im Beſitze Bernards zu 
Lippe war. Nun lehrt eine Urkunde vom Jahre 1479, daß damals 
Kohann von Kleve Amtmann auf Schloß Arnsberg war und 
der „Junker van der Lippe" Eversberg dem Adminiftrator 
entriffen hatte. Denn er tritt dort al8 Amtmann von Eversberg auf. 
Hiernad muß man annehmen, daß Ruprecht beide Schlöffer und Städte 
doppelt verpfändet hatte, und daß die beiden Pfandinhaber Kohann von 
Kleve und Bernt von der Lippe ſich verglichen Hatten, um mit einander 
verbündet gegen den gemeinfamen Gegner, den Abminiftrator Hermann, 
zu fümpfen. Dieſen vertrieben fie aus Eversberg und teilten fi dann 
in die Beute, jo daß Arnsberg dem von Kleve, Eversberg dem von 
der Lippe zufiel. Nach Ruprechts Rücktritte, der kurz naher (1478) 
erfolgte, trafen Ritterſchaft und Städte des Herzogtumes mit den 
Herren von Kleve und zur Lippe, Amtmännern von Arnsberg und 
Eversberg, eine Vereinigung zur Beilegung der früheren Uneinigfeiten 
und zur Aufrechterhaltung eines gemeinen Landfriedens. Dies ift der 
Inhalt der ebenerwähnten Urkunde von 1479.2) Diefem Bunde trat 
auch der Graf von Rietberg bei, vielleicht al Pfandinhaber von Schloß 
Hirſchberg, welches ihm 1468 eingeräumt war.?) 


Hermann IV von Wied (1480—1508). 
Chronologiſche Überſicht. 
Mit dieſem Herrſcher begannen für das Herzogtum verhältnismäßig 
ruhige Zeiten. Im Gegenſatze zu ſeinen kriegeriſchen Vorgängern führt 
1) Möllmann Ztſchr. f. vat. Geſch. u. Alt. XVII, ©. 262 ff. 


2) Seibertz, 98 
s) Roſenkranz Zſchr. f. vat. Geſch. u. Alt. XIV, ©. 144. 





Erzbifchof Hermann IV von Wied. 175 


er den Beinamen „der Friedfertige“ (Pacificus). Freilich wurde auch 
er in Fehden Hineingezogen; aber dieſe fpielten ſich meift auf außer— 
weitfälifchem Boden ab. Für die innere Landesgefchichte ift feine Re— 
gierung nicht unwichtig. Wir geben zunächſt eine Chronik feiner auf 
Schloß Arnsberg vollzogenen oder auf das Schloß, die Stadt, das 
Freigericht zc. Bezug nehmenden Regierungshandlungen, um dann bie 
wichtigeren Daten näher zu erörtern. 

1480, 12. Mai reverfiert Johann Stelind „frygrabe des fryenftoils 
und fryergraffchafft zo Arnsberg” dem Erzbifhofe Hermann die Belehnung 
mit der Freigraffchaft Arnsberg.') 

1482, 7. Februar jtellt Hermann „zo Arnjbergh” den Ständen des 
Herzogtums Weitfalen einen Neverd aus wegen einer ihm auf einem „ge- 
meynen Yandtage 30 Arnjbergh” bewilligten Landſteuer (j. u.)“ Zu— 
gleih Hält er einen Lehnstag ab’) und verleiht am 14. Februar der Stadt 
Allendorf ein Gogericht!) („Segeven zo Arnsberg“). 

1483 am 4. Tage nad St. Remigius belehnt Hermann zu Arnsberg 
die Gebrüder Eberhard, Bincenz, Jaspar von Laer mit dem Burglehn in 
Menden. 

1486, 5. Oktober bejtätigt Hermann zu Arnsberg die Kalandbrüder- 
ſchaft zu Brilon.?) 

1487 reverjiert Gerhard Strudelmann die don Hermann erhaltene 
Belehnung mit den Freijtühlen zu Arnsberg, Eversberg, Rüthen.®) 

— — am Donnerstag nad St. Martinstag werden Johann von 
Haetzfeld, Ritter, und Krafft von Haekfeld, Söhne des Goddert v. H. von 
Hermann zu Brüel mit dem 24 Gulden betragenden Burglehen in Arnsberg 
belehnt in derjelben Urt wie ihre Eltern und Großeltern; anweſend der 
Landdroft Philipp von Hörde, Engelbrecht von Heinburg und Werner 
Haſe, erzbiſchöflicher Erbthürwächter.“) 

1490 „am fridag na ſand Franziſeus Dag“ erweitert Hermann der 
Stadt Werl das ihr von Diedrich IT gegebene Marktprivileglum. „Gegegeven 
in unferm Stoß Urnsberg.“®) 

In diefes Jahr fällt Strudelmanns großes Generalfapitel, j. w. ır. 

1491 trifft Hermann Bejtimmungen über das fog. Begynen und Boven— 
fünigsamt. „Gegeven in unſerm jlo8 zu Arnsberg.) 

1494, 10. Okt., ordnet er ein Schiedsgericht an zur Entjcheidung der 
Streitigkeiten zwifchen der Stadt Arnsberg und dem Kloſter Wedinghaufen.?°) 
Anweſend der Landdrojt Philipp von Hörde, Wilhelm von der Alffe, Erbthor- 
wärter, Joh. von Meirodde u. a. 

1498 erteilt er auf Schloß Arnsberg dem Godert Suerwald ein Zehen.) 


1) Seibertz Oberfreihjtuhl ©. 24. ?) Seibertz 984. *) Lehnsardiv, 
Notiz im M.H. *) Seibert 982. °) Seiber& Urf. II, ©. 651 Anm. ) Seiberk 
Oberfr. S. 5. 7) M. H. °) Seiberk Urk. IIT S. 129 Anm. °) Seibert 996, 
Lac. IV, 453, Tobien ©. 119. 19) Bgl. ©. 84. 19) Geibert Quellen III ©, 242 
Nr. 24. 


176 Kurkölnifche Zeit. Fehde und Veme. 


1499, 29. Sept., verwandelt Hermann das bisherige Nonnenklojter zu 
Slindfeld in ein Mannsklojter der Kreuzbrüder. Datum in arce nostra Arns- 
bergensi ipso die Sancti Michaelis Archangeli.!) 

1501. Engelbrecht von Haetfeld, Sohn des Crafft d. H., wird mit dem 
diefem gehörigen Teile des Lehens von Hermann auf St. Bartholomäustag 
belehnt ?). 

1507, 29. Auguſt reformiert Hermann durch eine zu Hirſchberg 
(„ztom Hirkberge”) erlaffene Urkunde das Klojter Grafjchaft.*) 

Wir jchliegen hieran einige Daten aus der Jahreschronik: 

1481 berrfchte eine große Teurung, daß man das Brotforn aus 
Thüringen holte. (Stangefol.) 

1493 „it ein unfäglic) heißer Sommer gewefen und Hat ich nad) 
Verzeichnis des Doctoris Achilles Gaſſari die jchädlihe Seuche und Krank— 
heit der Franzoſen (? Engländer? f. u.) zum erjten Male in Deutfchland ge- 
zeigt. Iſt auch das Rindvieh gar wohlfeil geweſen, daß man einen jchweren 
Ochfen für drei Gulden kauft.“ (Stangefol.) 

1503 herrſchte ein jehr langer und heftiger Winter, auf den ein jo 
heißer Sommer folgte, daß alles verdorrte und die größte Teurung verbunden 
mit einer Seuche unter den Schweinen eintrat. (Slojterchronif.) 

1504 den 24. Auguſt verfpürte man in ganz Weftfalen ein Erdbeben, 
wodurch viele Häufer zerjtört wurden. Bon Martini bis Februar war es 
nicht Falt, fondern auf Ehrifttag noch fo warn, daß man Blumen berjchie- 
dener Art auf die Altäre fette. Dann folgte 1505 wieder eine ſolche Dürre, 
dat fait alle Blumen vertrodneten. (Stlojterchronif.) 


Hermann IV und die weitfäliichen Zanditände. 

Die Regierung Hermanns IV von Wied ift für das Herzogtum 
Weftfalen befonders deshalb von Wichtigkeit, weil fie die territoriale 
Entwidelung des Landes mit der Erwerbung der Hälfte der Städte 
Marsberg und Bolfmarjen (1507) zum Abſchluß bradte und gleid) 
zeitig die Selbftändigfeit ber Landſtände gegenüber dem Landes— 
herrn injonderheit in Steuerbewilligungen ein für alle Male befiegelte. 


Als Hermann das Szepter ergriff, war das Land durch bie 
Kriege feiner Vorgänger noch immer jchwer verſchuldet. Die Schlöffer 
Arnsberg und Eversberg waren, wie erzählt ift, in den Händen 
fremder Pfandbefiger. Um num dem Erzftifte aus der Not zu helfen, 
ließ fi Hermann bald nad) Antritt der Megierung (1482) von 
den Ständen auf einem gemeinen Landtage in Arnsberg eine außer- 
ordentliche Landesſteuer bewilligen. „Ein jeder,“ heißt es in der be- 
züglichen Urfunde,*) „der 100 Gulden reich ift, joll geben 4 Gulden; 
von 75 Gulden jollen 3, von 50 2, von 25 joll 1 Gulden bezahlt 
werden. Jeder Dienftfnecht hat 6 weiße Pfennige (Alben, 24 auf einen 
Gulden), jede Dienftmagd drei zu entrichten. Won dieſer Steuer joll 


) Seiber 1000. 9) M. H. *) Seibert 1006. 9 Seiberg 984 u. Anın. 


Hermann IV und die weitfälifchen Landſtände. 177 


niemand, weder Geiftlihe noch Freie noch Herrlichkeiten ꝛc. aus» 
geſchloſſen ſein.“ Dagegen erkannte der Kurfürſt ausdrücklich an, daß 
dieſe Steuer „nicht nach Recht und Gewohnheit“ erhoben ſei 
und auch nur einmal und unbeſchadet der Landesprivilegien entrichtet 
werden ſollte. Wir dürfen annehmen, daß damals Arnsberg und Evers— 
berg wieder eingelöſt worden ſind. Später geriet der Kurfürſt in neue 
Geldnot und ließ ſich im Jahre 1488") wiederum eine Landſteuer in 
jeinem „Hertzogendomb“ bewilligen, wobei er von neuem erklärte, daß 
die Stände „von recht noch von gewonheit wegen nit fchuldig oder 
pflihtig fin (die Steuer) zu geven“. 


Diefe und andere Geldforderungen des Kurfürften veranlaßten die 
Landftände, kurz nad feinem Tode am 21. November 1508 einen 
„gemeinen Landtag" in Mejchede abzuhalten und fich zu feſtem 
und umverbrühlihem Zujfammenftehen zur Wahrung ihrer Rechte und 
Privilegien und gegen Verpfändungen jeitens künftiger Landesherren zu 
verbünden. Im Eingange der Urkunde?) heißt es, daß fie noch in 
friſchem Gedädtniffe hielten die Verfplitterung und Zwietracht diejes 
Landes, durch welche die Schlöjjer und Städte Arnsberg und 
Eversberg von dem guten St. Peter und dem Erzitifte in fremde 
Hände gefommen wären. Hiernad) mag man ermeffen, wie ſchwere 
Leiden und Drangjale jene oben ausführlich beiprochene Verpfändung über 
da3 ganze Land, bejonders aber über die nädjjtbeteiligten Orte Arnsberg 
und Eversberg gebracht Hat. Waren doc) dereit® AO Jahre darüber 
hinweggegangen. 


Die Mejcheder Abmahung wurde befiegelt von dem Land droſten 
Jaſpar von Der, Godert Ketteler und vielen anderen Rittern, fowie 
von Bürgermeifter und Nat der Städte Brilon, Rüthen, Geſeke, Werl, 
Attendorn und Arnsberg namens der anderen Städte. 


Dieje Vereinigung wurde von Hermanns Nachfolgern beftätigt. 
Somit war die Verfaffung des Landes in ihrem Fundamente gefichert. 
Die Schulden des Erzftiftes aus der Zeit der Soefter Fehde waren 
übrigens trog der Steuern Hermanns no nicht getilgt; noch Kurfürft 
Hermann V wurde 1520 aufgefordert, alle Schulden aus Diedrich 
Zeit zu zahlen; 1524 erhielt er die päpftliche Genehmigung, die Geift- 
lichkeit deswegen zu befteuern. 


1) Seibertz, 984 und Anm. 
», Seibert, 1007. 


Feaur, Geſchichte Arnsbergs. 12 


178 Kurkölnifche Zeit. Fehde und Veme. 


Der Oberfreiftuhl unter Hermann IV und feinen Madfolgern. 


Gerhard Strudelmani. 

Auf die Beichwerde des Erzbiſchofes Hermann IV erlich der 
Kaiſer Friedrih III in Gratz am 4. Dezember 1483 ein energijdes 
Verbot an den Biihof Heinrid von Münfter, den Grafen Erwin zu 
Bentheim und die Stadt Münfter, durd ihre Freigrafen gemeine Kapitels- 
tage abhalten zu laſſen. Die Erzbiſchöfe von Köln feien von feinen 
Vorfahren und ihm als ihre und des hf. Reiches Statthalter der heim- 
lihen Gerichte und Acht in Weftfalen löblich begnadet, und allein der 
Erzbifchof und fonft niemand habe die Gewalt, die Kapiteldtage, wenn 
fie begehrt würden und nötig wären, „an dem Oberen freyen ftul 
zu Arnßberg indem Baume Gartten“ zu feten und zu legen, 
und die Erzbifchöfe feien über Menfchengedenfen in ruhiger Übung 
diefer Vollmacht geweſen. Bei Vermeidung feiner Strafe und Ungnade 
jolften fie nad Überantwortung dieſes Faiferlihen Briefes von ihrem 
unrehtmäßigen Verfahren abftehen (vgl. S. 140). 

1484 jtellt Hermann Boch von Walde, „Hurtrierfcher Marſchalck 
und Richter zu Coblentz“, einen umfangreichen Urteilsbrief aus, in dem 
er al3 jubdelegierter Faiferliher Kommiffar des Erzbiſchofes von Trier 
— der zuerft zum Kommifjar ernannte Erzbiihof von Köln hatte die 
Unterfuhung der Sache wegen Behinderung abgelehnt — eine am Frei— 
ftuhl zu Arnsberg gegen Yambert Selten und Bernard Tolle aus dem 
Stifte Münfter gefällte Sentenz beftätigt. Die Berurteilten hatten an 
den Kaiſer appelliert.?) 


Mit bejonderem Glanze umgab den Arnsberger Oberfreiftuhl die 
Amtsführung des Gerhard Strudelmann, der 1487 zum Freigrafen er= 
wählt wurde. Schon im erften Jahre feiner Thätigkeit Iud er die Abtiffin 
von Eſſen nebft dem Stadtrate dajelbft vor den Arnsberger Freiftuhl, um 
Streitigkeiten derfelben zu fchlichten. Die Äbtiffin wandte ſich an ihren 
Better, den Herzog Johann von Kleve, der feinen Amtmann Heinrich 
Knipping zu dem Tage abordnete. Der Herzog ſchrieb dann an die 
von Soeft und bat fie, mit ihren Freigrafen und Freunden „die des 
heimlichen Rechtes verftendet jyn“ feinem Amtmanne beizuftehen. — 
Über den Ausgang der Sadje wird nichts berichtet.”) 


Im Jahre 1489 wurde Strudelmann auf Anfuchen des Frank: 
furter Rates in den päpftliden Bann gethan, weil er einen Franf- 

) Seibertz, Oberfreijtuhl, S. 3. 

2) Seiberg, Oberfreiftuhl, ©. 26. 


Strudelmanns Generalfapitel von 1490. 179 


furter Juden vorgeladen hatte. Dies Hinderte ihn nicht, im nächften 
Fahre ein großes Kapitel in Arnsberg abzuhalten. Er behauptete, nicht 
in den Bann gebracht werden zu lönnen, weil er al3 Beamter faifer- 
(iher, vom Bapfte beftätigter Gerichte handle, und weil die Geſetze es 
unterfagten. Als er im Jahre 1495 ſogar wieder einen Frankfurter 
vorlud, wurde er vom Rate erinnert, daß alles, was er thue, nichtig 
jei, und ermahnt, feiner Seelen Seligfeit wegen, zur hl. criftlichen 
Kirche zurüdzufehren. Nunmehr ſuchte Strudelmann die Vermittelung 
des Erzbiſchofes Hermann nad. Diefer erjuchte den Rat, die Auf» 
hebung des Bannes zu erwirken, mit der Buficherung, daß er den Frei» 
grafen anhalten werde, die an ihm gelangte Klagejache von ſich zu 
weijen.?) 


Das Generalfapitel vom 22. Scptember 1490. 


Über diefes denfwürdige Kapitel, an weldem 21 Stuhlherren, 
23 Freigrafen, mehrere Hundert Freifhöffen, 65 Freifrofnen teilnahmen, 
und welches namentlich wichtige Feftjegungen über die damals nod) 
geltenden Kompetenzen de3 hl. Gerichte8 der Veme und über ihre uralten 
Formen vornahm, liegen zwei größere Urkunden vor. Die eine giebt 
die Beichlüffe des Kapitel3 in der Form eincd vom SOberfreigrafen 
ausgeftellten Weistumes?) und beginnt mit den Worten: 

Ich Gerhart Strudelman eyn gewert Richter und Frygreve des 
billigen Romiſchen Richs von keiſerliker und Fonindlicher Gewalt und 
Macht der Fryengraveſchoff des Feiferlichen Frienſtoels zo Arnsbord, 
in dem Boemhove gelegen under der Bord) vor de Dleiporten, vers 
fundige offentlich vermig duffen breve vor allen Forſten, Herkogen und 
Graven, Friherren, Ritteren, Hovesluden, Knechten und Underdane und 
Getruwen des Richs . . . ., dat id up Hudigen Dathum duffes Breves 
Statt und Stocl den Frienftol zu Arnsbord) vorg . . die fonindfliche 
und feiferliche eliche (geſetzliche) Dindftatt, mit Ordell und Rechte ge- 
ipanneter Band bejetten und befleit hadde ...... 


Dieje Urkunde zählt auch die Vertreter der Städte, „der Stede 
runde”, auf, die in der zweiten fehlen; es waren darnad) erjchienen 
die beiden Bürgermeifter von Rüthen, Brilon, Gejele, Werl, Attendorn, 
Werden, Meſchede; die Bürgermeifter von Hüften und Allendorf; Hinrich 


1) Uſener, ©. 20. 

2) indlinger, Münjteriiche Beiträge 3. Geſch. Deutſchlands, Hauptfäch- 
lich Wejtfalens, 1793 III, ©. 622 ff., abgedrudt in Hüfers „Chronik“ und zum 
Teile in Pielers: Aus Arnsbergs Geſchichte, S. 62 ff. 


12* 


180 Kurkölniiche Zeit. Fehde und Veme. 


Gra und Yohan Kohovet, beide Bürgermeifter zo Arnsberd, Johan 
und Hinrich Hafe, Burgere zu Arnsberh, und namentlich tritt hervor 
Herman von Dilpe, Richter to Arnsberd. 

Seinem Inhalte nad dedt fih Strudelmanns Weistum weder 
wörtlich) noch auch genau ſachlich mit dem von den jüngften SFreigrafen 
über die Verhandlungen aufgenommenen Protofoll, der zweiten Urs 
funde.!) Da der Wortlaut diefer Urkunde weniger zugänglich ift, als 
der häufiger abgebrudte des Weistumes, fo foll er hier mit nur einer 
Auslaffung folgen. 


Copia Protocolliin conventu 
feimeiorum capitulari, Arensbergae anno millesimo 
quadringentesimo nonagesimo habiti. Pro sede 
libera in Geisike — 

Ad emanatam convocationem generalem allinger zum Over—⸗ 
veymgerichte tho Arnesberge in dem Bohmgarden behöriger Stoelsherren, 
Frygrefen, Sryfcheffen, unde Fryfrohnen fynd erjcheenen, wie folget. 

ALS Stoelsherren. 

1mo. Gotthardt van Fettler, van wegen bes Fryenſtoels tho Hoveſtadt. 

2do. Gotthardt Wreden tho Reigeren, van megen des Stoels in Haden. 

3tio. Conrad van Broiche Drojte, van wegen des Stoels tho Hundemen. 

4to. Johann dan Fürftenderg tho Hollinghoven, van wegen des Fryen— 
jtoel8 da ſülveſt. 

5to. Johann Bogt van Elspe, wegen allinger eme und ſynen Bebderen 
hörigen Fryſtöhlen, als 1) in welſchen Enneft. 2) in Hundemen. 3) in 
Heuneröberg. 4) in Broichhuſen. 5) an der breiden Ede. 6) in 
Bamennoel. 7) in Elöpe. 8) in der Frygrapfchafft Waldenburg. 

6to. Johannes Rump unde 

7 mo. Tcheodorus Rump zu Wenne, van wegen des Etoeld tho Dedingen. 

8tavo. Antonius Schurmann. 

9no. Henneke van Hanrleden. 

10 mo. Wiegand van Hanxleden. 

11mo. Johann Behlen van Wiglinghoven. 

12 mo. Johann van Thülen. 

13 tio. Rembert van Gahlen. 

14to. Adrian van Enje. 

15to. Herman ban Scholenborg. 

16to. Johann van Dle. 

17 mo. Henrik van Plettenberg. 

18 mo. Bernhardt van Lethmathe. 

19 no. Theodorus van Freifelen. 

20 mo. Herman van Meſchede. 

21 mo. Henrik van Beringhuſen van wegen des Fryſtoels in Bettinghufen. 


1) Wigand, Femgericht, 2. Aufl., ©. 200 ff. 





Strudelmanns Generalfapitel von 1490. 181 


ALS Frygrefen. 
Aus der Grapſchafft Arensberg. 
1mo. Gerhardt Strudellmann Overfrygreff. 
Aus dem Münfterland. 

2do. Georg Darleder, van wegen des Stoils in Dollenorden. 
3tio. Henrick Ringenberg, vam Stoile tho Raesfeldt. 
4to. Berendt Düder, vom Stoile tho Gehmen. 
5to. Herman Middeldorp, vam Stoile to Münſter. 

Aus der Grapſchafft Marke. 
6to. Lüddeke van der Mollen, vam Stoile tho Soejte. 
7mo. Everhardt van Heldt, vam Stoile tho Unnau. 
8 vo. Röttger Hardekop, vam Stoile tho Bilgefte. 


Aus der Grapſchafft Walded. 
9Ino. Steffen Steinweg, dam Stoile in Corbad). 
10 mo. Sylveſter Berends, vam Stoile tho Landau. 
11 mo. Bolcmar genandt Tweren, vam Stoile tho Frienhagen. 

Aus dem Paterbörnifden. 
12 mo. Herman Kleinſchmidt, vam Stoile tho Paterborn. 
13tio. Berend Ludowig, dam Stoile tho Brafele. 
14 to. Johann Biperling, vam Stoile tho Dringelberg. 
15to. Peter Pispinf, vam Stoile tho Sutheim. 

ö Aus dem Beft Limburg. 

16to. Diederih in den Wyden, vam Stoile tho Limburg. 


Aus der Grapſchafft Ritteberg. 
17mo. Hanns Grawen, vam Storle tho Rettberge. 


Aus dem Herzogtum Weftfalen. 

18 mo. Henrid Kleinſchmidt, vam Stoile tho Bolfmifien. 

19no. Henrick Wienendes, vam Stoile tho Medeback. 

20 mo. Theodorus Dortenleben, vam Stoile tho Fyredeburg. 

21mo. Bernhardt Botendorpe, vam Stoile tho Balve. 

22do. Heinemann Weffer, vam Stoile tho Eannitein. 

23 tio. Kohann fing, vam Stoile tho Aftinghufen. 

Uytbliven find 38 Stoilheerens, 62 Frygrefen als hierna gefchrieven fteet. 

(Nomina eorum in hac copia omissa.) 

Als man daruff utgemafet, daß de beeden Jüngiſten Frygrefen dat 
Protofoll düßes Capitels führen folden, unde op eren der heimliken Achte 
nedahnen Eydt jcherplich erindert, jo hebben wy Henrykes Wienendes undt 
Röttger Hardefop gejchrieven als hierna jteet: 

Thom erjten, ald wy fenmetliden tofamen waren, undt utgemafet 
war, wat oven befchrieven ſteet, lethen wy de Fryenſcheppen und Fryfrohnen 
tho uns komen up bat fe unſes gnedigen leven Herens von Cöllen gevoll— 
mächtigten medde entfangen mogten, der Fryenſcheppen waren wohl etzliche 
Hundert, und der Fryfrohnen viefunſechzig. Da quame de Ehrenveſte ge— 
ſtrenge her Philips van Hörde, im Nahmen unde van wegen unſes leven 
Heren van Cöllen, als Stadthalder der heimliken Gerichte, unde ſprack uns 
alßo an: dat wy thoſamen beropen ümme Urſake willen etzliche Mispreuch, 


182 Kurkölnische Zeit. Fchde und Bene. 


die jid by der heimliken Vehme offgethan Hedden, trewlich abzuthun, unde 
alles wyder na Vorſchrifft und Einſatzung Caroli Magni, und des heimlifen 
Gericht Reformationibus inzurichten und anzuftellen. Als bierna de Fryen— 
iheppen und Frohnen wyder fort gelafien, fragede Her Philips van Hörde 
als hierna gejchriven jteet: 

Thom erjten. Da fid oft und did gewießen, dat de Fryenſtoile Saken 
vor be heimlife und opene Achte bringen, de dar nyt ben behören, unde den 
Greven undt andern Richteren thoquemen, wurde gefragt, welke Safen vor 
be heimlife undt opene Achte gehörden ? 

Bor hemlike Uchte gehören erftlid: de hemlichkeit, de Carolus Magnus 
offenbart. Tweddens: So yemandt Kezzereyen ushedet undt vorbringt. Der: 
dens: So yemandt vom Glauben abfallet, und ein Heide wird. Beertens: 
So cener enen falfhen Edt fchweret. Vieftens: So ymandt heret und 
zaubert, oder mit dem Böfen ein Püntnüß uffeihtet. Sejtens: So yemandt 
de Hemlichkeit offenbaret. 

Bor de oppene Achte oder oppen Ding behort erjtlid: Muthwill an 
Kerken und Kerkhöfen. Tweddens: Deefitahl. Derdens: Notzudt. 
Beerdens: wer indelbett raubet. Vieftens: oppene Berrätherd. Seſtens: 
Strafienraub. Siebtens: Eigenmädtlinge. Achtens: hemlife und oppene 
Dotichleger. Niggentes: Landtaffplögerd. Teindens: Judaei sacrilegia 
committentes. 

Her Lips dan Hörde oppenbarde, dat düß recht gewießen. 

Thom anderen Hedde fid thogedragen, dat veele Frygrefen Scheppen 
mafeden ümme des Geldes willen, undt fe in erer Stowen fonder allige van 
Carolus Magnus eingejeßte Gepreuche uffnchmen, undt de Hemlichkeit offen— 
barden; im fonderliden were düß an die ſeckſiſch Jahre her gefchehen, ümme 
Urfafe willen, da de alden Gepreuche in Abfall gerathen; wurde gefraget, 
wie man Fryſcheppen alden Gepreuchs na uffnehmen folde.t) 

Thom Derden Hedde fil upgedahn, dat men geiftlide lüde undt 
Meine und Klofterfrawen vor de hemlide Achte breite; ob dat wol gedahn? 

Daran were nit wol gedahn utbejcheeden in Saken de vör dat hemlike 
ding höret, wan de Geiftlidman en Scheppen if. 

Thom Berden. Da de Römische Kaifer Mitt unſem leven Heren 
van Eöllen vorgeworpen, dat mannich Fryengrefe undt Scheppen in Swoben 
un in der Grapſchaft tho Naſſaw unſchuldig Lüd uffgehentt, jo ward gefragt 
wu dem apzubelpen. 

De Greven und Scheppen weren nit up roder Erdte gemafet, und giengen 
der hemliden Achte, de Carolus Magnus vor dat land tho Saſſen ingefaket, 
nit en ahn. Unſe leve gnedige her van Eöllen fold Kaifer Mitt bidden, fe 
alle tho verjagen, unde de Saken an uß tho tiefen. 

Her Philips van Hörde ſeggede, dat düß recht gewieſen, undt unfe lebe 
her van Cöllen wolde Kaiferlider Mitt thor kundſchapp bringen. 

Thom Bieften hedde fi upgedahn, dat viel Frygrefen dat opene 
Ding geheeget, ohne den frohnen tho fragen, wu dat Ding mot geheget werden, 
wat de gebrofen hedden? 


1) Dieſer Paſſus ift ausgelafjen, weil fein Inhalt bereit3 auf ©. 134 
mitgeteilt ift. 


Strudelmanns Generalfapitel von 1490. 183 


De hedden gebroden LX tur Schillinge, undte fo je et weder deden, 
3 Tage hafften. 

Her Lips dan Hörde uppenbarde, dat dat recht gewieſen undt dat de 
Frygrefen von Bolkmiffen, Allmen, unde Medebeche dat noch letzt gedahn 
hedden, je mötteten de Brode geven. 

Thom Seßten. Da de Scheppen fi veel up den Supp Iegeden, 
undte öfters trunken weren, wat de gebroden hedden? 


De hedden gebroden XV tur fchilling und thom anderen Male XXX. 
utbefcheeden an Sune und vier Dagen. 

Her Lips dan Hörde fagede, dat die recht gewieſen, und fragede darna, 
öff neymes ethwaß tho feggen hedde, de folde nu fpreden undt ſchwigen darna. 
Da fragede Herman Middeldorp als Hierna gejchreven jteet: 

He hedde in düßem are ein Man vor dat Fryding geheifchet, den de 
Proveft der Kerken tho Münjter verbodden hedde tho fommen, ut Urſake, dat 
he thom Provejtöinge Hörede, undte Kaiſer Friedrich et verbodden hedde, et 
ging up lieb undt Ere, wat he nun doen möghe? 

Herman Middeldorp mot ene dat andermal heifchen, undt dat derdemal, 
undt den Voghet des Proveſtes darbey. Blieb he weg, moet de Stoil na 
Beimerecht twiefen, undt eme an lieb undt Ere fomen. 

Her Lips dan Hörde uppenbarede, dat düt recht gewiejen, den Boghet 
des Proveſtes fonde men lopen laten. 

Darna fragede Her Gotthardt van Kettler, al3 hierna gefchrieven fteit: 

Den Dunnerjtag na Sünte Johannes des hilgen Docpers, were en 
gerecht Fryſchepp ug Nawmburg na Hofejtatt gefomen, da be jujt dat hemlike 
ding geheeget hedde, de hedde gefraget, dat in finer Naberfchufft thwen Tüde 
tweren, de de falsfen Lehren des van den hilgen Paters verbrandten Johannes 
uitbrededen, undte etliche van einfäldigen lüden dato verkehrt hedden, de enc 
beitede Hans Coensbroef, undte de andere were ein Schoejter, Bendir Diek— 
mann, of men de vor de hemlife Achte bringen folde? 


He hedde chne up dat Eapittel upfchoben undt fragede nu, of men dat 
wol doen mogbe, 

Dem Eapittel were nit witlich, of de verbrandte Johannes Unglauben 
angejtifftet, men wolde Heren Lips van Hörde bidden, by unfen gnedigen 
Heren darümme Kundſchapp tho Holen. 

Her Lips van Hörde wolde anfragen, undt darnach beſchedt feggen. 

Hyrop if dat Eapittel gejchloten, undte den Fryenfcheppen und Frohnen 
düße Buncte verlejen. 

Henrifes Wienendes mppr. Röttger Hardefop mppr. 

Hanc copiam, cum vera originali copia in Archivo civitatis Gesecen- 
sis asservata, verbotenus (non vero ob scripturam lectu difficillimam ubique 
litteraliter) concondare, ad requisitionem Dni Doctoris Wilthelm Tes- 
tor, manu et signeto propriis. Gesecae, die 6ta Februarii anno milesimo 
septingentesimo decimo octavo. 

(L N ) Ego Franciscus Carolus Heidelhoff Auctoritate 
.. caesarea Notarius publ. jur. 


184 Kurkölnifche Zeit. Fehde und Vehme. 


Weitere Geſchichte des Arnoberger Oberfreiftuhles.') 


1498 ſtellte Struckelmann ein Urteil für das Reichskammer“ 
gericht aus. 


1500, am 15. Januar vervemt Struckelmann einen Freigrafen, 
der feinem Eide entgegengehandelt hat.?) Struckelmann, Freigraf zu 
Arnsberg, zum Eversberge, zu Rüthen und zu Bilſtein, erklärt, daß er 
ben „keyſerlichen frienſtoil $o Arnsberch ais go Houede (als zu 
Haupte, als Oberſtuhl) jn dem boemhoue vnder der borch gelegen vor 
der oler porten in eyme gehegeden vnd gelegeden frien gerichte ge— 
ſpanneder banck“ ꝛc. bekleidet, bedinget und beſeſſen habe. Als Kläger 
tritt auf berndt Symon, lantknecht der frien tzo Arnsberg. Anweſend 
waren unter anderen Jaspair van Deir, Landdroſt in Weſtfalen; 
Mathias Gelaesman, Hinrych Grae, Zohan. Koehouet, Hinrich Deymel, 
„alle veir nye (neue) und alde borgermeftere Ko Arnsbord“; 
Herman van Olpe, Richter und Gogreve bajelbit. 


1505 ſprach Strudelmann Friedrich Fürftenberg zur Waterlappe 
von der Beihuldigung des Gerd von Enje, ein Freundesverräter zu 
fein, fo rein, als er war „erjt des dages er (ehe) hey in bat faem 
quam. Aus diefem Ausdrude erklärt Seiberg Yeme — fama, Verruf; 
verfemen — verrufen. Der Ausdrud ftammt aber doch aus zu jpäter 
Zeit, um für die Worterflärung von Veme ins Gewicht fallen zu 
önnen. (Bol. ©. 133.) 


1508 am 4. September hielt Strudelmann, Freigraf zu Arns— 
berg als zu Haupte :c., in dem Baumhofe unter der Burg vor ber 
„Diler Porthen alß zu Houede der frien Stoele“ einen großen Kapitels- 
tag ab. ALS Profurator erſchien „Diderih Wafferbarth, Gograf und 
Nichter zu Arnsberge, Freiſcheffe“. 

1523 appellierten Schultheiß und Einwohner zu Bergen in ber 
Grafihaft Hanau gegen das Verfahren des Freigrafen zu Medebach an 
das Reihsfammergeriht zu Nürnberg. Diejes nahm die Sache 
fogleihh an und erließ Ladungen gegen den Freigrafen Bedmann und 
die Stuhlherren von Schweinsberg und von Viermund. Die Geladenen, 
ſich als gleichftehende Kaijerliche Behörde betrachtend, proteftierten gegen 
Abforderung der Sache und behaupteten, daß Appellationen nur 
an das Dbergericht zu Arnsberg gingen. Die Sade führte zu 


) Da die Beme mit dem Ausgange diefer Periode ihre Bedeutung 
mehr und mehr verliert, jo find bier anhangsweiſe die fpäteren Schidjale des 
Oberfreigerihtes (nad) Seibert, Oberfreiftuhl, ©. 27 ff.) zufammengeftellt. 

2) Seiberk, Urk. III NR. 1001. 


Der Oberfreiftuhl in der fpäteren Zeit. 185 


endlojen Schreibereien, ging aber troß Vermittelung des Erzbiſchofes 
nicht zu Ende. Ebenfo fchleppte ſich eine andere Appellation aus ber: 
jelben Grafjhaft Hanau im Jahre 1526 Hin. Zu Windel an der 
Pforte fand man einen Brief, durch den ein Jude, der „große Meier" 
genannt, vor den FFreiftuhl zu Freienhagen geladen wurde. Der Graf von 
Hanau brachte die Sache an das Kammergericht; der Freigraf zu Freien- 
hagen erklärte aber den Juden in die Acht, befahl der Stadt Winded, 
ihn mit Weib und Kind auszutreiben, und al3 das nicht geſchah, lud 
er alle Mannsperjonen über 18 Jahre aus Windel vor feinen Stuhl. 
Das nun einfchreitende Kammergericht war der Anficht, ein Jude könne 
überhaupt nicht vor ein Freigericht geladen werben, und bezog ſich zum 
Beweiſe auf ein im Jahre 1498 am FFreiftuhle zu Arnsberg gejprochenes 
Urteil, das in befiegelter Ausfertigung beigebraht war. Dies hatte 
entichieden, Juden fünnten nur geladen werden, wenn fie Kelche, MeB- 
gewand oder andere geweihte Kirchenjadhen an ſich gebracht hätten. 


1540 befahl der Freigraf zu Arnsberg dem FFreigrafen zu Waren» 
dorf, in einer bei ihm anhängigen Ehrenfadhe bei 1000 Goldgulden 
Strafe nicht weiter zu prozedieren und die Akten verjchloffen einzujenden, 
da der Verklagte an den Hauptjtuhl zu Arnsberg appelliert habe. — 
Um 1540 fam, wie e3 fcheint, zum legten Male der Fall vor, daß 
ein Freifchöffe, weil er da8 Geheimnis der Veme verraten 
hatte, an einem Baume aufgelnüpft wurde, und zwar ge- 
ihah dies im Baumgarten am Freiftuhle zu Arnsberg. ALS 
nämlih am 29. Juli 1582 Chriftian Kerkerink wegen wiederholten 
Ehebruches am Freiftuhle zu Münfter auf unförmliche Weije zum Tode 
verurteilt und mit dem Schwerte hingerichtet war, hielt das münfterjche 
Domkapitel dadurch feine Gogerichtsbarfeit für verlegt und wurde des— 
wegen beim Fürftbiichofe vorſtellig. Der von Kindlinger!) mitgeteilte 
merkwürdige Zeil der Beſchwerdeſchrift lautet: 

„Dann wir Uns an unterfchiedlichen Ortteren eigentlich erfundiget, 
daß die Freigrafen zu bderogleichen Leibftraffen (als wilche eines jeden 
Ortts ordentlicher Obrigkeit gebüren, und von den Negalien herrüren) 
mit nichten befugt, inmaffen an dem Haupt-Freigericht zu Arnsbergh 
man folder Leibftraff nicht in Gebraud, und nicht eingigh Exempell 
vorgebracht werden Fönne, daß innerhalbe fünfzig und mehr Jaren 
Jemanden allda am Leben geftrafft wurden fey, aujerhalb das vor langer 
geraumer Zeit bei weilandes Graff Bernhardes von Naſſau Land- 
Droften &. c. Zeiten ein Freiſcheffen aus urfachen, derſelbe Freigerichts 


) Beitr. TI ©. 703; auch in Hüfers Chronik aufgenommen. 


186 Kurlölnische Zeit. Fehde und Veme. 


Femme oder heimliche Acht ausgebreittet, in der heimlichen Acht ver- 
verdammet, und an dem Hauptzgreigeriht im Baumhof an einem 
Baum erhenkt worden, und obwohl dergleichen Ausbreittungh der heim— 
lihen Acht mit andern Leibjtrafbaren Saden eine große Ungeleideit 
hatt; jo Hab dannoch foliche Berrechtfertigungh dero Zeit Churfürften 
zu Cöllen, Herkoge zu Weftphalen, als oberften Stolhern im geringjten 
nicht gefallen: darumb dem ?Freigericht verbotten worden, ſich einige 
Leibftrafe Hinfüro nicht zu unterziehen, bejondern die Übeltheter der 
ordentlichen DObrigfeit zu überantwurthen, und diejelbe damit in Kraft 
der Regalien gewerden zu lafjen.“ 

In der folgenden Zeit erjchienen als Freigrafen zu Arnsberg: 
iCHriftoffer von Loin (1546); Matheis Haid (1560, 1573; 
1565 nennt er fid) hHodhdeutih Mathias Hafe; 1583); Franz Yang: 
ſchede („oberjter Freigraf“, 1618; 1620 Franciscus Langenjceidt); 
Kohann Langſchede (1630); Bernhard Leonis (1631); Gott- 
fried Richters (1647; 1652 ſuchte er die Gerechtſame des Oberfrei— 
jtuhles wieder in Gang zu bringen); Johann Honfamp (1694); Franz 
Wilhelm Honfamp, Sohn des Vorigen (1719); Jobann Zeppen: 
feldt (1726, 1737; von ihm ift ein Bericht über den damaligen, 
höchſt Häglihen Zuftand der Freigeridte); Joh. Adam Bockskopf; 
dann deſſen Sohn Friedrich Ernft Bockskopf; Hierauf dejjen 
Schwiegerfohn Franz Wilhelm Engelhard. Diejer wurde 1783 er- 
nannt und war noch 1826 thätig. (Vgl. ©. 141). Er bezog als 
DOberfreigraf aus den Gerichten Rüthen, Balve ꝛc. einige Gerfte, 
Hühner und etwas Geld, jodann Gerichtsgebühren und Sporteln für 
die Bereidigung von Freigrafen und Schöffen. 

„Es ging den Freigerichten, jagt Seiberk, wie c8 dem Rheine 
noch geht. Aus geringen Anfängen erwächſt er zum größten deutjchen 
Strome, um im Sande zu vertrodnen." Die pompöſe Sprade hielten 
die Freigrafen auch noch bei, als ihre Gerichte nur wenig mehr zu be- 
deuten hatten. Um 1600 wird die Stellung des Freiftuhles zu Arns— 
berg noch folgendermaßen bezeichnet: 

„Zu Arnsbergh im Baumhoffe wird das Übergeridt 
aller Freyenftücle gehalten, an wildes Gericht die Appella- 
tiones von allen Underfreyengerichtern, al3 des Stifts Münfter, Pader⸗ 
born, Graeffihaft Lipp, Ritbergh, Seyn, Bentheimb, Tecklenburg, Herr- 
haft Hörde, von den adeligen Freyenftüelen zu Almen und Ebbing- 
hauß ꝛc. gehen und aufgenommen werden.“ 

Über die Gründe des Verfalles ift bereitS oben (S. 141) zur 
Genüge gehandelt worden. 


Die Stätte des Oberfreigerichtes. 187 


Wir haben oben die Gejhichte unferes Oberfreiftuhles mit einer 
Schilderung von dem gejamten Eindrude der Ortlichkeit begonnen. 
‘est, wo wir den denfwürdigen Begebenheiten, die fid) dort abgejpielt 
haben, durch die Jahrhunderte hindurch gefolgt find, drängt es ung, 
nod einmal zu einer jo eminent hiſtoriſchen Stätte, wie fie nur wenige 
Orte befiten, zurüdzufehren, um von ihr ein genaueres Bild zu ge- 
winnen. Die eiförmige Mulde, etwa 18 m breit und 35 m lang, iſt 
ringsum mit alten und jungen Obftbäumen umgeben. Am oberen 
Ende, unterhalb des Randes, ragt aus ihr ein vierediges Felsſtück 
hervor, — der Sage nad) die gejpannte Bank, auf welcher der Freigraf 
ſaß. Der ganze, mit einer Dornenhede umgebene Raum, fagt Seiberk, 
dem wir hier folgen, hält nur etwas über einen halben Morgen. Der 
Baumhof des Schloffes reichte ohne Zweifel weit höher hinauf. Der 
Garten befand fich zuletzt im Befige der Witwe des Burggrafen Lintner, 
der ihn mit feinem Amte überfommen hatte. Zwar wurden die Sigungen 
des Gerichtes längft nicht mehr im Freien abgehalten, aber an ber 
äußeren Form des Gartens wurde nichts geändert, wohl aus Scheu 
und Ehrfurdt. „Die älteften Leute haben ihn nicht anders gekannt, 
als er jest if. Nur wenn ein Baum vor Alter umfiel, wurde er 
durch einen neuen erjegt, jo daß man hier noch jest viele Generationen 
derjelben in bunter Folge durcheinander ftehen ſieht.“ 

Als im Jahre 1817 der fpätere König Friedrid Wilhelm IV 
von Preußen, damals Kronprinz, die ehrwürdige Stätte des Frei- 
gerichteS bejuchte, gab er den Wunſch zu erfenmen, daß der Garten für 
den Fiskus angeworben werden möchte. Nach langwierigen Berhand- 
(ungen mit der Befigerin fam ein Tauſch zu ftande, der am 24. Nov. 
1819 durch einen Kontrakt befiegelt wurde. Der Freiftuhlsgarten mit 
dem Baumbhofe wird von der Domänenverwaltung periodifch verpachtet. 
Der Pächter darf die Form des Gartens, insbefondere die Lage des 
Bodens durdaus nicht verändern. Er ift verbunden, die vorhandenen 
Obſtbäume, jowie die Umzäunung auf eigene Koften ſtets in gutem 
Zuftande zur erhalten und die Grenzen des Gartens gegen Beeinträd- 
tigung zu wahren. 

Zum Schluffe noch eine Frage: Wann werden die populären Ge: 
ſchichtsdarſtellungen ſich herbeilaffen, dem Arnsberger Freiftuhle den Platz 
zu gewähren, der ihm vor allen anderen Freiftühlen gebührt? 


— — 


Bweiter Abſchnitt. 


Das Zeitalter der Reformation bis 1612, 
Einleitung zur Geſchichte der neneren Beit: Arnsberg und 
das Herzogtum Weſtfalen. 

Borbemerfung. 

Das Ergebnis der legten Geſchichtsperiode war im ganzen eine 
Klärung und Feftigung in allen Verhältniffen, der Übergang zu geordneten 
und geficherten Zuftänden nad den gefeglojen Zeiten des Fauſtrechtes. 
Die lan dſchaftliche (territoriale) Entwidelung ift abgejchloffen ; das 
Herzogtum ift nicht mehr der Kampfplag Tändergieriger Fürften; fein 
Beitand bleibt die folgenden Jahrhunderte hindurch unverändert. Gegen 
die VBerpfändungen, die fo viel Ungemach in ihrem Gefolge hatten, haben 
fi die Stände durch fräftigen Zuſammenſchluß gefihert. Den Über: 
griffen der Landesherren, fowie den Ausfchreitungen des niederen Adels 
ıft ein Damm entgegengejegt. Die Zeiten der Fehde und Veme find 
vorbei. Das Land befommt eine geregelte Verwaltung, eine fefte Ver: 
faſſung. 

Die Unruhen, die das Herzogtum in der neueren Zeit beſtand, 
tragen einen anderen Charakter wie die im Mittelalter; fie reſultieren 
mehr aus den Bewegungen der allgemeinen Geſchichte und find den 
Wellenſchlägen ähnlich, die, von der erregten hohen See ausgehend, aud) 
die ftillen Gewäffer einer geſchützten Bucht erſchüttern. Die Geſchichte 
des Herzogtumes trägt jett einen mehr paſſiven Charakter. Go 
bürfte gerade hier, bei Beginn der neuen Periode eine kurze zufammen- 
hangende Darftellung der widtigften unfer Land betreffenden Ber: 
hältniffe um fo mehr angebradt fein, als diejelben die ganze ſogenannte 
neuere Zeit hindurch im wejentlichen unverändert geblieben find und daher 
den Typus des Herzogtumes bilden. Die bejondere Stellung Arnsbergs 
innerhalb des Landes wird jo am jchärfiten hervortreten. 


Das Herzogtum Weftfalert. 189 


Dad Herzogtum Weftfalen. 


Das Herzogtum Weftfalen umfaßte einen Flächenraum von etwa 
55 Quabdratmeilen (2093,75 qkm) mit annähernd 150 000 Einwohnern. 
Seine nördliche Grenze bildete die Kippe und das Fürftentum Münfter; 
nordöftlich wurde es vom Fürftentume Paderborn, jüdöftlih von den 
Fürftentümern Waldel und Niederheffen, jüdlid von den Grafſchaften 
Wittgenftein und den Naffau-Siegenschen Ländern, weſtlich vom Herzog- 
tume Berg und der Grafſchaft Darf umfäumt.!) Im Norden ums 
ihloß es die fruchtbaren Fluren des Hellweges und den nad) Süden 
langjam anfteigenden, waldlojfen Haarftrang. Das Herz des Herzog- 
tumes bildeten das gebirgige Sauerland db. i. Sübderland. 

Das ganze Herzogtum zerfiel politiih in vier Quartale, das 
Werliche, Rüdenſche, Brilonfche und Bilfteinfche. Jedes Quartal umfaßte 
mehrere Drofteien oder Ämter, deren es fpäter im ganzen fünfzehn 
gab. Die Grafſchaft Arnsberg oder das Ruhramt gehörte nebft 
den Amtern Menden, Werl und Balve zum Quartale Werl. Jede 
Stadt Hatte ihren furfürftlichen Richter; das platte Land war in 14 
Gerichte eingeteilt. Ym Herzogtume lagen 25 Städte, 19 Freiheiten, 
2 Bergfreiheiten (Endorf, Silbah), 12 Tandesherrlihe Schlöffer und 
190 adlige Sige?). Hauptftädte — nad) der Einwohnerzahl -— waren 
Brilon, Rüden, Gefefe, Werl; in der Rangordnung folgte abwechjelnd 
bald Arnsberg, bald Attendorn.?) Hauptjtadbtim modernen Sinne, 
nämlich Regierungsfig und Reſidenzſtadt (residentia principis), war 
Arnsberg. Bon ihr fagt ein alter Poet, Strevesdorff im feiner Be— 
Ihreibung der kölniſchen Erzdiözefe:*) 

Arnsbergum sequitur: recto de nomine dietum 
Adlersberg alias: residentia principis illi 
Electoralis, jucundo in vertice montis 

Ad Ruram magnum defert encomion urbi.®) 

Unfer Gewährsmann, Boigt von Eljpe (1694), weiß auch Intereſſantes 
über die Bewohner des Landes und feine Erzeugniffe zu berichten. ie 
find, jagt er, teils Freie, teils Sklaven. Aus den Freien erden Die 
Schöffen gemählt, und „ihöppenbar freye Leute” bezeichnet nad) ſächſiſchem 
Rechte den höchſten Grad der Freiheit. Aus Jihnen werden vornehmlich die 


1) Seibertz Landesgeſch. I ©. 3. 

2) Die Zahlen nad; Boigt von Elspe in Seiberg Weſtf. Gejch. III 
©. 120. ff. 
s) Bgl. ©. 165, 170. *) Bei Boigt, Seiberg III S. 135. 

5) Es folgt Arnsberg, richtig fonjt Adlersberg genannt; die Reſidenz 
bes Fürjten, ihm eine geforene (AUnfpielung an Surfürjt-Elector), auf an— 
mutiger Bergeshöhe an der Ruhr, bringt der Stadt großen Ruhm. 


190 Einleitung in die Gefchichte der neiteren Zeit. 


Scdulten gewählt, die „eines Schultheigen Amt in einer Bauernſchaft ver: 
treten”; der Schultheiß vertritt aber das Amt eines Unterrichterd. Weniger 
angejehen find die „Köttnere*, („Kottjaßen”, „Handtfronen“), die nicht ſoviel 
Land oder Vermögen befigen, um fich eigene Pferde zc. zu halten; fie leiſten 
ihrem Pachtherrn Dienjte und zahlen Abgaben. Sie find aber meijtens frei. 
Die „Beyliegere” oder „Straßenliggere” haben feinen eigenen Wohnfit oder 
haben die Erlaubnis erhalten, auf öffentlichem Boden fi ein Hütten zu 
bauen. — Die übrigen „Bauern? find unfrei. — Diefe Landbewohner be- 
ſchäftigen fi mit Aderbau, Viehzucht. Das Süderland hat mehr Großvich, 
als der Hellweg; daher das Sprichwort: „Halte did) an das Horndieh, nicht 
aber an das Kornvieh“. Sie handeln mit Metallen, Salz, Holzwaren; mit 
(ettteren bejonders die Winterberger, die auch Pferdehandel betreiben, indem 
fie in Dänemarf, Ojftfriesland, Oldenburg und anderwärts Pferde auflaufen. 
Der Spruch: „Grob Brodt, dünne Bier, lange Miele sunt in Westphalia; 
Si non vis credere — lop da” enthält eine arge Berläumdung; Bier und 
Brot find vorzüglich, nur hie und da im Sauerlande ift man „PBumpernidel”. 
Ein Franzofe fand das Brot einjt gut für fein Pferd Nidel; daher fein Name. 
Das Sauerland ift ausgezeichnet durch Jagd und Fifcherei; daher die Fürſten 
und Bornehmen gerne bier weilen. „Sauerländifhe Wohnung und Hell 
wegijche Renten jchiden fi wohl zuſammen.“ 

Das Herzogtum bildete mit dem Veſte Nedlinghaufen einen Teil 
des Erzftiftes Köln und jtand unter der Oberherrlichkeit des Erzbifchofes 
und des Domkapitel. Es Hatte jedoch eine eigene Regierung, eigene 
Grundgejege und eine landftändiiche Verfaſſung. Zum Neiche ftand 
das Herzogtum in loderer Beziehung. Es trug zu den Reichslaſten 
bei, ohne einer bireften Vertretung im Weiche gewürdigt zu fein. 
Auf Befehl des Kurfürften Mar Heinrich reichte im 17. Jahrhundert 
der Domdechant von Fürftenberg dem Kaiſer auf dem Reichstage ein 
Supplicatum ein des Inhalts „wegen des Herzogtums Weftphaleng 
Sig und Stimm’ im Fürftenrath” zu bewilligen, und zwar wurde zur 
„Facilitirung (Erleichterung) des Werks“ angeboten, „immediate (un- 
mittelbar) vor Arnsberg Sik und Stimm’ (sessio et votum) zu 
acceptieren”.?) Diejer Antrag wie aud ein jpäterer (1754), der vom 
Kaiſer begünſtigt wurde, blieb ohne Erfolg.?) 


1) Sründtliche Wiederlegung der... im Jahre 1725 eingelagter Thumb: 
Capitulariſchen Protejtation, ©. 56. 

2) Ztſchr. f. Geſch. u. Alt. W. XXI ©. 217 GKampſchulte, nah Häber: 
lin II, 138). Der Reichstag beitand aus drei Kollegien, dem kurfürſtlichen 
Kollegium, dem Fürjtenrate und dem Neichsjtädterat. Der Erzbifchof von 
Köln war in feiner Eigenfchaft als Erzbifchof Mitglied des erjten Kollegiums. 
— Das Herzogtum gehörte, wie das gefamte Erzitift, zum Furrheinifchen 
(nicht zum weſtfäliſchen) Kreiſe. ‘Die reife hatten Kreistage zu Halten und 
eine Kreig-Miliz zu organifieren u.a. m. Der wejtfälifche Teil mußte zwei 
Bünftel der von dem Erzitifte zu leiftenden Beiträge für das Neich liefern. 


Das Herzogtum Weftfalen. 191 


Die Erzbiihöfe führten erft feit Erwerbung der Grafſchaft Arns— 
berg den Zitel „Herzog in (von) Weftfalen und Engern“. In ihrem 
Wappen bezeichnete ein jpringendes Roß Weitfalen, drei Herzen Engern. 
Erſt jpäter ließ ſich in demjelben aud der filberne Arnsberger Adler 
nieder. Nach der Erwerbung des Landes durd; Preußen (1816) ging 
der Arnsberger Adler in das große preußiiche Wappen über, während 
im mittleren Wappen nur das wejtfäliiche Roß Pla fand. Diefes 
wurde aud) das Wappen der Provinz Weftfalen. — Die Erzbiichöfe von 
Köln waren nit bloß die weltlichen, fondern auch die geiftlichen Ober- 
herren Weftfalens. Denn das Herzogtum mit der Grafihaft Arnsberg 
gehörte jamt dem Veſte Redlinghaufen, der Grafihaft Mark und der 
freien Reichsftadt Dortmund nebft der gleichnamigen Grafſchaft zur 
Erzdiözeje Köln. 

Die Grafihaft Arnsberg war das Stammland eines Herrider- 
hauſes gewejen. Nur ein folches Land fonnte eine pofitive Nolle in 
der deutſchen Gejchichte fpielen. Das Herzogtum Weftfalen war nur 
eine Provinz, mehr zum Dulden verurteilt, al3 zum Eingreifen umd 
Schaffen berufen. Man möchte jagen, daß der Name der Grafſchaft ſich 
bei den Geſchichtsſchreibern einer größeren Achtung erfreute, al8 der des 
Herzogtumes. Nody um 1600 fennt der Geograph Clüver Arnsberg als 
eine Grafſchaft inter nobiliores Westfaliae, d. i. unter den vor» 
nchmeren Weftfalens. (Kampſchulte a. a. DO.) Für die Welt bejtand 
Weſtfalen Jahrhunderte lang nicht; „feit feiner Vereinigung mit Heffen- 
Darmjtadt wurde es als eine neue terra incognita!) betradjtet, die man 
an Unbefanntheit de8 Inneren mit dem Mondgebirge in Afrifa verglich",?) 
und von der man ungeheuerlihe Dinge erzählte. 

Eine Regentenhandlung, welche die Kurfürften regelmäßig perjön- 
ih in Weftfalen vornahmen, war der Akt der Belehnung. Wenn ein 
neuer Landesherr gewählt war („Hauptfall”, vgl. S. 48), jo mußte jeder 
Lehnsmann (Bafall) fich neu belehnen lafjen. Eine Lehnsfammer, aus 
Hofräten beftchend, pflegte den Lehnsherrn hierbei zu unterftügen und 
lehnsrechtliche Fragen zu entſcheiden. Dieje „gemeinen Lehnstage” wurden 
für das Herzogtum feit Alters in Arnsberg, der Furfürftlichen Reſi— 
denz, abgehalten, und jeder kölniſche Kurfürft Hat diefen Regentenakt in 
Arnsberg vollzogen. Mit der Belehnung war die Huldigung der 
Bajallen verbunden. Die allgemeine Landeshuldigung gefhah auf dem 


— 





1) D. i. unbekanntes Land. 
2) Seibertz, Weſtf. Beitr. IL, 390. Seibertz weiſt die Urſachen dieſer 
Erſcheinung im einzelnen nach. 


192 Einleitung in die Gejchichte der neueren Zeit. 


erften Landtage, welchen der Kurfürft perfönlich eröffnete. Die Stände 
tagten wenigftens fpäter regelmäßig in Arnsberg. Hier befand ſich 
auch das landſtändiſche Ardiv. 

Bei der großen Zahl der kölniſchen Lehnsträger zogen ſich die Be— 
lehnungen oft Wochen und Monate Hin. An gemeinen Lehnstagen kamen 
oft „etliche Hundert Vasalli” nad) Arnsberg, wie eine ſchon angeführte alte 
Schrift (Gründtliche Wiederlegung 2c.) jagt. Da die Landtage oft gleid)- 
zeitig tagten, und die Kurfürjten, namentlich die fpäteren, ftetS mit großem 
Gefolge reiften (vgl. Abfchnitt 5), jo muß in der Heinen Bergjtadt oft ein jehr 
bewegtes Treiben geherrfcht Haben, und verwundert fragt man fi), wo nur 
fo viele Menſchen untergebradjt werden konnten. 

Am übrigen bezogen die Landesfürften, joweit nicht bejondere 
Beranlaffungen vorlagen, ihre weftfälifhe Reſidenz vornehmlih zur 
Kurzweil und überliefen die Leitung der Megierungsgejchäfte einem 
Statthalter, der bis etwa 1450 den Titel Marjhall führte und 
jpäter Landdroſt hieß, wie jchon oben erwähnt worden ift. 


Die Eurfürftliche Negierung oder weftfälifche Kanzlei in Arnöberg. 


Die weftfälifche Negierung (ein Ausdrud, den nad der Ausjage 
des Vogt von Elspe die Nheinländer nicht leiden modten) oder Kanzlei 
in Arnsberg, mit dem Landdroften an der Spike, war eine ſtändige 
Behörde, eingejegt, um im Namen des Landesherrn die Obliegenheiten 
und Geſchäfte einer Megierung in allen Punkten wahrzunehmen und 
bis zu gewiſſem Grade jelbftändige Entjcheidungen zu treffen. Die landes» 
herrlihen Erlaffe wurden von ihr befannt gemacht und ihre Aus— 
führung überwadt; in Streitigkeiten zwijchen Gemeinden und Privaten, 
furz, in allen Dingen, die da8 Wohl und Wehe des Landes be» 
trafen, im Kriege wie im Frieden, hatte fie zu beraten, zu berichten 
und Entiheidung abzuwarten oder jelbft zu fällen. Die Titulatur und 
die Zuftändigfeit diefer Kanzlei hat manden Schwankungen unterlegen.) 
Sie genoß unter dem Kurfürften Ernft (um 1600) das Prädikat einer 
Regierung mit Gebrauch des Furfürftlicen Siegel. Der Nachfolger 
diejes Kurfürften, Ferdinand, benahm ihr 1647 Siegel und Titulatur. 
Der folgende Kurfürft, Mar Heinrich, ftellte fie wieder her mit einer 
unten mitgeteilten Kanzleiordnung von 1667. Dies änderte jedoch) Joſeph 
Clemens wieder durd eine Ratsordnung von 1700. „Alle dieſe Ab- 
wechjelungen waren bisher meift Gegenftände Iandichaftlicher Verhand- 
lungen zwijhen den Landesherren und den weftfäliichen Landftänden 


j ) Bgl. Zujammenjtellung der wichtigjten Dokumente zc., die die Ber- 
faflung des Herzogtums Weftfalen ausmachen. Arnsberg 1803, ©. 27. 


Die kurfürftliche Regierung zu Arnsberg. 193 


verblieben; fie fingen num aber an, ernfthaftere Wendungen zu nehmen. 
Die weftfälifche Regierung hatte fich lange bei ihrem ſchon von dem 
Kurfürften Hermann von Wied 1537 (S. 200) beftätigten oberftrichter- 
lihen Vorrechte, die Appellationen von den weſtfäliſchen Unter- 
gerihten aufzunehmen, erhalten; und Landdroſt und Räte waren von 
Mar Heinrich nebjt dem Offizialatgerichte zu Werl als die ordentlichen 
Appellationsgerichte in Meftfalen ausdrüdlich, öffentlich und feierlich an— 
erfannt. Wobei es dann auch jo lange geblieben, bis auf einmal unter 
dem 14. Januar 1722 der furfürjtlihe Hofrat zu Bonn an Landdroft 
und Näte den Befehl jchickte, „feine Appellationes von den weftfäliichen 
Untergerichten und Amtsdroften mehr anzunehmen, ſondern ſolche zu 
dem ordentlihen Appellatorio zu verweijen”". Auf hierüber von weit: 
fäliſchen Landftänden eingelegte Beſchwerde beftätigte Kurfürft Joſeph 
Clemens auf dem Arnsberger Landtage von 1722 Landdroft und Räten 
das Jus recipiendi Appellationes in causis judieiariis. Höchſtdeſſen 
Nachfolger Siemens beftätigte dies alles, geriet aber darüber in Konflikt 
mit dem Domfapitel.“ 


Die Kanzlei bejtand aus acht regelmäßigen Mitgliedern, nämlich 
vier „gelehrten” und vier adeligen Näten, von denen die erjteren die 
Arbeit thaten und auch mehr Gehalt bezogen, als die letzteren, die mehr 
Sinefuren verwalteten. Als Gehülfen der Regierung funktionierten 
mehrere Landſchaftsbeamte, nämlih ein Yandpfennigmeifter zur 
Berwaltung der Landesfafje, ein Landſchreiber als Schriftführer, 
ein Notar (Notarius publicus), ein Staatsanwalt (Advocatus 
fisei), ein Brüdtenmeifter zur Einziehung der Strafgelder, und 
unter dieſen mehrere Unterbeamte. Während Landdroft und Räte als 
unmittelbar den Kurfürften vertretende Beamte ihr Gehalt (66 bezw. 
200 bezw. 400 Rthlr.) aus der Furfürftlichen Kaffe bezogen, wurden 
die aufgeführten Yandesbeamten aus der Landeskaſſe bezahlt. Jene 
waren demmad ein Mittelding zwijchen Landes- und Hofbeamten. Auch 
hatten fie bejonders überall das fisfalifche Antereffe zu vertreten, und 
ih in allen Punkten, wo diejes in Frage fam, mit den weftfälischen 
Hofbeamten, nämlich dem Oberfellner, beziehungsweife dem Ober- 
jägermeifter, zu benehmen. Jenem lag die Aufficht über die Domänen 
und die Verwaltung der Furfürftlichen Gefälle ob; diejer hatte im 
Ipeziellen den Forſtſchutz zu handhaben und auf einen ausgiebigen 
Wildftand zu achten, die zahlreichen Forftbeamten zu beauffichtigen, die 
Hofjagden vorzubereiten, die landesfürftlihe Küche mit Wildpret zu 
verjorgen ꝛc. 


Feaur, Geſchichte Arnsbergs. 13 


194 Einleitung in die Gefchichte der neueren Zeit. 


Sümtlihe Landes- und Hofbeamte, die bisher aufgezählt find, 
hatten, mit Ausnahme der auf ihren Gütern weilenden adeligen Räte, 
in Arnsberg ihren Wohnort. Die Ämter waren oft lange Zeit in 
einer Familie erblich; jo das Oberfellneramt in der Familie Düder, 
das Oberjägermeifteramt in der Familie von Weichs-Körtlinghauſen, die 
vor etwa 100 Jahren ausgeftorben ift; das Landjchreiberamt im der 
nod) heute in Arnsberg anfälfigen Familie Dröge. 


Als Organe der Negierung waren im Lande die Droften oder 
Amtmänner, die Richter und die verjchiedenften Domänenbeamten thätig. 


Über die ältefte Einrichtung der weftfälifhen Kanzlei Tiegen 
feine Nachrichten vor. Dit fahen wir im Laufe der bisherigen Dar— 
ftellung die Kurfürften in der Umgebung von Räten; jedoch läßt ſich 
hieraus nicht mit Beftimmtheit auf das Vorhandenfein einer ftändigen 
Regierung ſchließen. Andererjeit3 hörten wir, daß Ruprecht geheißen 
wurde, einen „ständigen Nat" einzujegen (S. 170), worunter die Ein- 
richtung einer Qandesregierung verftanden werden muß. Mit Beftimmtheit 
weist ein ſchon oben geftreifter Erlaß des Kurfürften Hermann V vom 
Jahre 1537 auf ihre Eriftenz hin. Kurze Zeit jpäter (1551) taucht 
denn auch die ältefte direfte Erwähnung der weitfäliihen Kanzlei auf 
in einer von Holfenhorft aus Urkunden entnommenen Aufzeichnung. 
Zur Zeit des Kurfürften Adolph von Schauenburg, heißt e8 darin, war 
der ſog. Landsberger Hof von dem weftfäliichen Landſchreiber 
Bernard Hundt bewohnt. Nach defjen Abterben fiel er — aus welchem 
Rechtstitel ift unbefannt — dem kölniſchen Erzftifte zu. Der Kurfürft 
belehnte nunmehr ans folgender Beranlaffung den furf. Wildförfter 
Menge von Hörde, Bürger von Arnsberg, damit. Das Kanzlei- 
gebäude, d.i. die Negierung, befand fid damals zwiſchen 
der höchſten Erhebung der Altjtadt und dem Schloß. Nun 
bejaß der Wildförfter neben der Negierung ein eigenes Haus, welches 
der Kurfürft für die Kanzlei mit allem Zubehör erwerben wollte. 
Daher veranlaßte er den Landdroften zu Arnsberg, Hennede Schüngel, 
dem Menge von Hörde das Haus abzufaufen. Am 25. Auguft 1551 
wurde vor dem Gerichte und dem Bürgermeifter und Nat der 
Stadt Arnsberg ein Vertrag des Inhaltes abgejhloffen: Menge 
verfauft dem Erzftifte fein Anwefen für 400 Rthl.; zum Unterpfande 
wird ihm das erzftiftiihe „Haus und Hof in der neuen Stadt vor 
dem Glockenturme“ eingeräumt, jedod) mit Vorbehalt der Acer, Wiefen zc., 
deren Nutnießung aber dem Menge und jeinen Erben unter der Be— 
dingung überlaffen wurde, daß diefe zur notwendigen Reparatur des 


Die kurfürjtliche Regierung zu Arnsberg. 195 


Haujes (jährlich?) 20 Athl. verbauen und jchuldig fein follten, dasjelbe 
dem Kurfürften und dem Erzftifte jederzeit für die Löfefumme von 
100 Rthl. ohne alle Einrede wieder abzutreten. 


Um ſchließlich noch eine Vorftellung von dem Geſchäftsgange bei 
der weftfälifchen Regierung zu geben, teilen wir auszugsweiſe die Rats— 
ordnung vom Jahre 1667 mit, welche, wie oben erwähnt wurde, 
Marimilian Heinrid) auf Drängen der Stände bei feiner Anwefenheit 
in Arnsberg erließ: 


1. Wöchentlich dreimal, nämlid am Montag, Mittwod und 
Samstag ift von I9—11 Uhr vormittags regelmäßig Sigung; außer- 
dem kann der Landdroft oder in deſſen Vertretung der ältefte gelehrte 
Rat außergewöhnliche Situngen anberaumen. Zu allen wichtigen Ver— 
handlungen hat der Panddroft die auswärtigen adeligen Räte zuzuziehen. 
2. Krankheiten find rechtzeitig anzuzeigen. 3. Die Furfürftlihen Schrei— 
ben find vom Landdroften zu erbreden und in der nächſten Ratsfigung 
zu verlefen. Der Beihluß muß mit der nächſten Poft an den Hofrat 
zu Bonn befördert werden. 4. Auf die Landesgrenzen, die Jurisdiktion 
und alle den Kurfürften unmittelbar angehenden Sachen ift bejonders 
acht zu geben. 5. Die fisfaliihen Sachen find vor allen anderen zu 
erledigen; dem Advocatus fisei ift jeglicher Vorſchub zu leiften, etwaige 
Strafgebote jind fofort auszuführen ohne Anjehen der Perjon; nötigen- 
fall8 muß jchleunigft Information von Bonn eingeholt werden. 6. Der 
Bortrag über die Beratungsgegenftände hat vom Landdroften zu ge- 
ihehen, es jeien denn bejondere Referenten beftellt. Die Umfrage ift 
nad) der Ordnung anzuftellen. 7. Die Beihlüffe find per maiora 
(durd) Mehrheit) zu faſſen, und der Landdroft ift ftreng an diejelben ge- 
bunden. Der Landichreiber muß fie ausfertigen. Bei den Beratungen 
ift jeder befcheiden, Feiner joll dem anderen ins Wort fallen. 8. Der 
Landjchreiber hat über die Verhandlungen ein ausführliches Protokoll 
abzufaffen. Die Namen der anmwejenden Räte find zu vermerken. 9. Der 
Landjchreiber ſoll monatlih die Protofolle „rein fchreiben” und nad 
Bonn einjenden. 10. Auf Eingaben (Supplicationes) ift das Praesen- 
tatum (die Behändigung) zu jegen, Diejelben find in der Neihenfolge, 
wie fie eingegangen, vorzunehmen. 11. Alle Eingaben müffen in duplo 
(in zwei Exemplaren) eingereicht werden; eines bleibt bei den Aften. 
12. Die Parteien find auf Antrag an die zuftändigen Gerichte zu ver- 
weien. 13. Einlaufende Schreiben find vom Landdroften zu erbreden, 
aber nicht eher zu bejcheiden, al8 der Nat darüber beſchloſſen hat. 
14. Alle Beicheide find mit einen befonderen Inſiegel, „welches in 

13* 


196 Einleitung in die Gefchichte der neueren Zeit. 


unferer wetfäliihen Schreibftube aufzubehalten", zu verfiegeln. 15. Bei 
einem endgiltigen Nechtsurteile find die Entfcheidungsgründe ſchriftlich 
niederzulegen, damit vorkommenden Falles der Aichter zweiter Inſt anz 
fih derjelben bedienen fünne.. 16. Wenn bei den Berhandlungen 
Strafgelder oder Brüchten vorfallen, jo ift die8 dem Brücdhtenmeifter 
mitzuteilen. 17. Bei allen Irrungen in Kellnereiſachen ijt der Ober- 
fellner zu vernehmen. 18. In Rechtsſachen, die bei der Kanzlei an- 
hängig find, follen die Räte nicht Ratgeber der Parteien fein. Kommt 
ihr eigenes Intereſſe in Frage, jo follen fie abtreten. 19. Die Ber- 
handlungen find geheim zu halten. 20. Die Konzepte find gejchlofjen 
zu den Reviſoren zu tragen. 21. Die Sfribenten follen nicht zu Haufe, 
jondern in der „Schreibftube” arbeiten. 22. Der Landjchreiber und 
die Skribenten jollen fi) jeden Morgen von S—11, jeden Nachmittag 
von 3—5 in der Schreibftube aufhalten und den Näten ftetS zur Hand 
jein. Alle Sachen find vor der nächſten Situng zu erledigen. 23. In 
Rechtsſachen foll Feiner Gefchenfe annehmen ꝛc. 24. Die Räte follen 
den Verſammlungen der Yandjchaftsdeputierten (S. 197) immer alle bei- 
wohnen, damit alle in allen Landesſachen gehörig unterrichtet find. 
25. Alle Arhivfahen find dem Ardivar baldigft zuzuftellen. Die 
Benutzung des Archives ift von einem Beſchluſſe der Regierung abhängig 
zu machen. 


Grundzüge der landftändiichen Verfafiung des Herzogtums 
Weitfalen.') 
8 1. Die Landftände des Herzogtums Wejtfalen beftanden aus 
zwei Ständen (corpora, Kurien): 1) dem Stande ber Witterjchaft, 
2) dem der Städte. 


8 2. Um Ritter zu werden, wurde 1) der eigentümliche Beſitz 
eines landtagsfähigen adeligen Gutes (Nitterfiges), 2) der Beweis des 
perfönlichen Adels mit 16 Ahnen gefordert. Derjenige, welcher beide 
Eigenſchaften vereinigte, wurde auf jein Verlangen durd zwei Mitter 
zur Zeit eines Landtages aufgejchworen. 


Jeder Ritter hatte eine Stimme, die Stimmenmehrheit entſchied. 
Der Landdroft oder der ältefte adelige Nat, welcher aus der Ritterfchaft 
jein mußte, war Direktor der Landftände und in specie (im bejonderen) 


% Manuffript des Sohnes des letzten weſtfäliſchen Yanddrojten, des 
Geh. Regierungsrats Freihern von Weichs zur Wenne, auf Vinckes Wunſch 
abgefaßt, dem Berfafler von deſſen Ururenkel Herrn Frhrn. v. Weis 3. Wenne 
freundlichjt überlafien. 


Die landjtändifche Verfaſſung. 197 


der ritterfchaftlihen Kurie. Die vier ritterfchaftlichen Deputierten ($ 4) 
wurden auf lebenslang aus der Mitte der Ritterſchaft gewählt. 


$ 3. Die ftädtijhe Kurie beftand aus folgenden Städten 
bezw. Freiheiten: 1) Brilon, 2) Rüthen, 3) Geſeke, 4) Werl, 5) Atten- 
dorn, 6) Arnsberg, 7) Menden, 8) Olpe, 9) Marsberg, 10) Bolkmars- 
heim, 11) Medebach, 12) Warftein, 13) Kalfenhardt, 14) Belede, 15) 
Drolshagen, 16) Neheim, 17) Hallenberg, 18) Schmallenberg, 19) 
Winterberg, 20) Eversberg, 21) Allendorf, 22) Grevenftein, 23) Hirich- 
berg, 24) Balve, 25) Fredeburg, 26) Meſchede (Freiheit, wie die folg. 
N. N.), 27) Sundern, 28) Hüften, 29) Freienohl, 30) Affeln, 31) 
Dödefeld, 32) Hachen, 33) Langſcheid, 34) Hagen. — Dazu famen nod) 
vier fogenannte ſtädtiſche Deputierte, welche die Konfulenten dieſer Kurie 
waren und auf lebenslang gewählt wurden. Jede Stadt oder Freiheit 
hatte eine Stimme, welche durd einen oder mehrere vom Meagiftrat 
Bevollmächtigte geführt wurde. Auch jeder der vier Deputierten hatte 
eine Stimme. Die Stimmenmehrheit entſchied. Die Stadt Brilon 
hatte den Vorſitz. 


$ 4. Die zum Yandtage verfammelten Stände von Ritterſchaft 
und Städten beratjchlagten in befonderen Zimmern und teilten ſich 
dur ihre Deputierten das Refultat ihrer Beratichlagungen mit. Nur 
darüber, worin beide ftändifche Kurien übereinftimmten, war die land- 
ſtändiſche Bewilligung oder Zuftimmung vorhanden. Das bei ber 
Ritterfchaft über die Verhandlungen durch den jedesmaligen Landichreiber 
geführte Protokoll wurde al3 das gemeinſchaftliche ſtändiſche Protokoll 
angejehen und im ftändifhen Archiv in Arnsberg aufbewahrt. Obſer— 
vanzmäßig führte die Nitterfchaft über alle bei den Ständen vorfommen- 
den Sadıen das erfte Votum, nur nicht bei Geldbewilligungen, über welde 
ſich die Städte zuerft zu äußern hatten. 


$ 5. Die Stände wurden jährlicd durch befondere landesfürftliche 
Einberufungsichreiben zujammenberufen, und ihnen durd bejondere 
Kommiffarien die landesfürftlihen „Propofitionen” (Vorlagen) eröffnet. 
Alsdann wurden hierüber und über die eigenen ftändifchen Defiderien 
(Wünſche) zwiſchen den landesfürftlihen Kommifjarien und den Ständen 
Berhandlungen gepflogen. Über das Rejultat der wichtigen Verhand- 
(ungen wurde den Ständen ein fhriftliher Landtagsabſchied erteilt. 
Der Landtag hatte feinen gefeglichen Termin, er dauerte gewöhnlich drei 
Wochen. Das Landtagsausjchreiben mußte der Einwilligung de8 Dome: 
fapitel3 zu Köln Erwähnung thun. Auch ſchickte dieſes Domkapitel 
ftet3 zwei Deputierte zum weftfälifchen Landtage, welche indeffen in 


198 Einleitung in die Gefchichte der neueren Zeit. 


der Regel zu feinen anderen Geſchäften als zur Mitunterzeichnung des 
Landtagsabfchiedes herangezogen wurden. — Während de8 Landtages 
bezogen die ftändifchen Mitglieder Diäten, welche vom Landesfürften 
aus dem ihm bewilligten Subsidium charitativum (Beitrag des 
Landes zu den Regierungslaften, $ 7) angewiejen wurden. 


8 6. Neben dem jährlichen Yandtage fanden noch jogenannte 
ftändifhe Duartal-KRonventionen ftatt, welche fich zuerft viermal, 
in den letten Regierungsjahren des Kurfürften Mar Franz nur zwei- 
mal des Yahres an bejtimmten Terminen verfammelten. Die Quartal: 
Konvention beftand 1) aus dem weftfälifchen Landdroſten und den Räten 
mit den Droften. Zu adeligen Räten und Droften konnten nur Mitglieder 
der Ritterfchaft ernannt werden. Landdroft und Räte vertraten hier 
mitunter die Stelle der landesfürftlihen Kommifjarien. 2) Aus den 
vier ritterfchaftlichen Deputierten, 3) aus den Städten Brilon, Rüthen, 
Geſeke und Werl und den vier ftädtifchen Deputierten. 


Das Geihäft der Quartal-Stände beftand a) in Abnahıne und 
Rezeifierung (Genehmigung) der Landesrechnungen über die Verwendung 
der Steuern; b) in Ausſchreibung und Beitreibung der vom Landtage 
bewilfigten Steuern; ec) in Vollziehung der vom Landtage angenommenen 
Beihlüffe und Erteilung bejonderer Aufträge. 


$ 7. Die landſtändiſche Wirkſamkeit äußerte ſich ganz vorzüglich 
1) beim Steuerwejen: alle und jede Steuer mußte vom Yandtage 
bewilligt werden. Die Steuern floffen fämtlih in die Landes» 
faffe. Der Berechner der Landesfteuerkaffe, Landpfennigmeijter genannt, 
und die Steuerempfänger in den Ämtern wurden von den Ständen 
ernannt und angeftellt. Der Beitrag des Landes zu den Negierungs» 
foften war meift firiert und Gegenstand der landſtändiſchen Verhand— 
lungen. Er wurde jährlich für ein Jahr auf dem Landtage zwifchen 
den landesfürftlihen Kommiffarien und den Ständen fejtgejett; gewöhn- 
ih betrug diefer Beitrag, Subsidium charitativum (Liebesgabe) ge- 
nannt, 40—50000 Reichsthaler, weldhe auf ftändifhe Weijung vom 
Landpfennigmeifter an die landesfürftliche Kaffe abgeführt wurden. Zu 
außerordentlichen Regierungslaften, 3. B. bei Reichsfriegen, wurden be— 
fondere Bewilligungen gemadt. 2) Im Beirate zu allen des Landes 
Wohlfahrt und innere Verfaſſung betreffenden gejeglihen Verfügungen. 

Wenn wir die alte Verfaffung einer Beurteilung unterziehen, jo 
werden wir auf der einen Seite anerkennen müffen, daß das Mitwirfungs- 
recht der Landſtände an der Negierung vielleicht nur in wenigen deutjchen 
Ländern jo groß war, wie im Herzogtume Weftfalen; auf der anderen 


Die Kurfürjten Philipp II und Hermann V. 199 


Seite muß man an berjelben ausjesen, daß ber Bauernftand feine Ver» 
tretung hatte. Welches die traurige Folge davon war, wird die fpezielle 
Darjtellung ergeben. 

Wichtige Quellen für die landftändiiche Verfaſſung find: 1. Die Erb- 
landsvereinigungen von 1463 bis 1590, insbefondere die legte. 2. Kurzgefaßte 
Zufammenjtellung der wichtigſten Documente, welche die Berfafiung des 
Herzogtums Weitfalen ausmaden. Bon einem ritterfchaftlihen Mitgliede. 
1803.  Bergl. auch Rieve: Landesperfafiung des Herzogtums Wejtfalen. 
Blätter ;.n. 8. W. 1861. 


Die Kurfürſten Philipp II, Hermann von Wied, Adolf III, 

Anton, Johann Gebhard, Lriedri IV (1508—1567). 

Die Regierung bdiejer Erzbifchöfe, die zum Teil ſchnell aufein- 
ander folgten, verlief, ſoweit Nachrichten vorliegen, im ganzen friedlich) 
und ohne eingreifende Veränderungen. Jedoch beginnt die Kirchliche 
Reformation ihre erften Wirkungen zu zeigen. 

Philipp II, Graf von Daun (1508—1515), beftätigte die 
furz vor feinem Negierungsantritte erneute Erblandsvereinigung vor 
der Huldigung, die er 1509 entgegennahm. Am 15. Auguſt diejes 
Jahres erteilte er auf Schloß Arnsberg Lehen. Im folgenden Jahre 
erfchien er wieder mit großem Gefolge von geiftlichen und weltlichen 
Herren, um auf einem Landtage in Werl die dort ausgebrochenen 
heftigen Streitigkeiten zwijhen den Sälzern und den übrigen Amtern 
beizulegen. Bon da begab er ſich nad) Arnsberg und refidierte dafelbft 
während des Oftoberd. Damals wohl erſchien unter andern Bittjuchenden 
die neue Abtiffin des Klofters Benninghaufen „to arnsberch vor unjen 
gnedigften heren van collen“ und behauptete mit Erfolg die Anjprüche 
des Klofters auf eine Schaftrift und Hude gegen Anfprüde derer von 
Schorlemer. Auch im folgenden Jahre (1511, St. Lamberti) und 1514 
(im September) weilte Philipp auf Schloß Arnsberg. Weſtfäliſcher 
Landdroft und Amtmann in Arnsberg war Johann Schüngel. 

Hermann V, Graf von Wied (1515—46), fam bald nad) 
feiner Wahl nad) Weftfalen. Am Tage St. Gallus 1515 war er zu— 
erft in Arnsberg. Einen erften allgemeinen Lehnstag hielt er jedoch 
erft, nad) der Zahl der erteilten Lehen zu fließen, im Jahre 1517 
während der Monate Oktober und November auf Schloß Arnsberg ab. 
Im Jahre 1519 ließ der Kurfürft über die auffäffigen Bürger Werts, 
welche feinen dortigen Amtmann Johann Fürftenberg, Kellner (Ober: 
felfner) in Arnsberg, jchwer bedroht hatten, ein ftrenges Strafgericht er- 
gehen. Er erjchien mit mehr denn 700 Reitern in Werl, ließ die Rädels— 
führer in den Kerfer werfen und vom Gerichte zum Tode verurteilen, 


200 Beitalter der Reformation. 


Schon waren drei ber Empörer hingerichtet, al3 die Frauen und Jung— 
frauen flehentlid) den ftrengen Richter um Gnade baten und jo dem ent- 
jeglihen Blutbade ein Ende machten.“) In Werl ließ der Kurfürft nun 
ein neues Schloß bauen, um ähnlihe Ausschreitungen unmöglidy zu 
madhen. Unter den Zeugen des über den Bau aufgenommenen Rezeffes 
bemerfen wir u. a. Johann von Bödenförde gut. Schüngel, Yanddroft 
zu Weitfalen. — In den Jahren 1527 (Dftober) und 1531 (Septem- 
ber) refidierte Hermann wieder auf Schloß Arnsberg. Am 23. Septem- 
ber juchte Hans v. Haetzfeld für fi und feinen jüngern Bruder Jürgen 
die Belehnung mit dem Burgmannslehn zu Arnsberg nad) nnd erhielt 
diejelbe. Gegeben Schloß Arnsberg, 23. September 1531 in Anwejen- 
heit des Rates und Marſchalls Koh. Quad, des Rates und Amt: 
mannes zu Hoveftadt Goswin Ketteler, des Thürwärters Friedrich von 
Viſchenich. (M.H.) Am 4. September 1533 erließ Hermann eine 
intereffante Bergwerfsordnung. Weitere Befuche lönnen wir für die Jahre 
1536 und 1541 (Oftober) nachweiſen, wo der Kurfürft „gemeine Lehns— 
tage” abhielt. 

Eine im Jahre 1537, alfo 100 Jahre nad) der jog. Arnsberger 
Reformation, erlaffene Reformation der weltlichen Gerichte ift von Be— 
deutung, weil fie den Beweis liefert, daß derzeit ſchon Yanddroft und 
Räte im Herzogtume Weftfalen die oberfte Gerichtsbarkeit geübt haben 
(vgl. ©. 193). „Wo eine Partei durd) das geſprochene Endurteil ſich 
bejhwert findet und davon appellieren wollte, mag fie alsbald im Fuß— 
jtapfen nad) Eröffnung desjelben bei figendem Gerichte in Gegenwart 
des Richters an das gewöhnliche Dber- oder Hauptgericht, oder jo das 
Untergericht, welches das Urteil ausgejprochen, fein anderes gewöhnliches 
Haupt in unferem Erzftift hätte, an ung oder unfere fürftlihe Kammer, 
aber in der Grafſchaft Arnsberg gen Arnsberg zwiſchen den Pforten 
appellieren.“ 


In feinen letzten Negierungsjahren zeigte fih Hermann V ben 
firchlichereformatorischen Beftrebungen Luthers zugemeigt; er trat jelbft 
aus der Fatholifchen Kirche aus und fuchte im Herzogtume die Reforma— 
tion einzuführen. Infolgedeſſen Fam es bejonders zu Neheim und Werl 
zu heftigen Auftritten. Der Kurfürft erließ an Landdroft und Räte in 
Arnsberg eine Aufforderung, den zeitigen Abt von Wedinghauſen, 
Hermann Lilie, zu veranlaffen, daß er Martin Bucer und andere 
Reformprediger bei fi aufnähme Dem widerfegte fi der Abt und 








) Mehler, Geſch. der Stadt Werl. ©. 210. Bei diefer Gelegenheit 
machen wir die Lefer auf diefes tüchtige, umfangreiche Werk aufmerfjam. 


Hermann V und Adolf III. 201 


forgte auch, daß die aufgeregte Menge in Werl wieder zur Ruhe fam.!) 
Hermann V wurde feines Amtes entjegt und dankte am 25. Februar 
1547 ab. 


Uber der Jahre Gunjt und Ungunjt zc. während Hermanns V 
Regierung liegen folgende Daten vor: 

1516 den 28. Dezember tötete Bracht Wulff zu Füchten, der mit der 
Stadt Werl in Feindichaft Ichte, deren Bürgermeijter Lilie unterhalb Arns- 
bergs durch einen Flintenſchuß, wo noch heute (1624) ein fteinernes Kreuz 
mit der Anfchrift „am Lilienkreutz“ fteht. (oh. von der Bersmwordt 
„Weitfälifches Adeliges Stammbuch“, Herausgegeben von oh. Diedrich von 
Steinen, Dortmund 1742, ©. 519). 

1517 berrfchte ein furchtbarer Winter. (Stangefol.) 

1520 folgte auf einen ſehr milden Winter die Peſt. (Stangefol.) 

1528 gab es in Wejtfalen eine überaus große Menge Eicheln. Darauf 
wurde folgendes Chronogramm gemacht: 

porCorVM CIbVs eX qVerCIs eCCe redIbat. 
(Der Schweine Speiſe ging, fiche, aus den Eichen ein.) 

1529 herrſchte eine entjeglihde Hungersnot, und der Wein war 
faurer als Ejfig. In demfelden Jahre herrſchte in Deutfchland cine peit- 
artige Krankheit ; binnen 24 Stunden jtarben viele taufend Menſchen. In 
Dortmund, Schwerte und an anderen Orten ftarben in 4 Tagen 500 Menſchen. 
Man nannte fie die englifche Krankheit, weil fie 1486 zuerjt in England 
grafjiert Hatte. (Klojterchronif.) 

1535 war ein fehr fruchtbares Jahr, infolge deflen die Teurung, 
die zehn Jahre Hindurch auf den Menfchen gelaftet Hatte, aufhörte. Doc 
wurde das Glück wieder durch) eine peitartige Seuche getrübt. (Klofterchronif.) 
Diefer gejhieht aud) in den Jahren 1538 und 1545 Erwähnung. 

1540 folgte auf einen rauhen Winter mit viel Schnee ein dürrer 
Sommer mit gutem Wein. (Stangefol.) 


Adolf III von Schauenburg (1547—1556) blieb dem Tatho- 
liſchen Glauben treu. Er nahm ſchon 1547 die Huldigung in Weft- 
falen entgegen; am 15. Auguft war er in Arnsberg. Einen großen 
Lehnstag hielt er auf Schloß Arnsberg im Oktober und November des 
folgenden Jahres ab; die betreffenden Urkunden find datiert vom 
24. Dftober und vom 2., 6., 18., 22., 23. und 29. November. Land— 
droft und Räte bildeten feine Lehnskammer (Propft Hennede Scüngel, 
Rethe, Dr. jur. Bernard vom Hagen, Wilhelm Freiherr von Schwarzen: 
berg, Zurmwärter u. a. Am 24. Oftober 1548 wurde Jürgen von 
Haetfeld nah dem Tode feines Bruders mit dem Burglehen zu 
Arnsberg vom Erzbifchofe Adolf belehnt in Anwefenheit des damaligen 


1) Tüding, Blätter 5. n. K. W. 1873, ©. 54. Nach dem Ausdrude des 
Bürgermeifterd Brandis von Rüthen war damals fajt das ganze hohe „Sur: 
land mit diefem teuflihen fermento (der Reformation) contaminirt.” 


202 Zeitalter der Reformation. 


Kanzlers und Landdroften, Hennede Schüngel, der Räte Bernard von 
Hagen, der Rechten Doktor, nebft Wilhelm Freiherr von Schwarzenberg, 
Turmwärter. Auch für die Jahre 1549 (September), 1551 (Juni), 
1555 find des Kurfürften Beſuche durch Lehnsreverfe bezeugt. Bei 
feiner legten Anmejenheit 1556 trat er als Vermittler zwifchen der Stadt 
Arnsberg und Wedinghaufen auf; dod, ehe noch der Vergleich) abge— 
ichloffen war, mußte der Kurfürft plöglich abreifen. Kurz darauf ftarb 
er (20. September 1556). 

Anton (1556—1558), ein Bruder des vorigen Kurfürften, voll- 
30g den von Adolf geftifteten Vergleich zwiichen der Stadt und Weding- 
haufen bei jeiner Anweſenheit auf Schloß Arnsberg am 7. Juli 1557. 
— In dieſem Jahre herrſchte eine Teuerung. (Kloſterchronik.) 

Johann Gebhard von Mansfeld (1558—1562) refidierte 
in Arnsberg im Dftober 1560 und Auguft 1561. Damals hielt er 
einen allgemeinen Lehnstag ab; mehrere Reverſe (für Hachen, Menden, 
Alme :c.) find am 12. Auguft ausgeftellt, andere am 17. — In ber 
Umgebung des Fürften weilten der Landdroft Schüngel und Räte aus 
Weitfalen und Rheinland. 

Friedrich IV von Wied (1562—1567) gab im Jahre 1564 
dem Rate Kaſpar von Fürftenberg auf Schloß Arnsberg feine Be- 
ſtallung. Er refignierte, ohne die Priefterweihe empfangen zu haben. 


Solentin von Iſenburg (1567--1577). 
Neubau des Arnsberger Schlofies.') 


Graf Salentin von Iſenburg wurde am 23. Dezember 1567 auf 
ben erzbiihöflihen Stuhl von Köln erhoben. Er ftand damals im 36. 
Vebensjahre. „ES war eine ftattliche Figur, im Ebenmaß dazu ber Kopf 
mit dem hohen, vorn jchon faft Fahlen Schädel, mit der jtarfen Adler: 
naje und einem über die Bruft niederwallenden Vollbart; der Leib 
allzeit in weltlicher Kleidung, am liebften in der Reiterrüftung. Seine 
Kammerwände waren mit Harnifh und Büchſen behängt; fein Hof: 
gefinde wollte er „auf veiterlich geputzt“ haben; er jelbjt und die Hof- 
leute, gelehrt und ungelehrt, ritten auf Reifen, auch wo gar feine Ge— 
fahr, ſtets im Harniſche. An feinem geiftlihen Stande hatte er Feine 


1) Die baugefhihtlihen Notizen find von Hollenhorjt, der die 
Alten eingefehen hat. Seiberg bat in feiner Geſchichte des Arnsberger 
Schloſſes (Blätter 3. n. 8. W., 1863) Salentin® Neubau, den älteften bes 
fannten, ganz überjehen. Aus den häufigen Hofhaltungen der Kurfürften in 
Arnsberg ſchloß er auf eine glänzende Reftauration des Schlofies um dieje Zeit. 


Kurfürjt Salentin von Afenburg. 203 


Freude. Krieg und Fehde gefielen ihm."!) Nicht innere Neigung, jon- 
dern, wie fo häufig im jener Zeit, Familtenintereffen hatten aus ihm einen 
geiftlichen Fürften gemacht. Zahlreiche Bauten, wie die Schlöffer Brühl, 
Rheinberg, Arnsberg bezeigen feine Freude an der jchönen Kunft. Er 
bewies hohen Sinn für Schönheiten der Natur, die man erft heutzutage 
recht würdigen gelernt hat, 3. B. den Königsfee bei Berchtesgaden. Auch 
tiefe gelehrte Bildung in geiftliher und weltlicher Litteratur, ſowie um— 
fafjende Spracdenfenntnis werden ihm nadgerühmt. 

Im zweiten Jahre feiner Regierung fam Graf Salentin, „ein 
berühmter und hochherziger Mann“, fagt der Klojterhronift, mit einem 
glänzenden Gefolge von Reitern und Fußgängern zum erjten Dale 
nad) Arnsberg. Hier ließ er im nächften Jahre durch gelehrte Männer 
eine bdreitägige Prüfung des gejamten Klerus von Weftfalen anjtellen, 
zu welcher fi alle Pfarrer ins Klofter Wedinghaufen begeben mußten. 
Auch er jelbjt juchte in diefem Jahre (Urf. vom 9. Sept.), wie in allen 
folgenden, feine wejtfäliiche Reſidenz auf, für die er eine bejondere 
Borliebe an den Tag legte. Am 1. Februar 1570 belehnte er den jpäter 
immer mehr hervortretenden Kajpar von Fürftenberg mit dem Droften- 
amte in Bilftein. In demjelben Jahre ftarb nad) dem Klofterchroniften 
der Schloßfommandeur. Zahlreiche Belehnungen aus den folgenden 
Jahren 1572 und 1573 weijen darauf hin, daß Salentin damals 
gemeine Lehnstage in Arnsberg abgehalten hat. In feiner Gegenwart 
weilten die Räte Nethe, Ketteler, von der Horft, Kleinforgen u.a. Die 
Urkunden find datiert vom 12. Dez., 22. Dez., 24. Dez. 1572, 17. 
Yan., 21. Jan, Yuni, Sept., 22., 29. Oft. 1573. Bei feiner An- 
wejenheit im Winter 1572 erhielt Salentin zum erften Male den Be- 
ju der Brüder Grafen Johann und Heinrih von Nafjau, welche 
damit umgingen, den Kurfürften für das franzöfisch » proteftantijche 
Bündnis zu gewinnen.?) 

Am 22. Oftober 1573 ſuchte Johann den Kurfürften wieder „in 
aller Stille in Arnsberg auf" und pflog mit ihm eine jechstägige Unter: 
handlung. Mit dem Erfolge war er fehr zufrieden, namentlich auch 
glaubte er den Kurfürften geneigt, heiraten und trog Heirat Kurfürft bleiben 
zu wollen. Im Juni desſelben Jahres kamen bayerifche Gefandte zum 
Kurfürften nad) Arnsberg, um ihn für die Kandidatur des jpäteren 
Herzogs Ernft zu gewinnen, der damals nad) dem Münfterfchen Biſchofs— 
hute ausſchaute. Im September und Dezember 1574 fanden wieder 

) Loſſen, der kölniſche Krieg, S. 35. 

2) Man Hatte es vornehmlich auf die Säkularifation des Erzitiftes 
Köln abgejehen. 


204 Beitalter der Reformation. 


Konferenzen mit Johann von Naſſau ftatt. Und jo gingen damals 
Unterhändfer in Arnsberg bei dem Kurfürften aus und cin, Rat zu 
pflegen. Salentin jcheint im Winter 1574/75 den Plan für einen 
Neubau des Schloſſes erwogen zu haben. Im Januar 1575 weilte 
er nachweislich in Arnsberg; im April lag das Bauprojekt vor. 


Zum Schloßbau mußten die Unterthanen die nötigen „Hand» und 
Spanndienfte” Teiften. Daher wurden zunächſt jämtlide im Oſten und 
Norden gelegenen Städte und Amter des Herzogtumes Wejtfalen güt- 
lich erfucht, die in den Steinbrüden bei Altenrüden gewonnenen 
Sandfteine nad) Arnsberg zu fahren. Auch erboten ſich hierzu die Städte 
Gefeke, Rüthen, Kallenhard, Warjtein, Hirjchberg, Belefe und die 
Gogerichte Geſeke, Rüthen, Erwitte ꝛc. Zugleich mit dem Schloſſe 
ſollte eine neue ſteinerne Brücke unterhalb der jetzigen Jägerbrücke 
gebaut werden (deren Fundamente noch zu ſehen ſind), wozu die Städte 
Arnsberg, Neheim, Werl, Balve u. a. Sandſteine aus Menden 
anfuhren. Bald wurden auch die übrigen Städte und Gerichte des 
Sauerlandes zu Spanndienſten herangezogen, ſogar Bilſtein und Mede— 
bach. Der Baumeiſter, Laurenz von Brankel, ſtellte am 9. März 
1575 dem Kurfürſten vor, man ſolle, um Zeit und Koſten zu jparen, 
an der Brüde die Felder zwifchen Bögen und Gefims mit Kalkfteinen 
vom Rüdenberg (Alte Burg) ftatt mit Sandfteinen ausfüllen. Jedoch 
erihien jchon nad) fünf Tagen von Kaiferswerth die allerhöchſte Weifung, 
daß nah dem erften Riffe und der erften Zeichnung genau verfahren 
werden follte. Zugleich wurde aufgegeben, das große Schloßthor mit 
dem kurfürſtlichen und dem erzftiftiihen Wappen, jowie mit Jahreszahl 
und Datum in zierlicher Ausführung zu verjehen, ferner das Dad) und 
Holzwerk der alten Grafenburg weiter bi8 auf die Mauern abzubreden; 
dieje ſelbſt jollten bis auf weitern Befehl ftehen bleiben. 


Der Kurfürft begab ſich darauf, wie Urkunden beweifen, nad) 
Arnsberg, wahrſcheinlich um perfönlich Anweifungen zu erteilen. Er ge: 
ftattete bei diefer Gelegenheit am 14. Mai 1575 der Stadt Werl, 
welche „ein gemeine Landſtraß und Hellwegk“ anlegte, die Erhebung 
eines Wegegeldes. Diefe auch an ſich merkwürdige Urkunde!) ift „ges 
geben in unjerem Schloß Arnsberg". Auch in den Sommermonaten 
diejes Jahres hielt er ſich „meistens zu Arnsberg oder auf dem paber: 
bornijhen Neuhaus” auf.) Er hat aljo den Fortgang des Neubaues 
beobadtet. Am 8. Juni ftiftete er einen Erbvergleidy zwischen der 





») Seiber& IH, 1027. *) Loſſen, der Eölnifche Krieg, S. 308. 


Neubau des Arnsberger Schlofies. 205 


Stadt Arnsberg und dem Klofter Wedinghaufen über die Berechtigungen 
des letsteren in der Arnsberger Waldmarf.?) 

In den erften Monaten des nächſten Jahres finden wir Salentin 
wieder am Bauplage; denn er verleiht am 27. März 1576 zu „Arns- 
perg” den Gevettern Friedrid) und Hilfebrand von Padberg die ihm 
als Lehnsherrn verfalſene Herrichaft Badberg von neuem unter bejonderen 
Bedingungen. Im Juli reifte er zum großen Neichstage nad) Regens— 
burg. Für die Zwifchenzeit liegen einige intereffante Notizen über den 
Fortgang des Baues vor. Am 24. April 1576 jchreibt Arnold von 
Viermund, Amtmann zu Medebad, an den furfürftlichen Kellner Johann 
Nam zur Arnsberg, daß er mit den Gewerken der Sciefergruben zu 
Hallenberg unterhandelt habe, und daß diejelben gejonnen wären, jo viel 
Schiefer, al3 nötig jei, bis nächſten Bartolomaei für den Schloßbau zu 
liefern, für einen Wochenlohn von drei Thalern gemein Geld für jeden 
Gewerfen. Dem Richter von Hallenberg könnten Aufjiht und Rech— 
nungsführung übertragen werden. Die zu den Steinfuhren herangezogenen 
Städte Rüthen, Brilon, Geſeke ꝛc. wurden allmählich des Fahrens 
über die jchlechten Wege durdy den Arnsberger Wald müde. Viele 
hatten ihre Pferde vollftändig abgetrieben, einige hatten fie verloren, 
alle Hatten mancherlei Schaden erlitten; auch befürchtete man, in den 
Privilegien und Freiheiten für die Zufumft gejchmälert zu werden. So 
wurden die gequälten Unterthanen beim Landdroſten und beim Kurfürften 
jelbft wegen Abhilfe vorftellig, Unter denjenigen, bie uhren liefern 
jolften, befanden fic auc, die Bewohner des Aftinghäufer Grundes, 
defjen Eigentum das Haus Walde beanjpruchtee Daher wandte fid) 
die verwitwete Gräfin Anna von Walde, „geborene Tochter zur Kippe”, 
unter dem 9. Juli 1576 bejchwerend an den Landdroſten Ever- 
hard von Solm3, daß man mit jo unerhörten Forderungen bie 
Aftinghänfer wenigftens fo lange verjchonen follte, bi8 die Eigentums- 
frage gütlich oder rechtlich entjchieden wäre. Diefe fortwährenden Klagen 
hatten zur Folge, daß man die Steine von dem abgebrodenen Sclojje 
verwandte umd außerdem mehrere Brüche in der „Steinfuhle” hinter 
dem Sclofje aufthat, die jehr ſchöne Baufteine Tieferten. 

Am 17. Juli verlangte der Kurfürft von Regensburg aus von dem 
Landdroften Auskunft über die Fortjchritte de8 Baues und den tiefen 
nen anzulegenden Brunnen und bat ihn zugleich, ihm allerhand Erz- 
jtufen aus den weftfälifchen Bergwerfen nad) Negensburg zu jchiden. 
Der Landdroft antwortete ihm am 1. Auguft, daß der Bau weit voran- 





206 Zeitalter der Reformation. 


gejchritten jet und die Brunnenarbeiter gefunden hätten, daß die rechte 
Hauptquelle ſich in viele Kleinere Äfte zerteilt habe, fo daß die Arbeit 
vergeblich gewejen jei. Er habe in zwei anderen Berggefällen einen 
Stollen anlegen laſſen, um die rechte Hauptquelle wiederzufinden. 


Der Kurfürjt ift am 19. November wieder in Arnsberg zu finden, 
Lehnsarchiv betr. Wicheln), allwo er augenſcheinlich meiftens einen Teil 
des Winters Hof gehalten hat.!) 

Inzwiſchen war das Mauerwerk bis zum Dache fertiggeftellt; auch 
zwei Türme waren aufgeführt, wozu allein über 1000 Wagen Gerüft- 
holz aus den benadhbarten Marken verwendet waren. Jetzt fonnte man 
fi) über die Zimmerarbeit des Daches nicht einigen. Es wurden zwei 
andere Baumeifter vom Herzoge von Jülich und vom Landgrafen 
Wilhelm von Hefjen-Kafjel mit Genehmigung ihrer Herren im April 
1577 nad) Arnsberg beſchieden und deren Gutachten angehört. Nach 
Aufftellung des Planes wurde das nötige Bauholz gefällt und angefahren. 
Es ift dann von dem großen Saale die Rede, und es wird erwähnt, 
daß berjelbe 58° breit und 224°?) lang war. Die Dede des Saales 
jolfte nit von Säulen getragen, jondern aus Hängewerk hergeftellt 
werden. Das nötige Eifenwerf dazu wurde im Winter 1577 auf 1578 
bereitet, und der ganze Bau von dem heffiichen Baumeifter Hans 
Wezel aus Kaffel, „der ſchon mehr derartige Bauten gemacht”, im 
Sommer 1578 unternommen und glücklich ausgeführt. Diefes Datum 
beweift, daß Salentin als Kurfürft den Bau nicht vollendet Hat. Er 
hat nämlich jhon im Jahre 1577, um eine Ehe einzugehen, die Re— 
gierung des Erzjtiftes niedergelegt. Die legten Schritte that er von 
Arnsberg aus, wohin ihn wohl wieder fein Neubau geführt hatte. Bon 
hier fchrieb er am 20. Auguft an das Domkapitel, er ſei des Negierens 
längft müde und refigniere das Erzftift zu deffen freien Händen. Er 
habe die weftfäliihen Stände auf den 9. September nad) Arnsberg, die 
rheinifchen auf den 12. nad Brühl befchieden, um fie ihrer Eide und 
Pflichten zu entbinden. Nach Abfaffung diefes Schreibens begab fic 
Salentin von Arnsberg zunächſt nad Paderborn und legte hier jeine 
Würde als Adminiftrator des Stiftes nieder; am 8. fehrte er nad) 
Arnsberg zurück, wo er am folgenden Tage feine lieben und getreuen 
Yandftände ihrer Eide und Pflichten entband.?) Alsdann begab er ſich 
mit glänzendem Gefolge nad Köln, um vor dem Domkapitel zu refig- 


— — 





8) Urkunden bom 22, Jan. (Lehns-Ardiv) und 20. Febr. (Seiberk, 1029), 
?) llber diefe Maßangabe ſ. ©. 207 f. 
®) Lojien, a. a. DO, ©. 539 f. 


Der Salentinsbau. 207 


nieren, darauf nad) Brühl und am folgenden Tage in jeine Grafſchaft 
Iſenburg nah Schloß Arenfels. 

Gebhard Truchſeß, der Nachfolger Salentins, hat deſſen Bau 
vollendet. Bewieſe es nicht ſchon das oben angeführte Datum, fo ginge 
es aus einer in Brunabends Geſchichte der Stadt Attendorn ©. 237 f. 
mitgeteilten Schulöverjchreibung dieſes Kurfürften hervor. Gebhard 
nimmt von der Stadt Attendorn 500 Goldgulden auf und zwar „zu 
unferm Arnßbergiſchen Baw“. Die Urkunde ift vom 23. Sept, 
1578 datiert. Eine andere „in unferm Schloß Arnsberg” aus— 
geftellte Urkunde findet fi) in dem genanntem Bude S. 240 (Nr. 26). 
Auch für den 10. und 15. Nov., jowie fir den 11. Dez. diejes Jahres 
läßt ſich Gebhards Aufenthalt in Arnsberg urkundlich belegen. Hier— 
nad) darf man annchmen, daß der Nachfolger Salentins ſich im Herbſte 
1578 nad) Arnsberg begeben und die weiteren Arbeiten geleitet hat. 
Nach einer Mitteilung des Klofterhroniften ftarb im Jahre 1580 der 
Schloßbaumeifter v. Tetrade. 


Der Salentinsban. 


Das Schloß Salentins ift in mehreren Abbildungen erhalten, 
nämlih 1) in Georg Bruins: Theatrum urbium et eivitatum 
orbis terrarum (Köln 1579—1618, 6 fol.), welches in lateiniſcher 
und dentjcher Ausgabe erjchienen ift. 2) Im Prodomus Geographicus, 
Joh. Gigante autore (Colon. 1620 fol.). Gigas, d. h. Nieje, ein 
geborener Wejtfale, war Leibarzt des Kurfürften Ferdinand. 3) In 
Merian’ Topographia Westphaliae (ca. 1648). Alte jonft noch 
vorhandenen kleineren und Xolorierten Abbildungen find auf eine der 
genannten znrüdzuführen. 

Bei der Betrachtung der Bilder fallen zunädft die Batterien 
ins Auge. Die erfte, nad) Weiten, der Rüdenburg oder Alten Burg 
gegenüber, war 36° lang und ebenfo breit; die zweite, im Dften, 42° 
fang und 34° breit; die dritte, im Norden, 36‘ lang, 32° breit. 

Der weftliche Flügel des Schloffes bildet einen mächtigen langen 
Bau, über den der hohe Weiße Turm jedod) weit hinwegragt. Aus dem 
Inneren des Scloßhofes ſchauen die beiden Kleinen Türme der Schloß- 
kapelle und die Walmdäcer derjelben über das Mauerwerk hinweg. 
Bon den öſtlichen Bauten ift nichts fichtbar. Die beiden Edtürme der 
Hauptfaffade find je vier Stod hoch und mit einem Fugelförmigen Auf- 
bau gekrönt. Der davon eingejchloffene Mittelbau enthielt den großen 
Saal. Nad) der bisherigen, irrigen Annahme ſoll befanntlich erjt der 
Kurfürft Klemens Auguft, der etwa 1725 das Schloß wiederherftellte, 


208 Zeitalter der Reformation. 


einen derartigen Saal angelegt haben. Diejer Saal war nad) Hüſers 
Chronik 192° lang, 61° breit. Hier ift das Längenmaß jedenfall3 unrichtig 
angegeben. Die Frontlinie des Mittelbaues, die durch die Ausgrabungen 
der letzten Tage bloßgelegt worden ift, hat von den Eden der Türme 
gemefjen nur eine Länge von 113%. Da num Hüſer ausdrüdlih an- 
gibt, daß der Saal ſich zwiichen den Türmen ausgedehnt habe, jo kann 
jeine Zahlenangabe nur übertrieben ſein. Nun foll gar Salentins Saal 
224° Yängenausdehnung gehabt haben, wie das M. H. angiebt?! Selbſt 
unter der Annahme, daß derjelbe die Türme mit umfaßt habe, ift dies 
undenkbar; denn nicht einmal der Bergrüden hat dieje Breite, und die 
ganze Vorderfaffade des Schloſſes einjchließlich der Türme beträgt aus- 
ichließlic) der Eckmauern nicht mehr als 175‘. Hier Hilft nicht die An- 
nahme eines Heineren Fußes; es muß vielmehr ein Irrtum vorliegen. 
Nun befindet fich in den Akten de3 Max-Heinrichs-Baues (um 1667) 
die Notiz, daß die lichte Länge des alten Saale8 125° betragen habe. 
In den Akten Salentins muß es aljo offenbar heißen 124 ftatt 224; die 
Differenz von einem Fuße will nichts bedeuten. Diejes Maß ftimmt ja 
annähernd zu dem jet an der Außenmauer nachzuweiſenden; und wir 
haben demnach fowohl für den älteren wie für den jüngeren großen 
Saal des Scloffes 125° Länge anzunehmen. Er war dann im Yänge 
und Breite faft genau doppelt jo groß wie der große Saal des Arns— 
berger Kaſinos. 


Der Brunnen, den Salentin graben ließ, ift, jolange das 
Schloß geftanden hat, in Gebraud geblieben, und deshalb dürfte Hier 
der Ort fein, das Nejultat einer 1820 vorgenommenen Ausräumung 
und Unterfuchung desjelben anzuführen. 


Die Ausräumung geihah infolge des Antrages dreier „Unternehmer“, 
die gehört hatten, es feien wertvolle Sachen im Brunnen. Die Regierung 
übernahm felbjt die Arbeit. Sie ergab für den Bau des Brunnens 
folgendes: Er hat eine Tiefe don 140°, ift ganz rund und hat oben 10° 
unten 9° Durchmefjer. Oben ift der Höhlung flach überwölbt. Bis zur 
Tiefe von 25’ findet ſich ſchönes, regelmäßiges Mauerwerk, von da bis 
0’ Tiefe ijt der Brunnen glatt und ſchön ausgehauen, von 80 ’—100° Tiefe 
hat er bedeutende Klüfte nad Norden und Weiten. Won 110° abwärts iſt 
er wieder gleihmäßig rund bis auf einen edigen Abſchluß. Die Arbeiter, die 
einjt mit Schlägel und Hammer diefes jtaunensmwerte Werk menjchlicher Kraft 
und Ausdauer gefördert haben, jind nirgends auf Faulſchiefer gejtoßen, der 
jonjt wohl die Kalkjteinlagen durchjegt: fie haben immer nur harten Fels be- 
arbeitet. Bei 50° Tiefe find fie zuerjt auf Waffer geſtoßen, bei 100° Tiefe 
öffneten fie die reichite Waflerader. — Der Brunnen zeigte eine Waſſer— 
tiefe don 63°! und nad) einer anhaltenden Dürre noch 524,’ Daher 
fragte die Regierung bei der Stadtverwaltung an, ob fie nicht das Brunnen- 


Das Schloß Salentins. Peſt, Gewitter ıc. 209 


waſſer in die jtädtifche Waflerleitung (von der Wiegenjcheid her) leiten wolle, 
die jich 40%, über der Sohle des Brunnens befand. Die Stadt wies das 
Anerbieten ab, weil jie von der Anlage feinen die Koften lohnenden Erfolg 
ſah, zumal da Wallermangel höchjtens im Sommer einzutreten pflegte. Alſo 
Waffer hat der Brunnen gewiß jtetS in reichlicher Fülle gefpendet, wenn aud) 
nicht genug,!) und zivar, wie die Unterfuchung ergeben hat, reines und ſchmack— 
baftes. Die 400 Pfund ſchwere eiferne Kette, an der das Kübel in die Tiefe 
binabgejenft wurde, 143° lang, iſt ſamt dem Kübel bei der Ausräumung ge- 
funden worden. Wupßerdem fand man 350 Handgranaten, je 2%, Pfund 
ſchwer, einige noch gefüllt, eine Kanone von Gußeifen, 1400 Pfund ſchwer, 
5'/,’ lang, 1'/,° mittleren Umfanges, 2° Durchmefier an der Mündung; einen 
Dolch mit 11 Zoll langer Klinge und kurzem Griffe, und einen Säbel mit der 
Jahreszahl 1583 auf der geraden Klinge (Griff mit Korb und weitvorjtehendem 
Bügel). Dieje Gegenjtände lagen inmitten von Brandichutt, ungebraudhten 
Biegeliteinen u. a. von 90° ab zur Tiefe hin; fie waren 1762 von den be- 
lagerten Franzoſen Hineingeworfen, um den Eroberern das Waffer zu ver- 
derben. Weiter oberhalb fand man Reſte von Bildhauerarbeiten, 3. B. ein 
doriſches Kapitäl, „auf welchem Laubwindungen zierlid ausgehauen find“, da- 
rüber war nur Schutt. Der ausgeräumte Brunnen ijt im Jahre 1841 über- 
mwölbt worden. Über dem Gerwölbe liegt ein rechtediger Sandftein. 


Aus Arnöbergs Chronik unter Salentins Regierung. 


Salentin joll nicht bloß das Reſidenzſchloß erneuert, jondern (nad) 
Merian, einem berühmten Topographen um 1650, vgl. S. 207) aud) 
die Stadt Arnsberg mit prachtvollen Gebäuden geziert haben. Darüber 
ift Näheres nicht befannt. Die Stadt hatte übrigens gerade damals viel 
unter der Ungunft der Jahre zu leiden. 

1567 umd 1568 herrjchte, wie in ganz Europa, jo aud in Arns- 
berg die Pest. (Klofterdronif.) 

1569 war der Winter noch weit ftärfer (als 1564) und hielt 
nod) länger an. (Hüſer.) 

1570 den 18. Juni „morgens zwiihen 7 und 9 Uhr war ein 
jolches gräßliches Gewitter, daß alle Häuſer wie bei einem Erdbeben 
erichüttert wurden. Den 30. Dftober morgens zwiſchen 3 und 4 Uhr 
trat abermal3 ein von Schnee und Sturm begleitetes Gewitter ein, 
und zwar in einer jo fürchterlichen Art, daß ein Jeder den Untergang 
der Welt vorhanden zu jein glaubte. Den 3. Dezember trat eine 
ſolche UÜberſchwemmung des Ruhrfluffes ein, daß auch die älteften Leute 
eine größere je gejehen zu haben ſich nicht erinnerten.“ (Hüfer.) 

1571 „war eine jolche Teuerung, daß der Scheffel Roggen 38 
Schillinge koſtete.“ (Hüjer; Kloſterchr.; 54 solidi = 1 Thaler.) 

1) Später war neben dem Brunnen eine Wafferkunft thätig, um aus 
der Ruhr die nötige Waflermenge aufs Schloß zu führen. ©. w. u. 

Feaur, Geſchichte Arnsberge. 14 


910 Kurkölnifche Zeit. Zeitalter der Reformation. 


1572 „den 2. November fiel plöglic ein fo tiefer Schnee, daß er 
bis an die Lenden reichte; er lag bis in die Faftenzeit des nächſten 
Jahres.“ (Hüfer; ähnlich der Klofterhronift, der hinzufügt, daß großer 
Mangel herrſchte) Daß die Peſt wieder graffierte, hören wir aus 
Kaſpar von Fürftenbergd Tagebuch (f. u.). 


1573 „am Sonntag Cantate fiel abermals ein jehr tiefer Schnee, 
hierauf erfolgte ein großer Mangel, befonders an Futter, fo daß vieles 
Vieh aus deſſen Abgang krepierte.“ (Hüſer; ähnlich der Klofterchronift.) 


1575 brannte Neheim bis auf 35 Häufer ab. (Klofterchronif.) 


. 1577 „den 17. Auguft trat auf vorheriges vieles Negnen eine ſolche 
Überſchwemmung ein, daß alle in unferm Ruhrthal noch vorhandenen 
Feldfrüchte und das Heu von den Wieſen weggejpült und ein Raub 
der wütenden Wellen wurde.“ (Hüſer.) 


1578 oder 1580 ftarb Kanonifus Winlenoge an der Peft. Die 
Peft wütete in Werl im Jahre 1580 derartig, daß 2200 Menſchen 
ftarben. Daſſelbe Yahr war ausgezeichnet durch Fruchtbarkeit, die 
Nofen blühten zum zweiten Male. (Klofterchronif.) 


Mit dem Jahre 1572 beginnen die intereffanten Aufzeichnungen 
des Furfürftlichen Rates Kajpar von Fürftenberg, die aufgebedt 
und veröffentlicht zu haben Pielers großes DVerdienft if. Die Tage— 
bücher geben nicht nur über wichtige politifche Fragen Aufſchluß, 
fondern führen aud) in das Leben jener Leiten vorzüglich ein und 
find daher für unfere Darftellung von unſchätzbarem Werte. Die 
Notizen zeichnen fid durch Schlagfertigkeit im Ausdrude, durch witige, 
ironische und ſarkaſtiſche Färbung aus. 


Fürftenberg brad) am 5. Januar von feinem Stammſchloſſe Bilftein, 
wo er als Drofte refidierte, auf, befuchte feine Schwefter in Olinghaufen, 
zechte ein „gutes mütlein“ mit feinem Bruder Theodor, übernachtete 
auf Schloß Fürftenberg zu Neheim, aß morgens eine „gute ſuppen“, 
ritt nicht ohne Unfall nad Werl, dann zurüd nad Füchten, wo er 
nädhtigte. Er notiert dann weiter: 9. zu Füchten „des morgens frue 
aufgewejen und zu Arnßpergh, dahin ich in hochwichtigen beratjchla- 
gungen verjchreben, anthommen und den ganten tagh in concilio (im 
Nat) verharret”. — 10. „Widder den ganten tag zu Rath gejeßen und 
vil wichtiger jachen erpedirt. Des abents einen guten fchlafdrund mit 
dem Lanteumbthur (Landkomtur) Ned und Official! Fürftenberg gehalten, 
Der Richter von Bilftein zu Arnfpergh anfhommen.” 11. „Zu Rath 
gejeßen und diße drei tagh am die hundert fachen verrichtet, Mein Her- 


Naturereigniffe. Fürſtenbergs Notizen. Landdroften dv. 1487—1803. 211 


berg ift gewejen in des Cämer (Kämmerers) Henrich erben haus. 
Mein alter Wirt Johan Tolle war für wenig tagen an der peftileng 
geftorben". — Am 12. reifte Fürftenberg wieder nah Bilftein. 


Reihenfolge der weſtfäliſchen Landdroften von 1487—1803.') 


Philipp von Hörde (1487—1505 ?). 

Rajpar von Der (1505? bis jpäteftens 1510). 

Kohann von Bödenförde gnt. Schüngel („Amtmann zu 
Arnsberg“, 1510—1531?). 

Johann Quad (1531—1540?, 1531 und 1537 nadjzuweifen).?) 

Bernard oder Gerhard von Nafjau (? war nad Seibert 
ein Jahr, nad) Voigt von Elſpe acht Jahre im Amte). 

Henning von Bödenförde gnt. Schüngel (1541?—1561). 

Everhard Grafvon Solms (1561—1600). 

Wilhelm de Bavaria (1613)°) bis 1624; natürliher Sohn 
des Kurfürſten Ernft). 

Friedrich von Fürftenberg zur Waterlappe (1624—1646). 

Theodor von Landsberg (1649)*) bis 1683). 

Ferdinand von Wrede zu Melſchede (1683 —1685). 

Georg Ernft von Bödenförde gut. Shüngel zu Edt- 
hauſen (1685—1719). 

Kajpar Ferdinand von Drofte zu Erwitte (1719—1728). 

Ernjt Diedrid Anton von Droſte (1728—1731). 

Engelbert Diedrid Ludwig von Drofte (1731—1758), 

Hermann Theodor Spiegel zum Dejenberge-Kan- 
ftein (1758 bis 11. Mai 1779). 

Franz Wilhelm Spiegel zum Defenberge-Kanftein 
(1779—1786, wo er zum Kurator der Univerfität Bonn ernannt 
wurde; 7 1815). 

Klemens Auguſt Freiherr von Weichs zur Wenne 
(1786—1803, wo er zum Präfidenten der neuen heffiichen Regierung 
ernannt wurde; 7 29. März 1815). 


») Ihre Borgänger (Marjchälle) jind ©. 126 und ©. 163 zufammen- 
geitellt. Duelle: Seiberg in Ledeburs Archiv VI, der jedoch mehrfach nad) 
Ausweis der teilweife von ihm jelbjt jpäter edierten Urkunden umrichtige An- 
gaben macht. Seibert Hat jelbjt eine Neubearbeitung in Ausficht gejtellt, 
aber nicht ausgeführt. Vgl. Quellen III ©. 150, Anm. 21. 

2) Zſchr. f. vat. Alt. IXL, ©. 63. 

°) Bon 1600—1613 war das Amt nicht bejekt. 

) Kurfürjt Ferdinand lieh das Amt erit unbefekt. 


14* 


912 Kurkölniſche Zeit. Beitalter der Reformation. 


Gebhard Truchſeß (1577—1583). 
Die og. truchſeſſiſchen Unruhen oder der kölnifde Krieg. 

Quellen: Gerhard von Kleinforgen: Kirhengefchichte II (Tagebud) 
des Trudjeh).') 
Michael ab Iſſelt: de bello Coloniensi. 
Außfchreiben und Gründtliher wahrhafftiger Bericht 
Unfes Gebhard zc. datum in Unferm Schloß und Stadt Arnsberg 
10. März 1583. (Selbftverteidigung Gebhards mit 36 Beilagen.) 
Pieler: Tagebuch Kajpars von Fürſtenberg. 
L offen: Der kölnifche Krieg, Gotha 1882. 
Henmes: Der Kampf um das Erzitift Köln. 
Kampjchulte: Einführung des Proteftantismus in Weitfalen. 
Hanjen: Päpftlide Nuntiaturberichte. 
Höynd: Die Truchjeffiihen Religionstwirren (Zſchr. f. vat. Geſch. 
u. Alt. LI, T. II ©. 1 ff.) 

u. a. m. 


Gebhard Truchſeß, Domherr zu Köln, wurde in feinem 
30. Lebensjahre am 5. Dez. 1577 gegen Ernjt von Bayern, der damals 
erft 22 Jahre alt war, mit einer Stimme Mechrheit zum Nachfolger 
Salentins gewählt und vom Bapfte beftätigt. Im Dezember 1578 war 
er, wie oben erwähnt, mit der Vollendung des Salentinsbaues in 
Arnsberg bejhäftigt. Hier beftätigte er am 10. Dezember Kaſpar von 
Fürftenberg als furfürftlihen Nat und beſchwor die Erblandesvereini- 
gung von 1463. Während des folgenden Jahres war Gebhard in 
Köln als Mitglied des Friedenskongreffes thätig, der ſich vergeblich 
bemühte, zwiſchen Spanien und den Niederlanden eine Einigung herbei- 
zuführen. In der reichen Stadt folgte ein Bankett auf das andere. 
Damals lernte der junge Kurfürft Agnes, Gräfin von Mansfeld, kennen 
und entbrannte zu ihr in glühender Liebe. Bald entwicelte fich zwijchen 
beiden ein vertrauter Umgang; Agnes weilte meift in Gebhard Nähe 
auf Schloß Poppelsdorf bei Bonn. Zuweilen verließ diefer die Rhein— 
jtadt und begab jid) nad) Weftfalen; jo nahm er im Januar 1581 in 
Arnsberg an den Beratungen der Stände teil. Zu Anfang des nächjten 


’) Kleinforgen, kurkölniſcher Rat in Wejtfalen, war BZeitgenofje des 
Truchſeß und defjen erbitterter Gegner. Daß feine Darjtellung an Über— 
treibung leidet, ijt auch von Fatholifchen Schriftftelleen anerfannt worden 
(Bol. Höynd a. a. DO.) Ein Wedinghäufer Konventuale, Joh. Ungs— 
bed, Pfarrer zu Werl, hat einjt das jchon verloren geglaubte „Tagebuch“ 
wieder aufgefunden. Das Buch wurde in Wedinghaufen vervielfältigt und 
1789 in Münjter gedrudt, 


Gebhard Truchjeh und Agnes von Mansfeld. 213 


Kahres erjchienen zwei (Iutherifche) Brüder der Gräfin vor dem Kur— 
fürften in Poppelsdorf und bedrohten ihn nebjt der gefallenen Schweiter 
mit dem Außerften, falls er nicht verfpräche, jene zur Ehe zu nehmen. 
Gebhard willigte ein; er gedachte überzutreten und zu heiraten. Nun 
beftimmte der „geiftliche Vorbehalt" des Augsburger Religionsfriedens 
(1555), daß ein katholischer Biſchof oder Abt beim Übertritt zur neuen 
Lehre auf feine Stelle und Einkünfte verzichten müfje. Demgemäß war 
Gebhard aud) zuerjt gewillt, auf das Erzftift zu verzichten; aber feine 
Freunde, befonders die Grafen von Neuenar und Adolf von Solms 
(der mit dem weftfäliichen Yanddroften Eberhard von Solms nicht ver» 
wechjelt werden darf) redeten ihm zu, daß er nad) feiner Ehe ebenjowenig 
das Erzbistum aufzugeben braude, wie Joachim Friedrich im gleichen 
Falle auf das Bistum Magdeburg verzichtet habe. Demnach glaubte 
man durch Fluges und vorfichtige8 Vorgehen durchzuſetzen, daß Gebhard 
auch nach jeiner DVerheiratung und Religionsänderung Kurfürjt von 
Köln bliebe. Insbeſondere hoffte man, daß auf dem bevorftchenden 
Neichstage die Aufhebung des „geiftlihen Vorbehalts“ erreicht werden 
lönne, da von ben fieben Kurfürften drei proteftantijcd) waren. Meittler- 
weile jollte der Neuerung der Boden geebnet werden. Deshalb reichte 
der Graf von Neuenar beim Rate in Köln ein Geſuch um freie Re— 
ligionsübung ein. ALS er deswegen zur Verantwortung gezogen werden 
jollte, ließ er in der nächſten Nähe der Stadt proteftantiichen Gottes» 
dienft abhalten. Dies verurjachte ftarfe Aufregung; und da der Graf 
ein zweites und drittes Mal dasjelbe wagte, ſchlug eine Ranonenfugel 
durch das Dad) der Kirhe. Dann wurde der Kurfürft angegangen, den 
Grafen zur Rede zu ftellen; und da Gebhard nod nicht mit offenen 
Karten jpielen wollte, jo mußte er dem Berlangen des Domfapitels 
und des Rates nachkommen. Darauf wurden die Proteftanten aus 
Köln ausgewiefen. 

Der Reichstag erfüllte Gebhards Hoffnungen nit. Im Reichs— 
tagsabjdhiede vom 20. September wird der geiftliche Vorbehalt nicht 
einmal erwähnt, trotzdem Gebhard Freunde für die Aufhebung des» 
jelben Fräftig eingetreten waren. Dieſer jelbft hatte ſich nad) Weftfalen 
begeben. Wir treffen ihn am 18. September in Arnsberg und in 
demjelben Monat in Hirfchberg, „zum Neuenhaufe im Arnsberger Walde‘ 
(dieſes Schloß erhob ſich bei „Kettler8 Teich” ; es ift gänzlich aus ber 
Erinnerung des Volkes gejhwunden), in Geſeke und anderswo, meift von 
fremden Herren begleitet — die alten Räte hatte er von fich entfernt — 
und, wie Sleinforgen ausführt, einem ſchwelgeriſchen Leben ergeben. 
Übrigens trat er damals als Gönner der Jeſuiten auf; fo fandte er 


214 Kurkölnifche Zeit. Zeitalter der Reformation. 


von Hirfchberg den Jeſuiten Michaelis nah Werl an den Rat FKlein- 
forgen wegen Anlegung einer Jeſuitenſchule. Über die kirchlichen Ver— 
hältniffe Weftfalens äußerte er fi unzufrieden; er werde bald einen 
Weihbischof zur Firmung ſchicken und dem Landfomthur der Deutſchordens— 
Ballei in Weftfalen (in Mülheim a. d. Möhne S. 40), Neveling von der 
Ned, Anweifungen zur Rehabilitierung der Kirche zugehen laſſen. 

Kafpar von Fürftenberg notiert (Pieler, S.54) zum Jahre 1582 
13. September: „Mein gn. Her jchreibt mir, ich foll gegen morgen 
abent ghen Hirfberg zu J. Ehurf. Gn. Ihommen.“ — 17. „Mein 
gn. Her hat def abents die Stiftsjungfern (von Geſeke) zu gafte, Ihre 
Ehurf. gn. heißen mid willlum vom Reichßtage, Wir fein gang Luftig.“ 
— 21. „Die beiden Hern (Gebhard und der Erzbifchof von Bremen) 
zihen zuſamen nad Hirkberg und wird darnacher ſchendtlich gejoffen, 
Was ſonſten die Wit und Verftendniß gewejen, beger ic) nicht zu wißen. 
Deus et tempus revelat omnia” (Gott und die Zeit bringen alles 
ans Licht). 22. „Hirßberg. Fit idem. Graf Johan von Naſſauw 
fumbt ahn." 23. „Vurmittags vath gehalten... Wirdt widerumb heß— 
lic) gejoffen.” Demnad) wurden hier tief im Arnsberger Walde geheime 
Verhandlungen mit den proteftantiichen Parteien gepflogen. 

In den legten Tagen des Dftobers ift der Kurfürft wieder in 
Arnsberg, aud Fürftenberg. 31. „Den ganzen Tag vath gehalten“ 
(über die projeftierte Kefuitenfchule in Werl). 1. November: „Den 
gangen Tag rath gehalten. Johann Fürftenberg zu Hörde, Scendler 
und Scorlemer khommen ahn.“ 

Wenn ſchon das ganze Auftreten Gebhards den Weftfalen be= 
fremdlich erjcheinen mochte, jo erregte es befonderen Argwohn, daß er 
fi mit einer ftarfen Macht umgab. Aber Gebhard war entſchloſſen, 
fih mit den Waffen im Erzftifte zu behaupten, wenn der Reichstags» 
beihluß ungünftig für ihn ausfiel. Als nun diefe Befürdtung wahr 
wurde und Gebhard Meldung davon erhielt, z0g er mehr Ritter an ſich 
und trat am 2. November die Nüdreife an. Er ließ den protejtantifchen 
Erzbifhof von Bremen in Arnsberg zurüd und befahl dem Rate, 
in fürfallenden Sachen ben Anweifungen desjelben Folge zu leiften, ihm 
auch erforderlichen Falles die Schlöffer im Herzogtume zu öffnen; dem 
Kellner Koh. Rham zu Arnsberg, ihn gleich dem Landesheren zu ver- 
pflegen. In Fürftenbergs Tagebug (S. 55) heißt es weiter zum Jahre 
1582, 28. November: „Die Raethe verjchreiben mid) in negotio politiae 
(Staatsgefhäften) und ſonſten wichtigen Sachen ghen Arnfperg." — 
2. Dezember: „UF bejchehen erfurdern des Hern Landtdroften und der 
Reeth uf Arnfberg gezogen.” — 3. „Wunderbarliche Anjchlege kummen 


Gebhard Truchſeß. Der Religionswechſel. 215 


im Rath für, denn mein gnedigfter Her befildht dem Erzbifhoff von 
Bremen Weftphalen zu beſchützen. Wir fchreiben meinem gnedigſten 
Hern einen fpigen brief wiederumb zu, In Summa ein Jeder habe 
acht feiner ſchantzen.“ 4. „Dißen tag im Rath zugebracht mit Bedenkung 
einer Weftphelifcher Reformation (d. h. der politiichen Zuftände) und 
Polizeiordnung.“ 

Inzwiſchen hatte ſich Gebhard wieder an den Rhein begeben. 
Seine Reiſe glich mehr einer Heeresfahrt. Der weſtfäliſche Hauptmann 
Kaſpar von Heigen ritt voraus. Durch die Kriegsmacht erſchreckt 
öffnete Bonn dem Kurfürften die Thore. Diejer ſchloß ſich in der Stadt 
mit feinen Truppen ein. Die Übergabe der Stadtjhlüffel wurde vom 
Rate zuerft verweigert. Nach vielen Reibereien gelangte Gebhard 
Schließlich durch Lift in ihren Beſitz. Seine Abfichten lagen Far am 
Tage. Das Domkapitel rüftete wie Gebhard zum Kriege. Der Kaiſer 
ſchickte Geſandte, der Papſt ein mildes Schreiben an ihn; beides war 
ohne Erfolg. In Gegenwart des Faiferlichen Gejandten gab er durd 
ein Edikt vom 16. Januar 1583 die Religionsübung frei und erklärte 
demſelben einige Tage ſpäter, daß er die Augsburgiſche Konfeſſion als 
die rechte, reine und unverfälſchte Lehre angenommen habe. Übrigens 
beftand die Umgebung Gebhards aus Kalviniften; doc hielt man es 
für zwedmäßiger, wenn er ſich zunädft der Confessio Augustana 
anſchloß. 

Nun berief das Domkapitel auf den 27. Januar einen Landtag 
aller Stände nad) Köln. Die Landftände des Herzogtumes Weftfalen 
erichienen nicht; doch Hatte der Landdroft Graf Eberhard von Solms 
auf den 24. Januar!) eine Verfammlung der älteften zehn Mitglieder 
der Ritterfchaft, der Bürgermeifter der ſechs erſten Städte und der acht 
furfürftlihen Räte in Arnsberg anberaumt, auf welcher zwei Adrefjen 
bejchloffen wurden, eine an den Kurfürften und eine an das Domtapitel. 
Diefe Schrifttüde zeigen einen „Mangel an fefter Haltung”; man 
wollte von den Rechten der Erblandesvereinigung nichts aufgeben und 
es trogdem mit dem Kurfürften nicht verderben. Die weitfälifchen 
Stände feien an dem Bruce zwifchen dem Kapitel und dem Kurfürften 
unſchuldig. Man möge fi vergleichen und „diefe arme Landſchaft un— 
beihädigt und unbejchwert laſſen“. Der Kölner Landtag dauerte bis 
zum 1. Februar. Entſprechend den Beichlüffen des Domlapitels, 
welches dem Kurfürften zur Laft legte, in acht Punkten gegen die Ver— 


1) Für das Jahr 1583 fehlen leider die Tagebücher Fürftenbergs mit 
ihren farkaftifchen Bemerkungen. Wir find auf die mehr eifernde Darftellung 
feines Amtsgenoſſen Kleinforgen angewieſen. 


216 Kurkölniſche Zeit. Zeitalter der Reformation. 


faffung und das Herkommen gehandelt zu haben, erklärten die drei 
Stände der Grafen, Ritter und Städte: „Die unternommenen Neue: 
rungen und das Vorhaben ihres Kurfürften ſeien nicht den Verträgen 
und Landesvereinigungen gemäß; das Kapitel ſei deshalb ganz in feinem 
Recht, daß es die Verſammlung berufen habe; ihre Meinung aber und 
ihr Wille fei, daß jene Verträge und Landesvereinigungen in Allen und 
Jedem Heilig und umverleglich gehalten, und nichts von dem, was fie 
enthielten, außer Acht gelaffen oder irgendwie verlegt werde.“ 

Inzwiſchen war in Arnsberg ein Faiferliches Schreiben folgenden 
Inhalts eingelaufen: 

An Landdroften in Weftphalen Eberharden Grafen zu Solms. 


Rudolph der Andere von Gottes Gnaden erwählter Römiſcher Kaifer, zu 
allen Zeiten Mehrer des Reichs. 


Edler lieber Getreuer! 


Wir fegen in feinen Zweifel, Dir fey unvderborgen, was allenthalben 
im Reich von unferes Neffen und Churfürjten des Ermwählten zu Cölln für- 
babender Heyrath, darnebens auch Einhaltung des Erzitifts und Menderung 
oder Freyjtellung der Religion für ein Gefchrey erſchollen. Nun haben Wir 
gleihwohl aus allerhand Urfachen foldhen Dingen bishero nicht Glauben 
geben können, und find nochmals guter Zuverſicht, ©. 2. (Seiner Liebden) 
follen ſich eines befjeren befinnen, und dergleichen hochgefährliche und uns 
verantwortliche Sachen (daraus anders nichts als gänzliche Zerrüttung beydes 
des geiftlihen und politiſchen Wefen im heiligen Reich, zufamt ©. %. felbit 
äußerften Spott und Berkleinerung zu geivarten) nicht unterfangen. Dieweil 
aber fi) die Zeitungen Ihrethalben immer je mehr und mehr continuiren, 
und fonjten dasjenige (was ©. 2. jamt ihrem Bruder mit Werbung Kriegs: 
volfes und allerley verdächtigen Ab- und BZureiten ausländifcher Perfonen 
fürnimmt) ſtarke Anzeige giebt, daß es nicht leere Reden feyn werden: So 
haben Wir obliegendem Amte und Sorgfältigkeit nad) etlihe anjehnliche 
Commiflarien (die ©. 2. von ſolchem Vorhaben in Unferem Namen abmahnen 
follen) nad Cölln verordnet, dabey auch nad Wichtigkeit der Sachen für 
nöthig geachtet, Dich alS des Ortes vornehmen Rath, der es mit dem Erzitift 
und dem gemeinen Wejen gut meynet, und Zweifelsohne an dergleichen 
Uenderung feinen Gefallen trägt, biemit auch gnädigſt zu erfuchen und zu 
ermahnen, Du wolleſt nicht allein unferen obgedachten Commiſſarien zu dejto 
befierer und fchleuniger Berrihtung ihres habenden Befehls gute treuliche 
Anleitung und Bericht geben, jondern auch darneben bey gemeiner Landichaft 
und jonjten (jo viel immer an Dir) allen menſchlichen und möglichen Fleiß 
anwenden, damit Gedachter von Eölln von angeregten unleidentlichen hoch— 
gefährlichen Anfchlägen abjtehe, fich feines Standes und Pflichten erinnere, 
und ohne Aenderung darinn jtandhaftig verharre, oder aber (da ©. 2. zum 
Ehejtande zu greifen vermeynt) dafielbige anders nicht, dann auf N. B. zu— 
läßige Wege, und ohne des Stifts und deflelbigen Statuten Nachtheil und 
Schaden fürnehme und handle; daran verrichteſt Du ein gutes Chriſtliches 
und Gottgefälliges Werk. — 


Gebhard Truchſeß. Landtag in Arnsberg. 217 


Und Wir zweifeln nicht, es werde folche Deine Bemühung bey ©. 8. 
nicht leer abgehen, Uns aber beſchicht daran cin bejonder angenehmer ge: 
horſamer Gefalle, dem Wir mit Gnaden wohlgeneigt ſeyn. Gegeben in 
unferer Wien Stadt den Ietten Tan Dezembers anno 1582, Unferer Reiche 
des Römischen im Sten, des Hungarifchen im I1ten, und des Böhmiſchen 
im 8ten Sabre. 

Rudolph, mpp. E 2. Zinheufer. 

Ad Mandatum Sacrae Caesareae Majestatis proprium. 

A. Castenberger, mpp. 


Darauf ließen der Yanddroft und der Landkomthur Nevelingk von 
der Ned durch den Licenziaten Gerhard Kleinforgen am 8. Februar 
eine im Sinne des Faiferlihen Schreibens abgefaßte Erinnerung an 
Truchſeß entwerfen, in der fie ihm, wie Gebhard ſpäter felbft geftand, 
„alles, was fih mit ihm ereignen würde, deutlich vorherfündigten”. 
Diefe Bemühungen waren fruchtlos: jhon am 2. Februar Hatte ſich 
Truchſeß mit Agnes nah calvinishem Ritus in Bonn trauen Taffen, 
Gleich nachher trat er eine Reife durch das Naſſauiſche nad Weftfalen an. 
Am 14. Februar traf er in Medebad ein und begann am 16. Fyebruar 
in Brilon die Reformation. Am 18. langte er in Arnsberg an 
und ftieg auf dem Schloffe ab. Am 20. ließ er in der Stadt Religions» 
freiheit profflamieren, fand aber infolge der Feitigkeit der Wedinghäufer 
Konventualen feinen Erfolg. Auf den Sonntag Laetare (10. März) 
ſchrieb Gebhard einen Landtag nah Arnsberg aus. Am 
6. März richtete deshalb das Domkapitel ein Schreiben an den Land— 
droften und die Stände des Herzogtumes. Darin hieß e8: In Bezug 
des Landtages würden ber Yanddroft und die Stände fid) alten Brauches 
wohl zu erinnern wiffen; daß nämlich ein regierender Herr ohne des 
Domtkapitel3 Zuftimmung und Einwilligung feinen Landtag ausjchreiben 
jolfe; was aud) der jetige Kurfürft und feine Vorgänger mittelft eincs 
Eides gelobt und zugejagt hätten; weshalb Ihre Tiebden wohl wüßten, 
was ſich in diefem Falle gebühre. Da die weftfälifchen Stände von 
Alters her ſich ganz bejonders alles jchuldigen Gehorſams befliffen und 
deshalb die treuen Peterlinge genannt worden, fo möchten fie den Fuß: 
jtapfen ihrer Voreltern getreulich nachfolgen und beim Kapitel und ber 
Erblandesvereinigung fteif und feft halten zc. 


Trotz dieſer Abmahnung leifteten Ritter und Städte zahlreich 
der Einladung Gebhards Folge, und am Montag den 11. März 
nahmen die merkwürdigen Verhandlungen ihren Anfang. Sie find mit 
allen Nebenumftänden von SKleinforgen in jo anſchaulicher Weije ge- 
jhildert worden, daß man beim Lejen vollftändig in das alte Arnsberg 


218 Kurkölniſche Zeit. Zeitalter der Reformation. 


zurücverfegt wird. Etwas Ähnliches befigen wir weder aus der früheren 
noch aus der fpäteren Zeit, und jchon aus diefem Grunde wollen wir 
Kleinforgens Erzählung nur wenig gefürzt hierher fegen. 

„Am 10. Tage Märzes, erzählt Kleinforgen, find die Räthe mit 
anderen Landgeſeſſenen in Arnsberg erfchienen, und fo traf auch Truchſeß 
(der inzwifchen weitere Reiſen unternommen hatte) am felbigen Abend 
faft jpäte zu Arnsberg ein. Am 11. Tage Märzes wurde nicht vor: 
geftellet, fondern man erwartete nod) die Ankunft etlicher Grafen und 
Herren. Dod hatten fid) die Abgeordneten der Städte Brilon, Gefeke, 
Marsberg, Voltmarjen, Medebadh, Winterberg und Hallenberg auf dem 
Rathhauſe zu Arnsberg verfammelt. Und als die übrigen Ab- 
gejandten der Städte Rüden, Werl, Menden, Arnsberg und anderer in 
die Graffhaft Arnsberg gehöriger Städte (die von Attendorn waren 
damal3 noch nicht angeflommen) zu ihnen getreten, und dem alten 
Brauch nad) in der NRathsverfammlung vor dem Eingange des Land» 
tages Rath pflegen wollten, haben fid) die Abgeordneten von Brilon, 
Geſeke, Medebah und nod mehreren Städten von ihnen abs 
getrennet, ſich allein berathſchlaget, und alſo ſchon beim Anfange ihre 
Bündniffe und Trennung (wozu bejonders8 Johann Grote von Geſele, 
Henrich Jacobs und Henri) Kropf von Brilon, und Bernhard Knip- 
ſchild, Richter zu Medebach, Anlaß gegeben und den Zunder gelegt hatten) 
von fich deutlich bemerken laſſen. Der Landdroft und die Räthe waren 
damal8 auf dem Schloſſe. Zu diefen ſchickte Truchſeß vor dem 
Mittagsmahle den Doktor Jacob Schwarz und Dr. Andream Ehriftiani, 
zween Calviniſche Näthe, und mehrere andere ab, ließ fie begrüßen und 
ihnen zugleich andeuten, der Kuhrfürft hätte zwar gerne mit dem Land— 
droften und mit den Räthen mündlich ſprechen wollen, jey aber wegen 
Menge der Gejchäfte davon gehindert worden. Was für eines Ehrift- 
lichen Anliegens und Vorhabens indeffen feine Kuhrfürftlihen Gnaden 
jey, wär jchon zu einer Vorftellung verfaffet, jollte aber auf dem Land— 
tage geöffnet werden; feine Kuhrfürſtliche Gnaden hätten damit den 
Näthen mit Fleiß verichonen wollen, jedod hätten fie zu ihnen ein 
feſtes Zutrauen, daß fie ihrer Pflichten eingedenkt jeyn, und das Chriſt— 
lihe Vorhaben nicht behindern, fondern vielmehr befördern würden. 
Der Landdroft und die Räthe fagten für den eingebrachten Gruß höf- 
lihen Dank, und drüdten ſich kürzlich alſo aus: daß man fie zur 
Verfaſſung der Propofition (Vorlage) nicht beygezogen, ließen fie dahin 
gejtellt jeyn; wenn fie aber den nod zu machenden Vortrag angehöret 
hätten, fo würden fie fich ihrer Einfiht nah mit alfer Gebühr alfo 
erklären und betragen, daß man erkennen müffe, fie würden wider ihre 


Gebhard Truchſeß. Landtag in Arnsberg. 919 


Pflicht, wider ihr Gewiffen und wider die Yandesvereinigung Teineswegs 
handeln; Hingegen müßte man ihnen auch nichts zumuthen, fo ihren 
Pflihten und dem Gewifjen zuwider laufe. Noch furz vor dem Mittags» 
mahle beorderte Truchjes den Yanddroften und die Räthe auf fein ge— 
heimes Zimmer, reichete ihnen mit faft verfehrtem Angefichte die 
Hand, und deutete ihnen mit wenigen Worten an, daß Doctor Schwarz 
die Erklärung des Landdroftes und der Räthe wirklich ſchon vorgetragen 
habe, und daß er es dabey bewenden laffen wolle; weil man aber unter 
andern Meldung von der Landesvereinigung gethan habe, möchte er 
gerne wiffen, in welhem Punkte er ſich wider diefe Vereinigung ver- 
treten, denn bdeffen wüßte er ſich nicht zu erinnern, und hätte fein 
Ehriftliche8 Vorhaben jchon lange vorhin mit vielen Herren und 
Freunden reiflich überleget, e8 würde gewißlic dem Lande zum Vortheil 
gereichen, und der Yandesvereinigung keineswegs nadıtheilig fein. 

ALS nun der Panddroft und die Räthe um fernere8 Nachdenken 
gebethen, und ben Anfang ihrer Berathichlagungen gemadjt hatten, was 
fie nämlich) von der Yandesvereinigung anzeigen wöllten, und ſchier ent- 
ihloffen waren, die Kopey von dem am éten Tage des Märzes ge- 
gebenen Schreiben des Domkapitels (worinn ſich dasfelbige beflaget, 
daß Truchſes fih gegen die Pandesvereinigung in vielen Punkten ver- 
treten babe) ihm Truchſes zu überreihen, und ihn zugleich bittlich zu 
erjuchen, um alle Sachen aljo einzurichten, daß vermöge der Landes— 
vereinigung Friede, Ruhe und Einigkeit in der armen Weftphälifchen 
Landſchaft erhalten, und Hingegen der verberblidhe Krieg durch gütliche 
Mittel und Wege abgewendet werden mögte; hat fih Truchſes ftrads 
zur Speijetafel verfüget und gejagt, man möge zu Tiſche folgen. 
Es find aud andere bejchriebene Landgeſeſſene zur Tafel befodert worden, 
und meiftentheil$ gefolget. Nun Hat man (ob es glei wohl bie 
heilige Faftenzeit war) nicht allein auf dem Scloffe, jondern aud in 
allen Herbergen der Stadt Tleifchipeifen herrichten Laffen, damit 
alſo das FFleiicheffen in der Falten eine Vorbereitung zu den folgenden 
Beratſchlagungen, und eine Probe fein möge, ob man bei den alten 
Kirhenfagungen verbleiben, oder vermöge des fleifchlihen Evangeliums 
secundum (gemäß) Calvinum vel (oder) Lutherum frei fein, und fo 
folglih der Freiftellung des Truchſes (welcher jene TFreiftellung der 
Schlange im Paradiefe, Genefis 3 Kap., nicht ungleich ift) lieber denn 
der Kirche (welche Chriſtus Matth. 18. Kap. zu hören befohlen hat) 
beipflichten wölle. Und damit Truchſes die Gemüther der Weftphälinger 
nicht allein mit dem Fleiſche, fondern auch mit ungebührender Trunfen- 
heit und ſüßen Schmeichelworten gewinnen möchte, jtund er von der 


2320 Kurkölnifche Zeit. Zeitalter der Reformation. 


Speifetafel auf, ging an den Tafeln her, trauf den Landgeſeſſenen faft 
geihwinde zu, legte feine Hände auf ihre Schultern, und verhieß ihnen 
große Gnaden. Solche gnädigite Behandlungen, Veriprehungen, Frey: 
heit der Gewiffen haben die Werkzeuge des Truchſes, nämlich Woll- 
meringhaufen und andere, Hin und wieder angerühmet, Hingegen aber 
diejenigen, welche zur Faftenzeit Fein Fleiſch eſſen wollten, oder (ent= 
weder) öffentlich verfpottet, oder heimlich geihmäht und verhaßt gemadıt, 
aud in dem Herbergen bey dem Trunke vor und nad eröffneter Pro- 
pofition die Stimmen gefammelt, wober ſich etliche verlobeten, daß fie 
die Freyftellung der Neligion annehmen, und bey dem Truchſes Yeib 
und Gut (alii Blut) aufjegen wöllten. 

Am Dienstage nad) Laetare den 12. März hat Truchſes mit 
vielen Trabanten und Soldaten fih auf das Nathhaus zu Arns— 
berg erhoben, und anftatt der Räthe (welche jonjt allemal auf den 
Yandtägen in Weftphalen fid) bey dem Herrn gegenwärtig befinden, und 
nad) gejchehener Propofition alda fo lange verweilen, bis die anderen 
Yandgejefjenen ſolche VBorftellung zu der gemeinen Berathſchlagung ab» 
fodern) bey ſich in Gejellichaft gehabt den Braunſchweigiſchen Abge- 
jandten Heinrich von Lühe, Ebbrechten von der Malsburg, und Adolph, 
einen Heſſiſchen Gejandten, aud) Hermann Adolph Graf zu Solms, 
Ludwig von Sayn, Graf zu Wittgenftein, Hermann Graf zu Wied, 
auch einen Grafen zu Mansfeld, und verjchiedene andere junge Grafen 
zu Mansfeld und Herrn ſamt den beyden Naſſauiſchen Doctoren Jakob 
Schwarz und Andreas Ehriftiani. Nun fieng Doctor Schwarz an, bie 
Propofition, die vielen nftruftionen, der Werb- und Handlungen 
(welche auf dem rheinischen Yandtage zu Köln vorgebradt, vom Dom: 
fapitel und andern rheiniihen Ständen aber nicht wohl überlegt, und 
doc) hernach wegen des Truchjes im Drude ausgegangen jeyn follten), 
nad) der Yänge herzufhwägen, und alle Anerbiethungen der Yürftlichen 
Geſandten und übriger Grafen (die der ganzen Weftphälifchen Landſchaft 
zum Vortheile gereihen wilrden), anzudenten. Da aber Truchſes mit 
jeiner Gefellichaft abgetreten war, wurde ein vom Domkapitel am 16 ten 
Tage Märzes an den Landdroften, die Nitterichaft und Städte des Erz- 
ftiftes Köln in Weftphalen abgefertigtes Schreiben abgelejen, in welchem 
die wirklich vorgenommene Neuerung des Truchſes, die Verlegung der 
Vandesvereinigung, die Übertretung der gethanen Eidespflichten, die Ver- 
achtung der rheinischen Stände, auch der wejtphäliichen Räthe und Yand- 
gejejjenen erfläret, und angejucdet wurde, daß man bey der Landesver- 
einigung verbleiben wölle; zugleid ward dabey wiederhohlter maßen 
angedeutet, und vermöge der Yandesvereinigung, aud der Reichs- und 


Gebhard Truchjeh. Landtag in Arnsberg. 991 


Rechtsverordnung, anbegehret, ihnen umd den Rheinischen Ständen, nicht 
aber dem Zruchjes (der durch Verehelihung und Abtretung von der 
alten Religion ſich jelbjt jeiner Erzbiihöflihen Würde entjeget hat) bey- 
zupflichten. Ebenjo wurde ein beyliegendes vom 16. Februar gegebenes 
Kaijerliche8 Schreiben eröffnet und daraus angedeutet, daß man der 
durch den Erwählten zu Köln 2c. wider feine Pflicht (jchreibt der Kaiſer) 
und Herfommen angefangenen Neuerung feineswegs Statt oder Naum 
geben jolle. Gleichermaßen ward auch ein Bittbrief vom Bürgermeijter 
und Rathe zu Werl vorgebradht, des Inhalts, daß man fie mit fremder 
Bejagung und dem daraus vielleicht erfolgen mögendem Kriegsweſen 
wider die Landesvereinigung nicht möge bejchweren laſſen. Alles diejes 
ward im Gegenwart der jämtlichen Landgejeffenen abgelejen. Weil aber 
jolde Handlung bis zum Mittage verzögert wurde, giengen die Näthe, 
auch die Landgeſeſſenen meiftentheils, und bejonders die von ber Ritter— 
haft auf dem Schlojje zur Tafel, wobey man bis zum Abend ſich 
tapfer beym Weintrunk erluftigte. 

Nah dem Mittagsmahle find die Abgeordneten der Städte 
auf dem Rathhaufe zufammengetreten, und haben fic wegen der vor- 
gegangenen höchſtwichtigen Handlung unterreden, auch den Anfang ihrer 
Beredungen machen wollen. Gleichermaßen haben fi) (wie am vorigen 
Zage) die Gejandten der Städte Brilon, Geſeke, Marsberg, Volckmarſen, 
Medebach, Winterberg und Hallenberg von den übrigen fiebzehn Städten, 
nämlih Rüden, Werl, Attendorn, Menden, Arnsberg, Warftein, 
Gallenhard, Olpe, Drolshagen, Neheim, Balve, Hirzberg, Allendorf, 
Grevenftein, Eversberg, Schmallenberg und Fredeburg abgejöndert, und 
mit ihrem Vorgänger Johann roten von Geſecke und dem Licentiaten 
Dindermann, aud) einem Calviniſchen Notarius Eberhard Baftart von 
der Ned (welchen Truchjes demnächſt zum Kichter zu Werl, BVifitatoren 
und Sirchenplünderer beftimmt hat, und welcher hierauf ein Truch— 
jefiicher Commiffarius in Neuß, auch endlic, ein Verräther der Stadt 
Werl geworden, unangejehen, daß diefer Dindermann und der Ned nicht 
zum Yandtage gehörten noch bejchrieben waren), ihren bejonderen Math 
gehalten. Ebenjo haben die Abgeordneten der übrigen fiebzehn Städte 
auf der Fleineren Rathsftube zu Arnsberg fich unterredet, einer 
Meinung fich einhellig verglichen und demnad) durch Antonium Blanfenbeil 
Geheimen- und Gerichtsfchreiber den Gefandten der anderen Städte auf 
der großen Rathsftube andeuten lafjen, fie jeyen der Meynung, daß man 
nad gejchehener Propofition und nad) anderen vorgelejenen weitläuftigen 
Handlungen dem Vorſchlage, Rath und Bedenken des Yanddroften und 
der Weftphälischen Näthe dem alten Gebrauche gemäß folgen, und fc) 


999 Kurkölnifche Zeit. Zeitalter der Neformation. 


fernerhin für der Neuerung und Abänderung wohl hüten folle; maßen 
feiner aus ihnen um die neue Neligion bittlich eingefommen jey, und 
jie noch ito feine Neuerung begehrten, noch darinn einwilligen, jondern 
bey der Erblandesvereinigung des Erzjtiftes Köln beharren wöllten; wie 
zuvor am 24ten Tage de3 Jänners dem Herrn Truchſes ſowohl als 
dem Domkapitel jchriftlid) angedeutet worden. Hierauf drückte ſich 
Johann Grote im Namen feiner Bundesgenofjen in diefen Worten aus: 
Wollen wir itt das Evangelium nicht haben, jo fünnen wir es im 
Kölniſchen Erzftifte nimmermehr haben. Somit find die Verordneten 
der Städte auseinander nad ihren Herbergen abgegangen. 

Mittlerweile hat man fid) auf dem Schlojje mit dem Adel 
wader im Trunke geübet, und ob man fi jchon bis zum Abend dabei 
hielt, jo wurde doc abermal angerichtet und mit großen Bechern um- 
getrunken. Bey ſolchem jo gefhwinden und unaufhörlihen Saufen 
haben Wollmeringhaujen und andere an der Speifetafel öffentlid) wider 
die alten Räthe (devem doch nur einer gegenwärtig war) vielfältige 
Schmähungen ausgeworfen. Der Truchjes felbft hat von verjchiedenen 
aus dem Adel (devem gleichwohl etliche für Trunkenheit kaum ftehen 
fonnten) die Handgelübde angenommen, daß fie ihm in feinem Vor— 
nehmen beypflichten, und bey ihm Leib und Gut aufjegen mwöllten; jo 
hatten auch Goddert Gaugrebe, Yaurenz Schüngel und andere bey dem 
Zrunfe ihre Hände von ſich gegeben. Am folgenden Morgen nämlich 
Mittwodhen den 13. März find die Landgejeffenen auf dem Rath— 
Haufe zufammengetreten, wobey damals obgedadhter Braunfchweigiicher 
Abgejandter (melden Herzog Julius cin Beglaubigungsicreiben vom 
ſechſten Tage des Märzes an die Stände in Wejtphalen nachgeſchickt 
hatte) jamt dem Heßijchen Abgeordneten in einer weitläuftigen Adhor- 
tation vorftellte, daß man die Augsburgifche Confeſſion oder die ange- 
bothene Freyftellung dankbarlihft annehmen, und ſich dem Kuhrfürften 
in feinem Vorhaben nicht widerfegen, jondern ohne langes Bedenken 
beypflichten ſolle. Auch find die Schriften des Erzbiſchofes zu Bremen, 
und was feine Fürſtliche Gnaden auf dem Kölnifchen Yandtage ein- 
gegeben, und wie er hatte proteftiren lafjfen, abgelejen worden. Auf 
gleiche Weife hat Dr. Schwarz eine jchriftlich verzeichnete Nebenpropo- 
jition (worinn das Angeben des Domkapitels confutirt war) verfündiget, 
von welcher langen Schrift man jedod) Feine Kopey erhalten Fonnte, um 
diejelbe mit Bedachtſamkeit durchzulefen, und darüber nothwendiger 
maßen conferiren zu können, ehe man zur Berathichlagung ſchritte; 
jondern man eilete jchleunigft zur Confultation. Als nun etliche von 
der Nitterjhaft jpradhen, man folle dem alten Gebrauche nad die in 


Gebhard Truchſeß. Die Ehe. Neife nad) Weftfalen. 293 


der kleinen Rathsftube verfammelten Räthe berufen, und erft- 
(ih ihre Gefinnungen anhören; wollte Wollmeringhaufen mit feinem 
Anhange ſolches gerne verhindern; mit den Ausdrüden: Die Räthe find 
Papiftiich, diefe hat man nicht zu befragen. Gleichwohl haben fie 
meijtentheil8 fich gefallen lajjen, daß man das Bedenken der Räthe 
erjtlich befodern jolle, und daß zur Beförderung der Sachen aud) die 
von der Ritterſchaft jowohl als der Städte ihre Gefinnungen jchriftlich 
ausdrüden, und mit jolhen Ausdrücden das Bedenken des Yanddroftes 
und der Räthe conferiren, und fid) aljo mit den Räthen einer Meynung 
halber vergleichen jollen. 

Wiewohl num die weitläuftige Propofition und der Nebenvortrag, 
auch viele andere abgelefene Schriften den Räthen nicht waren zugeftelft 
worden, haben fie ſich doc jo beholfen, daß fie unter der Ablefung 
etwas weniger davon in ihre Memorialien verzeichneten, in aller Eile 
einen Vorſchlag zu Papier jesten, und denjelben den Landgejeffenen auf 
ihr Anſuchen übergeben. Es war aber der Vorſchlag der Räthe dahin 
bloß allein abgerichtet, daß man ſich des umüberlegten und unreifen 
Beyfalls oder Urtheils enthalten, dem Kriege ausweichen und ſolchen 
abwenden, die Pflichten, Ehre, Gewiffen, und die Landesvereinigung 
frey beybehalten, und jo folglich die Thüre der nothwendigen gütlichen 
Bergleihung und des Friedens geöffnet bewahren mögte. Da nun die 
Räthe auf der Rathsſtube ihre Gefinnung und ihr Bedenken erfläret 
hatten, gieng Johann Grote mit den jümtlichen VBerordneten der Städte 
vom Nathhanje ab und nad) dem Weinhaufe unten hin; die Nitter- 
ihaft hingegen blieb oben auf dem Rathhauſe verfammelt. Mittlerweile 
da die Städte fid) in Ordnung fügen, und ihre Stimmen geben wollten, 
erihien Wolmeringhaufen (ehe und bevor die ordentliche Berathichlagung 
und Umfrage angefangen war) in dem Weinhauje bey den Abgeordneten 
der Städte, überreichte dem Johann Grote ein Verzeichnif, wie man 
dem Herrn und dem Domfapitel zu antworten habe, mit dem Ausdrude, 
ein jolches jey das Bedenken und der Entihluß der Ritterſchaft, und 
Truchſes wolle darüber kurzum ohne Säumniß Beſcheid wiſſen. Somit 
wollte auch Wollmeringhaufen von den Verordneten der Städte nicht 
abweichen, fie hätten dann zuvor in das Verzeichniß eingewilliget; wobey 
er ſich zugleich in vielerley Dräumorten, wenn man nicht bald ein- 
willigen würde, hören ließ. Hierauf hat Kohann Grote das Verzeichniß 
(welches Dr. Schwarz nad) gewiffen damals eingegangenen Berichten 
gejeget hatte, folglich in diefer höchſtwichtigen Sache idem proponens et 
respondens war) den Gejandten der Städte vorgelefen. In dieſes 
Berzeihnig aber wollten die Abgeordneten der Städte Werl, Rüden, 


994 Kurkölnifche Beit. Zeitalter der Reformation. 


Menden, Attendorn und der ganzen Grafſchaft Arnsberg feineswegs 
einwilligen; und haben bejonders die Verordneten der Arnsbergijchen 
Städte und der Stadt Menden ohnverzüglic) dagegen protejtiret. Andere 
vorbemeldete Städte erklärten fi, daß fie nebft Arnsberg und Menden 
und vielen von der Nitterfchaft die Gejinnung und das Bedenken der 
Weftphälifchen Räthe iiber die ganze Sache erbitten und anhören wöllten. 

Die Herren von der Nitterichaft hielten feine ordentliche Umfrage 
und Berathſchlagung, fondern etliche aus ihnen riefen faft mit Ungeſtüm 
aus, man jolle dem Truchſes und feiner angebothenen Freyftellung bey- 
pflichten; die Räthe jeyen Willens, eine Spanische Inquiſition einzu— 
führen und alle Stände dem Jeſuiterjoche zu unterwerfen.“ 

Nun gab es Auseinanderfetungen zwifchen den Nittern und Räten 
mit dem Yanddrojten an der Spite; ebenjo auf der „großen Ratsſtube“ 
ein Wortgefeht zwiihen dem Arnsberger Bürgermeifter Blankenbeil, 
der e8 mit den Räten hielt, und Johann Grote. Die Räte glaubten 
dur eine Anderung in ihren Vorjchlägen, „daß etliche für die Frei- 
ftellung Dank jagen, die andern dagegen fie nicht zu hindern wüßten“ 
Einigung herbeizuführen. Aber faum hatten fie ſich entfernt, jo begann 
der Aufruhr erjt recht zu toben, und Johann Grote rief: „Was fragen 
wir nad den Räten? Wollen jie die Hölle, jo wollen wir den Himmel 
haben.” Während dem ließ Truchſeß den Yicenziaten Kleinforgen aufs 
Schloß befehlen. Dieſer getraute fi) jedoh nicht, allein dorthin zu 
gehen, da man oben „immer zwifchen den Soldaten hergehen müßte" ; 
er befürchtete gefünglich eingezogen zu werden. Darauf erjchienen 
Johann Grote, Adam von Erwitte u. a. vor den Räten und gaben an, 
die Landgeſeſſenen wollten e8 bei dem Entwurf von Grote bewenden 
laffen. Als aber die Räte in die VBerfammlung traten, fanden fie nod) 
den größten Teil der Stände beijammen. Viele erklärten ihren Difjens 
und verlangten eine neue Beratung „nah dem Mittage um 4 Uhr“. 
Dies wurde von Grote verhindert. „Und hat die Abendmahlzeit auf 
dem Schloſſe bis in die jpäte Nac)t gedauert." Am folgenden Morgen 
(14. März) verfammelten fi) die Gegner Gebhards auf dem Gemade 
des Landdroſten. Ehe fie ihren Beſchluß zu Papier gebracht hatten, 
ließ Truchjeß, der mit feinem Anhange vom Schloſſe nad) der Kirche 
zu Wedinghaufen fuhr, die Verſammelten unter jchwerer Bedrohung zum 
proteftantijchen Gottesdienfte, den er durd Valentin Schoner abhalten 
ließ, abfordern. Dann wurden Landdroft und Näte aufgefordert, das 
Memorial der übrigen Landgefeffenen gleichfalls gutzuheißen. Dieje wei- 
gerten ji) und redhtfertigten in ausführlicher Darlegung ihr Verhalten. 
So wurde am folgenden Morgen (15. März) der von Grote abgefafte 


Gebhard Truchſeß. Arnsberger Landtag. 225 


Landtagsabſchied ohne die Unterſchrift des Landdroſten und der Räte 
veröffentlicht. Die meiſten Landtagsabgeſandten hatten bereits Arnsberg 
verlaſſen. Der Landtagsabſchied hatte folgenden Inhalt: 1) Man wolle 
Gott danken für die Erleuchtung des Kurfürſten und ihn bitten, daß er 
ihn ftandhaft dabei erhalten und jein Vorhaben fortjegen lafjen möge, 
2) Dem Kurfürften wolle man danfen, weil er jeiner Unterjaffen Seelen- 
heil und der armen Gewiffen gefährliche Drangjal ſich habe angelegen jein 
lajfen. 3) Denfelben bitten, ſich die ihm entgegentretende Widerjeglichkeit 
und Mühfal nicht verdrießen zu laffen und, wie bisher, mehr für der Yand- 
haft Beftes, als den eigenen Nugen zu forgen. 4) Auch den Kurfürften, 
Fürſten und Grafen, die fid) der Sache des Kurfürjten jo wohlmeinend 
angenommen hätten, jei zu danfen. 5) Dem Kurfürſten wolle man den 
ihuldigen Gehorſam erzeigen, diefer folle aber das Land vor Überfall 
ihügen. Er möge die anderen Punkte, außer der Religion, dahin leiten, 
daß fie zu gütlihem und vor dem SKaijer und den Ständen des Reichs 
zu rechtlichem Austrage kämen. 

Dem Domkapitel gegenüber erflärten die Stände, fie wollten ſich 
von dem Kurfürſten wegen jeines Übertritt3 zur Augsburger Konfejjion 
nicht trennen. Über feine Entjegung hätten nicht fie, jondern der Kaijer 
und bie Neichsftände zu entſcheiden. Das Kapitel möchte fie bis zu 
dem bevorstehenden gütlichen Austrage diefer Sache wegen in Ruhe und 
Frieden lafjen. 

Am Rheine war inzwiſchen die Kriegsfadel entzündet. Auf Seiten 
des Domfapitel3 kämpften Herzog Yriedrid von Sachſen-Lauenburg, 
Graf Werner von Reifferſcheid und Graf Salentin von Iſenburg, der 
gewejene Erzbiihof. Für Truchſeß ftritt jein Bruder Karl, den er zur 
Berteidigung Bonns zurüdgelaffen hatte. Der Krieg bejchränfte ſich 
auf Fleinere Gefechte, Eroberungen von feften Punkten ꝛc. In dem 
Pfalzgrafen Johann Kafimir gewann Truchſeß einen neuen, wichtigen 
Bundesgenofjen. Inzwiſchen hatte der Papſt Gregor XIII die Er- 
fommunifation gegen Gebhard ausgejproden. Dieje Nachricht erreichte 
am 11. April den in Prefburg auf einem Reichstage weilenden Kaijer. 
Diejer beftätigte die Abjegung. Am 20. April traf der Nuntius des 
Apoftoliihen Stuhles für ganz Deutjchland, Biſchof Johann Franz von 
Bereelli, in Köln ein und übergab die Erfommunifationsbulfe dem 
Domkapitel. Am 23. Mai wurde der damals in Köln anweſende 
Herzog Ernjt von Bayern einftimmig zum Erzbifchof gewählt. 

Kehren wir zu Truchſeß zurüd. Am Tage nad) dem Yandtage 
trafen zwei Gejandte bei ihm in Arnsberg ein, der eine, um Verhand— 
lungen mit ihm im Auftrage des Pfalzgrafen Kaſimir zu führen, der 

Feaur, Geſchichte Arnsbergs. 15 


226 Kurkölnijche Zeit. Zeitalter der Reformation. 


andere, Johann Breuner, vom Kaiſer entjandt, um Gebhard zur güt- 
lichen BVerzichtleiftung auf das Erzitift zu veranlaffen. Er war ber 
dritte Faiferliche Geſandte, der vergeblihd mit Truchſeß verhandelte. 
Preuner ging von Arnsberg nad) Köln, wo er an der Wahl Ernits 
teilnahm. Die Räte in Arnsberg, welche ſich nicht mehr ſicher fühlten, 
erbaten und erhielten Urlaub; nur der Landdroft und der Landkomthur 
wurden noch einige Tage zum Bleiben genötigt. Den Borwürfen 
Gebhard gegenüber verhielten fie fi ftandhaftl. Ein Verfud, eine 
Einigung herbeizuführen, jchlug fehl. Truchſeß begann nun ſyſtematiſch 
die Neformation einzuführen. Er ließ am 20. März „zur Einführung 
der neuen Religion in Weftfalen und zur Bewahrung der Edjlöfjer 
zu Arnsberg und Werl” Dtto von Wollmeringhaufen, Johann von 
Meljhede und Raben von Hanzlede fommen und befahl ihnen das 
„Religions- und Kriegsweſen“ an; er begehrte von dem Landgrafen zu 
Hejjen und dem Grafen zu Walde einige Prädifanten, die nod) vor 
Dftern in Weftfalen eintrafen. In Werl und Brilon fand die neue 
Lehre die erften Anhänger, die in Werl als Gleichberechtigte der Katho— 
(ifen in der dortigen Hauptkirche Gottesdienst hielten. ALS Prediger 
wurde Kajpar Mothäus aus Heffen dorthin berufen, welder am 
30. März Arnsberg berührte und hier bis zum 13. April einen 
erfolglofen Berjucd machte, Anhänger zu gewinnen. Gebhard Hatte ſich 
inzwijchen nad) der Pfalz und nad) Heſſen begeben, um dort perfönlic 
für jeine Sadje zu werben. Am Samstage nad) dem Oſterfeſte, nämlid) 
am 6. April, trafen Wollmeringhaujen und Grote in Arnsberg ein und 
hielten fid) vier Tage dajelbft auf. Sie fchrieben an Truchſeß, er 
möchte zurüdfehren. Schließlich fuchten fie ihn in Dillenburg auf, um 
ihn perfönlic; zur Nüclehr zu bewegen. Inzwiſchen vichtete Graf 
Salentin von Iſenburg als Vertreter des Domkapitel an den Yand- 
droften und die Näte ein Edjreiben, in weldem er fie an den dem 
Domfapitel jchuldigen Gehorjam erinnerte. Dieſe fonnten nur erwidern, 
daß ihr Anjehen im Lande glei Null wäre. In Werl fam es nad) 
Ankunft des neuen Predigers zu heftigen Szenen, da Mothäus ebenjo 
higig bei der Einführung der neuen Konfeffion, wie Bernhard Tütel, 
der Konventual von Wedinghaufen, ftandhaft in der Ver— 
teidigung der alten war. Am 9. Mai Eehrte Truchjeß mit vielem 
Kriegsvolf, in Begleitung der Grafen Hermann Adolf von Solms, 
Ludwig von Wittgenftein, Yörgen von Naſſau und anderer Herren 
nad; Arnsberg zurüd. Die bevorftehende Wahl eines neuen Erz- 
bifchofes fing ſchon an ihm gereizter zu ftimmen. Er veröffentlichte 
eine ausführliche Proteftation (Arnsberg s. dato 15. Mai) „an unfere 


Gebhard Truchjeß. Verhalten der Arnsberger. 297 


gehorjamen Kapitularen, Yandftände, Grafen zc., wider die vermeinte, 
unbefugte, fürhabende neue Wahl eines anderen Erzbifhofs und Kur— 
fürften zu Köln”. Die Stadt und Grafſchaft Arnsberg bejchwerte er 
je länger je mehr mit Kriegsleuten, daß die armen Leute ihm „nach der 
Pfeife tanzen und in allem ſich jeinem Willen beugen mußten“, 
wie Kleinforgen ſich ausdrüdt. An der Tafel äußerte er einmal, die 
Arnsberger jeien jehr weiſe Herren, er wollte fie aber wohl 
bändigen, wenn er nur einen oder zwei aus ihnen vor ſich hätte; zudem 
jah er den Sefretarium Blanfenbeil mit jo „jauern Augenwinken“ an 
und ließ ihn durch Wollmeringhaufen derartig bedrohen, daß diefer 
ih auf Anraten des Kellners Johann Rham fchleunigft aus Arnsberg 
entfernte. 

Bon Arnsberg begab jid Gebhard am 17. Mai nad) Rüthen, 
um ji) dort jeines Anhanges zu verfichern und den Protejtanten wich— 
tige Zugeftändniffe auf Koften der Katholifen zu machen. Er räumte 
jenen die beiden größten Kirchen ein und ließ in Gegenwart mehrerer 
von den angejehenjten Adeligen des Landes durd feine Soldaten aus 
der Hauptfirche fiebzehn vergoldete Kelhe und allerhand Geſchmeide 
wegbringen und bei Seite ſchaffen.) Auch zwang er mehrere der dortigen 
Priefter zu heiraten. Gleiche Gewaltthaten ließ er durch feine Soldaten 
in Gejefe verüben. Dann berief er die Städte nad) Mefchede, um fie 
zu einer Erklärung an das Domkapitel zu veranlaffen. Der von Grote 
abgefaßte Entwurf gipfelte in der Bitte, das Domkapitel wolle das 
Kriegswejen aufheben, die Sade der Beurteilung feiner Kaiferlichen 
Majeftät und der Neichsjtände überlajfen und die Wahl eines neuen 
Hauptes bi dahin verjhieben, auch fie und das Kapitel zu eignem un- 
erſetzlichen Schaden nicht ins äußerfte Elend verjegen. Wenn fie fie 
trogdem mit Krieg bedrängten, jo „jeien diejenigen, jo der reinen Lehre 
zugethan, verbunden, alle zugleich vor ihre Obrigkeit Leib und Gut 
aufzujegen". Unter Johann Grotes Anhängern waren Henrich Yalobs 
und Henrid Kropf von Brilon, Kannegießer von Rüthen, Bernard 
Knippſchild, Nichter zu Medebach, die vornehmften. Die meiften Städte 
unterfiegelten Grote8 Vorlage. Arnsberg war nicht vertreten. Bürger: 
meifter und Nat entjchuldigten fi) deswegen in einem Schreiben „An 
Bürgermeifter und mitverordnnete Rathsverwandten zu Brilon, ito zu 
Meſchede anzutreffen”. Die Bedrüdung durch das Kriegsvolk gaben 
fie al8 Grund ihres Ausbleibens an und erklärten im übrigen, fejt bei 
ihrem alten Standpunkte und Glauben verharren zu wollen. 


) Hennes ©. 80. 





228 Kurkölnifche Zeit. Zeitalter der Reformation. 


Truchſeß lud die Beſucher des Meſcheder Städtetages zu einem 
Feſtmahle in Rüthen ein, um ſich eine allgemeine Steuer bewilligen zu 
lajfen. Auch befahl er ihnen an, die Städte der weſtfäliſchen Ebene 
unter Hinweifung auf die ganz Weftfalen bedrohenden Verheerungen zu 
Hilfeleiftungen zu bejtimmen. Ebenſo entjandte er den Grafen von 
Neuenahr mit Vollmachten nad) Geldern. 

Don Rüthen zog Truchſeß zunächſt nad) Ermwitte und von da 
nad) Werl, wo er nad Sleinforgens Angabe beim Mittagefjen die 
Nahridht von der Neuwahl in Köln erhielt. Sein Zorn ſtieg auf's 
Äußerſte. Diejenigen, welde in Wejtfalen fich feinen Wünfchen und 
Befehlen entgegengejegt hatten, mußten es jett büßen.!) Die Bilder: 
ftürmerei und die Verfolgung der fatholifchen Geiftlichfeit begannen in 
Werl und wurden dann allenthalben fortgejegt. Ende Mai jtürzte ein 
wilder Haufen in die Freiheit Hüften, drang in die Kirche, zerftörte den 
Altar und Bilderfhmud. Darauf (am 3. Juni) zogen fie nad) Weding- 
haufen. Es waren 48 Reiter und 24 Fußgänger, geführt vom Grafen 
Adolf von Neuenahr. Sie nahmen das Klofter in Befig und vertrieben 
die füämtlichen Konventualen daraus nebjt ihrem Prior Johann von 
Nehm; einen Abt hatte e8 damals nicht. In den nächſten Tagen 
wurden alle Thüren und Schlöſſer erbroden, die Zellen der Mönche 
geplündert, aus der Kirche die beiten Ornamente und alle Wertgegen- 
ftände geraubt, die Orgel heruntergeriffen, die Bilder und Gemälde 
zerriffen u. a. m. Zwar famen am 10. Juni der Prior und der Kon- 
vent zu Wedinghaujen bei Truchjeß bittlich ein, ihnen die geraubten 
Ornamente zurüdzugeben und fie in ihrem Gottesdienfte, wie ver- 
jprochen fei, nicht zu Hindern; fie wurden indes von Truchſeß, der 
damals nad) Arnsberg gefommen war, feiner Antwort gewürdigt; Truch— 
jeß verbot vielmehr die Ausübung der fatholifchen Religion und fette 
des Mothäus Schwiegerjohn, den Prädifanten Johannes Urbani, in 
Wedinghaufen als Prediger ein. Die Verwaltung der Kloftereinfünfte 
übertrug er einem feiner Getreuen. Wenngleich nun faft ein Jahr lang 
der katholiſche Gottesdienft verboten war, fo verharrten doch die Arns— 
berger, vier bis fünf ausgenommen, bei ihrem alten Glauben. Truch— 
jeß zog mit feinen Soldaten nad) Attendorn, wo er unter anderm 
den Pfarrer und einige andere Geiftliche zwang, Weiber zu nehmen. 
„Der ohnehin nicht befonder8 geachtete Pfarrer mußte öffentlich) vor 
dem Altare mit lauter Stimme erffären, daß er feine Dienftmagbd 
heirate."?) Dann ftürmte er Schloß Bilftein, defjen Herr, der Droft 


1) ©. 225. 2) Henne, a. a. O. ©. 86. 


Gebhard Truchjeß. Bedrüdungen ꝛc. nad) Ernjts Wahl. 229 


Kaſpar von Fürftenberg, nad) Paderborn geflüchtet war. Die Bewohner 
des Amtes wurden mit Steuern, Einguartierungen u. dergl. unfäglic 
bedrükt. Am 26. Juli erfhien er wieder in Begleitung feiner Ge- 
mahlin Agnes in Arnsberg. Von hier zog er am 31. Juli nad) Werl. 
Aus dem Gold und Silber, welches Truchſeß aus den Kirchen und 
jonft geraubt hatte, ließ er Münzen jchlagen mit der Umſchrift „Tan- 
dem bona causa triumphat* (Endlid) fiegt die gute Sache).) Aus 
dem Blei der Kirhdächer wurden Kugeln gegojfen. 

Arnsberg mußte aud in den folgenden Monaten jchwer unter 
Gebhards Wut leiden. Am 17. Aug. drang diefer wieder mit mehreren 
Soldaten in die Klofterfirche, ließ die Reliquien mit Füßen treten, den 
ſchönen NReliquienfchrein zerftören, die Kruzifixe zerfchlagen, die noch 
übrigen Bilder und Gemälde verbrennen, zwei Altarfteine fortichleppen 
und in der Küche als Herdfteine auflegen, die Kellnerei aufbrechen, das 
Arhiv durdftöbern u. a. m. Das Schloß hatte er kurz vorher befeftigen 
lajfen. Damals ließ er aud ein bereit3 am 12. Juli gegebenes Edikt 
überall in Weftfalen anſchlagen, es jollten „alle ausgewichenen Unter: 
thanen mitjamt ihren weggeführten Gütern innerhalb vierzehn Tagen 
fid) wieder einfinden; wo nicht, fo wolle er ihnen Weib und Kind nach— 
ſchicken“. Trotzdem blieben viele, Gefahr für ihr Leben und ihre Un- 
abhängigfeit fürdtend, fern; fo der Landdroft Graf Eberhard von 
Solms; Hermann von Hakfeld, Droft zu Balve; Kaſpar von Fürften: 
berg, Droft zu Bilftein; Chriftoph von Plettenberg zu Lehnhaufen; 
Gerhard Kleinſorgen, Licentiat; die Konventualen zu Wedinghaufen; 
der DOffizial und Siegler (am Offizialatgeriht) zu Werl; die Pfarr: 
herren zu Werl; Erwitte und Mifte; Johann Hartmann, Richter zu 
Geſele; Werner Schlaun, Zöllner zu Werl, Johann Hasling, Yand» 
jchreiber zu Arnsberg; Blanfenbeil, Sefretarius zu Arnsberg u. a. 

Truchſeß ging, wie man fieht, mit hitiger Energie in Weftfalen 
vor. Hier wollte er Herr bleiben; hier follte die Reformation gewalt- 
jam durchgeführt werden. Wie weit ihm dies geglückt ift, dürfte bei 
der Barteilichkeit der Darftellungen aus jener Zeit ſchwer zu ermitteln 
fein. Pieler jchreibt: „Das Herzogtum war ungefähr ein Jahr lang 
proteftantiih”.?) Wo er den meiften, und wo er den geringften Anhang 
fand, ift bereitS berichtet worden. 

Jedoch war es weniger Weftfalen, da8 Truchjeß Sorge bereitete, 
als die Vorgänge am Rheine, wo fein Schickſal auf Schwertes Schneide 


1) Weingärtner: Die Silbermünzen von Kölnifch-Weftfalen, ©. 79. 
2) v. Liliens Statijtit des Kreifes Arnsberg, ©. 52, 


230 Kurkölniſche Zeit. Zeitalter der Reformation. 


rubhte. Bevor wir diejen unjere Aufmerkfamfeit zuwenden, wollen wir 
noch furz das erzählen, was bis zum Schlufje des Jahres 1583 in 
Arnsberg vor fih ging „Am 27. Tages des Auguftmonathes Hat 
Truchſeß aus Weftphalen einen Zug nad) Bonn zu dem Herzog Johann 
Cafimir gemacht, jeine Gemahlin aber zurüd in Werl gelafjen, wo fie 
bis zum 19. Oktober verweilte, und oftmals auch feinen Überfluß hatte. 
Am 19. Oktober hat man die zu dem Scloffe in Werl behörigen oder 
dazır gelehnet gewejenen Hausgeräthe gen Arnsberg überbringen laſſen, 
und allda einige Monathe lang Hof gehalten. Es haben fid) jedod) 
während der Hofhaltung wenige von den adelichen Landgeſeſſenen zu 
Arnsberg eingefunden." (Deren werden dann vierzehn aufgezählt. 
Kleinforgen III, S. 168.) Die Not und Bedrängnis der Arnsberger 
dauerte fort. Sie verjuchten es deshalb am legten Dftober, den 
Kurfürften durd eine demütige Vorftellung zur Milde zu bewegen. 
Sie fchrieben, wie folgt; 
Hochwürdigſter in Gott Churfürſt, 
Gnädigjter Herr! 

Em. Ehurfürftl. Gnaden feyn unfere fchuldige unterthänigfte und be— 
reitwilligſte Dienjte jtetS zuborn, und wiſſen diefelben Ew. Ehurfürjtl. G. ſich 
ohne Zweifel gnädigft zu erinnern, was hiebevor der hohen Bedrängung und 
Beihwerung des allhiefigen eingelägerten Kriegsvolks und anderer Dräng- 
jalen Halber an Em. Churf. Gnaden Wir armen Unterthanen haben unter: 
thänigjt gelangen, bitten, auch Ewer Churf. Gnaden darauf in gnädigiter 
Refolution ſich vernehmen laffen; auf welche gnädigite Erklärung und Ber- 
tröftung Wir bis anhero unterthänigjt gewartet und verhoffet haben, diefelben 
Em. Ehurfürftl. G. würden uns arıne Unterthanen einmal gnädigjt anjchen, 
aus der hohen Bedrängniß erretten, und mit gnädigiten Hülfe und Beyjtand 
nicht verlaflen; und mögen Wir Em. Churfürjtl. Gnaden hiebey unterthänigit 
Klagende nicht verhalten, welchergeitalt de8 langwierigen dahier liegenden 
Kriegsvolks halber Wir und die ganze Grafjchaft von Arnsberg nicht allein 
zum höchiten für und für mehr befchtweret, unferes Vorrathes und täglicher 
Nahrung benommen, und borerit in höchſter Eile eine Schatung im Junio 
neben Aufbringung eines jtattlichen Hengjtes und anderer Rüftpferden und 
Wägen zu liefern und zu ſchenken, und darneben noch doppelte Contribution, 
und alſo innerhalb eines halben Jahres dreyfache Landjteuern zu erlegen, 
und andere Beſchwerungen zu ertragen genöthiget; fondern auch gegen unfer 
Gewiſſen, Willen und Meynung, ja öffentlich allhie uff dem Rathhaus im 
Beyfeyn der gemeinen Burgerjchaft der Religion halber am 10. Juni von 
den neuen Zandsräthen (laut eröffneter Erklärung das Erereitium der ver: 
meynten neuen Meligion allhier gebrauchen und feinen Fortgang nehmen zu 
lafjen) zum höchſten bedrängt und gezwungen, wie auch in der Kirche zu 
Wedinghaufen, gleichfals in der Kapellen allhie Binnen der Etadt die Altäre 
abgebrochen, verändert, devajtirt, dabey alle Ornamenten, filberne Kleinodien 
an allen Orten abgefordert und berrüdet worden. Und haben ferners aud), 


Gebhard Truchjeß. Bedrängnis der Arnsberger. 231 


Gnäbdigjter Churfürft und Herr! Ew. Churfürft. G. aus beyverwahrtem Kopey— 
lichen Schreiben (jo etliche vermeynte Deputierte der Nitterfchaft und Städte 
an die Churfürjtl. und andere hohe Stände des Neiches gen Frankfort ab- 
geordnete Gefandten gerichtet haben, und uns heut Dato mit zu berfiegeln 
zugejtellt worden) zu vernehmen, zu mas Ende diefelbige ohne unjer Bor: 
wifien gejtallt und gerichtet fey. — Und obwohl nad Berlefung derjelben 
(wie ſolches dermaiien bejchaffen gefunden) Wir von Gott und Rechtes wegen 
mit ſolche Mitveriiegelung nicht zu thun gute Urfachen und bejtändigen Grund 
mohl gehabt hätten; fo haben Wir doch folches aus großer anliegender Noth, 
Gefahr und Sorge (da Wir hiebevor und allezeit mehr dann andere über: 
fallen, bedränget und beleidigt und, daß die fämmtlidhen armen Unterthanen 
binfort in dem Grunde verderbt werden mögten, befördhtet) und alfo gegen 
unfern geneigten Willen die Mitverfiegelung (Gott erbarm es) thun müſſen. 
Deromegen Em. Churfürftl. Gnaden Wir folches unterthänigft protestando 
(dan Wir folches feiner andern Geſtalt, als aus hoher Noth und Beſchwerung 
unjerer armen Weib: und Kinder und fämmtlicher armer Unterthanen gethan) 
biemit moollen angezeiget, und daher mit einigen Ungnaden uns armen Unter: 
thanen nicht zu verdenken, unterthänigjt gebethen, und abermals Ew. Chur: 
fürftl. Gnaden hiemit ganz unterthänigft implorirt, erfuchet, und lauter um 
Gottes Willen angerufen haben, Diefelbe ſich gnädigſt unjerer annehmen, cr» 
barmen, uud auf die gnädigjte Mittel zu gedenken geruhen tollen, damit 
Wir arme Untertanen der großen Bejchwerung, Bertrennung und Berheerung 
des Kriegspolfes halben (womit Wir je und je allezeit beladen gewefen) durch 
Ew. Ehurfüritl. Gnaden gnädigjte Mittel benommen, und vornehmlich bey 
unferer Gatholiichen Religion gelaffen und gnädigjt von Ew. Churfürftl. 
Gnaden dann und jonjt in borigen Stand wiederum rejtituirt, gefchüßet und 
belaffen, und endlich in Außerjte Gefahr Leibes, Lebens und Guthes nicht ge- 
jeget werden mögen. Wie dann zu Ewer Churfürjtl. Gnaden Wir arme 
Unterthanen unterthänigjt uns wöllen getröften, und dagegen alle fchuldige 
Prliht und unterthänigjtsgehorfamfte Dienjte zu leiſten erbietig, ſchuldig, und 
ganz willig, Ew. Ehurfürjtl. Gnaden dem Allmächtigen in langwierige Chur— 
fürjtl. Regierung unterthänigjt damit befehlende, und Em. Churfürjtl. Gnaden 
gnädigfte Antwort darauf bittende. 


Datum Arnsberg unter unferm Sceret-Siegel am letten Oktober 1583. 
Erw. Ehurfüritl. Gnaden 
Unterthänigit, ſchuldigſte und gehorfamite 


Bürgermeijter und Rath 
zu Arnsberg. 


Die Bittfhrift Hatte Feinerlei Erfolg. Die Not wuchs. „In 
den Monathen Novembers, Decembers und Jänners“, erzählt Klein: 
jorgen (S. 232), „fand man im Arnsberg außer Sped und Schweine- 
fleisch einen gar geringen Vorrat, und war zu Zeiten weder Wein nod) 
Bier befindlih. Und obſchon die armen Unterthanen im höchjten Mangel 
nicht nur die Kriegsleute, fondern auch die truchjeffiihen neuen Räthe 
und Hofdiener auf eine nie erhörte Weiſe unterhalten mußten, jo find 


232 Kurkölnifche Zeit. Zeitalter der Reformation. 


jie do anbey noch zur Zahlung jchwerfter Tribute und Schagungen ge 
nöthiget worden. Um cben diefe Zeit wurde zu Arnsberg folgender 
Vers verzeichnet: 


Als man ſchrieb taufend, fünfhundert, achtzig, vier 
War zu Arnsberg auf Neujahr nod Wein nod Bier.“ 
Aus diefen Thatſachen erhellt zur Genüge, daß unter den Truch— 
jeffifschen Wirren feine Stadt mehr zu leiden gehabt hat, als Arnsberg. 
Außerdem hatte die Stadt im Jahre 1583 eine große Flut zu beftehen.") 


Wie ehr die Bedrängnis die Menſchen mürbe machte, beweift der 
Vorgang, welcher die ihrer originellen Umftändlichkeit wegen unten wört- 
lich mitgeteilte Proteftation hervorrief. 

Als die furfürftlihen neuen Näte fih zum Kongreß nad) Frank— 
furt begeben hatten, wo über Truchſeß die fette Entſcheidung im Reichs— 
rate gefällt werden follte (S. 234), hatten Kohann Grote und Gerhard 
Pentling eine Denkſchrift abgefaßt, laut welcher die „Wejtfälifche Land— 
Ihaft und Städte” crflärten, daß bereitS „bei den Zeiten weyland 
Erzbiihofes Hermanns die nene Lehre des heiljamen göttlihen Wortes 
in der Wejtphälifchen Landſchaft eingepflanzt ſei“, daß aljo Truchſeß 
nicht ein Neuerer, jondern ein Wicderherfteller alter Zuftände fei. Dieſe 
Schrift zirkulierte bei den Städten zur Unterfchrift und Giegelung. 
In Arnsberg unterzeichnete man aud, ließ dann aber folgende Prote- 
ftation aufnehmen: 

PBrotejtation der don Arnsberg. 
Am Namen des Herrn. Amen. 

Kund und offenbar jey jedermänniglich, welchen dieſes gegenwärtige 
Inſtrument vorkommt, leſen und Hören, daß im Jahre unjers Heren und 
Scligmaders Jeſu Ehrijti taufend fünfhundert achtzig drey, Römer Zinszahl 
zu Yatein Indictio genannt der Eilfte, am Donnerstag den ein und dreyßig— 
ten des Monaths Octobris stylo veteri?), zu eilf Uhren Vormittags, Zeit 
Kaiſerthums des Allerdurdhlauchtigiten, Großmädhtigiten und Unüberwind— 
lichjten Fürſten und Heren, Heren Rudolphen des Andern mit Namen cr: 
wählten Römischen Kaifers, zu allen Zeiten Mehrern de& Reichs, zu Ger‘ 
manien, zu Hungarn, Böheim, Dalmatien, Croatien und Sclavonien Königs 
und Erzberzogen zu Oeſterreich, Berzogen zu Burgund, Steyer, Kärnten, 


1) S. ©. 20. Der Anfang der dort mitgeteilten Notiz lautet: „Im 
Jahre 1538 jind allhier in der Walpke gewefen unterfchiedliche Schleifhütten, 
und werden Soldier in einem alten, vom Abte Lilien im Jahre 1538 ge- 
fchriebenen Regijter fünf genannt, von denen eine jede diefem Gotteshaufe 
jährlich ein Pfund Wachs geben mußte.” 

2) „Alten Stils”. Der „neue Stil“, der Gregorianifche Kalender, wurde 
im November deſſelben Jahres von dem Kurfürſten Ernft im Erzitifte Köln 
in der Weife eingeführt, daß man zehn Tage im Kalender überjprang. 


Gebhard Truchſeß. Protejtation der Arnsberger. 233 


Grain und Wiürtenberg, Grafen zu Tyrol ꝛc. unfers allergnädigjten Herrn 
Ahrer Reiche des Römifchen im achten, des Hungarifchen im elften, und des 
Böhmifhen im achten Jahre, in meiner des offenbaren Notarien und der 
Gezeugen hierunter benannter Gegenwärtigfeit perfönlich erfchienen feyn die 
Ehrenhaft- und vorfichtige Johann Graumes neuer Bürgermeijter mit ſamt 
Philippen Keitmann alten Bürgermeijter, Wilhelm Kremers und Johann 
Meiters Cammerherrn, von wegen Ihrer und des ganzen Raths auch Ge— 
meinheit der Stadt Arnsberg auf ihrem Rathhauſe dafelbjt nachfolgender 
Sachen halber verfanmelt figende, und Hatte gedachter Bürgermeijter einen 
papiernen offenen Zettel protestationis auf zwey Blätter gefchrieben in feinen 
Händen, welchen Zettel ittgedadhter Bürgermeijter von wegen feiner und des 
ganzen Raths und Gemeinheit, twie er ſprach, mir Notario Hierunter benennt 
übergab, protejtirten und bedingten ſich öffentlih und ausdrücklich, wie in 
jelbigem Broteftations papiernen Zettel (fo hernach von Worten zu Worten 
folget) weiter zu erfehen ijt, in der beiten Weife, Form und Gejtalt, fo fie 
das amı allerkräftigiten thun follten, Eönnten, oder mögten, und haben ge- 
dachte Bürgermeijter und Cämmerer wegen Ihrer und ſämmtlichen Rathes 
und Gemeinheit hierüber von mir Notario nachbenennt ein Instrumentum 
oder Instrumenta in der beiten Form zu berfertigen, und Ahnen vor die 
Gebührn mitzutheilen gebethen und erhalten. Gejchehn und verſammelt auf 
dem Rathhaufe binnen Arnsberg oben vorhaupts defjelbigen im Jahr unfers 
Herren, Römer Zinszahl, Tag, Monath, Stund und Kaiferthum wie vorher 
gemeldet in Beyfeyn der Ehrbaren Manns Eberhard Küfters, Bürgern zu 
Hüften, und Joſt Blömen, Bürgern zum Sunderen, als glaubmwürdigen Ge— 
zeugen dazu erfordert und gebethen. 


Inhalt des oben angeregten Proteſtation-Zettels, der alfo lautet: 


Bor Eud) offenem und immatriculirten Notario und Gezeugen erſcheinen 
die Ehrfamen und vorfichtige Bürgermeiftern und Cämmerer von wegen des 
jämtlihen Rathes und der Gemeinheit allhier zu Arnsberg zeigen und geben 
an, twelchergeitalt Johann Grote Ehurfürjtl. Cöllnifcher angemakter Rath ein 
langwieriges Schreiben klagend und Bittend an die Churfürjtliche, Fürſtliche 
und jämmtliche andere des Heil. Nömifchen Neiches gen Frankfurt abgeord- 
nete Stände und Herren Geſandten baltend mit zu verjiegeln Uns zugejtellt; 
welches Schreiben und Klagen dermafjen mit Ungründen und gegen unferen 
Willen eingejtellt, ingroffirt, effektuirt und gefchaffen getwefen, daß es nicht 
allein jeiner Beichaffenheit und Anhalt nad, und wie etliche von den Depu- 
tirten, Ritterfchaft und Andere don Adel, und Räthe jchon gethan, mit zu 
befiegeln bedenklich, jondern aud aus Urfachen (daß es dem Hochwürdigſten 
unfern neuerwählten Churfürjten und Herren, desgleichen einem Hohen und 
Ehrwürdigen Domkapitel und den Wejtphälifhen Herren Räthen als unjerm 
gnädigen und gebicetenden Lands- und Erbherren ausdrüdlich zuwider) zum 
höchſten bedränglich und beſchwerlich geweſen und noch ijt, und gleichwohl 
aus großer Fürforg und Bedräuung (daß man fonft iko von wegen der 
ganzen Stadt und armen Gemeinheit und Unterthanen, da wir die Mit- 
verfiegelung beriveigern würden, alsdann uns mit vielem anmwefenden Kriegs— 
volf zu Roß und zu Fuß in den Grund unterdrüden, verderben, verbergen, 
weiters bedrängen und zum höchſten befchtveren mögt) beförchten müſſen, 


234 Kurkölnifche Zeit. Zeitalter der Reformation. 


und alfo darum und aus großen Fordten, Zwang und Bedrängung, jo uns 
und den armen Unterthbanen darauf erfolgen fünnte, und Feiner anderen 
Geſtalt und Meynung die Conjigillation mitgethan und nothwendig thun 
müſſen, und da folches hernächſt von höchjtgemeldetem unferm gnädigjten 
Ehurfürjten und Herrn einem Hoch- und Ehrwürdigen Domkapitel, unjerm 
gnädigjten Herrn Landdroften, und andern Churfürjtl. Wejtphälifchen Herren 
Näthen uns mit Ungnaden und daran zu biel und übermäßig (wie auch vor 
uns gefchehen) gethan zu Haben, mit Ungnaden zugemeſſen werden mögte; 
jo wollten deromwegen obgemeldete Bürgermeijter und Cämmerer bon wegen 
des jämtlichen Rathes und der Gemeinheit allhier zu Arnsberg bor Cud) 
Notario und Gezeugen öffentlich und ausdrüdlich in bejter Form und Gejtalt 
Rechtens (wie e8 am beſtändigſt- und Eräftigiten gejchehen könnte oder mögte) 
biemit protejtiert, fich bedingt, berufen, und hiebey angezeiget haben, daß fie 
feiner andern Geſtalt, dann, wie oben jtehet metus causa, die Mitverfiegelung, 
gejtalt hiernächſt unterthänigjt fich jo viel möglich, und den Rechten gemäß, 
damit zu beſchützen und zu bertheidigen, gethan haben, mit Bitte, Ihnen 
darüber ein oder mehrere Instrumenta in befter Form Rechtens mit Vorbehalt 
aller weiterer rechtlicher Nothdurft um die Gebührn mitzutheilen. Und dieweil 
ih Mathias Hade zu Arnsberg aus Päbjtlicher Macht und Authorität offener, 
und des bochlöblichen Kaiſerlichen Cämmergerichts immatriculirter Notarius 
bey obgemeldeter Proteftation, Bedingung und Handlung neben vorbemeldeten 
Gezeugen in eigener Perſon gegenwärtig geweſen, diejelbe alfo, wie oben 
berlaut, gefchehen zu feyn, gejehen und angehöret, auch in Notam verfaſſet; 
als Habe ich dich offene Inſtrument darüber verfertiget, durch einen andern 
meiner Gefchäften halber getreulich gefchrieben, mit eigener Hand, Tauf- und 
Zunamen, auch NotariateZeichen unterfchrieben, verzeichnet und befräftiget, 
zur Beugniß obgemeldter Sachen fonderlich reauirirt und erfordert. 


Während jo auf Weftfalen ein jchwerer Drud laftete, war die 
Nheinebene der Schauplatz fortwährender Feldzüge, Raubzüge, Plünders 
ungen, Berheerungen, Brandihatungen und biutiger Gefechte. Wer 
ſich über die Einzelheiten des „Kölniſchen Krieges" unterrichten will, 
dem ſei die fchon häufiger citierte anfprechende Darftellung desjelben 
von Hennes empfohlen. Faſt alle Städte, Burgen (Dradenfels, 
Godesberg), Dörfer und Klöfter am Rheine wurden in Mitleidenſchaft 
gezogen. 

In Bonn war, wie berichtet, Karl Truchſeß, Gebhards Bruder, 
als Statthalter und Kommandant zurüdgelaffen. Der Kampf drehte 
fih vornehmlih um diefe Stadt. Die Stadt Köln barg einige An— 
hänger Gebhards und trat gegen diefen niemals in eine entjchieden feind- 
jelige Haltung. Der Kaifer befahl mehrmals den zu Truchjeß ftehenden 
Heerführern unter Androhung der Reichsacht und des DVerluftes ſämt— 
licher Benefizien, ihre Heere zu entlaffen, zunädft ohne Erfolg. In 
Frankfurt tagte vom 23. September bis zum 14. November (neuen 
Stils) ein Kongreß, an welchem faft jämtliche Kurfürften und Abgeſandte 


Gebhard Truchjeß. Der kölnifche Krieg. 235 


beider Parteien teilnahmen. Aber ihre Bemühungen waren vergeblich. 
Das Schwert mußte entjcheiden. Verfolgen wir kurz den Berlauf des 
Krieges. 

Die Bonner Befagung machte häufig verheerende Ausfälle. Sie 
war fühn genug, bis nad) Deut vorzudringen. Ins dortige Benediftiner- 
kloſter hatte Ernft von Bayern eine Befagung gelegt. Ein erjter nächt— 
licher Angriff des Bonner Heeres wurde zurückgeſchlagen; ein zweiter 
war von Erfolg; die Bejagung wurde niedergemadt; Ranucini, der 
Befehlshaber, in ein Verließ der Burg Godesberg gebracht. Am 
21. Auguft traf der Pfalzgraf Johann Kafimir mit vielem Kriegsvolf 
in Bonn ein. Diejer hielt bejonders das rechte Rheinufer zwei Monate 
lang mit feinen wilden Scharen in Unruhe Ein Anſchlag auf Unkel 
jcheiterte an der Tapferkeit der Bejatung von Königswinter und Schloß 
Dradenfeld. Später zog er, von Truchjeß begleitet, nad) Deut. Bon 
Köln aus verproviantierte man ſich. Auf die Nachricht von einer 
Meuterei in Bonn zog Kafimir dorthin und ftellte durch Soldzahlung 
die Ruhe wieder her. Dann z0g er fih ins Trierſche zurüd und 
wartete, daß Truchſeß aus Weftfalen Geld für jeine Truppen fjcdide- 
Am 10. Dftober forderte ihn ein Faijerliher Herold auf, das Heer 
jofort zu entlaffen. Zwei Tage jpäter ftarb fein Bruder, der Kurfürft 
Ludwig von der Pfalz. Dies war für ihn ein willfommener Anlaß, 
vom Kriegsſchauplatze zurückzutreten. Seine verlaffenen Scharen zogen 
teilweife nad Wejtfalen, um von Truchſeß den rüdjtändigen Sold zu 
verlangen, und hauften entjeglich im Lande. 

Fett zog Herzog Ferdinand von Bayern mit Kriegsmacht zum 
Schutze jeine® Bruders Ernjt heran. Man beſchloß, Poppelsdorf und 
Bonn zu ftürmen. Poppelsdorf wurde vom Grafen Arenberg am 
14. November erobert. An einem andern Plage hatte Truchjeß einen 
legten Erfolg zu verzeichnen. Der Graf von Neuenahr lag mit feinem 
Heere in Hüls bei Mörs. Diefer wurde vom Herzoge Friedrid von 
Sadjen-Lauenburg belagert. Da fandte Truchſeß aus Weftfalen ein 
Entjagheer, 1200 Reiter und 2000 Fußgänger. Sie wurden von Eitel 
Friedrich von Braunſchweig angeführt. Diefer entjegte Hüls und kehrte 
mit feinem Heere nad) Weftfalen zurüd. 

Herzog Ferdinand von Bayern z0g gegen Godesberg. Das 
Schloß wurde unterminiert und am 17. Dezember in die Luft gejprengt. 
Ranucini und der Abt von Heiſterbach wurden damals aus ihren 
Kerkern befreit. Die Bejagung, die fih auf den Trümmern tapfer 
wehrte, wurde ſchonungslos niedergemadht. Jetzt wurde Bonn aufs 
engfte eingejchloffen. Auf Truchſeß' Befehl rückte Eitel Friedrich zum 


236 Kurkölnifche Zeit. Zeitalter der Reformation. 


Entjage heran. Aber das Glück war ihm diesmal nicht hold. Ferdinand 
ließ ihm eine Abteilung entgegenrüden. Als die 5000 Mann des 
Eitel Friedrid) daS Aggerthal Hinabzogen und eben zum Teile eine 
Brüde pafjiert hatten, wurden fie plöglic überfallen und haufenweiſe 
in den gejchwollenen Strom gedrängt, über dem die Brüde krachend 
einftürzte. Biel Proviant, namentlich aud ganze Wagen voll weit: 
fäliſcher Schinken, fielen in die Hände der jubelnden Sieger. Eitel 
Friedrich eilte nad) Weftfalen zurüd und überbrachte Truchſeß die Nad)- 
richt von der Niederlage. Diefer berief einen Landtag nad) Brilon 
(8. Januar 1584), weldyer von nur wenigen Städten und nur einund— 
zwanzig Rittern befudht war. Truchſeß bat um einen zweimonatlichen 
Sold für feine Soldaten und fand Gehör. ALS er aud) verlangte, 
daß der Adel, wenn die Not an ihn heranfäme, gerüftet fich ihn an- 
ſchließen jollte, wurde dies zwar zugefagt, aber mit dem Zuſatze, es 
dürfe nicht gefchehen, um das Domkapitel und das rheinische Erzftift 
zu befriegen, fondern nur um das Vaterland zu verteidigen. 

Bonn war nicht mehr zu halten. Gebhard felbft trug feinem 
Bruder auf, heimlich zu entweichen. Aber die argwöhnifche Beſatzung 
hinderte dies. Die Mannſchaft war wegen des rüdftändigen Soldes 
in arger Mipftimmung. Herzog Ernft, davon unterrichtet, Fnüpfte 
Verhandlungen an. Er verjprady den Truppen, wenn fie die Stadt 
übergäben, reihen Sold. Vergebens erhob der Feitungstommandant 
gegen die drohende Meuterei feine Stimme; vergebens verjprad, warnte, 
drohte er. Er wurde von den Führern des Aufruhrs gezwungen, die 
Schlüffel der Stadt zu übergeben (24. Jan.). Am 28. Januar einigte 
man ſich über die Bedingungen der Übergabe. ruft zahlt 4000 
Kronen!) an die Eoldaten (692 Mann); dieje ziehen unter ficherem 
Seleite ab; Karl Truchſeß und zwei Hauptleute werden ausgeliefert ; 
jeder Soldat erhält einen vom Kurfürften unterzeichneten Freigeleitsjchein. 


Ernft von Bayern (1583—1612). 
Ausgang des Kampfes gegen Truchich. 


Mit der Kapitulation von Bonn hatte Ernft gewonnenes Spiel. 
Am 1. Februar 1584 zog fein Heer in die Stadt ein, und rüdte das 
feindliche aus. Am 5. Febr. hielt Ernft jelbft mit feinem Bruder, feinen 
Hauptleuten und Dffizieren einen überaus glänzenden Einzug. Karl 
Truchſeß wurde im Ardive gefangen gehalten. In Weftfalen begann 


", 1572 galt zu Soeſt die „Sonnenkrone“ drei ME, die ſpaniſche und 
burgundiſche Krone zwei ME, elf Schilling. 


Ernit von Bayern. Kampf gegen Truchſeß. 237 


ein Umſchwung in der Stimmung der Stände. Gebhard berief einen 
Landtag nad) Rüthen (28. Febr.). Aber er ſprach die Eauerländer dies- 
mal vergeblid) um Hülfe an; nur die wenigen ihm treu gebliebenen 
Adeligen thaten das Ihrige in Aufbringung von Geld, Pferden, Schügen 
und anderm Kriegsvolf.!) Herzog Ferdinand von Bayern rüdte gegen 
Bedburg, weldjes von dem Hauptmann Schred, einem Untergebenen 
des Grafen von Neuenahr, bejett gehalten wurde. Diefer übergab das 
Schloß nad) hartnädiger Gegenwehr am 9. März. Die Heeresmajje 
des Herzogs bewegte ſich nun nad Weftfalen. Truchſeß jammelte die 
(etsten feiner Getreuen umd verließ da3 Herzogtum, um es nie wieder: 
äzujehen. Der Krieg wurde nad) Holland hinübergejpielt. Am 31. März 
jtieß Herzog Ferdinand beim Fleden Burg an der Njjel mit Eitel 
Friedrid von Braunſchweig zuſammen, der eine Abteilung des Truch— 
jejfiichen Heeres führte. Nach einem harten Kampfe ward Friedrich 
befiegt und gefangen genommen. Da gab Trudjeß den Kampf auf. 
Er überließ feine 1000 Reiter den Staaten der vereinigten Niederlande 
und begab fich jelbjt mit feiner Gemahlin Agnes nad) Delft zum Prin- 
zen von Dranien. Später lebte er in Straßburg. Er ftarb, wie 
ichon hier bemerkt werden möge, da Truchſeß jpäter nicht mehr hervor» 
tritt, am 21. Mai 1601 und wurde zu feinem Bruder im Münfter 
bejtattet. Seine Gemahlin jtarb bald nah ihm. — Herzog Ferdinand 
30g nad) jeinem Siege bei Burg ins Veit Redlinghaufen und nad) 
Weftfalen, um die mit Truchſeſſiſchen Bejagungen verjehenen Städte 
und Sclöffer zur Übergabe zu nötigen. Am 16. April 1584 ergab fid 
jeinen Truppen aud die Bejagung des Schlojjes zu Arnsberg. 
Dies meldet folgendes Diſtichon: 
BIs octena dIes AprILIs fVLslt, et eCCe, 
Mons AqVILae Ernesto sVbdItVs Ipse dVCI. 
(Der 16. Tag des April brad an, fiehe, da ergab ſich der Adlerberg 
jelbft dem Herzoge Ernit.) 

Auch die übrigen Städte und Burgen ergaben fi. Redlinghaufen, 
das lange die Übergabe geweigert hatte, öffnete am 4. Mai dem Sieger 
jeine Thore. 

Jetzt verließ Ernft feine Reſidenzſtadt Bonn, um jih im Veſte 
Redlinghaufen und in Wejtfalen Huldigen zu laffen. Er begann bei 
Recklinghauſen und Dorften und zog dann über Dortmund zur Grenze 
des Herzogtumes. Am fagenreihen Birfenbaume fam man ihm nad) 
altem Brauche mit zwei wehenden Bannern entgegen. Die alten Näte, 


1) Pieler, Fürſtenbergs Tagebud S 73. 


238 Kurköfnifche Zeit. Zeitalter der Reformation. 


an der Spige der in die Heimat zurüdgefehrte Landdroft Graf Eber- 
hard von Solms, empfingen den Fürften und huldigten ihm. Darauf 
folgte der feierlihe Einzug in die Stadt Werl. Bon hier begab ſich 
der neue Kurfürjt über Neheim, wojelbjt er „herrlich mit Schießen em- 
pfangen wurde”, nad Arnsberg (7. Juni). Hierhin hatte er bereits 
auf den 23. Mai einen Yandtag ausſchreiben laffen, zu weldem Ab- 
gejandte aus allen Städten und mehr als jechzig Adelige erjchienen 
waren. Der Kurfürft jelbjt war jedody an der Zeilnahme verhindert 
gewejen und hatte einen neuen Yandtag auf den 18. Juni nad) Gejefe 
berufen, weil man von dort her Widerftand befürdtete. Auf dem 
Arnsberger Schloſſe verweilte Ernft acht Tage. Es war fpäter fein 
Lieblingsaufenthalt. Ernft traf hier die erſten Anftalten zur Reftitution 
der firdlichen Berhältniffe. Er ließ alle Pfarrer auffordern, am 16. 
in Arnsberg vor dem Dechanten von Kaijerswerth, Johann Nopel, und 
zwei andern von ihm ernannten Geiftlihen zu erjcheinen, um „über 
ihren Glauben Befenntnis und Rechenſchaft abzulegen”.?) 

Der ebenfall3 zurücgefehrte kurfürſtliche Rat Kajpar v. Fürften- 
berg (Bieler, ©. 85) bemerkt zum 1. Juni alten Datums:?) 

Arnßperg. „Dißen tag falle ich im fchwerliche tödtlihe Krandheit, 
erhebt fi) wie ein feber, leide die folgenden tag große ſchwachheit des 
haupts und aller glider.” 2. „Die hern Reethe und andere bejuchen 
mid) mehrentheils alle, ER ftehet gar übel und geferlich.“ 3. „Ex 
consilio Medicorum und aller guten freunde laße ich zur Adern, Thue 
das irft mein Iebtagh, befinde aber davon etwas Linderungh, Mein 
hausfraum kumbt uf die nehe uf Eickels hauß zu Broichhufen, wolt 
gern zu mir.“ 4. „Mein Hausfrauw mit der Schweiter Anna kumbt 
frue zu Arnßperg ahn, Mein gn. Herr fumbt jampt rer Churf. gn. 
Bruder, Graven und Offictirer8 zu mir in meine herbergh und bejuchen 
mic gnedigli in meiner Schwachheit. Mihi autem nimis, Bieten 
mir alles ahn, waß id) haben will, die Stadt und Ampt Arnßpergh 
huldigen meinem Hern.“ 

Am 14. Juni nahm Kurfürft Ernft die feierliche Huldigung der 
Stadt und Grafihaft Arnsberg entgegen und zog dann über Meſchede, 
Eversberg, Brilon nad) Geſele zum Landtage. Hier wurde „nicht allein 
die verfalfene Religion, fondern auch alle andere gute Drdnung und 
Polizei in Weftfalen wieder aufgerichtet”.”) Trotz der Not im Yande 





1) Hennes, a. a. DO. ©. 148. 9) S. ©. 232 Anm. 2, 
9) Eyzinger: Der hiftoriichen Relationen dritter Teil 1592, ©. 104, bei 
Hennes ©. 148. 


Ernſt in Weitfalen. Sieg über Truchſeß. 939 


wurde dem Kurfürften eine Steuer von 3000 Reichsthalern bewilligt ; 
fie jollte binnen vierzehn Tagen in Arnsberg erlegt werden. Ferner 
wurde dem Kurfürften geftattet, die Städte und Schlöffer, welche er 
wollte, mit einer Bejagung zu verjehen. Ernſt wählte die Schlöſſer 
„Arnsberg und Werl, die Städte Brilon, Geſeke und Attendorn, und 
ließ zu diefem Ende durd Chrijtoph von Plettenberg und Dietrich von 
Buchholz eine gewiffe Anzahl Kriegsleute annehmen, für einige an die 
benachbarten Gränzen zu beftimmende Reiter das gebührende Wartgeld 
bejorgen, die Landſchaft ordentlich austeilen, in ein jedes Quartier einige 
Kommifjarien und einen Obern verordnen, damit derjelbe in jedem 
Nothfalle zum Schutze de8 Landes die Herren vom Adel mit einer an- 
ftändigen Anzahl Pferde, aud die Städte und Ämter mit gewiffer Zahl 
anmahnen und befodern laſſen wolle”.?) Die Yandgejejjenen jollten bei 
Berluft ihrer Privilegien oder anderer jchwerer Strafe gebunden jein, 
„unverzüglich Folge zu leiften und das Vaterland jo einhellig al3 nad)- 
drücklich zu ſchützen“. Dieſe Anordnungen reichten, wie wir jehen werden, 
bei weitem nidht aus, um den Feind fernzuhalten oder abzuwehren. 
Es fehlte eine einheitliche militäriiche DOrganifation, eine oberjte Behörde, 
ein oberjter General. 


Hinſichtlich der Nechtspflege wurde der Kurfürft gebeten, „die Ge- 
richte alfo zu reformiren und zu verordnen, daß einem jeden ohne 
Unterjchied ſchleunigſt und unparteiiſch das Recht widerfahren möge”.?) 
Der Vorjchläge waren im einzelnen fo viele, daß eine Erörterung „in 
der Eile” unmöglih war. Daher jollten Deputierte gewählt werden, 
die auf Erfordern des Yanddroften bei den weftfälifchen Räten erfcheinen, 
über ftrittige Punkte ſich beratjchlagen und ihre „Bedenken“ demnächſt 
dem Kurfürften zur Beratung und dem Domkapitel jchriftlic unter- 
breiten joliten. 


Der Kurfürft fand mit feinen Maßregeln feineswegs überall Bei- 
fall. Wie die Wiedereinführung des Katholizismus vielerorts auf 
heftigen Widerftand ftieß, jo mußte Herzog Ernft bei jeiner An- 
wejenheit in Geſeke erleben, daß die Bevölferung wegen der vom Land— 
tage beſchloſſenen Bejatung in Aufruhr geriet. Die Sturmgloden 
wurden geläutet, die Bürger rotteten fi) vor dem Stadtthore zufammen; 
Schüffe fielen; c8 gab Tote und Verwundete. Wenngleih Ernt nicht 
verfehlte, dem „alten und neuen Mate” wegen der Aufjäjjigfeit und 
ZTreulofigfeit der Bürger Gejefes heftige Vorhaltungen zu machen, und 





— 


+) Kleinſorgen ©. 273. *) Kleinſorgen ©. 274. 


40 Kurkölniſche Zeit. Beitaiter der Reformation. 


obgleich er die jchärfften Bejtimmungen zur SHerjtellung der bürgerlichen 
Ordnung erließ, jo verjtand er ſich doch dazu, gegen Gejtellung von 
ſechs Geiſeln auf die militärifche Bejegung der Stadt zu verzichten. 

Ernft 309g am 29. Juni nad) Rüthen, wo er nad) empfangener 
Huldigung am 30. mit dem Rate und der Bürgerſchaft ſcharf ins Ge— 
ridt ging. Denn fie waren nicht nur den Neuerungen des Truchſeß 
günftig gewejen, jondern follten auch noch nad) deſſen Abzuge Brief— 
wechjel mit feinen Anhängern unterhalten haben, ja, al8 fie „in Gegen- 
wart des Feldmarſchalls und des Probften Gropperi dem Kuhrfürften 
gehuldigt, mit andern ihre Finger nit aufgerichtet, jo folglich aud) 
nicht geſchworen“. Dies leugneten die Nüthener zwar ab, ließen fidh 
aber gefallen, daß die neuen Bürgermeifter abgejett und die alten wieder 
in ihr Amt eingejegt wurden. 

Hierauf zog der Kurfürft wieder nah Arnsberg und refidierte 
hier bis zum 14. Juli. Es gab noch vieles anzuordnen. Verdächtige 
Diener wurden abgefett, Übelthäter beftraft, die erfedigten Pfarreien 
und Vikarien vergeben, die zerftörten und entweihten Kirchen zu Arns— 
berg, Wedinghaufen, Attendorn, Brilon ꝛc. von dem Weihbijchof 
Gottfried von Mirlo fomfefriert, die Kinder von demjelben gefirmt, 
die Regierungsſachen ordentlich verteilt, die geijtlichen Angelegenheiten 
dem DOffizial und dem Siegler zu Werl, die weltlihen dem Yanddroften 
und den Räten, die Kriegsfadhen „vornehmlich“ dem Oberften Johann 
Stod und etlihen Quartal-Kommiffarien, die Schagung nebſt „Ein- 
nchmung und Ausgabe derjelben” dem Adrian von Enje und Dietrid) 
Lilien, Pfennigmeiftern, anbefohlen. 


Am 14. Juli begab fi der Herzog Ernſt von Arnsberg wieder 
an den Nhein nad) Bonn und Lüttich, wo er am 24. Auguft feierlich) 
ins Kurfürſtenkollegium aufgenommen wurde. Nachdem furz darauf 
am Nheine Ürdingen und in Weftfalen das Schloß Hohenlimburg von 
den Heeren des Kurfürften genommen war — diejes, der Schrecken 
der Lennegegend, galt für uneinnehmbar und wurde vom Kommandanten 
Heß erft übergeben, al3 er hörte, daß es unterminiert ſei —, war für 
den Reſt diejes Jahres im Erzftifte Ruhe.) Herzog Ferdinand 309 
nad) Bayern zurüd. Aber ſchon im nächſten Jahre entbrannte der 
Kampf von neuem. 





») In Arnsberg fanden häufig Ratsfigungen ftatt (Fürjtenberg, Tage- 
bud S. 88 f.). Am 18., 19., 20. Juli „wie die Kriegßordnung im Landt zu 
halten und die jchlöffer notürftiglich zur Belagerung zu proviandiren“, jpäter 
wegen des Sclojjes Limburg. 


Parteigänger des Truchſeß. Schlacht bei Bremen. 941 


Barteigänger des Truchfeh. Martin Schenf und Cloedt in 
MWeitfalen. 


Im Mai des Jahres 1585 eroberte der Graf von Neuenahr 
durch unerwarteten, nächtlichen Überfall die feite Stadt Neuß. Zum 
Kommandanten derjelben machte er einen Adeligen, Hermann Friedrich 
Cloedt. Dieſer hielt durch weitausgedehnte Streif- und Raubzüge 
lange Zeit das Erzitift in Schreden. Gegen feine Gejellen war alles 
machtlos. Nur in Zülpich erfuhren fie eine Niederlage. — Schon 
bald nad) der Eroberung von Neuß hatte Neuenahr mit dem verwegenen 
Abenteurer Martin Schenf von Nideggen Unterhandlungen angefnüpft. 
Diefer gefellte fid) im Februar des folgenden Jahres zu Cloedt und 
unternahm mit ihm gemeinfchaftlih einen Raubzug nah Weftfalen. 
Sie zogen mit 500 Reitern und 600 Mann zu Fuß über Kettwig 
nad) Werl, wo fie in der Nacht auf den 27. Februar anlangten. In 
Arnsberg hatten die Räte, die Gefahr ahnend, umfaſſende Anordnungen 
zur Landesverteidigung getroffen und Berträge mit den Kriegsleuten 
abgeſchloſſen. Am 27. Februar wurde dann Ehriftoph von Plettenberg 
zum Oberften, Raben von Hanzleden zu feinem Lieutenant gemacht ; 
Koh. Wrede wurde Hauptmann auf Limberg, Joh. von Werminghaufen 
Hauptmann zu Werl, Buchholg Hauptmann zu Arnsberg. (Fürſten⸗ 
berg, Tagebuch ©. 91 f.) 

Die Stadt Werl wurde jedoch von den Feinden erobert. Die Er- 
oberung des Schlofjes mißlang zum Glücke Weitfalens; denn daran hing 
des Landes Schidjal. Joh. von Werminghaufen, der Schloßfommandant, 
erbat vom Landdroften PBroviant und BVerftärfung. Beides wurde ihm 
zugeführt. Dann erließ der Landdroſt ein Aufgebot an den Adel, die 
Städte und Dörfer, ſich zum Schute der Stadt Werl einzufinden. 
Bald jammelten fi in der Nähe des Fürftenbergihen Stammſchloſſes 
Waterlappe einige Landjaffen; der Adel war ſchwach vertreten. Die 
weiteren Ereigniffe jchildert Hennes (S. 155 f.) fo: 

„Schenk und Eloedt, nit Willens, fih in Werl einfließen zu 
laffen, verließen am 2. März, einem Sonntag, die Stadt und ftellten 
fi) bei dem Dorfe Bremen dem Feinde entgegen. Ihre Reiter teilten 
fie in drei Geſchwader; und griffen mit einen derjelben die weſtfäliſche 
Reiterei an, die nur fehszig Mann zählte. Dieje hielt dem Gegner 
Stand, ſchoß ab, wandte fi, um ihre Büchjen wieder zu laden und 
von nenem vorzugehen. Aber die Landleute hielten ihre Wendung für 
Flucht, wandten ſich ebenfalls, eilten in vollem Laufe davon. Alsbald 
waren ihre Haufen in Unordnung und Verwirrung; die feindlichen 
Neiter fprengten auf fie ein, fie wurden niedergehauen oder von den 


Féaur, Geſchichte Arnsbergs. 16 


242 Kurkölnifche Zeit. Beitalter der Reformation. 


Hufen der Pferde zertreten. Nur die von Arnsberg gefandten 
Bühjenfhügen, faum dreißig an der Zahl, ließen ſich von den 
Fliehenden nicht mit fortreißgen. Sie zogen in einen Hohlweg zurüd, 
wo bie Reiterei nicht auf fie einhanen fonnte, fchoffen von da aus an 
die vierzig Feinde nieder. Schenk, als er jo Biele von den Seinigen 
fallen jah, ritt heran, zog feinen Hut ab, und redete die Schüten etwa 
jo an: „Liebe Soldaten, ihr habt euch gehalten als wadere Kriegsleute. 
Ich Tobe euch darum; eure Tapferkeit habt ihr bewieſen; ihr jeht aber, 
daß die Eurigen gejchlagen find und das Feld geräumt haben. Ergebt 
euch nun; auf mein Wort, ich will euch halten, wie brave Soldaten 
e3 verdienen." Während er noch ſprach, zielte einer von ihnen, fehlte 
aber, traf nicht den Schenk, ſondern ſchoß einen, der neben ihm hielt, 
mitten durch. Erjchredt warf Schenk fein Pferd herum, ritt zurüd. 
Alsbald ſchoß ein Zweiter ihm eine Kugel nad), die durch das Hinter: 
teil des Sattel3 ſchlug und in Schenfs Oberſchenkel fteden blieb. Nie— 
mand wollte mehr den Schüten nahe fommen, unbejchädigt zogen fie 
ſich zurüd. 

Bon den weftfäliichen Edelleuten fielen Heinrih und Guntermann 
von Plettenberg und Meffart von Broch. Von den Bauern wurden 
280 auf der Wahljtatt tot gefunden: mehrere Tage lagen fie unbegraben 
unter freiem Himmel. Auc wurde von ihnen eine große Anzahl bei 
Neheim auf der Flucht in die Ruhr getrieben und ertranf. An die 
600 Landleute follen erjchlagen worden oder ertrunfen fein. Scenf 
und Cloedt zogen nad) Werl zurück.“ 

Glüclicherweife traf bald vom Rheine her die Nachricht ein, daß 
Claud von Barlaymont, genannt Hautepenne, mit großer Heeresmadht 
gegen Werl vorrüde. Daher zog Schenf mit großer Beute und mehreren 
Gefangenen (darunter Gerhard von Kleinjorgen), die er ſpäter gegen 
hohes Löfegeld freigab, nah Neuß zurüd. Nun hauften die Freibeuter 
wieder entjeglich im Rheinlande, bis der Herzog von Parma nad) der 
Eroberung von Benlo heranfam, Neuß belagerte und nach vergeblichen 
Unterhandlungen behufs friedlicher Übergabe im Juli 1586 nad) zwei- 
tägiger Beſchießung einnahm. Cloedt wurde erdroffelt. Das fiegreiche 
Heer wandte fih zur Entjegung Rheinbergs, wo Schenk mit einer 
ftarfen Bejagung lag. Schon Hatte die Belagerung begonnen, als die 
Vorgänge in den Niederlanden den Herzog von Parma zum Abzuge 
zwangen. Dieſe Wendung benutzte Schenk, um einen Anjchlag gegen 
Bonn zu machen. Durch kluge Lift bemächtigte er fi mit nur 300 
Mann der jchledht behiteten Nefidenz des Kurfürften (23. Dez. 1587), 
deſſen „Sorglofigfeit und Unthätigfeit" das Ungemach verjchuldete und 


Cloedt und Schenk. 243 


der ſpäterhin aus Furcht vor Schenk nahe daran war, in einen ſchimpf— 
lichen Waffenſtillſtand mit ihm einzuwilligen. Wieder waren es ſpaniſche 
Truppen, die ihn und Bonn aus der Not befreiten; im September 
1588 wurde die Stadt von Chimay entſetzt. Nun war noch Rheinberg 
in den Händen ſeiner Feinde. Von hier unternahm Schenk einen 
Schiffszug gegen Nymwegen. Wohl gelang ihm die Überrumpelung 
der Stadt, er ward aber von den verzweifelt ſich wehrenden Bürgern 
wieder zu den Schiffen vertrieben, deren viele, von den Fliehenden be— 
laſtet, ſanken. Auch Schenk ſprang nach vergeblichem Wüten und Toben 
gegen die Flüchtlinge mit ſeiner ſchweren Rüſtung in ein überladenes 
Fahrzeug. Dieſes ſank und Schenk ertrank. — Noch wurde Rheinberg 
von dem Grafen von Neuenahr und Oberſtein gehalten. Erſt als Karl 
Mansfeld mit größerer Kriegsmacht die Stadt belagerte und fie von 
aller Zufuhr abjchnitt, ergaben fi die Feinde, und Ernft zog im 
Februar 1590 in die eroberte Stadt ein. Jetzt erft fühlte er ſich, wie 
er jich in einem Dankſchreiben an den Herzog von Parma ausdrückte, 
als Erzbifhof von Köln und des Reiches Kurfürft. Sieben Yahre 
lang hatte der Kampf um das Erzjtift gedauert. Am 7. Dftober des— 
jelben Jahres 1590 fand auch der Graf von Neuenahr ein Flägliches 
Ende durch eine Pulvererplofion in Arnheim. 

Doch die Naubzüge der Niederländer nad) Weftfalen wiederholten 
fi; noch lange Jahre, wie die nachfolgende chroniftiiche Darftellung 
zeigen wird. Wir beginnen diejelbe mit dem Jahre 1586, um einige 
Ereigniſſe nachzutragen. 


Chroniſtiſche Darftellung der Ereigniſſe von 1586—1612, 
(Einfälle der Niederländer. Berordbnungen, Hofhaltungen und 
Sagden des urfürjten Ernjt. Jungfer Gertrud. Herenverfolgungen. 

Der große Stadtbrand von 1600 u. a.) 
1586, 

Im März wurden auf einem Landtage in Gejefe umfaffende 
Mafregeln zur Abwehr des Feindes geplant und zu diefem Zwede er- 
hebliche Geldmittel bereit geftellt. Der Landtagsabjchied, von dem fich 
eine Kopie im Arnsberger Archive befindet, giebt über das damalige 
Kriegsweſen einigen Aufſchluß. 

Der erſte Punkt betraf Unterhaltung eines an den Rhein „verſchickten 
Fähnleins don Knechten“. Die Stände hatten bereits früher dazu Mittel 
bewilligt, aber nur auf einen Monat. Dann hatten fie für drei Monate be- 
zahlt und jchlieglih dem Kurfürften 3000 Goldgulden verehrt. Trotzdem es 
num der Landfchaft unmöglich chien, das Fähnlein noch weiter zu unter- 
halten, wurden doch Abgeordnete gewählt, um ſich mit den Befehlshabern 
dejjelben zu vergleichen, 


16* 


244 Kurkölnifche Zeit. Zeitalter der Reformation. 


Zum zweiten genehmigt die Landichaft die Unterhaltung von 300 
Schanzengräbern, „den Rheinischen mit zum Bejten“, auf einen Monat, 
wozu dem Landesheren 1500 Boldgulden zugejchoffen werden. Es wird dabei 
auf die böfen Einfälle der legten Zeit vertiefen. 


Der dritte Punkt nimmt auf eine arnsbergifche Abmahung mit 
den „Bejtifchen” Bezug. Trotz der veränderten Umjtände foll diefelbe bejtehen 
bleiben und jollen die „Bejtiichen” vom Herzogtume unterjtüßt werden, aber 
fie ſollen auch ihrerjeit$ zur Hilfeleiſtung bereit fein. 

Der vierte (und der fechste) Punkt, der wichtigjte, war die Beratung 
über eine „gute Kriegsordnung” Da der damalige „SKriegsobrijt“ 
Chriſtoph von Plettenberg (S. 241) fein Amt niederlegte, fo wurde der Kur- 
fürft gebeten, einen nenen Oberjten zu bejtellen, und zivar einen Zandjafien, 
feinen Fremden. Zum Rittmeijter von 300 anzumwerbenden fremden Reitern 
wird Raben von Hanrleden vorgejchlagen, zum Rittmeifter der adeligen 
Landfaffen Diedrich von Bocholz (Buchholz)) zur Stormede. Diefer folle die 
Adeligen, jo oft als nötig, mujtern und zufehen, ob ihre Rüftungen 2c. aud) 
imftande wären, derart da fie jeden Augenblid fofort ausziehen könnten; er 
folle fie ferner, jo oft die Notdurft es erheifche, aufmahnen und wider den 
Feind führen. Die Adeligen follten dem Aufgebote mit jo viel tauglichen 
Pferden und Knechten Folge leiten, als der Anfchlag ihnen borjchriebe, und 
blieben jie Hinter diefer Zahl zurüd, jo follte eine entfprechende Zahl von 
Knechten und Pferden auf ihre Kojten unterhalten werden. ‘Die berührten 
Mufterungen jollte Bocholg mit den „Quartal und Muſter-Kommiſſarien“ 
vornehmen. Diefelben Männer follten aber auch darauf wachen, daß in den 
Städten und Ämtern alles in „guter Rüſtung und Bereitſchaft gehalten“ 
werde, und im Notfalle nicht allein der zehnte, fondern der dritte 
Mann gefaßt erjcheinen, das „Baterland“ zu erretten. Die Landjchaft bittet 
alsdann, auch die „ausländischen Lehenleute“ zur Rettung des Landes auf- 
zumahnen. An die Stelle der bei Neheim gefallenen zwei Duartal-Kommifjarien 
Guntermann bon Plettenbradht und Goddart von Schorlemer werden Henniche 
Schade und Remberdt von Schorlemer zu Hellinghaufen verordnet. An 
wichtigen Fällen tritt ein größerer oder Eleinerer Kriegsrat zuſammen, der 
aus dem Oberſten, den vier Kommifjarien, ſowie ſechs Kriegsräten (bier aus 
dem Adel, zwei aus den Städten) und, beim großen Rate, fünfzehn Depu- 
tierten (at aus dem Adel und fieben aus den Städten, nämlid Brilon, 
Rüthen, Geſeke, Werl, Attendorn, Arnsberg, Menden, Marsberg; Johann 
Graes für Arnsberg) beſteht. Diefen Deputierten und Näten wird bei 
höchſter „Straf' und Ungnaden, aud) Berlegung ihrer eigenen Ehren” ſtrengſte 
Verſchwiegenheit vorgefchrieben. 

Bum fünften bedauert die Landſchaft die Hebereilung der Stadt 
Werl und das fchwere Ungemach, das dem Lande daraus entjprungen. Die 
Stände überlafjen ihre Bejtrafung wegen ihrer Fahrläffigkeit, ſowie auch die 
Ahndung der Unterthanen und Städte, die fonft noch im Verdachte find, in 


1) Wohl ein Bruder des Kommandanten auf Schloß Arnsberg (5. 241), 
der Heinrich hieß. Diefer wurde nad) der Klojterchronif in diefem Jahre bei 
Nodentelgen von einem Räuber erichofien. 


Landtag von 1586. Arnsberger Münze von 1587. 245 


Worten oder Werfen wider Eid und Pflicht gethan zu Haben, dem gnädigjten 
Herrn. Ebenjo wünſchen fie unnachfichtige Beitrafung aller derer, die in der 
Erfüllung ihrer Kriegspflichten Läffig geweſen find. 

Zum fehsten wird die Anmwerbung von 300 fremden Reitern (f. den 
vierten Punkt) und 900 Fußgängern zur Befegung der Städte und Päſſe 
nah Anordnung der Kriegsräte befchloffen. Die Auswahl der Hauptleute 
wird dem Kurfürjten überlafien. Es follen ferner alsbald 150 Schanzen- 
gräber angenommen werden. Die Städte, die „Feine Befatung vonnöten“, 
follen fünf bis ſechs geringe Gefchüge, fo mit einem Pferde geführt werden 
können, liefern. Ferner follen die Städte fünfunddreißig, die Geiftlichen fünf 
Wagen mit Leitern und Ketten ftellen. 

Zur Dedung der Koſten wird befchloffen 1. eine Viehfteuer, vom Pferde 
1 gem. Thlr. 20.; 2. eine Abgabe (Zehnter) von den Gütern fowohl der 
einbheimifchen wie der auswärts Lebenden; 3. eine Afzife, vom Ohm Wein, 
der verzapft wird, */, gem. Thlr.; ebenfo vom PBranntwein, Bier, vom Korn, 
Salz, Blei, Eifen, Schieferftein (von einem Wagen zwei Schilling), von allem 
verfauften Vieh, von den fremden Krämern, die die Märkte befuchen ꝛc. 

Aus den weiteren Berhandlungen heben wir noch hervor die Ge— 
währung einer Ehrengabe an das ſpaniſche Kriegsvolk, das der gnäbdigite 
Herr gefchidt Habe, und durch welches der Feind zur Flucht gebracht fei. Das 
Nähere wird einer Kommiffion übertragen. 

1587. 

In den Monaten Januar, Februar, März und April refidierte 
der Kurfürft in Arnsberg und ließ durd feine Räte und den Bropft 
Gropper eine Unterfuhung über den Einfall Schenks in Werl führen. 
Auch im Dftober nahm Ernft an den Ratsfigungen in Arnsberg teil, 
wo fi) damals auch Deputierte von NRitterfchaft und Städten befanden. 
Es wurde über die Steuerfreiheit de8 Adel in puncto collectandi 
(Hinfichtlih der Schagung) verhandelt. Der Kurfürft hielt es mit dem 
Adel; doc) fiel der „Abſcheidt“ für die Nitterfchaft nicht günftig aus. 

In demjelben Jahre ließ der Kurfürft in Arnsberg Münzen 
ihlagen. Seiberg') bejaß in feiner Münzſammlung einen fchönen 
Doppelthaler, der auf der einen Seite das Bild des Kurfürften mit 
der Umſchrift: Ernest. D. G. arc. et Elector Col. West, et Ang. 
Dux, auf der Rückſeite das Furfürftliche Wappen mit ber Umſchrift: 
Mo. No. Argen. Arnsbergen. 87 trug. Der bei Weingärtner?) be— 
ſchriebene Thaler von 1587 zeigt diefelben Umfchriften. Der auf dem 
Averſe abgebildete Kurfürft wird hier fo dargeftellt: „Bärtiges Bruftbild, 
von der rechten Seite, mit Furzem, krauſem Haar, gefräufeltem Kragen 
in einem Oberrode mit Kragenumſchlag.“ Genau fo erfcheint Ernft auf 
einer herrlichen goldenen Medaille, die vor einigen Jahren auf 


1) Bol. Blätter 53. n. 8. W., 1864, ©. 17. 
2) Die Silbermünzen von cölnifch Herzogtum Weftfalen ©. 117 f. 


246 Kurkölnifche Zeit. Zeitalter der Reformation. 


dem Gute des Herrn J. Coſack zu Wildshaufen in den Trümmern 
des alten gräflichen und erzbiſchöflichen Schloffes dafelbft gefunden ift. 
Diejelbe ift augenjheinlih zur Erinnerung an die Wahl unferes Kur- 
fürjten gegofjen worden, denn fie hat die Umſchrift: ERNEST. ELECT. 
COLON. BAVA. D. 1583 (Ernestus Elector Coloniensis Bavariae 
Dux, Ernft, Kurfürft von Köln, Herzog von Bayern). Der Revers 
zeigt in zwei konzentriſchen Kreifen die Erihaffung der Welt und den 
Sündenfall (Anjpielung auf Gebhard Truchſeß?); oben thront das Auge 
Gottes, darunter fteht OMNIA ; rechts davon ift der Mond, links die 
Sonne, ringsherum im äußeren Kreife der gejtirnte Himmel abgebildet. 
In der Spite des inneren Kreijes wieder das Auge Gottes, auf der 
erhabenen Kreisfläche die Erdteile, Meere und Inſeln; rechts Eva, Adam 
den Apfel reichend. Das Ganze ift hoch Fünftlerifch ausgeführt und 
offenbar ein Goldguß, der nachher cifeliert if. Der Künftler hat fich 
in feiner Weife verewigt. Die beften Medailleure hatte in jener Zeit 
Nürnberg.) Der Goldwert der Medaille ift auf 42 Reichsmark ab- 
geihätt worden. 


Bei Weingärtner (a. a. D.) wird nod ein zweiter Arnsberger 
Thaler desjelben Kurfürften mit der Jahreszahl 1590 erwähnt. Die 
hier genannten Münzen find als die erften im Herzogtume auftretenden 
Thaler (Yoahimsthalge, zuerft 1518 in Böhmen geprägt) merkwürdig. 


Hier fei angeführt, was Seiberk (a. a. DO.) don dem Bergbau der 
anderen Kurfürſten erzählt: „Marimilian Heinrich hielt ji) bejonders 
gern zu Namsbed auf, wo er ein eigenes, fehr bejcheidenes Häuschen für 
ſich bauen ließ. Die meijten feiner Thaler find aus dort gewonnenem Silber 
geprägt. Clemens Auguſt fette die Ramsbeder Bleigruben in jtarken Be- 
trieb und ließ aus dort gewonnenem Silber Münzen prägen, von denen fich 
zwei in der Sammlung des Berfaffers befinden. Die eine davon, in der 
Größe eines Konventionsguldens, zeigt auf der Borderfeite das Bild des 
Kurfürjten mit der Umfchrift: CLeMens AUgUst BaVarJae x. auf der Rüd- 
feite unter der fortgejetten Umjchrift: WesphaLJae DUX IVre InstaVrabat 
die Namsbeder Berge. In den einen derjelben, den Dörnberg, fährt aus 
den Wolken ein Blig. Ein aus den Wolfen hervorragendes Bud) wird durch 
die Buchſtaben B. DO. als Bergordnung bezeichnet. Der andere, der größere, 
zeigt einen offenen Stollen, aus dem ein Bergfnappe Erz auf die Halde 
fchiebt. Auf der Spite des Berges ficht man eine Schachtwinde, mit daran 
bängendem Kübel; daneben jteht der aufgerichtete bayerische Löwe, in der 
rechten Pranke ein Schwert mit Balınztveigen, in der linken ein Buch mit 
den Budjtaben B. O. Haltend; aus dem Maule gehen ihm die Worte: 
Glück auf. Am Bordergrunde luſtige Bergleute, ein Wagen mit Pferden, 
ein Knappe mit Schubfarren und eine Erzhütte. Die Unterfchrift ift: Argent. 
Pur. e Fod. Westf. Die Zahlbuchſtaben der Umfchrift ergeben das Jahr 


) Erman, Deutſche Mebdailleure des 16. und 17. Jahrhunderts. 


Sauerländifche Münzen. Die Jahre 1587 und 1588. 247 


1754. Die andere Kleinere Silbermünze zeigt auf der Vorderfeite den ver- 
Ihlungenen Namenszug Clemens Augujts, auf der anderen oben die Jahres— 
zahl 1759, darunter West. Fein Berg Silber und darunter Schlägel und 
Eifen.” (Borjtehendes iſt Weingärtner entgangen.) 

Bon der Licbhaberei des Herzogs Ernſt für den Bergbau erzählt das 
Tagebud Kafpars don Fürftenberg. Er beſuchte don Arnsberg aus häufig 
die Bergwerfe zu Endorf, auf der Ronardt und zu Stachelnau. ©. 271: 
„Ich (Fürſtenberg) reite umb mittag nad) Olpe, befinde dafelbjt daß Ihre 
Churf. Durchl. uf der Kupferhütten fei, wo ich nicht werde underfhomen 
fönnen, benachte alfo zu Olpe.“ Am nächſten Tage: „morgens umb 4 Uhren 
reite ich zu Ihrer Chr. D. uf die Hütten”; nach gehaltenem Rath „ziehe ich 
mit Ihrer Ch. D. big uf die Oberen Beifchede?. (S. 271): „Ach gehe mit 
meinem gnädigen Heren uf das Bergkwerd Ronardt genent, befichtigen ſolchs 
und die genge aufgehen, Ihre Ch. D. chen dabei zu Stachelna zu mittag, 
Gehen darnadher widderumb uf Olpe.“ Der Kurfürjt war daher fogar den 
Olpern Bergleuten gegenüber nachfichtig bezüglich der verbotenen proteftantifchen 
Religionsübung. — Fürjtenberg ſelbſt betrieb ein Bergwerk bei Hunden. — 
An der Eder waren Goldwäjchen in Betrieb: „Ederifch golt“; ein Stüd „diejes 
Fritzlariſchs golts“ verehrte Fürstenberg einjt dem Bifchof Theodor von Pader- 
born als Merkwürdigkeit, wofür der Bifchof fich freundlich bedankte. (S. 122; 
368.) Die Grube bei Faltenhagenllieferte ganz „rein und Arabijch golt“, mie 
Meifter Andreß in Paderborn und der „Probierer? in Mejchede anerkannten. 


1588. 

Nach der Einnahme Bonns durd) Schenk eilte der Rat Fürften- 
berg jogleid) nad) Arnsberg, wo er die ganze Megierung verjammelt 
fand. „Das war ein angftvoller Jahresſchluß; am Neujahrstage 1588 
hatten die Räte faum Zeit, Meſſe zu hören. Sie traten jchon früh 
morgens zufammen, um zu beraten, „wie Weftphalen für Schenken einfall 
zu behüten und die Veſtungen zu verwaren ſeien.“ Am 6. Januar 
wurde Fürftenberg, der eben nad) Bilftein zurückgelehrt war, abermals 
nad) Arnsberg und zwar „uf die Mufterung” befohlen. Am 10. machte 
er im Paderborn für die Negierung in Arnsberg eine Anleihe. Dort 
erhielt er im Februar Nachricht, die Schenkiſchen hätten Neheim ein- 
genommen, das Klofter Dlinghaufen und alle Edelhäufer außer feinem 
Schloß Waterlappe geplündert, zwölf Jungfern von Olinghaufen ge- 
fangen nebft 301 Dienern, vielen Rindern ꝛc. Am 22. fehrte der Rat 
über Werl auf Arnsberg mit guter „Confoi“ (Dedung) zurüd. Am 
24. Februar wurde Nat gehalten, wie den Schenkiſchen „excursionibus 
zu begegnen die Reuter ufzumanen und ferner fußfold anzunehmen, 
Gott mag ſich des elenden dissidii (Zwietracht) unter den Reedhen 
(Räten) erbarmen, Contentio uter eorum esset maior („Einer will 
mehr wifjen, als der amdere”)." Der Einfall wiederholte ſich zu— 


nächſt nicht. 


248 Kurkölnische Zeit. Zeitalter der Reformation. 


Am 23. Mai wurde wieder in Arnsberg „Rat gehalten. Der 
Prinz von Chymai und Propft von Gent bitten Schanzengräber, Pulver 
und Pot. Mein gnädiger Herr will dem Herzog von Jülich Limburg 
wieder einräumen, et alia satis taediosa (und andere recht verdrich- 
liche Dinge)“. 

„1588 ift eine ſehr böfe Zeit gewejen; es hat bdreiundzwauzig 
Wochen geregnet; im Dezember find auch erſchreckliche Winde gewejen, 
jo viele Türme und Häufer umgeworfen." (Kloſterchronik.) „Den 
18. Juni fing die Peft in Arnsberg zu graffieren an und raffte jehr 
viele Leute fort. — Bon dieſem Jahre an ift die jogenennte fieben Uhr 
Meffe in der hiefigen Stadtkapelle eingeführt worden, welche bis auf 
den heutigen Tag noch gelejen wird.“ (Hüſer.) 


1589. 
Schenk hält bis zu feinem Falle alles in Schreden. — „Vom 
15. Juli bis den 27. Auguft trat ein ſolches unaufhörliches Regen: 
wetter ein, daß fat die ganze Ernte verfaulte.” (Hüfer.) Gegen Ende 
des Jahres langte der Kurfürft zu längerem Aufenthalte in Arnsberg an. 


1590. 

Bon Arnsberg zieht der Kurfürft am 3. Januar zum Yandtage 
nad) Rüthen und beſucht von dort aus mit großem Gefolge den Biſchof 
von Paderborn, der ihn mit Pomp empfängt. Darauf fehrt er nad) 
Arnsberg zurüd. Der Graf und die Gräfin von der Mark find in 
jeiner Begleitung. Die Gräfin gebiert auf dem Schloß Arnsberg einen 
Sohn; der Biihof von Paderborn wird „zu gefattern gebetten, und 
der Graf von Tengen und ich (Fürftenberg) halten das Kindt. Dicken 
Abendt wird im beifein vieles Frauenzimmers, nova et antehac in- 
comperta, guter luft und zech gehalten". Einige Tage nachher bringt 
ein Lakai des Bischofs von Paderborn „gelt und jchreiben zu verchrung 
der Grävinnen von der Mark Kindbetterinnen". 

Am 19. Februar zog Kurfürft Ernft von Arnsberg mit „wenig 
Räthen und Reifigen" nad Münfter und „benachtete“ zu Werl. Dort 
wohnte er den Verhandlungen des Landtages in „NReligiong- und Kon— 
tributionsſachen“ und vielen Gaftereien bei. Als Ernft am 11. März 
auf Werl zurüdfehrte, war die Gegend wieder unficher; er hatte deshalb 
ftärfere Bedeckung bei fich. Abends wurde auf dem Werler Schloß 
tapfer gezeht. Fürſtenberg begab fi in feine Heimat. Der Kurfürft 
30g wieder nad) Arnsberg, wie aus den Lehnsaften hervorgeht. (uUrkk. 
v. 20. und 30. März). Noch im April weilte er hier und erließ der 
Stadt Arnsberg am 13. in Rückſicht auf die treuen Dienfte, die fie 


Ernſt. 1588-1595. 249 


gegen den entjegten Truchſeß geleiftet, und auf die großen Beſchädigungen, 
welche die Stadt während diefer Unruhen erlitten, ſowie zur Entſchädi— 
gung für ein zu feiner nem angelegten Schneidemühle abgetretenes 
Grundftüd bis auf Widerruf die Wein- und Bier-Accife und zwei 
Malter Hafer, die die Stadt von der Hude de8 Scherenberges jährlich) 
zur kurfürſtlichen Kellnerei zu liefern hatte. 

Die fchredensvollen Einfälle der Niederländer dauerten an. ALS 
Fürftenberg im Juni nad) Arnsberg entboten war, lanerten ihm vierzig 
Freibeuter anf; er wurbe zeitig gewarnt und ging nad) Werl. 

Am 6. Juli wurde die Erbland- Bereinigung zwiſchen dem 
Kurfürften Ernft, dem Domkapitel und den Landftänden erneuert. In 
diefer Form wurde diefelbe von allen fpäteren Kurfürften beftätigt. 
Unter den Städten, die ihr Siegel an dieſe Urkunde hängten, ift Arns— 
berg an jechster Stelle erwähnt. Die Fatholifhe Religion wird als 
verfafjungsmäßig janftioniert. 

1591. 

Am Neujahrstage rücdten die Truppen Oberfteins, nachdem fie 
im Paderbornſchen entjeglich gehauft und den Biſchof zur Flucht genötigt 
hatten, ins Herzogtum Weſtfalen. Fürftenberg z0g am 7. Januar 
nach Arnsberg, das er bereit3 am folgenden Tage wieder verlieh, um 
fih nad) Werl zu begeben. Hier waren die Räte in Unterhandlungen 
begriffen. Man kaufte fi für 10000 Rthlr. (!) von der Brand» 
Idatung los. Auf einem Yandtage in Arnsberg am 22. Auguft wurden 
dem Herrn 10000 Rthlr. bewilligt. Die Eurfürftlichen Kommiffare hatten 
30 000 beansprucht. — In diefem Jahre ftarben der Lizentiat Klein: 
jorgen und der Landkomtur Nevelingk von der Rede. 

1592 und 1593 

verftrichen ohne bejondere Ereigniffe. Die Raubzüge der holländichen 
Freibeuter bejchränften ſich aufs Paderbörnſche. 

1594 
nahm der Kurfürſt bauliche Arbeiten am Arnsberger Schloſſe vor. 
Da er ſich deswegen in Geldverlegenheit befand, ſo entlieh er von 
Bernhard Wrede zu Reigern an 1000 Goldgulden, wofür er ihm u. a. 
die Burg Hachen verpfändete.) 

1595. 

Die holländiſchen Freibeuter machten das Land wieder unſicher. 
Die Witwe des Grafen von Neuenahr verlangte von dem Herzogtume 
26 000 Thlr. Entſchädigung für Verluſte im Truchſeß'ſchen Kriege. 


) Seiſſenſchmidt: Die Burg Hachen (BL. 3. n. K. W. 1864, ©. 83 f.) 


250 Kurkölnifche Zeit. Zeitalter der Reformation. 


Schon im Januar begannen die Einfälle. Wieder wurde Olinghauſen 
heimgeſucht. Die Abtiſſin, Fürſtenbergs Schweſter, flieht von dort 
nachts nach Arnsberg. 15. Februar: Arnsberg. „Meine Schweſter 
die g. F. zu Herſe zeucht ufs ſchloß Arnßperg mit ihrem geſindt, Mein 
h. Lantdroſt hat uns alle zu gaſte ꝛc.“ Nach längeren Beratungen und 
Verhandlungen mit dem Feinde wird am 7. März cin Yandtag zu 
Arnsberg gehalten und die Propofition „eröffnet von wegen den 26 000 
Rthlr. Brandtihag. Die Nitterfchaft willigt 3000 zu zahlen ein, mit 
fürbehalt ihrer freiheit". — 8. „Die Städt halten fih in erlegung 
ihrer gebürniß gans ungefchidt und unwillig.“ — 9. „Dißen tag werden 
alle Artikul verglichen, aljo daß zu den 3000 Thlrn. (der Ritterichaft) 
die Stett 5500 willigen, der geiftlichfeit 1500 und dem platten Yandt 
12 000 (!) ufgelacht (auferlegt).” 

Am Ende des Jahres ging das Leid von neuem wieder an. 
Fürftenberg ließ ein paar Strolde aufgreifen und ſchickte zwei nad) 
Arnsberg in Gewahrjam. Dort Ratsverfammlung und Yandtag Ans 
fangs Dezember (4.—9.). Währenddem werden Rüthen, Erwitte und 
andere Drte ausgeplündert. Man bejchlieft Rüftungen; aber am 17. 
zogen die Freibeuter über die Lippe zurüd. 

1596. 

Am 26. Juni kam ein „jchreiben von Jonaßen Ludowigs von 
diefer Yandtichaft, der von wegen der Staten 25 000 Reichsdaler furderte, 
odir Execution mit den Lunten“. Die Herbeifhaffung des Geldes ver: 
jette die Stände und Unterthanen in große Not, „haben von unjerer 
Obrigkeit geringen troft". Yebteres ift wohl ein Stid auf des Kur— 
fürften Unfähigkeit, der, wie die Lehnsaften beweifen, damals in Arns— 
berg refidierte. Er hatte das Schloß einige Jahre nicht aufgejudt; 
jet werden feine Beſuche wieder regelmäßiger. 

1597. 

Kurfürft Ernft fommt am 24. April mit achtzehn Pferden und 
„ſunſten vielen umbleufern“ nad) Bilftein als Gajt feines Rates Fürften- 
berg und reitet am 27. weiter nad) Arnsberg. Hier ftellt er am 29. der 
weitfälifchen Nitterfchaft das Privileg aus, morganatifdye Ehen ein- 
zugehen, eine Gunftbezeugung für Fürſtenberg, der mit der nichtadeligen 
Anna Bufjen eine zweite Ehe jchliefen wollte. 

Auf dem Arnsberger Yandtage (17. Auguft bi8 8. September) 
folgte man mit ängftliher Spannung den Nachrichten über die Ver: 
wüftungen der Holländer im Veſte Redlinghaufen u. a. 

Als am 15. September die Räte in Arnsberg zufammenfamen, 
war daſelbſt „die Peſtilentz Hardt eingerifjen”. 


Aungfer Gertrud in Hirfchberg. Die Peit 15%. Jagd. 251 


Zum Reichstage in Regensburg entjandte der Kurfürft feinen 
treuen Rat YFürftenberg; er jelbjt 309 e8 vor, auf dem Scloffe Arns— 
berg Hof zu halten und dem edlen Waidwerf obzuliegen. (Urk. 1036 
bei Seiberg, vom 21. Dezember: Ernft vergleicht ſich mit der Stadt 
Werl wegen des Münzrechtes und der Brüchten.) 


1598. 

Auf dem Regensburger Reihstage gab ſich Fürſtenberg vergeblich 
Mühe, dem jo fehwer Heimgefuchten Herzogtume eine Erleichterung der 
Neichsfteuern zu erwirken. Der Kurfürft Ernft verlebte den Nenjahrs- 
tag, den Januar und Februar in Arnsberg. (Urkunden vom 1. und 3. 
Januar, 4. Februar.) Im Sommer finden wir ihn in Hirſchberg; 
Fürſtenbergs Tagebuch thut hier zum erften Male der Yungfer Ger: 
trud Erwähnung. 13. Mai. Unterwegs „spreche ich zum hirkberge 
den Jägermeiſter Geißperger und Jungfer Gerdraut von Pletten- 
berg ahn, werde in beiden Küchen gar woll tractirt, und läßet mir 
Jungfer Gerdraut ſeltſame heimliche brief jeden”. — 23. Juli. „Ich 
zihe zu meinem geftr. Churf. und Hern nad Hirkperg, finde ein voll 
und toll wejen daſelbſt.“ Die Überfiedelung des Kurfürften nach Hirſch— 
berg hing diesmal vielleicht damit zujammen, daß in Arnsberg wieder 
die Pet ausgebrochen war. Hierauf weift folgende Urkunde hin, die für 
die Jägerei merkwürdig ift: 

Wir Ernjt von Gottes Gnaden ꝛc. Empieten unfern Adelichen nach— 
benannten Wejtphalifhen Landfaflen unfern gnädigiten Grueß und fuegen 
denfelben hiemit gnädigjt zu willen demnach wir Fürhabenß fein in itiger, 
unferer diefer Oertter (Gottlob) glüdlicher wieder Ankunft auf den Grentjen 
unfers weſtphäliſchen Wildtpanß etliche Abjachden zu thuen, und da aus 
Mangel der leidigen Seuche der Pet, jo umb und bei unferm Zeug: 
hauß zu Arnsberg hefftigh graffiret, unfer Zeugh derivegen zu ge 
brauchen Scheugh tragen, und Ahr mit dienftlichen Wildgahrn und Yagd- 
bunden verjehen, alt Iſt an euch zufampt unſer gnädigſtes Anfinnen und 
Begheren, Ihr wollet zeigern in feinem angieben Bölligen glauben beimefien, 
auch Un mit eueren Wildtgarn und Jachthunden und ein Jeder Inſonder— 
heit mit Zweyen darzu Fundigen Dieneren, einen fo auf die Gharn, der 
Andere fo auf die Hunde warten follen, gegen den Erjten Augufti anhero 
überbringen und ſolche Abjachens abzuwarten verhelffen laſſen. Solches fein 
wir gegen einen Jeden Inſonderheit ggit. zu erkennen gemeint, und Pleiben 
ohne daß denfelben mit allen Gnaden beigethan. 

Urkundt Unfers Handtzeihen nnd aufgetrudten Sekretz, jo gegeben 
auff Unſerm Jachthaus Hirtpergh, den 22ten Juli Anno 1598. 

Ernſt Ehurfürjt 
Hertzogh in Wejtphalen 

Borzuzeigen Bei der Frauen zu Olinkhaußen. H. Landtchumpthuren 

Everhardt von Hanzleden. Frau don Hollinfhoven — Wrede zu Reigern 


252 Kurkölniſche Zeit. Zeitalter der Reformation. 


Holdinghaufen zu Berge — Chriftoff von Plettenberg zu Lenhauſen umd 
Johan Wrede zu Meljchede. 
1599. 


Den Neujahrstag feierte der Kurfürft Ernjt wieder auf Schloß 
Arnsberg. Alle Gemüter feſſelte wachjende Bejorgnis vor den Einfällen 
der Spanier, die bereits im Vorjahre Weftfalen erſchreckt hatten. 
Fürſtenberg wurde am 1. Januar vom Kurfürften „in hochangelegenen 
ſachen der Landſchaft“ nad) Arnsberg gerufen. 5. Jan.: „Ich zihe uf 
Arnsperg, finde dafelbft die Neeth und Deputirten alle beieinander, Wir 
liggen alle zufamen mit Knechten und pferden ufm Schloß und werden 
dajelbft verpfleget.” — 6. „Uf die fürgegangene Propofition, fürnemlich 
des hijpanischen Kriegkfolds einlegerung, und daß mein gfter her dagegen 
eine Salvaguardi erhalten, wird rath gehalten, und zur Dandbarfeit 
meinem gſten bern eine Schagung verwilligt." — 7. „Wir berathſchlagen 
viel andere Landt- und Partheienfahen, fonderlih under andern mit 
bezahlungh des Reſts der Statiſchen odir Neuwenariſchen Eontribution.“ 

Infolge der Sauvegarde blieb das Herzogtum nun von jpanijcher 
Einquartierung frei, während die übrigen weftfälifchen Länder hart davon 
bedrüdt wurden. Zur Vertreibung der Spanier vom Reichsboden wurde 
ein Heer von 16 000 Mann unter dem Grafen Simon von der Lippe 
ins Feld geftellt. Dieſer Feldzug verlief höchſt unrühmlich. Als der 
Oberſt Landgraf Morig von Heſſen nad) Übergabe der zuchtlofen Truppen 
an den Grafen Simon in die Heimat zurüdfehrte und die Stadt Atten- 
dorn um ein Nachtlager für fi und fein Gefolge bat, wurde ihm dies 
von Seiten der Etadt verweigert (6. Juli). Sie mußte fi) deshalb 
beim Kurfürften verantworten, der damals wieder (oder noch) in Arns— 
berg Hof hielt. 10. Juli. „Mein gfter her hält in der Perjon vadt 
von wegen außſchließung des h. Yandgraff Morigen für der Stadt 
Attendorn. Sie (die Attendorner) entſchuldigen ſich, wie fie beft mögen. 
Mein gfter her ift zu mitternadht uf und reitet nad dem Stift 
Münfter.” Zur Unterfuhung wurden vom Kurfürften Kommiſſare 
ernannt. Die Sache zog fid) in die Länge. — 2. Auguft. „Der 
hiſpaniſcher gejanter fumbt zu Arnsperg ahn, Wirdt von meinem 
giten Ehurf. (der aljo inzwijhen von Münfter zurücgefehrt ift) gehördt, 
Wir müffen darnacher ſtarck mit Ihrer Dit (Durdlaudt) und dem 
Gejanten drinfen." — In den nächſten Tagen fanden Beratungen ftatt, 
ob Durchlaucht das Amt eines Oberften des weftfäliichen Kreijes an- 
nehmen jolfe oder nicht „über 20 000 zu roß und fuß“. — Am 1. Scp- 
tember erlich Ernft in Arnsberg eine Judenordnung (Scotti, Edikten- 
jammlung; ſ. w. u.) Auch in diefem Jahre haufte im Sübderlande die 
Peft; über Arnsberg liegen Feine bezüglichen Nachrichten vor. 


Die Spanier 1599. Der große Ztadtbrand von 1600. 253 


1600, 
ein jchwarzes Jahr in Arnsbergs Geſchichte, ein böjer Beginn eines 
neuen Jahrhunderts. 

Die ftaatifhen Freibeuter fingen ihr Raubwejen wieder an. Am 
12. Januar begab ſich Fürftenberg nad) Arnsberg, um an den Rats— 
figungen teilzunehmen. Es gelang diesmal, die Päſſe an der Lippe zu 
verteidigen. 

Der Kurfürft Ernft eridien im Februar in Arnsberg. Am 5.-—7. 
nahm er in Olinghaufen an der Verlobungsfeier der Anna von Fürften- 
berg, einer Tochter jeines Rates, mit Georg von Dienhaujen teil. — 

Das Ereignis des Jahres ift der große Stadtbrand am 
28. Mai. Hierüber finden fid) folgende Nachrichten: 

„1600 ift die Stadt mit dem Nathhaus, Thürmen und Pforten 
dur einen am Tage der allerheiligjten Dreifaltigkeit (den 28. Mai) 
entjtandenen Brand außer zehn oder elf Häujern, dem Lemper-Thurm 
und dem Wahthaus gänzlich abgebrannt und aller ihrer Siegel und 
Briefe verluftig geworden. Der Brand war bei einem ftarfen Winde 
jo verheerend, daß auch der bereits ergriffenen Burg der Untergang 
drohte; dieje wurde aber durch das Herbeigeeilte Kanzleiperfonal nod) 
glücklicherweiſe gerettet. 

Über diejen Brand wurde folgendes Chronogramm gefertigt: 

qVIntVs VbI ILLVXIt IVnII soL ante CaLenDas 

est tota In fragiLes arnsberga reDaCta faVILLas.“ 

(Als die fünfte Sonne vor dem 1. Juni ftrahlte, ift ganz Arnsberg in 
zerbredhliche Ajche verwandelt worden.) (Hüjer.) 

„1600 am Feſte Trinitatis brammte die ganze Stadt Arnsberg 
ab. 70 Familien fanden hier im Kloſter ihr Obdach. Der Biſchof 
Theodor von Baderborn ſchickte den Abgebrannten achtzig Scheffel Weizen 
und Hafer.“ (Klofterchronif.) 

Im Stadtardive befinden fih über den Brand folgende 
Aftenjtüde: 

1. Ehrliches unauslöſchliches Memorial etlicher gütter vornehmer 
Herren Edelleut und Leutt, Landihaften, Stetten, Freyheitten und yleden, 
was von denjelbigen off öffentliche fürjtlihe Patenten dero im Erzjtifft 
Cölln Weftvälifcher Provintz gelegener Stadt Arnfpergh, welche anno 
1600 umb ein uwer (Uhr) bis uff ungefehr fünff den Abend dur ein 
liederliches Unglück angeſtecket ꝛc. verehrt worden. 

Bon den Gaben ſeien erwähnt: Philipp von Meſchede 10 ſRithlr., 
Stadt Köln 335", Nthlr., Stift Paderborn 50 Rthlr., Domkapitel 


954 Kurkölnifche Zeit. Zeitalter der Reformation. 


dafelbft 15 Rthlr., die Kaiferliche reihe Statt Dortmund 400 
Rthlr, Münfter 78 Rthlr., aus Märfiihem Hamm 100 Rthlr., 
Camen 28", Rthlr.) 

Die in diejen für damalige VBerhältniffe zum Zeile nicht un- 
bedeutenden Schenkungen bethätigte Nächftenliebe ift ein Lichtpunft in 
jenen Zeiten des kraſſen Egoismus. 


Daß aber der Yandesherr, der damals vielleiht in der Nähe 
weilte — im Juli ift er in Hirfchberg, fpäter vergnügte er ſich in der 
Salwei an einem Scießjpiele —, fi) irgendwie großmütig erwiejen 
hätte, wird nicht berichtet. Er verwendete fich bei der Stadtverwaltung 
aber für feinen Burggrafen, al8 diefer bei einem Neubau ſich mit feinen 
Stieffindern nicht verftändigen fonnte. 

2. Der „Auszug aus dem Notizbuhe Anton Blanfenbeils, 
gewejenen Richters dero Stadt Arnspergh“ giebt Auffhluß über die 
Entjtehung des Brandes. „Anno domini nostri Jesu Christi 
1600 am Sonntag der h. Dreifaltigkeit, ift gewejen der 28. Monats 
Mai, um 1 Uhr nad) Mittag hat ein unerzogener Soldatenjunge, eines 
Trommelſchlägers verlajjener Sohn, jo allhie da8 Brot um Gottes 
Willen gebeten, und aljo bis ins 16. Jahr ungefährlich erzogen, und 
um Gottes Willen erhalten worden, und auf dieje Zeit der Wittiben 
und Erben wailand Johann von Hörde, genannt Menge, die Kühe ge- 
hütet, eine Schlüſſelbüchſe gehabt, damit feine Leichtfertigfeit getrieben 
und in gedadhter Erben Mengen Hofe hinter dem Haufe gejdhoffen, aljo 
daß durch etlihe Schüffe und Yeichtfertigfeit der Erben von Hörde 
Scheune und Behaufung erftlih mit Feuer entzündet und zu brennen 
angefangen. Der Junge, jo den Schuß gethan, ift ex timore et metu 
(vor Furcht und Angjt) aljobald davon gelaufen und dieweil auf der— 
jelben Zeit das angefangene Feuer und Brand durd den Wind ge- 
trieben, die Oberhand genommen, auch durch Mangel Waffers und 
Volks nicht hat gerettet werden Fönnen, jo ift die ganze neue und alte 
Stadt am jelbigen Tag zwiſchen ein und ſechs Uhren mit Rathhaus, 
Thürmen und Pforten abgebrannt, alfo jämmerlid in den Grund ver- 
dorben worden. Allein ift der Lempß Thurm und Pforte und ein 
Heiner Thurm, die Schildwacht genannt, und wenig alfo ungefähr 10 
oder 11 Kleine Behaufungen des Drts unvergebrannt ftehen blieben. 


1) Henningh don Eſſen, der Bürgermeijter de8 Jahres 1602, befuchte 
den kranken Gogreven bon Attendorn, erhielt dort Beſuch von den Bürger: 
meijtern don Attendorn, Olpe und Drolshagen und befam von diejen 100 
Rthlr. für die Stadt gejchentt. 


Der große Stadtbrand 1600. 255 


Das Churfürftliche Schloß hat auch an vier Ortern zu brennen ans 
gefangen, iſt aber durch etliche Kanzleifchreiber und andere in Eil 
zugelaufene Hausleute mit großer Macht und Gewalt gerettet worden.“ 

Blanfenbeil berichtet weiter, daß er mit Kind und Kegel, wie jo 
viele andere, im Klofter Wedinghaufen Zuflucht gefunden hätte. 


Aus K. v. Fürftenbergs Tagebud: „Sonntag den 28. Mai. 
Nahmittags umb ein uhr verbrendt die gante Stadt Arnspergh durd) 
ein plötlich angehendt feuer in den grundt, alſo deß nichts pleibt, Ich 
mit meinen pferden und dienern kaum außfhommen fünnen. Auch mit 
mühe das Schloß, weldyes underjchiedlich (an verſchiedenen Stellen) an- 
gangen umd feuer entfangen, faum erhalten wirbt. Bone Jesu, weld 
ein elendt. Mein Nentmeifter hat großen jchaden. Der Math, Depu- 
tirten umd ich müffen die folgende nacht zu Wedinghaufen benadhten. 
Gott erbarme ſich über das arme fold, welchs nichts aufgebracht hat. 

29. Mai. „Ich geben den verbrannten 80 Mütt voggen und gerften, 
von der Waterlap abzuholen, zu bathe." 


Den 10. Juni wurde eine Berfammlung der Räte und Depu- 
tierten, ftatt in Arnsberg, in Hüften abgehalten, „von wegen des elen- 
digen Arnspergijhen brandts, und wie den armen leuten zu helfen“. 
Die Räte fanden fein ordentlid Unterfommen in Hüften: „Wir müffen 
die Nacht scamnum (Schemel, Banf) declinirn.“ 


Am 30. Juni ftarb der alte, verdiente Landdroſt Graf Eberhard 
von Solms. Die Stelle desjelben wurde unter Ernft nicht neu be- 
jegt. Negierender Bürgermeifter in diefem Jahre war Volmar von 
Stockhauſen. ALS derjelbe 1602 plöglich jtarb, war die Rechnung nicht 
ganz in Ordnung; an den beigeftenerten Geldern fehlten 41 Rthlr. 
„Dieweil er ein frommer, ehrlicher Mann gewejen und der Stadt treu 
gedient”, ließ man es der Wittib nad. Die Stadt erhob fid) langjam 
wieder neu aus dem Schutte. Das erfte, was fie erneuen lieh, 
war ihr Siegel (für acht Gulden vier Schillinge). Bald wurde das 
Rathaus nebft dem Weinhaufe neu errichtet. Auch das Marienbildchen 
(„unfer lieben Frawen Haus“) am Rathauſe wird erwähnt. Eine große 
„Leuchte aufs Rathaus Eoftete drei holländifhe Thaler und mußte 
in Soeft gefauft werden. — Dann wurde das Wafferhaus und 
der Glodenturm wieder aufgebaut. Letzterer war 1604 fertig. 
Die Uhr wurde in Soeft beftellt. Der Uhrmader, der herüberfam, fie 
aufzuftellen, erhielt außer der Koft zwei „Daler“. Zum Gehufede 
(Gehäufe) des Uhrwerfes wurde ein Fuder „ſchnidden Holzes" und ein 
Fuder „Dellen“ angefahren. Der Uhrmader Micjael, der 1607 bie 


256 Kurkölniſche Zeit. Zeitalter der Reformation. 


Weijer an die beiden Uhrjcheiben gemacht, erhielt acht Gulden; der Hof- 
maler Ihrer Churf. Durchl. Michaell, jo die beiden Uhrſcheiben bemalet, 
dreizehn Gulden neun Schilling. Die Scheiben ſelbſt Fofteten drei 
Gulden. Die Sorge für die fertige Uhr, die häufig mit „Baumoligh“ 
(öl) behandelt wurde, hatte einer der „Scholemejter” gegen Kleines Ent- 
gelt. Auf der Höhe de8 Turmes wurden vier Kleine Wachthäuſer an- 
gebracht, die man auf den alten Stadtbildern deutlich bemerkt. Die 
Herjtelung der übrigen Thore und Türme zog fi) nody mehrere Jahre 
hin. 1606 wurde das Hauptthor, die Klojterpforte nebſt Turm, 
gebaut. Die „Aufbörung” (das Heben) de8 Turmes dauerte drei Tage, 
in denen der Meifter Kajpar von Hüften mit feinen Geſellen auf 
Stadtkoften ſich gütlih an Bier und Efjen that. Im nächften Jahre 
mußte Beter der Leyendeder den Turm „latten und decken“ für 33 Thlr. 
Für den „Pfutz“ (puteus, Kump) auf dem Markte wurden 50 Thlr. 
ausgeworfen. Man begann die Neparatur der „Lennep-, Oller-, Bord, 
Schutte-, Vogels- und Pütteporten”. Zu einer neuen Orgel in Weding- 
haufen ftiftete die Stadt zehn gemeine Thaler. 1609 ergab ſich, daß 
für den grünen Turm und an den „alder Pforten” 653 Gulden ſechs 
Schilfinge verausgabt waren. Bor legterer wurde ein neues Wachthaus 
gebaut. Jetzt kamen die Stadtmauern an die Reihe; der Maurer: 
meifter, der den erjten Stein dazır legte, erhielt 2"), Gulden. Ein 
„Rotmeifter” wurde zur Beauffihtigung der Arbeiter beftellt. Der 
„grone Torn“ war nod) nicht mit Schiefer gedeckt; dieſe Arbeit Foftete 
81 Gulden. In der alten Stadt wurde der „Wafferfump” repariert. 
Für Pfeiler und Mauern an der Bogelspforte wurden 18 Fuder 
Steine angefahren. Mehrfach werden die Kaufhallen am Rathauſe 
erwähnt; e8 wird für die „niederfte Halle vor 3"/, Gulden ein Schloß 
gemacht, vier Fuder Holz und Leinen" dazu angefahren, die Wände 
mit Kalt geweißt. Für die „oberfte" Halle wird ein höheres Stand- 
geld bezahlt.") 

Die Einnahmen der Stadt in diefen Jahren betrugen: 1601 (das 
Rechnungsjahr geht von 1. Dft. 1600 bis 1. Dft. 1601; dies ift aud) 
bei den folgenden Angaben zu berüdfichtigen): 8094, Gulden (Aus— 
gabe 800 Gulden); 1602: 1375 ©. (U. 1366 ©.); 1603 ?; 1604: 
1544 ©.; 1605 ?; 1606: 2727 ©. (U. 2324); 1607: 2786 ©. 
(A. 2780), ©.); 1608: 2257 ©. (X. 2266 ©.); 1609: 2310 ©. 
(A. 2298 ©.); 1610: 2240 ©. (N. 2242 ©.); 1611: 2386 ©. (A. 
2385 ©.); 1612: 1920 ©. (A. 2169 ©.). 


1) Oben (S. 83) wurde die Eriftenz der Hallen zutreffend bernutet. 
Die Belege haben wir erjt jpäter gefunden. 


Ernjt. Neubau der Stadt. 1601. 1604. 957 


Negierende Bürgermeifter: 1600 Bolmar von Stodhanfen; 1601 
Arndt; 1602 H. v. Eſſen; 1604 Dr. jur. utr. A. Schuber; 1605 
Schuber; 1606 und 1607 H. v. Efjen; 1608 Schuber; 1609 Schuber; 
1610 ımd 1611 9. v. Ejjen; 1612 Schuber. 


1601 
fanden wieder Einfälle der Holländer ftatt. Auf einem Landtage zu 
Neheim wurde ein Vergleich geichloffen, infolge deſſen diefelben vorläufig 
eingejtellt wurden. — Daß der Landtag im benachbarten Neheim ftatt- 
fand, hängt wohl mit dem Brande von 1600 zufammen. Auch berichtet 
Fürftenberg in diejem Jahre von feinen Natsfigungen und fürjtlichen 
Bejuchen in Arnsberg. — Am Sonntage Trinitatis wurde des großen 
Drandes wegen eine Prozefjion gehalten; biefelbe findet feit diefer Zeit 
alfjährlicd) bi8 auf den heutigen Tag ftatt. Die Stadt zahlt dazu nad) 
dem Etat jährlid 1,60 Mark. 

1604. 

Für Beſuche des Kurfürften in den Jahren 1602 und 1603 
finden ſich feine Belege; dod jagt cr im einer ungedrudten Urkunde 
dieſes Jahres, daß er „etlihe Jahr her Hoflager in Weftfalen conti- 
nuirt”. Am 15. April erließ er zu Gunften der Schulen in Arn$- 
berg folgende Verordnung: Da die vor vielen Jahren von den Grafen 
von Arnsberg gejtifteten und jpäter von der furfürftlichen Kellnerei 
entrichteten PBräbenden für zwölf arme Leute nicht mehr in der von 
den Stiftern beabfidhtigten Ordnung verliehen und genofjen worden, 
daß nur Eingejeffene von Arnsberg von gutem Lebenswandel und 
fundiger Armut zum Genuffe der Stiftung gelangen follen; da e8 ihm 
ferner jehr angelegen jei, überall im Erzjtifte durch gute Schulen eine 
Hriftliche und nügliche Erziehung der Jugend zu befördern, und da bie 
Stadt Arnsberg wegen des unglüdlichen Brandes nicht imftande jei, für 
ihre Schulen die nötigen Schuldiener zu unterhalten, jo wolle er ber 
Schule zwei von jenen Armenpräbenden übertragen und verordnen, daß 
die Kelinerei joviel Geld und Korn, als zu diefen gehöre, an die Schule 
entrichte. Für diefe Schenkung folle im Beifein der Schuldiener und 
aller ihrer Diszipeln zweimal des Jahres an bejonderen Tagen in der 
Stadtkapelle Mefje gelefen werden zum Gedächtniſſe der Fundatoren 
und ihrer Nachfolger. Gegeben auf dem Haufe Arnsberg. — Aus 
Fürſtenbergs Tagebuch: 19. März: „Der Landtjchreiber zu Arnfperg 
ihreibt mir, daß die Delbrügger im Stift Paderborn von den Alter- 
irten jemmerlich gejchlagen fein.“ Gemeint find ſpaniſche Meuterer in 
holländischen Dienften, die damals eine Geißel Weftfalens waren. Dod) 
blieb das Herzogtum verjhont: am 24. März wurde beraten „wie 

Feaur, Geſchichte Arnsbergs. 17 


258 Kurköfnifche Zeit. Beitalter der Neformatiort. 


Churf. Durchl. für die freihaltung von den Alterirten Dankbarkeit zu 
erweijen, wie dan geſchieht“. Bom 17. biß 22. November fanden 
Ratsfigungen in Arnsberg ftatt, bejonders darüber „wie den Statijchen 
ein» und überfellen ettwas zu ftenern”. Während diefer Tagung „hatte 
Jungfer Gerdrutt die Neethe den 19. Mittags zu gafte gehabt, 
Sein dajelbft gar Iuftig gewejen, daß weiters mit radtſchlagen 
nichts außgeridt“. 
1605. 

Anfang Yanıtar: Ratsfigungen in Arnsberg. Fürſtenberg be- 
merkt: 14. Jan. „Jungfer Gerdrant fit mir vom Schloß Wein 
und underjchiedliche remedia (Heilmittel) heraber gegen meine Schwach— 
heit." — 15. Yan. „Ich gehe nachmittags ufs Schloß zu Jungfer Ger- 
drauten, werde daſelbſt woll entfangen und mit Faſan und Pajteten 
verehrt, die von Lüttig khommen.“ In diefem Winter veranftaltete der 
Kurfürft große Treibjagden. Er fing nämlid in den Arnsberger Wäl— 
dern insgejamt 503 Eber, 32 im Eichholze, die er lebendig zwijchen 
Neten durch die Stadt zum Scloffe treiben ließ. (Klofterhronift) — 
Der Kurfürft erwarb zu diefer Zeit das Eigentum am „Yandsberger 
Hofe“, der wahrjcheinlidh dur den Brand von 1600 zerftört war, und 
baute demnächſt dafjelbft der Jungfer Gertrud ein Schloß (ſ. w. u.) 


1606. 

Diejes Jahr brachte Ernft wieder großenteil3 in Arnsberg zu. 
Im Lande herrichte Unficherheit, auf dem Schloſſe — fröhliches Leben. 
Fürftenberg fchreibt: Yan. 11. „Zeitung von Arnsperg, das Kriegkfold 
(die Holländer) fei widerumb zu Untorf über die Lippe gezogen. Das 
Herzogtum verjuchte „eine ritterliche Defensiv-hilf mit mühe anzuordnen". 
Aber eine nad) Arnsberg auf den 29. Januar „anbeftimbte tageleiftung 
fonnte wegen der ftarf anzihenden Statijchen nicht fürgenglid) werden“. 
27. Febr. fam Nachricht vom Kurfürften, „daß fünf Compagnien Statijche 
das haubt (Haupt) hierher, gegen das Amt Bilftein, ftreden..... 
28. Febr. „.... Ich jchreib ahn Ehurf. Durchl. und bitte Hilf und 
troſt.“ — 1. März „erhalte Antwort uf mein Schreiben; umb Arn$- 
perg liggen auc drei Compagnien bderjelben reuter, ER jei gegen fie 
für dißmal nichts fürzunehmen, man müße gedult haben, Miseria, 
Miseria!" — Am 4. fam Nachricht, daß „ihrer bei Neheim an die 
zwanzig erſchlagen fein“. — Am 13. famen wieder Statiſche von Pader- 
born nad) Weftfalen. Der Kurfürft hielt vom 11.—14. eine Rats— 
verjammlung in Arnsberg ab und „willigte fie auß mit 1300 Reichs— 
thaler". Von da an hatte das Land eine zeitlang Ruhe. 


Kurfürſt Ernit. Einfälle der Holländer. Aungfer Gertrud. 259 


Im April reifte Fürftenberg in einem Sechsſpänner, den Ernft 
von Arnsberg geſchickt Hatte, als Bevollmächtigter des Kurfürften nad 
Mainz. Am 15. traf er wieder in Arnsberg ein und pflog mit dem 
Kurfürften wichtigen Nat; es handelte fi (wie in Mainz) um die 
Schließung der fatholijchen Liga. In einer damaligen Ratsfigung brachte 
der Kurfürft in Vorſchlag, die weitfäliichen Landftände mit dem rhei- 
nischen Landtage zu vereinigen. Dem widerjette ſich Fürftenberg mit 
Hinweifung auf die Erblandsvereinigung. Im Juni reiften beide nad) 
Ems, wo mit den übrigen geiftlichen Kurfürften in Sachen der Liga 
verhandelt wurde, und Yürftenberg troß eines Fiebers dem Rate aſſi— 
ftieren mußte. Im Auguft war Ernft wieder in Arnsberg. Am 1. Oft. 
erließ er hier eine Verfügung mit Verhaltungsmaßregeln gegen bie 
wütende Bet. (Scotti, Ediktenfammlung.) In demjelben Monat be- 
gannen die Einfälle der Statifchen wieder, und Fürftenberg wurde vom 
Kurfürften nach Arnsberg beſchieden, um Beichlüffe zu faſſen, „wie die 
Statijhen Einfelle und plünderungen zu vemediiren und kann ſchir 
wenig erſprießlichs erdacht werden“. 


„Der Jungfer Gertrud, jagt Pieler (S. 275), welde wir 
früher in Hirſchberg, auf dem Schloſſe zu Arnsberg und zu Höfling- 
hofen angetroffen haben, geſchieht auch in diefem Jahre mehrfach Er- 
wähnung. Sie vermodte viel beim Kurfürften. Auf feinen 
weſtfäliſchen Schlöfjern jtand fie dem Hausweſen vor und zwar mit 
Umficht und Treue. Das große Schlüfjfelbund an ihrem Gürtel, welches 
wir auf einem hübfchen Portrait von ihr früher im Saale des Lands— 
bergſchen Hauſes jahen, und welches dem gejpenftergläubigen Ohre nod) 
zu Beiten in ihren Gemädern erklingt, deutet auf ſolche Hausmeifter- 
ihaft." (Ein ander rtrait, welches aus dem Brande des Lands— 
bergichen Hofes am 5. April 1856 gerettet wurde, ift im Befite des 
Berlegers dieſes Buches und ftellt Yungfer Gertrud in Lebensgröße mit 
ihrem Sohne, dem Prinzen Wilhelm, dar, beide die ſymboliſche goldene 
Kette haltend.)?) „Der weftfälifche Adel, die Näte und wer fonft am 
Hofe verkehrte, alle begegneten ihr ſehr achtungsvoll und erfreuten fich ihrer 
Gunſt. Ahr und des Kurfürften Sohn Wilhelm begegnet uns in diejem 
Jahre öfters. Er ift ein erwacjjener Yüngling, faft immer um den 
Kurfürften; jo bei deſſen Aufenthalt im Bade Ems." ALS Fürftenberg 
von dort an den Mainzer Hof entjendet wırrde, fuhr am 11. Mai „Wil- 
helmus de Hollinghoven mit uf Main”. — 25. Mai, Ems. „Dein 
gnedigfter Her (von Eöln) hatt post coenam in deambulatione (auf 

1) Siehe Harbert, Gedichte S. 172. 

20» 


250 Kurkölniſche Zeit. Zeitalter der Neformation. 


dem Spaziergang nad) der Mahlzeit) als mit Limpurgf und de statu 
coniugii (über die Verheiratung) mit Ihrer Durdl. Sone Wilhelmo, 
et quid Caesar in eo egerit et agat (und was der Cäjar darin ge- 
than habe und thue), im gnedigjtem vertrawen mit mir geredt und 
meines raths begert, Videbatur cum Comitatu Limpurgensi nıagis 
ad filium quam ad Comitem Ritpergensem inclinare“ (Er ſchien 
mit dem Komitat von Limburg mehr zu feinem Sohne als zum Grafen 
von Rietberg zu neigen). — 26. „Ich rede mit Dno Wilhelmo 
Serenissimi filio wegen einer Privat-Angelegenheit — pollicetur suam 
operam“ (er verjpricht jeine Hilfe). — 3. Auguft. Zu einer Nats- 
verfammlung im Arnsberg berufen, „pleib daſelbſt abents in der Ser: 
berg, Mein gfter Her laſſet mir durch derfelben Son Dominum 
Wilhelmum beſuchen“. — 6. Arnsberg. Dom. Wilhelmus jagt mir, 
daß er bei Churf. Durdf. vigilirt hab meiner Söne einem ein bene- 
ficium zu Münfter zu wege zu bringen. 
1607. . 

„1607 im Januar iſt gewejen ein großer Überzug und Einfall 
der Statijchen oder holländiichen Reiterei, über 2000 ftarf, in die Graf- 
ihaft Arnsberg und das Amt Menden, haben ihrer 200 in der Freiheit 
Hüften zwei Nächte gelegen und die Leute gar hart bejchaget und 
folhes in Anwejenheit und Anjehen des Ehurfürften, fo 
in Arnsberg war. Sie find den 22. Januar allzumal über zwanzig 
Kompagnien jtark zu Hüften über die Brücke gezogen und dann weiter 
nad) dem Stift Paderborn. Einige von ihnen kamen der Burg von 
Arnsberg jo nahe, daß man den EChurfürften Ernft ermahnte, fie mit 
Gewalt zurüczutreiben. Uber er antwortete: „Schlagen wir den 
erften, wer ſchlägt den legten?"" (Klofterdronif.) 

Zürftenberg notiert zum 24. Januar: „es handle übell umb 
Arnßperg, Hüften und Neheim herumberher; die Schweftern zu Dling- 
haufen feien mit den jümptlichen Junfern dajelbft verwichen (entwichen) 
uf Arnsperg.” — 25. „Mein gnedigjter Her verſchreibt mid) in hoch— 
wichtigen jachen uf Arnßpergh gegen negſt Dinftagh einzukhommen“. — 
29. „Haben die Kriegßleute fie (die zurücgefehrten Nonnen) alle im 
Klofter ertapt, haben denjelben 300 Reicysthlr. geben müßen ...“ — 
31. Jan. Ratsverfammlung: Die Märkiſchen haben ein Bündnis zur 
Landesverteidigung angeregt ; die „Vergleihung wird den Paderbornijchen 
zugejchrieben und ihr resolution erfurdert“. — 2. Februar, Lichtmeß. 
„Dein gnedigfter her zihet uf Wedinghaufen zum Gottesdienft und alle 
Neethe mit, Efjen alle zu mittagh bei Ihrer Ehurf. Durdl. Die 
Märkiſche Reeth rejolviren fic) gegen negft Montagk zu Dortmundt 


Ernit. 1607. 1608. 261 


an- und einzufhfommen, Solchs wirdt alspalt den Paderbornifchen zu- 
gejchrieben." — Das Los machte Fürftenberg zum Delegierten nad) 
Dortmund, wo die Bergiichen, Veſtiſchen ꝛc. gemeinſchaftlich berieten. 
Das Refultat der Beratung war Anjegung eines neuen Tages. Am 
9. Rückkehr nad) Arnsberg mit „Confoi* wegen der Unficherheit. Hier 
war auch der Amtsverwalter des Veſts Redlinghaufen angelangt. Diefer 
wurde aufgefordert, wegen der „Union“ fid) mit den Veſtiſchen zu be- 
nehmen und fi) „neben ettlihen derhalb gegen morgen zu acht Tagen 
wiederumb zu Arnsberg einzuftellen". Am 12, reitet Fürſtenberg ſchwer 
befümmert von Arnsberg nad) Bilftein zurüd. Zu den ftatiihen Ein- 
fällen famen in diefem Winter noch große Schneefälfe, Überſchwemmungen 
und die Peſt. Am 19. März kam Fürftenberg wieder nad) Arnsberg, 
„Finde Ehurf. Durchl. dafelbft . . . reden mit mir von der Midder- 
lendijchen pacification ..“ Die Friedenshoffnungen verwirklichten ſich 
nit. Auch die auf einem Deputiertentage in Arnsberg, 3.—5. Mai, 
bejprochenen militärischen Maßregeln gegen „die ftreufenden rotten“ 
blieben ohne Erfolg. 

Der Kurfürft weilte im Sommer und Herbft bald in Arnsberg, 
bald in Hirſchberg. Hier erlich er am 19. Auguft!) an den Arnsberger 
Magiftrat ein Verbot, den Jahrmarkt der eingeriffenen Peſt und daher 
zu beforgender Gefahr halber abzuhalten, jedoch unbejchadet innchabender 
Privilegien und hergebradhten Gebrauchs. Anfangs Dezember hielt er 
mit feinem Sohne Gaftereien in Arnsberg ab. Fürſtenberg, der anfangs 
daran teilgenommen, mußte am jechsten als furfürftlicher Gefandter zum 
Reichstage nad; Regensburg fahren. Er benutte Pferde aus dem fürft- 
lichen Marſtalle in Arnsberg. 

1608, 

Fürſtenberg feiert die Hochzeit feines Sohnes Friedrich, des 
Stammhalters. Zur Heimbringung der Braut auf Schloß Bilftein 
erfcheint au, der Sohn des Kurfürften, Wilhelm. Der Kurfürft fendet 
von Arnsberg einen Hirſch. — Am 3. Juli ſchickt ihm „Churf. Durchl. 
eine Gutſche (Kutſche) von Arnsberg, um ſich mit derjelben nad) Ander- 
nad), da die geiftlichen Churfürften zufamen fhomen werden, einzuftellen“. 
— Am 26. Oftober „Zeitung kumbt ahn, Jungfer von Bletten- 
berg jei mit todt zu Arnßperg abgegangen”. Vielleicht war 
der Kurfürft anweſend. — Die Sage erzählt da8 Ende der Gertrud 
anders: Im Scloffe zu Brühl, wo Gertrud in Einfamfeit gelebt 


) Stadt-Arhiv. — Eine zweite dajelbjt am 27. Auguſt ausgejtellte 
Urkunde betrifft Erlaſſung des Bürgergeldes für den kurfürſtlichen Haus— 
pförtner in Arnsberg. 


262 Kurkölniſche Zeit. Zeitalter der Reformation. 


habe, jei fie von Verwandten des Kurfürften umgebradt, um dem ver- 
botenen Umgange ein Ende zu machen. In der Naht erſchien fie dem 
auf Schloß Arnsberg weilenden Gebieter, indem fie aus dem unterirdifchen 
Gange mit Laterne und Schlüffelbund hervortrat. Noc heute hört man 
jie zuweilen mit den Schlüffeln Hirren und fieht ihren Schatten vorüber- 
jiehn, der „schön und lieblich anzuſchauen“.) Der Torſo auf dem 
Schloßberge ftellt wahrſcheinlich die Gertrud dar; der (bayerifche) Löwe 
jheint darauf hinzumeifen. — Die Stadt verehrte in diefem Jahre 
ihrem „gütigen Herrn” einen Rofenobel (engl. Golddufat mit Schiff und 
Roſe auf der Vorderſeite), weil fie „bis anhero mit Schatungen über: 
jehen". (Stadtardjiv.) 
1609. 

Bom 9.—13. März fanden Natsverfammlungen in Arnsberg ftatt. 
„Ich thue Ihrer Durchl. Relation aller Verhandlungen, darnacher reden 
Ihre Ehurf. Durchl. von geheimen des Reichs und der Kai. Maj. an: 
liggen, gehen zujamen auf des Yegermeifters Staudinger Kindtauf ... 
Ihre Shurf. Durchl. erpieten fi) hohe zu mir, ſchier viel zu ftard 
und mehr als ich werdt bin.“ — 29. März erhielt Fürftenberg vom 
Kurfürften die Aufforderung, einer Zufammenkunft in Wipperfürth zwiſchen 
dem Kurfürften und dem Koadjutor Ferdinand (Ernſts Nachfolger) bei- 
zuwohnen; am 31. fam „ber Gutjchen von Arnsberg ahn“. Es handelte 
ji um die Lande Jülich, Kleve ꝛc. Am 3. Auguft ſchickte der Kurfürft 
aus Arnsberg einen „ſchönen feiften Hirſch“ zu einem Familienfefte 
Fürſtenbergs. Bald nachher mußte der an Podagra Franke Ratsherr 
den Kurfürften nad) Mainz begleiten, wo die katholische Liga geſchloſſen 
wurde gegen bie proteftantifche Union von 1608 wegen des mehrerwähnten 
geiftlichen Vorbehalts. 

„1609 war nirgends in der Nachbarſchaft Eichelmaft als im Eich— 
holze. Hierdurch angelodt fammelten fid) dort ungefähr 27 Eber. Der 
Kurfürft Ernft bat, fie nicht zu beunruhigen, ließ jeine Netze von hier 
bis zum Schloſſe jpannen und alle darin fangen.“!) (Kloſterchronik.) 

Mit diefem Jahre ſchließen Fürftenbergs Tagebücher, doch finden 
fi noch foldhe von feinem Sohne Joh. Gottfried vor, aus denen wir 
nod einige Daten entnehmen werben. 

Für das Jahr 1610 liegen Feine Nachrichten vor. 


1) Harbert, Gedichte S. 168 ff. 

2) Diefer merkwürdige Yang fällt wohl in den Januar 1607 „Als 
Ehurf. Durdl. die wilden Schweine hinder dem Klofter Wedindhaußen ge: 
fangen, dazu die Bürger geholfen, denen felben verehrt eine Tonne Bieres“ 
(Stadt-Archiv). Vgl. übrigens 1605. 


Ernjt. 1609—1611. Herenglauben. 263 


1611. 

Im Januar und Februar Hielt Ernft in Arnsberg Hof und 
präfidierte auf einem Landtag. Am 30. Oftober reifte er mit Fürften- 
berg zum Kurfürftentage in Nürnberg. 

Die Zeit des Kurfürften Ernft und feines Nachfolgers Ferdinand 
ftand umter dem Zeichen des gräßlihen Herenglaubeng. Ernſt 
erlich eine von Ferdinand ergänzte Herenprozefordnung Das 
Tagebuch Fürftenbergs, der aud von dem Wahne feiner Zeit erfüllt 
war, erzählt mehrere Inquiſitionen. Diele Fälle aus Rüthen und 
Geſeke führt Seiberk, Urk. III, auf. 1611, erzählt der Klofterchronift, 
„wurde ein Weltlicher, Meier und Organift in unferem Klofter, nad) 
dem Prozeffe als ein Zauberer verbrannt. Ob mit Net oder Un— 
recht, mag Gott wifjen. Übrigens war er ein äußerlicd) frommer Dann. 
Denn jeden Samstag führte er die Armen nad Rodentelgen (vergl. 
S. 170) und ließ dort eine Meſſe leſen“. — In der Nähe der Stadt am 
„Diden Bruche“ (Schumacherskopf) wohnte fpäter der al8 Herenrichter 
befannte Dr. Heinrih von Schultheiß, wejtfäliicher Nat und Advocatus 
fisci.!) Diefer ſchrieb u. a. „Eine außführliche Jnftruction, wie in In— 
quifition Sachen des grewlichen Yafters der Zauberey, gegen die Zau— 
bere, der Göttlihen Majeftät und der Chriftenheit Feinde, ohne Gefahr 
der Unjchuldigen zu procediren. Zu Ehren der heiligften Dreyfaltig- 
feit, des einigen wahren Gottes, der reinen Jungfrawen Marien, der 
Mutter Gottes und aller Heiligen, aud zu Dienft aller chriftgläubigen 
Obrigfeiten und Liebhaberen der Gerechtigkeit, in Form eines freund: 
lichen Geſprächs geftellt, durch Heinrihen von Schultheiß, beyder Rechten 
Doctorn, Churfürftl. Cöllniſchen Raht des Fürſtenthumbs Weftphalen, 
darin die augenscheinliche Demonftration der göttlichen und peynlicher 
Fragen, auch ſchöne herrliche discurjen, motiven, und wahre Underrid)- 
tung über die vornembfte Buncten, die in der fchwerlichften und gefähr- 
lichſten inquifition Sachen der Obrigkeit, auch Gerichtsperfonen und 
Beichtvattern bedenklich fürfallen mögten, begriffen feyn. In Eölln zu 
finden bei Hinrih Berchem auffm thumbhoff in der Quenteley anno 
1634 sumptibus authoris, gedrudt bei Gißbert Element auff dem 
Catzenbuch bey der Würpfelpforgen 4." 

Ceiberg bemerkt zu diefer Schrift: „Der weſenloſe Gegenftand, 
der darin vergeblich zu einem gehaltreihen Syftem gebildet und in 
dieſem feftgehalten zu werden verjucht wird, zerflieht dem Verfaſſer 
jedesmal in trüglichen Nebelgebilden, wenn er ihn zu faffen vermeint, 


1) Seiberk, Weſtf. Beiträge 3. deutſchen Geſchichte IT 126. 


264 Kurkölniſche Zeit. Zeitalter der Reformation. 


und der ängftliche Stoßjeufzer, den er oben an jede Seite des Buchs 
hat druden laffen: clementissime Jesu illumina intelleettum meum 
(„milder Jeſus, erleuchte meinen Verftand ") jcheint ſelbſt zu beftätigen, 
mit wie wenigem Vertrauen er ein an ſich ungerechtes Verfahren durd) 
rechtloje Formen gegen die gerechten Anklagen der unter den Streiden 
diejer Juſtiz gefallenen Opfer zu jhügen unternahm.“ Unterhalb des 
Mearienbildchens am jtädtiichen Rathauſe findet fi ein Stein ein- 
gemauert. Dies ift der „blaue Stein", auf dem, wie Bender in 
der Geſchichte Rüthens erwähnt, die Heren in Arnsberg hingerichtet 
wurden. Der Ridhtplat für die Unglüdlihen war außerhalb der Stadt. 
Der „blaue Stein" ift in jpäterer Heit an der erwähnten Stelle 
angebracht. 
1612. 

Im Winter weilte der Kurfürſt wieder in Arnsberg, wahrſchein— 
lih dem frohen Waidwerf ergeben. Noch am 7. November erließ er 
hier ein auf die Juden bezüglidhes Edilt. Da ereilte ihn auf der arx, 
qua maxime delectabatur („der Burg, die er am meiften liebte”, Vogt 
von Elspe) am 17. Februar der Tod. Die Leiche wurde einbaljamiert 
und in feierlihem Pompe nad) Köln geleitet; die inneren Zeile wurden 
in der Kloſterkirche beigefett (am rechten Seitenaltare). In der Stadt 
wurde 30 Tage „Churf. Durchl. lobſeligſt Gedechtnuß“ geläutet. Ernſt 
war nad) dem Zeugniffe des Chroniften dem Klofter Wedinghaufen ſtets 
ein wohlwollender Gönner gewejen. Derjelbe nennt ihn weiter „einen 
großen Liebhaber der Jagd, einen Freund und Beförderer alles Guten 
und Edlen“. Wir haben feine Beranlaffung auf die Kritif dieſes Lobes 
näher einzugehen. Jeder kann fi nad) dem dargebotenen Stoffe leicht 
ein Bild von den Schwächen und Tugenden dieſes Fürften maden. 
Dem benfenden Lejer wird nicht entgangen fein, daß die Art und Weife, 
wie die Sage feine Beziehungen zur Jungfer Gertrud deutete und 
änderte, in gewiffer Weife zugleich ein Urteil des Volkes enthält. Von 
Ernftens Anhänglichkeit an feine weftfäliiche Reſidenz fpricht fein Porträt 
in DI auf dem Fürſtenſaale des Arnsberger Rathauſes. Dasjelbe er: 
öffnet die Galerie der lebensgroßen Bildniffe unferer Landesherren. 


Dritter Abſchnitt. 





Innere Geſchichte der Stadt Arnsberg in kurkölniſcher 
Zeit.) 


Die Quellen der ſtädtiſchen Verfaſſung. Statuten nebſt Morgen- 
ſprache von 1608. 


Quellen der ſtädtiſchen Verfaſſung find 1) die alten Statuten 
(Nottuln) von etwa 1450. Diefelben find bereit3 S. 166 ff. mit- 
geteilt, weil fie mehr für die Zeit ihrer Entftehung charakteriſtiſch, als 
für unjere Erkenntnis der Verfaffung wichtig find. 2) Die nad) dem 
großen Brande niebergejchriebenen Satzungen nebft Morgenſprache. 
3) Die in fpäterer Zeit in den Sitzungen des Magijtrates nad) und 
nad) gefaßten Beichlüffe (Conclusa), Als wichtigste Duelle kommt 
Nr. 2 in Betradtt. 


Nachdem im Brande von 1600 alle Siegel und Briefe der Stadt, 
„darin deren privilegia, löblihe Ordnung, Gewohnheiten und anderes 
Recht und Gewohnheit begriffen geweſen“, vernichtet worden waren, 
traten am 25. Nov. 1608 Bürgermeifter und Nat, nebjt Richtleuten 
und Ausſchuß der vier Ämter (ſ. w. u.) zu einer neuen Feſtſetzung des 
ſtädtiſchen Rechtes zuſammen. Dieſe Satzungen wurden in ein vom 
„Weinhendler Conradus von Eſſen uff das Rathauß ao. 1607" geſchenktes 
Buch eingetragen, welches das Statutenbuch oder auch das „Goldene 
Buch“ genanut wird (Seib. 1039). Da ihr Inhalt in die Darſtellung 


1) Mit dem Jahre 1600 beginnen die regelmäßigen Nachrichten des 
Archives. Die Kenntnis der inneren ſtädtiſchen Verhältniſſe iſt für das Ver— 
ſtändnis der folgenden Perioden notwendig. Deshalb iſt der Abſchnitt an 
dieſer Stelle eingeſchoben. 


266 Kurkölnifche Zeit. Innere Gefchichte der Stadt. 


der nachfolgenden Kapitel jelbjt zum großen Teil verwoben ift, fo be- 
gnügen wir ung hier mit einer kurzen Überſicht und einigen Auszügen.!) 


$ 1. Bürgermeiftertvahl. Das daran fih anjchließende Gelage wird jo 
befchrieben: „Nach gethaner Elektion wird die ganze Bürgerfchaft nebjt ihren 
Hausfrauen gegen vier Uhr um Abends Zeit zum Weingelag aufs Rathaus 
berufen, bringt ein jeder feine Gerichte mit, aber der alte Kämmerer muß 
das Brot verſchaffen, auch für den neuen Bürgermeifter und die geladenen 
Gäſte anrichten und jolches in Rechnung bringen. Was alsdann nach Ab— 
zug der Geſchenke unbezahlt bleibt und folgends am felbigen Abend nad 
des neuen Bürgermeijters Heimbringung in deſſen Behaufung an Wein ver- 
than wird, hat die Stadt altem Herkommen nad, jederzeit abtragen müſſen.“ 

$ 2. rafenbegängnis am Tage nad) der Bürgermeiſterwahl (S. 102 ff.), 
an das ſich ein Mahl beim Abte von Wedinghaufen fchlieht, zu dem die Stadt 
den Wein giebt und dem Koch etwas verehrt. 

$ 3. Ratswahl am Tage vor St. Urfula. 

$ 4. Morgenſprache auf St. Urfula. 

$ 5. Vorbereitung der gravamina durch die Ämter. 

$ 6. Wahl, Thätigkeit und Bezahlung der Schottherren. 

$ 7. Beamtenwein. 

8 8. Beamtenbejoldung. 

$ 9. Ein regierender Bürgermeijter hat den Schlüffel zum Armen- 
geld in der Kirche zu Wedinghaufen. Dasfelbe wird jährlich einmal unge: 
fähr vierzehn Tage dor Chrittag dur die „Proviſoren“ gedachter Kirche 
daraus genommen, gezählt, aud) durch Secretarium verzeichnet und folgends 
den Armen entweder Tuch oder Schuhe dafür gefauft nach Gutachten der 
Bürgermeijter und Kämmerer. 

$ 10. Der regierende Bürgermeijter hat den Schlüffel zu dem Echreine, 
in dem der Stadt Siegel, Rechnung und andere briefliche Urkunden enthalten 
find. Siegelgeld. 

8 11. Synodus (Sendgericht) in Wedinghaufen (S. 111 f.). Wer ji 
durch ein Urteil beſchwert fühlt, muß diefes „folgends entweder vorm Stird)- 
hofe unter den Linden oder aufm Rathaufe durch den Worthalter vortragen“. 

$ 12. Rechnungslage feitens der Probiforen der Bfarrlirche und der 
Stadtkapelle auf St. Marei Tag mit nachfolgendem Weingelage: gleichzeitig 
Wahl der Armenprodijoren. Viermal im Jahre, nämlich vor einem jeden 
Hochzeitenfejte wird „für die verjtorbenen Wohlthäter der Armen auf der 
Stadtkapelle Meſſe gelefen, nachher den Armen Brot, Bier, Sped, Butter 
und Käſe ausgeteilt und zugleich aud) dem Herrn Pastori und Schulmeijtern 
ihr Gebühr behändet”. 

$ 13. Den vier Ämtern wird bei ihren jährlichen gewöhnlichen Zus 
ſammenkünften eine Tonne Bier verehrt. 

$ 14. Abnahme der Stadtrehnung um ein Uhr nachmittags vor St. 
Michaelis. Abends wird ein jtattlic) „Gaſtbott und Weingelach“ gehalten. 
(Diejes wurde zwar 1620 abgefchafft, lebte aber fpäter dennoch wieder auf.) 








) Aus demfelben Grunde empfiehlt es fich, dies Kapitel nad den 
folgenden zu lejen. 


Statuten von 1608. Goldenes Bud). 267 


8 15. Der Bürgermeijter hat für feine Mühe eine Stadttwiefe, am 
Lasbeke Wege gelegen, zur freien Benußung. Er, der alte Bürgermeijter, 
beide Kämmerer und der Sekretär bezichen aus Stadtgulden zuſammen vierzig 
Gulden. 

$ 16. Alle viertel Jahr tvird mit dem Weintoirte Abrechnung („Ikung“, 
eigentlih Aichung) gebalten, daran jchliegen ſich Gelage auf Stadtkoiten, 
„dazu auch andere gute Herren mitberufen werden“. Auch befommen alsdann 
die jtädtifhen Beamten ein gewifles Quantum Wein verehrt. „Weil num 
angedeutetes Weingelag der Stadt nad) erlittenem, hochſchädlichem Brande 
faft beſchwerlich geweſen, ijt verabjchiedet, daß folches der Stadt zum Beiten 
unterbleiben, aber die übrigen Punkte Hinfüro, wie oben gemeldet, altem 
Herfommen nad gehalten werden jollen.“ 

8 17. „Sit von Alters hergebracht, daß dem binner Weinkeller zwei 
Schlöffer gehangen, und hat zu dem einen der neue, zu dem anderen aber 
der alte Bürgermeifter jederzeit den Schlüffel gehabt. Wie dann auch zu den 
Schlöffern, fo inwendig des Kellers bor die Laden gehangen, damit alles ohne 
einigen Argwohn und Nachdenken abgehen möchte.” Verſchenkung von Wein: 
fäflern an jtädtifche Beamte. 

$ 18. Das Gehalt des Sefretärs beträgt 27 Gulden; die Bezahlung 
der Schulmeifter, Nahtwächter, Holztnechte ze. hängt vom Magijtrate ab, 
ebenjo die Feſtſetzung des Zinsfußes. Bejoldung der Stadtdiener. 

$ 19. Betreibung der Mait. 

$ 20. Weingelag bei „ziemlicher Maſt“. 

8 21. Bon jeder Waeke (Wache, f. mw. u.) werden jährlihd 3 Schilling 
an die Stadt entrichtet. 

8 22. Wenn Magiftratsperfonen zu „bochzeitlichen Ehrentägen, Ehe— 
beredungen, Sindertaufen, Hausboren 20.” berufen werden, zahlt die Stadt 
den von den Geladenen verehrten Wein. 

$ 23. Eherecht, Erbrecht. „Sit binnen Arnsberg eine uralte über aller 
lebendiger Menfchen Gedenken hergebrachte notorische Gewohnheit vorhanden, 
darnacher auch jeder Zeit die vorfallenden Sachen, entweder in der Güte oder aber 
zu Rechte find entjchieden worden, daß unter den Eheleuten der Lettlebendige 
den erjten Ableibigen, wofern derjelbe feine ehelichen Kinder Hinter ſich ver: 
laſſen und ohne Aufrihtung einiges Teftaments oder lebten Willens ber: 
jterben würde, in allen beweg- und unbeweglichen Gütern ererbt. Wie denn 
auch, wann Kinder vorhanden und der überbleibende Ehegatte fi in die 
zweite Ehe begeben will, dat alsdann die fämtlichen Güter (wofern der bor= 
bin verjtorbene Bater oder Mutter in ihrem letten Willen ein anders, wie 
fie das zu thun Macht haben, nicht disponiert und verordnet hätten) in zwo 
gleihe Teile gefett und folcher Teile einer den Kindern, der andere aber 
dem Bater oder Mutter zugeeignet, und derjelbe fich damit in die zweite Ehe 
begebe, und daß er aus Schidung des Allmächtigen in diefer zweiten Ehe 
veriterben und entweder aus derjelben zweiten Ehe Kinder oder aber feine, 
jondern feine zweite Ehefrau allein hinter fid) im Leben verlajien würde, 
dat alsdann feine Güter bei folcher ziweiten Ehe Kindern und Hausfrauen 
erblich verbleiben, und eriter Ehe Kinder von diefer Exrbichaft, e8 wäre denn 
Sade, dat ihnen durch den letzten Willen etwas vermacht, nicht erfreut jeien, 
welches auch ebenfalls gehalten wird, da die Mutter fich wiederum verheiraten 


268 Kurkölnifche Zeit. Innere Geſchichte der Stadt. 


oder fonjten Jemand zur dritten Ehe fchreiten würde, und gleich tie die 
eriten Kinder, da der Bater oder die Mutter fi) wiederum verändern und 
danachher ohne Teſtament Todes verfahren würde, von diefer Erbichaft über 
dasjenige, jo fie in erjter Teilung befommen, nichts genießen fünnen, daB 
auch aljo Hinwiederum, da der Borkinder eines ohne Leibeserben, unverheiratet 
verjterben würde, deffelben Erbſchaft nicht auf die Eltern, da diefelben ſich 
wiederum verändert hätten, fondern aus eriter Ehe erzeugte Brüder und 
Schweſtern, es wäre denn Sache, daß den Eltern durch legten Willen etwas 
vermacht wäre, verfalle, und wird das Hergewette!) und Gerade allhie nicht 
gefolgt, jondern gehöret unter die Erbſchaft. Wofern aber abgefette Punkte 
in Zeit der Eheberedung oder Teilung durch jonderliche Pacta verändert, und 
ein anderes bewilligt und verabjchiedet wäre, wie folches die Rechte zulafien, 
müſſen jolche Pacta, da die vorhanden, gehalten merden und kann aljo in 
den veränderten Punkten allein angezogene Gewohnheit nicht jtatthaben. 
Wie dann auch die elterlihe Behaufung bei den Borkindern, jedoch daß der 
überbleibende Vater oder Mutter die Zeit ihres Lebens nicht berdrungen 
werde, erblich verbleiben, und ohne deren Consent auf andere nicht trans- 
feriert werden, noch der überbleibende Ehegatte zur zweiten Ehe jchreiten 
fol, er habe denn zuvor mit feinen VBorkindern der fämtlichen Güter recht— 
mäßige Teilung gebalten, und denfelben, allem Streit und Mißverſtand vor— 
zubauen durch Richter und Schöffen vermöge diefes Erzitiftes Köln Refor- 
mation, Bormünder anordnen lafien. Sonft wird in allen andern Punkten, 
es ſei einer mit oder ohne Tejtament oder legten Willen verjtorben, das 
gemeine befchriebene Recht in den Städten Arnsberg gehalten, außer was 
bon den Bürgers Töchtern in der weitfälifhen Landesvereinigung?) jtatuiert 
und beſchloſſen. Wofern aber zwijchen etlichen die Einkind-Machung?) auf: 
gerichtet werden joll, müſſen binfüro der unmündigen Kinder Bormünder die 
Gelegenheit beiderjeitS Güter und Perſonen reiflich erwägen, und da ſie bei 
ihrem gethanen Eid die Einkindfchaft gedachten Kindern nützlich zu fein er: 
achten würden, diefelbe durch die Obrigkeit nach vorgehender Cognition be» 
jtätigen und verfiegeln laflen.“*) 


1) Hcergeräte (herwadium), Kriegsausrüftung der Söhne, ging nad 
älterem Rechte jtetS auf den nächſten männlichen Erben über, wie die Ge- 
rade den weiblidhen Verwandten zufiel. 

2) Vgl. 88 8 ff. der Erblandspereinigung von 1590 (Seib, Urk. III, ©. 277). 

) Einkindſchaft it der zwifchen Ehegatten zum Zwecke der vermögens— 
rechtlichen Gleichjtellung der von dem einen oder anderen Ehegatten mit in die 
Ehe gebraten Kinder mit den leiblihen Kindern beider gefchlofiene Vertrag. 


) Das vorjtehende Statut begründete Gütergemeinfchaft unter Ehe- 
leuten in Arnsberg, wie das ein vom Arnsberger Magiftrate im Jahre 1782 
ausgefertigtes Attejt ausdrüdlich bezeugt. In der preußifchen Zeit (um 1832) 
führte die Auslegung des Statutes zu einem weitläufigen Prozeſſe. In 
letzter Inſtanz entjchied das Kgl. Oberlandesgeriht in Münfter (in Sachen 
Klöer gegen Klöer), indem es die Erkenntniſſe des Kgl. Juſtizamts Arnsberg 
und des Kgl. HofgerichtS dafelbjt bejtätigte, daß „die behauptete Objerbanz 
jo lange bejtand, als der Magiftrat zu Arnsberg mit Jurisdiktion verjehen 


Statuten von 1608. Goldenes Bud). 969 


$ 24. Kein Bürger joll den andern unterfaufen oder unterwinnen, es 
wäre denn Sache, daß der Käufer durch des Berkäufers nächſte Bluts- 
verivandten von dem Kaufe abgetrieben wücde. (©. 168. Nr. 13.) 

8 25. Bedingungen der Bürgerjchaft. 

$ 26. Die beiden Teilgenofien follen ein neues Regijter über die ber- 
pachteten olderfelderifchen ꝛe. Yändereien aufftellen. (S. 86 ff.) 

$ 27. „Demnach durch den Brand aus großer Fahrläffigkeit und Ver— 
jäummis die Städte oftmals bejchädigt und zu Zeiten in den Grund verderbt 
worden, und dann biebevor bei namhafter Pön manniglichen Flachs und 
Hanf aus Stuben und Badöfen zu brechen verboten, jolches aber bei etlichen 
wenig in Acht genommen werden wolle, ijt verabjchiedet, daß dieſes Verbot, 
fünftigem Unglüd vorzukommen, jteif und unberbrocdhen gehalten umd Die 
Übertreter jedesmal mit 5 Mark Brüchten, jo oft dagegen gehandelt wird, uns 
nachläſſig bejtraft werden follen.“ 

$ 28. Schützenſtatut. 

$ 29, „Weil vor undenklicher Zeit am erjten Mittwoch in der Faſten 
die ſämtlichen Bürger neben ihren Hausfrauen aufs Weinhaus gekommen find, 
etlihe Gerichte mitgebracht und ein chrliches Weingelage gehalten haben, 
welche Unkoſten nach Abzug der Gefchenfe die Stadt tragen müſſen, jolches 
aber nach dem arnsbergifchen Brande nicht gehalten, ijt für gut angejehen, 
dietveil gedachte Städte in berührtem Brande großen Schaden erlitten und 
ih in Auferbauung des Slodenturmes und font in etliche Schulden vertieft, 
auch die Türme und Pforten noch nicht allerdings auferbaut, neben dem jeßo 
große befchtwerliche Zeiten vorhanden, daß dieje Beiſammenkunft, welche der 
Stadt fajt Eoftbar ijt, auf beſſere Gelegenheit ausgeſetzt und alsbaun, nad) 
Gutachten eines ehrbaren Rates, Richtleute und Ausſchuß der vier Amter 
wieder angejtellt werden joll.” 

8 30. „Sit von Alters hergebracht, wenn ein Bürger einen Exzeß be- 
gangen oder feinem Bürgermeijter ungehorfam und auf drei verjchiedene durch 
die Stadtdiener ihm angekündigte Ladung nicht erfcheinen will, dat er alddann 
durch beide Kämmerer und Stadtdiener aus der Freiheit und aus feinem 
eigenen Haufe geholt und nad) Beſchaffenheit ſeiner Übertretung entweder 
etliche Tage mit dem Turme oder aber mit einer Geldpön, zu Zeiten auch, 
da der Exzeß groß, mit beiden Strafen zugleich gezüchtigt wird.“ 

$ 31. Die Morgenſprache, die unten „annectieret“ iſt, ſoll jährlich 
verlefen werden und Geltung haben, jedoch) ijt $ 4 derjelben jo zu erläutern, 
daß kurfürſtlichen Richtern zu Arnsberg ihre „mithabende” Yurisdiktion nicht 
abgejchnitten fei, fondern die „Praevention ftatthabe”, außer was altem Her- 
fommen nad) ausjchließlic) vor den Stadtrat gehöre; in diefen Sachen joll 
der Eurfürftliche Richter und feine Schöffen zu Arnsberz die erjte Inſtanz 
war.” (Seiberk, die Statutar- und Gewohnheitsrechte des Herzogtums Wejt- 
falen, ©. 485 fi.) Infolge Einführung der probinziellsweitfälifchen Güter— 
gemeinjchaft hat das Statut für Ehen, die nach dem 1. Januar 1861 ge- 
ſchloſſen find, keine Giltigkeit mehr; e8 gilt jegt im Stadtbezirke probinzielle 
Bütergemeinjchaft. Außerhalb des Stadtbezirfes Arnsberg herrſcht nad) ge- 
meinem Nechte überall Gütertrenmung. Das Arnsberger Statut ijt juriftifch bes 
arbeitet worden von Neferendar Karl Scheele, jet Rechtsanwalt in Arnsberg. 





270 Kurkölniſche Zeit. Innere Gejchichte der Stadt. 


bilden und alfo auswärts fein Necht gefucht werden, außer wenn etwas an 
das Offizialgericht gehört ꝛc. ES erjcheint dienlich, daß Bürgermeifter und 
Nat eine richtige Ordnung hierin aufjegen und die Eurfürjtliche Konfirmation 
dafür nachſuchen. 


$ 32. Die Bürger follen auf eine ledige Stätte, darauf vorhin Fein 
Bau gejtanden, feinen neuen Bau feßen, fie haben denn vorher nicht allein 
bei ihren nächiten Nachbarn, ſondern auch von Bürgermeifter und Rat bier: 
über Consens erhalten. Dies gilt auch von neuen „heimlichen Gemächern 
und ungewöhnlichen Fenſtern“, welche vorhin nicht gewefen und auch ohne 
des nächſten Nachbarn Berwilligung nicht gebaut werden fünnen, was ſeit 
undordenklichen Zeiten hero observiert :c. 


$ 33. Den vier Ämtern find zu Erhaltung guter Ordnung 2c. ihre be- 
jonderen Artikel und Amtsbriefe erneuert und dom Nate betätigt worden, 
jedoch „Churf. Durchlaucht Hoch und Herrlichkeit unabbrüdig”. 


$ 34. „Weil auch im allgemeinen Coneilio zu Trient aus erheblichen 
und beivegenden Urjachen die heimliche Ehe und Berlöbnis verboten, 
aber ſolches Berbot an den Ortern feine Statt hat, in deren Pfarrkirche die 
Publikation obigen Dekrets nicht vorhergegangen, jo hat man für dienlid) 
erachtet, Ehurf. Durchlaucht Heren Siegler und Commissarium in spiritualibus 
zu Werl darüber bittlich zu erjuchen, damit die Publikation allhie zu Weding- 
haufen verrichtet und zu diefem Ende ein Befehlichreiben an Herrn Paſtor 
dafelbjt abgehen möge.“!) 


$ 35. „Dieweil diefen Städten Arnsberg durch den undorhergeichenen 
Brand ein erbärmlidy großer Schaden anno 1600 zugefügt, und da vielleicht, 
was der Allmäcdhtige verhüten wolle, eine Feuersbrunjt wiederum entjtehen 
würde, und man noch zur Zeit mit nötigen Inſtrumenten, derjelben zu be- 
gegnen, der Gebühr nad) nicht verjehen, fo ijt verabjchiedet, daß die hiebevor 
gemachten Brandleitern unter das Rathaus gebracht und dafelbjt verfchloffen 
werden follen, damit man im Falle der Not derjelben mächtig jein könne. 
Auch ſoll in ſolchem unglüdlichen Falle die hiebevor gemachte Ordnung?) 
twie ein jeder zu Nettung des Brandes fich einftellen foll, gehalten werden.” 


„Diefe dvorgefeßten Punkte find am 28. Novembris anno 1608 aufm 
Rathaus vom ehrbaren Nat und Nichtleuten der vier Umter einträchtiglid) 
plaeitiert und bewilligt worden, diejelben alfo hinfüro unverbrochen zu halten, 
zu deſſen Urkunde fich ein jeder mwifjentlich unterjchriebeu. Die Suberiptiones 
folgen hinter der Morgenſprache. Folgt der Städte Arnsberg: 








2) Hierzu findet fich die Bemerkung, daß das bezw. Dekret vor vielen 
Jahren durch den verjtorbenen Paſtor Kaſpar Fifcher zu Wedinghaufen von 
der Kanzel zu deutſch verlefen und jolches in den Stadtjchrein deponiert jei; 
daß Pa Publikation auch am 28. November 1624 vom zeitigen Pajtor wieder— 
holt jei. 


) Bon diefer Ordnung ijt nichts Näheres überliefert. Aus den Stadt: 
rechnungen ergiebt fich, daß regelmäßige „Feuerbeſichtigungen“ ftattfanden, 
d. h. es wurde nach feuersgefährlichen Stellen geforfcht, um Bränden bor- 
zubeugen. 


Städtifche Morgenſprache. 271 


Morgeniprache.!) 

8 1. „Eritlich, dieweil die Gottesfurcdht ein Beginn und Anfang aller 
Weisheit ijt, daß demnach ein jeder fich alles Fluchens und Schwörens gänz- 
lid enthalten, und welche aljo den Namen Gottes läjterlic” und unnützlich 
führen, die heiligen fünf Wunden, Leiden, Martyr, Tod und Saframent 
unjeres Erlöjers und Seligmadjers Jeſu Ehrijti freventlichen fluchen, die liebe 
Mutter Gottes und heilige Jungfrau Maria, auch alle lieben Heiligen Gottes 
läjtern und dverumehren würden, daß diefelben jo oft und vake jothanes ge- 
Ihehn, nad Geftalt der Überfahrung darum gejtraft, auch auf eine Geldbuße 
gejeßt und diefe unter die Armen ausgeteilt werden joll.“ 

$ 2. „Zum anderen, daß niemand dei Sonntags unter der Meſſe und 
Predigt im den gebrannten Wein: und Bierhäufern jich foll finden laſſen, 
jondern zuvor in die Kirche gehen, das Amt der heiligen Meſſe und Gottes 
Wort hören foll, und wer hierüber betreten, daß derjelbige dafür angejehen 
und jo oft dasjelbige gejchehen, um fünf Mark gefiraft und dies den Armen 
gegeben werden ſoll.“ 

$ 3. „Es foll ſich niemand unter angefangenem Gottesdienft und 
Predigt auf dem Kirchhofe oder in dem Umgange (des Stlojters, ©. 97) jpazieren 
zu geben finden laffen, fondern in die Kirche gehen, Gottes Wort hören, und 
das Ant der heiligen Meſſe mit feinem Gebet auswarten. Wer aber unter 
der Meile und Predigt in dem Umgange oder auf dem Kirchhofe jpazieren zu 
gehen betreten, joll jedesmal um fünf Mark gejtraft werden.” 

$ 4. „Kein Bürger joll den andern mit auswärtigen Gerichten be— 
ſchweren, fondern zuvor vor feinem gebührlichen Bürgermeifter beſprechen; 
derjelbe foll ihn dann nad) Notdurft hören und die Sachen mit Zuthun eines 
ehrjamen Rates gütlih oder durd) rechtliche Mittel entfcheiden. Wer aber 
hierüber thut, ſoll jhuldig und verbunden jein, den Prozeß abzufchaffen und 
danı noch wegen begangenen Frevels darum bejtraft werden.”?) 

$ 5. „Der Bürgermeijter foll, fo oft e8 die Not erfordert, Ratsgericht 
halten, damit dem Bürger, der mit dem einen oder anderen zu thun, zu 
feinem Rechte verholfen werden möge.”®) 

$ 6. „Der Bürgermeifter, die Kämmerer und die derordneten Wein: 
herren jollen den Wein einkaufen, die Fäſſer fleißig verzeichnen laffen und 
gut acht Haben, daß gute Weine eingekauft und feine untauglichen Weine 
eingelegt werden und die Stadt dadurch zu Schaden kommen möge.’ 

$ 7. Kein Bürger joll den anderen unterfaufen oder unterwinnen 2c.*) 

$ 8. „Wer die Freiheit in der alten Stadt bricht, hat verwirkt 50 Marf, 
doch auf Gnade der Herren.“s) 


1) Bgl. $ 31 der Statuten. Sprache = Berfammlung, wo „gejprochen”, 
bornehmlich gerichtet oder wie bier, „Geſprochenes“ (Entjchiedenes, Feſtgeſetztes) 
öffentlich verfündigt wird. (Mealjtätte von mahal — Spradie. Bgl. auch S. 
75 Anm.) Morgenjprade, weil am Morgen jtattdabend. Zum Inhalte vgl. 
die Nottuln (5. 166 ff.), die wohl eine ältere Morgenfprache find. 

2) Bgl. $ 31 der Statuten und SS 5 umd 10 der Nottuln (S. 167). 

2) Vgl. $ 1 der Nottuln. 9 Bgl. $ 24 der Statuten, $ 13 der Nottuln. 

5) Darnach Hatten die Altjtädter ein mahrjcheinlich uraltes, bejonderes 
Privilegium gegen Freiheitsberaubung. 





972 Kurkölniſche Zeit. Innere Gefchichte der Stadt. 


$ 9, „Wer ein Waffengefchrei, e8 jei bei Tag oder bei Nacht eriwedt, 
bricht fünf Mark, unnadläfjig zu bezahlen.”') 

$ 10. „Es foll jeder mit Feuer und Licht behutſam fein und bei feinem 
Gefinde und feinen Gäjten gute Auffiht und Achtung haben, daß dadurch 
fein Schaden geſchehe; dann, da diefer wegen ein Aufruhr entjtehen, daß die 
Feuerglocke gerührt, joll mit zehn Mark gejtraft werden.”?) 

8 11. „Es foll einem jeden verboten fein, daß einer dem anderen aus 
feinen Wiefen, Gärten und Kämpen bleibe, darin weder bei Tage noch bei 
Nacht mit feinen Pferden und Biejtern huden, das Gras abäfen oder ab- 
ichneiden, noch auch aus feinen Höfen und Gärten Äpfel, Birnen, Stappus, 
Mörchen, Bohnen, Erbjen („Eppel, Bieren, Kabbs, Murren, Bonen, Erbifien“) 
oder anderes Gemüfe hinmwegnehmen, und welche hierüber betreten, ſollen mit 
dem Turme („Zorn“) oder ſonſt nach Gejtalt der Überfahrung gejtraft werden 
und gleihtwohl dem Bejchädigten jeinen Schaden erjtatten.“ 


$ 12, Keiner foll dem anderen feine Zäune hinwegtragen. Übertretungen 
werden mit dem Qurme oder fonjt bejtraft. 

$ 13. „Der Bürgermeijter joll, jo oft es ratjam erachtet wird, neben 
einem ehrfamen Rat und ganzer Gemeinen Bürgerfchaft der Stadt Feldmark 
und Schnade, auch der Stadt Waldemeine umgeben, damit man in guter 
Gedächtnis behalte, wo unfere Landmark, „Schneede” und Waldemeine her: 
gehe, und fothanes die Jungen von den Alten lernen und deſſen Wiflenjchaft 
haben, aud) in guter Gedächtnis behalten mögen.” 

$ 14. „Die Bäder jollen ji) nad) dem Soeſtiſchen Gewicht erhalten, und 
Dreipfennigsmweden baden, damit der Arme, der feine ſechs Pfennige zuwege 
bringen, einen Dreipfennigswed bekommen und fi) daran erfättigen möge.” 

$ 15. „Die Bierbrauer follen ſich jo verhalten, daß die gemeinen Bürger 
und Wandersleute um einen billigen Pfennig ein gute® Maß Bieres be- 
fommen mögen; auch jollen jie daran fein, daß fie ihren Gelagsleuten mit 
der Sonnen Untergang das Gelag machen und nachher nicht mehr zapfen. 
Wer hierüber thut, foll mit einer Mark Brüchten gejtraft werden.“ 

$ 16. „Und dieweil die Kornfrüchte nicht allemal in einem reife, 
fondern das eine Mal teuer, das andere Mal wohlfeil, fo jollen die Bier- 
brauer gut unjtraflic) Bier brauen, welches jedoch jedesmal nad) Geſtalt der 
Teurung und „Wohlfeilung” der Kornfrüchte von Bürgermeifter und Rat 
gefegt und entweder „verhöhet” oder „geringert” werden joll, was fie nicht 
überjchreiten ſollen.“ 

$ 17. „Die Höder jollen ein Pfund Butter ein Pfennig teurer geben 
als zu Soeſt, ebenjo ein Pfund Käfe und ein Pfund Stockfiſch; ebenjo ein 
Pfund Sped, Schmeer, Lichte und Unjchlitt („„Unxlitt“). Einen Häring und 
anderes Hödergut im Kaufe wie zu Soeſt.“ 

$ 18. „Die Krämerwaren und allerlei „Würtz“ foll in dem Kaufe wie 
zu Soeft verkauft werden.” 

$ 19. „Die Fleiſchware, meil diefelbe einmal feiſte Rinder, ein ander 
Mal magere jchladhten, joll hiermit verboten fein, jolches auszubauen, che 


1) Die Strafe und der Zufag wie in $ 8 der Nottuln. 
2) Bol. $ 27 und 35 der Statuten. 


Städtifche Morgenſprache. 273 


und bevor jothanes Fleifch dur) den Kämmerer und verordnete Markt- 
meifter befihtigt und nad) Billigfeit gefchätt worden. Wer darüber thut, 
ſoll jein Fleifch verwirft haben und dazu gejtraft werden, und anderen 
Fremden, wofern fie ji) ungehorfam halten würden, zugelajien fein, Fleiſch 
hereinzubringen.“ 

8 20. „ES ſoll auch einem jeden, ſowohl den Bürgern wie den Fremden 
hiermit ewnjtlid) verboten jein, auf dem Stadtwafler mit Lauten oder Eleff- 
garen,!) ingleichen mit dem großen Jagehamen zu fiſchen. Wer hierüber ohne 
Erlaubnis de8 Bürgermeijters thut und betreten wird, dem follen die Jage— 
hamen 2c. genommen und er für geübten Frevel der Gebühr nad) gejtraft 
werden.” 

$ 21. „Es jollen die Bürger ihre gewöhnlichen Filchtage halten, nämlich 
Budenstag, Freitag und Samstag mit einem gewöhnlichen Stodehamen bon 
viertehalb Fuß Weite, und eine jede Perjon für fi) allein fiſchen und fich 
damit begnügen lafjen. Wer aber hierüber thut, foll der Gchühr nad) ge- 
jtraft werden.“) 

$ 22. „Die Stadtfifcher, wenn diefelben wiederum angeordnet werben, 
jollen ihre Fiſche auf den Marktjtein bringen und öffentlich verfaufen.“*®) 

$ 23, „ES ſoll aud) alle Peckerie (? nach Hollenhorjts Meinung vielleicht 
Privatbäderei) bei den Bürgern und Einwohnern diefer Stadt gänzlich ab- 
geichafft werden, und bei welchen fie befunden, die follen mit fünf (Mark?) 
Brüchten beftraft werden.“ 

5 24, „Was den gemeinen Handwerksleuten, Arbeitern und Tage— 
löhnern ſowohl zu Sommers als zu Winters Zeiten täglich ohne die Koft 
oder dazu gegeben werden foll, ſolches foll jedesmal an dem Rathaufe an- 
geichlagen werden; darnach ein jeder fich wird zu verhalten wiſſen, bei Ber- 
meidung darin benannter Gelditrafe.”*) 

$ 25. „ES joll ein jeder aufrihtiges Maß, Elle und Gewicht gebrauchen 
und der Überfahrer nad) Gelegenheit der Sachen gejtraft werden.” 

$ 26. „ES ſoll Feiner eines anderen Knecht oder andere Dienjtboten 
annehmen, er zeige denn zubor eine Urkunde an, daß er bon feinem Herrn 
mit Willen und ehrlich abgefchieden fei, fonjt ſoll der Übertreter gejtraft 
werden.” 

$ 27 „ES foll niemand in dero von Arnsberg Wald und Gehölze 
ohne Fürwiſſen und Bewilligung regierenden Bürgermeifter8 und vorher- 
gehende Weifung der Holzinechte fruchtbares Eichen: oder Buchenholz hauen. 
er aber hierüber befunden, joll von jedem Stamme fünf Mark Brüchten 
erlegen, und ſollen hierauf die verordneten Holzknechte fleißig und treulich 
acht Haben, alle Übertreter ohne einigen Respect der Perjonen Bürgermeijter 


1) Arten von Fiſchgarnen. Laute ijt ein bierediges Filchgarn, das mit 
zwei freuzweife gelegten Bügeln an einer Stange befeftigt wird. 

2) Im Fahre 1655 wurde bejchlofien: Da man den Fiſch auf Gudens- 
tag (Mittwoch) weniger bedürfe, al8 an den Faſttagen, fo folle e8 an den 
Mittwochen abgefhafft und dafür an den einfallenden einzelnen Fajttagen 
der Woche und die ganze vierzigtägige Faſtenzeit hindurch gejtattet fein. 

») 8 4 der Nottuln (S. 167). Näheres weiter unten. 

*) 88 21 ff. der Nottuln (S. 168 f.) 


Föaur, Geſchichte Arnsbergs. 18 


274 Kurkölniſche Zeit. Innere Gefchichte der Stadt. 


und Rat angeben und fonjt, wofern fie hierin nadhläffig oder untreu befunden 
und ohne vorhergehenden Consent des Biürgermeifters Bäume weifen würden, 
nad) Gelegenheit der Saden in gebührende Strafe genommen werden.” 


$ 28. „ES follen diejenigen, welche mit den Stadtpfannen oder Keſſeln 
brauen, das Pfannengelt, wie von Alters gebräuchlich, erlegen; and) die 
Pfannen und Keſſel unbejchädigt wiederum auf den Markt ftellen. Welche 
mit Brennen oder fonjt diejelben bejchädigt hätten, follen neben Eutrichtung 
des zugefügten Schadens mit einer Mark, und diejenigen, welche fie nicht 
auf die gewöhnliche Stätt liefern, mit vier Schilling Brüchten geftraft werden.“ 

(E8 folgen die Unterjchriften der Ratsperſonen und der ſämtlichen 
Richtleute der vier Ämter. Obenan fteht Anton Schuber Dr. und vegierender 
Bürgermeijter.) 


Die ſtädtiſche Verfaſſung.) 
Bürger und Beilieger. 


Schon in den älteſten Zeiten waren die Einwohner der Stadt 
Arnsberg eingeteilt in Bürger und Beiwohner (Beilieger). Die erſteren 
allein repräſentierten die Stadtgemeinde, ſie waren die einzigen Teilhaber 
an dem bedeutenden Kommunal- und Bürgervermögen der Stadt, ſie 
waren ausſchließlich zum Betriebe bürgerlicher Gewerbe befugt, während 
letztere als bloße Schützlinge der Stadt zwar der ſtädtiſchen Obrigkeit 
mitunterworfen waren, jedoch nur gegen Zahlung gewiſſer Abgaben und 
Leiſtung beſtimmter Dienſte den Mitgenuß einzelner Vermögensteile der 
Gemeinde erlangen konnten. An der Repräſentation der Gemeinde und 
der Verwaltung des gemeinen Weſens waren die Beilieger in feiner 
Weiſe beteiligt und berechtigt. 


Die Erwerbung des Bürgerredhtes war an gewifje Bedingungen 
gefnüpft. 8 25 des ftäbtiihen Statutes von 1608 fchreibt vor, daß 
nur derjenige Bürger der Stadt werden könne, welcher freien Standes, 
eheliher Geburt, katholiſcher Religion und unbefcholtenen Wandels jei. 
Auf ein jährliches Einfommen oder auf Güterbefig wurde feine Rück— 
fiht genommen. 


Dagegen machte aber jhon das Statut einen Unterfchied zwifchen 
Söhnen der Bürger und Auswärtigen. Erftere wurden al3 cives nati 
(geborene Bürger) betrachtet, die durch ihre Väter das Bürgerrecht ge- 
wonnen; fie bedurften feiner bejonderen Aufnahme und wurden Mit- 
glieder der Bürgerjchaft, jobald fie durch Entlafjung aus der väterlichen 


1) Abhandlung von Bürgermeijter Seiffenfchmidt, in einem Aftenbündel 
des Archives betr. Chronik der Stadt Arnsberg, von Bürgermeijter Wulfh 1847 
im Arnsberger Wochenblatt veröffentlicht, hier mit mehreren Stürzungen und 
einigen Ergänzungen und Korrekturen twiedergegeben. 





Städtifche Berfaffung. Bürger und Beilieger. 275 


oder vormundichaftlihen Gewalt ihre Selbftändigkeit erlangt hatten. 
Sie leifteten in den älteften Zeiten feinen Bürgereid und zahlten fein 
Bürgerrechtsgeld, bis ein Beihluß vom 18. November 1669 beftimmte, 
daß auch die Bürgersjöhne fid bei Eingehung der Ehe zur Bürgerſchaft 
zu bequemen, beim Magiftrate fi) anzugeben, den Bürgereid zu leiften 
und ein Refognitionsgeld von einem halben Weichsthaler zu zahlen 
hätten. Die Auswärtigen, d. h. diejenigen, welche nicht Bürgersjöhne 
waren, hatten den Nachweis der oben angegebenen Erforderniffe für 
Erwerbung des Bürgerrechtes zu liefern und außerdem ein Bürger- 
rechtsgeld zu entrichten. Nach dem Statute von 1608 war dasjelbe auf 
acht Reichsthaler für den Mann und auf fieben Neichsthaler für die 
Frau feftgejett, werm diefelbe nicht die Tochter eines hiefigen Bürgers 
war, in weldhem Falle für die Frau nichts gezahlt zu werden brauchte. 
Außerdem hatte jeder nenaufgenommene Bürger einen ledernen Feuer⸗ 
einer oder ein jonftiges Feuerlöſchungsgerät an die Stadt abzuliefern. 
Durd einen im Jahre 1768 von Bürgermeifter und Nat zc. gefaßten, 
von Landdroft und Räten bejtätigten Beichluß wurde feftgefest, daß 
fein Fremder, d. h. feiner, der nicht Bürgersjohn fei, al8 Bürger hiefiger 
Stadt aufgenommen werden ſolle, wenn er nicht zuvor ein Bürger- 
haus erworben habe, jo daß nunmehr, wie in den meiften Städten 
des Herzogtumes, dad Bürgerrecht, joweit nicht die Bürgersſöhne eine 
Ausnahme machten, an die Sohlftätten gefnüpft war. Zugleich wurde 
da8 DBürgerrechtsgeld für Fremde dahin erhöhet, daß für den Mann 
dreißig NReichsthaler, für die Frau fünfzehn Neichsthaler und außerdem 
für einen ledernen Eimer ein Reichsthaler vierzig Stüber an die Stadt- 
fajje zu entrichten waren. Indem bie Erwerbung des Bürgerrechts bie 
Zeilnahme an den Nugungen des Bürger- und Äürarial-Vermögens ge- 
währte, welche jehr erheblih waren, hatte das Bürgerrechtsgeld jelbft 
den Charakter eines Einfaufsgeldes, und wenn man den Wert jener 
Nugungen berüdfichtigt, jo kann der Betrag felbjt nicht zu hoch er- 
iheinen. Das von den Beiwohnern zu zahlende Beiliegergeld wurde 
im 18. Jahrhundert auf zwei NReichsthaler für den Mann und eben 
jo viel für die Frau feftgejegt. 


Das Zunftweien und die Gemeindevertretung. 


Wie in den meiften Städten des Herzogtumes Weftfalen, jo be- 
ruhte auch hier die Verfaſſung der Stadt auf dem Zunftwejen. 
Nach den Statuten von 1608 hatte jhon Graf Gottfried III die Stadt 
mit vier Ämtern privilegiert, dem Sehwider-, dem Bäder-, dem Schmiede: 


18* 


276 Kurkölnifche Zeit. Innere Gefchichte der Stadt. 


und dem Ledderſchneider (Schufter)-Amte.!) Jedes diefer Amter ftand 
jelbftändig für fi und hatte feine befonderen Statuten und Vorrechte, 
die durch den Magiftrat von Zeit zu Zeit beftätigt wurden. Nach diejen 
Privilegien mußte jeder, der innerhalb des Stadtbezirfes ein Gewerbe 
betreiben wollte, zuvor die Aufnahme in das betreffende Amt erhalten 
haben. Dieje Aufnahme aber konnte nur demjenigen zuteil werden, 
welcher das Bürgerrecht bereit8 gewonnen hatte, einen unbejcholtenen 
Wandel führte, Feine entehrenden Strafen erlitten und fein Handwert 
zünftig erlernt hatte. Bei der Aufnahme in das Amt mußten aud) 
beftimmte Gebühren in die Amtskaſſe gezahlt werden, welche dann, 
wenn der Aufzunehmende nicht Amtsfind, d. h. Sohn eines Amts- 
genoffen war, ziemlich bedeutend waren. So betrugen bdiefelben für 
Auswärtige, abgejehen von den Koften eines Gelages, bei dem Sehwider- 
Amte zwölf Reichsthaler, bei dem Bäckeramte vierzig Neichsthaler, bei dem 
Schufteramte zwölf Neichsthaler, bei dem Schmiedeamte fünf Reichsthaler. 


Jedes Amt hatte jeine befondere Kaffe, fein befonderes Vermögen, 
einen Amtsftab, der bei kirchlichen Feierlichkeiten vorgetragen wurde, 
feine Amtsfahne und feine Zotenbahre nebft Bahrtud. An der Spike 
eines jeden Amtes ftanden zwei Rihtmänner (jpäter nur einer), die 
von den Amtsbrüdern alljährlich gewählt wurden. Der Richtmann führte 
anf den Amtsverfammlungen, die an beftimmten Tagen gehalten wurden 
und mit einem Biergelage verbunden waren, den Vorſitz, er verwaltete 
da8 Bermögen des Amtes, führte die Kaffe und leitete überhaupt ſämt— 
liche Angelegenheiten nad) den Beicdhlüffen der Amtsbrüder. Der Nicht: 
mann hatte in Amtsangelegenheiten Strafgewalt. Er wachte darüber, 
daß die Statuten innegehalten wurden, und fertigte aud im Namen 
des Amtes die Lehrbriefe für diejenigen aus, welche hier ihr Handwerk 
erlernt und ihr Meifterftüd nah den Beftimmungen der Amtsftatuten 
angefertigt hatten. Zur Aushilfe Hatte derfelbe einen oder mehrere 
Amtsdiener, Schenken genannt. Auswärtige durften hier ein Gewerbe 
nicht betreiben, Haufierer mußten fid) zuvor beim Richtmanne des Seh— 
wider-Amtes melden, Erlaubnis zum Betriebe ihres Handels nachſuchen 
und an bie Amtsfaffe eine beftimmte Abgabe entrichten. 


Jene Richtleute der vier Ämter bildeten ferner in der Verfaffung 
der Stadt die gejeglichen Vertreter der Gemeinde. Sie waren die 
Mittelsperfonen zwijchen der Bürgerſchaft und der ſtädtiſchen Behörde; 
fie brachten die Bitten und Wünſche jener vor dieſe, und durd fie er- 
gingen die Befehle der letteren am die erftere. Den Richtleuten wurde 





9 gg. ©. 82. 


Das Zunftwefen und die Gemeindevertretung. 2377 


jedoch behufs Vertretung der Bürgerfchaft in den Gemeinde-VBerfamm- 
lungen bei wichtigen Angelegenheiten ein bejfonderer Ausfhuß aus 
jedem Amte, aus je zwei Perfonen beftehend, an die Seite gegeben.") 


Auszug aus den Artikeln des Schwideramtes.?) 


Unfere lieben Boreltern haben diefe Löbliche Bürgerfchaft der Städte 
Arnsberg in vier Zünfte zerteilt, unter welchen die fürnehmjte des h. Kreuzes 
Bruderfchaft?) und Seewicker-Amt genannt wird, weil folches Kaufleute fein, 
welche nach der Lehr binnen und außer Landes mit feiften und allerhand 
langen Waren gehandelt haben, darum auch binnen diefen Städten niemand 
dergleichen Waren zu kaufen haben oder verfaufen möge, wie dann auch 
jelbes Bis auf gegenwärtige Stund alfo Eontinuirlich hergebracht iſt; und 
weilen uns dann aufliegt, unferer geliebten Boreltern Yußtapfen zu folgen, 
haben wir uns einhelliglich verglichen und in diefen Punkt gefchloflen, daß 
ein jeder Amtsbruder, welcher Kaufmannſchaft und commercia treibt, bor 
allen Dingen dahin fehen und fich befleißen foll, damit er die Waren in 
jolder Stadt und Gemeinheit, fie feien lang oder feift, zu berfaufen habe 
und niemand nicht Heller halber damit fich aufhalte, da jonjten nachbenannten 
privilegiis, statutis et concordatis gröblich derogiret würde; dann ijt berein- 
bart und einhellig befchlofien und bewilliget, daß Fein auswärtiger Krämer, 
er jei außer oder binnen Landes, mit feinen feiften, langen, naffen und fejten 
Waren binnen diefen Städten Arnsberg außerhalb zweier Tage als Sonntag 
und Mittwoch ausftcehen oder verkaufen foll, und wer darüber jchreitet, wird 
alfofort durch H. Richtleute, zween Schenken, auch, da es nötig, mit Zuziehung 
eines ganzen Amts nad) Gutachten und Gelegenheit gepfändet, die Pfänder, 
da diefelben nicht innerhalb drei Tagen redimirt, verkauft und die Gelder 
jollen der ehrlichen Bruderfchaft zum Nuten angelegt werden. 


Wie dann hiemit bei eben felbiger Strafe denen fremden Krämern das 
Haufiren zwifchen erwähnten zween Tagen, mit ihrem Srame zu jchaden, 
jelben in anderen Häufern jtehen zu laffen verboten wird; welcher aber ertappt, 
diefelbe jollen H. Richtleute, darauf Nichtleute und Schenken fleißige Obdacht 
haben und folches nicht verabfäumen follen, obgedadhter Maßen pfänden und 
wider jene, wie im borigen Artikel vermeldet, verfahren. 


Als auch foll ein oder ander Amtsbruder, welcher zu ſolchem heim— 
lichen extraordinarie Berfaufen Anlaß gebe und fothanen Berfauf verdunfeln 
helfe, mit einem Thaler unabbittlich corrigiert werden ; von diefem verbottenen 
Haufiren follen erimirt fein diejenigen, welche Teppidy, YXeinen, Gewand, 
Spelt oder anderen Band und leinen Werkkramen und dergleihen Waren 
verfaufen oder zu Kauf geben können. 

So ſoll auch niemand, wenn er gleich des Amts jei, fi) der Kauf— 
mann oder Srämerfchaft zu gebrauchen unterjtehen, welcher nicht bei einem 
ehrlichen aufrihhtigen Kaufmann, wo Amt und Gilde ift, binnen oder außer 








1) So ſchon im ftädtifhen Statut von 1450 (S. 167). 

2) Tüding, Blätter 3. n. 8. W. 1873 ©. 123 ff. 

s, Wie die meiften mittelalterlihen Vereinigungen ftanden auch bie 
BZünfte in engjter Beziehung zum kirchlichen Leben. 


278 Kurkölniſche Zeit. Innere Geſchichte der Stadt. 


Landes gelernt, davon einen Amtsſchein und Beweis vorbringt, jonjten ihm 
die Niederlage durch H. Nichtleute und Amt zu verſperren; jolches aber weiter 
abgeredet, daß dieſes allein von künftigen und nicht von jegigen Amtsbrüdern, 
deren Kindern und Folgern zu verjtehen, fondern denen allen mit Ellenwaren 
zu handeln freiftehen und unbenommen fein jolle. 


Immaßen dann aud) die Amtsbrüder berechtigt fein jollen, denjenigen, 
welcher diefer Bruderſchaft nicht ijt, gleich wohl Bürger und Bürgerfche, ſich 
Verkaufes unterftche, Niederlagen eröffne, fofern da es gefchehen, des Amts 
wegen biefelben zu mahnen und nad) Gelegenheit der Sache zu bejtrafen. 


Eben alfo iſt e8 mit Wein, Branntwein und anderen dergleihen Sadıen, 
welche, wie man jagt, ald Faktoren in Groß handeln, gehalten, diejen joll 
bei Straf der Konfisfation ihrer Waren fein Kauf oder Berfauf zugelafien 
werden, fie haben dann zuvor fich diefem Töblichen Amt und Bruderfchaft in 
allem accomodirt. 

Die Kaufleute, auch Schneider, follen zur Zeit der Eröffnung ihrer 
Kramerluken oder Niederlagen ein ehrbares Amt mit Dargebung eines Reichs: 
thaler8 unfehlbar recognoseiren, und follen die Krämer und Kaufleute diejer 
Zünfte verpflichtet fein, wie bei dem fechjten Artikel angezogen, mit Beibringen 
und Berfaufen allerlei Waren, es feien feiden, fammet, lang, feift, naß, troden 
oder kurz, Fein über alles ausbefchieden, fi in Elle, Maß und Gewicht chr- 
lich, aufrichtig und gleich unfern Benachbarten der Stadt Soeſt verhalten 
und ihre Waren (nicht) teurer mit der einigen Arnsbergifchen Währung, dann 
die Krämer von Soeſt, verkaufen; fo einer biergegen handeln, foll er von 
Bürgermeijter und Nat wie auch einem ehrbaren Amt und Bruderfchaft mit 
gebührender Strafe beladen und andern zum Erempel arbiträr bejtraft werden. 


Niemand foll zur Bruderfchaft von den Schneidern genommen werden, 
er habe dann zuvor an ehrlichen Orten und Pläten, wo Amt und Gilde üft, 
zwo Jahr gebührlich gelernt und könne davon gute Zeugniffe in Briefen bor- 
bringen; wenn folches vorgangen und derfelbe feinen Meifterfchnitt zu thun be- 
gehrte, foll er, twie gebräuchlich, Hofen, Buren, Wammes und Mantel fchneiden 
und, da felbes allerdings paffirlich fein wird, als dann den Nichtleuten und 
antwejenden Amtsbrüdern einen ehrlichen Zeh an Koft und Bier geben, zu 
Ehren Gottes ein Pfund Wachs geben und zur Öffnung der Winnelade einen 
Thaler zahlen. 

Demnädjt foll fein Schneider, er fei daher gejefien, auch heimlich aus: 
wärts her hinein gefchlichen, anderen Bürgern oder Bewohnern, welche nicht 
des Amts fein, arbeiten, der Bürger hätte denn zuvor des Amts Bewilligung 
und demfelben zwei Gulden Curant erlegt; wo aber die Schneider dagegen 
thun werden, follen die oder der mit benannten zwei Gulden und *%, Pfund 
Wachs unabbittlich geftraft werden. 

Wie dann die fremden Schneider, da diejelben allhier in bürgerlichen 
Häufern betreten worden, nicht allein mit Abnehmung aller bei ſich habender 
Arbeit und Anftrumente, fondern über das mit Geld und Wachs als zwo 
Gulden und ein Pfund Wachs zu Ehren Gottes und der Bruderjchaft ge- 
itraft werden. 

Daneben joll hiemit den Meiftern von den Schneidern bei Pön von fünf 
Gulden auferlegt fein, keinen Zungen anzunehmen, er habe dann zuvor dem 


Artikel des Schwideramtes. 279 


Amt zu Ehren Gottes */, Pfund Wachs und einen Gulden erlegt, wobei bie 
Meifter avifirt fein follen, feinen Jungen zu unterfchleifen und zu verſchweigen 
und denfelben, als wenn er etwa zubor bei einem auswärtigen Untüchtigen, fo 
nicht gültig fein foll, gelernt, und alfo folgends zu lernen annehmen; im 
Fall ſolches gefchehen würde, follen die Meifter mit doppelter Strafe, wie 
oben, beladen werden. 


Einem jeden Bruder foll bei Bön von fünf Gulden und einem Pfund 
Wachſes auferlegt und verboten fein, daß Niemand, unter was Prätert und 
Bemäntelung es auch gefchehen könnte, follte oder möchte, ein dem andern 
etwas unterfaufe nocd zu verteuern unterjtehe, weniger auch hinderlich fein 
joll; im Fall dasjelbe geſchehen und der ſolches thun wird, die Waren zu 
Handen des erſten Kaufmanns rejtituiren und gleihwohl mit obgefagter 
Strafe unnachläſſig belegt und damit geftraft werden foll, wie dann biebei 
zu wiſſen, da ein Amtsbruder oder Bürger einen Schneider gebrauchen und 
von demjelben ohne Urſache abtreten und einen anderen annchmen wollten, 
ſoll dasfelbe nicht geſchehen, es ſei denn, daß der vorige Meifter don dem 
Bürger richtig bezahlt worden, bei gleiher Strafe wie der Meifter dem Amte 
bezahlen joll. 

Unfere lieben Boreltern haben zu Ehren und Unterhaltung dero Löb- 
lichen Bruderfchaft auf obgefagten 5. Tag ascensionis Domini nad) gehaltenem 
Gottesdienst eine Beifammenkunft angeordnet, dergejtalt daß zwar des Amts 
Brüder nad) der Ordnung, als diefelben wohnen und Haus Halten, das Amt 
mit Koſt verfehen müflen, aber folgenden Tages das Feſt der Hagelfeier und 
feierliche beide Tage anbejtellt werden, daß jolcdhes angejehen nunmehr Die 
Beifammenkunft auf folgenden Sonntag Exaudi auf dem Rathaufe allhier 
und nicht in anderen Käufern zu halten transferiret und angeordnet, daß 
aber nicht allein des feierlichen folgenden Tages Hagelfeier, alsdann ein jeder 
fi zur Devotion fonderlich bereiten müſſe, ſondern auch daß diejenige, welche 
die Kojt thun, folgende Tage des Uberlaufes an Koft deſto beſſer genießen 
mögen. 

Alsdann foll auf vorgejegten Tag ein jeder Amtsbruder famt feiner 
Hausfrau aufm Rathaufe erjcheinen, wofelbjt die Wirte alle Koſt verſchaffen 
jollen und müſſen, aber Bier und Brot, als durd) den Richtmann das Bier 
und durch die Schenken das Brot verſchaffet und nad) Gelegenheit berechnet 
und von den jämtlichen Brüdern bezahlt werden joll. 


Endlich ift und wird es billig fein, daß ein jeder Amtsbruder einer 
dem andern zeitlebens alle Willfährigfeit, Ehr und Gunften erzeige, alfo aud) 
nad) dem Tode dazu verbunden ift, da fich derhalb zutragt, daß ein Amts— 
bruder, defjen Frau, Kinder oder fonften jemand in defien Haus berfterben 
würde, an welcher Strankheit es auch fei, daß alsdann die Amtsbrüder die 
Leiche tragen, die andern an der Behaufung erfcheinen, das Leichnam nach 
der Kirche oder Begräbnis begleiten, dem Gebete beimohnen und zur chriſt— 
lihen Erde beitellen helfen, worüber Niemand ohne erhebliche Urfachen, welche 
er dem Richtmann muß anzeigen lafjen, entfchuldigt fein, fondern daraus 
bleibender jedesmal mit einem halben Gulden geftraft werden follen, worauf 
auch die Schenken fleißige Achtung haben und dem Richtmann Berzeichniffe 
geben follen, und der Schuldige mit einem halben Gulden bejtraft werden foll, 


280 Surkölnifche Zeit. Innere Geſchichte der Stadt. 


Der Vorftand der Stadtgemeinde, 


An der Spike ber ftäbtifchen Verwaltung ftanden als obrigkeitliche 
und ausführende Behörde Bürgermeifter und Rat (magistratus).') 
Der Magiftrat beftand aus zwölf Berfonen: nämlich vier Bürgermeiftern, 
vier Kämmerern und vier Ratsverwandten (senatores). Dieſes Rats— 
follegium ergänzte fi nad) eigener Wahl und zwar in der Weife, daf 
die vier Bürgermeifter fomwohl, wie die vier Kämmerer auf Lebenszeit, 
die vier übrigen Natsverwandten aber alljährlih am Tage vor Sankt 
Urjula durch die vier Bürgermeifter ernannt wurden. Aus den vier 
Bürgermeiftern aber ermwählte alljährlich) die Bürgerfhaft und der Nat 
jelbft gemeinſchaftlich durch ihre jechs, zur Hälfte durch den Rat aus 
der Bürgerfchaft, zur Hälfte durch die Bürgerfchaft aus dem Rate er- 
nannte, zuvor vereibete Kurherren am Sonntage nah St. Michaelis 
Archangeli den regierenden, oder, wie er auch genannt wird, ben 
amtierenden, den neuen Bürgermeifter, den consul regens (früher 
proconsul), auf den ftädtiichen Rathaufe bei verjanmelter Bürgerjchaft. 
Ebenſo erwählten am Tage vor St. Urjula, nahdem das Magiftrats- 
follegium durch die Wahl der vier Ratsverwandten ergänzt worden, ber 
regierende Bürgermeifter und fein Amtsporgänger, der alte Bürger: 
meifter, aus der Zahl der vier Kämmerer einen neuen Kämmerer 
d. h. denjenigen, welcher die eigentlichen Kämmereigefchäfte wahrzunehmen 
hatte. Die Funktionen desjelben begannen jedoch erft nad) Ablauf einer 
Sahresfrift, und es wurden alſo auf St. Urfula Tag jedesmal dem vor 
einem Jahre bereit ernannten Kämmerer die Schlüffel des ſtädtiſchen 
Archives übergeben und derjelbe damit in fein Amt eingeführt. Sämt— 
lihe Mitglieder des Rates, die Bürgermeifter und Kämmerer wie aud) 
die vier Senatores, wurden vor verfammelter Bürgerſchaft vereidigt. 
Die genannten zwölf Perjonen bildeten, den regierenden Bürgermeifter 
an ber Spite, den „großen Rat", „Bürgermeifter und Nat" 
genannt. Ein Ausschuß desjelben, der „Eleine Rat“, beftehend aus 
dem regierenden und bem alten Bürgermeifter, dem neuen und dem 
alten Kämmerer, führte jedoch in der Regel die Verwaltung, verjah in 
jeinen an beftimmten Tagen abzuhaltenden Situngen die laufenden 
Geſchäfte, und nur bei außerordentlihen Gelegenheiten, falls die Haupt: 
ftüge der damaligen Verwaltung, die Erfahrungen des Eleinen Rates 
und das Herfommen, nicht ausreichten, oder die Sache von befonderer 
Wichtigkeit war, jo wie da, wo es der Zuziehung der Gemeinde und 
ihrer Repräfentanten bedurfte, wurde der ganze, der große Rat, vom 


1) ©, 8. 


Der Stadtvoritand. 281 


amtierenden Bürgermeifter zufammenberufen. Im großen wie im Fleinen 
Mate ftand der regierende Bürgermeifter als Dirigent an der Spike, 
doch erjcheint er immer in den Situngen und Verhandlungen mit feinem 
Amtsvorgänger, dem alten Bürgermeifter zur Seite. 


Der große wie der Heine Nat faßten ihre Beichlüffe nad) Stimmen: 
mehrheit. Diefe wurden in die Protofollbücher des Magiſtrats ein: 
getragen, ein gleiches gefhah aud dann, wenn die Gemeinheitsrepräjen- 
tanten an den Beratungen und Beichlüffen Teil nahmen. 


Eine eigentümliche Stellung in dem Rate hatten die Kämmerer, 
insbefondere der neue und der alte Kämmerer. Diejelben hatten, wie 
ihon bemerkt, mit den übrigen NRatsgliedern Sig und Stimme im 
Rate, dann aber waren diejelben fowohl in den Angelegenheiten der 
ftädtijchen Vermögensverwaltung, als auch bei Entſcheidung der vor 
Bürgermeifter und Nat gebrachten Privatftreitigfeiten die jachverftändigen 
Gutachter, Sie wurden deshalb, wenn es erforderlich ſchien, aus der 
Situng abgefandt, um den Augenſchein an Ort und Stelle einzunehmen, 
und wurden deputiert, wern ein Befehl oder Geſuch von einiger Wich— 
tigfeit an andere Behörden oder an Privatperfonen zu überbringen war. 
Ferner war ihnen die Leitung der ſtädtiſchen Bauten und Arbeiten in 
der Art übertragen, daß fie neben der Auffiht die jpezielle Rechnung 
über diejelben zu führen und den Arbeitern ihren Lohn auszuzahlen 
hatten. Um letzteres möglich zu machen, war ihnen auch die Erhebung 
einzelner Gefälle der Stadt, namentlich folder übertragen, die in ein— 
zelnen Raten von der Einwohnerſchaft zu erheben waren, jo namentlic) 
der Brüchten oder Bolizeiftrafen, der Schatungen oder Steuern und 
dergleichen mehr. Die Refultate ihrer Rechnungen wurden in die von 
dem Bürgermeifter zu führende Hauptrehnung am Schluſſe des mit 
dem erften Oktober beginnenden Rechnungsjahres aufgenommen. 


Wenn es ſich nicht um die Bearbeitung der laufenden und wieder: 
fehrenden Gejchäfte zc. handelte, fondern um wichtige Neuerungen, um 
außerordentliche Anlagen und Ausgaben, um Erhebung von Prozefjen 
und Ausftellung von Urkunden, die die Gemeinde verpflichteten, jo durfte 
Magiftratus nicht allein entjcheiden, fondern er mußte die Gemeinheits- 
Nepräfentanten (ſ. 0.) zuziehen, von deren Zuftimmung die Entſcheidung 
abhängig war. Dieſe Gemeinheits-Repräfentanten waren, wie bereits 
oben bemerkt ift, die Richtleute und der ihnen bei wichtigen Angelegen- 
heiten beigegebene Ausſchuß der bei den damaligen Verhältnifjen die 
ganze Bürgerfhaft umfaffenden vier Amter. Doch Fonnten auch dieje 
Gemeinheit3-Repräfentanten ſelbſt Mitglieder des Rates fein, und die 


282 Kurkölniſche Zeit. Innere Gefchichte der Stadt. 


nod vorhandenen Magiftratsprotofolle weijen nad, daß ſolches nicht 
jelten der Fall war. 

So beſtand aljo die vollftändige Gemeindeverfammlung aus Bürger: 
meister und Mat, Richtleuten und Ausſchuß der vier Amter, welde in 
gemeinshaftlihen Beratungen allein und umbejchränft die Gemeinde- 
angelegenheiten verwalteten. Die Beauffichtigung dieſer Verwaltung 
durch die Landesherren und ihre Beamten, insbefondere in ber Fur: 
fölnischen Zeit, durch Yanddroft und Näte, war nur eine jehr allgemeine 
und gefährdete nidht die Selbftändigkeit der ftädtiihen Verwaltung. 
Dagegen führte die Bürgerſchaft jelbft über die Ausführung der ge— 
faßten Beihlüffe und die ganze Verwaltung des Magiftrats eine un- 
mittelbare Kontrole. Nachdem nämlid am Tage vor St. Urfula, wie 
bereit3 oben erwähnt worden ift, der Magiftrat durd die Wahl der 
vier Ratsverwandten und der an der gejeglichen Zahl etwa fehlenden 
Bürgermeifter und Kämmerer ergänzt worden, und alsdann die ſtädtiſchen 
Unterbeamten angeftellt und vereidet waren (ſ. u.), verfammelten ſich 
am St. Urjula Tage felbft, zu früher Tageszeit die gemeine Bürger: 
ihaft mit Bürgermeifter und Nat auf dem Rathauſe. Nachdem ihnen 
dam von dem Stadtjefretär die Morgenjprade (S.271) vorgelejen 
worden war, ftand es der Bürgerjchaft frei, ihre Gravamina (Be- 
ſchwerden) dem Meagiftrate vorzulegen, Mängel, die fie in der Ber: 
waltung wahrgenommen, aufzudeden, über die Befolgung und Aus: 
führung der Gemeinheitsbejhlüffe Auskunft und Rechenſchaft zu fordern 
und Änderungen oder neue Mafregeln zur Wahrung des Gemeinwohles 
in Vorſchlag zu bringen. 

Zu dem Ende beratjchlagten ſich zunächſt die Amtsgenofjen der 
vier Amter mit ihren Nichtleuten; diefe traten fodann mit dem zu 
zu dieſem Zwecke aus der Bürgerfchaft gewählten „Worthalter“ 
zujammen, teilten diefem die Gravamina ihres Amtes mit, und nad)» 
dem fie fid) über das, was vorzubringen fei, geeinigt, trug der Wort: 
halter im Beifein der Bürgerſchaft die Gravamina und Vorjchläge dem 
Mate vor. Diefer hatte ſich alsdann entweder in einer befonders aus: 
zufchreibenden VBerfammlung der Bürgerſchaft oder jpätejtens am nächjten 
St. Urfula-Tage über die vorgebradhten Beſchwerden zc. zu erklären. 
In derjelben Weije verfammelte ſich auch am Pfingftmontage die Bürger: 
haft auf dem Nathaufe umd trug durd ihren Worthalter dem Rate 
ihre Gravamina vor. 

Was num insbefondere die Nehnungsführung angeht, jo lag 
diefelbe dem regierenden Bürgermeifter ob. Derjelbe führte über die 
Fahres-Einnahme und -Ausgabe eine fpezielle Berechnung, in welche die 


Der Stadtvoritand. Unterbeamte und Kommifjionen. 283 


Ergebniffe der Spezialrehhnungen, jo namentlid, wie oben bereits ge- 
jagt, der Kämmerer-Rehnung und der Rechnung des Weinwirtes (f. u.) 
aufgenommen war.!) Einige Tage vor dem Sonntage nad) Michaelis, 
an welchem der neue regierende Bürgermeifter gewählt wurde, mußte 
über jene Einnahme und Ausgabe vom Bürgermeifter vor verfammelten 
Rate, Richtleuten und Ausfhuß der vier Amter Rechnung gelegt werden; 
diejelbe wurde nad) dem Abtreten des Bürgermeifters durchgegangen, ge: 
prüft und nah Befund der Umftände fofort Beſcheid gegeben, rejpeftive 
dechargiert. 


Die ftädtiichen Unterbeamten und Kommiſſionen. 


Die ftädtiihen Unterbeamten wurden durch den verfammelten 
Rat gewählt, e8 waren folgende: 1. ein Stadtjefretär; 2. zwei Stadt- 
diener; 3. ein Weinwirt; 4. drei Holzknechte, zwei für den Stadtberg, 
einer für die Walpe und das Wredenholz (j. u.); 5. ein Waffermeifter, 
dem die Aufficht über die ftädtiiche Wafferleitung oblag; 6. die Turm— 
und Straßenwädter; 7. die Feldſchütten (Feldhüter). 

Alle diefe Unterbeamten waren nicht auf Lebenszeit, jondern nur 
jedesmal auf ein Jahr ernannt. Der Sekretär, die Stadtdiener und 
der Weinwirt wurden an dem Tage vor St. Urjula nad) Ergänzung des 
Rates gewählt. Diejelben mußten an diefem Tage dem verjammelten 
Rate ihre Schlüffel abgeben; Wiederwahl war gewöhnlid. Die Holz: 
fnechte, die Zurm- und Straßenwächter, fowie der Waffermeijter wurden 
am St. Urjula-Tage gewählt, nachdem die Morgenfprache vorgelejen war. 

Außerdem bejtanden noch al3 bejondere ftändige Kommiffionen: 

1. die vier Schottherren, je zwei aus der Gemeinde und aus 
dem Fate. Sie hatten alljährlid die an den Landesheren zu zahlenden 
Schottgelder (ſ. u.), ſowie die Staats- und ſtädtiſchen Schagungen auszu- 
jhreiben und von der Bürgerjchaft zu erheben. Die Hebung fand 
einige Tage nad hf. drei Könige auf dem Rathaufe ftatt. 

2. Die beiden Weinherren, cbenfall8 aus der Gemeinde und 
dem Rate gewählt, welche eine Kontrole des Weinwirtes bildeten (ſ. u.). 
Durch Beihluß vom 23. Dftober 1670 wurden diefe Herren für über« 
flüffig erflärt, und die Kontrole des Weinwirtes dem Magiftrate über- 
lajjen. 

3. Den Vorftand der Pfarrfirde zu Wedinghaufen 
wie aud) der Kapelle ad S. Georgium (Stadtkapelle) und den 


ı) Die ftädtifhen Rechnungen find mit wenigen Lücken von 1600 ab 
im Archive erhalten und bilden für die Gefchichte eine wichtige Duelle, die 
bisher ganz unbeachtet geblieben it. 


284 Kurkölnische Zeit. Innere Gefchichte der Stadt. 


Armen:-Borftand bildeten neben dem zeitigen Baftor, welcher Kon: 
ventuale des Klofter8 Wedinghaufen war, der Bürgermeifter und Nat; 
die Provisores genannter Kirchen, wie die der Armen, mußten alljährlich) 
auf St. Markustag diefem Vorjtande Rechnung legen; die bei diejer 
Gelegenheit vorzunehmende Wahl der Provisores ftand jedoch dem Pajtor 
und dem alten und neuen Bürgermeifter zu. 


Die Befoldung der Beamten. 


Die ftädtifchen Amter waren mit Ausnahme der Stellen der Unter: 
beamten: des Stadtjefretärs, der Stadtdiener, Feldihütten (Flurſchützen), 
Holzknechte und des Weinwirtes, füntlid Ehrenämter, aud) das des 
regierenden Bürgermeifters. Doch wurde dem lekteren, jowie ben 
übrigen Bürgermeiftern und Kämmerern in Anerkennung ihrer Mühe 
und Verſäumniſſe an beftimmten Jagen eine Nemuneration an Geld 
und Wein geboten. So erhielten insbefondere der regierende und ber 
alte Bürgermeifter, der neue und der alte Kämmerer jährlid) vierzig 
Gulden. An Wein erhielten, nahdem die frühere Obfervanz viclfad) 
ausgedehnt und mißbraucht worden, nad) einem Beſchluſſe des Rates und 
der Repräjentanten der Bürgerſchaft vom 23. Dftober 1670 wie folgt: 

Auf den vier Hochzeitfeften und auf Martinifeft der vegierende 
Bürgermeifter ein Viertel, der alte Bürgermeifter ein Viertel, der dritte 
und vierte Bürgermeifter zufammen ein Biertel, der alte Kämmerer 
ein Biertel, der neue Kämmerer ein Viertel, der Sekretär ein Viertel; 
die übrigen Ratsperſonen einfchließlic des dritten und vierten Kämmerers 
jeder cin Quart (kleineres Maß). 

Am Fefte der h. Dreifaltigkeit erhielten der regierende Bürger: 
meifter ein Viertel, die übrigen elf Ratsperſonen und der Sefretär 
jeder ein Quart; die beiden Worthalter und Schulmeifter jeder desgleichen 
ein Quart. 

Dann erhielt ferner bei Gelegenheit der alle Vierteljahre vor- 
zunehmenden Abrehnung mit dem Weinwirte bei der ſog. Yung der 
regierende Bürgermeifter vier Viertel, der alte Bürgermeifter vier Viertel, 
der alte Kämmerer zwei Viertel, der neue Kämmerer zwei Viertel, der 
Sekretär zwei Viertel; ferner erhielten an alten Fäffern aus dem Wein- 
feller der regierende Bürgermeifter zwei, der alte Bürgermeifter zwei, 
der dritte und vierte Bürgermeifter je ein, der alte und neue Kämmerer 
je ein, der Weinherr der Gemeinde ein, der Weinwirt ein, der Sekretär 
ein, beide Stadtdiener zufammen ein Faß. 

Ferner waren der alte und neue Bürgermeifter, wie auch ber alte 
und neue Kämmerer frei von allen perfönlichen ftädtifchen Laften und 


Beamtenbefoldung. 285 


Abgaben; zudem benutzte der regierende DBürgermeifter unentgeltlich 
eine ſtädtiſche Wieje in der Lasbeke (Hafenwinfel). Auc) trieben endlich 
jämtliche Ratsperſonen und die übrigen ftäbtiichen Beamten zur Zeit der 
Maſt ihre Schweine unentgeltlich mit in den Wald. 

Wie bei den Deutſchen überhaupt, jo war es auch in umjerer 
Stadt Sitte, alle wichtigen VBerfammlungen und Beratungen der Bürger- 
ihaft und ihrer Behörde mit einem Weingelage zu bejchließen, an 
welchen jelbft Frauen nud Kinder teilnehmen durften, und deffen Koften 
die Stadt tragen mußte. Dergleihen Gelage wurden bei Gelegenheit 
der vorzunehmenden Bürgermeifter-, Magiftrat3- und Repräfentanten- 
Wahlen (Stat. $ 1), bei Gelegenheit der Abnahme der ftädtiichen Rech— 
nungen und bei anderen Vorfällen gehalten, und jelbft in den einfachen 
Sitzungen des Rates war es Gewohnheit, die Wohlfahrt der Stadt bei 
einem Glaſe Wein zu beraten. So war es ferner Sitte, daß dasjenige, 
was die Mitglieder des kleinen Rates bei Familienfeſten, wie Hochzeiten, 
Kindtaufen, Hausheben, Gratulationen ꝛc, zu welchen fie geladen waren, 
verehrten, ihnen aus der Stadtkaſſe erjtattet wurde. (Stat. $ 22.) 
Mit einer geregelten, ordentlichen Verwaltung konnten ſolche Gebräuche 
bei veränderten Umftänden und Verhältniſſen nicht beftehen; diejelben 
wurden allmählich eingejchräntt und abgejchafft. 

Der Stadtjefretär, ein vereideter ftädtiicher Beamter, welcher 
publicam fidem (öffentliches Vertrauen) hatte, war in der alten Zeit 
nicht ein bloßer Schreiber; er nahm an den Beratungen teil, ohne 
jedoch Stimme bei denjelben zu haben. Er führte die Protofolle und 
fertigte die Neinjchriften der Entjcheidungen für die Parteien unter 
jeiner alleinigen Unterfhrift aus. Derfelbe ftand unter dem Bürger- 
meifter und Nat und war insbejondere dem erfteren zur Hülfe bei- 
gegeben. Sein Gehalt betrug außer den bereit3 oben erwähnten Emo- 
(umenten 27 Gulden; außerdem erhielt derjelbe das Siegelgeld von 
denjenigen Ausfertigungen, welchen das Feine ftädtiiche Siegel beigedrückt 
wurde, während das Siegelgeld von dem großen ftädtiichen Siegel in 
die Stadtlaffe floß ($ 10 der Statuten). Wurde der Sefretär in 
Prozefjen oder anderen die Stadt betreffenden außerordentlihen Sachen in 
Anſpruch genommen, fo befam er dafür eine befondere, billige Vergütung. 

Die beiden Stadtdiener erhielten außer einem Weinguantum, 
welches ihnen jpäter zu 3'/, Reichsthaler berechnet und gutgethan wurde, 
pro salario 9", Reichsthaler, Hatten Freiheit von bürgerlichen Laften 
und benugten jeder in partem salarii eine ftädtijche Wieſe. Außer 
diefen Remunerationen erhielten dieſelben jährlih Tuch zur Kleidung, 
Schuhe und Hut. 


986 Kurkölniſche Zeit. Innere Geſchichte der Stadt. 


Der ftädtifhe Waffermeifter, ebenfalls vereidet, erhielt nad) Be- 
ihluß vom 23. Oftober 1670 neben Freiheit von Stabtlaften jährlich 
an Lohn zehn Rthlr., früher da8 Doppelte. Der Weinwirt, dem 
die Bejorgung des ftädtiichen Weinkellers, der Ankauf, die Behandlung 
und der Ausſchank des Weines unter beftimmten Kontrolmaßregeln oblag, 
erhielt nad) dem Meagiftratsbefchluffe vom 23. Dftober 1670 neben 
Freiheit von den Stadtlaften von jedem Ohm als Zapfenlohn zwanzig 
Schillinge; daneben vierteljährlich für Licht und „Bereidung“ 1 Rthlr. 
18 Schilling, und endlid von jedem Ohm an Zehrwein ein Quart, 
von jedem Faß für Meßwein ein Quart. — Die Beftimmung des 
Gehaltes für die Holzfnechte, Nachtwächter, Feldſchütten, Turmwächter 
(deren fieben waren, für jede Pforte einer) und andere Diener lag dem 
jedesmaligen regierenden Bürgermeifter und Kämmerer ob. 


Was num die Amtsthätigfeit der ftädtifchen Behörden, insbejondere 
der eigentlichen verwaltenden Behörde, des Magiftrates, anbelangt, jo 
erſtreckte fich diefelbe nicht bloß, wie wir bereit8 oben gejagt Haben, auf 
die Verwaltung der eigentlichen Kommunalangelegenheiten, jondern um- 
faßte aud die Polizeiverwaltung und die Gerichtsbarkeit. 


Städtiſche Polizei und Juriédiktion. 


Die Polizeiverwaltung war bei einfachen Verhältniffen eine jehr 
einfache; fie ftand aber lediglid; dem Magiftrate zu: derfelbe war befugt, 
für feinen Bezirf geltende Verordnungen zu erlaffen, ohne daß diejelben 
einer weiteren Genehmigung bedurft hätten. Die Bevormundung und 
Beauffihtigung der Kommunalverwaltung, wie fie heutzutage üblich ift, 
fannte man im früheren Zeiten nicht, und nur wenn Bejchwerden 
vorgebracdht wurden, mifchten fid) die Iandesherrlichen Behörden in die 
Sache und Tiefen mitunter durd einen Kommiffarius an Ort und 
Stelle eine nähere Unterfuhung halten. 


Die ftädtiihe Jurisdiftion war in Zivilfahen mit der der 
landesherrlichen Gerichte Fonfurrent, erftredte fih aber nur auf den 
Bezirk der Stadt und deren Bürger, in der Weije jedoch, daß jeder 
Bürger von Arnsberg im ganzen Gebiete der Grafſchaft verlangen 
fonnte, vor feinen Bürgermeifter belangt zu werden! (S. 167.) Auch 
die Aufnahme der Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit jeder Art, jo ins— 
bejondere auch der Teſtamente, Eheberedungen, Erbauseinanderjegungen, 
die Führung der Vormundihaften ftand dem Magiftrate zu. 


Was die Kriminalgerichtsbarkeit anlangt, fo gehörten mur bie 
leichten Verbrehen und Vergehen vor das Forum des Magiftrates, alle 


Stäbtifche Polizei und Aurisdiktion. Lebensmittel. 987 


jogenannten peinlihen Saden, insbefondere die „blutrünftigen‘ (Ber: 
windungen), gehörten ausſchließlich vor die landesherrlichen Gerichte. 

Der Bürgermeifter und Nat, in der Negel jedoch nur der Fleine 
Nat, bildeten das Gericht, welches wöchentlich gehalten wurde. (S. 163.) 
Gerichtsfoften wurden jhon in der älteften Zeit erhoben, und es wurde 
im Jahre 1670 eingefchärft, „daß die Parteien, gleicd) in anderen Städten 
üblich, zur Abkehrung unnötigen Anlaufens die Jura entrichten, wie 
auch für Einnehmung fürfallenden Augenjcheines 2c. condignum salarium 
erjtatten und dem Sekretär feinen Screiblohn und den Dienern ihre 
Gebühr geben ſollten“. — Die Bejtrafung und Unterfuhung derjenigen 
Bergehen, welche insbejondere gegen die Kirchenzucht gingen, ftand dem 
Abte des Klofters Wedinghaufen zu, der zu dem Ende am erjten Freitag 
in der Faften und am Freitag nad Krenzerfindung in der Pferrfirche 
Synodus (j. ©. 111 f.) hielt, wojelbjt die Bürger mit Bürgermeifter 
und Rat erjcheinen, die geiftlichen Exceffe, jo dahin gehören, durd) die Eid- 
ihwörer anzeigen und jodann vorm Kirchhofe unter den Linden oder auf 
dem Nathaufe durd den Worthalter ihre Bejchwerung vortragen mußten.') 

Zu den polizeilichen Befugniſſen des Magiſtrates gehörte ins- 
bejondere die Aufficht über den Verlauf der Lebensmittel, wie die folgen- 
den Kapitel darthun follen. 


Der Verkauf der Lebensmittel. 


Die Statuten räumten dem WMagiftrate die Befugnis ein, den 
Berfauf der Lebens- und Genußmittel zu überwachen und namentlich 
die Preife derjelben unter Berückſichtigung der in Soeft jeweilig giltigen 
Zaren zu fontrolieren. Hierüber liegen im ftädtiichen Archive mandherlei 
Berhandlungen ꝛc. vor. Um die Soefter Preije zu ermitteln, wandten 
fi) Bürgermeifter und Rat bald an den dortigen Magiftrat, bald an 
einen Großhändler. Bejonders zahlreich find die Erfundigungen während 
des Dreißigjährigen Krieges. Diefer führte natürlich eine erhebliche Ver- 
tenerung aller Waren herbei, was zu vielen Klagen der Bürger Anlaß 
gab. Am 5. März 1644 mußten ſich die in Arnsberg anſäſſigen Krämer, 
nämlich Gorth Nude, Beltin Grace und Adam Goßmanns Hausfrau 
auf das Rathaus verfügen, wo ihnen vom regierenden Bürgermeifter 
Kaſpar von Efjen eröffnet wurde, es feien „unterjchiedliche Klagen über 
die Krämerwaren vorgefommen, daß felbige nicht nad) dero Stadt 
Morgenfprad verkauft, jondern teurer im Preis gehalten würden. 
Deshalb habe man fih in Soeft an einen Kaufmann gewandt und die 
Taxam von dort begehrt”. Nachdem dieſe Tare hierauf den Krämern 


1) Soweit Seiſſenſchmidt. 


288 Kurkölniſche Zeit. Innere Gefchichte der Stadt. 


vorgelefen und diefelben angewiejen worden, fi) daran laut der Morgen— 
jprache zu halten, replizierten die Krämer, daß fie „an der Müng, 
indem allhie der Reichsthaler mit 54 Schiling und zu Soeft mit nur 
52 Schilling belegt würde, ſowie auch der Fradıt halber an den Waren 
Schaden leiden müßten, daher fie diejelben nicht billiger geben lönnten“. 
Darauf gab der Magiftrat folgenden Beſcheid: „Weil man an der 
Stadt löbliche Morgenſprach hochverbunden, als wollten anwejende 
Herren den Krämern bis Montag Dilation (Aufſchub) verſtatten, ob fie 
ſich der Soeſtiſchen Tax gemäß verhalten wollten oder nicht.“ Bei der 
erneuten Verhandlung erklärten Krämer und Höcker, daß ſie zwar ſchuldig 
ſeien, ſich der Morgenſprache gemäß zu verhalten; ſie könnten aber ihre 
eingekauften Waren, die fie mit großer Gefahr bei dieſen Kriegszeiten 
hin und wieder in der Nähe eingekauft hätten, für diesmal ohne 
Schaden nicht dafür verkaufen; fie bäten alfo, für jest den Preis „etwas 
zu limitieren ohne Präjudiz der Morgenſprach“, indem fie verfprächen, 
fünftig nad) Soeftiiher Tara zu verfaufen. Hierauf wurde bejchlofjen, 
die genannte Zara abjchreiben und zur Nachrichtung an die Thür des 
Weinhaufes jchlagen zu laſſen, und „fein inmittels etliche Poſten etwas 
höher al8 zu Soeft den Krämern in Erwägung ihrer vorgebradhter Be— 
ſchwerung vergünftigt worden“. 

Die darnach aufgeftellte Tara hat folgende Preisliſte: 
1 Pfund Holländischer Käſe 5 Schilling, 1 Pfd. grüner Käſe 2 Schill. 
6 Pfennig, 1 Pfd. „truges“ Stodfiih 5 Schill., 1 Pfd. Fichte 10 Schill., 
1 Pfd. Baumolig (— öl) 32 Schill. 1 Pd. Rüböl 14 Schill, 1 Maß 
Thran 14 Schill., 1 Pd. Theer 3 Schill. 6 Pfg., 1 Pfd. Seife 6 Schill., 
1 Pidelhäring, fo gut ift 1 Schill, 1 Sied- und Brathäring 8 Pfg., 
Eingefalzene Priden, das Stüd 1 Schill., „Truge” Priden 1 Schill., 
1 Maß Weineffig 12 Schill, 1 Maß „gut” Biereffig 3 Schilling. 
Gewürze: 1 Lot Pfeffer 1 Schill, 1 Lot Gengbher (gughwer?) 9 Pfg., 
1 Lot weißer Hutzuder 10 Pfg., 1 Lot brauner Hutzuder 1 Schill., 
1 Lot Musfatenblumen 7 Schill, 1 Lot Musfatennägel 5 Schill., 
1 Pd. Kölniſcher Kuchen 5 Schill. 1 Pfd. brabantifche weiße „Stiefe“ 
(Stärke) 6 Schiff, 1 Pfd. blaue Stiefe (Bläue) 14 Schill, 1 Pfd. weiße 
Stiefe 4 Schill, 1 Maß Straßburger oder Rhein. Branntwein 48 Schill., 
1 Maß Anniswein 20 Schilf., 1 Lot Kaneel 5 Schill., 1 Pfd. „Rieſes“ 
(Reis) 7 Schilf., 1 Pfd. Korinthen 10 Schill., 1 Pfd. Nofinen 8 Schill., 
1 Pd. Pflaumen 6 Schill., 1 Lot Annis 6 Pfg., 1 Lot Kiimmel 6 Pfg. 

Zaren aus den Jahren 1635 und 1648 lehren, daß damals die 
Preije um etwa 10%, niedriger waren. Es dürfte darnad) 1644 die 
Preisfteigerung ihren Höhepunft erreicht haben. 


Lebensmittel. 289 


Am 13. Auguft 1650 wurde Adam Goßmann vor den Rat be- 
ihieden und ihm vorgehalten, daß er das Baderbörner Bier zu 
teuer verkauft habe. Hierauf berechnete Goßmann, ihm fofte das Faß 
Dier, weldyes 3 Ohm & 90 Arnsberger Maß enthielt, loco Paderborn 
7 Rthlr., für das leere Faß rechne er 6 Kopfftüd (19, Rthlr.), für 
die Fuhr 4 Rthlr.; an Eurfürftlihem Zoll fein 3 Scill., an Stadt- 
afzije 18 Pfg., für das Schroten (Aufladen) des Falles 18 Pfg., um 
das Faß aus dem Keller zu ziehen, 2 Edill. 3 Pfg., für Verzehr 
6 Schill. 3 Pfg., für eigene Zebrung 13"), Schill., für Botenlohn ꝛc. 
5’, Schill., zc. zu zahlen. Die Gefamtunfoften berechnete Hofmann auf 
13 Rthlr. 28 Schill. 4"), Pfg. Da er das Maß zu "/, Blamüfer (3'/, Schill.) 
verfaufte, betrug jein Gewinn am Faß 2 Rthlr. 39 Schill. 7, Big. 
Der vorfichtige Magiftrat zog jedoch Erkundigungen bei Bürgermeifter 
und Rat der Stadt Paderborn ein darüber, ob nicht 1. die Fäfler 
allda ihr gewijjes Maß und Ikung haben müßten, 2. wie viele Maße 
nad fölnifcher Yung ein „Paderborniſch Bierfaß“ begreife, 3. wie teuer 
im Preije ein „joldhes Faß guten und ſchlechten Bieres“ von den Bür- 
gern bajelbjt den „Auswendigen” verkauft werden möge, 4. was einem 
löblihen Magiftrat dafelbft an Alzife, Zoll zc. von jedem Faß zu 
präftieren ſei ꝛc. Der Stadtjefretär wurde zugleich in einem bejonderen 
Schreiben gebeten, den Beſcheid des Magiftrates recht bald auszufertigen 
und dem Arnsberger Boten einzuhändigen, wofür diefer ihm einen 
Reichsthaler zu einer Flache Wein übergeben follte.‘) Auf Grund der 
jo nachgeſuchten Aufklärung vechnete dann der Magiftrat dem Bierverleger 
einen Gewinn von 4 Rthlr. 35 Schill. nad) und ſetzte den Verkaufs— 
preis auf 3 Schill. für das Maß herab, ſodaß Gofmann von einem 
Faß einen Gewinn von 2 Rthlr. 48 Schill., von einem Fuder einen 
jolden von 5 Rthlr. 38’, Schill. hatte. Dieje Beijpiele werden zur 
Genüge veranſchaulichen, in welcher Weife der Magiftrat die Kontrole 
über die Preife der Lebensmittel ausübte, 


Der Magiftrat prüfte aber auch) die Güte der Waren. Am 13. Dez. 
1669 wurde beiſpielsweiſe „das Bier in der Stadt aufgenommen und 
probiert”, wobei fi ergab: „Barthold Pothoff ift paffierlich, Everhard 
Epling desgleichen, jchmecdt aber nad) dem Faß, Valentin Kucke ift 
paffierlih, Friedrih Range ift nicht pafjierlih; Philipp Biermanns 
Bier ift paffierlih; des Küfters Bier ift etwa jchlecht, Kochs Bier ift 





1) Bei näheren Entfernungen fam e8 vor, daß der Stadtdiener ein 
Fäßchen Wein aus dem Stadtfeller auf einen Efel lud, um namens der 
Stadt ein Douceur zu überreichen. 


Feauz, Geſchichte Arnsbergs. 19 


290 Kurkölnifche Zeit. Innere Geſchichte der Stadt. 


frifeh, aber doch in etwa paſſierlich, Dietrich Heffens Bier ift in etwa 
paffierlih, Thonniefen Henfen noch friſch, doch in etwa paſſierlich, Joh. 
Syhn ift etwa ſchlecht, Joh. Schutte friſch, aber doc paſſierlich.“ 

Auch über die zu Markt gebraten Sachen übte der Magiftrat 
genane Aufficht, wie das folgende Kapitel lehrt. Anhangsweije geben 
wir hier noch einige Notizen über ehemalige Preife. 1632 fofteten 
4 Bid. Pulver 1 Rthlr.; 1640 1 Hammel 1 Rthlr. 29 Scdilf., ein 
Ochs 5 Rthlr. 27 Schill; 1753 koſtete 1 Pfd. gutes Rindfleiſch drei 
Stüber, 1 Pfd. Schweinefleiih 4 St., 1 Pfd. Hammelfleiih 3 St. 
3 Pfg., 1 Pd. Kalbfleiſch 5 St., 15 Lot Weißbrot 1 St., 3°, Lot 
3 Pfg., 22 Lot Kümmelbrot 1 St., 8 Pfd. 12 Pot Grobbrot 6 St., 
der Berliner Scheffel Weizen 1 Rthlr. 39 St., Roggen 1 Rthlr. 7 St., 
Gerfte 55 St., Hafer 29 St., Erbjen 1 Rthlr., 17 St.; 1643 koſtete 
1 Nies Mendener Papier 1 Rthlr. 27 Schill. 1623 2 Bud) 1 Gulden 
2 Scill.; 1650 4 Bud Volfmarsheimer Papier 4 Schill. 6 Pig-; 
1638 bezahlte man 1 Pfd. Sped mit 6 Schill., 1 Pfd. Butter mit 
6, Scill.; 1640 Foftete 1 Maß Wein 15 Schill, 1 Ohm 21 Rthlr., 
1 Tonne Bier 21 Gulden, 1633 zahlte man an Madelohn für Nod 
und „Bure" 3 Gulden 81, Scilf., 1640 für 1 Paar Schuhe 50 Sch. 
das „Kleid“ (die Uniform) eines Wachtmeifters foftete 1620 10 Rthlr. 
(1 Rthlr. — etwa 5 heutige Reichsmark, 1 Gulden — etwa 1 ME, 
1 Schill. — etwa 10 Pfg., 1 Stüber — etwa 5 Pfg.) 

Der Marft. 

Arnsberg war urjprünglid) mit zwei Jahr- und Pferdemärkten 
privilegiert, der eine lag vierzehn Tage vor Oftern, der zweite fiel auf den 
Sonntag nad) Bartholomät. Nach dem dreißigjährigen Kriege gewährte 
der Kurfürft Ferdinand zwei neue Märkte, den einen auf Mit- 
jommer, den anderen auf Sonntag nad) Matthiä. Die Tuchhändler 
(Wand, d.i. Gewand: Krämer) legten ihre Ware in den Hallen!) aus; 
nad ihrem Eingehn wurden ihnen die Räume des Nathaufes, auch der 
Fürſtenſaal, eingeräumt. Die „kurf. Policey-Ordtnungh“ ſchrieb dem 
Magiſtrate genaue Kontrole der feilgebotenen Tücher vor. Das älteſte 
Protokoll (vom 7. März 1656) über eine foldhe Kontrofe erwähnt, daß 
die „eingedundte (eingetunft, in Waffer eingetaudht) Tücher widder ge- 
meffen und (dann) gefunden fei, daß etlihe Stud gar zu vill ein- 
gefrumpen (gefrimpt) jeien und deren Verkauffungh nit geftattet werden 

1) ©. 356. Im Fahre 1657 wurde bei der Revifion des Amtsbriefes 
der Sehwicker bejchloffen, daß derjenige „intwendige oder austwendige Krämer, 


der den Stand in der vorderjten Rathaufes-Halle hätte, von den vier 
Jahrmärkten jedesmal ein Reichsort — dreizehn Schilling bezahlen follte”. 


Markt. Juden. 291 


fönne”; für diesmal wolle man ſich der Konfisfation und Geldftrafe 
enthalten und fich mit einem Verweiſe begnügen. Am 4. April 1661 
nahmen Hermann Riffe, Einjpänniger, und Henniche Moller, Brüdhten- 
diener, mit Zuziehung der Stadtdiener „von den eingefommenen Kramern 
die Wandtproba ein“. Es waren vier auswärtige Krämer auf dem 
Markte, Ludwig von Garbed, Kafpar Paul von Iſerlohn, Quidtmann 
von Iſerlohn, Schwartz von Attendorn. Dem von Garbed wurde ein 
Stüd braunes Tud von 10 Ellen Länge fonfisziert, weil e8 nicht die 
richtige Breite hatte. Das Stüd fiel zu einem Drittel dem Kurfürften, 
zu zwei Dritteln der Stadt zu. Als „regula“ wird angemerkt: „die Elle 
müffe binnen der Liften neun Viertel und ſechs Viertel in die Länge 
haben". Da die Kontrole für die Verfäufer wie für die Käufer eine 
große Beläftigung war und viel Zeit foftete, jo wurde es jpäter üblich, 
von der „Krempe” Abjtand zu nehmen und dafür eine Geldabgabe zu 
erheben, die Kontrole wurde aljo thatjächlich aufgehoben. So mußten 
die Krämer 1) Standgeld zu etwa 25 Scdilling, 2) KRrempegeld zu 
etwa 36 Schilling bezahlen, wogegen folide Tuchhändler mitunter ener» 
giihe Einfpracdhe erhoben. Unter den „Wandtfrämern” aus dem 18. 
Jahrhundert erſcheinen Häufig die Löde aus Werl. Den Oftermarft 
1740 beſuchten 21 Tuchhändler. 


Die Juden, 

Wie in den anderen deutſchen Ländern, bedurften aud im Erz- 
ftifte Köln die Juden, um fi) irgendwo anfiedeln zu können, eines 
„Seleitsbriefes", der von dem Landesherrn unter gewiffen Voraus» 
jetgungen gegen Erlegung einer bejtimmten Geldfumme ausgeftellt wurde 
In ihren Rechten waren aud) diefe „vergleiteten” Juden fehr bejchränft ; 
fie fonnten nicht Bürger einer Stadt werden, mußten ſich meift in be- 
ftimmten, entlegenen, namentlih von den Prozeffionen nicht berührten 
Duartieren (Ghettos) niederlaffen zc. Während nun die gewerbjamen 
Rheinlande feit Alters eine zahlreiche Judenſchaft bargen, blieb dag ent» 
legenere Gebiet des Herzogtums Weftfalen von den Juden verſchont, 
zumal da die Städte fi) der Eindringlinge möglichft erwehrten. Erft 
nad) dem dreißigjährigen Kriege fcheinen fi) hie und da Juden feft- 
gejetst zu haben. So wollten auch in Arnsberg um 1667 zwei Juden 
ſich niederlaffen, um mit Fleisch und Höderwaren zu handeln.) Da 
fie ein Bürgerhaus nicht erwerben fonnten, jo mieteten fie ſich bei 

1) Schon etwa zehn Jahre früher war einigen Juden der Verkauf von 
Waren und das Haufieren mit denjelben in Arnsberg gejtattet worden. Sic 


mußten, „gleich an anderen Ortern gefchieht”, für das Benächtigen in ber 
Stadt ein Schlafgeld (18 Pfg. für die Nacht) an die Stadtkafje entrichten. 


19* 


292 Kurkölniſche Zeit. Innere Geſchichte der Stadt. 


Bürgern als „Beilieger” ein. Der Stadt war diefe Vermehrung ihrer 
Einwohner höchſt unbequem; daher bat der Magiftrat den Landdroften, 
der jene Niederlafjung der Juden bereit genehmigt hatte, dieje Er- 
laubnis wieder zurüdzunehmen. In der Eingabe wird hervorgehoben, 
daß „bevorab, folange die hiefige Stadt gejtanden und eine 
Stadt gewejen, niemalen ein einziger Jud darin gewohnt ;" 
dann folgt ein Hinweis, „was für gefährliche Verführung der Jugend, 
Knete und Mägde und andere große abusus die Eimwohnung der 
Juden gebären wolle” u. a. m. Die Regierung jchenfte jedoch diejer 
Vorftellung der Stadtväter nicht ohne weitere8 Gehör; fie Hatte die 
Juden in Arnsberg zugelafjen, weil hier die Fleiſcher und Höcker ihre 
Waren übermäßig teuer verkauften. So wandte fi) dann der Magiftrat, 
von dem Abte in Wedinghaufen und dem Jeſuitenpater unterftütt, an 
den Kurfürften Mar Heinrich ſelbſt. Da die Stadt fich bereit erklärte, 
eine Summe von 200 Rthlrn. für die dauernde Befreiung von der 
Judenſchaft zu zahlen, jo war der Yandesherr gern bereit, ihrem Wunſche 
zu willfahren, und ftellte Arnsberg folgendes Privilegium aus: 


Bon Gottes Gnaden Wir Marimilian Henrich Ertbifhoff zu Eöllen 
des h. Röm. Reichs durch Italien Erkcantler und Churfürjt bekennen biemit 
bor uns und unferen Nachkommen, demnach uns Burgermeijter und Rath 
unſer Stadt underthenigit zu erkennen geben, welcher gejtalt diejelben bon 
undenklichen Jahren hero aus ungezweifelten twolerhobenen und beivogenen 
urfachen von einwohnung der Juden befreyet geweſen, biß nun allererjt, vor 
ungefehr Jahres frijt ein und ander aus der in unjerem Hertzogthumb Wejt- 
phalen ohnedem vergleitter Judenſchaft eingefhlihen, und darumb fie lieber 
zu dem mit dem don Lohn zu unfer unferes Erzitiffts gefällen verbeſſerung 
getroffenen fauff, überdas in befagten unjerm Fürſtenthumb auch jüngjthin 
verkauften Hauß Bergh angelegenen adelihen Haußes und guts zu Olpe 
zweyhundert Neichsthaler beytragen, als länger mit gegenmwardt Handel und 
Wandel der Juden zu nachtheil oder verſchmälerung ſowohl geiftlicher als 
wohl herbrachten bürgerlichen weſens bejchtwert fein und bleiben wollen, und 
dan wir nach diefem bemelter Burgermeijter und Rath unjer Stadt Arns— 
berg underthenigjtes einwenden und gethanen willigen erpieten alſolch 
ihrer gehorfambjter pit und gefinnen gnädigft zu wilfahren nit ungeneigt 
fein, Alß haben wir unferen zeitlichen Wejtphälifchen Landtroften und Ober- 
felneren gnädigſt anbefohlen, vorangezogene zweyhundert Neichsthaler zu er- 
heben, zugleich auch zu behuf vorberürten fauffs, wie auch bereits gejchehen, 
zu verwenden und die dafelbjten wohnenden Juden wieder zu borigem ihrem 
bergleitem ort zu bermweijen und darüber oder diefem zuwieder fortan und 
ins fünftig Feinerley weyß zu gejtatten, daß mehrbemelte unfere Stadt Arns- 
berg ferner bejchwert werde. Urkundt unjeres Handzeichens und anhangen- 
den Ehurf. Infiegels. Aldeweilen um diefe unferer Stadt Arnsberg gnädigjt 
ertheilte concefjion mit Vorwiſſen und bemilligung deren Würdigen und 
Edelen unjer lieber andächtiger Dechant und Capituls unjerer Thumbkirchen 


Audenprivileg. Die ftädtifche Mark. 293 


in unfer Statt Cöllen alfo borgangen und gefchlogen, jo haben diefelbe zu 
deren mehrer Berficherung ihr Inſiegel ad causas genandt daran gleichfalß 
bangen laßen. Geben in unfer Refidenz Stadt Bonn den 26. May A. 1671. 
Marimilian Henrid). Bet. Streidthauen. 

Die Stadt blieb nun während der ganzen Eurfölnifchen Zeit von 
jüdifhen Nicderlaffungen befreit. Das einzige Zugeftändnis, welches 
den Juden unter dem vorletten Kurfürften auf Iandesherrlihe Ver— 
fügung gemacht wurde, war die Öffnung des Marktes. In heſſiſcher 
Zeit wurde das Yudenprivilegium einfach aufgehoben. Im Jahre 1810 
ließen fich die erften zwei Judenfamilien in Arnsberg nieder. Bald 
nad) Beginn der preußifchen Zeit erhob der Magiftrat bei der Negierung 
Anſpruch auf die Rüdzahlung des einft für das Privilegium gezahlten 
Kapitals und entjprechender Zinfen feit 1810. Der Münzwardein 
Dieze in Mannheim berechnete den Wert des Kapitals nad) damaligen 
Münzfuße auf 3504 Thlr. 45%, Stüber. Fiskus verftand fi) dazu, 
diejes Kapital, jowie aud einen Zeil der Zinſen zu zahlen. 


Die Hädtifhe Mark. 
Die Nutzung des Waldes. Der Aufgang der Schweine in die Maft. 
Köhlereibetrieb. Waldſchutz. Schnadezüge. 


Die Gefchichte der Arnsberger Waldmark und die Marfnukung 
überhaupt ift bereit3 im erften Zeile (S. 67, ©. 84 ff.) ausführlich 
behandelt worden. Wie dort erwähnt wurde, befteht der heutige jogen. 
Stadtwald aus zwei verfchiedenen Teilen, nämlich: 1. der alten 
Arnsberger Mark, auch „Stadtberg” genannt,!) 2. den fpäter von 
der Stadt erworbenen Waldpiftrikten, den fogen. Walper Bergen und 
dem Wredenholz. Dementjprechend war das Recht der Bürger an der 
Waldnugung ein durchaus verfchiedenes. Seiffenfhmidt, der dieſem 
Gegenftand eine gediegene Abhandlung gewidmet Hat,?) jagt darüber: 

„Die alte Arnsberger Mark, an der die Bürger der Stadt nicht 
als folche, jondern nur als Befiger einer Wale,’) d. 5. eines 
Haufes, von dem Wachdienſte geleiftet werden mußten, 
aljo in ihrer Eigenihaft als Genoſſen diefer Mark, beteiligt waren, 


ı) Die Eiche Herrjchte in der alten Mark vor, jedoch wurde der Beſtand 
infolge der zahlreihen Stadtbrände ſehr gelichtet. Den abgebrannten Märkern 
wurde Holz unentgeltlic) angewiefen. Allein im 17. Sahrhundert entjtanden 
vier Brände (1600, 1614, 1690 und 1699), dann wieder 1709, wo 80 Wohn- 
bäufer abbrannten. 

2) Blätter 3. n. 8. W. 1870. ©. 22. 

ö 2) Seiberk jchreibt „Wäke“; Seiſſenſchmidt „Wade” ; die Ardivakten 
afe. 


294 Kurkölnifche Zeit. Innere Gedichte der Stadt. 


wurde vor wie nad) al8 Markenwald behandelt; es blieb nah Er 
hebung Arnsbergs zu einer Stadt das frühere Marfengenofjenihafts-- 
Verhältnis beftehen. Die Wafenbefiger erhielten demmad) das notwendige 
Baus, Gejhirr- und Brennholz aus diefer Mark und hatten ihren 
Anteil an der Maſtnutzung. Nur die Vorftandihaft der Mark war 
von den früheren Schut- und Schirmbherren, den Grafen von Arnsberg, 
auf den Stadtmagiftrat übergegangen. Die von der Stadt angefauften 
Walper Berge und das Wreden-Holz jedoch wurden als Sonderwald 
der Stadt behandelt, weshalb der Nutungsertrag der Stadtgemeinde 
zufloß. Daher beftimmte der Art. 19 der ftädtiichen Willfür vom Jahre 
1608: „ft von Alters hergebradt, da der Allmächtige Maft verleiht, 
daß ein jeder Bürger, der eine Wafe hat, darauf in Zeit der vollen 
Maft vier Schweine in den arnsbergifchen Berg treibe, in Zeit des 
vierten Stranges') nur eins, und treiben die von Wedinghaufen in Zeit 
der vollen Maft 50 Schweine und alfo nad) Advenant (db. h. im Ber: 
hältniſſe). Wie dann aud altem Herfommen nad die Herren Bürger: 
meifter, Kämmerer, Ratsperfonen und die anderen Beamten, Diener 
und Hirten jeder Zeit einen Aufſchlag gemacht!) und etlihe Schweine 
ohne ihre bejondere Gerechtigkeit mit in den Berg getrieben haben. 
Soviel aber die Walper Maſt anlangt, haben jeder Zeit Bürgermeifter 
und Kämmerer von ihren Bürgern und nicht auswärtige Schweine auf- 
genommen und darin für Geld, jo der Stadt zum Beften angewendet 
wird, treiben laffen, jedoch ihnen ihren Aufſchlag altem Herkommen 
nad) gleichfalls vorbehalten, und daß die beiden Bürgermeifter, Kämmerer, 
Sekretarius und Stadtdiener altem Herfommen nad fein Majt- nod) 
Hudegeld entrichten. Aber die anderen Bürger, jo Schweine in die 
Walpe getrieben, entrichten der Stadt von jedem Schweine das halbe 
Maſtgeld, welches in anderen Marken ganz gegeben wird.” 

Demnach wurden zwei Schweineherden gebildet, die eine von den 
eine Wafe befitenden Bürgern zur Weide in der Arnsberger Mark, die 
andere von jämtlihen Bürgern gegen Entridtung des halben Maft- 
geldes für die Walper Berge und das Wredenholz. Für beide Herden 
wurden bejondere Hirten angenommen. 

Was nun das Verfahren bei der Maftausübung betrifft, fährt 
Seiſſenſchmidt fort, jo wurde gewöhnlich in der Ietten Hälfte des 
Monats September von Bürgermeifter und Rat, fowie von den Nicht: 
leuten der vier Ämter darüber Beratung gepflogen, ob wohl ein fo 
reihliher Ertrag an Edern, nämlich Eicheln oder Bucheckern, vorhanden 


1) Diefe Ausdrüde werden auf der folgenden Seite erläutert. 


Waldmark. Maſtnutzung. 295 


ſei, daß eine Herde Schweine zum Fettmachen in die Mark eingetrieben 
werden könnte. Man nannte dieſes das Betreiben der Fratmaſt (S. 67), 
im Gegenſatze zur Sprengmaſt, bei der nur die Faſelſchweine (junges 
Mutterjchwein) zur Hude in die Mark getrieben wurden. Eine Fratmaft 
wurde angenommen, wenn die Frucht mutmaßlich jo reichlich vorhanden 
war, daß wenigftens „auf den vierten Strang getrieben” werden Fonnte, 
das heißt, daß jeder eine Wake befitende Bürger ein Schwein zur 
Maftnugung bringen konnte.) War man nun darüber einig, daß 
Fratmaſt getrieben werden fonnte, jo wurden einige Magiftratsperjonen 
und Bürger beauftragt, die ftädtishen Waldungen unter Zuziehung der 
Holzfnechte näher in Augenschein zu nehmen, und über den Befund in 
Beziehung auf den Maftertrag zu berichten. Diefer Bericht wurde 
ſodann in einer befonderen Magiftratsfigung unter Zuziehung der Richt⸗ 
männer der vier Ämter erſtattet und zugleich über die Anzahl der ein— 
zutreibenden Schweine Beihluß gefaßt. Demnächſt erfolgte nad) Maß— 
gabe der Zahl der überhaupt einzutreibenden Schweine die Verteilung 
auf die eine Wake befisenden Bürger. Dean nannte diejes Verfahren 
„nach Gedrage fcharen”. Bei diefer Gelegenheit wurde zugleich feſt— 
geftellt, welche Anzahl Schweine dem Biürgermeifter und den übrigen 
Natsherren, fowie den Stadtdienern frei beizutreiben geftattet jei. Es 
wurde, wie man es nannte, der Aufſchlag gemadt. Hierbei ver- 
dient bemerkt zu werden, daß es den Frauen der beiden Bürgermeifter 
gelungen war, bei diefem Aufſchlage auch bedacht zu werden, indem jede 
ein Schwein frei zur Maft ſchicken durfte; ein Beweis, welchen Einfluß 
die Frauen der Bürgermeifter auf die Leitung der ſtädtiſchen Angelegen- 
heiten damals gehabt haben. (!) 

Nachdem nun die Hirten beftellt, und mit diefen cin Wocenlohn 
vereinbart war, entwarf der Stadtjefretär auf Grund jener Vorlage das 
Maftregifter, fertigte ein Verzeichnis der Wakebeſitzer an, vermerkte bei 
jedem, wieviel Schweine er auf fein Recht und die ihm etwa über: 
tragenen Rechte eines Mitbürgers zur Maft zu bringen berechtigt war, 
und regiftrierte den bedungenen Auffchlag für die Magiftratsperfonen, 
die Stadtdiener, die Hirten, und die Frauen der beiden Bürgermeiſter, 
jo wie, was für jedes zur Maft angemeldete Schwein an fogenanntem 
Wiene?)-Geld zu entrichten fei. Dies war eine Abgabe (gewöhnlich 
ein Schilling), die von jedem Maſtſchweine dafür entrichtet werden 
mußte, daß es an den Gang in der Herde gewöhnt werbe. 


3) Hiernach erklären ſich die im Rezeſſe mit Wedinghauſen gebrauchten 
Ausdrüde (S. 84). 
») In den Stadtrechnungen fteht Wennegeld. 


296 Kurkölnifche Zeit. Innere Geſchichte der Stadt. 


Wie reihlichen Ertrag die Maft für die Bürger Arnsbergs abwarf, 
geht 3. B. daraus hervor, daß im Jahre 1680, wo 208 Wafenbefiger 
an der Maftnutung bei voller Maſt teilnahmen, über 800 Schweine 
außer dem Aufjchlage und der Walper Maft zur Fratmaſt getrieben wurden. 

Nach allen diejfen Vorbereitungen rüdte nun der Tag heran, an dem 
der Aufgang der Maftijhmweine erfolgte, der vorher öffentlich befannt 
gemacht wurde. Diejes war für Arnsberg ein wahrer Jubeltag. Schon früh: 
zeitig vernahm man das Gequife der Schweine (Cuique suum), welche die 
Befiter für fich fennzeichneten und dann auf einem hierzu bejtimmten Hofe 
zuſammenbrachten. Bier wurde den Maſtſchweinen der Anfangsbuchſtabe der 
Stadt, ein AU, auf den Schinken eingebrannt. Dies gefhah, um Schweine, 
die don der Herde abgefommen und anderen Schweineherden in den benad): 
barten Marken zugelaufen waren, als zu der Arnsberger gehörig erkennen 
und reklamieren zu können. Nun war der Augenblid gekommen, mo dic 
zufanımengebradite Herde den Gang zum Walde antreten fonnte. Dem 
Hauptfchrweinehirten, dem nad) der Stärke der Herde nod) drei bis vier Bei: 
hirten zugeordnet waren, wurde das Horn übergeben, und beim erjten Stoße 
in dasfelbe, wo ihm ein Trinkgeld bon vier bis ſechs Scillingen hinein 
geworfen wurde, beivegte ſich die Herde, von jung und alt begleitet, unter all- 
gemeinem Frohloden nach der Klojterbrüde hin. Bei diefer Freude wurden 
aber auch die Armen nicht vergeflen ; denn faum twar die Klofterbrüde erreicht, 
jo wurde ein Almofen von fünf bis zehn Schilling unter diefelben verteilt. 
War die Herde zum Walde abgegangen, jo bewährte ſich auch hier der fromme 
Sinn unferer Borfahren, denn nun wurde die Herde dem Schuße der Stadt: 
patronin, der 5. Jungfrau Maria, empfohlen, und ihr zu Ehren in den 
Opferſtock, bei ihrem Bildniffe am Rathauſe, eine Gabe von einigen Schillingen, 
zur Anſchaffung von Lichten niedergelegt. Demnächſt wurde der Aufgang 
der Schweine durch Bürgermeijter, Kämmerer und andere Beamten, wenn 
die Majt erheblid war, durch ein Weingelag gefeiert, deſſen Unkoſten nad 
$ 20 der Willfür von 1608 die Stadt tragen mußte. Alle diefe Ausgaben 
mit dem Weingelage wurden aus dem erwähnten fog. Wienegelde bejtritten, 
und nur der bleibende Überſchuß, der aber von keiner befondern Bedeutung 
war, jloß zur Stadtlaffe. Da die zur Majt eingebraditen Schweine nicht 
allabendlih zum Stalle zurüdfehrten, vielmehr im Walde übernachteten, jo 
war fowohl, um die Herde zufammen zu halten, als aud) wegen des Obdadjes 
der Hirten, Vorkehrung zu treffen. Daher wurde an einem paffenden Orte 
im Walde eine Umzäunung errichtet, in welche am Abende die Schweine 
eingetrieben wurden, und neben derjelben eine Strohhütte für die Hirten er: 
baut. Die Umzäunung wurde der Steg genannt. Das Hüten der Schweine 
geſchah durch alle Dijtrikte der arnsbergiſchen Waldungen, wo Edern vor— 
findlich twaren, und dauerte fo lange, als hinreichende Maft vorhanden tar, 
und die Witterung das Hüten gejtattete. War die Majt beendigt, fo wurde 
von dem Stadtmagijtrate der Abgang der Herde angeordnet und ein Tag 
öffentlich befannt gemacht, wo die Eigentümer ihre Maſtſchweine wieder in 
Empfang nehmen fonnten. Auch diefer Tag war nicht minder ein Tag der 
Freude. Erwachſene und Kinder gingen der heimkehrenden Herde entgegen, 
juchten jchon Hier ihre eingetriebenen Stüde in der Herde ausfindig zu 


Der Aufgang der Maſtſchweine. 297 


maden und erfreuten fich an der wahrgenommenen Veränderung der Schweine, 
die bei einem gewöhnlich) jehswöchentliden Aufenthalte in der Majt zum 
Schlachten fett geworden waren. In der Stadt angelangt, wurde die Herde 
auf den Hof getrieben, von dem fie ausgegangen war, und die Eigentümer 
nahmen bier ihre Schweine wieder in Empfang. Es fonnte hierbei nicht 
fehlen, daß, da die an den Tieren angebraditen Kennzeichen mitunter nicht 
mehr wahrgenommen wurden, über die Identität der Schweine Zänkereien 
und Streitigkeiten entftanden. ‘Diefe wurden jedodh von dem Magiftrate auf 
gütlihem Wege beigelegt. Nach Beendigung der Mait mußte bon jedem 
Stüde, das die beredtigten Bürger eingetrieben Hatten, das wöchentlich fejt- 
gefette Hudegeld zur Stadtkafje entrichtet werden, was zunächſt zur Befoldung 
der Hirten diente. Jeder derjelben erhielt gewöhnlich wöchentlich zehn 
Schilling, der Rejt des Geldes floß, nachdem bei erheblicher Majt das von den 
Magijtratsperfonen und den übrigen Beamten und Dienern der Stadt ge: 
baltene Weingelag davon beftritten war, zur Stadtkaffe. Hiermit waren die 
Majtangelegenheiten beendigt, aber noch an bielen Abenden bildete die Mait 
und ihr günstiges Ergebnis den Gegenjtand der Unterhaltung der Spieß— 
bürger beim Glaſe Bier, und manche Bürgersfrau freute ſich ſchon im Stillen, 
ihrem Herrn und Gebieter am bevorjtehenden Weihnachtsfefte ein leckeres 
Mettwürjtchen auftifchen zu können. Doc wie haben fi) die Zeiten geändert! 
Die Arnsberger Mark, aus der die Bürger freies Brenn, Bau- und Geſchirr— 
Holz bezogen und in Beiten der Majt, nad) Mafgabe des Ertrages, je bis zu 
bier Stück Schweine zur Fratmaſt bringen fonnten, ijt vor und nad) in einen 
ftädtifchen Gemeindewald umgewandelt, defien Nuktungsertrag Tediglich zur 
Beitreitung der fortwährend gefteigerten Kommunalbedürfnifie verwendet wird. 
Aud das Betreiben einer Fratmaſt hat aufgehört, indem bei bermehrtem 
Handel und vermehrter Induſtrie der Wert des Holzes bedeutend gejtiegen 
it, und die Forjtwirtichaft, welche in früheren Zeiten auf Erhaltung der maſt— 
bringenden Bäume vorzüglich gerichtet war, nunmehr darauf Bedacht nimmt, 
aus dem Berfaufe des Holzes einen möglichit hohen Wert zu erzielen, und 
daher nad) einem fejtgeitellten Kulturplan ohne alle Schonung der Maſtbäume 
zu verfahren. Es find nur wenige alte Leute, ſchließt Seiffenfhmidt, die ſich 
bes Betreibens der Fratmaft aus ihren Jugendjahren noch erinnern, und jo 
gehört jet das Betreiben der Fratmaſt lediglich der Geſchichte an.” 


Im 18. Zahrhunderte begann die Stadt aus dem Kohlen ab- 
ftändiger Bäume Gewinn zu ziehen. Im Jahre 1721 wurden von 
den Köhlern act, im Jahre 1749 fogar jehzig Athlr. an die Stadt- 
faffe abgeliefert. Dieſe Einnahme verſprach eine bedeutende Steigerung, 
als Freiherr von Höſch, Befiger einer Eifenhütte in Warftein, mit der 
Stadt einen auf Gewinnung von Holzkohle bezüglihen Kontrakt ſchloß. 
Nach einer Befichtigung des ftädtifchen Buchenwaldes äußerten fid) Sad): 
verftändige dahin, daß daraus 15 000 Wagen Kohlen „Olpiſcher zehen 
Zayn Haltender Maaß“ dem Walde zum Nuben gewonnen werben 
fönnten. Da die Stadt gerade mit dem Bau einer neuen Wafjer- 
leitung nebſt Schladht vorgehen wollte, jo war ihr dieje Einnahme um 


298 Kurkölniſche Zeit. Innere Geſchichte der Stadt. 


jo willfommener. Sie lieh von Herrn von Höſch 2000 Rthlr. und 
jtellte jene Anlage her. Da behauptete der Abt des Kloſters Weding- 
haufen ein Anrecht auf den dritten Teil der aus den Kohlen gewonnenen 
Gelder, und die durch den Erovergleid von 1575 (S. 84) beigelegten 
Streitigkeiten zwijchen der Stadt und Wedinghaufen brachen wieder aus. 
Der Magiftrat gab dem Abte zur Antwort, „jo wenig die Stadt ge- 
meint wäre, dem Gotteshauſe etwas zu entzichen, was ihm nad) Maß— 
gabe des erwähnten Erbverzleiches gebühre, cbenjo wollten fie von dem: 
jelben hoffen, daß es die Stadt an ihren hergebrachten Gerechtſamen 
zu kränken nicht willens wäre". Indeſſen erwirkte der Abt vom Offi— 
zialatgerichte in Werl ein Ynhibitorium des Inhaltes, daß „Bürger: 
meifter und Nat fi) der Verhau- und Verkohlung ihres Waldes unter 
200 Goldgulden Brüdtenftrafe enthalten jolle”. Diejes Urteil ftügte 
ſich vornchmlid auf die Meinung, daß der Wald durch das viele 
Kohlen verwüftet werde. Hierauf appellierte der Magiſtrat an das 
geiftliche Hofgeriht zu Köln und Tick zugleich durch Furfürftliche Forſt— 
beamte eine Befihtigung des Waldes vornehmen; und als dieje eidlic) 
erflärten, daß „die vorhabende Abftammung des groben Büchen-Gehöltz 
nicht zum Verderb, fondern vielmehr zum gewiffen Vorteil des Waldes 
gereihig jey“, wurde das Werler Urteil vom Hofgeridhte in Köln ohne 
weiteres aufgehoben. Hiermit gab ſich jedoch der Abt nicht zufrieden. 
Er legte Revifion bei der Arnsberger Regierung ein und ließ aus 
Berleburg einige Forftbeamten de8 Grafen von Sayn ⸗-Wittgenſtein 
fommen, die ein unparteiiihes Gutachten abgeben jollten. Da diejes 
nit im Sinne der Stadt ausfiel, jo ließ dieſe eine umftändliche Prozeß: 
Schrift verfaffen, die den Richtern gedrudt vorgelegt wurde. Der Titel 
diefer fhon S. 20 erwähnten Schrift lautet: „In der Geſchicht und 
den Rechten überzeuglich- begründet mit 21 respective in Originali 
et vidimatis Copiis anverwahrten Anlagen bewehrte Anweifung 
Sceithens Bürgermeifter und Rath der Stadt Arnsberg 
Gegen das Gottes-Hauß Wedinghaufen, daß dieſem weder 
irgendwo in der Arensbergiihen Mark ein Mit-Necht gebühre, weder 
auch dasjelbe jemahlen in Compossessione bejtanden, mit eine Inhi- 
bition de non caedendo et carbonando jo ohngerecht anverlangt, 
al3 der Official zu Werll felbe allzu voreylig und wider Recht erkannt, 
hingegen der Official zu Cölfen die darab eingelegte Appellation mit 
vollen Beſtand Rechtens angenohmen habe, folgende das Gotteshauß 
hierab Processus Revisorios mit Ohnfug nachſuche.“ Über den Aus» 
gang des Prozeſſes liegen im Archive feine Alten vor. 


Köhlereibetrieb. Schnadezüge. 299 


Der Schu der Wälder lag den Forftbeamten (Holzknechten :c.) 
ob. Bei dem großen Intereſſe, welches alle Bürger am Walde hatten, 
mußte fid) jeder zu feinem Schutze berufen fühlen. Ein gewiffes Ge- 
fühl der Verantwortung nad dieſer Richtung Hin zu erziehen, waren 
bejonder8 aud; die Grenzumgehungen oder Schnadezüge geeignet, 
die nad) den Nottuln (S. 168) jährlich ftattfinden follten, in Wirklich— 
feit allerdings feltener ausgingen. Eine fo anmutige Schilderung eines 
folhen Zuges, wie fie 3. B. Beder vom Briloner Schnadezuge 
gegeben hat, befigen wir nicht, nur einige Auszüge aus Protofollen find 
in der oben erwähnten Prozeßſchrift erhalten. Das ältefte Protokoll 
von 1604 beginnt jo: 

Wir Hennede von Eſſen, des Kurf. hohen Weltlihen Gerichtes zu 
Arnsberg Richter und ſämtliche Gerichtsfchöffen daſelbſt, wir thun Fund, 
zeugen und befennen in und vermittelt gegenwärtigen Documents, daß im 
Fahr, als man zählte jehzchnhundert und bier, Dienstags den 13. Julii dor 
Uns zu Arnsberg auf dem Rathauſe an gebührliche Gerichtsjtatt daſelbſt per- 
fönlih gelommen und erjchienen feien die ehr-, veſt-, hochgelehrtschriamen 
fürfichtigen Herrn Bürgermeijter und Rat der Städte Arnöberg, auch ſämt— 
lihe Semeinheit dafelbjt, und uns mündlich angezeigt, dieweil fie Borhabens, 
bermöge ihrer Morgenſprache und habenden Gebraucdhes, die Schnade ihres 
Gehölzes und Marken auszugehen, daß fie zu folchem Ende quoad hunc 
Actum borgemeldeter Richter und Schöffen, famt dem Gerichtsjchreiber und 
hernach benannten Zeugen ihres Eides und ihrer Pflicht, damit diefelben den 
Städten Arnsberg verwandt und zugethan wären, erlaſſen wollen, alfo aud) 
wirklich erlalfen haben, demnächſt wider ihre Benadbarten, fo an ihre 
Grenzen ftoßen, als Propft zu Rumbed, Holzridter, und die 
Scarleute der „helle Felder-Marken“, die Erben Hachener Mar- 
fen, den Eurf. Unterfellner wegen des Herrngehölzes,) den edel: 
fejten Bernhard Wreden zu Röderen (Reigern) und Haden, die von 
Wenniglohe, Hans Friedrich Ledebur zu Wicheln, ſamt denen don 
Müſchede und Ingeſeſſenen von Obereimer, davon ausgegangene 
Ladungen reproduciert, darauf die chrfamen und ehrbaren Thoniefen Honns- 
leber, Berndten Eslind, Thoniefen Lange, Jacoben Kaßheuer, Philips Thollen 
und Jörgen Honnsleber, jo einesteils ihr Hohes Alter erreicht, zu Zeugen 
vorgeftellt und gebeten, diefelben aufzunehmen, zu beeiden und ihnen an— 
gedeutete Schnade, wie jie ſolches hiebevor von den Alten gehört, aud) ge— 
ſehen und jelbjten mehrmals bei ihren Lebzeiten ausgehen helfen, richtig aus— 
zugehen und die Limiten (Grenzen) allenthalben umftändlic anzuzeigen und 
alles fleißig zu protocollieren, worauf jeßt gedachte Zeugen praevia Avisatione 
Periurii (nad) vorausgegangener Warnung dor Meineid) an Etund beeidet, 
gejtalt (nämlich) in diefer Sache die wahre Kundfchaft allenthalben ihres 
Wiffens zu geben und folches nicht zu unterlaffen, weder um Gunjt, Gabe, 
Nuben, Haß, Feind- oder Freundfchaft, nod etwas anderes, fo Sonne oder 


1) Offenbar der zur Burg Hachen gehörige Teil der Hachener Marf, 
der heute fisfalifch iſt. 


300 Kurkölnifche Zeit. Innere Gefhichte der Stadt. 


Mond bejcheinen möchte; find alfo post praestitum Juramentum (nad) der 
Eidesleiftung) vor Uns Richter und Schöffen, auch Bürgermeifter und Rat, 
auch der ganzen Gemeinheit vorgemeldeter hergegangen, die Schnade- 
bäume und deren Zeichen gezeigt, und da diefelben etwas dunkel und ver— 
wachſen geweſen, im Beifein der mit antwefenden Markgenofien und Erben 
erneuert und aufgehauen ꝛe. Und haben demnach anfänglich mit denen von 
Rumbeck boven dem Scheidefiepen den Anfang gemadt ꝛc. zc. 

Wenngleih man bereit8 um 6 Uhr morgens aufbrad), jo dauerte 
doch der Schnadegang oft mehrere Tage, namentlid) wenn er längere 
Zeit unterblieben war. In diefem Falle jcheint man auch unparteiijche 
Zeugen von auswärts zugezogen zu haben. — Scnadezüge umgingen 
nit nur die Walde, fondern auch die Feldmark und die ftädtifche 
Waldemeine oder Waldemei. Nach der langen Bewegung ließ fidh alt 
und jung den von der Stadt „altem, löblihem Herfommen gemäß” ge: 
jpendeten Tropfen gut munden. Der Richter, der den Zug miitgemacht 
hatte, erhielt für fein Bemühungen einen Reichsthaler. 


Das PBantaleonsgeridht. 

Über die Feldmark ift bereits im erften Teile fo ausführlich 
gehandelt worden, daß uns an diefer Stelle nur noch die Schilderung 
eines uralten Brauches, eines Feldgerichtes in der Altftädter Mark, des 
mehrerwähnten Pantaleonsgerichtes erübrigt. 

Am 27. Yuli, dem Tage des h. Pantaleon, de 3 Flurenbeſchützers, 
lieft ein Konventuale von Wedinghaufen in der Stadtkapelle eine Meffe, 
an der die ganze Altjtadt teilnimmt. Nachher begiebt er fid) im ein- 
fahen weißen Ordenskleide unter die Linde vor der Kapelle und nimmt 
namens des Abtes von Wedinghaufen in Gemeinſchaft mit dem gerade 
amtierenden und dem vorigen „Richtmann“ die Wahl eines Richtmannes 
für das nächſte Jahr vor. Darauf wenden ſich die drei das Gericht 
bildenden Perjonen gegen das Volk und verkünden ihm den Ausfall der 
Wahl. Der amtierende Richtmann hat den Tag zuvor die im Laufe des 
Jahres bei ihm belangten Individuen laden laſſen. Nun wird das 
Gericht beginnen. Unter dem Umjftande bemerkt man viele mit Beilen, 
Ärten, Senfen, Spaten, Haden, Sägen und dergl. Bewaffnete. Die 
jungen Burjchen zeichnen ſich durch martialifchen Blick und bejonders 
ſchwere Werkzeuge aus.!) 

. .. Endlich gelangt man jeßt neben einem Wege an eine Hede, über 
welche allgemeine und laute Klage geführt wird, da der Weg beinahe zuge- 
wachſen, fait nicht mehr zu fahren ift, und die Früchte dadurch von den Ernte: 


wagen abgejtreift werden, wie denn auch der Weg mehrenteild unfejt und 
grundlos ift. Das Gericht war ein paar Jahre diefen Weg nicht gelommen, 





) Seiſſenſchmidt, Blätter 3. n. 8. W. 


Pantaleonsgericht. 301 


daher die Saumfeligkeit des Befigers der Hede. Die Mitglieder des Ge- 
richtes verwundern ſich über den Unfug, und eines derjelben jagt mit jtrafen- 
der Stimme: „ES ijt entjetlich, wenn die Leute nicht ſoviel Ehrgefühl haben, 
und fich immer wie alte Gäule mit der Pritfche müfjen treiben laſſen.“ — 
Die anderen ftimmen ein und jo erfolgt auch gleich der Ausſpruch: „Haut 
alles diesſeits der Hede nieder.“ Aber faum find diefe Worte ausgejprochen, 
da fehe num einer die Ärte, wie fie umberfliegen, und in der Sonne blinken, 
und wie die Hede zufammenfchmilzt, gleich dem frifch gefallenen Schnee um 
Mittag in der warmen Aprilfonne. Der Eigentümer jchreit erbärmlicdh: „Um 
Himmelswillen, fie hauen mir die ganze Hede nieder, das ijt nicht recht, das 
ift nicht erlaubt, fein Stumpf noch Stiel bleibt davon übrig.” Die Jungen, 
muß man nämlich willen, find es, die fchon den ganzen Morgen auf dies 
Stück Arbeit gehofft, weil fie dem Beklagten, der Individualität feines 
Charakters megen, höchſt abhold find. Der amtirende Richtmann antwortet: 
„Ei was, ich kann dem Strome keinen Einhalt thun, Ihr ſollet's dazu nicht Haben 
fommen laffen, das jchadet Euch nicht, ſolche gleichgültige Menſchen müſſen 
alfo bejtraft werden.” Das war aber mal ein Feitmahl für die Jungen, die 
lächelnd, ſtolz und triumphirend, ja innigjt vergnügt jeßt wieder zum Haufen 
treten und ausrufen: „Der wird unfer gedenken, und e8 jo leicht nicht ver- 
gefien“ ; jo wie man hier und dort auch wohl einen jagen hört: „Wäre wahr- 
baftig diefen Morgen nicht mitgegangen, wenn ich nicht gedacht, daß ich ihm 
heute fo ins Ohr blajen wollte.“ 

Warm ijt e8, der Himmel ungemein klar und heiter: fein Lüftchen 
regt fih, und die Sonne jteht in der Zeit des Tages jekt am Hödjiten. 
Man fühlt es allgemein und nur zu jehr, daß es die glühende Julius-Sonne 
ift, die heißefte Zeit des Jahres. Die große Volksmenge hat ſich inmittel® auf 
die hohe Kante des Bergrüdens gefchoben, und ein jeder woijcht jich den 
Schwei von der Stime Man ift nicht weit von einem Kreuze, jo an der 
Hauptſtraße (hinter dem Grünen Haus) jteht, die iiber den Bergrüden hin- 
läuft; und wie hier ein ajtiger Baum das Kreuz bejchattet, jo findet man 
hierin eine Einladung, fi eine Zeitlang im Schatten zu lagern und aus— 
zurubhen. Dorthin eilt nun die Menge, macht eine Berbeugung vor dem 
Kreuze und fällt dann ziemlich ermattet auf den fanften, grünen Rajenplag 
nieder, wohin kein Sonnenftrahl zu dringen vermag. Wer Erfrifhungen hat, 
wie e8 bei den Meijten der Fall, bedient ſich ihrer, man ißt und trinkt, ijt 
vergnügt und heiter, und froher Laune. Dem noch nüchternen Geiftlichen ift, 
wie recht, aus der Abtei ein Diener nachgefommen, der ihm jett in einem 
Korbe das Frühſtück hinreicht. Der Geiftliche fitzt ziemlich erſchöpft in feinem 
blendend weißen Ordensfleide vor dem Stamme de8 Baumes gegen die 
Mittagsfonne, und hat ein ſauberes Sacktuch unter ſich. Er teilt fein Mahl 
bei einer leifen Unterhaltung mit den beiden Nichtleuten, die ihm zur Seite 
figen. Während diefe fich erquiden, haben manche ſchon genofjen, was jie 
mit fich geführt, dehnen nun die Glieder und legen ſich hin, und finden ſich 
äußerjt behaglich. Die Menge ift in einem Halbkreiſe hinter dem Stamm 
de8 Baumes gelagert. Ein fühles Lüftchen aus Oſten, das bier auf der 
Höhe jett über den Bergrüden jtreift, fommt ganz erwünjcht und wird bei- 
fällig mit Lob überhäuft. Kinder, deren auch nicht wenige mitgelaufen, jieht 
man dann hier dem füßeften Schlummer verfallen. Überhaupt muß jedem 


302 Kurkölnifche Zeit. Zeitalter der Reformation. 


bier den Weg pajjirenden Fremden der hier gelagerte Haufen, aus jung und 
alt bejtehend, mit den verjchiedenjten Werkzeugen verfehen, und mit einem Geijt- 
lichen in der Mitte, einen jonderbaren, nicht zu erflärenden Anblid gewähren. 


Man jcheint ſich indeß hier gut zu gefallen, da nod) feiner vom Wieder— 
aufbrechen fpricht. Die hoch befchattete Stelle iſt auch wirklich jehr freundlich, 
weil man von bier ſüdlich und öſtlich in die Gebirgsthäler fieht, durch melche 
der Fluß ich windet, Die Helle und Stille des Tages hat dann was Eigenes 
und Einfames, und es ijt, als ob die Gegend wenig oder garnicht bevölfert 
jei. Bei diefem atemlofen Schweigen der Natur ertönen aber jegt auf ein- 
mal die Glödchen des Nonnenklofters Rumbed, das eine halbe Stunde öjtlich 
den Fluß herauf liegt, und bringen das Ave Maria der Mittagsftunde her- 
über, Der Geiftliche, dies vernehmend, Tegt eilig den Imbiß nieder, entblößt 
fein Haupt, faltet feine Hände und betet. Die übrigen folgen alle jeinem 
Beifpiele. 

Ein Stündchen ijt ungefähr in angemerkter Weife verjtrihen, und da 
findet das Gerichtsperfonal es für gut, wiederaufzubrechen. Ein Fräftiger 
Ruf: „Auf und jet weiter vorwärts!” bringt den großen gelagerten Haufen 
wieder in Bewegung; man horcht auf, fieht ſich um, jet den Hut zuredt, 
wobei mehrere gewaltig gähnen, und man fortiert fih. Der Haufen rüdt etwas 
jtill und jchiweigend vorwärts, Es geht jett von der Höhe zur öjtlichen Seite 
des Bergrüdens und Feldes hin. Nachdem man eine Weile fortgejchritten, 
und endlich wieder eine ganz vergnügte Munterfeit eingetreten, auch unterdes 
mehrere gewöhnliche Fälle jchnell abgethan find, hört man auf einmal wieder 
den Ruf: „Halt!“ Der bunte Haufen twartet mieder, damit das bedädhtig 
nachſchreitende Gericht eintreffe. Sobald dies der Fall, ift auch jchon der 
Kläger laut, der zeigt, wie jein Nachbar hier vor feinem Ader einen tiefen 
Graben gezogen, damit man ihm etiwa nicht mit ein paar Rädern darüber 
fahre; er habe aber bei diejer Gelegenheit einen Teil des Weges zum Graben 
genommen, wodurch er, der Kläger, num nicht mit feinem Wagen die Drehung 
befommen fünne, um auf fein Grundftüd zu fommen. Das Gericht jagt, das 
ſei Ear und augenfällig, allein Werkfverjtändige follten doch auch erſt ihre 
Meinung jagen, worauf die Entjchliegung erfolgen werde. — Nun gehen 
mehrere, die mit Fuhrwerk ſich abgeben, den Weg hinab, fommen, als wenn 
fie Gefähr hätten, den Weg wieder hinauf und nehmen die Wendung. „Das 
ijt nicht möglich,” rufen fie, „das erjte Rad kommt glei) in den Graben.” 
Der Bellagte hebt den Hut etwas in die Höhe, fieht nad) der fraglichen 
Stelle, kratzt fi den Kopf, und fagt: „Das mein ich nicht.“ Allein mohl 
30 Stimmen rufen: „Freilich mein’ ich das, Kasper, dann probiert's und 
macht's uns mit einem Wagen bor.” Es iſt ftill, und man erivartet, was 
das Gericht ausfprechen wird. Der erſte Richtmann verfegt jeßt: „hr Zungen 
haut feinen (des Beklagten) Ader auf, und werft mit der lofen Erde den 
Graben zu.” Die Jungen wollen fi) dies nicht zweimal gefagt fein lafien, 
jie fliegen wütend auf den Ader hin und bauen los; und kaum ift dies im 
geringen Grade gejchehen, find auch jchon andere da, die mit ihren Spaten 
die losgewordene Erde dem Graben zumwerfen. Es geht alles mit bekannter 
Schnelligkeit. Was will auch der Beklagte thun, er ficht mit verdrießlichem 
Gefichte der Arbeit zu. — Der Geiftliche fagt num zu ihm: „Wollt Ihr Euer 


Stadthaushalt. 303 


Land vor Wagen und Karren fchügen, jo fett auf die gehörige Stelle an Die 
Ede einen Pfojten oder einen Stein, der Euch diefelben Dienjte thut, und 
habt Ihr nicht nöthig, einen fo tiefen Graben zu ziehen.” Die Jungen jtehen 
um den Beklagten, lächeln ihm äußerſt fchalkhaft zum Gefichte hinein, indem 
jte einfältige, aber äußerſt jtechende Fragen an ihn thun, da er im Rufe 
großer Rechthaberei und Superflugheit ſteht ...... Diefe Probe aus der 
anmutigen, aber jehr weitläufigen und umſtändlichen Schilderung unferes Feld— 
gerichtes möge genügen. Andere Streitobjekte des Gerichtes waren Abpflügen 
von Aderland, Wafjerdämmung in den Wegen, Berjegen von Grenzfteinen, 
Bernahläffigung von Umfaffungsmauern ꝛc. Still und ernit wie der Zug 
bon der Stadtkapelle ausgezogen war, kehrte derjelbe dahin zurüd. Unter 
der Linde wird ein Schlußgebet verrichtet, der Geijtliche erteilt den Segen 
und jeder kehrt nad) Haufe zurüd. Nach dem Mittagefien verbringen die 
Bürger den Reit des Tages in den Wirtshäufern, wo die Gerichtsfälle leb— 
haft befprochen werden. Nachdem das Gericht feit der Aufhebung des Klofters 
(1803) eingegangen war, ftarb auch die uralte Yinde vor der Kapelle ganz ab. 
Man pflanzte zwar einen neuen Baum, aber auc) diefer iſt jett verfchwunden. 

Der Urfprung des Pantaleonsgerichtes ift darauf zurüdzuführen, daß das 
Klojter Wedinghaufen fi Über diejenigen Arnsberger Bürger, welche die 
Evenhöer Ländereien (Bgl. ©. 71) unter Hatten, alfo über die Altjtädter, die 
Gerichtsbarkeit rückſichtlich dieſes Güterbefiteg zu erhalten gewußt haben. 
Deßhalb ernannte auch der Wedinghaufer Mönch, welcher an der Spike des 
Pantaleonsgerichtes jtand, im Namen des Abtes von Wedinghaufen alljähr- 
lich den neuen Richtmann. Das Intereſſe, welches Wedinghaufen bei Beauf- 
fihtigung und Erhaltung der Ertragsfähigfeit der Evenhöer Grundjtüde Hatte, 
war es, das das Kloſter bejtinmte, Friede und Eintracht unter den Befigern 
diefer Hofesparzellen zu pflegen und entjtehende Streitigkeiten durch die 
(Hofes-) Genoſſen entjcheiden zu lafien, dabei aber jede Einmifchung des 
Magijtrates in diefes Gerichtsverfahren abzumenden. Hieraus, vorzüglich aber, 
weil der Charakter einer kirchlichen Genoſſenſchaft bei den unter dem Schutze 
des h. Pantaleon jtehenden Evenhöer Grundbeſitzern fich erhalten Hat, iſt es 
erklärlich, daß das Pantaleons:Gericht, aus dem Hofesgerichte des Evenho 
entjtanden, mit den einfachen Formen dieſes Gerichts Jahrhunderte Hindurd) 
bei dem vielfachen Wechjel in den Berhältniffen der Gerichtspflichtigen bis 
zur Aufgebung des Kloſters Wedinghaufen fein Dafein gefrijtet hat. 


Der Stadthaushalt. Städtiſche Gerechtſame. 


Die ftädtifhen Einkünfte rührten ber: 1. aus gewifjen 
Hoheitsredhten, nämlid a) dem Weinzapfen, b) der Afzife und dem 
Marktjtandgeld, c) dem Zehntpfennig beim Abzug aus der Grafſchaft, 
d) dem Pflaftergeld (in fjpäterer Zeit), e) dem Brüchtengeld; 2. aus 
dem ftädtiihen Vermögen, nämlid a) dem Walde (Maft- und 
Wennegeld, S. 294, Köhlerei S. 297 ꝛc.), b) der Waldemeine (Gold- 
güldenrente, Weidegeld), c) der Jagd, d) der Fiſcherei; 3. aus bürger- 
lihen Abgaben: a) dem Wafegeld (S. 293), b) dem Bürger- und 


304 Kurkölnifche Zeit. Innere Gefchichte der Stadt. 


Beiwohnergeld (S. 274). Die Erträgniffe aus diefen Einnahmequellen 
waren natürlich jehr verjchieden. Beiſpielsweiſe betrugen die Einnahmen 
der Stadt im Jahre 1670 1. aus dem Weinverfauf 326 NReichsthaler, 
35 Sdill., 2. aus der Güldenrente 25 Rthlr. 8 Sdill., 3. aus 
dem Wafegeld 11 Rthlr. 12 Schill., 4. aus der Keſſelakziſe von den- 
jenigen Bierbrauern, die ihre eigenen Keſſel haben, 1 Rthlr. 46 Schill., 
5. aus dem Pfannenjchrein von beiden Stadtfeffeln, (die den Bürgern 
zum Brauen geliehen wurden) 14 Rthlr. 9 Schill., 6. an Hod- und 
Banfgeld (auf dem Markte) 24 Schill., 7. an Brüdten, jo die Stadt 
allein angehen (au Stadtjurisdiktion), 10 Rthlr. 9. Schill., an ſolchen 
jo der kurf. Brüchtenmeifter angeſchlagen (aus Landesjurisdiktion, die 
nur zu zwei Drittel in die Stadtfaffe floffen) 6 Rthlr., 8. an Bürger- 
geld 7 Rthir., 9. vom Dorfe Wenniglohe wegen des Wredenholzes 
4 Rthlr. 36 Schill. (wahrſcheinlich Maftgeld), 10. aus verkauften Wein- 
fäſſern 27 Schill. 11. an Zehntpfennig von Joh. Jobſten Blinden zum 
Fürſtenberg 12 Rthlr. u. a. Bon den einzelnen Poften fam nicht die 
ganze Summe ein, und überhaupt betrug die Einnahme aus 2—11 nur 
ca. 90 Rthlr. — Wir wollen nunmehr einzelne der ſtädtiſche Geredhtig- 
feiten ꝛc. näher beſprechen. 


1. Der Weinzapfen!) war für die Stadt namentlih in der 
älteren uud mittleren Zeit die wichtigfte Einnahmequelle. Der auf 
jtädtifche Rechnung meift, wie es fcheint, von Weinhändlern in Köln, 
Siegen und Koblenz gekaufte Wein (vornehmlid; Weißwein) wurde im 
Weinhanfe neben dem Rathauſe aufbewahrt und von einem Weinwirte 
für die Stadt verkauft. Sonft war Handel mit Wein im Stadtgebiete 
verboten. Im Rathauſe unten rechts von dem Flur befand ſich eine 
„Weinftube". Der Abſatz ift oft ein erftaunlicy großer gewejen. Bei- 
jpielsweife der Meingewinn?) aus dem Weinverfaufe im Jahre 1635: 
3458 Gulden (3722 ©. Gejamteinnahme), 1636: 2918 ©. (3152 ©. 
Gefamteinnahme), 1637: 3768 ©. (6019 ©. Gejamteinnahme), 1638: 
713 Reichsthaler (1018 Rthlr. Gejamteinnahme), 1639: 403 Athlr. 
(863 Rthlr. Gejamteinnahme), 1640: 509 Rthlr. (615 Rthlr. Gefamt- 
einnahme), 1641: 647 Rthlr. (1058 Rthlr. Gejamteinnahme), 1642: 
361 Rthlr. (1184 Rthlr. Gefamteinnahme), 1681: 372 Reichsthaler 
(646 Rthlr. Gefamteinnahme), 1682: 308 Rthlr. (710 Rthlr. Gejamt- 
einnahme), 1683: 234 Rthlr. (509 Rthlr. Gejamteinnahme). Später 
floß diefe Quelle nicht mehr fo reichlich, und e8 wird zum Jahre 1715, 


2) Bergl. $ 6 der Morgenfpradhe (©. 271 und ©. 168 $ 16) 
*) Der Wein wurde mit ungefähr 20%, Nuten verkauft. Preiſe j. S. 290. 


Städtifche Gerechtfame. 305 


in welchem der Weinkeller nur 110 Rthlr. einbrachte, bemerkt, daß in- 
zwiſchen Wedinghaufen angefangen habe, feine Weine jelbft einzuhandeln, 
und das „Jägerhaus inner und außer der Stadt Weingelage veranftalte”. 
Um 1790 wurde der Weinverfauf an den Gaftwirt Linhoff (jpäter Gaſt⸗ 
hof Linhoff, jet Huſemann) verpachtet, der 400 Rthlr. und 136 Maß 
Wein als Pacht entrichtete. 

2. Der Zehntpfennig beim Abzuge aus der Graf: 
haft. Wenn ein Bürger oder der Sohn oder die Tochter eines 
Dürger8 aus dem Gebiete der Grafſchaft Arnsberg auswanderte, fo 
mußte der Scheidende von feinen Gütern und jeinem Erbteil „eß ſeye 
gelt oder jonften von allem ohne einige Exception oder außbeſcheiden“ 
den Zehnten der Stadt Hinterlaffen und Bürgermeifter und Nat über: 
geben. Diefe8 wurde am 6. Juli 1700 auf „requisition der Stadt 
Eversberg von Franziskus Lange secretarius Arnsb.“ bezeugt.) Das 
Stadtarchiv bewahrt bezüglihe Akten aus den Yahren 1638 —1803. 
Die Steuer rührt offenbar aus der gräflichen Zeit her. 

3. Die Gülden- oder Pfennigsrente, welde eine nicht un— 
bedeutende Einnahme für die Stadt bildete, ift auf folgende Weife ent- 
ftanden. Die Stadt hatte in der fogenannten ſtädtiſchen Waldemei 
(S. 67), die zur gemeinjchaftlichen Hude benugt wurde, ein nicht un- 
bedeutendes Grumdvermögen. Bei zunehmender Bevölkerung wurde das 
Bedürfnis nad) Grundbefig unter den Bürgern immer mehr fühlbar. 
Daher ſuchten fie Stüde der Waldemei zum Anbau zu erwerben. 
Hierauf ging die Stadtbehörde gerne ein. Es wurden aljo Grundſtücke 
in der Weife an die Bürger abgegeben, daß fie einen jährlichen Zins 
davon bezahlen mußten. Dies hieß die Gülden- oder Pfennigsrente. 
Die Befiger wurden im übrigen als Eigentümer betrachtet. Die Über- 
gabe eines jolhen Grundſtückes erfolgte nur auf Antrag, der Zins 
(Erbzins) wurde nad) örtlicher Befichtigung des Stüdes vom Magiftrate 
feftgefet. Die Einnahme der Stadt aus diefer Nente betrug 1677: 
32 Rthlr., 1694: 27%), Rthlr., 1696: 29%, Rthlr. Die Güldenrente 
blieb in der heffiihen Zeit und in den erften Jahrzehnten unter Preußen 
bejtehen, die Einnahmen daraus fteigerten fich fogar, da nad) dem Jahre 
1811 aud andere, al3 zur Waldemei gehörige Grundſtücke von der 
Stadt ausgethan wurden. Erft in den Jahren 1853—57 wurde bie 
Rente abgelöjt. 

4. Die Fifhereigerehtigfeit auf der Nuhr und den Bächen 
innerhalb der ftädtifchen Gemarkung verdankt die Stadt wohl den Grafen. 


——_._ — — 


2) Eversb. Archiv, im M. H. 
Foaur, Geſchichte Arnsbergs. 20 


306 Kurkölnische Zeit. Innere Gefchichte der Stadt. 


Das Klofter Wedinghaufen behauptete ſchon in den älteften Zeiten, auf der 
Ruhr zur Mitfischerei berechtigt zu fein. Dies räumte die Stadt nicht 
ein, und fie hinderte die Kloftergeiftlichen an der Ausübung der Fijcherei, 
wobei es mitunter gar zu Thätlichfeiten fam. Erzbiihof Graf Salentin 
entjhied den Streit 1575 zu Gunften des Klofters, aber in unbeftimm- 
ter Weiſe, jo daß 1605 wieder Streitigkeiten wegen der Koppelfijcherei 
entjtanden. Durch Rezeß von 1623 wurde dieje dem Kloſter „von der 
Klofterpfortenbrüde ruhrabwärts bis Köfters Garten“ eingeräumt. Zu— 
gleich verpflichteten fich beide Teile, Stadt und Klofter, ſich der nächt— 
lichen Fifcherei zu enthalten. Nach der Aufhebung des Klofters wurde 
die Stadt Alleinbefigerin der Fijcherei durd Vertrag von 1826. “Daher 
fteht ihr die Fijcherei in der Nuhr und in allen im Bezirke der ftädtifchen 
Gemarkung fließenden Bächen zu, mit Ausnahme der Walpfe. Dieje 
Fifcherei hatte die Stadt durd Urkunde vom 20. September 1633 dem 
damaligen Befiger von Dbereimer, Oberkellner Düder, für die im 
dreißigjährigen Kriege der Stadt erwiefenen Wohlthaten gejchenft. Von 
diefem ging die Gerechtſame auf die Kurfürften über, und von diejen 
auf den Fiskus. Die Stadt hat ihre Fiſcherei-Gerechtſame auf ver- 
jchiedene Art nugbar gemacht: entweder verpadtete fie diejelbe an Bürger 
(Stadtfiiher) gegen einen jährlihen Zins, unter der Berbindlichkeit, 
die gefangenen Fiſche auf den Markt zu bringen, oder e8 wurde ſämt— 
(ihen Bürgern erlaubt, an bejtimmten Tagen zu filchen.”) Seit ber 
heifiihen Zeit wird die Fifcherei im Wege des Meiftgebotes öffentlich) 
verpachtet. 

5. Die ſtädtiſche Jagd. Die Stadt hatte die Gerechtigkeit 
nur zur niederen Jagd in der ſtädtiſchen Feldmark. Die hohe Jagd 
war durchaus Tandesherrlih. Der Jagdbezirk enthielt 3620 Morgen. 
Eine Urkunde über die Verleihung diejer Gerechtigkeit ift nicht vor- 
handen; fie ift aber ſicher alt. Die Stadt hatte auch oberhalb des 
Walpfebadhes auf den Kämpen von Obereimer bis in die Herbrenen 
hinein die Jagd; dieſe trat fie aber 1633 dem damaligen Befiter des 
Nittergutes Obereimer, dem Oberleliner und Landpfennigmeifter Dücker 
(fiehe zu 4), ab. Ihm und feinen Erben wurde aud die Mitjagb in 
der Arnsberger Feldmark eingeräumt. 

Die ſtädtiſchen Ausgaben waren: 

1. Der Scott, 48 Mark betragend, eine dem Landesherrn zu 
leiftende jährliche Steuer, die von den Schottherren erhoben und an die 








ı) Das Nähere fiche in 88 20, 21, 22 der Morgenſprache (S. 273), 
vergl. mit $ 4 der Nottuln (©. 167). 


Städtifche Ausgaben. Zchabungen. 307 


Dberfelfnerei abgeliefert wurde (S. 283). Auch hatte die Stadt dem 
Fürften eine Wein- und Bierafzije zu leiften. 

2. Die Schagung, eine regelmäßige jährliche Abgabe an die 
Yandihaft, die dem Landpfennigmeifter abgeliefert wurde. Die Höhe 
diefer Abgabe ſchwankte; fie betrug im Jahre 1567 (and) nad) $ 6 der 
Statuten) 40 Goldgulden und wurde 1654 nad) dem jogen. Recessus 
perpetuae concordiae (j. u.) auf 38 NReichsthaler 48 Schilling feit- 
geſetzt. Auf Antrag der Stadt wurden durch kurfürftliches Reſtript vom 
19. November 1665 Landdroft und Räte beauftragt, einen Schatzungs— 
anjchlag aufftellen zu laſſen. Dies geihah am 27. März 1668 unter 
Zuziehung des Stadtvorftandes. „ES wurde ein Verzeichnis aller 
Bürgerhäufer und der dazu gehörigen Ländereien, Wiejen, Weiden, 
Gärten und Baumböfe aufgenommen und nad) Verhältnis des von der 
Stadt aufzubringenden Beitrages ein billiger Anſchlag gemadt, was in 
jeder Schagung von jedem Haufe mit jeinen Liegenſchaften zu entrichten 
jei; ber Überſchuß folite der Stadt zu Gute fommen. Nach obigem 
Scatregifter wurden die Häufer nad) ihrer Größe und Einrichtung mit 
vier, fünf oder ſechs Scdillingen, die wüſten Hausftätten mit zwei 
Schillingen ſechs Deut, die Grundftüde mit Rückſicht auf ihre Größe, 
Güte und die darauf haftenden Neallaften von ſechs Deut bis zu einem 
und mehreren Schillingen in Anjchlag gebradt. 

Das Scakregijter wurde wegen der nad) und nad) eingetretenen Be- 
hßberänderungen mehrfad) umgejtaltet, und es liegen noch aus den Jahren 
1668— 1676 1743 und 1777 neue Negijter dor. Bergleicht man das vom 
Jahre 1668 mit dem unter heſſiſcher Regierung 1808 — Flurbuche, 
io ergeben ſich für den Zeitraum von 140 Jahren folgende Anderungen: 

1) Kaum der 40. Teil der Hausbefiger Hat ſich erhalten, jo daß ein 
ganz außergewöhnlich Häufiger Güterwechjel jtattgefunden hat. 

2) Biele von den i.%. 1600 abgebrannten Wohnhäufern waren nicht 
wieder aufgebaut und wurden in den Regijtern als wüſte Pläte aufgeführt. 
Bon 1666 bis 1808 hat fid) die Zahl der Häufer von 202 auf nicht ganz 
250 erhöht. 

3) Bei den bemittelten Einwohnern trat das Streben herbor, neben- 
einanderliegende Parzellen zu erwerben, um eine eigene Kuhmeide zu ge- 
winnen. So entjtanden die Weiden zwijchen dem Mühlengraben und ber 


Ruhr, ſowie der jogenannte Dücderjche und andere Kämpe im Alten Felde 
und unter der Haar. 

An Bezug auf die Yändereien ijt noch zu bemerken: 

a. Wenn ein Grundſtück antichretifch (mit dem Rechte der Benußung) 
berpfändet war, jo wurde die Schatzung nicht von dem Eigentümer, fondern 
bon dem Pfandinhaber erhoben. 

b. Faſt jede Familie mit einigem Grundvermögen hatte einen Hopfen- 
garten. Übrigens wurde nur für den eigenen Bedarf Hopfen gebaut; denn 


20* 


308 Kurkölnifche Zeit. Innere Geſchichte der Stadt. 


jede Familie braute für ſich Bier, twobei gegen eine Abgabe der jtädtifche 
Braufefiel benußt wurde.!) 

Da die unter 1 und 2 erwähnten Steuern unmittelbar von den 
Bürgern erhoben wurden, jo find fie in den Stadtrechnungen nicht auf: 
geführt. Die Schatungen wurden, wie die weitere Geſchichte zeigen 
wird, in Kriegszeiten oft vervielfadht. 

3. Mehrere kleinere Ausgaben erwuchſen der Stadt aus Ber- 
pflihtungen gegenüber Wedinghaufen: a) durd) das Grafenbegängnis 
(S. 102 ff., vgl. $ 2 der Statuten); b) fie mußte für den Gottesdienft 
in der Stadtkapelle „Kapellengeld“ bezahlen, das auf fünf Marf firiert 
war, und den Meßwein liefern. ALS hierüber Uneinigfeiten entjtanden 
waren, wurde durch Rezeß vom 13. Oktober 1623 beftimmt, daß das 
Klofter nicht allein an Sonn- und Feittagen, fondern auch an Wochen- 
tagen Gottesdienft in der Kapelle abhalten folle, während die Stadt 
jene Geldjumme zu zahlen verjprad. c) Zur Norbertus-Prozeffion 
mußte die Stadt den Predigtftuhl auf den Schloßberg ſchaffen Lafjen. 

4. Die ftädtiihen Beamten bezogen zwar nur ein geringes Gehalt 
aus der Stadtkaſſe; jedoch verurjadhten die bei ihren Wahlen und 
bei jonftigen Gelegenheiten veranjtalteten Gelage größere Koften. 

5. Erheblid) waren die Aufwendungen für die ftäbtifchen Ge— 
bäude und Anlagen, wie die Stadtmauern nebft den Feitungstürmen 
und Thoren, das Rathaus, Weinhaus, Wachthaus, die Schule, das 
Sichenhaus, die Wafferfunft nebft Schlacht, die Brüden, jpäter das 
Pflafter 20.2) Die Wafferfunft (wohl ein fog. Paternofterwerf) trieb 
das Wafjer der Nuhr bei der heutigen Wirtichaft von Menge, wohin 
es durch einen Graben geleitet wurde, in ein Baffin auf der höchſten 
Erhebung in der Altjtadt, von wo aus e3 weiter in den großen „Pfutz“ 
(die Bezeichnung „Püttgaſſe“ hängt damit zufammen) am Markte ge: 
führt wurde. Eine zweite, gleiche Anlage mit Schlacht war unterhalb 
Wilfe und verjorgte das Klofter mit Waffer, eine dritte, an der Jäger— 
brüde, Teitete Waller auf das Schloß. Nähere Daten zur Ge- 
ichichte der ſtädtiſchen Bauten und Anlagen bringt die äußere Geſchichte 
der Stadt, jo daß wir hier von weiteren Ausführungen abſehen können. 

6. Aus der großen Anzahl der Eleineren außerordentlichen Aus- 
gaben heben wir zwei Klaffen hervor, weil diejelben kulturgeſchichtlich 
intereffant find. Die eine betrifft alte Gebräuche und bürgerliche Be— 
luftigungen, wie wenn e8 heißt: den Schwerttängern einen Neichsthaler, den 





) Tüding, Blätter 3. n. 8. W. 1875, ©. 86 f. 
2) Die Stadt Hatte auch einen Pranger; 1626 und 1630 mwird das 
Halsband „zur Strafe der Dieberei? repariert. 


Städtifhe Ausgaben. Handel. 309 


Hoflafaien (oder den Soldaten), jo den Maibaum gejegt, zwei Rthlr.; 
dem Spielmann, der auf dem Staditurm den Bürgern geblajen, 2'/, 
Rthlr.; den drei Trompetern, jo dem Bürgermeifter und Rat das neue 
Jahr geblajen, drei Athlr.; den Stadthirten zum Maigelag eine Tonne 
Bier u. a. m. Die zweite Reihe von Ausgaben, die wir im Auge 
haben, find milde Gaben, die auch in recht fchlechten Zeiten manchmal 
ſelbſtlos verabreicht wurden. Beſonders häufig find Spenden an war 
dernde Scholaren, die mit einem testimonio verfehen find oder den 
Stadtvätern eins vorfingen oder mufizieren; dann ſolche an „verbrannte" 
Leute; an Gemeinden, die eine Kirche bauen; an Krüppel, Lahme, 
Blinde; an Männer, die von den Türken gefangen gewejen ꝛc. So 
wurden allein im Rechnungsjahre 1644/45 Gaben gejpendet: vier armen 
Studenten von Köln, einem armen Prieſter aus Frankreich, zwei 
Klofterjungfern aus dem Kemperland zum Bau ihres verbrannten 
Klofters, wieder zwei armen Studenten aus Köln, einer adeligen armen 
Frau, zwei Männern aus der Grafihaft Hadamar zur Erbauung eines 
neuen Gotteshaufes, einem armen Manne, dem der „Wind fein Haus 
umgefchlagen", vier „verbrannten” Leuten, „verbrannten” Bürgern aus 
Werl, den Kapuzinern aus Paderborn, einem armen Studenten zur 
Kur, zur Kirche in Beverungen; 1649 u. a, einem bdürftigen Doctori 
peregrinanti (wanderuden Doftor). 


Handel und Berkehr.') 
Arnsberg ald Vorort von Hanfaftädten. 


Sahrhunderte lang hat Arnsberg der Hanja angehört, jenem großen 
Städtebunde, der vom 13. bis ins 17. Jahrhundert zur Wahrung der 
allgemeinen Handelsintereffen im In- und Auslande bejtand, und dem 
unter der Führung von Kübel über neunzig See- und Binnenftädte, 
Reichs» und Yandftädte, von Reval bis Amfterdam und Middelberg, 
von Köln bis Breslau und Krakau dauernd oder vorübergehend ange» 


1) Hierhin gehören auch die Ausführungen über Strafen (5. 83), 
Zünfte (S. 275), Verkauf und Preife der Lebensmittel (S. 287), Markt 
(5. 290), und Juden (S. 291), ſowie einzelne Notizen (S. 232 Anm. 1, 
S. 20). Bei der lüdenhaften Überlieferung, namentlich hinſichtlich der älteren 
Zeit, mußte auf eine umfaffende zufammenhängende Darftellung verzichtet 
werden; wir bieten nur einzelne Beiträge. Es mag an diejer Stelle befonders 
Herborgehoben werden, daß Arnsberg binfichtlich der Überlieferung de8 inneren 
Stadtlebens ſich vor vielen anderen Städten in einem großen Nachteile be- 
findet, weil fajt alle älteren Urkunden im Brande von 1600 zu Grunde ges 
gangen ſind. 


310 Kurkölnische Zeit. Innere Gedichte der Stadt. 


ichloffen waren. Arnsberg war zugleih Vorort der Städte in der 
Grafſchaft (S. 311). Wenngleidy wir aus diefem Umftande mit Sicher- 
heit jchließen können, daß in der Heinen Bergftadt ehedem ein lebhafter 
Handel geblüht Hat, jo find wir doch nicht in der Yage, dies auch 
urkundlich belegen zu können, während beijpielsweije für Attendorn nad): 
gewiejen ift, daß Einwohner dieſes Städthens in England als Mit- 
glieder der Hanfa Handel trieben.') 

Pieler, der ein im Arnsberger Archive vorfindliches ftarfes Alten— 
bündel über die Hanſa bearbeitet hat,?) erklärt die Blüte der Hanja 
im Sauerlande jo: 1. Das Handels- und Induſtriekapital war nirgends 
jo bedeutend, wie es jegt beim Großhandel ift. Es war Sitte, daß das 
Kapital von mehreren Kaufleuten zufammengelegt wurde.?) 2. Handels- 
reifen und Transport der Güter von Brilon oder Rüthen waren nidt 
ichwieriger, al8 von Soeft oder Braunſchweig. Die Wege waren überall 
ſchlecht und glei unficher. 3. Große Fabrifanlagen mit bedeutenden 
Fonds fehlten. Die Zunft mit ihren zahlreichen Meiftern ftellte in 
ihrem Vereine eine Art Fabrik dar ... . Der widtigjte Gegenftand des 
weitfälifchen Ausfuhrhandel8 waren grobe Tüdher... Eines bedeuten» 
den Anlage und Betriebsfapitals bedurfte es nicht. Ein oder ein paar 
Webftühle, die Spinnräder und Kragen waren der ganze Fabrikations— 
apparat. Meeiftens wurde nur einheimijche Wolle verarbeitet ... . Was 
dieje einzelnen Werkftätten zu einem großartigen Geſchäfte, einer Art 
Kompagnie-Fabrif verband, das waren die zwedmäßigen Einrichtungen, 
welche die Zünfte jelbjt oder die ſtädtiſche Verwaltung getroffen hatten, 
3. B. über die Unterfuhung des Wertes der Tücher und ihre Be— 
zeichnung mit dem Stempel oder Siegel des Rats, über die Häufer, 
wo allein das Tuch verkauft werden konnte u. ſ. w.*) 

Wann die jauerländifhen Städte in die Hanja eingetreten find, 
ift nicht befannt. In dem ältejten der hier in Arnsberg befindlichen 


1) Brunabend, Geſch. Attendorns. Herr Oberlehrer Dr. Zurbonfen in 
Münster Hat fich der Arbeit unterzogen, fämtliche Hanfarezeffe auf den Namen 
Arnsberg durchzufehen, aber ohne Erfolg. Nur im Lübifchen Urkunden: 
buche (III, Nr. 687) findet fich eine Urkunde, die zwar auch nicht die Stadt 
angeht, aber dod) für unſere Gefchichte bemerkenswert ijt: Gottfried, Graf 
von Arnsberg, verwendet fich bei den Städten Yübed, Roſtock, Straljund, 
Thorn, Elbing und Kulm für Andreas den NRebbern, Bürger zu Soeſt. Sie 
ijt datiert vom 18. Juni 1369, aljo vom letzten Grafen im lekten Regierungs- 
jahre ausgejtellt. 

2) Bichr. f. dat. Geſch. u. Alt. XV, S 266 ff. 

) Bergl. das Stadtrecht von Medebad von 1165 (Seib. Urk. I, ©. 74). 

4) Über die Zünfte in Arnsberg |. ©. 275 fi. 


Arnsberg ald Vorort von Hanfajtädten. 311 


Briefe von 1535 Heißt es: „Jo gy dan mit uns jampt andern 
van aldes (von Alters) in die henje geboren." 


Soeft war das Haupt der wejtfälifchen oder fauerländiichen Ver— 
bindung; Soeſter Abgeordnete befuchten die Hanfatage, nachdem die 
Propofitionen vorher den einzelnen Städten mitgeteilt und in befonderen 
vorbereitenden VBerfammlungen auf dem Rathauſe zu Soeft beraten 
waren.!) Soeft legte aud) die Beiträge, das annuum, vor und repar- 
tierte nachher die eine Hälfte auf die „zugewandten Städte, während 
es die andere felbft trug. Dieje Städte waren Arnsberg, Attendorn, 
Rüthen, Brilon, Gejele, Menden, Werl. Jede dieſer Bezirksftädte 
hatte wieder andere Orte unter fih ... . Manchmal gab es Irrungen; 
jo hatte Neheim fich einmal von der Verbindung mit Arnsberg nad) 
Werl gewendet (j. u.). 


Das älteste Aktenſtück im Arnsberger Archive in einem Folio— 
hefte von 1535—1563 ift ein Brief von Soeft an die Arnsberger, 
in dem diefe für den nad Lübeck ausgefchriebenen Hanfatag eingeladen 
werden; darauf Mitteilung des Rezeſſes. Dieſer enthält 1. Verhand- 
[ungen über die Komtoire zu Antorf, London, Bergen, Nowgorod; — 
über die Herbeifchaffung der Gelder für die Beamten und zur Be 
ftreitung der Abgaben (Abgiften, Neujahrsgefchenfe) an den Mayor von 
London als Altermann der deutſchen Kaufleute im Stahlhofe zu London 
und an andere Beamte und Diener; 2. Klagen über Beeinträchtigung 
der Privilegien. Die Monopole der Hanfa waren den Unterthanen der 
engliichen, dänischen ꝛc. Könige nachteilig; fie kämpften dagegen mit 
immer größerem Erfolge an. 3. Verſchärfte Maßregeln hinſichtlich der 
Disziplin der Kaufleute („Kopgeſellen“): fie follen bei Strafe von 
20 Pfund Sterling verpflichtet fein, an den gemeinjamen Tafeln im 
Stahlhofe teilzunehmen; jedes Spiel um Geld und Gut foll verboten 
fein; feine unehrbaren Frauensperjonen dürfen auf den Stahlhof ge- 
bracht werden; die Kaufgejellen jollen Feine Gejchäfte auf eigene Rech— 
nung machen.?) 

Neben den allgemeinen Verhandlungen finden fi in dem Aften- 
hefte auch die Korrefpondenzen Arnsbergs mit den unter ihm zur Hana 
gehörenden Orten, nämlid) den jehs Städten Neheim, Eversberg, 


1) Eine anſchauliche Schilderung einer folden Situng findet man bei 
Brunabend, Geſch. d. St. Attendorn, S. 9. 

2) Der Stahlhof in London wurde 1598 von der Königin Elifabeth 
eingezogen, und die deutfchen Handelsleute wurden aus England vertrieben. 


312 Kurkölniſche Zeit. Innere Geſchichte der Stadt. 


Hirſchberg, Grevenftein, Balve und Allendorf, fowie den fieben Frei- 
heiten Hüften, Freienohl, Sundern, Bödefeld, Hagen, Haden und 
Langſcheid. Es find Einladungen zur Vorberatung und Einforderungen 
der repartierten Koften. Die Neheimer antworten, daß die von Werl 
fie angegangen, fi unter fie in die Hanſa zu begeben, was fie dann 
auch gethan hätten, weil jie von den Arnsbergern zurüdgewiejen feien. 
AS nun die Arnsberger dies „verabredet” und geltend gemacht, daß 
die Neheimer immer ihren Schoß (Beitrag) auf dem Rathauſe zu 
Arnsberg abgeliefert hätten, auch ſich wenn dem Kurfürften zu 
dienen jei, nicht zu Werl, fondern zum Arnsberger Fähn— 
lein hielten, jo jchloffen fich die Neheimer ihnen wieder an. 


Auf der Tagfahrt von 1535 waren von den Soeftern aufgewendet 
worden 252 Goldgulden, 12", Schilling, 4'/, Deut. Die eine Hälfte 
hatte Soeft jelbft zu zahlen (j. o.), die andere fam auf die jieben weit: 
fäliſchen Bezirksftädte, auf jede 18 Gulden 6 Deut. 


Die Vorteile, welde die Hanja den Städten brachte, wurben 
immer geringer; dagegen blieben die Leiftungen dieſer bejtchen. Die 
Negierung machte diefem unnatürlihen Zuftande jchlieglid ein Ende, 
indem fie die Einzahlung der Beiträge einfach unterfagte. Am 25. Auguft 
1608 — 22 Yahr vor dem legten Hanfatage in Lübeck — fandten die 
Arnsberger ihren Abjagebrief an Soeft. 


„Zeiger dießes hat ein fchreiben von Bürgermeifter und Rhat der 
Statt Soeſt heut dato untergejeget Bürgermeifter und Rhaet zu Arnf- 
berg wolf ingelibert, jollen darauf zur Antwortt nicht pergen, daß der 
Hr. Landtſchreiber auß Befelch Churfürftlicher H. Rhete uff Anhalten 
Sindermans (?) ung bei namhafter Gelttraff verbotten, dieſen fünfften 
Termin Antzegelts E. E. W. nicht zu entrichten, deme wol zu gehorfamen 
ihuldig, fein fonjten dar (dafern) alfulicher Befelich ufgehoben, unjer 
gwoten zu dragen willig, Was demnegft die verfchiedene Legationes 
und Confultationes ahnlangt, jollen wir darauf E. E. W. nicht verhalten, 
daß wir unß ferner mit Beiſchießung der Unkoften nicht bejchweren 
einstheil8 da unfere Bürger dero orten hin micht Hantieren, und aljo 
davon feinen nutzen empfangen, anderstheils da viele punten und Articuln 
über alt Herfommen ingefuhret werden, darüber wir ohne vorgehalten 
wijfen und willen unferer gebürender Obrigfeitt ung nicht inlaffen 
fönnen. Dieweill aber E. E. W. und deren Burger dero Ortter hin hr 
Kauffmannſchafft treiben und aljo den nutzen darvon tragen, werben 
jie aud ohne unfer zuthun und Unkoſten ihre Regationes zu verrichten 
wiſſen.“ 


Hanfa. Poſtverkehr. 313 


Der Boftverfehr im Herzogtume Weftfalen. 

Der Geſchichte des Poftwejens im Herzogtume Wejtfalen hat 
Dr. Züding einen Hleineren Aufjag in den „Blättern zur näheren 
Kunde Weftfalens" gewidmet, den wir hier unverfürzt folgen laſſen. 
„Roc im vorigen Jahrhunderte gab es in Weftfalen nur zwei Haupt: 
furje der kaiſerlichen Reichspoſt. Die eine Linie des von Köln ab- 
gelaffenen Poftwagens verfolgte den Hellweg über Unna, Werl, Soeft 
nad) Paderborn und weiterhin nah Hannover und Braunfchweig; die 
andere zweigte fi in Unna, wo ein kaiſerliches Reichspoſtamt war, 
nordwärt8 ab und ging über Münfter und Osnabrüd nah Bremen, 
Hamburg und Lübeck. Das Herzogtum Weftfalen hatte lange Zeit 
hindurd mit jener Hauptpoft feine andere Verbindung, als durch einen 
Wagen, welder zweimal in der Woche von Werl abgelaffen wurde und 
Montags und Donnerstags früh in Arnsberg eintraf, von wo er 
dann Dienstags und Freitags Abends zurüdfchrte. Das übrige Her: 
zogtum mußte fi) mit der Poft zu Arnsberg durd Boten in Verbin: 
dung ſetzen. So hatten nad) einem Berichte der kurfürftlihen Regierung 
zu Arnsberg die Städte Medebach, Hallenberg und Winterberg „einen 
wochentlihen Botten angeordnet, welcher beftändig alhie (Arnsberg) des 
Sonntags abends anfombt und Montag zu Mittag mit denen Wer: 
liſchen Poftbriefen und andern auf hiefiger Regierung oder fonft ab» 
fertigenden Schreiben nad) hauß zurüdgeht. Imgleichen hat die Statt 
Schmallenberg und Klofter Grafihaft, wie aud die Freiheit Meſchede 
einen beftändigen Botten angeordnet, welde ebenfalß den Sonntags 
abends oder Montags frühe hier ahnfommen und Mittags zurückgehen.“ 
Der Bote von Echmallenberg bejorgte zeitweilig auch die Korrefpon- 
denzen von Attendorn und Olpe, jowie überhaupt von den Ortſchaften, 
durch welche fein Weg führte; Brilon Tieß feine Sadhen von Mejchede 
holen. Im Anfange des vorigen Jahrhunderts beſchloß endlich auch 
Geſeke regelmäßig einen Boten nad Arnsberg zu jhiden. Nach einer 
Verftändigung mit den zwifchenliegenden Orten wurden ihm jährlich) 
pro salario ausgeworfen von der Stadt Geſeke ſechs, vom Gericht 
Geſeke vier, von der Stadt Rüthen jehs, vom Gericht Rüthen vier 
von Kallenhardt zwei, von Warftein zwei, von Stadt und Gericht 
Hirfchberg zwei, endlich von Belefe und Mülheim, die ihre Saden in 
Odacker einzuliefern und abzuholen hatten, zwei Thaler, im ganzen aljo 
dreißig Thaler. Außerdem follte ihm „von denen gemeinen Bürgern 
und gerichtSunterthanen für jeden fimblen Brieff, welchen er mitnimbt, 
oder wiederbringt, mehr nichts alß einen ftüber pro porto zu nehmen 
erlaubt fein”. 


314 Kurköfnifche Zeit. Innere Gefchichte der Stadt. 


Bon der Regierung wurden noch folgende Punkte hinzugefügt: „il. Dan 
müjten gegen obigen beytrag alle Churf. H. Burgermeiftere und rhat in 
diefen vorbefchriebenen ohrten pojtfrei fein, aud was in Statt: und Ambts- 
fahen vorfallet, von den Botten ohnentgeldlihh mitgenohmen werden. — 
2, Könnten die H. Contribuenten mit diefem Botten ihre ſchatzungen unent— 
geldlich abfchiden und den Botten obligiren, falß er von jedem die ſchatzung 
auf einmahl nicht mitnehmen könte, einen anderen auf feine köjten zu be: 
jtellen, welcher ihme die ſchatzung tragen helffe. — 3. Der Botte mufte leſen 
und fchreiben, mithin die Briefe, wohin fie gehörten, fortiren und von allen 
briefen, welche er bringt oder mitnimbt, eine ordentliche Carte wochentlich 
formiren können, auch in Geſeke ein eigenes hauß beftellen, wo die Briefe 
aus daſigem Gogeriht und von anderen orthen bejtändig abgelegt und ab- 
gehohlet werden könten. — 4. Der Bott mufte zulängliche Caution jtellen 
und zu aller H. Gontribuenten ficherheit bey biefiger Regierung den aydt 
abjtatten und ahngeloben, daß er fein Ambt getreulich verrichten, Feine bricfe 
liegen lafien wolle. — 5. könte dem Botten freigelaßen werden, mit denen 
Glöfteren und adelihen häußeren, welche fich diefer gelegenheit bedienen mwolten, 
entweder auf ein jährliches gehalt zu accordiren oder fich die Briefe ſtückweiß 
bezahlen zu laßen.“ 

In Benders „Geſchichte der Stadt Rüden” leſen wir folgendes :') 

„Es liegen Nachrichten vor, daß die amtlichen Korrefpondenzen 
nad) Arnsberg hin durd eigene Boten beforgt wurden. Die beftändigen 
Pfandboten beforgten die Briefe in der nächften Nähe. Die fogenannten 
Einjpänniger waren dazu beftimmt, die ftädtiihen Frachtfuhren 
zu thun. An Perjonenpoften erinnert die jchon erwähnte Verpflichtung 
der Eingefeffenen der Stadtdörfer, die Herren Deputierten von Rüden 
in ihren Kutjchen nad) Arnsberg fahren zu müſſen, — freilich ein be- 
deutendes Unternehmen in den Hohlwegen des Arnsberger Waldes! — 
In Arnsberg gab es vier Einfpänniger, die folgende Uniform hatten: 
hirfchlederne Hofen, Kanonenftiefeln, rote, tuchene Jacken mit weißen 
Scnüren, Stürmer-Slapphut, über deffen Rundung zwifchen den beiden 
Klappen weiße furze Federn ſich Hinzogen; lange Peitſche. Sie waren 
reitende Boten bei Landdroſt und Räten, dienten zugleich al3 Erefutoren 
und mußten bei Dienftreijen der Räte die nötigen Pferde ftellen.“ 

Die ältefte Notiz im Arnsberger Archive, die auf das Beftehen 
der Poſt hinzumeifen jcheint, ift von 1646. In der Rechnung dieſes 
Yahres wird aufgeführt: „Für einen neuen Sad, in den der Stadt 
Briefihaften gepadt werden, 24 Schilling“. Nach dem dreifigjährigen 
Kriege ift die Aufführung von Portoausgaben für die Poft häufig. 
Wann der regelmäßige Poftverfehr eingeführt worden ift, hat Tüding 
nicht angegeben; auch fehlt bei ihm die Quellenangabe. Jene Ein- 
richtung fcheint jedod von Joh. Wild. Arndts, geb. zu Arnsberg 


y) ©. 317. 


Poſtverkehr. Schützengeſellſchaft. 315 


1710, geſt. ebenda 1771, kurfürſtlichem Rate bei der Kanzlei, herzurühren; 
wenigſtens ſchreibt Seibertz,) daß der Genannte als fürſtlich Thurn 
und Taxiſcher Poſtmeiſter die erſten regelmäßigen Poſten im 
Lande ſchuf. Demſelben verdankte Arnsberg die erſte privilegierte 
Buchdruckerei (von Herken, 1766; ſ. w. u.). 

In „Stephan, Geſchichte der Preußiſchen Poſt“ findet ſich ein 
Bericht des preußiſchen Regierungspräſidenten von Lentz aus Minden, 
der den Kurfürſten Klemens Auguſt gelegentlich eines Aufenthaltes des 
letzteren auf dem Arnsberger Schloſſe im Auftrage ſeiner Regierung 
aufgeſucht hatte, um ihn für gewiſſe von Preußen angeſtrebte neue 
Poſtverbindungen geneigt zu machen. Die Miſſion des ſehr höflich auf- 
genommenen Beamten blieb ohne Erfolg.?) 


Die Schützengeſellſchaft. 

Das Alter der Arnsberger Schügengejellihaft kann zwar nicht 
beftimmt angegeben werden, weil die Stiftungsurfunde im Brande von 
1600 zerftört ift; dasjelbe läßt fi) aber doch mit einiger Gewißheit 
näher ermitteln. Nach dem Statut von 1608 beftand fie bereit$ „vor 
undenklichen Zeiten”. In der auf S. 20 woörtlid mitgeteilten Notiz 
aus der Klofterdhronif zum Jahre 1583 heißt es, daß die Flut auf 
dem Brüdenplate die „Vogelftange” fortgeriffen habe. Wenn wir die 
Tapferkeit der „Arnsberger Schützen“ durd; den Mund ihres Feindes, 
des furchtbaren Eloedt (S. 242), preijen hörten, jo können wir zwar 
nit mit Sicherheit behaupten, daß die tapferen Kämpfer der Schügen- 
gilde angehört haben, aber wir dürfen es doch aus dem Grunde ver- 
muten, weil der urfprüngliche Zweck diefer Bruderfchaften ein Eriegerifcher 
war. Sie jind offenbar aus der alten allgemeinen Bürgerwehrpflicht 
hervorgegangen (S. 80). Die waffenfähigen Bürger ſchloſſen ſich in 
Kompagnien zufammen, um fi in den Waffen, jpeziell im Schießen 
mit der Flinte, zu üben. Wie anderwärts, fo bildeten ſich aud in 
Arnsberg zwei folder Kompagnien, die ihre bejonderen Übungen, 
Statuten und Feite hatte, die der jungen und die der alten Schügen. 
Die Verbindung mit dem religiöfen Leben wurde hier ebenjo jehr, wie 
in anderen Vereinigungen angeftrebt, und die Heiligen Sebaftian und 
Fabian zu Schußpatronen erhoben. In Werl, Warburg und anderen 
benachbarten Städten erfolgte die Bildung der Genoſſenſchaften im 
15. Jahrhundert, und es unterliegt gar Feinem Zweifel, daß damals 
auch die Arnsberger Schützenbruderſchaft entſtanden iſt. 


1) Weſtfäliſche Beiträge I. 
2) Mitteilung des Herrn Poſtſekretärs Mad. 


316 Kurkölnifche Zeit. Innere Geſchichte der Stadt. 


Über die Verfaffung der ehemaligen Schützengeſellſchaft und das 
Leben und Treiben der Schügen geben die unten mitgeteilten Statuten 
genauen Aufſchluß. Indes ſchon zur Zeit ihrer Abfafjung (1699) hatte 
jene ihre eigentliche Bedeutung verloren; aus der Schügengilde war 
eine Vergnügungsgejellihaft geworden, und die Vorjchriften über den 
Anftand bei den zahlreihen Trinkgelagen der DVereinsbrüder nehmen 
den meiften Raum ein. 

Nachdem die Schügenfefte Jahrhunderte Lang jährlich, abgejehen 
von Unterbrehungen in Kriegszeiten, gefeiert waren, wurde die Gejell- 
haft vom Kurfürften Max Friedrid) um das Jahr 1786 aus Anlaß eines 
Streites aufgelöft. Auf Betreiben des Oberpräfidenten von Binde er- 
folgte am 21. Juni 1820 ihre Neugründung. Im Juni 1858 feierte 
fie ihr zweihundertjähriges Jubiläum, zu Unrecht, da fie, wie erwiejen, 
viel älter ift. Indem wir bezüglich weiterer Einzelheiten auf die kürz— 
lid) erſchienene Broſchüre von F. J. Köhler: „Die Königsdenkmünzen ber 
Schütengefellihaft zu Arnsberg (bei Beder 1895)” verweifen, fügen wir 
zur Ergänzung dieſes Schriftchens einen Auszug aus der älteften 
Schüpenlifte, da8 Statut von 1608 und die Statuten von 1699 an. 


Aus der älteften Schüsgenbruder:Lifte (1600). 


Ihro Hochwohlgebohrene Excellence Herr Eberhard Graf von und 
zu Solms, Zeit Lebens geweßener Thumbgraff des Hohen Erke und 
ThumbftiftsS Collen, und Landdroft in Weftfhalen. Ihro Hochwürden 
Herr Joan Eofterus, geweßener Abt zu Wedinghaufen. Ihro Hoch— 
würden Herr Engelbert von Werne, gewejener Propft von Rumbeck. 
Herr Joann Rham, gewejener Churfürftl. Holzfürfter und Ober-Kelner 
de8 Herzogthumbs Weftphalen. Herr Caſpar von Effen, gemwejener 
Ehurf. Landichreiber. Nicolaus Bütte gewefener Churf. Burggraffe. 
Herr Georgius Nolce, gewejener Bürgermeifter. Herr Joannes Waße— 
bart, gew. Bürgermeifter. Herr Simon Hanſche, gew. Weftphälifcher 
Yandtpfenningmeifter, und Bürgermeifter zu Arnsberg. Herr Joannes 
Graes, gew. Bürgermeifter. Herr Matthäus Wilden, gew. Churfürſtl. 
Under-Kellner. H. Matthias Henfe, gew. Bürgermeifter. H. Andreas 
Schlichter. H. Philipp Kottmann, gew. Bürgermeifter. H. Arnoldus 
Schmale, gew. Bürgermeifter. H. Vollmar von Stodhaufen, gew. 
Dürgermeifter. Joann Hanſche. Joann Herberiſch. Herman Henfe. 
Jörgen Hake. Thonnis Eßling. Berndt Eßling. Gerdt Eßling. 
Thonis Röter. Toiſt Wehrt. Erneſt Kneer. H. Rudolph Höninch, 
gew. Churf. Landſchreiber. H. Joannes Dorth, gew. Bürgermeiſter. 
Jürgens Graes ꝛc. 


Schütenbruderfchaft. 317 


Städtifches Statut von 1608, 


8 28. „St im Arnsberg vor undenklihen Zeiten eine löbliche 
Brüderjhaft S.Sebastiani der alten Schützen angeordnet, 
welche jährlih am erjten Freitag nad) Himmelfahrt Christi auf das 
Felt, Hagelfeier genannt, eine ehrliche Zufammenkunft halten, dajelbft 
ein jeder Schügenbruder mit feiner Hausfrau erfcheint, ein Gericht mit 
ih bringt und durch Bürgermeifter und Kämmerer wegen der Stadt 
eine Tonne Bieres verehrt wird, welches Gajtbot wegen des hochſchäd— 
lihen Brandes bis hierzu unterlaffen. Dieweil aber durch dieje freumd- 
he und brüderliche Beiſammenkunft da8 bürgerlihe Wefen, 
driede und Einigkeit defto baß gepflanzt und erhalten 
wird, ift beichloffen, dag man allſolche Brüderſchaft, löblichen Zech, 
wie von Alters gebräuchlich, wieder Halten und ein jeder Bürger ſchuldig 
jein joll, das Amt der heil. Meſſe, welches jährlid) auf dem Feſte 
S. Sebastiani für die DVerftorbenen aus diefer Brüderfchaft gehalten 
wird, mit fonderlicher Andacht auszuhören und für ihre Mitbrüder zu 
bitten, auch jederzeit, da einer aus diefer Brüderjchaft oder deffen Haus- 
frau verftorben werde, dem Lei bis zur Kirche zu folgen und alle 
andere löbliche Ordnung gedachter Brüderjchaft unverbrühlic zu halten.“ 


Regulen und Statuten der Alten Schützenbrüder SS. Fabiani et Sebastiani 


Martyrum 
de anno 1699, 16. Junii. 


Im Namen der allerheiligjten Dreifaltigkeit. Amen. 


Nachdemalen von umdenflicher Zeit her allhier binnen der Stadt 
Urensberg nad Anhalt deren Statuten eine Löbliche Bruderjchaft sub patro- 
einio (unter dem Schutze) der Heiligen Fabiani und Sebastiani der alten 
Schüten angeordnet und über lebendiger Menfchen Gedenken wohl hergebradht 
it (wie die darüber gewejene fchriftliche Nachricht leider mit anderen arns— 
bergiihen Siegeln und Briefen dur unglüdlihen Zufall in Grund ver- 
brannt und alfo deren berluftig worden), daß alle Jahr in festo SS. Fabiani 
und Sebastiani ſämtliche Schüßenbrüder das Amt der heiligen Meſſe, fo in 
der Wedinghäufer Pfarrkiche nunmehr zu den ewigen Tagen durch Fundation 
des ehrbaren und frommen Sebastiani Möller, diefer Brüderfchaft geweſenen 
Nihtmannes, für die bverjtorbenen Brüder musicaliter gehalten wird, mit 
Andacht anzuhören und für ihre Mitbrüder zu bitten, auch fonjt den pro- 
cessionen aus Wedinghäufer Pfarrkirchen auf die Stadtkapelle und das Churf. 
Schloß mit devotion beizumohnen, wie nicht weniger das Bogeljchießen und 
alles, was löblicher Gewohnheit und Ordnung nach alters hergebracht und 
observiert worden, zu thun ſchuldig und gehalten find, durch welche gott: 
gefällige Werke, freundliche und brüderlihe Zufammenkfünfte das bürgerliche 
Weſen, Fried und Einigkeit erhalten und conserviert, aud) die höchſte Ehre 
Gottes vermehrt wird. Weil aber Hoch zu beforgen, wann dieſer löblichen 


318 Kurkölnifche Zeit. Innere Gefchichte der Stadt. 


Brüderfchaft bishero observierte Ordnung und Gewohnheit nicht fchriftlich 
vermerkt werde, daß bei den Nachfolgern wenig Nachrichtung fein und aljo 
allerhand confusion, Streit und Umeinigfeit künftig entjtehen werde: dahero 
in heut untenbenanntem dato zu der höchſten Ehre Gottes und der Heiligen 
Fabiani und Sebastiani, auch zu conservation guter Ordnung, aller Ehrbar- 
feit und friedlichen Wefens von diefer alten Schützenbrüderſchaft Richtleuten, 
Fähndrich, Trabanten, Schenken und Scheffen, jo das von jämtlihen Schützen— 
brüdern nach borhergehender genugſamer deliberation und reifen Rate bei 
öffentlicher Berfammlung in des regierenden Richtmannes Henrici Carthausen 
Behaufung nachfolgende puneten und artieulen hinfüro fat und unverbrüd- 
li) zu halten einhellig jamt und fonders ohne contradietion betwilligt und 
angenommen, auch zu dejto bejtändiger davon Gelebung darüber von Ehurf. 
Durchl. Yanddrojten und Räten, jodann Bürgermeijter und Rat hierjelbjt die 
confirmation zu bitten bejchlofien worden. Wann dann die Furcht Gottes 
aller Weisheit ein Anfang ift, als foll ein jedweder Schützenbruder diefer 
löblichen Bruderjchaft der Heiligen Fabiani und Sebastiani jchuldig und ge: 
halten jein: 


1) auf dem Feſttage diefer hl. Patronen F. und 8., fo im Monat 
Januario einfällt, de8 Morgens zu bejtimmter Stunde an eines regierenden 
Richtmannes Haufe mit einem Mantel ehrbarlich beffeidet unausbleiblich zu 
erjcheinen allefamt und jonders ordentlich und zierlich dem Richtmann nad) 
der Wedinghaufer Pfarrkirche folgen, das Amt der Hl. Meſſe mit Andadıt 
aushören, und für die verjtorbenen Mitbrüder bitten, auch wie bräuchlich und 
alle Zeit gejchehen, einer nach dem anderen in zierlicher Ordnung um den 
Altar gehen und zu der Ehren Gottes, der Heiligen F. u. S., auch zu Troſt 
der berjtorbenen Mitbrüder Seelen, opfern, und foll feiner unter Strafe 
eines Pfund Wachjes ausbleiben oder davon entjchuldigt fein, e8 wäre denn, 
daß derjelbe frank oder außer Stande wäre; folchenfalls joll fich derjenige 
borhero bei dem regierenden Nichtmanne anmelden und fein Opfer durch 
einen anderen Schüßenbruder auf den Altar legen lafjen. 


2) Sollen die jüngjten Nichtleute neben Hauptmann; Fähndrich, Tra- 
banten, Schenken und Sceffen auf den h. Pfingjtabend den Bogel aufrichten 
und dafür einen halben Neichsthaler zum Bejten haben, twie imgleidhen des 
vorhergehenden Sonntags bei der deliberation einen halben Rthlr. zum 
Bejten haben, jo dem Richtmann in der Abrechnung zu gut gethan werden 
joll. Auf den hl. Pfingjttag aber des Nachmittags die beiden ältejten Tra- 
banten die Herren binnen der Stadt Arnsberg, die beiden jüngjten den 
Herrn Prälaten zu Wedinghaufen und Heren Probjten zu Rumbeke, Schefjen 
und Schenken aber nad alter Gewohnheit die übrigen Schüßenbrüder ein- 
laden, unterdejlen die Richtleute für künftigen König einen neuen Hut ein= 
faufen jollen. 


3) Auf den hl. Pfingjtmontag und den 11. Julii in festo S. Norberti 
jollen alle Schüßenbrüder, feiner ausgenommen, unter Strafe eines Pfund 
Wachſes ſich zu bejtimmter Zeit in des Fähndrichs Haufe verfammeln mit ihren 
Mänteln, Hauptmann und Trabanten, aber mit ihrem gewöhnlichen Gewehr, 
dem Fähnlein und offenen Trommenjchlag in zierlicher Ordnung bis vor den 
Kirchhof marchieren, dajelbjt das Hochwürdige abwarten, und ſobald jolches 


Statuten der alten Schützenbrüderſchaft. 319 


vorbeigetragen, gleich darauf folgen und dem processionen ſowohl auf die 
Stadtkapelle als das Churf. Schloß mit Andacht beiwohnen und anderen 
Leuten mit unnügem Geſchwätz, Gepränge und Gedränge wegen des Vor— 
gehens fein Ärgernis geben, jondern die procession in gleicher Ordnung 
wieder zurüdbegleiten, mit jtiller Trommen um den Kirchhof gehen und das 
Fähnlein wieder an gehörigen Ort bringen helfen. 


4) Sollen alle Schütenbrüder am Pingjtnontage nad) gehaltener proces- 
sion auf dem Rathauſe erjcheinen, und wann die vier Ämter (Zünfte) und die 
Gemeinheit ihre gravamina proponiert, aud) der Pflichttag geendigt, Bürger- 
meijter und Rat jamt übrigen Bürgern abgetreten, dajelbjt in aller Schüßen- 
brüder Gegenwart von eben genanntem Hauptmann zwei Ehurherren aus den 
acht jüngeren NRichtleuten denominiert twerden, welche alsdann allein auf die 
Natsjtube gehen, einen neuen Richtmann, Fähndrich, zwei Schenken und 
Sceffen wählen und vermitteljt eines aus den acht NRichtleuten dazu aus— 
jehenden Urteilmannes öffentlich denominiert und wie gebräuchlich, der neue 
erwählte Fähndrich defielbigen Tages den jämtlihen Schügenbrüdern eine 
Tonne Bieres vermachen fol. Wann auch ein oder anderer neuermwählter 
Schenk oder Scheffe durch einen anderen Schügenbruder feine Stelle ver- 
treten lajjen wolle, foll er jelbjt nicht bei Macht fein, dazu einen nach feinem 
Belieben auszujegen, jondern es dem Richtmanne angeben, damit ein jolcher 
dazu berordnet tverde, womit jämtlihe Brüder zufrieden fein follen. Es joll 
doch ein jeder Schenf und Scheffe auf jein Amt mit Acht geben und Zorge 
tragen, daß alles ordentlich zugehe. 

5) Der neue Richtmann foll neben vier alten und vier jungen Richt- 
leuten, Trabanten und Schenken und Scheffen, wann vorgemeldete Erwählung 
gejchehen, ordentlich mit Fähnlein und Trommen nac) des alten Fähndrichs 
Hauſe marchieren und don demjelben praesentierter Mahlzeit vorlieb nehmen, 
der Fähndrich auch über jein Vermögen zu fchaffen nicht ſchuldig fein, jondern 
bei demjenigen, was er an Eſſen und Trinken praesentiert, wie ehrbare 
Schütenbrüder fi fröhlih und luſtig nachher darüber nicht tadeln noch 
jchmälern. 

6) Diejer Fähndrichszech joll länger nicht als zum höchſten bis vier 
Uhr nachmittags währen und dann die Nichtleute jamt dem Fähndrich, den 
Trabanten, Scenten und Sceffen fi) auf dem Rathauſe bei den übrigen 
Schügenbrüdern einfinden und der abgehende Fähndrich zwei Tonnen un- 
itrafbarliden Bieres durdy Schenken und Scheffen auf das Rathaus zu ver: 
ihaffen und damit ſämtliche Schügenbrüder zu traktieren jchuldig fein. 


7) Sollen allein Schenfen und Sceffen, und niemand anders, das 
Bier verzapfen und verfchenken, und die Trinkgefchirre oder Gläfer ordentlich 
bon einem zum andern herumgebracht werden, und wofern ein anderer er- 
tappt würde, welcher jelbjt zapfte oder einjchenfen thäte, der foll mit zwei 
Eimer Bier unabbittlich gejtraft werden. 

8) Diejenigen, jo Gläfer zerbrechen, Bier vergießen, ſich unehrbar ver- 
halten, vollfaufen, jchennen, ſchmälen oder Streit anfangen, follen nad) Be— 
finden mit ein, zwei, drei oder vier Eimer Bier abgejtraft oder pro qualitate 
excessus gar abgewiejen werden; wer aber vorjäglicher Weife ein Glas zer- 
bricht, joll es neben einer Bierjtrafe bezahlen. 


320 Kurkölniſche Zeit. Innere Gefchichte der Stadt. 


9) Sollen die beiden jüngjten Trabanten bei den Zechen und jonjt 
fleißige Aufficht haben, daß ordentlich gezapft und gefchenft werde, auch die- 
jenigen, fo am Pfingftmontage auf dem Nathaufe bei dem Zech find, obser- 
vieren, daß wofern auch jelbige anderen Tages der Compagnie nicht bei- 
wohnen, jelbige mit ihrer Perfon und Gewehr verzieren und den Bogel ab- 
ihießen helfen mwitrden, entweder mit einer Tonne Bieres abgejtraft oder gar 
der Brüderjchaft verlujtig fein ſollen. 

10) Sollen alle chrbaren Schütenbrüder dem regierenden Richtmann 
gehorjam fein und fich demjelben oder defien billigmäßiger Berordnung nicht 
widerjegen, fondern der dawider als ein unehrbarer, ungehorfamer Gejell 
handeln wird, foll alfobald aus der löblichen Bruderſchaft verjtopen werden. 


11) Soll ein regierender Richtmann am Pfingitmontage um 6 Uhren 
des Nachmittags „uflloppen”, zwei aus den acht jüngften Richtleuten zur Er— 
wählung eines neuen Trabanten denominieren, diejer ſich auch fogleih auf 
die Heine NRatjtube erheben und eine qualificierte Perfon zum Trabanten er— 
wählen und öffentlich benennen. 

12) Diejenigen, jo zu diefer ehrbaren Schützenbrüderſchaft auf- und 
angenommen werden wollen, follen eines ehrlichen Herkommens, aufrichtigen 
Handels und Wandels und frommen, friedfamen Lebens fein umd ſich am 
Pfingitmontage bei öffentlicher Berfammlung angeben und durch den reg. 
Nichtmann „uflloppen” und proclamieren laſſen und zu diefer Brüderichaft 
Conservation neben gewöhnlichem Ladegeld zu einem Pfund Wachſes zwei 
Nthlr. erlegen, ausgenommen Scütenbrüderföhne, fo das elterlide Haus 
befiten, follen gegen Erlegung der Halbfcheid admittiert werden; welcher dann 
erjt angenommen wird, foll fich nicht verdrießen lafien, zu Bezeigung jeines 
Gehorſams und Schuldigkeit, den übrigen Schükenbrüdern einige Glas Bier 
einzujchenfen und aufzumarten. 

13) Wenn e8 Sade wäre, dab diefe alte Schützenbruderſchaft in Ab— 
gang geraten thäte, und einige von den jungen Schüßen zu ſich nehmen 
müßte, ſoll folches ihnen jederzeit nad) altem Herkommen freiftehen und 
bleiben, auch diejenigen, fo befordert werden, follen ohnmeigerlich folgen, jonjt 
ſoll aber feiner von den jungen Schüßen angenommen werden, damit deren 
Brüderſchaft dadurch nicht vergeringert werde, 


14) Dann foll der Hauptmann am Pfingjtimontage den neuerwählten 
Fähndrich mit dem Fähnlein famt acht jüngjten Richtleuten, vier Trabanten, 
einem Schenken und Sceffen mit der Trommel nad) Haufe führen und fonjt 
feiner, welcher nicht von dem Fähndrich abſonderlich benennet wäre, ſich dar— 
mit eindringen, fondern übrige Schütenbrüder mit dem neuen Richtmanne, 
einem Schenken und Sceffen auf dem Rathauſe verbleiben und das übrige 
Bier ohne Tumult und Streit mit Freuden verzehren, und da folches ver- 
zehret, foll der Richtmann „ufkloppen“ und jeder mit Ehrbarkeitnach Haufe gehen. 

15) Soll der Fähndrich mit denjenigen, jo ihn nad Haufe führen, 
eine ehrbare recreation mit einem Trunke Biere präsentieren und nach 
jeinem Belieben und Bermögen luſtig machen, und alles ordentlich und nach 
Gebühr zugehen. 

16) Am Pfingftdienfttag foll der Richtmann befordern, daß beide 
Trommenjchläger mittags nad) 12 Uhren zweimal wie gebräuchlich durch die 


Alte Statuten der Schüßengejellfchaft (1699). 331 
Stadt herumjchlagen, und ſoll ein jediweder Schüßenbruder nach letterem 
Umſchlag mit Pulver, Kugeln, ohnjtrafbarem Geſchütz und Seitengewehr an 
des Fähndrichs Haufe ohnausbleiblich ericheinen und, wann alle verfammelt, 
ordentlich und zierlich mit fliegendem Fähnlein und offenem Trommenjchlag 
nach) dem Könige marchieren, denjelben unter Begleitung des alten Königs 
und Richtmanns mit dem filbernen Bogel aus der Stadt unter die Vogel- 
itange führen. 

17) Ehe dann angefangen zu jchiehen, ſoll der Richtmann alle Schüßen- 
brüder erinnern, daß ein jeder fleißig und einer nach dem anderen ſowohl 
nach dem Bogel als Geck jchieße und fein Gewehr verwahre, daß niemand 
bejchädigt werde und feiner, der nicht Schüßenbruder fei, in den Kreis komme. 
Bor allem aber der erite Schuß namens unferes gnädigften Ehurfürjten und 
Herrn, demnächſt für Landdrojt und Näte gefchehe, und wer jolde Schüfie 
thuet, es öffentlich ausfagen foll, folgends joll der König zu ſchießen fortfahren, 
dem dann alle anderen ordentlich folgen. 

18) Warn der Bogel und Ged abgefchofien find, follen ſich alle Schügen- 
brüder wieder in vorige Ordnung jtellen und ein jedweder Schüßenbruder 
dem neuen Könige neben Berehrung eines neuen Huts zwei Grofchen ver- 
ehren, welches Geld beide jüngjten Richtleute collectieren und dem Könige zu 
Behuf der 2 Tonnen Biers liefern follen. Die Trabanten, Hauptmann und 
Fähndrich jind davon befreit, dabei zu wilien, wann ein Trabant den Bogel 
abjchiegt, dat derjelbe dadurch feiner Dienjte, und was er font zu thun 
ſchuldig ijt, entlaffen, und fofort an deſſen Plage ein anderer nad) Gewohn— 
heit erwählt werde; gleichergejtalt iſt es alters bergebradht, daß derjenige 
Schütenbruder, fo den Bogel abfchiekt, von dem Trabanten-Dienjt und den 
anhangenden Bejchwerden gänzlich befreit fei. 

19) Wann der Bogel abgeſchoſſen, das Geld collectiert, wird der König 
unter gewöhnlicher Begleitung twieder in die Stadt aufs Rathaus geführt 
und muß für angethane Ehre jämtliden Schüpßenbrüdern des Abends zwei 
Tonnen obnjtraflihen Bieres berehren, jo der Richtmann für den König 
gegen billige Zahlung auf das Rathaus verſchaffen und, wie borgemeldet, 
durch Schenken und Scheffen ordentlich verzapft und geſchenkt werden joll. 
Dann foll aud) ein jedweder Schügenbruder dem Ged einen Stüfer (Stüber) 
verehren, dafür foll er Lindt kaufen, fich wie einem Gedgebübret, zieren 
und die Sejellfchaft luſtig machen; fall auch einer wäre, der den Ged 
abjchiegen und jelbjt nicht führen wollte, joll er dazu einen Schütenbruder 
und niemand anders benennen.!) 

20) Wann dann ohngefährlich die zweite vom Könige gegebene Tonne 
Bieres verzehrt, joll der König nach alter Gewohnheit mit acht jüngjten Richt- 
leuten, Hauptmann, Yähndrich, Trabanten, einem Schenken und Scheffen und 
welche er dazu mit benennen wird, mit fliegenden Fähnlein und Trommen- 
ihlag nad Haufe begleitet werden und denjenigen eine beliebige recreation 


1) Wer aljo den Geck abſchoß, mußte nachher jelbit den Geden jpielen 
oder ſich durch einen anderen Echütenbruder vertreten laſſen. Der letzte 
Schuß bie darnach der Gedenjchuß, anderswo Pritſchenſchuß, mo der Ged 
Pritfchenmeifter hieß, weil er mit der Pritjche, einem Kolben von Holz oder 
Mefjing, die Schügen jchlug, die fich ungebührlich oder ungefchidt benahmen. 

Faur, Geſchichte Arnsbergs. 21 


322 Kurkölnifche Zeit. Innere Geſchichte der Stadt. 


und Gelag Bieres zu präsentieren jchuldig fein, der Richtmann aber mit 
einen Schenken und Scheffen bei den übrigen Schügenbrüdern auf dem Rat- 
haufe verbleiben und jelbige mit übrigem Bier tractieren, wann das verzehrt, 
„uftloppen” und ein jediweder, als ein ehrbarer Schützenbruder in Frieden nadı 
Haufe gehen. 

21) Was an Geld einfommt und verehrt wird, joll der NRichtmann 
empfangen, treulich verzeichnen, und wohin e8 verwendet worden, aufrichtig 
berechnen; die Rechnung joll er ordentlich einrichten und wie allezeit gebräud)- 
lich getvejen, den Tag nad) S. Norberti Feſt vor vier alten, vier jungen Richt- 
leuten, Hauptmann, Fähndrich und Trabanten ablegen, von denjelben exa- 
miniert und unterjchrieben, aud) joldhergejtalt mit dem Gelde minachiert (sic!) 
werden, daß der eine Richtmann den anderen völlig abbezahle, und der liber- 
rejt zu der Bruderjchaft Bejten und Conservation verivahret werden, bei 
welcher Abrechnung den dazu Berordneten ein Rthlr. zum Bejten fein foll. 

22) Die Ikung (Hichung) der Bierfäfler joll des Mittwochen nad) 
Pfingftdienstag don den bier jüngjten Pichtleuten, Hauptmann, Fähndrid, 
Trabanten, Scenten und Scheffen verrichtet werden und denfelben für ihre 
Mühe *, Rthlr. zum Bejten fein, jedem Scenfen und Scheffen aber für 
gehabte Mühe und Aufwartung nad alter Gewohnheit ein Eimer und für 
jede Citation zivei Maß Bieres gegeben und in Rechnung gut gethan werden. 


23) Soll der Richtmann einen Thürwärter bejtellen, welcher bei den 
Bufammenkünften auf dem Nathaufe die Thür vertwahre und Acht gebe, dat 
fein Bier verbracht weder jemand darauf gelaſſen werde, der fein Schüßen- 
bruder ſei. 

24) Wann diefes alles vorgegangen und die Rechnung abgelegt ijt, 
foll der abgehende Richtmann dem neuen in Gegenwart der übrigen Ricdht- 
leute den jilbernen Vogel, die zwei Federn, Bieberfcherpen (?), die Gedmüte, 
Rohr und Säbel jamt Laden und Kiſten mit Rechnungen und allem, was 
der Brüderichaft zugehört, überliefern und von demfelben verwahrt werden. 


25) Zu mehrer Conservation und Aufkommen diefer löblichen Bruder- 
fchaft und Haltung guter Ordnung, follen alle Jahre am VBfingitmontag auf 
dem Rathaufe vormittags nach bejchehener Wahl des Richtmannes und Fähn— 
drichs dieje obgejegten Reguln den Schützenbrüden öffentlich durch einen dazu 
vom Richtmann benennenden Schütenbruder vorgelefen werden, damit ein 
jeder ſich darnach verhalten fünne; wofern auch ein oder ander fein würde, 
der diefem allem vorgejchriebener Maßen nicht nachlommen und opponieren 
würde, derjelbe jolle ohne einiges Nachſehen dieſer Brüderjchaft verluftig und 
gänzlich entjeßt fein. 

26) Weil auch von Alters hergebradit, daß die alten Schüßenbrüder 
nach gehaltenem Bogeljchießen des erjten Sonntags nad) Pfingjten eine löb- 
lihe Zufammentunft bei dem Nichtmann halten und fich Iujtig machen, jo 
foll ein Rihtmann durch Schenk und Scheffen alle Schüßenbrüder dazu früh- 
zeitig einladen lafien und diejenigen, fo dazu Luft haben, aufzeichnen, auch 
twie alters gebräuchlich ift, dazu ein jeder wenigſtens ein Viertel Gerjte con- 
tribuieren joll, welche dann der Rihtmann durch Schent und Sceifen zu 
gebührender Zeit colleetieren, zu Malz machen, darauf ohnitraflih Bier 
brauen und folgends, wie gewöhnlich, Sonntag, Montag und Dienstag damit 


Alte Statuten der Schüßengejellichaft (1699). 3923 


traetieren und lujtig machen folle; bei welchem Zec oder Maigelag fih an- 
wejende Schüßenbrüder ehrbarlic und friedlich verhalten und fich aller Un- 
ehrbarkeit und unläffigen Beginnens, bei Strafe eines Eimers Bieres oder 
jonjt nad) Befinden jchärfer, enthalten, auch länger nicht als bis zehn Uhren 
des Abends zum höchſten trinken und fi) aufhalten follen. Zu diefem Ge- 
lag joll auch feiner admittiert werden, er habe denn vorhero, wie manierlich, 
eontribniert und jei ein Schüßenbruder. 

Dieſe obgefegten artieulen und puneten jind heute dato den 16. Junii 
1699 von ſämtlichen Richtleuten, Fähndrich, Trabanten, Schenken und Scheffen, 
auch allen alten Schützenbrüdern der löblihen Bruderfchaft der hi. Fabiani 
et Sebastiani einhellig placidiert, bewilligt und ohne jemandes Contradietion 
binfüro fejt und darüber zu dejto beftändiger Fejthaltung von Churfürftl. 
Herrn Landdroften und Näten, ſodann von Bürgermeifter und Nat hierjelbit 
die Confirmation zu bitten bejchloffen worden, zu deſſen Urkunde jich ein 
jeder wifjentlic) und eigenhändig unterfchrieben hat. So geſchehen in offener 
Berfammlung in des reg. Richtmannes H. Carthaus Behaufung den 16. Tag 
Junii des Jahrs Christi 1699, 

Henrich Carthaus als jtetiger Richtmann. 


(Folgen die übrigen Unterjchriften.) 
* * 


Die vorſtehenden Kapitel über die innere Geſchichte der Stadt 
dürften den Leſer in den Stand ſetzen, ſich ein Bild von den ehemaligen 
Zuſtänden zu machen. Zu einer ſyſtematiſch abgerundeten Darſtellung 
fehlt es einerſeits an genügendem Stoffe, andererſeits erſchien es zweck— 
mäßig, manches hierher Gehörige an anderer Stelle zu erörtern. So 
find die kirchlichen Verhältniſſe bereits im erſten Zeile (Abſchnitt III) 
behandelt worden; über die Schule wird im Zuſammenhange mit dem 
Gymnaſium geſprochen werden ꝛc. Eine ſcharfe Trennung von „innerer“ 
und „äußerer“ Geſchichte iſt überhaupt weder beabſichtigt noch durch— 
führbar. 


Dierter Abſchnitt. 


Die Regierung ded Kurfürften Ferdinand (1612—1650). 
Die Zeiten des dreifigjährigen Krieges. 


Die Jahre vor Ausbruch des Brieges (1612—1618). 
1612. 


Der erfte weftfälifhe Yandtag zu Arnsberg unter Aurfürft 
Ferdinand vom 30. März bis 2. April 1612.') 


Nachdem Kurfürjt Ernft auf dem Schloſſe zu Arnsberg geftorben 
war, ging das Erzbistum Köln fofort auf feinen Neffen und bisherigen 
Koadjutor Ferdinand, den Sohn des bayerijchen Herzogs Wilhelm und 
Bruder des großen Kurfürften Marimilian von Bayern, über. Derjelbe 
wurde am 12. März 1612 im Kölner Dome inthronifiert und machte 
alsdann Anftalt, and, von dem Herzogtum Weftfalen feierlich Befig zu 
nehmen. Sogleich am Tage nad) feiner Inthroniſation erließ er von 
Köln aus „an die jest in Weftfalen anweſenden Räthe“ ein Schreiben 
mit dem Befehle, einen wejtfälifchen Landtag auf den 29. März zu- 
fammenzubernfen. „Als wir nunmehr zum Erzbifchofen zu Köln und 
Ehurfürften aller gebür inthronifiret und uns jampt etlihen unfern 
Zhumb-Rapitularen gegen Donnerstag den 29. tag laufenden Monats 
Martii zum gemeinen Landtag in unferm Fürſtenthumb Weftfalen ein- 
zuſtellen entjchlojfen fein, aber wegen Fürge der zeitt.... . umfere 
Weftfeliiche Ritterihaft und Stette ſelbſt nicht darzu bejchreiben noch 
erfurderen fönnen, und ebenwohl den Yandtag zu verziehen bedenklich 
fallen thuet, demnach iſt unfer gnedigſter Befehld, daß Ihr auff un- 
jeres allhiegen Thumb-Kapitels bewilligungh . . . . unſere Weftfelijche 


ı) Tüding, Blätter 3. n. 8. W. 1884, ©. 34 ff. 


Regierungsantritt Yerdinands. Landtag von 1612. 325 


Ritterfchaft und Stette ohn einig Nachtheil ihrer Pandtvereinigung be- 
Schreiben, gejtalt obberührten Donnerstags des morgens zu adht uhren 
aufm Rhathauß in unfer Statt Arnsberg zu erjcheinen und 
unfere proposition anzuhören und fich darauf alß getreuwen unterthanen 
gebürt, underthanigft zu erfleren und aller gebür zu erzeigen.... 
13. Martii Anno 1612. Ferdinand Churfürf. Joh. Adam Sent- 
heim subser." Die Form diefes Ausfchreibens erinnert an bie durch 
die Truchjeffiihen Wirren veranlaßte und von da an ängftlich feſt— 
gehaltene Deklaration der alten Landvereinigung, nach welcher der weit- 
fälifche Landtag nur nach ausdrüdlicher und den Ständen vorzulegender 
Einwilligung des Domkapitels von dem Kurfürften ausgejchrieben werden 
jollte. Die Räte teilten unter dem 17. März durch ein gedrudtes 
Formular den einzelnen Ständen den Befehl des Kurfürften mit, indem 
fie beifügten: „Wir erfurderen Eud hiermit, daß Ihr zwo auß euerem 
Mittel mit nottürftiger Vollmacht zu obbemeltem Taghe, plak und 
ftünde unauspleiblid zu erſcheinen abordnen und durch diefelben ferner 
anhören, thun und verrichten laffen, was die proposition und ber 
jahen notturft erfurderen mögt." Der Landtag, zu dem die Stände 
„in guter Anzahl unterthänigft und gehorſamſt“ erfchienen waren, wurde 
am 30. (ftatt 29. März) in perfönlicher Anweſenheit des Kurfürten 
eröffnet.) Die Bropofition betraf „die Vollziehung der von 
alter8 hergebradter fandtshuldigung”, womit von jelbft aud) 
die Frage über die Bewilligung und die Höhe der „Willfommenfteuer“ 
gegeben war, die jedem neuen Landesherrn als freie8 Gejchenf der 
Yandfchaft geleiftet wurde. Indem der neue Kurfürft feinerjeit3 den 
Ständen das Berjprechen gab, „daß er nicht weniger als weiland fein 
hochgeehrter Vetter und Vater, der Hochwürdigſte und Durchlauchtigſte 
in Gott, Fürft und Herr, Herr Ernft, Erzbifhof zu Cöln und Chur- 
fürft hochſeligſten gedächtnus, die ſämmbtlichen anweſenden Töblichen 
Stände in allen Churfürſtlichen Hulden und Gnaden halten, dieſelben 
bei ihren uralten Privilegien, löblichem Herfommen und Freiheiten, auch 
der ernenerten und hochbetheuerten Yandsvereinigung gnädigft zu manute- 
niren, auch männiglichen bei gleichen Rechten zu konſerviren gnädigft 
gemeint wären", jo vertraut er auch, daß die Stände ihrerjeit8 ihm 
al3 ihrem von Gott geftellten Landesfürften die gewöhnliche Landes - 
huldigung leiften und dabei „anfangs mit Vorbehalt gebräuchlichen 
1) Anm. Sm der Stadtrehnung weiſen zwei Posten auf den Beſuch 
bin: „Ein Bote nad; Melfchede, als der newe Churfürft Herzog Ferdinandt 
auf Arnsperg kommen, 6 Sch.“; „des neuen Ehurfürften zehn Trompetern 
— 306.2 Sch.” 


326 Kurkölnifche Zeit. Regierung Ferdinands. 


fernern Eidſchwurs an die Hand geloben, daß fie Reverendissimo in 
allem gehorfam, gewärtig, treu und hold fein, deſſen und des Erzitifts 
Beftes werben und Arges wenden und abwehren, aud bei der Yands- 
bereinigung fteif feft halten und alles leiften, was gehorjamen adligen 
und andern Landfaffen gebührt“. Die nun folgenden Beratungen der 
Stände verliefen, ſoweit es fi um den Inhalt der Propofition handelte, 
glatt und einfah. Am 2. April wurde der Landtagsabſchied fertig 
geftelft, der die Beſchlüſſe dahin zufammen faßte: 

„Die Stände haben ſich unterthänigft erklärt, daß fie Ihr. Ehurf. 
Durchlaucht für ihren gnädigften Yandesfürften zu respeftiren, zu vene- 
riren und demfelben alferunterthänigften Gehorfam zu leiften und daneben 
die erforderte Landeshuldigung zu präftiren nicht abgeneigt wären mit 
angehängter unterthänigfter Bitte, daß ihnen dem befchehenen gnädigſten 
Erbieten nad ihre uralten Privilegien, aufgerichtete Yandsvereinigung 
und andere löbliche Gewohnheiten demnächft fonfirmirt und beftätigt 
werden." Betreff der Willlommenftener war das Ergebnis: Wiewohl 
für diesmal die landkundige Unvermögenbheit bei dem gemeinen 
Mann jo groß ift, daß fie das liebe Brot nit Haben, 
viel weniger eine große Kontribution beizubringen vermöchten, jo wollen 
dody die anweſenden Stände zur Bezeigung ihrer wirklichen Devotion 
und zum Beweiſe, daß fie als fromme Beterlinge ihrem Landesfürften 
nicht aus der Hand gegangen wären, bie unterthänigjte Verehrung 
maden, daß Ihrer Churf. Durdlaudt 12 000 Rthlr. in kurz bedachter 
Zeit, deren man ſich zu vergleichen habe, beigebracht und geliefert werden 
jollen, dergeftalt, daß 9000 Rthlr. ohne einigen Abgang Ihrer Ehurf. 
Durchlaucht eingeliefert und der Reſt zu angewandten Unkoſten folle 
gebraucht werden. „Als nun Ihre Churf. Durdlaudht der Löblichen 
Stände unterthänigfte Affektion, und, daß bdiejelben ohne einiges Be— 
gehren ſich zu folcher freiwilligen Erlegung erbeten” (vernommen hat), 
jo hat derjelbe nochmals ſeinerſeits ſich erklärt, daß er die alten Privi- 
legien und die Landesvereinigung ſtets fchügen und fefthalten werde 
und zu Urkund diefen Abjchied mit feinem Sekret verfiegeln laſſen. 
Gegeben Arnsberg den 2. April 1612. 

Der Landtag zu Arnsberg pflog übrigens außer dem im Abſchiede 
nambaft gemachten Gegenjtande nocd andere Verhandlungen über verjchiedene 
Gravamina (Bejchwerden), die von den Ständen beim Kurfürften vorgebracht 


wurden. Ferdinand nahm diefelben wohlmwollend auf und erlich am 3. April 
eine Refolution folgenden Inhalts: 


1. Sämtlide Stände verlangten eine ordentlidhe Regierung 


und Kanzlei. Beranlaft war diefer Antrag durch den Umjtand, daß feit dem 
Tode des Landdroften Grafen Eberhard dv. Solms (10. Juni 1600) Fein 


Landtag von 1612. 397 


neuer Landdroſte als Leiter der wejtfälifchen Regierung wieder bejtellt mar. 
Kurfürft Ernjt hatte vielmehr von da an unmittelbar die Regierung geführt, 
indem er nach Bedürfnis die weitfälifchen Räte, Deputierten oder Zandftände 
zufammenberief, um die notwendigen Sachen zu erledigen. Es fehlte alfo 
an einer jelbjtändigen Regierung in Wejtfalen mit einer fejten Kanzlei in 
Arnsberg. Für diesmal erklärte Ferdinand, daß er fich baldigjt nad) den 
Berhältniffen der Kellmerei erkundigen und demnach dem Wunfche der Land— 
jtände nach einer geordneten Kanzlei und Regierung Genüge thun imerde. 
Die Ausführung ließ auch nicht lange auf fich warten. In Folge näherer 
Erfundigung Hatte jich Ferdinand ſelbſt überzeugt, daß bei dem Mangel einer 
fejten Regierung „unfere Weftfälifchen Regimentsſachen fait in Unrichtigkeit 
fommen, daneben auch die intrada (Einkünfte) aldar gutter theils andern 
verjchrieben, pfandsweiß in handen geben, den Rhäten und Dieneren über 
altherpringen mehr befoldung zugelecht werden‘. Er ernannte daher noch im 
Sommer 1612 den Kafpar von Fürjtenberg, Drojten zu Biljtein, zum 
Berivejer der Yanddrojftei, 


2. Der zweite Befchwerdepunft richtete fich gegen den Mißbrauch, daß 
die Rechtötreitigfeiten von den ordentlichen Gerichten häufig „avocirt“ und 
auch die „executio sententiarum* (Bollziehung der Urteile) zumeilen „inhibirt 
und fufpendirt? wurde. Der Kurfürjt refolviert im allgemeinen zujtimmend, 
jedoch mit gewiſſem Borbehalte. 


3. Der dritte Punkt betraf die Bitte um Konfirmation der alten Pri- 
vilegien und der erneuerten Landvereinigung bon 1590, worauf der Kurfürſt 
gemäß feiner bereitS in der Landtagspropofition mitgeteilten Erklärung gern 
eingehen till. Es jcheint indes, daß Ferdinand eine ausdrüdliche Bejtätigung 
der Erblandsvereinigung „mit Brief und Siegel“, wie folche von allen nach— 
folgenden Kurfürfien vorliegt, nachher nicht gegeben Hat, ſowie aud) die Be- 
ftätigung der Privilegien unterblieb oder verzögert wurde, weil die Stände 
auf dem Landtage von 1614 wiederholt um Rückgabe ihrer auf dem Geſeker 
Landtage von 1584 eingereihhten Original-Privilegien und deren Bejtätigung 
bitten. 


4. Die Stände beklagen fich über die großen Unordnungen der Berg- 
beamten, und befonders befchweren fich die Aödeligen, daß die Bergbeamten 
gegen ihre Freiheiten auf ihren Hämmern und Hütten allerlei verbotene 
Steuerung vornehmen. „Wie wohl nun,“ beißt es in der Refolution, „J. 
Ehurf. Durchl. die gaben Gotts, jo Gott undt die natur diefer Landtſchafft 
gnedigſt bejchert, nit binterlaffen oder vor Windt fchlagen können,” fo jollen 
doch die eingeriffenen Unordnungen nicht fortgefeßt werden, und es foll daher 
die alte Bergordnung don Gebhard Truchſeß den ZBeitverhältniffen gemäß 
rebidiert werden. Eine umfafiende Nevifion der alten Bergordnung gab 
indes erjt der Nachfolger Ferdinands, Kurf. Mar Heinrich, am 5. Yan. 1669. 


5. Nitterfchaft und Städte lagen über die vielfältigen Jagd- und 
andere Dienste, mit denen ihre Leute gegen altes Herkommen beſchwert 
werden, und welche nicht allein für den Landesfürjten, jondern aud für 
deſſen Diener gefordert werden. Der Kurfürjt will die früher abgefaßte 
Dienftordnung auffuchen und alles Übermaß fo viel als möglich abjtellen 
lafien. 


328 Kurkölniſche Zeit. Regierung Ferdinands. 


6. und 7. Die Adeligen Elagen, daß die Bauern ſich des Fiſchens und 
Jagens, dazu fie niemals berechtigt gewefen, unterfangen, „alſo dergeftalt, 
daf fie auch dardurd) ire Hausarbeiten verfäumen und die Waßer gang und 
zumahl aufößen und verwüſten, nebendem bey minterliden zeiten an dem 
Rehe und anderem Wildpret thuen, wie Amgleichen, daß die Bauern, Jungen 
und Sinechte hin undt wider im feldt dei Taubenſchießens ſich befleißen undt 
die bon der Ritterfchaft an Ihren adtlichen Privilegien merklich verhindern.“ 
Der Kurfürft läßt erwidern, daß er auch ſelbſt „merklich dabei intereffiert” 
fei und genaue Auffiht und Strafe nad) der Polizeiordnung befehlen werde. 


8. Die Adeligen beklagen fi, daß fie an dem Rechte des Wildjagens 
(durch die Furfürjtl. Beamten) gehindert werden, worauf Ferdinand refolbiert, 
es ſeien Schon zu Zeiten feines Vorgängers ſolche Klagen don einigen Ade— 
ligen bvorgebradht, diefen aber bedeutet worden, daß fie vorher den Beweis 
„ſolcher erlangter Gerechtigkeit” beibringen ſollten, was nicht gejchehen jei 
In einer Berordnung dom 13, März 1623 wird hierüber unter Bezugnahme 
auf wiederholte Berbote eingefchärft, „daß ſich menniglich des fchießen und 
niederfellen des Groben und Kleinen Wildtprett als Hirfhen, Schwein, Rebe, 
Hafen ꝛc. follen enthalten, dabey gleichwohl Unferen Adeligen Landſaſſen und 
wenn es jonjtens Standts und uralten Herfommens wegen von Unfern Bor- 
fahren zugelaffen, doc) mit gebürender maß zu jagen nit verbotten wird” oder, 
wie es in der Erneuerung diefer Verordnung von 1630 Heißt: „Unferen Adt- 
lihen Landſaſſen, fo der groben Jagt beredtigt, wollen wir an jolcher ihnen 
geitandener gerechtigfeit nichts abgejtridt, aber dabey befohlen haben, daß fie 
ſolche Jagten zu rechter Zeit des Jahrs mit den garnen und bunden ber: 
richten ſollen.“ 


9. und 10. betrafen Beſchwerden über die Brüchtenordnung, die oft zu 
jtrenge ausgeführt werde und juxta qualitatem delicti (nach der Art des 
Bergehens) menfuriert (bemejfen) werden möge. Die furfürftliche Refolution 
erwidert, daß niemand mit ungebührlichen Brüchten belegt werden foll, und 
daß insbefondere der Brüchtenmeifter nicht jelbjtändig, jfondern nur auf Er: 
fordern der Amtsleute vorgehen joll. Diefelbe Klage der Stände wiederholt 
ji) auf dem Landtage von 1614. Eine Folge hiervon wird die Furkölnische 
Brücdtenordnung fein, weldhe Ferdinand 1616 erlieh. 


11. Die Adeligen bitten, daß alle Landesämter mit Eingefefjenen 
befegt werden. Der Kurfürſt fordert fie auf, ihm anzugeben, „was für 
frembde Beambten damit gemeint werden”, worauf er das Notwendige an— 
orönen werde. Diefelben Wünfche wurden auf unferm Landtage nicht zum 
erjten und nicht zum letzten Male laut und führten endlich im Jahre 1662 zu dem 
ausdrüdlihen Privileg des Kurfürjten Mar Heinrich, „daß fürderhin alle 
unferes Fürſtenthumbs Land-mter und Dienfte anders nit als mit desfelben 
zugehörigen Landtseingefeffenen beſetzet und bejtellt werden mögen“. 

12. Die Stände haben jich beklagt über „die herlofe und müßige 
gartenden Knete”, von denen die armen Unterthanen vielfach über- 
fallen werden. Diefer Ubeljtand, von dem auch auf den Landtagen unter 
Kurfürſt Ernjt oft die Nede ift, war eine Folge der Sriegszeiten, indem 
Marodeurs von feindlichen Truppen oder folche, die aus dem einheimifchen 
Kriegsdienjte entlaffen waren, das Land durchjtreiften und die öffentliche 


Landtag von 1612. K. v. Fürjtenberg, Landdroſt. 329 


Sicherheit jtörten. Ferdinand will feinen Amtleuten und Richtern öffentliche 
Edikta zugehen laſſen, damit fie auf die Herumjtreifenden ein wachſames Auge 
haben und fie aus dem Lande entfernen. 

14. Weiter bringen die Städte Klage dor, „daß durch die bielfeltige 
Wein und Bierheufer uff den Dörfferen den Bürgern in den Stetten 
die Nharung entzogen werde, darumen fich auch allerhbandt unnützes gejindt- 
fein ufhalten folle, welches die jtraßen unfärlich mache”. Hiergegen verlangen 
die Adeligen, daß „die in den Dörfern bei ihren commerciis und gewerben, 
wie alters gebräuchlich, mögen gelaffen werden“. Der Kurfürft will nach) der 
Polizeiordnung verfahren wiſſen. 

15. Die Städte klagen ferner „über Unrichtigfeit in der Müntzord— 
nung“, worauf der Kurfürft erwidert, daß bei genauer Beobachtung des ge- 
mäß der Neduktionsordnung erlaffenen Münzplafats feines Vorgängers, das 
auch im Herzogtum Wejtfalen publiciert fei, alles von felbjt im Richtigkeit 
fommen werde; gleichwohl wolle er mit den benachbarten Ländern weiter 
unterhandlen, um eine „durchgehende gleichheit” bei denfelben zu erlangen. 


1613. 

Der Kurfürft, der, wie S. 327 bemerkt, bereit3 im Vorjahre Kajpar 
von Fürftenberg zur „Abminiftration des Regiments (der Regierung)“ 
nad) Arnsberg berufen hatte, fragte in diefem Jahre bei dem alternden 
und kränkelnden Rate an, ob er geneigt jei, die Landdroftenftelle 
anzunehmen. Fürftenberg willigte troß mander Bedenken ein. Der 
Kurfürft wies ihm „unfere Großbedifhe Wohnung“ mit fant 
dem dazu gehörigen Garten zu Arnsberg zur Wohnung an und jette 
ihm bei freiem Holzgebrauche 600 kölniſche Thaler Gehalt aus; jpäter, 
ihon im September, erhöhte er feine Bezüge, indem er ihm eine Wieſe, 
die Heine „Mufcheit, negft under Arnsperg gelegen" in Nutznießung 
gab und feinen Hühnervogt beauftragte, ihm jährlih 300 Hühner zu 
liefern, den Fiichmeifter, ihm an allen „Fiſchtägen“ 4 Pfund allerhand 
grüne Fiſche ausfolgen zu laſſen, wie der Zeit und der Fang geben 
würden. Aud an „Wild und Rehen“ follte ihm durd) den Weftfälifchen 
Fägermeifter nach Gelegenheit etwas ausgefolgt werden.!) — Fürſten— 
berg Hat feines Amtes fünf Jahre lang gewaltet.?) 

1614. 

Joh. Gottfried Fürftenberg, der anfangs Juni feinen Vater in 
Arnsberg befuchte, bemerkte 5. Juni: „Ehe heuthe zum Mittag bei dem 
Herrn Abt zu Wedinghaufen (Reihmann, der 1613 gewählt war), da— 
jelbften mein Vatter und andere mit zugegen und fröhlich waren." — 





1) Urkk. b. Pieler ©. 361 und 364. 
2) Durch ein Berſehen ijt fein Name nicht in die S. 211 aufgeführte 
Lite der Zanddroften gekommen. 


330 Kurkölnische Zeit. Regierung Ferdinands. 


17. Oct.: „Belomm heuth die bedrübte Zeitung, wie nemlih Arns- 
berg zum halben theil beneben meines Vaters Losiment ver- 
bronnen und großer jchadt bejchehen ſei.“ Diefe Notiz wird von 
Stangefol und dem Klofterhroniften!) beftätigt. Diejer fügt hinzu, daß 
der Kurfürft Ferdinand hoch zu Roß Anweijungen erteilt und bie 
Feuerwehr angejpornt habe. Die Yehnsakten beftätigen, daß Ferdinand 
damals in Arnsberg Hof hielt. (Urff. vom 19., 20. Auguft, 2., 15., 
23. Olt. 4. Nov., wo er eine Religionsordnung für das Erzftift Köln 
erließ, und vom 13. Nov.) Durd den Brand wurde aud) Fürftenbergs 
Haus zerftört. Die Abgebrannten wurden von der Stadt zweimal gejpeift, 
wobei an Brot und Bier für 48 ©. 6 Sc. aufgingen. Auch wurde 
der Stadtochſe gejchladhtet und das Fleiſch unter fie verteilt. — — Im 
Jahre 1618 fchenkten die Städte Werl und Volfmarfen der abgebrannten 
Altftadt 78 bezw. 100 Gulden, die diefe zum Bau einer „Fontaine“ 
verwandte. Diejelbe wurde für den Preis von 680 Gulden von Meiſter 
Berlich ausgeführt. 
1615. 

„An dem nämlichen Tage wie 1570 (den 3. Dezember) war cine 
jolde Überfhwemmung der Nuhr, daß man fie mit jener voll- 
kommen vergliche." (Hüſer, Ehronif, ©. 55.) Nach Staugefol war 
1615 ein langer harter Winter, auf den ein dbürrer, heißer Sommer 
mit Futternot folgte. Von DOftern bis Nicolai hatte die Nuhr einen 
überaus niedrigen Wafferftand. 

1618, 
Fürftenbergs Tod.?) 

Der alte Yanddroft war bereit8 im Jahre 1615 um feine Ent: 
lafjung eingefommen. Diefe wurde ihm 1618 endlid zu teil. An 
feine Stelle trat Wilhelm von Bayern, der natürliche Sohn des 
Kurfürften Ernft (S. 252 f.). Fürftenberg gelangte nicht mehr zum 
Genuſſe feines Ruheftandes, den er auf Schnellenberg verbringen wollte. 
Er ftarb in Arnsberg am 5. März 1618 und wurde in der Klofter- 
fire zu Wedinghaufen beigejegt. Über dem Grabe ift von feinem 
Sohne Friedrid) ein Altar errichtet. Er ift das Werk des Bildhaners 
Heinrih Gruninger von Paderborn und befteht aus ſchwarzem Mar- 
mor und Alabafter. Die Bilder find nicht ohne Kunftwert. Beſonders 
ſchön ift das große Kruzifie auf der Höhe des Altares. Unter dem: 
jelben zur Seite ficht man das Bild Kafpars in ritterliher Rüftung, 


+) Hüfer erwähnt diefen Brand nicht. 
2) Bieler, ©. 323. 


Brand von 1614. Fürſtenbergs Tod und Grabdentmal. 331 


fnieend, mit gefaltenen Händen. Es zeigt offenbar Portraitähnlichkeit 
und hat die Unterjchrift Archisatrapa (Landdroſt). Die Inſchriften 
auf den Tafeln zur Seite des Altartifches lauten fo: 


Casparo a Fürstenberg 
Viro praenobili ac strenuo 


Qui anno aetat: XXI. Licentiam J. U. adeptus et excultus 
doctrinae prudentiaeque artib: Praefecturis amplissimis regendis, 
dando consilio Princippp Mogunt : Colon: Paderbor: difficillimis 
Legationibus obeundis, incredibili fide, labore, integritate, con- 
stantia, calamitosis Reip: temporibus, Religioni Catholicae, 

Imperio Romano, Patriae servivit 

Friderieus a Fürstenberg 

Parenti opt: merito posuit. 


Vixit annos LXXII. mens. IV. dies II. Gessit satrapiam in 
Bilstein Waldenburg et Fredeburg annos XLIX, Archisatrapa 
Westphaliae in Arnsperg fuit annos V. omnibus imp: Conventi- 
bus, qui annis XL. habiti, interfuit vel legatus, vel in consilii 
primoribus, obiit anno salutis MDCXVIII. III. Non. Mart. relicto 
ob bene promerita ingenti patriae luctu. 
Cuius anima requiescat in pace, Amen. 


(Dem edlen und tapfern Kaſpar von Fürftenberg, der im 21ten 
Lebensjahre Lizentiat beider Rechte — J. U. —= Juris utriusque — 
wurde und in den Wiffenfchaften ausgebildet, in der Verwaltung großer 
Amtsbezirke, als Ratgeber der Fürften von Mainz, Köln und Pader- 
born, als Träger der jchwierigften Gejandtfhaften, mit unglaublicher 
Treue, Arbeitfamfeit und Standhaftigfeit in den unheilvollften Zeiten 
de8 Staates der fatholifchen Religion, dem römischen Reiche, dem 
Baterlande gedient hat, feinem guten, verdienten Vater, hat Friedrich 
von Fürftenberg die Denkmal geſetzt. Er hat gelebt 72 Jahre, 
4 Monate und 2 Tage; hat die Drofteien Bilftein, Waldenburg und 
Fredeburg 49 Jahre verjehen; war 5 Jahre Landdroft von Weftfalen 
in Arnsberg; nahm 40 Jahre hindurd an alfen Reichsverfammlungen 
teil, jei e8 als Gefandter, fei es al8 vornehmfter Ratsherr. Er ftarb 
i. J. des Heiles 1618 am 5. März; dem Vaterlande feiner hohen Ver— 
dienfte wegen zur großen Trauer. Seine Seele ruhe in Frieden. Amen.) 

AS bei einer Reparatur der Kirche im Jahre 1864 der Chor 
abgetragen wurde, wurde das Grab Kafpars, wie aud das feines 
Sohnes Friedrid, berührt. Die Gebeine wurden an derfelben Stelle von 


332 Kurkölnifche Zeit. Regierung Ferdinands. 


neuem tiefer beerdigt. Zum Andenken ift eine Tafel von weißem 
Marmor am Fuße des Altares eingefett mit der Inſchrift: 


L. 2,3 
Caspari de Fürstenberg 
denuo huc reconditi 
in renovatione ecclesiae 


1864 
Egon comes de Fürstenberg.') 
(Zum frommen Andenten — I. P. M. = in piam memoriam — 


an Kajpar v. %., der bei der Erneuerung ber Kirche hier von neuem 
beigejegt ift, 1864. Egon Grafvon Fürftenberg.) 


Der dreißigjährige Krieg (1618—1648). 


Es braucht hier nicht ausgeführt zu werden, welches Unheil diejer 
Krieg über ganz Deutſchland und nicht zum wenigften aud über Weft- 
falen gebradjt hat. Auch Arnsberg Hat ſchwer unter der Geißel diejes 
ſchrecklichſten aller Kriege gelitten, zumal zu gleicher Zeit mit ihm viel 
andere Ungemad, 3. B. Peſt, Überſchwemmungen zc., fi einftellte. 
Dod während andere Städte, wie Soeft, Paderborn, Werl, Marsberg, 
Warftein, Brilon, Rüthen Eroberungen, Zerftörungen, Plünderungen 
preisgegeben waren, ift Arnsberg, dem auch mehrmals nahes Verderben 
drohte, dod vom Schlimmften verfchont geblieben. Wie viel die Stadt 
auch hat leiden müffen durch Einquartierungen, Schakungen zc. ꝛc., jo 
dürfte es doc nicht viele Orte in Weftfalen geben, die nad) dem ver- 
derblihen Kriege auf verhältnismäßig jo geringen Schaden zurüdjahen. 
Während 3. B. Soefts Einwohnerzahl von annähernd 14000 zu An- 
fang des Krieges auf 3000 zurüdging, fann man in Arnsberg zwar 
in diefer Hinficht auch einen erheblichen Rückgang während des Krieges 
nachweijen, aber doch feinen auch nur annähernd ähnlichen. 


Das Herzogtum überhaupt ift während des Krieges befonders zu 
drei Malen von feindlichen Truppen heimgeſucht worden, zuerft durch 
den Adminiftrator des jährlarifierten Stiftes Halberftadt, Herzog Ehri- 
ftian „den Tollen“ von Braunſchweig (1621—1623); ſodann nad) der 
Schlacht bei Lügen (1632) dur die Schweden und die mit ihnen ver- 
bündeten Heffen (Angriff Bedermanns auf Arnsberg); endlich durch den 
Ihwedischen General Wrangel (1416). Wir geben nunmehr die Ereigniffe, 


) Pieler „Kafpar von Fürjtenberg”, S. 324. 


Der dreißigjährige Krieg. 1619—1621. 333 


welche Arnsberg durch den Krieg und während desjelben betroffen haben, 
in anmaliftiicher Folge.?) 
1619 (9. v. Eifingh)*) 

„war eine ungehenere Flut, durch welche die vor dem hiefigen Mühlen- 
thore über die Nuhr belegene ſteinerne Brücke gänzlich zerftört umd 
eine gewiffe, von dem adelichen "Haufe Wodlum hierher gefommene 
Witwe von Landsberg bei ihrer Überfahrt mit allen bei fich gehabten 
Leuten und Pferden von den wütenden Wellen verjchlungen wurde. 
Noch in demfelben Jahre wurde eine neue hölzerne Brücke, die Jäder— 
brüde (wohl Jägerbrücke) genannt, oberhalb der zerftörten erbaut, die 
wir im ihrer Art noch heutigen Tages erbliden." (Hüfer, Chr. ©. 55.) 

Die Kahresrehnung erwähnt befondere Schatzungen. Es 
iheint, daß die Regierung gleich beim Beginn des Krieges allen Ge- 
meinden eine jährlich zu zahlende Kriegsfteuer auferlegt hat zur Unter- 
haltung der liguiſtiſchen Heere. Dieſe hieß die „ordinari", d. i. regel- 
mäßige Schagung, zu der oft ertraordinäre hinzufamen. Eine andere 
Art von Leiftungen find die Kontributionen, beftimmte Abgaben an 
Vieh, Getreide zc., die von Truppenführern erhoben wurden. „Vom 
Rittmeifter bis zum Korporal hatte jeder jeine bejonder8 angewiejene 
Kontribution” (Seiberg). Oft mußte ein Ort zugleich Schagungen und 
Kontributionen zugleich an kaiſerliche und an feindliche Heerführer leiften.”) 

Übrigens war im Jahre 1619 und aud im folgenden der Him- 
mel nod recht heiter. Als der Rektor der Arnsberger Schule mit 
feinen „Diszipeln"” die übliche „Comoedia* aufgeführt hatte, verblieben 
der Landdroft und jein Schwager mit ihren Frauen, der Abt von 
Wedinghaufen, der Oberfellner und der Bürgermeifter H. v. Ejjingh 
mit ihren Frauen auf der Ratsjtube und vertranfen für 29 Gulden 
Wein. Die Stadtrehnung jchloß mit einem Defizit von 79 Gulden. 

1621 (9. v. Eſſen). 

Der Wachtmeifter hält Mufterung. (Leider ift uns feine Rolle 
erhalten.) Die Stadt jchenft ihm ein neues „Kleid“, das 10 Rthlr. 
(— 52 Gulden) foftet. Im Vorjahre hat die Stadt 1634 Gulden 


) Hauptquelle: Die Stadtre[hnungen (5. 283 Anm.) einige Schatungs- 
(iften u. a. Die fehr umfangreichen Annales Ferdinandei von Khevenhiller 
und das ebenfo fompendiöfe Theatrum Europeum hat Herr Oberlehrer Dr. 
Zurbonfen in Münfter durchgefehen, aber ohne Ergebnis. Einzelne Angaben 
enthält Seibertz: Drangjale des 30jährigen Krieges in Wejtfalen (Weſtf. Ge- 
ſchichtsquellen I, II, III: Schickſale von Marsberg, Arnsberg, Soeft, Rüthen, 
Werl, Medebad) 2c.); ferner Brunabend: Geſch. Attendorns, ©. 134 ff. 

2) Name des regierenden Bürgermeifterd. (So auch im folgenden.) 

⸗) Die Ausdrüde wechjeln oft, und überhaupt ift die Sache nicht recht klar. 


334 Kurkötnifche Zeit. Der dreifigjährige Krieg. 


am Weine eingenommen, in diefem fommt nur bie Hälfte (846 ©.) ein. 

Das ftädtifche Defizit beträgt 391 ©. (1552 U. gegen 1161 €.) Die 

jungen Schüten laffen fi) das Vogelſchießen nicht verdrießen. — Es 

herrſcht Hundswut, in Arnsberg werben vier tolle Hunde erjchoffen. 
1622 (Prange). 

Die Vorboten des Krieges zeigen ſich. Der „tolle Chriftian“ 
droht von der Ebene her. Die Stadt erhält Bejatung von „Marſchalk 
Hofeling“. Bald jchon „jollicitiert“ fie „umb Erlinderung der guar- 
nison“, indem fie dem GSecretario des Marſchalls ein Douceur von 
1’, Rthlr. giebt. Das Geld ift rar. Kämmerer Bömer ftredt 100 
Rthlr. — 520 G., Adam von NRedlinghaufen 100 Thaler — 260 ©. 
vor. „Wegen des Kriegswejens" kann der Schott nicht eingeforbert, 
die erfte „Jung“ (Rechnung) nicht abgehalten werden. Zur Aufbefferung 
der Stadtmauer am „gronen Zorn, bey der Linnepes pfortten, vorth 
(ferner) zur Brüggen, Schlahbaum, ftrihwehr und anderen Zufellen 
des Kriegsweſens“ werden 800 Gulden verausgabt. Summa der Aus- 
gaben 2605 G., Defizit 650 ©. (abgejehen von den Schulden). 

Im Sommer langte Kurfürjt Ferdinand in Arnsberg an und 
hielt hier im Auguft einen Landtag ab, auf weldhem fi die Stände 
bereit erflärten, fi) mit den Nachbarlanden!) zur gegenfeitiger Verteidigung 
zu verbünden. Am 16. Auguft jchrieb der Kurfürft von Arnsberg aus 
jeinen Näten in den drei Landichaften Veit, Münfter und Paderborn, e8 
joliten fi ihre Deputierten in Beckum am 28. Aug. einfinden. Drin- 
gende Gejchäfte hielten ihn von perfönlihem Erjcheinen ab. Bevor er 
zum Rheine abreifte, ermahnte er alle Droften, Bürgermeifter ꝛc. den 
ihnen zugewiejenen Stiftsfoldaten Quartier zu jchaffen und ihnen das 
gewöhnliche Servis zu liefern; den Offizieren dagegen fchärfte er ein, 
jolde Disziplin zu halten, daß die Bürgerfchaften nicht bejchwert wür- 
den. Gejchrieben Arnsberg, 23. und 24. Aug. 1622.°) 

Auf dem Konvente zu Bedum wurde zwar ein gemeinjames 
„Defenſionswerk“ vereinbart, aber nur um die eigene Truppenzahl zu 
vermindern und fi) vor Einquartierungen zu ſchützen, jo daß Ferdinand 
jehr enttäufcht war. Aber nicht einmal die bejchlofjfenen Maßregeln wur- 
den bei dem Mangel des Intereſſes für die Gemeinjamfeit durchgeführt. 
Die Regierung zu Arnsberg fmüpfte ihren Verjprehungen ent« 
gegen „gleih im Anfang der Konjunktion“ ohne Vorwiſſen der benach— 
barten Stifter zur Vertretung der Sonderintereffen des Herzogtumes 


ı) Ferdinand war auch Bifhof von Miünfter und Paderborn. 
2) Wesfamp, Heer der Liga in Wejtfalen, ©. 68 f. 


1622 —1633, 335 


mit dem Faijerlihen Generalwadhtmeifter Grafen von Anholt Unter: 
handlungen an, als diefer feine Truppen heranführte. Deſſen Schup- 
truppen waren in der That für das Land eine wahre Plage. Die 
Untertanen wurden „gänzlich an den Betteljtab gebradjt und von Haus 
und Hof vertrieben”. Im Dezember rüdten die Neiterregimenter des 
Obriften Lindeloh und de Fours ind Herzogtum Weftfalen ein, zwölf 
Kompagnien mit rund 2100 Pferden. De Fours forderte für ſich und 
jeine Yeute 65, für feinen Lieutenant 25 Rthlr. wöchentlich. Die 
Unartiere ließ er durd einen eigenen Ouartiermeifter zur höchſten Be- 
ſchwerde der Unterthanen nehmen. Für ſich jelbjt verlangte er Unter- 
funft im der fürftlihen Nefidenz zu Arnsberg. Die Räte in Arns— 
berg trafen einen Vergleich mit ihm; u. a. wurde feftgejegt, die Pferde 
der Kompagnien jollten das gleiche Futter erhalten, wie es in Arns- 
berg für des Kurfürften Leibroſſe angejegt war. Die monat: 
lichen Unkoſten beliefen fid) auf 25564 Rthlr.!, ungerechnet die Aus- 
gaben für die Unterhaltung der Dfficiere, der Weiber und Jungen. 
Kurfürft Ferdinand fand diefen Vergleich unbillig und erorbitant, da er 
jeine Unterthanen, ftatt fie zu retten, „total zu Grunde richte". Er 
ließ durd feinen Bruder Marimilian die Mifftände abjchaffen und 
de Fours zur Verantwortung ziehen. 

Über de Fours findet fi) in den Stadtpapieren nur die Notiz, daß 
die Stadt bei feiner Ankunft eine Anleihe von 60 Rthlrn. bei der 
Landſchaft gemacht habe. 

1623 (Prange) 


dauerten die Zuſtände vom Vorjahre fort. Die Ankunft des Land— 
droſten, der eine Reiſe nad) Italien und „Hiſpanien“ gemacht hatte, 
wurde feſtlich gefeier. Die Stadt hatte Kontributionen nach Rüthen 
zu liefern an den Generalwachtmeiſter Thyman von Lindeloh und den 
Rittmeiſter Blankfharg!), und zwar wurden am 19. März 74 Rthlr. 
22 Sd. entridtet (1 Rthlr. = 52 Sch.), am 23. April 13 Rthlr. 
11 Sch. :c., in Summa 125 Rthlr. 17 Sch. Außerdem zahlte der 
Bürgermeifter Prange eine erheblihe Sunıme, um die „angedreuete Ein- 
lagerung der Reuter” zu verhüten. Einguartierung von Neiterei war 
wegen der Unterhaltung der Pferde bejonders gefürdte. Das Fuder 
Heu foftete damals zwei Rthlr. Das Defizit diefes Jahres betrug 
897, ©. (1284, E., 2182 9.), wobei immer zu berüdjichtigen 


) Er hatte außer Offizieren, Korporalen zc. bei fich 114 Reiter und 
Sinechte, 68 Weiber und Jungen. Es wurden immer ganze Familien ein- 
auartiert! (Seid. Quellen I, S. 249 Anm.) 


336 Kurkölniſche Zeit. Innere Gefchichte der Stadt. 


ist, daß die Schagungen und Kontributionen gewöhnlid unmittelbar 
von den einzelnen Bürgern erhoben wurden und aljo im Stadthaushalte 
feine Rolle fpielen. Der tolle Ehriftian wurde in diefem Jahre bei 
Stadtlohn im Miünfterlande von Tilly geichlagen, jo daß Weftfalen vor- 
läufig von Feinden befreit war. 
1624 (Schuber), 

Es werden „1’, Schatungen” erhoben; nad) Rüthen werden 
293 ©., außerdem Hafer u. a. geliefert. Defizit 33 ©. (U. 2933 ©.) 
Am 22. Februar wurde Friedrid von Fürftenberg, Drofte im 
Bilftein und Waldenburg, zum Landdroften ernannt. Sein Vor— 
gänger, Wilhelm von Bayern, zog nad Italien. Derjelbe hatte noch 
im Jahre vorher einen Vergleich zwijchen der Stadt Arnsberg umd dem 
Klofter Wedinghaufen geftiftet. Fürftenberg, ein Sohn Kafpars von 
Fürſtenberg, blieb bi8 1646 im Amte. 


1625 (9. v. Efien). 


Die Stadt war mit Zahlung von Schatungsgeldern im Rüd- 
jtande geblieben. Sie bezahlte jetzt die „ganze ausgejchriebene ſechstehalb 
Lichtmeſſerſche“ Schagung pro 1623—1625. Am 20. September war 
eine „Volkmarſche Kontribution” auf fünf Monate zu leiften. Die 
Mauern der Altftadt „vom Schloß hinterm Handftein bi8 an Symon 
Prangen Hauß, folgen an der Borgpforten, bei den Lenneps Pforten, 
am Oler Zorn” mußten ausgebejjert werden, auch der „Peiler an der 
Klofterbruggen“. An Arbeitsfohn wurden dafür gezahlt von Mai bis 
Auguft 232 ©., an Fuhrlohn und für Koft 127 ©. Ferner war eine 
Neftauration des „Kerkipells-Thurmes" zu Wedinghaufen nötig. Kurf. 
Durchlaucht gab dazu 50 Fuhren Schieferftein und einen Kalfofen, die 
Deputierten der Landſchaft 50 gemeine Thaler, der Abt Reichmann dem 
Leyendeder die Koft, der Propft von Rumbe den Lohn, der Hofkaplan 
Rotarius'), Dr. Schuber, Richter H. v. Effen, der Herr Oberfeliner 
ie 20 Thlr., Dr. Schultheiß 10 Thlr. ꝛc. Im ganzen famen 602 ge— 
meine Thaler zufammen. Der Schaden an der Klofterbrüde war durch 
ein „großes Waſſer“ entjtanden. Auf Not der Einwohner weift der 
Umftand hin, daß unter die Armen „Wandt und Scho“ (Gewand und 
Schuhe) ausgeteilt wurden. Doch fließt die Jahresrehnung mit einem 
Überfhuß von 88 G. (3221 €., 3133 4.) 

ALS der Bürgermeifter v. Effen im Dftober wiedergewählt wurde, 
war er der „eingeriffenen Peſt wegen vor der Efleftion nad) Alfen- 


4) Bon ihm erbte das Klofter eine „wertvolle“ Bibliothek (Klchr.) und 
einiges Geld. Auch die Stadt wurde in feinem Tejtamente bedacht. 





1625— 1628. 337 


dorf verwichen”. Er wurde in Sundern von den dazu bejtimmten 
Abgeordneten vereidigt. Nach dem Klofterchroniften raffte die Seuche 
in diejem Jahre 90 Menſchen dahin. 

1626 (9. vd. Eſſen). 

Die Stadt gab zum Wiederaufbau der Klofterbrüde noch 80 G., 
für einen „Zorn oder Rundeil auf der Stadtmauer hinter des Brüdhten- 
meifter8 Behaufung” 173 ©., für beide Schladten und Erbauung eines 
Wachthauſes 88 G.; zur Auferbauung der Klofterpforten wurden 52 ©. 
für Bretterfchneider ausgegeben. — Nad) Rüthen war „eine halbe 
außergewöhnliche Haferihagung” zu liefern. — Der ganze NRumbeder 
Konvent floh in diefem Jahre vor den Kriegshorden auf das Arnsberger 
Schloß, wo zwei Nonnen eingefleidet wurden, darunter eine Arnsbergerin, 
Ursula Schuber. Die Sage deutet nad diejer Flucht den Namen 
„Nonnenkuhle“. Die Klofterjungfern jeien vor den Sriegsleuten in 
diefe einſame Schlucht geflohen, wo nod heute im Säujeln de8 Windes 
zuweilen ihr Geſang vernehmbar jei. 

Die Stadtrehnung jchließt mit einem Mehr von 355 Gulden. 
(2209 Einnahme, 1853 Ausgabe.) 

1627 (9. v. Eſſen). 

Im März wurde eine „ordinäre und ertraordinäre fünftehalb 
Schatzung neben fünf Monaten Volkmarſcher Kontribution“ ausgejchrieben, 
außerdem im April eine ganze exrtraordinäre Scakung Die Stadt 
hatte mancherlei Ausgaben: die Sägeſchneider erhielten für die Bretter zc. 
zur Slofterpforte 97 G., der Xeyendeder 20 G., der Schiefer dazu 
foftete ebenfoviel; die Reparatur des Waſſerhauſes foftete 205 G., die 
Auferbauung einer neuen fteinernen Schlacht nebjt Reparatur der 
Waſſerkunſt 226 Guld.; Bender, der die Kunft im Wafjerhaufe aus- 
einandergenommen und wieder zufammengejegt hatte, erhielt 10 Guld.; 
für die Schlacht an der Klofterbrüde wurden 140 ©., für die Older- 
brüde 180 ©. ausgegeben. Ein Hagel zertrümmerte die Fenfter des 
Rathauſes, der Schule und der Kirche; die Ausbefferung Foftete 120 ©.; 
ein Schloß an der Klofterbrüde koſtete 4 Sch, die Reparatur des 
„Wachthorns“ 1.2 Sch. — Die Einnahme betrug 2549 ©., die faft 
ganz aus dem Weinverfaufe herrührte; ein Beweis, daß damals in 
Arnsberg tapfer gezecht wurde; die Ausgabe 2560 ©. Nah Hilfer 
war ein fo ftrenger und anhaltender Winter, daß alles Vieh Frepierte. 

1628 (oh. Höynd). 

Das Deden der Klofterpforte koſtete noch 130 G. Für Waffer- 
haus, Brüdten, Schlachten und Thore wurden wieder 450 ©. auf- 
gewendet. Die Zeiten waren dem Anfcheine nad) nicht ſonderlich trüb: die 

Fsaur, Geſchichte Arnsbergs. 22 


338 Kurkölnifche Zeit. Der dreigigjährige Krieg. 


jungen Schüten ſchoſſen den Vogel ab, der Rektor „agierte eine 

Comoedie”; der Aufgang der Schweine wurde mit einem Gelage ge- 

feiert; Oberkellner Düder feierte „Hausbörung”, der Landdroft Kind- 

tanfe ꝛc. Die Einnahme betrug 2792 G., die Ausgabe 2511 ©. 
1629 (J. Höynd). 

Das Jahr verlief ohne bemerkenswerte Vorkommniſſe. Aus der 
Stadtrehnung jeien notiert: 13 Guld. für einen neuen Ofen auf der 
Natsjtube; 150 ©. für ein neues Wafferrad im Wafferhaufe; 2 ©. 
6 Sch. den Jägern, „jo zwei Wulfe gefangen” (faft jährlid) wird der 
Fang eines Wolfes erwähnt); eine halbe Tonne Bier den jungen 
Schützen, als fie den Vogel abgejchoffen. — Einnahme 2515 G., Aus- 
gabe 2298 ©. — Im Herbfte nahm der Kurfürft Aufenthalt in Arns- 
berg; es war fein letter Bejuc während des Krieges. 

1630 (Eb. Prange). 

Die Zeiten werden wieder unruhiger. Die Stadt befommt nene 
Befagung. Die Bürger werden mit Wachen beſchwert. Nah Menden 
muß Kontribution geliefert werden. Beratungen wegen „Inquiſitionen“ 
und die Ernenerung des „Halsbandes“ auf dem Marfte weifen auf 
Herenverfolgung hin. Für die Schlachten werden 108 ©. verausgabt. 
Einnahme 3555 G., Ausgabe 2978; aber die Schulden find noch nicht 
bezahlt. 

1631 (Brange) 
war ein Peftjahr. Die Hoftien („Dftien“) wurden für die Kapelfe 
aus Soeft geholt. Es wurden Gottesdienfte zur Abwehr der Seuche 
abgehalten. Der Klofterchronift notiert: „1631 graffierte hier die Peſt 
von Juli bis in den Februar 1632. Einige Vornehme aus der Stadt 
zogen fic in umfer Klofter zurüd und übten fi hinter unjerm Baum- 
hofe im Scheibenſchießen. Einer von ihnen wurde befallen, fagte den 
übrigen Lebewohl, ging davon und ftarb. Bon den Brüdern blieb nur 
der Laie Anton hier, von den BPrieftern nur der Baftor Norbertus 
Graes. Alle übrigen verliefen das Klofter und zerftreuten fich, einige 
nad) Rumbed, andere nad) Mosfelde (bei Neheim). F. Michael Rein- 
harz (jpäter Abt von Wedinghaujen), damals nod jung, merkte, als er 
miniftrierte, die Peſtbeule nicht, die er oben auf der Hand hatte. Er 
ging mit dem Prior A. Bering nad) Mosfelde, jchlief bei ihm und 
ftedte ihn an. Als fie nad) Werl gingen, erfranfte diefer, wurde auf 
einem Karren hierher gebracht und ftarb nad) 28 Stunden. An dem- 
jelben Tage ftarb im Sommerhaufe (auf dem Klofterberg) oh. Leer- 
mann, der jchon 1619 Eupprior war. F. Paulus Weftermeyer ftarb 
an der Peſt am 8. September. Eine treue Magd fagte: „Ich will 


1629— 1633. 339 


hier aushalten,” wurde aber ergriffen und tot in einer Hütte gefunden. 
Es ftarben ungefähr 55.” 

Die Stadt jchaffte 110 Brandeimer fürs Rathaus, weitere 56 zur 
Berteilung an die Bürger für annähernd 700 Gulden an. Schon nad) 
zwei Jahren verkaufte jie die Hälfte davon an die Stadt Werl! Ein- 
nahme 3469 ©., Ausgabe 3070 ©. 


1632 (Tulmann). 
Die Pet dauert an. Die Schweden und Heffen find in Sidt. 
Dan rüftet zum Sriege. Auf das Nathaus werden 91 Pfd. Büchſen— 
pulver gefauft. Der Obrift Weſtvalen, Landdroft von Paderborn, 
rüdt, von Nüthen fommend mit feinem Stabe in Arnsberg ein umd 
nimmt dajelbft Quartier. Die Streben an den Stadtmauern werden 
für 334 ©. erneuert. An den Brüden werden Schranken angelegt. 
Bon „Hopmann“ Gaugreve wird auf dem Nathaufe bei einem Glaſe 
Wein Abjchied genommen. Am 26. November wurden 71 Soldaten 
von Hauptmann Wech manß Kompagnie hier „einlogirt”, „deren etliche 
nicht länger als vier Tage verblieben, und haben nachfolgende 71 Bürger, 
welche die Soldaten gehabt, ein jeder von der Stadt 4 Pfund Rind— 
fleiich gehabt”. (Die Namen werden aufgezählt.) Auf „Befehl der Näte 
und des Oberkellners wurden für die Kriegsoberſten und Herren etliche 
Weine ausgefolgt, jo ſich belaufen auf 219 Rthlr. 1 Sc. 9 pf. = 1138 
G. 9 Sch.“! Bürgermeifter Tulmann ftarb während jeines Amtsjahres, 

Einnahme 3825 ©., Ausgabe 2400 Gulden. 


1633 (Prange). 

Diejes Jahr verlief noch unruhiger, als das verfloffene. „Den 
27. Januarii ift der Her Obrift Wachtmeifter Manderfloh mitt 
acht Kutjchen und Begafiwagen, jo mit folder zimblid) woll beladen ge- 
wegen, alhir ahngelangt, und auf Befehll der Hern Nethe die Bürger 
biß auf den 29. Februarii mitt Koft und Bier wie aud) mit Hawer 
und Hew underhalten.“ Der Obrift-Wachtmeifter wurde beim Land» 
ihreiber Ghimmar Monheim einguartiert, bei Hennefen Graeß ein 
Hauptmann mit elf Leuten und acht Pferden, bei Eflind der „Fenrich 
Boy” mit acht Perjonen und vier Pferden, bei B. Leoniß der Haupt: 
mann Enje, der für 30 Rthlr. 36 Sch. verzehrte; in Mickes Haus lag 
die Hauptwade, die an Bier und Brot 3 Athlr. 40 Sc. verbraudite, 
Es war üblich, die Offiziere nicht bloß mit Wein ordentlich zu traf- 
tieren, jondern ihnen zu Ehren auch fejtlihe Gelage zu veranftalten, 
Andere Einquartierungen erfolgten am 18. Juli (Hauptmann Gogreben, 
auf 21 Zage), auf den 5. und 6. Auguft, am 12. September (Artillerie). 


2 IK 


340 Kurkölniſche Zeit. Der dreißigjährige Krieg. 


Am 12. Mai diefes Jahres jchrieb der Landdroft Friedrich von 
Fürftenberg auf Befehl des in Köln weilenden Kurfürften einen weit 
fälifhen Landtag aus. Eingang und Schluß des Einladungsſchreibens 
lauten: Liebe Getrewe, demnah die Lands-kündige Kriegs-Ge— 
fahr unjer Weftphälifcher Nitterichaft mehr und mehr zunahet ... 
So haben wir eine Nothdurfft erachtet unſere Weftphälifhen Land— 
Stände zu verjchreiben ꝛc. 


Der Held des Tages im Sauerlande war um dieſe Zeit der 
faiferliche General-Major von Bönninghaufjen, der mehrere fühne 
Unternehmungen gegen die ſchwediſch-heſſiſchen Truppen unternahm.) 
Im Oktober führte er in früher Morgenſtunde einen Üüberfall auf 
ſchwediſche Dragoner aus, deren er mehrere teils niedermachte, teils ge— 
fangen nahm. Dieſe Scharte ſuchte Landgraf Wilhelm von 
Heſſen durch ein Gegenunternehmen auf Werl und Neheim auszu— 
wetzen. Er überrumpelte dieſe Städte in der Nacht. Bönninghauſen 
zog ſich mit ſeinen Truppen ſchleunigſt zurück. Der Abenteurer hat 
auf den Streifzügen in dieſem Jahre auch Arnsberg zweimal berührt. 
Auf ſeinem erſten Beſuche vertrank er mit ſeinem Stabe für 1457 
Gulden (!) Wein aus dem Stadtkeller, auf dem zweiten, am 9. Sep- 
tember, für 119 Gulden 9 Scdilling. 


Bei der eben erwähnten Eroberung Werls hatte der Schlof- 
fommandant von Breitenftein die ganze Bejatung ins Schloß gezogen 
und diejes hartnädig verteidigt. Nad einer mehrwöchigen Belagerung 
fapitulierte er umd erhielt freien Abzug nad) Arnsberg mit Waffen, 
Trommelſchlag und fliegender Yahne.?) — In Arnsberg nahm Haupts 
mann Wegmann mit feiner Compagnie ftändiges Quartier. 


Die Stadt hatte bedeutende Einnahmen und Ausgaben. Erftere 
beliefen fid) auf 7086 ©., wovon 4814 ©. aus dem Weinverfaufe, 
316 aus verfauften Ledereimern; lettere auf 6384 Gulden. Außerdem 
hatte der Bürgermeifter 602 Gulden aus feinen Mitteln zum Beften 
der Stadt vorgelegt, indem er bald einem Quartiermeiſter, bald einem 
Hofmeifter, bald einem Adjutanten Fleinere Geldgefchenfe machte, um 
für die hartbedrüdten Bürger Vorteile zu gewinnen. Die Stadt ftellte 
für ihre außergewöhnlichen Leiftungen der Landſchaft eine Rechnung von 
2888 ©. aus. 





1) Brumabend, Attendorn S. 136. Brandis, Geſchichte der Stadt 
Rüden, in Seiberg Quellen I, ©. 94. 


2) Mehler, Geſchichte Werls, ©. 389, 


1633. Einmohnerlijte. 341 


Aus den Jahren 1631 und 1633 Liegen Perfonal-Schatungsliften 
vor, die als älteste vollftändige Einwohnerliften (e3 fehlen 
nur die minderjährigen Kinder, die von der Schakung befreit waren) 
von großem Intereſſe für die Stadtgejhichte find, da fie über Ein- 
wohnerzahl, über das Alter einzelner Familien, über reih und arm 
Auffhluß geben. Wohlhabende bezahlten einen Neichsthaler und mehr 
(bis zu zwanzig), Mägde und Knechte Y/, Thaler. 


Alte Stadt. 


Kaſpar Karlls, Frau, Tochter absens, d. i. abweſend. Johann Bader, 
Frau, Sohn, Mädchen. Johann Graeß, Frau. Baftian Binde, Bäder, Frau, 
alte Mutter, Tochter abs., Junge. Jobſt Moidt, Frau. Wittib „Oberfellner: 
iche”, Magd. Junker Staudinger (5 Rthlr.), Frau, Magd, Junge Johann 
Pape, procurator, Frau, zwei Töchter, Mädchen. Wittib Bodinghaufen, Magd. 
Kaſpar Heimans, miles, d. i. Eoldat, Frau, Magd. Hans Kutſcher, Frau, 
zwei Töchter, Sohn studiosus (befreit), Henri) PBrügger, Frau, Tochter 
abs., Magd. Dietherich Buremacher, Frau. Henrich Ubelljunge miles, Frau. 
Jobſt Schumader, Frau, Junge, Knecht, Magd. Thonnig Bude, Frau, alte 
Mutter, Junge. Urfula Hade, pauper, d. i. arm (befreit), Tochter. Steffen 
Lindemann, Frau, Junge. Johann Schreiner, Frau. Wulff Krummer, Frau. 
Fort Frone, Frau, Tochter, Junge. Eſeltreiber pauper, Frau. Henrich Stone, 
Frau, Magd. Thonniß Statmeifter mortuus d. i. tot, Tochter bejtadet- 
Nobell Linneweber mort., Frau, Tochter abs., Sohn abs. Fiſchmeiſter, rau, 
Tochter, Magd. Köfter, Frau. Ernſt Urmader, Frau. Arndt Pelger, Frau, 
Sohn. Horgen Mord, Frau obiit (ijt tot), Tochter, Magd, Junge abs. Herr 
DOberfellner (7 Rthle.), rau, Schreiber, Junge, drei Knechte, vier Mägde. 
Hieronymus Binde mort., Frau mort., Sohn (Schuhmacher), Tochter, Junge. 
Michael Himberen, Frau, zwei Söhne. Herr Landichreiber (4 Thlr.), Frau, 
Schreiber, Knecht, drei Mägde, alte Mutter. Wilhelm der Gärtner, Frau, 
Magd. Wittib ab Anthon, zwei Töchter, Engelbert Hanſche, Tochter, Sohn 
miles, Magd, unge. Adam Bamoder, Frau, Sohn studiosus. Melchior 
Botte, Frau, Tochter abs, Sohn abs. Hermann Bille miles, mort., Sohn 
miles. Albert Rofe, Frau obiit. Henniche von Frechen, Frau. Gertt Som- 
mer miles, Frau. Michael Schloffer, Frau, Knecht abs., Zunge Johann 
Schweine, Frau. Lauren; Hausbotte, Frau obiit, Sohn miles, Tochter ber- 
heiratet. In Nolden Haus ein Sohn abs. Johann Bodeler, Frau, Junge, 
Mädchen. Rottger Bodeder, Frau, Alt Bater Icbet von Almuß. Bernt 
Kraufe, Frau, Tochter, Magd. Herman Drauena, Frau, Todter. Johann 
Schweine, Wittidb, Tochter. Hank Nude, Frau, zwei Söhne, Mädchen. Lud— 
wig Heimans, Frau, Junge miles, Magd, Mädchen abs. Lucaß Landtknecht, 
Frau, Magd. Horgen Karll mort., Frau, Magd. Maria Krummers pauper, 
Tochter. Matthäus Haße, Frau. Dietherid) Schmale, Frau. Wittib Nagel- 
ſchmitz pauper, deren Schweſter Icbet der Almußen, frey. Patroclus Schild: 
wechter miles, Frau, Alt Mutter lebet der Almußen. Humpert Rath, Frau. 
Zacharias Turnwechter. Ziggenhirte, Frau, Tochter. Thonniß Bammoder, 
Frau. Rembert Scheffer, Frau. Lips Huxholl, Frau, Sohn miles. Jaspar 


342 Kurkölnifche Zeit. Der dreikigjährige Arieg. 


Nolfe hic absens sequitur. Lips Magdalene mort., Frau obiit., Mädchen abs,, 
Magd. Gerdt Leyendeder miles. Henrich Haße miles, Frau, Junge. Iſraell 
Koch, Wachtmeiſter (frei), Frau, Sohn abs., Tochter abs., Magd nupsit militi. 
Johann Thurwechter abs., Frau mort., Sohn, Tochter. Cornelius Rode 
miles, ran, Sohn miles, Tochter. Johanna Scheffers pauper, Sohn, Frau. 
Gert Scttler, Frau, zwei Söhne, Tochter mort., Knecht abs. Wittib Simon 
Stoffels, Tochter. Michael Krummer miles, Frau, Alt Mutter mort. Tigges 
‘Bropper miles, Frau, Johann Blandenfurt miles, Frau, Alt Mutter. Arndt 
Kulman, Frau, Alt Vater mort,, Tochter. Johann Loer, zwei Töchter, Magd. 
Moller, Frau, Mutter, Wittib Stodebrandts. Michaell Uhrmader, Frau 
Sohn, Magd. Hopman (Hauptmann) Bamoder, Frau, Tochter, Sohn. Heu: 
bender miles, Frau. Johann Propper, Frau, Schtwejter pauper. Wittib 
Weftphalen (zu 10 Rthlr. veranjchlagt, die auf 2 ermäßigt wurden). Jungfer 
Wrede. Jungfer Sufanna, zwei Mägde. Thonniß Brachtt, Frau, Tochter 
abs. Stalthoff miles. Franz Brachtt, Bruder Thonnig. Gerdt Dulmann, 
Frau, Magd, Bajtert Tochter. Wittib Simonis Prange, Magd. Johann 
Thonne, Frau, zwei Sinechte, ein unge abs. Rector Scholae, Frau. Con: 
rector (beide eximirt ob priuilegium studiosorum). 


Nene Stadt. 

Simon Pauls, Tochter, Alte Elfe mort., Valentin Appell, Sohn, Knecht, 
Junge, zwei Mägde. Wittib Menge, Tochter abs., Magd. In Gißlers Haus 
bier Frauensperſonen nebjt einem Mädchen. Die vier Jungfern, die ſich mit Zus 
thun guter Leute erhalten, die Augend in Lehre und Gottesfurdht erziehen, 
find erimiert. Diethrich Ehlind, Frau, Mutter abs., zwei Töchter abs., Junge. 
Rudolff Eßlinck, Frau, Mutter, zivei Mägde, Junge abs. DoctorMedicinae 
5 Nthle.), Frau, Magd. Herr Brüchtemeiſter (4 Athlr.), Frau, Sohn, 
Tochter, zwei Knechte, vier Mägde. Rudolf Friſche, Weintirt, Frau, Magd. 
Joannes Mondanus, miles, Frau mort. Joannes Blandebeil, Frau, zwei 
Töchter, alte Mutter, Mädchen. Ludwig Kraufe, Frau. Potters Hauß Johann, 
Frau. Bernt Halfman, Frau. Joſt Henfche, Tochter. Balteß Taſchemacher, 
Frau, Sohn, Tochter. Wittib Konſche, Sohn Nikolaus Schneider. Wittib 
MHalers, Magd. Nüden Sohn Kortt. Greite Storde8 paup. Herman 
Schreiner, Fran, Mädchen. Bürgermeijter Prange, Frau, Tochter, Sohn 
abs., ztvei Mägde. Eberh. Prange junior Not., Frau, Magd, Mädchen abs, 
Frederich Graeß mort., Frau, Magd. Frederich von Stodhaufen (5 Rthlr.). 
Frau. Eberharts Henße, Alte Mutter, Knecht, Junge, drei Mägde. Wittib 
Schuber, ein Knecht, vier Mägde, ein Mädchen, ein Junge, ein Sohn miles. 
Eyriacus Walrabe, Frau. Landdrojte (20 Rthlr.), Frau, Tochter, Schreiber, 
zwei Knechte, ein Koch. Henriche Gracs, Sohn, zwei Mägde. Simon Schloffer, 
zwei Söhne. Hank Jeger, Frau, zwei Töchter, Sohn studiosus. Kemner 
Bömer mort., Frau, zwei Mägde. Ebert Schelle, Frau, Vater. Gonrat bon 
Ejien, Frau. Johann Beder, Frau, Tochter, Magd. Bernhardt Leonis, 
Frau, zwei Töchter, Magd. Bürgermeijter Tulman mort., Frau, Bater, 
Mädchen, Magd. Adelheid Bades. Simon Schuhmader, Frau, zwei Mägde. 
Peter Herkigh, Frau, ziwei Mägde. Johann Schweine, Tochter. Thomaß 
Hirte, Frau. Ambrofius Niggemann, Frau, Sohn stud, Magd. Henniche 
Leonis, Frau, Tochter abs., Magd, Knecht. Melchior Werdt, Frau. Bertram 


Einwohnerlifte von 1633. 343 


Scheffer, Frau, Tochter. Licentiat Steinfurt (7 Rthlr.), Frau, zwei Mägde. 
Kemner Klemens, Magd abs. Eberhart Reuter mort., Frau, Magd. Niko— 
laus Sambad) (6 Rthlr.), Frau, Tochter, Kncht, Magd. Licentiat Herbjtorff 
(7 Rthlr.), Diener. Dietherih Knoſell miles, Frau. Gerdrutt Rolandt, 
Tochter, Magd abs. Thonnig Trippmader, Frau, Alt Bater, Magd abs. 
Klauß Heufer, Frau, Magd. Wittib Herman Motts, Magd. Henrich Kemper, 
2 Töchter, Knecht abs. Peter Holinde, Frau, Sohn, Tochter abs. Johann 
Tiberg miles, Frau. Ebert Moller, Frau, Alt Bater. Chriftofell Hilbede 
Kemner (3 Rthle.), Frau, drei Mägde, Zunge. Jacob Lank, Frau, Mutter, 
Magd. Herman Bulberg, Frau. Steffen Pauls ift mit der fallenden Krank— 
heit beladen, Frau mort. Stoffell Schulte, Frau, Sohn abs., Magd. Jobſt 
Henningh, Frau, Sohn abs., Tochter abs. Hardenade, Frau, Sohn, Toter. 
Wittib Rumps, drei Söhne. Gerdrutt in Lamberts Haufe. Thonniß Reiner, 
Frau, Mutter mort. Wilhelm Blafius, Frau, Junge abs. Doctor Shult= 
heiß (7 Rthlr.), Frau, Tochter, Knecht, zwei Mägde. Johann Tafchemacher, 
miles, rau. Lips Rode, Frau. Thonniß Hafe, Frau, Tochter. Johan 
Wirth miles, Frau, Junge abs. Herr Unterftellner (4 Rthle.), Frau, 
Knecht, 3 Mägde. Nicolaus Gelbe, Frau, Tochter. Thonniß Henße, Frau, 
zwei Mägde, zwei Mädchen. Henrid; Mahler, Frau, Tochter, Knecht miles, 
Junge abs, Magd abs. Thonniß Honßleber, Frau, Sohn, zwei Töchter. 
Cordt Schmitt, Tochter, zwei Knechte, Magd. Bolmar Beder, Frau, Tochter 
abs., Magd, Mädchen. Muſchertz Haus vacua (leer). Hank von Wodelum, 
Frau, Mädchen. Lisfe Stute vidua (Witwe). Stoffel Steimels, Frau. Alte 
Wollerfche, Tochter. Clauß Hirte mort., Frau. Jaspar Nolde, Frau. Stafpar 
Mioller, Tochter. Augujta Hafe, Tochter. Rottger Schnettler, Frau mort., 
Junge. Bolmar Stord paup. Thonniß Moller, Sohn. Simon Moller 
Frau, Tochter, Junge. Thonniß Roter, Frau, Sohn, Tochter. Martin 
Schnettler. Heinrich Werth, Frau, Tochter. Johann Deimel, Frau, zwei 
Söhne, zwei Töchter. Barthold Koch, Frau, Schweſter, Magd. Elfa Deimel, 
Tochter. Kleindand, Frau. Jacob Linnenweber, Frau, Tochter. Thonniß 
Linnenmweber, Frau. Wittib Jobſtes, Tochter. Luſtlingh, Frau, Tochter. 
MWeithoft, Frau, Tochter. Johann Sinoper, Frau, zwei Töchter. Hanf Bender. 
Caspar Glaßmacher, Frau, Tochter abs. Berndt Banımoder, Frau. Lips 
Halfmann, Tochter. Ernjt Jutte, Frau. Wedekink. Cortt Carthauß, Frau, 
Magd. Henniche Eßlinck, Frau, Magd, Knecht abs., Junge. Henniche Mollers, 
Frau, Magd. Enneſte Droſte paup. Cornelius Haußbotte, Frau. Engelbert 
Oſſenkauffer, Frau. Cordt Schelle, Frau, Sohn, Junge. Herr Richter 
Kaſpar von Eſſen (4 Rthlr), Alt Mutter, Knecht, drei Mägde. Caspar Wulfel, 
Frau, Tochter, drei Mägde. Rudolph Voß miles, Frau, Cohn. Lips Schulte, 
Frau, Magd. Jobſt Wachter, Frau, Magd. Gerdt Werth, Frau. Die Len- 
giſche, Tochter, Mädchen. Zwei Glaſemacher. Ernſt Bredall, Frau. (Im 
Regijter von 1631 auf befonderer Seite: Scharfricter (3 Rthlr.!), Frau, Sohn. 


Die Schatungsliften wurden von den Kommiffarien Dietherich von 
Eickel zu Bruchhauſen!), Hermann Dücker, Oberfellner und Landpfennig- 


1) Über diefe Familie ſ. Tüding, BL. 3. n. K. W. 1877, ©. 2. Er 
weiſt Mitglieder derjelben aus den Jahren 1588—1695 nad). 


344 Kurkölniſche Zeit. Der dreikigjährige Krieg. 


meifter, Kajpar von Eſſen, Richter, jowie von dem Bürgermeifter Eber- 
hard Prange und den Kemnern von Hilbed und Henje aufgejtellt und 
unterfchrieben. Der Magiftrat hatte die Steuer binnen drei Tagen 
einzuziehen und an die Landesfaffe abzuliefern. Der Gejamtbetrag 
belief fic jedesmal auf etwa 330 NReichsthaler, eine bedeutende Summe 
Geldes. 

Nach Ausweis der Yifte gab es damals in Arnsberg 228 Haus- 
ftände, von denen 95 auf die alte, 133 auf die neue Stadt entfallen. 
Die Zahl der erwachſenen Einwohner betrug nur 733 (300 + 433), 
von denen vierzig ortSabwejend waren. Dieje überaus geringe Zahl 
weist deutlid; auf das häufige Witten der Peſt hin. Merkwürdigerweije 
werden aud 24 Tote unter den Steuerpflidhtigen aufgeführt. 26 Ein- 
wohner waren als Soldaten befreit, nur vier als Studenten, dreizehn 
al3 Arme. Uber ein Drittel der Familien (31 + 53 — 84) hatte 
Dienftboten; von diefen wieder 34 mehr als einen, und von biejen die 
Hälfte (3 4 14) drei oder mehr. Hiernach lebte in Arnsberg eine 
verhältnismäßig große Anzahl von ziemlich wohlhabenden Einwohnern. 


1634.\) 
Der Anichlag Berkermanns. 

Die Ahnungen drohender Kriegsgefahr follten fich beftätigen. Die 
heſſiſchen Kriegsiharen de8 Landgrafen Wilhelm von Kafjel 
hielten das ganze Sauerland in Unruhe. Heſſiſche Anführer waren die 
Gebrüder Kurt und Hans von Dalwigf, Graf Jakob von Hanau, Graf 
Georg von Wittgenftein, Bedermann un. a.) Bon diejen machte 
Bedermann den befannten vergeblichen Angriff auf Arnsberg. 










NB Aö 1634 11. july 
durch blitz und regen hat Gottes segen 
in St. Norberti nacht den beckermann verjagt 


Diefe alte Inſchrift, welde jest auf der Vorderjeite des Hirſch— 
berger Thores angebradjt ift, und die jährlich abgehaltene Norbertus- 
prozeffion erinnern noch heute an die Vereitelung jenes Anſchlages, den 
der heſſiſche General Bedermann, ein geborener Arnsberger, gegen 
jeine Vaterſtadt richtete. Hiervon berichten drei Quellen: 1. ein im 
Jahre 1646 gefafter Meagiftratsbeihluß, bezüglih Abhaltung einer 

ı) Bon diefem denfwürdigen Jahre fehlt Leider die Stadtrechnung. 

2) Brumabend, Geſch. der Stadt Attendorn, S. 137, Anm. 10, 


1634. Der Anfchlag Bedermanns. 345 


Dankesprozejfion wegen glüdlicher Abwendung zweier feindlider An- 
ſchläge, des Bedermann und des Douglas; 2. v. El in feiner Be- 
ihreibung der Graffchaft Arnsberg; 3. die Klofterchronif des Mönches 
Bergh. 


1. Darſtellung des Magiſtrates. 

Das Aktenſtück erzählt zunächſt den Anſchlag von 1646 und fährt 
dann fort: (Die Stadt wurde) „durch ſonderbhare gnade Gottes, nit 
allein vor daßmhall von allſolchem feindtlichen Vberfall bewharet, ſondern 
auch vorhinn, im abgelebtem 1634 Ihar ahm 9, July, Allß der heßiſcher 
Generall-Maieur Beckermann, ebenmeßigh die Statt aufforderen laſſen, 
auch durch daß zu Hüſten geſchlagenes Läger blocquirt gehaltenn vndt 
ahm 11. July, gar in daß Cloiſter Wedinghauſen, mitt etz— 
lichen Compagnien zu Roß vndt Fuß ſich zwar logirett, aber doch 
durch ein erſtandenes erſchröckliches Donnerwetter dergeſtaldt be— 
angſtiget, daß der Herr Generall ſellbige Nacht, daß Cloſter Weding— 
hauſen von allen Völlckern, vndt ohne einigen Schadens-Zufuegungh 
widder verlaßen, vndt dieſe Statt, welche ſonſten mitt Ernſt zu be— 
lageren vndt in ſeine gewaldt zu pringen, gentzlich Vorhabens 
geweſen, durch domhalige Schickungh Gottes, vndt vngezweiffelte 
Vorbitt deß heiligen Vatters Norberti, beyde des Cloiſters 
Wedinghauſen vndt der Statt Arnsbergh hohen Patronen, verhütet, vndt 
allſo bey dem vorgangenen langhwirigem Kriegsweſen, dieſe villglr. 
Statt Arnsberg (welche doch ſonſten durch ſtetige Guarniſoun 
Kayßerlicher Völlcker belegt geweſen, vndt viele Widder— 
wärttigkeiten, durch den Kriegh außgeſtanden hatt) von 
allen feindlichen Vberzügen vndt Plünderungen verſchonet geplieben. 

So haben, Bürgermeiſtere vndt Rhath, auch gantze Gemeinheitt 
hieſelbſt, zu der größeren Ehren Gottes, auch ewigh wherender Danck— 
ſagungh vor allſolche hohe Gnad vndt Abwendungh, von dergleichen 
feindtlichen Zuſetzungen, einhelliglich bewi lliget vndt beſchloßen, daß Feſt 
des Heiligen Vatters vndt Patronen Norberti, Iharlichs vndt alle 
har auff den 11. Tagh Monaths July mitt einer zierlichen, 
andehtigen Brocejjion, zu verehren ꝛc. 


2. Darjftellung des Rudolf v. Eßl. 
„wie dann bei lettem langwieriegen Kriege und . . . der deutjchen Ge— 
müther die 9. H. Patres ftet3 inter spem et metum inter fugam 
et... in großer Ängft leben und täglich der Feinde Ankunft und 
Überfall haben erwarten müſſen. Es haben auch einsmahls einige 
heifiiche Trouppen unter Conduicte Bedermann (jo von Arnßberg 


346 Kurkölnifche Zeit. Der dreifigjährige Krieg. 


burtig) in diefem Kloſter poftirt, in Meinung von der Klofterjeiten 
die Statt zu überrumpelen, haben aber bei anbrechenden Tage mit 
Schanden zurücdweichen müffen und hat wenig daran gefehlet, daß nicht 
diefer Bedermann, indeme er feiner Vorfahren Kreuge und Epitaphia 
(Grabinfchriften) auf dem Kirchhofe lejen wollen, dajelbjten wäre er: 
ihofjen worden.” 
3. Beridt des Klofterdroniften Bergh. 
(Nach dem Lateinischen. Bgl. Picler, Arnsberg (2. 91 f.) 

„Bedermann war ein geborener Arnsberger, und feine Eltern ruhten 
dort auf dem Kirchhofe, von welchem aus er jett feine zerftörenden Ge— 
ihoffe hinüber warf. Eines Abends ftand er nachdenklich am Grabe 
jeines Baters; da flog vom Sclofje her eine Kanonenfugel jo nahe 
über feinem Kopfe hin, daß fie ihm den Hut durdbohrte. Der Ort, 
wo er ftand, und die nahe mahnende Zodesgefahr ließen ihn auf ein: 
mal zurüdichaudern vor der Ruchloſigkeit jeines Unternehmens gegen 
die eigene Vaterſtadt. In der Nadıt, während er auf einen Vorwand 
jann, die Belagerung aufzuheben, entftand ein furchtbares Gewitter mit 
ſolchem Plagregen, daß die Ruhr alsbald mächtig anfhwoll. Da berief 
er die Offiziere zu einem Kriegsrate und erflärte, er keune die Be— 
ihaffenheit der Ruhr; der Strom, welder die Stadt umfliche und jo 
zu einer Halbinjel made, werde bald jo gewachſen fein, daß er fie von 
dem Lager bei Hüften abjchneiden würde. Bei einem alsdann zu er” 
wartenden Ausfalle der Belagerten könnten fie weder Hülfe von daher 
erhalten, noch ſich zurückziehen. Es wurde beichloffen, jogleich abzuzichen; 
und als die Bürger am andern Morgen von ihren Türmen ausjchauten, 
da jahen fie das Yager des Feindes verlaſſen. Es war der Tag des 
hl. Norbertus, des Ordensſtifters unjers Klofterd. As nun bald das 
Feſtgeläute erflang, da eilten die Bewohner Arnsbergs herab zur Kirche, 
um Gott und dem Hi. Norbertus für ihre Nettung zu danken. Dann 
vereinigten fi die SKlojtergeiftlihen und die Bürgerſchaft zu einem 
feierlichen Bittgange durd die Straßen der befreiten Stadt.“ 

Daß ſich im diefer Darftellung, wie aud auf der Inſchrift,!) 
Wahrheit und Dichtung milden, Ichrt eine Vergleihung der Daten. 
Die Abwehr Bedermanns erfolgte nicht „Norberti Naht“ (10. Juni), 
jondern einen Monat fpäter. Die erfte Prozeſſion fand auch nicht gleich 


ı Die Inſchrift war vordem in der Kichhofsmaner angebracht, an der 
Stelle, wo die Kugel eingefchlagen war. Als der Kirchhof verlegt wurde, 
nahm Domänenrat Effer den Stein an fi und traf Sorge, daß er bei Auf- 
rihtung des Hirfchberger Thores feitwärts in einer Futtermauer angebradit 
wurde. 


Beckermann. Norbertusproceffion. 347 


nad) dem Abzuge des Tyeindes, aber aud nicht, wie man aus dem 
Memorial des Magiftrates entnehmen könnte, erft 1646 ftatt, fondern 
im Jahre 1637. In der Stadtrechnung dieſes Jahres heißt es: „ALS 
in festo S. Norberti eine neue procession fundiret in diefen Kriegs: 
(eufften pro conservatione eivitatis (zur Erhaltung der Stadt) und 
gehalten worden, hat man in das Klofter an Wein geſchickt für 14 ©. 
4 Sch." infolge der Kriegsbedrängniffe ſcheint man kurze Zeit auf die 
Wiederholung diejer Feier verzichtet zu haben, bis der neue Glücksfall 
im Jahre 1646 zu einem feften Gebrauche bis auf den heutigen Tag führte. 


Die Norbertusprozeffion in alter Zeit.!) 


Nachdem die Mönche im EChore die jogen. fanonifchen Stunden don 
der Prim bis zur Non ohne Unterbrechung zu Ende gefungen hatten, folgte 
ein feierliche Hochamt mit Muftkdegleitung. Gleich nach demfelben Icgten 
die Kloſterbrüder und Kirchendiener in der Sakriſtei die bei der Prozejlion 
üblihen Getvänder an. Dann wurde dom Abte felbft mit dem Hochwürdigſten 
der Segen erteilt, und unter dem Geläute aller Gloden begann die andädhtige 
Menge fih in Bewegung zu fegen. Auf dem damals noch unbebauten, gegen 
40 Schritt langen Plage zwijchen dem Kloſter und der Stadt gingen an der 
Spite die Elementarjchüler mit zwei weißen Fahnen, auf denen die Patrone 
der vier Zünfte in Arnsberg abgebildet waren. Dann folgten die Schüle- 
rinnen, denen fi) viele andere noch junge Mädchen anfchloffen. Darauf 
famen die Zöglinge des Gymmafiums, nad den bier Stlaffen geordnet, jede 
Abteilung mit befonderen Fahnen. Wo dem Gymmafium die Kanoniker fich 
anjchloffen, wurde zwifchen zivei weißfeidenen Fahnen die reich gezierte Statue 
des heiligen Norbertus von bier mit glänzenden Gewändern gefchmücdten 
Studenten getragen. Hinter den Kanonikern gingen vier Stirchendiener, welche 
einen dvergoldeten Neliquienfchrein auf den Schultern trugen. Dann folgten 
acht Chorknaben mit Schellen, hinter diefen zwei Jünglinge in meißleinenen 
Oberkleidern mit blauem Gürtel, ganz feidenen Kniehoſen, blauen Strümpfen 
und weißen Schuhen, welche Wadhslichter trugen, dann vier Studenten eben: 
falls in weißem Gewande mit rotem Gürtel und rotjeidenen Kniehoſen, welche 
dreiedige, vergoldete Leuchter trugen, endlich acht Schüler aus verjchiedenen 
Klafien in einem durchaus theatraliſchem Koftüme, mit weißer Perrüde, eine 
gemalte Sonne auf votjeidener Bruftbededung, gleichfarbige Aermel mit grüner 
Einfaffung, vielbaufchige, weißleinene Kniehoſen mit einem dreifachen blauen 
Gürtel und mit zahlreichen Sternen, weiße Strümpfe mit roten Bändern, 
um das Fußgelenk ein grüner Streifen und weiße Schuhe. An der Grenze 
de8 Stadtgebietes wurde die Prozeffion von der Bürgerfchaft empfangen, und 
diefe zog num mit fliegenden Fahnen und unter Paukenſchlag vorauf zum 
Schloßberge. Bor dem Ständehaufe, dem jegigen Rathaufe, wurde der Segen 
erteilt, und die dort verfammelten Mitglieder der Stände folgten von da 
dem Hochwürdigſten. Beim Eingange auf den Schloßplag wurde die Pro— 
zeffion mit Muſik und Geſchützſalven empfangen. Auf dem Schloßberge hielt 


ı) Tüding, Bl. 3. n. K. W. 1873 (nad) Berghs Chronik). 


348 Kurkölnische Zeit. Der dreifigjährige Krieg. 


unächſt einer von den vier in der Altjtadt refidierenden Pefuiten!) eine Lob— 
rede auf den HI. Norbertus; dann folgte eine Motette. Nach Erteilung des 
Segens kehrte die Prozeffion in die Klofterlicche zurüd, wo die Feier mit 
einer jtillen Meſſe ſchloß. 

Beckermann zog von Arnsberg auf Rüthen. Nach feinen Abzuge 
rücdte dort der heſſiſche Oberft Dalwigk mit Neiterei ein. „Bei ohn- 
jagliher Kelte” unterfing fi) damals von Bönninghaujen, die Hejien 
aus Rüthen zu vertreiben, wurde aber mit großem Berluft zurüd- 
geſchlagen. — Die Heffen machten in diefem Jahre, wie auf Arnsberg, 
jo aud) auf Attendorn einen vergeblihen Angriff. 

1635 (von Hilde) 

graffierte wieder die Peſt. Ahr erlag aud der Bürgermeifter, an dejjen 
Stelle Kaſpar von Eſſen gewählt wurde, und Hennigius Ejjing, ein 
altes, verdiente Ratsmitglied. Die Stadt lich „Nothbredder ſchneiden“, 
um auf der Haar und der Schlahtweide Baraden zu errichten. Im 
Klofter blieben alle zur Seeljorge nötigen Geiftlihen zurüd. Die 
Peft verbreitete fi) auc über die Dörfer Untrop, Glöſingen, Wilds- 
haufen ꝛc. In Soeft raffte fie viele Menſchen dahin. 

Dazu hielt der Krieg alles in beftändiger Sorge und Aufregung. 
Häufig entjandte die Stadt nächtliche Kundfchafter, befonders nad Atten- 
dorn, von wo man das Anrüden des Feindes beforgte. Wings um 
Arnsberg ftarrte alles in Waffen. Eine bedeutende Lieferung in Bier, 
Braun» und Noggenbrot (65 Rthlr.) war nad) Sundern an den Oberft 
Albrecht zu leiften. Auf feindliche Angriffe in diefem Jahre weift von 
Eßl hin, der im Anſchluß an Bedermanns Belagerung erzählt: „Noch 
auf eine andere Nachtzeit haben die Heffen von der Lippftadt das Schloß 
von hinten nad) dem Gericht zu mit Sturmledern und anderen Sturm: 
requisitis überrumpeln wollen, find aber nochmals mit Schanden, wegen 
damaligen Commandanten Hrn. Wegmanns?) Vigilantz und Tapfer— 
feit nad) der Lippſtadt zurüdgefchlichen und haben ihre Sturmledern und 
andere praeparatoria zum Sturm bei ceiliger Flucht Hinter dem Ge— 
richt Hinterlaffen. Wie dann dergleihen Allarme fih um die 
Zeit viele ereignet haben, welde aber jedesmal durd 
der Bürger und Soldatesque Munter- und Tapferkeit 
glüdlih poussirt.... Bei allen diefen gefährliden Kriegs— 
troublen ift damals unter anderen der wohljeclige Herr Ehriftoff von 
Hilbeck, mein gewejener lieber werter Pflegevater, deſſen ich billig 
aus ſchutiger Dankbarkeit rühmlichſt gedenke, als ein verſtändiger politer 


) Über die Niederlaffung der Jeſuiten j. im folg. Abjchnitte. 
2) ©. 3. den Fahren 1632 und 33. 


1635 — 1636. 349 


Mann, der Stadt mit Augen Ratſchlägen und consiliis möglichſt an die 
Hand gegangen und hat des gemeinen Weſens Beftes befördern helfen.“ 

Am 16. September benadhrichtigte der Kurfürft Ferdinand den 
Oberkellner Hermann v. Dücker, daß er „auf Bitten des Bürgermeifters, 
Nat und Gemeinheit der Stadt Arnsberg in Anjehung ausgeftandener 
Kriegsruin und Verderbnis num und ins Künftige die Halbſcheid (Hälfte) 
der Erbpadht der Dfderfelderifhen und Wetterhöferifchen Ländereien 
jedod ohne einig Präjudiz“ ꝛc. nachgelaffen habe. 

In der Not haben die Bürger und die Väter unferer Stadt eins 
nie vergefjen: das Zehen, wie wir eim Gleiches aud von anderen 
deutjchen Städten wiffen. Bei der Bürgermeifterwahl und Rechnungs— 
legung, die in der Regel mit einer achttägigen Feier verbunden 
waren, wurden von den Stadtvätern und ihren Freunden für 468 ©. 
Wein vertrunfen; auf des „Kemners" Mark Hochzeit wurden für 
52 ©. Wein verchrt; auf des Wachtmeifters Kindtaufe für 31 G.; 
als der Bürgermeifter und Kemmer bei Hauptmann Stutinger zu Gafte 
waren, für 24 ©.; als diejelben bei ihm anhielten wegen Linderung 
der Wadıt, für 8 ©. 4 Sc; als Herr Dr. Schultheiß (der Heren- 
rihter) die Bürgerſchaft gewonnen, für 30 ©. 8 Sch.; al8 der Fähn- 
drich des Obriften um Veränderung des Yogements („Loſiment“) ange- 
halten, für 5 ©. 6 Sch.; als der Weinwirt Kindtaufe gehalten, für 31 G.; 
al3 der neue Rektor eingejest, für 16 ©. ꝛc. Im folgenden Jahre 
gingen bei der Bürgermeifterwahl für 664 ©. 8 Sc. darauf;") bei der 
Rücklehr des Yägermeifters aus Bonn für 16 ©., bei Anjchlag der 
Kontribution während zweier Tage für 16 ©. 8 Sch.; als der neue 
Rektor dem Abt präfentiert und von ihm beeidigt worden, für 28 G.; 
im Jahre 1638 beim Begräbniffe der Frau Bürgermeifter für 5 Rthlr. 
(zum fogenannten Leichenſchmauſe). Wenn neuer Wein anfam, jo wurde 
allen Honoratioren und ihren Frauen ſtets eine wohlgemefjene Probe 
ins Haus gejchidt. 

1636 (Najpar von Ejien) 
tritt feine wefentfiche Anderung gegen die Vorjahre ein. In Üntrop 
fagerte Oberft Sparenberg, in Hüften der Generalfommiffar Borri, 
Oberſt Locowitz, Generalfommifjar Veltbrüd, General- Feldzeugmeifter 
Wahl, in Soeft General-Feldwachtmeifter Götze. An alle dieje Hatte 
die Stadt Lieferungen zu leiften, während fie dod genug Yaft durch 
eigene Eingquartierungen hatte. Dennoch jchenfte der Magiftrat dem 





ı) Später findet jich zu diefem Pojten der Rechnung häufig die Notiz 
„liderlih aufgangen“. 


350 Kurkölniſche Zeit. Der dreißigjährige Krieg. 


Landdroften, weil er die Stadt „unterfchiedlihe Mal mit Einguar- 
tierungen patronifiert und überjehen hat”, ein Faß Wein im Werte 
von 68 Gulden. Bon Offizieren ꝛc. werden in der Jahresrechnung 
erwähnt: Henrich Belles, Kommandant auf dem Schloffe, Obrijt Weit: 
valen, der mit jeinen Reitern in Arnsberg Quartier nahm, Obrift- 
Lieutenant Hans Wulff von Wrede und Marquis de Grana. Der 
Stadtfeller mußte nad) und nad) für 532 Gulden Wein „zu Stadts- 
beiten“ herausgeben. Die Einnahmen des Jahres beliefen ſich auf 
3152 ©., die Ausgaben auf 4648 ©.; Defizit: 1495 G. Jedoch Hatte 
die Stadt eine bedeutende Forderung an die Yandichaft. Im Herbite nahm 
man, weil „der abjcheulihen Peſtilentz halber die Contributiones ꝛc. 
der zu befürdhtenden Contagion wegen nicht eingefordert werben fonnten“, 
ein Kapital von 300 Rthlr. bei dem Junker Stephan von Wrede zur 
Sorpe gegen 5%, Binjen auf. Dies Geld floß jedod zum großen 
Zeile in die Kafje des Oberften Weftvalen und de8 Hauptmanns 
Megmann. 
1637 (8. von Eiien). 

Bei der Bürgermeifterwahl wurden wieder 472 Gulden vertrunfen. 
An den Krieg erinnern folgende Ausgaben: dem Feldmarſchall Hatfeld 
nad) Menden zur Kontribution 37, Ohm 7 Maß Wein = 640 G.; 
dem Hans Yüger aus Delefe, der zur Nachtzeit „mit höchfter Leibes— 
gefahr von des Feindes Ankunft avifieret zur Corteſey“, 62 ©.; dem 
Bürgermeifter, der mit General Göte in Soeft verhandeln foll, zur 
Wegzehrung 26 ©.; die Paliffaden umjegen 9 G.; als Feldmarſchall 
Hoffmeifter wegen der Kontribution hier gewejen, vertrunfen für 11 ©.; 
dem Bürgermeifter wegen Verpflegung des Herrn Marquis de Grana; 
einen „Falkenirer“ des General de Wahll verpflegt 3 G.; als mit 
dein gewejenen Hauptmann Greg. Wegmann Abrehnung gehalten und 
Hauptmann Stuginger „einbelettiert” (einlogiert) worden, dann als 
diefer al8 Kommandant präfentiert, für 14 ©. 4 Sc. vertrunfen; dem 
Churf. Eredengirer Michael Engel wegen guter Verridhtung bei Ihrer 
Churf. Durdlaudt in Stadtſachen 14 ©. 4 Sch.; Bürgermeifter und 
Nat vereinbaren fi) wegen der Beitreibung der Perfonalihagung ꝛc. 
und über Bezahlung der Bäder und Brauer (wegen Lieferungen); mit 
dem Jägermeiſter, bevor er zum Kurfürften abreift, damit er Gutes 
ausrichtet, vertrunfen 45 © ; nad; Menden wegen Mangels an Kon— 
tribution 62 ©. ıc. 

Das frohefte Ereignis, das in dieſem übrigens aud noch nicht 
pejtfreien Jahre in der Stadt gefeiert wurde, war wohl die Hochzeit 
des Richters umd VBürgermeifter8 von Efjen und der Tochter des 


1637— 1638. 351 


Hauptmanns und Kommandanten Wegmann. Natürlich waren nicht nur 
die Honoratioren der Stadt und der Abt aus dem Klofter, fondern aud) 
alle eingelagerten hohen Militärs geladen; und es kann nicht wundern, 
daß bei der Hauptfefilichkeit für 179 ©. Wein aus dem Stadtfelfer, 
bei der „Einbringung“ der Frau für 90 ©. draufging. Kurz darauf 
heiratete auch eine Toter des Dr. Schultheiß; diesmal wurden zur 
„„eimbringung” für 62 ©. Wein verehrt. Trotz jo vieler Lieferungen 
und freiwilligen Spenden ſchloß das Jahr mit einem Mehr von 138 ©. 
(6019 &. Einnahme), wobei allerdings die Kapitalfchulden nicht be- 
rückſichtigt find. 


Am 27. November 1637 wurde der in dienftlihen Geſchäften ab- 
wejende Landdroſt Friedrid von Fürftenberg zu Meſchede 
von den Hefjen gefangen genommen und nach Lippftadt geführt. Im 
März 1638 ward er befreit. (Micus: Dentmale des Landes Pader- 
born, ©. 502.) 

1638 (Joh. Höynd). 

Die Page ift unverändert. Die Stadtrehnung giebt hinreichende 
Andeutungen über das Friegerifche Getriebe in der Stadt. Wir begnügen 
uns die Rechnungspoſten furz zujammenzuftellen. Abrechnung mit dem 
Oberkellner wegen der Schagungen ſeit 1631; Ankunft de8 Grafen von 
Whal mit Offizieren; Granaten aufs Schloß bringen; Dr. Schultheiß 
und der Hauptmann verhandeln wegen der drohenden Kriegsgefahr; 
Beilegung des Streite8 wegen der Wache, die auf zehn Tage vereinbart 
wird (daS heißt wohl, zehn Tage im Monat follen die Bürger die 
Wade thun), der Oberfellner vermittelt zwiichen Stadt und Hauptmann; 
Befihtigung der Stadtmauern mit dem Hauptmann; Aufbruch der 
von MWahl’ihen Truppen; Verlegung einer Kompagnie von hier nad) 
Hüften (Einfluß der Näte, dem Landdroften und dem Bürgermeijter 
wird ein Ohm Wein verehrt); Kumdjchafter wegen Kriegsgefahr; bei 
Feuersbrunſt den Soldaten, die haben löſchen helfen; dem „Beltjcherer“ 
zur Kurierung eine8 Soldaten, der dabei Schaden genommen; ben 
Junggeſellen pro exercitio des Scießens; Verpflegung eines „Confoi“ 
des General Golg; Ankunft eines faiferlihen Kommifjars; Kemmer 
Hennid beim Hauptmann wegen Abjichaffung der „koſtbarlichen Haupt- 
wache“; Beratungen wegen Fortififation und Defenfion; Bote aus 
Erwitte wegen des Feindes; Kundſchafter bei Nacht; Belettierung von 
Hauptmann Wegmans (des jüngeren) Kompagnie; Empfang Wegmang ; 
dem Tambour, als er das „armistitium (Waffenftillftand) umgeſchlagen“; 
als Bürgermeifter und Kemmer die Öffnung der Stadtthore erhalten ; 


352 Kurkölniſche Zeit. Der dreißigjährige Krieg. 


zur Abwendung befohlener Einlogierung von 200 Landſchützen; als die 
Wacht in Gegenwart der Offiziere exrerziert; als Hauptmann Stuginger 
wegen der „Portenverjperrung“ beim Bürgermeiſter gewejen; al3 die 
Munition abgeholt; als beide Hauptleute, Bürgermeifter und jümtliche 
Gemeine wegen bevorjtehender Feindesgefahr großen Nat gehalten; als 
die Porten zugemauert und deswegen bei Wegman jollicitiert; 
Zuziehung von Dr. Schultheiß wegen des daraus entftandenen Streites; 
Zwift mit dem Schloßfommandanten Belles, der „zum Präjudiz der 
Stadt den Engelbert Dffenfoper gefänglih Hat aufs Schloß bringen 
laffen” und ein Faß Wein aus dem Stadtfeller vertrunfen hat. Ein» 
nahme 1019 Rthlr., Ausgabe 1026", Rthlr. 


1639 (Rob. Höynd). 

Lage unverändert. In den Akten werden erwähnt: Verhandlungen 
wegen Delogierungen mit dem Kommandanten, wegen Reparatur der 
„Blockhäuſer“ mit demfelben; Aufjegen von Palifjaden und „Ständen“ 
an der Klofter- und Dferpforte; Lieferung von Sped und Butter an 
General Hatfeld in Menden (138 Pfd. Sped à 6'/, Sc. = 17 Nthfr. 
13 Sdill.); Aufnahme der Soldatesfa beider Kompagnien (Wegman, 
Stutinger) mit Weib umd Kind, mehrtägige „Belettierung“ derfjelben; 
Supplit an Ehurfürjtl. Durdlaudt von der Fortififation Abftand zu 
nehmen; Pforten zumauern; ertraordinäre Kontribution und Rauch— 
(Haus⸗)ſchatzung; Abzug Wegmanns, Ablieferung der Stadtſchlüſſel an 
den Magiftrat (W. hatte monatlid” 20 Rthlr. Servis beanfprudt;') 
bei der Abreife erläßt er im ganzen 24 Rthlr., deshalb ſchenkt ihm die 
Stadt ein Faß Wein (6 Nthlr.) und ladet ihn zum Abjchiedstrunfe 
ein, wobei dem Hauptmann für „gehabte Vigilantz“ gedankt wird.) 
Wenngleich; Wegmans Abzug auf eine günftigere Wendung Hinweift, jo 
blieb doch alles in Kriegsbereitſchaft. Natürlih wurden die Bürger 
jett mehr zu Wachen herangezogen, und dabei geſchah, daß ihrer „etliche 
von hiefigen Offizieren ungebührlich beleidigt und ihnen die Gewehre 
entzwei gefhlagen wurden”. Der Hauptmann verglid die Sache 
— natürlich) bei einem guten Zrunfe. Im Sommer jtattete der Pader— 
borner Landdroſt, Obrift Weftvalen, mit jeinem Stabe Arnsberg wieder 
einen Beſuch ab; er ftieg (wohl, weil bei den Honoratioren alle Quar- 
tiere bejett waren) in der „Herberge“ ab; die Stadt lieferte für 
23 Rthlr. 36 Sch. Wein hin, den der Oberft in Gejellihaft des weit- 
fälifchen Tanddroften und feiner Näte, jowie bed Kommandanten und der 
Offiziere vertranf. — Zur Fontaine ließ die Stadt 95 Pfd. Tafelblei 


) Der Stadtiwachtmeijter bezog nur 1 Rthlr. 10 Sch. 


1639 — 1640. 353 


fommen, das Pd. & 2", Sh.— 4 Rthlr. 29", Ch. Zum Guß von 
neuen Gloden fam ein Meifter nad) Arnsberg. — Im Herbfte fing das 
„rote Weh“ (Ruhr) an zu wüten; der Magiftrat ließ 1, Ohm Rotwein 
fommen und verfaufte ihn den Kranken ohne Gewinn. Die Stadt: 
rechnung jchließt mit einem Defizit von 105 Athlrn. (Ausgabe 968 Rthlr.) 


1640 (Nic. Gambach). 

„Den 4. April war zu Arnsberg ein ftarfe8 Erdbeben, der— 
geftalt, daß alle Häufer erjhüttert wurden. In demfelben Jahr, den 
5. Auguft, war eine große Überfhwemmung.“') 

Die Klagen über den Drud des Kriegsweſens waren um jo 
häufiger, als vorübergehende Einquartierungen ſich mehrten. Anfpruc)s- 
voll trat ein Oberftlieutenant Ditmar de Voiß auf. Andere Offiziere, 
die in diefem Jahre Arnsberg berührten, find Obriſt Bino, Obrift 
Ligen, Graf von der Twiß, General Whall, Lieutenant Israell, ferner 
die Kommiffare Brodhufen, Generallommiffar von der Diffe Ein 
Lieutenant, der von Köln „Ammunition“ brachte, verzehrte in der Her- 
berge für 5 Rthlr. 40 Sch. Die Droften Schade und Rump (von 
Grevenjtein) brachten Nachricht von der bevorjtehenden Einguartierung des 
Neiteroberften Lhon, die man vergeblich abzumenden ſuchte. Um Er- 
leichterungen zu gewinnen, ließ e8 die Stadt überhaupt nit an „Dou- 
ceurs“ fehlen; jo wurde dem Kommiſſar Brodhujen und dem Land— 
pfennigmeifter je Y, Ohm Wein „verehrt“. Der Kemmer Lant machte 
eine Reife nad) Bonn, um von dem Kurfürften Zugeftändniffe zu er- 
langen. Zum erjten Dale wird in diefem Jahre aud eine Hejjifche 
Kontribution erwähnt. 

Übrigens weijen mehrere Umftände auf friedlichere Verhältniſſe 
hin, jo die Abhaltung der Feldprozejfionen, die Biergelage der Schügen 
und Ämter; den Schüten wurde für die „Schieben" (Scheiben, zum 
Scheibenſchießen) von der Stadt ein Hammel verehrt. Von und nad 
Brilon famen und gingen Abgeordnete, um in Städtefadhen zu ver- 
handeln. Im Herbfte wurde es wieder unruhiger. Die Bürger 
jeufzten unter dem Drude der fortgejegten Einlagerungen des Kriegs— 
volfes. Bon höheren Offizieren, denen die Stadt Dienfte erweijen 
mußte, werben erwähnt: General VBhelenn, Lieutenant Buno, General- 
fommiffar Bömer. Mit Mühe verhütete man die „Einlogierung“ des 
Nittmeifters Eordt. — Die Stadtrehnung jchließt ab mit einem Defizit 
von 51 Rthlen. (Ausgabe 666 Rthlr.). — In diefem Yahre ftarb der 
alte Bürgermeifter Prange. 


1) Hüfer, Chronik, ©. 57. 
Feaur, Geſchichte Arnsbergs. 23 


354 Kurkölniſche Zeit. Der dreigigjährige Krieg. 


1641 (Nic. Sambad)). 

Die gefürchtete Neiterfompagnie des Neiteroberften Lhon traf 
zur Einguartierung ein. Die Stadtväter gaben fih alle Mühe, 
das Los der Bürger erträglich zu machen. Sie feierten Lhons „Ein- 
funft” mit einem Weingelage; jpäter ſchenkten fie ihm eine Ohm 
Mein. Ein gleiches Präfent wurde dem Landdrojten gemadt. Bald 
verhandelte man mit diefem wegen „Verlegung der halben Kompagnie 
Lhonſcher Reiter nad) Attendorn”. Auch auf Stuginger8 Leute ſchien 
die Anwefenheit der wilden Gejellen einen böjen Einfluß auszuüben. 
Als einft die Bürger wegen übermäßiger Heranziehung zu Wachdienſten 
murrten, erklärte der Nottmeifter, „die Bürgerei folle Dann für Mann 
wachen”. Dr. Schultheiß mußte fi ins Mittel legen, um die Aus- 
führung diefer Drohung zu hindern. Inzwiſchen Fonnte alles Buhlen 
um Lhons Gunft und Wohlwollen Ausihreitungen feiner Reiter nicht 
verhüten. Einft brachen fie nächtlicher Weile in den ſtädtiſchen Wein- 
felfer ein! Wie viel fie dort vertrunfen, konnte nicht feftgeftellt werden; 
aber dem Weinwirte, der „großen Verluſt“ gehabt, wurde ’, Ohm 
Wein gut gejchrieben. Nach abermaligen Erzejfen beriet man ſich mit 
den Näten, um Verlegung der Lhonſchen Gejellen herbeizuführen, dann 
mit Lhon felbjt, um ihn zur Milde zu ftimmen; und als alles vergeb- 
lich war, reifte der am 1. Dftober neugewählte Bürgermeifter Gräß 
nad) Bonn, um den Kurfürften perfönlih um Abhilfe zu bitten. Nach— 
dem Gräß 22 Tage auf eine Audienz gewartet hatte, wurde er von 
Ferdinand empfangen und fand mit feinen Vorftellungen Gehör. Lhon 
mußte Arnsberg verlaffen und ſich nad) Attendorn begeben. Beim Aus— 
zuge der Meiter wurde mit den Offizieren ein Abjchiedstrumf genommen. 
Kaum waren diefe Plagegeifter entfernt, da drohte neue Einquartierung 
von Neitern des Nittmeifter8 Toggenbrod. Dießer ließ fih bei einer 
auf der Weinftube abgehaltenen Konferenz, an der die furfürftlichen 
Näte, der in Arnsberg liegende Obriftlientenant Kaſpar von Heygen 
und andere teilnahmen, zunächit zum Abzuge bewegen, fehrte aber bald 
nachher zurüd „mit Ordonanz, geftalt allhie in der Stadt zu logieren“. 
Nach nenen Verhandlungen fonnte von Heygen „der Stadt notifizieren, 
daß vermöge Ihr. Exec. Vhelenn Ordonanz die Stadt von der Nenterei 
verfchont bleiben follte". Dem nad) Hüften gezogenen Nittmeifter 
ſchickte die Stadt eine Flajche Wein nad. Wie groß mochte mun bie 
Beitürzung der Bürger fein, als es hieß, Thon Fehre aus Attendorn 
nad) Arnsberg zurück! In der That waren alle Bemühungen, dies 
zu hindern, fruchtlos, und Lhon blieb, wie es fcheint, bis Mai 1642 
bier. Die Stadtrechnung jchließt mit einem geringen Defizit ab. 


1641— 1642. 355 


Am 7. Januar erließ der Kurfürft von Bonn aus ein Schreiben 
an den Oberfellner v. Düder wegen Ausrottung der Wölfe. Diefe 
thäten den armen Unterthanen großen Schaden an ihrem Vieh; die 
wenigen nod übrig gebliebenen Yandleute wären nicht ftarf genug, ſich 
des Raubzeugs zu erwehren; jo jollte der Oberfellner auch „die von 
Arnsberg” in feinem Namen erinnern, an den Wolfsjagden fi) zu be- 
teiligen. Den furfürftlichen Jägern jollte er je 30 Athlr. für ein Pferd, 
20 Rthlr. für ein Kleid „zu bejferer Fortjegung und Verrichtung jett 
vorjtehender Wolfsjagd” geben und dem Sfägermeifter das übliche „Reiſe— 
geld", wie er e8 am Rhein zu haben pflege, gewähren. 


Am 1. Dftober verfauften „Bürgermeifter und Rat der Stadt 
Arnsberg jamt Nichtleuten der vier Ämter dem Henning Gräß, Ger- 
trud Budde, jeiner chelihen Hausfrau, ihren Erben und Nachkommen“ 
den Stadtgraben, jo im Oſten bis an die Klofterpforte, im Weften 
bis an den grünen Turm geht, aljo längs der Südmauer der Stabt 
30g, weil die Stadt Schulden gemadt hatte, um die jchweren Kriegs— 
fontributionen, kaiſerliche wie heſſiſche, erlegen zu fünnen. 
Der Berfauf des Stadtgrabens war nicht der einzige Verluſt an 
ftädtifchem Eigentum in jener Zeit. Um ſich aus der Not zu helfen, 
entäußerte fi die Stadt mander Ländereien und Gerechtſame. Unter 
den Käufern tritt befonders der bereitS erwähnte Hexenrichter Dr. Schult— 
heiß hervor, der in den Jahren 1629—43 das Yand am „Dide- 
bruch“ an ſich bradte und dort ein „Luſthaus“, Viehhaus und eine 
Sägemühle, am Hellefelder Bade, anlegte. 


1642 (Henning Gräß). 

Nach Lhons Abzug kamen am 19. Juni von Hamm her neun 
Soldaten mit 22 Artilleriepferden, die bei Jakob Lantz verpflegt wurden. 
Am 7. September fam Hauptmann Buttelhar mit feiner Kompaynie 
und verblieb vier Tage. Am 14. September langte der Lieutenant Ley 
mit „den nad) Marsperg verlegten Soldaten“ wieder an, Auf Befehl 
de3 Kommandanten Stußinger mußte die Stadt „neue Kreuzpforten an 
der Burgpforten und Yeitern an den Wadthäujern der Stadtmauern“ 
machen laſſen. Am 15. Oftober langte Obriftlieutenant Voß, einige 
Beit jpäter General-Wachtmeifter Schnetter an. „Im Beifein der kur— 
fürftlichen Räte und des Obriftwachtmeifters Holzapfel“ wurde auf dem 
„Scießplag außer der Stadt” tapfer gezecht; mehr noch bei der Bürger- 
meifterwahl, bei der für 43", Nthlr. Wein „liederlih aufgegangen”, 
dann bei des Pfennigmeifters Hochzeit, endlich bei den traurigen Kon— 
ferenzen, die der mehrfad erwähnte (j. S. 263) Herenridter Dr. Schult- 

23* 


356 Kurkölniſche Zeit. Der dreigigjährige Krieg. 


heiß „in Inquiſitionsſachen“ mit den Stadtoätern abhielt. Deren ge- 
ſchieht jet faft jährlih Erwähnung. — Die Einnahmen der Stadtfafje 
betrugen 1184, die Ausgaben 1175 Thaler. 


1643 (Gräß). 

Km Februar ſuchten Dbrift Siversdorff und Generalfommiffar 
Blomenthal Einquartierung, ließen ſich aber zurüctweijen. Am 22. März 
fagerte Schnetter ſich mit „etlihen Völkern" ein; am 26. famen 22 Ar- 
tilferiepferde von Hamm. Am Horizonte drohten Gewitter; Rud. Appel 
befam Auftrag, bei Durdlaudt wegen „Abwendung der Kriegsbejchwer 
zu follicitiren" ; des Jägermeiſters Einfluß wurde dur ein Gejchenf 
von vier Schinken (!) gewonnen. Ein Bote wurde nad) Hamm gejandt 
„wegen Abjchaffung der zwei Neiterregimenter Voß und Lanspergh“. 
Die furf. Räte fonferierten in der Weinftube „wegen Abwendung der 
Kriegsgefahr". Im Mai famen „Hammiſche Dragoner”. Im Juni 
wurde Freiherr von Schnetter wieder einlogiert. Später zog „Ercellenz“ 
über Sundern nad) Freusberg. Die Stadt gab ihm einen Trunk für 
8 Rthlr. 40 Sch. mit. Voß ritt einft mit feinen NReitern um die Stadt, 
befichtigte die Feſtungswerke und ftattete dann dem Hexenrichter einen 
Beſuch ab. Sie zehten im Garten bei feinem Lufthaufe, und die Stadt 
trug die Koſten. Im Oftober fam der Generalauditeur Kleymann, 
dem die Stadt etlihen Wein präfentierte, damit er „bei der Generalität 
der Stadt Notdurft, ſonderlich wegen der Servitien gedächte“. In 
demjelben Monat wurden zwifchen dem neuen Abte von Wedinghaufen, 
Keller, und dem neuen Bürgermeifter, Kafpar von Effen, unter Bei- 
ftand des Abtes von Knechtſtaden, Leonhard von Teveren, und des 
Dr. Schultheiß Verhandlungen wegen Gründung eines Gymnafiums in 
Wedinghaufen gepflogn. Inmitten der Kriegswirren erblühte 
die neue höhere Schulanftalt und wurde am 1. November 
eingeweiht.!) Einnahme des Jahres 737 Neichsthaler, Ausgabe 
718 Reichsthaler. 

Aus dem Yahre 1643 Tiegt ein dienftliches Schreiben aus Arns- 
berg, wahrſcheinlich des Landdroften, an den Kurfürften in Köln vor, 
welches auf die Notlage des Landes ein grelles Licht wirft. Die Räte 
in Arnsberg hätten mit Beftürzung vernommen, daß die vordem 
„gnädigſt erlaffenen 3000 Rthlr. monatlicher Kontribution” nun doc) 
an die Soldatesfa entrichtet werden follten und zwar unter Nad- 
zahlung der für einen Monat ausgefallenen Summe Es jei zwar 
jeine Schuldigfeit, fährt der Schreiber fort, Sr. Durchlaucht Befehlen 


») Das Nähere unten im Abfchnitte über Wedinghaufen. 


1643— 1649. 357 


in allem „gehorfamft zu pariren”, und er könne auch die armen Unter- 
thanen, „jo lange das geringfte von ihnen zu erpreſſen“, für die Solda- 
tesfa in Anſpruch nehmen; da er aber „diejes Landes Untergang hand- 
greiflich daraus verjpüre”, jo müffe er es Gott und Sr. Durdlaudt 
anheim ftellen, ob nicht andere Wege eingejchlagen werden follten. 

„Den 16. Dezember 1643 war eine ſolche Überfhwemmung, 
daß ſämtliche Brücken bei Arnsberg ftürzten und in dem ganzen Ruhr: 
thal Weiden, Wiefen und Ader zu Grunde gingen. Man fertigte 
darüber folgendes Diſtichon: 

SaeVa nIMIs Iano {VrIt eXVnDatlo rVrae 
InfrInglt pontes, pasCVa, prata et agros.“') 

(Gar zu wild durd Janus, raft der Ruhr Überſchwemmung, bricht 

ein die Brücken, verwüftet die Weiden, Wiefen und ücker. 
1644 (K. v. Eiien). 

Am 16. März Anfunft des Grafen v. Vhelenn, Excellenz. 30. März 
Ankunft des General-Wadtmeifters Schnetter. 6. April Einlogierung 
„Ihrer Fürftl. Gnaden von Oßnabrück und bei fi) habenden Völker". 
Verhandlungen wegen Ungebühr der Soldaten in „Örundficherei”, 
Zerftören der Garten» und Feldfrüchte. Bei der Nechnungslage faſſen 
die Stadbtväter den heroiſchen Entſchluß, daß die foftbaren Wein- 
gelage und Bankette bei der Bürgermeifterwahl und an 
den folgenden Tagen abgejhafft werden jollen; zur Ent: 
Ihädigung wird den Ratsperſonen ein gewiſſes an Wein in ihre Woh— 
nungen geſchickt. (!) 

1645 (K. v. Eſſen). 

Am 18. Januar Begrüßung des kurf. bayeriſchen Abgeſandten 
Freiherrn von Hoſelangh. Verhandlungen mit Kommandant Stutzinger 
haben das Ergebnis, daß die Tagwache den Bürgern erlaſſen wird. 
Am 25. Juli 1645 erſchien der Paderborner Weihbiſchof und General: 
vifar Bernhard Frid vor dem Landdroften Friedrih von Fürften- 
berg und zeigte ihm und den Mäten eine kurfürſtliche Vollmacht 
vor (Kurfürft Ferdinand war zugleich Biſchof von Paderborn), Fraft 
deren er im „Surland“ alle durd den Krieg entweihten Kirchen zc. 
neu konſekrieren und überall das Saframent der Firmung jpenden folle. 
Nachdem die arnsbergijche Regierung dem Weihbifchofe in allen Bunkten 
bereitwilligft ihre Unterftügung zugejagt hatte, ließ Fried allen Dechanten 
und Pfarrern eine gedrudte Anformation zugehen und begann am 
26. Juli in der Klofterfirhe zu Wedinghauſen die Spendung der 


7 Hüfer, Chronik S. 52. 


358 Kurkölniſche Zeit. Der dreißigjährige Krieg. 


h. Firmung für die Parodie Arnsberg. Es fanden fih 1012 Firm- 
linge ein. Der Weihbifchof fuhr troß der Fährlichkeiten des Krieges 
auch in den nächſten Jahren mit dem Firmen im Gebirge fort und 
jpendete am 22. Juni 1647 dieſes Saframent in Arnsberg zum 
zweiten Dale 134 Firmlingen.!) 

Für den Monat Juli ift ein „Contributions- Register“ er- 
halten. Auf dem Umſchlag ift bemerkt: „Weillen vonn negjt ver- 
flogenem Monat Maio biß auff den Auguftum inclufive die heſſiſche 
Eontribution, benebens der lauffenden Kayßerlichen, in duplo zu 
bezhalen, tem die Notige Statts Baukoſtenn, Ahn eingefallenen 
Maurenn undt Schladhten, wie nicht weniger zu deme Auffm Mardt 
verfalfenem undt reparirten Waflerfumpff große Anlagh und Auß— 
gabenn erfordert werdenn, Allß Iſt auff dieß Negifter die Contribution 
anderthalb mhall zu erhebenn bejchloffen worden.“ BReceptores 
Kemner Jacob Yank und Rudolpff Eslings. „Auf dich Negifter ift 
weiters die Kontribution auf den Monath Auguft in Simplo erhoben 
worden." Damals wurden von 81 Hausftellen der Altftadt, von 106 
jolhen der Neuftadt 30 + 55 Rthlr. pro Julio erhoben. Einige 
dieſer Hausftellen waren nicht bebaut. Auch Beckermanns Haus ift 
in der Lifte. Am 19. Oftober wird über „Snfolentien des Haupt— 
manns Ledebhur“ Klage geführt. Dr. Schultheiß muß wieder ver» 
mitteln. Einnahme 493", Rthlr., Defizit 434, Rthlr. 


1646 (Ügidius Rublinger). 

Ankunft des General-Feldmarjhalls von Holzapfel. Am 13. Mai 
Ankunft des Fürften von Holftein, für dejfen Reiter am 24. und 25. 
Hafer anhero geführt wird. Inzwiſchen ift noch Chriftian von der 
Ley aus Attendorn auf Arnsberg zurückgekehrt. 13. Juni: Klagen 
wegen „Inſolentien der Reiterei”. 16. Juni: Abzug der zwei Haupt: 
leute Korte und Zord. 4. Juli: Einquartierung der Soldaten des 
Hauptmanns Voß. 17. Zuli: deffen Abzug. 28. Juli: Einquartierung 
des Kapitän-Lieutenants Obrift von Weftvalen. 8. Auguft: der Pfennig: 
meifter zahlt an die Stadtfaffe die Hälfte der Gelder wegen verpflegter 
Alfefeldifcher Neiterei. 28. Auguft: Nittmeifter thor Lohn verlangt in 
Arnsberg einquartiert zu werden und kommt, von Lizentiat Iking ab- 
gewiefen, perfönlid) aufs Rathaus. 23. und 24. Auguft, 1. September: 
fortwährende Veränderungen der „Boletten“ wegen „vieler eingekom— 
mener Soldaten”. 20. Sept.: Pater Prior und Paftor bitten um 
Hergabe des Nathaufes zur Abhaltung der Comoedia. 


) Hake, Blätter 3. n. K. W., 1881 S. 37, 41. 


1645— 1646. Die Schweden vor Arnsberg. 359 


Wenn die vorjtehenden der Stadtredinung entnommenen Daten 
ein Bild von dem bunten Wechſel des Kriegslebens während dieſer 
Zeit geben, jo wird doch das merkwürdigſte Ereignis des Jahres durd) 
feine Notiz bezeichnet. Dies iſt die 


Bedrohung der Stadt durd Douglas, 
von ber uns zwei Quellen berichten. 

1. Rud. v. Eßl fährt in der oben unterbrodenen Schilderung 
fort: ... Bis endlid der berümbte jchwediihe Feldmarſchalck Graf 
Douglas diefem unferem Arngberg mit feiner unterhabenden Armada 
von 7 ad 8000 Mann den Garauß zu machen vermeinet, hat feine 
Marche vom Hirfchberg durd den Wald genommen, fid) langs die 
Haar bei Arnfberg bis an den Lüſenberg in Bataille geftellet, 
alferjeit8 Drter zum Canouniren recognogcirt ꝛc. Weilen er aber an 
feinem Ort in der Eile einige avantage finden, viel weniger feine 
Trouppen durd den großen Wald mit behörender Fouragie, Vivres etc. 
verjehen fönnen, als hat er lieber feine rück marche juden, als die 
gauge Armada in eufferfte Gefahr und Ruin ftürgen wollen und ift 
darüber unjer liebes werthes Arnßberg bei letztem jchwerem Kriege uns» 
verfeget geblieben und hat vielen unzeitigen Bulen den Korb gegeben." 
„Wie viel mehr würde es ſich männlich gegenftreuben,” fährt von Eßl 
refleftierend fort, „wann es zum wenigjten mit folder fortificationis 
Defenfion verfehen, daß e8 ad 14 Tage eine ftarfe Attaque ausftchen 
lönnte, es mögte dermahlen eins (welches Gott gnädigſt verhüte) ein 
joldyer ftarfer Feind dar vor rüden, welder mit einem Theil Volks 
die Belagerung continniren und ohne das mit elichen taufend Mann 
die Fourage weit und breit juchen könnte, welches alles ſich doc) nicht 
viel länger al3 auf 14 Tage in die Harre (weilen interim die umb- 
liegende DOrter auf den Grund, leider, würden conſumirt fein) ver- 
ziehen könnte.“ 

2. Eine umftändlidhe, den Zufammenhang der Ereigniffe erläuternde 
Schilderung des Vorfalles giebt folgendes von Seiberg edierte Alten— 
jtüc des Arnsberger Magiftrates. 


In memoriam aeternam posterorum ciuitatis 
Arnsbergensis 1646. 

Hiermit zu wiffen zur ewigen Gedächtnis der Pofterität. Dem: 
nah der jchwedifhe General und Reichs-Zeugmeiſter Karl Guſtav 
Wrangel Ao. Dni. 1646 in Aprili mit einer großen Armada Kriegs— 
völfer zu Roß und Fuß vor die Stadt Hörter, im Stift Corvey an 
der Wejer gelegen, ſich gelagert, felbige Stadt nad) gebrauchten ftarfen 


360 Kurkölnifhe Zeit. Der dreigigjährige Krieg. 


Eifer und erſchrecklichem Kanonieren der groben Stüde Geſchütz inner- 
halb wenig Tagen erobert, und die Faiferlichen Garnifon-Bölfer auf 
Gnade und Ungnade fi ergeben müffen, darauf weiter die Stadt 
Hörter, an Turm und Mauern nad) bejchehener Ausplünderung, ganz 
und zumal demoliert worden. Folgends am 11. Mai ift obgedachter 
ſchwediſcher General, mit der ganzen Madt zu Roß und Fuß vor bie 
Stadt Paderborn gerüdt und hat ebenfalls alfjolhe Stadt mit 
ftarfem Kanonieren und Feuereinwerfen dahin gezwungen, daß felbige 
am 15. Mai hernach auf Gnade und Ungnade fi auch ergeben und 
demnächſt mit heſſiſchen Völkern beſetzt worden. 

Bei währender Belagerung aber gemeldeter Stadt Paderborn ift 
der jchwedifche General-Major über die Neiterei, Douglas genannt, mit 
zwölf Negimentern zu Roß, und noch zwei Regimentern Dragonern, 
aus dem Lager vor Paderborn losgebrodhen, um fowohl auf das Furf. 
Schloß und Stadt Arnsberg zu refognoszieren, als aud dem 
faiferlihen holfteinifhen Negiment zu Pferd (welches teils alihier 
in der Stadt Arnsberg beneben Ihr. Fürftl. DI.: von Holftein als 
Obriften, wie auch die übrigen Kompagnien, in den nächſten Städten, 
Grevenftein, Allendorf und Balve verlegt gewejen) einzufallen und die— 
jelben zu ruinieren, welches doch durch jonderbare Schickung Gottes 
gnädig verhütet und abgemwendet worden, ferner aud die Stadt 
Marsberg!) mit ebenmäßiger feindlicher Gewalt angegriffen und 
innerhalb wenig Tagen nicht allein erobert, fondern auch ausgeplündert, 
Zürme und Mauern ruiniert und endlich beinahe ganz abgebrannt und 
eingeäfchert worden. Item alfe umliegenden Städte, Brilon, Rüthen, 
Warftein,?) Hirfhberg und Belefe, wie nicht weniger die Frei— 
heiten und Gerichte von den ſchwediſchen Völkern ausgeraubt und 
geplündert, viele Menſchen tyrannifcher Weiſe totgefchoffen, gefänglich 
weggeführt und dergeſtalt unchriftlich gehaufet, daß nicht allein dies 
ganze Land, ſondern aud) alle benachbarten in unfäglicher Furcht und 
Schreden geftanden, zumal dann alle Hoffnung des kaiſerl. Suffurjes, 
weil diejelbe Armada nod weit im Oberland zurückgeweſen, auch bie 
ſchwediſchen Völker im Feld überlegen waren, beinahe verloren gehalten 
wurde, unterdeffen und vorhin aber am 16. Tag Monats Mai, 
morgens zeitig, zwijchen 6 und 7 Uhr, etliche ftarfe Truppen Weiter, 
ganz oben auf der Haar in den lichten Bäumen ſich jehen laffen, das 
Schloß und Stadt refognosziert, aud eine Partie weiter herunter ins 


1) S. Seiberg, Quellen J, S. 138 ff. 
2) S. meinen Auffat im Sauerl. Gebirgsboten 18394 Nr. 3. 


1646. Die Schweden vor Arnäberg. 361 


Feld kommen, und gar nahe auf den Stadtländereien, und vor der 
Klofter-PBforten-Brüden, wie auch aus dem Ollerfeld beinahe 
an die fünfzig Pferde, vor den Pflügen und Miftwagen weggeraubt, 
und damit zu dem übrigen Schwall, welcher zu Oventrop hinterm 
Nornberge, auf dem Schehe genannt, in Bataille gehalten und 
dabei ad 116 Standarten und Fahnen gezählt worden, wieder 
zurücgegangen, aud) das Klofter Rumbed ganz ausgeplündert, jedod) 
diefe Stadt Arnsberg jamt dem furf. Schloß, welche dod der vorgem. 
ihwediihe General Wrangel nit allein durch verjchiedene ab- 
geichickte Trompeter und Tambourn auffordern, ſondern aud, laut 
untengejegten, an kurf. Herrn Landdroften und Räte abgegangenen 
Schreibens, die Ausihaffung der kaiſerlichen Garniſon gefinnen 
laffen ... Der allerhöchſte Gott wolle diefer Stadt Einwohner von 
aller Kriegsgefährlichkeit, Brand und Unglüd, durch die heilige Inter— 
zeifion und Fürbitte des 5. Vaters und Patronen Norberti, ferner 
gnädig bewahren. Amen. Sic conclusum Arnsberg in Curia. 
A0. 1646. Am 2. Yuni. 


Eopia des Schwedifhen Generall vnd Reichs-Zeugh— 
Meifters Carl Guſtav Wrangells, ahn Ehurf. Tandtdroft 
und Rhäte abgangenen Schreibens. 


Wolledele, Geftrenge, Veſte vndt Hochgelherte, bejonders geehrte Liebe 
Hern vndt Freunde. 


Ich habe nit anftehen wollen, denen Hern hiemitt wollmeindtlich 
zu eröffnen, wellchergeftalt ich bey jetiger, der Könighlichen Hauptarmee 
alfhiefigh jubfistirendt, gentlichen gejonnen bin, mich def Haußes Arns- 
bergh negft Gott zu impatroniren, vndt von denen darauff liggenden 
feindtlichen Völlckern, follches zu entfreyenn. Wiewoll nun zwar auff 
der Fraw Landt-Grauinnen zu Heßen!) fürftl. Gn. Inter— 
nention vndt erhebliches Vorwenden, id) die Attacque bemeltes 
Schloßes bifhero juspendiret habe, jo will mihr doch gar nit thuenlich 
jein, number damitt enger nachzuſehenn, habe aber vorhero, damitt 
daherumb befindtliche Orther, undt Vnterthanen, allß wellche auff ſolchen 
Fall, deß Kriegs Vngelegenheit, ahm meiſten empfinden, noch etwa 
conſeruirt pleiben mögen, eß denen Hern zur Nachricht ahnfuegen, vndt 
zu dero Guthdüncken vndt Gefallen ſtellen wollen, ob ſie nicht lieber 


) Amalie Eliſabeth, Landgräfin von Heſſen, hatte ji) u. a. die Graf— 
ihaft Arnsberg zur Entjchädigung für ihre den Schweden geleijtete Hilfe 
ausgebeten. Diefem Umjtande verdankt Schloß und Stadt Arnsberg feine 
Rettung bor der Zerjtörung im 30 jährigen Striege. 


362 Kurkölniſche Zeit. Der dreißigjährige Krieg. 


die auff bemeltem Scloße befindtlihe Guarnifoun, außer Einfhürungh 
der Konighlichen Schwediſchen Waaffen, herauß zu jchaffen, allß jonften 
es darmitt, zu den Extremiteten vndt der Vnterthanen Berderbungh 
fommen zu laßen, gemeint jein wurden, zumballn ihnen, auß vor 
Augen habenden Erempeln nicht unbefandt fein wirt, waß der Kriegh 
auff jolhen Fall vor Konfequentien nad) ſich ziehe, Ich will der Hern 
cathegorifchen Erflerungh darüber jo baldt gewerttig fein vndt empfele 
jie Gottes Schuß, Dat. im Yäger vor Stattberg den 18. May 1646. 
Der Hern freundtwilliger C. ©. Wrangell. 
Inscriptio. 


Denen Wolledelen, Geftrengen, Velten vndt Hocdgelherten, Chur: 
Cöllnifchen, zur Arnßpergiſchen Regierungh verordtneten Hern Land— 
droſten vndt Rhäten, 

Meinen beſonders geehrten lieben Freunden. 
Locus Sipgillj. 

Anfolge der ſchweren Unbilden, denen er ſein Land preisgegeben 
ſah, begab ſich der Yanddroft Friedrich von Fürſtenberg nad) Bonn, 
um perſönlich beim Kurfürſten Rat und Hilfe zu erbitten. Da ereilte 
ihn am Riheine im Alter von 70 Jahren der Tod am 9. Auguft 1646. 
Am 25. Februar 1647 wurden feine Gebeine in der Klofterfirche zu 
Arnsberg neben der Gruft feines Vaters links von der Thür zur 
Safriftei beigejegt. Sein großartiges Grabdenkmal, die Arbeit eines 
jüngeren Groninger, mit „koloſſalen Karyatiden, aber nicht kirchlichen 
Verzierungen” ift beachtenswert wegen der liegenden Statue des Land— 
drojten. Kurfürft Ferdinand ließ die Stelle des Geftorbenen zunächſt 
unbejegt; erjt nad) wiederholten Beſchwerden der Yandjtände ernannte 
er im Jahre 1649 einen neuen Landdroften, Theodor von Landsberg. 

1647 (8. dv. Eiien). 

Die Trompeter des holfteinifchen Negiments blaſen dem Bürger: 
meifter das neue Jahr an. inlogierung von werliihen Sol: 
daten. 23. März, Avis, daß Exc. General-Wadtmeifter von Spar 
mit „bei fi) habender Ammunition und Convoi” nad) Arnsberg mar: 
jhieren jolle. 30. März: Einlogierung des Fürften von Holftein. 
Obriftlieutenant Pape und Stuginger zechen mit den Räten auf Stadt- 
foften (6 Thlr.). 17. Mai: Einlogierung „Rittmeifter Brunsfeldifcher 
Kompagnie.“ Oberst Pape kommt zu einer „Weinprobe" aufs Rathaus. 
Verhandlungen mit Brunsfeld wegen der Weide für die Pferde. 
4. Juni: dem Weihbiihof von Paderborn für einen Athlr. Wein ins 
Klofter (j. 1645). 20. Juni: Schügengelag auf dem Rathauſe, Ein: 


1647— 1648. 363 


ladung des Prälaten und de3 Priors von Wedinghaufen und des Richters. 
22. Auguft: Deputierte der Städte zur Beratung des gemeinen Weſens. 
Den armen Yungfern von Odader in der Einſamkeit des Arnsberger 
Waldes zur Aufbefferung ihres Klofters einen Thlr., denen vom Cifter- 
cienferinnenflofter zu Himmelpforten (S. 40) zur Kirche zwei Thlr. 
23. Dez. Einlogierung des Obrift-Lieutenants Funde und Kompagnie. 
Kaſpar von Eſſen nad Meſchede zu Verhandlungen mit Exc. von 
Lamboy. 
1648 (Gräß). 

22. Jan.: „Bolettierung“ der wiedergekommenen Völker des 
Obriſten Pape. Obriſtlieutenant Funcke geſinnt, den Reitern die Koſt 
zu geben. 11. Februar: Obriſt Pape fordert Gräß aufs Schloß und 
„mutet die Koſtgebung der Soldaten an“. Pape war demnach Schloß— 
fommandant. 12. März: Lieutenant Ley mit den Völkern von Pader— 
born einlogiert. 13. Mai: des Obriftlieuntenants Lansperg „Pagagie” 
(Troß) hier einlogiert. 2. April: Einlogierung der Hauptmann Torck— 
ihen Kompagnie. 7. April: Mahl beim Landdroften; Oberſt Pape und 
andere Hauptleute verlangen die „Koftverpflegung". 6. Mai: Verband: 
lung mit Lieutenant Stodhaufen wegen Servisgelder. 13. Mai: Dem 
Hauptmann Stutinger werden vier Rthlr. verehrt, weil er „der Stadt 
zu Ehren den Joh. Hardenhaß losgegeben, auch Paßporth erteilet hat”. 
14. Mai: Verhandlungen wegen der Tagwadıt. 18. Mai: Abreife des 
Obriſten Pape. 20. Juni: Verhandlungen mit den Fähndrichen Weit 
phalen und Wreden wegen ihrer Servitien. 25. Juni: desgleichen mit 
Lieutenant Stodhaujfen. 21. Juli: „Bolettierung des H. LYanddrojten 
einfommener Völker“. 24. Juli: Abreife des Kapitänlieutenants Yey 
und anderer Offiziere. 3. Auguft: Verhandlungen mit Hauptmann 
Weftphalen. 3. Sept: Der Bürgermeifter geht zum Hauptmann 
Stuginger auf das Schloß wegen „Prätenfionen feiner Offiziere”. 
20. Sept.: Neue Verhandlungen mit Hauptmann Weftphalen wegen 
„Wachhaltung“. 27. Sept.: Comoedia auf dem Rathauſe. 14. Oft.: 
„Bolettierung verschiedener einfommener Völker”; Hauptmann Callden- 
bad. 18. Dft.: Soldaten in der Stadt aufgejchrieben. Lieutenant 
Xerren von Lhon. 29. Dez.: Obriftlientenant von Kipshovens Völker 
werden mit Brot verpflegt. Mit Stuginger wird wegen der Wade 
verhandelt. Bolettierung etliher landdroftlicer Völker. Yanddrojt von 
Horar fommt mit Völlern an. — Stadtrehnung: 826 Rthlr. Ein- 
nahme, 603 Rthlr. Ausgabe. 

Die vorgeführten Daten Ichren, daß Arnsberg noch im kriegeriſchem 
Zuftande blieb, wenngleich inzwifchen der Weftfälifche Friede dem gräß- 
lihen Kriege ein Ende gemacht hatte. 


364 Kurkölnifche Zeit. Der dreifigjährige Krieg. 


Nad) dem Weftfälifchen Frieden wurde auf den 16. November ein 
Yandtag berufen, zu welchem der Kurfürft perſönlich erſchien.) Vom 
Domkapitel waren Franz Egon Graf zu Fürftenberg, Hilgenberg ꝛc. und 
Georg ab Eichen, Lizentiat, abgeorbnet; vom Grafenftand Fam Eric) 
Adolf Graf zu Salm ꝛc, des Erzftifts Erzmarjchall, Ferdinand Ludwig 
Graf zu Wanderjcheid, Blankenheim ꝛc. für ſich und als gräflid) Blanken— 
heimjcher Vormund, und andere gräfliche Abgefandte; Ritterſchaft und 
Städte waren gut vertreten. Die Propofition, in welcher der Münjter- 
ſche Traftat enthalten war, betraf die ſchwediſchen und heſſiſchen „Satiss 
fafttonsgelder”, welche das Erzitift aufbringen ſollte. Der Kurfürft 
bat, diesmal zur Beichleunigung des Verfahrens ausnahmsweije 
per modum capitationis zu verfahren, d. 5. SKopffteuern zu er- 
heben. Die Stände drüdten zunächſt ihre Freude aus über „Ihrer Ehurf. 
Durchlaucht ihnen höchfterfreulicher Gegenwart und Wiederfunft aus 
dem Stift Lüttich“, erklärten fi) dann, mit Rückſicht auf den „bejorg- 
lichen höchſtgefährlichen Zuftand“, der drohte, wenn die Satisfaktionsgelder 
nicht in den beftimmten terminis erlegt wurden, zur Annahme des vor- 
gefchlagenen „Mediums Capitationis“ felbftverftändlih ohne „einiges 
Präjudiz der Stände in genere et specie” bereit, bejchwerten ſich aber, 
daß der heſſiſche Anjchlag zu Hoch angeſetzt fei; derjelbe belafte das obere 
Erzftift mit 8000 Rthlr., das niedere mit 6000, das weftfälifche und 
veftiiche mit 7680 Reichsthaler. Dies wurde beanftandet und Abhilfe er 
wartet. Weiter wurde fejtgejegt, daß der Klerus den vierten Zeil der 
Schagungen tragen, die Juden 3000 Rthlr. zahlen, der Reſt nad) be— 
ftimmten Klaffen verteilt werden folle. Die Landftände hoben alsdann 
beſchwerend hervor, daß das Yand ſchwere Kriegserefutionen erlitten habe, 
weil den Heffen die vom Landtage bewilligten Konfumtionsgelder nicht 
ausgezahlt ſeien; daß bei des Kurfürften Abwejenheit die Räte neben 
der bewilligten Kontribution noch bejondere ausgefchrieben hätten, und 
zwar auf die Monate Juli, Auguft und September; daß die freien 
Yandftrafen mit Rauben und Plündern unficher gemacht wären, wie 
denn noch jüngft einem Bedienten de8 Domkapitels fein Pferd und 
andere Sachen weggenommen feien. Der Kurfürft fagte Abhilfe bezw. 
Unterfuhung zu. Nach zehntägigen Verhandlungen wurde der Landtag 
verabſchiedet. 


1) Abſchrift des Abſchieds unter den nicht regiſtrierten Akten des hie— 
ſigen Stadtarchivs. Nach Brunabend fand der Landtag in Arnsberg ſtatt 
Dies iſt aus unſerer Kopie nicht zu erſehen, und da auch Brunabend nur 
eine Kopie eingeſehen hat, ſo bleibt der Ort zweifelhaft, weil mehrere Gründe 
gegen Brunabends Angabe ſprechen. 


16481650 365 


1649 (Gräß). 

Langſam legt die Stadt das Kriegsfleid ab. 28. Juni: Verhand- 
lungen mit Hauptmann Stuginger wegen Öffnung der kleinen Stadt: 
pforten. 23. Aug.: Einlogierung eines ſchwediſchen Majors. 13. Sept.: 
Die Stadt ſchenkt Stußinger einen filbernen Becher wegen Herausgabe 
des Schlüſſels zum Burgpfortenthor. 16. Sept.: Comoedia. Bei 
der Rechnungslage vom 2. Oftober wird „die übermäßige Spendierung 
des Ehrentrunfes" getadelt. 19. Dft.: Aufnahme der einlogierten Sol- 
daten. 4. Nov.: Beiprehung mit Stutinger. 24. Dez.: Bagagie und 
Diener des Landdroften Theodor von Landsberg langen an. 

1650 (Gräß). 

Jan.: Abſchluß mit Kapitänlieutenant Höyngh wegen beanjpruchter 
Servizien. 9. März: Obriftlientenant Schungell auf dem Schloſſe 
wird von dem Pate wegen prätendierter monatliher Servizien auf- 
gejucht. Hauptmann Furſt führt verfchiedene Hölzer zur Schneidemühle. 
15. Juni: Bericht des Rektors Ludwig Moiß „über die von Durd)- 
laucht erhaltenen zwei Jahrmärkte und BPräfentation des Patentes" 
(S. 290), — Letter Beſuch des Kurfürften. 12.—14. Yuli: 
Seftjtellung der Quartiere für den Hof mit dem furf. Fourier. Dem 
Trommeljchläger, der vor Ankunft Sr. Durdlaudt zweimal der Stadt 
zu Dienften die Trommel gejchlagen hat, 12 Sch. 24. Juli: Bürger- 
meifter umd Räte bejprechen die Ankunft des Kurfürften. 5. Auguft: 
Sie gehen Sr. Durchlaucht aus der Stadt entgegen. 6. Aug.: Bolet- 
tierung der furfürftlichen Leibgarde. 

Der gealterte Kurfürft, der jeit zwanzig Jahren jeine weſtfäliſche 
Nefidenz nicht mehr aufgejucht Hatte, fjuchte nun im edlen Waidwerf 
Erholung von den Aufregungen und Mühſalen des geendeten Krieges. 
Als er eines Tages von der Jagd auf das Schloß zurüdfehrte, fühlte 
er ſich unwohl und legte fih. Bald nachher, am 13. Sept., jtarb er im 
60. Lebensjahre, von jeinen Unterthanen innig betranert. 


Fünfter Abſchnitt. 


Die Regierung der Kurfürften Marimilian Heinrich, 
Hojeph Klemens und Klemend Auguſt bis 1758. 
Zeit des franzöfifchen Einflnfies. 


Allgemeiner Seil: Die kurfürklidien Hofhaltungen, 
Bauten und Anlagen. 
Überſicht. 

Die Zeit zwiſchen den beiden großen deutſchen Bruderkriegen iſt 
weſentlich gekennzeichnet durch den franzöſiſchen Einfluß, namentlich in 
denjenigen Teilen Deutſchlands, deren Fürſten, wie die Kurfürſten von 
Köln, mit den Franzoſen Bündniſſe eingingen. Wie ſcharf auch die 
engen Beziehungen dieſer Fürſten zu ihrem Nachbarlande vom deutſch— 
patriotifchen Standtpunfte aus getadelt werden müfjen, zumal ihre Ber- 
bindungen zum Kampfe gegen das eigene Vaterland, jo läßt ſich doch 
bezüglich) unferer Geſchichte nicht leugnen, daß dieſe Periode, wenigjtens 
äußerlich genommen, einen gewifjen Glanzpunft bedeutet. Es brach auch 
für Arnsberg im großen und ganzen eine Zeit der Ruhe und des Friedens 
an. Die häufigen Hofhaltungen der Teichtlebigen Herren, die üppigen 
Feſte, die prunfvollen Bauten, die herrlichen Anlagen in der Umgebung 
der Stadt, alles wirkte zufammen, um Arnsberg den Anftrich einer vor- 
nehmen Nejidenz zu geben. Allerdings jchien unter Joſeph Klemens 
die ganze von Mar Heinrich gefchaffene Pracht wieder jhwinden zu 
jollen; doc führte die Negierung feines Nachfolgers Klemens Auguft 
glänzendere Tage herauf, als fie unſere Bergftadt je gejehen hat. Erſt 
der am Ende feines Lebens beginnende fiebenjährige Krieg follte aller 
Herrlichkeit ein jähes Ende bereiten. Bevor wir in gruppenweijer Dar: 
jtellung ein Bild von dem Treiben und Thun, den Bauten ꝛc. der 


Marimilian Heinrich und feine Nachfolger. 367 


genannten Kurfürften in Arnsberg entwerfen, foll zur befjeren Orientierung 
des Leſers eine flüchtige Skizze von dem Verlaufe und den Charakter 
der einzelnen Regierungen gegeben werden. 

Marimilian Heinrich (1650—1688), Neffe des Kurfürften 
Ferdinand und feit 1642 fein Koadjutor, ließ fi durd) feinen Koad— 
jutor Egon von Fürftenberg (aus einer altgräflichen ſchwäbiſchen Familie) 
zu einem Bündniffe mit Louis XIV bereden. Gegen Zahlung einer 
bedeutenden Geldfumme übergab er dem eroberungsjüchtigen Könige die 
Feftung Neuß und ließ feine Truppen mit dem franzöfichen Heere 
gegen die Niederländer und den Saifer zu Felde ziehen. Als dieje 
jih nun feiner Nefidenz Bonn bemädhtigten, mußte er flüchten und 
ſich Jahre lang in Köln verborgen halten. An Nymwegen (1678) 
reftituiert, ließ er Egon von Fürftenberg trog feiner franzojenfreund- 
lichen Gefinnung zu feinem Koadjutor wählen. Hierüber zerfiel er mit 
dem Kaiſer und feinen Verwandten und ftarb aus Verdruß. 

Joſeph Klemens (1688— 1723) wurde gegen den Koadjutor 
Fürftenberg auf den Kurftuhl erwählt, wenngleich er noch nicht 18 Jahre 
alt war. Fürſtenberg rief die Franzofen herbei und veranlaßte fo den 
furdtbaren dritten Naubfrieg Ludwigs XIV (1688—1697). Bereits 
waren die Pfalz und die anftoßenden Gebiete in Einöden verwandelt, 
als Kurfürft Friedrich III, der nadymalige preußifche König Friedrich I, 
mit jeinen Brandenburgern heranrücdte und zunächſt die Flucht Fürften- 
bergs, dann die Übergabe Bonns herbeiführte, das faft ganz zerftört 
war. Zroßdem trat Joſeph Klemens, als im Jahre 1701 der 
ſpaniſche Erbfolgefrieg ausbradh, auf die Seite der Franzoſen. Der 
für diefe unglüclihe Ausgang des Krieges nötigte ihn zur Flucht nach 
Frankreich. Er lebte als Geächteter zwölf Jahre in der Verbannung. 
Erſt 1714 wurde er rejtituiert. In Frankreich hatte er die priefter- 
liche und biihöflihe Weihe empfangen, aber aud den Luxus des fran- 
zöfiichen Hoflebens Fennen gelernt. 

Klemens Auguft (1723—1761), Sohn des Herzogs Maximilian 
Emanuel von Bayern, Neffe des vorigen Kurfürjten, wurde von diefem, 
noch che er 16 Jahre alt war, nad) einer harten im Exil verlebten 
Kindheit zum Koadjutor, im 19. Lebensjahre dur Vermittelung des 
Papftes Klemens XI, feines hohen Lehrers, zum Biſchofe von Pader- 
born und Münfter, im 23. Jahre zum Leiter des Erzftiftes Köln ge- 
macht (1723). Im Jahre 1728 wurde er auch noch Biſchof von 
Dsnabrüd und im Jahre 1732 Großmeifter des Deutjchen Ordens, 
Durch Vereinigung jo vieler Souveränitäten war Klemens Auguft einer 
der wmächtigjten Fürſten Deutſchlands. Er ſchloß ſich, gleich jeinem 


368 Kurkölniſche Zeit. Zeit des franzöfifhen Einflufies. 


Bruder Karl Albert, ganz an Franfreih an und ging mit biejem 
1734 und 1740 enge Bündniffe ein. Die Erfolge der Verbündeten 
im öfterreihifchen Erbfolgefriege zwangen ihn 1743, fid) von Kaijer 
Karl VII, jeinem Bruder, und von Frankreich loszuſagen. Zur 
Charakteriftif diefes prachtliebenden Fürften feien einige Sätze aus 
Ennen: „Frankreich und der Niederrhein" (S. 364 ff.) angeführt. 

„Ungeheiier ivaren die Ausgaben, die für Anſchaffung von prachtvollen 
Ornamenten, berrlihen Equipagen, feltenen Pracdhtmöbeln und Kunſtwerken 
verivendet, für Urrangierung von glänzenden Hoffeſten, Sclittenpartien, 
Maskeraden, Opern, Scaufpielen und Balleten verausgabt, an Charlatane, 
Induſtrieritter, Sängerinnen, Tanz: und Theaterfünjtler verjchleudert wurden. 
Das meijte Geld verfchlang feine Freude an Jagdvergnügungen und feine 
Luft an großartigen Bauunternehmungen. Für die Hetz- und Parforcejagden 
pflegte er eine zahlreiche Hundemeute und eine große Anzahl edler jtolzer 
Pferde. Jeder der zu den SKlopfjagden aufgebotenen Bauern erhielt am 
Abende des Jagdtages Leder für ein paar Schuhe Seine vorzüglichſten 
Bauten find: im Kottenforjte Schloß „Herzogesfreude‘ ; „Falkenluſt“ am Ende 
des Brühler Parfes, für die Neiherbeize beftimmt — „Entenfang” bei Bey- 
dorf, Klemenswerth“ im Emslande. Ferner im Stil der Renaifiance das 
Bonner Rathaus, das Koblenzer Thor, das von Joſeph Klemens begonnene 
Nefidenzichloß Klemensruh im Poppelsdorf (auch die Poppelsdorfer Allee ijt 
jein Wert), die Augujtusburg in Brühl, die Refidenzichlöffer in Paderborn 
und Arnsberg. 


Sein ganzer Hofjtaat mit all den Ehargierten, all dem Beamtenvolf 
und Bertvaltungsperfonal, den Hunderten von Hofitatiften und faulen Müßig— 
gängern zeigte Har, in welcher Schule des Luxus Klemens Auguft Mujfter 
und Borbild für feine ganze Hofes- und Staatseinrihtung genommen hatte. 
Alles an feinem Hofe roch nad) dem Zeremoniell, dem Luxus, der Verſchwen— 
dung, der Mode, der Genußſucht, der Spielwut, den Sitten, der Leichtfertig- 
feit, der Galanterie des Schloſſes von Verſailles . . . Von Vaterlandsliebe 
war feine Rede bei dem unüberſehbaren Troß von Schranzen und Schmarogern, 
die aller Wegen an den Sameralgefällen zwadten und rupften und als kur— 
fürjtlicde Beamte in den Sold auswärtiger Potentaten traten. Wie der Herr, 
jo die Diener. Der Kurfürjt ſelbſt machte fich Fein Gewiſſen daraus, für 
Millionen fremden Sündengeldes das deutſche Vaterland an die Interefien 
auswärtiger Potentaten zu berraten; drum jträubten ſich auch feine Unter: 
gebenen in feiner Weiſe gegen die Verſuchungen der Beitehung . . . Der 
eigentliche Hofjtaat des Kurfürſten bejtand aus etwa 25 Oberbeamten, 110 bis 
120 Kammerherren im Dienjt und etwa 170—180 außer Dienft, einer unab- 
jehdbaren Reihe von Beichtvätern, Aumoniers, Mufifern, Leibärzten, Leib— 
garden, Trabanten, Burggrafen, Sntendanten, Malern, Läufern, Jägern, 
Gärtnern, Baumeijtern, Fournierern, Mundköchen, Bädermeijtern, Silber: 
dienern, Sellerjchreibern, Kellerdienern, Edelknaben, Paukern, Trompetern, 
Lakaien, Haiduden, Bimmerpugern, Leibkutſchern, Wagenmeiftern 2c. und etwa 
500 anderen Unterbeamten. Für die Verwaltung des Kurjtaates hatte er 
3 Staatsminifter, 35 Stantsräte, 12 wirkliche Geheimräte, 1 Direktor ber 


Klemens Auguft. Kurfürjtliche Hofhaltungen. 369 


geijtlichen Stonferenz, 17 geheime SKonferenzräte, 1 Hofratspräfidenten, 1 Hof- 
ratsdirektor, 26 Hofräte, 1 Präfidbenten und Direktor der Finanzkammer, 
25 Finanzräte, 1 Striegsratspräfidenten, 5 Kriegsräte, dann in jeder Branche 
eine obligate Schar von Sefretären, Konzipijten, Erpeditoren, Regiftratoren, 
Kanzliften und Dienern. Für die auswärtige Vertretung der Furfürftlichen 
Sntereffen waren befondere Gejandte in Wien, Parid, Rom, Haag, Bremen, 
Frankfurt, Regensburg und Wetzlar akkreditiert. Diefer ganze Troß von 
zum großen Teil überflüfjigen Beamten wetteiferte mit dem gutmütigen, hoch— 
herzigen, aber verſchwenderiſchen Fürſten in der Verwirtichaftung der kurfürſt— 
lihen Gehälter und Subfidien von auswärts. Klemens Auguft war an fein 
Geld gebunden. Seinen Favoriten gegenüber kannte feine Freigebigfeit fein 
Biel. „Stets zum Geben war die volle Hand geöffnet.” 

Die Mittel gewährte ihm feine Stellung als Großmeijter des Deutjchen 
Ordens. Nach den Statuten desfelben wurde nämlich je nach Ablauf eines 
Kahrhunderts die Kaſſe des Ordens geteilt, wobei der Großmeijter den be- 
deutendjten Anteil erhielt. Der Ablauf eines ſolchen Jahrhunderts fiel in 
die Zeit, da Klemens Auguſt Großmeijter war. Große Summen erwarb er 
durch Beranitaltungen bon Yotterien; namentlid) in Frankreich wurden viele 
Loje gekauft. Außerdem bezog er, große auswärtige Unterjtüßungen, jo von 
Frankreich, Dfterreich und den Seejtaaten, mindejtens im ganzen 14 Millionen 
Franken; von Frankreich allein in den legten zehn Jahren 7 Mill. 300 000 Fr. 


Die kurfürflicden Hofhaltungen in Arnsberg. 
Vorbereitungen, Anfzige, Empfang. 


Wenn die Kurfürften mit großem Gefolge ihre weſtfäliſche Mefi- 
denz aufſuchten, jo gab es jedesmal vielerlei zu bejorgen. Denn wo 
immer der Landesherr feinen Weg hernahm, da mußten die Straßen 
aufgebeffert,’) Quartiere beſchafft, Vorräte bejorgt werden und vieles 
andere. Namentlid hatten die Eurfürftlichen Dber- und Unterbeamten 
in Arnsberg vollauf zu thun. Der Landdroft und ber Oberfellner 
hatten das Ganze zu leiten. Ein Beijpiel joll da8 Gejagte veranſchau⸗ 
lichen. Am 12. Juli 1667 erhielt der Oberfellner Düder ein kurfürſt— 
(ihe8 „Memorial”, was er bei der Herüberkunft Sr. Durdlaudt zu 
thun habe. Der Kurfürft gedenfe am 27. Juli von Bonn nad) Arnsberg 





2) über den elenden Zuſtand der Strafen im Herzogtume handelt 
Seibertz' Auffaß: Die Straßen im 9. W. fonjt und jett (Behr. f. vat. Geſch. 
u. Alt. V92 HF.) „Für ſolche außerordentliche Fälle (nämlich bei Reifen der 
Kurfürften), heißt e8 ©. 119, wurden wohl einige Ufer eingehadt, die tiefjten 
Löcher mit Schutt ausgefüllt oder Felder und Wiefen preisgegeben, um die 
Fahrt bequemer zu machen; ungefähr fo, wie noch Heutzutage unfere länd- 
lichen Bürgermeijter, wenn jie erfahren, daß ein hoher Verwaltungsbeamter 
ihren Bezirk durchreifen will, einige Steine in den jchlechtejten Stellen ihrer 
Bizinalwege zerfchlagen laſſen, um das rege Intereſſe zu bethätigen, welches 
fie an dem fchledten Zuſtande derfelben nehmen.” 


Feaur, Geſchichte Arnsbergs. 24 


370 Kurkölniſche Zeit. Beit des franzöfifchen Einflufies. 


aufzubrehen und jeinen Weg durd das Miederftift und das Veſt 
Nedlinghaufen zu nehmen. Der Oberkellner jolle deshalb alles Nähere 
betreffend die Logis ꝛc. mit dem Landdroften überlegen. Dann folle 
Dücker fid) mit dem „Hoffontroleur” Meyerhöfer, der vorausgereift jei, 
wegen des fehlenden Mobiliars ꝛc. in Verbindung jegen; er jolle die 
Verteilung der Quartiere für den Hofftaat in Arnsberg vornehmen und 
mit Meyerhöfer überfchlagen, was zur Berpflegung des Kurfürften auf 
drei Wochen an Vorräten nötig ſei. Durchlaucht wolle einen Landtag 
abhalten umd jei gemeint, die Yandjtände „aufm Schloß zu traftieren”. 
Der Kontroleur folle bei jeiner Rückkehr nad) Bonn über Werl, Unna, 
Dortmund, Horneburg, Redlinghaufen, Herten, Bottorf, Mülheim oder 
Duisburg und Kaiferswerth, von da über Lyne und Hülchradt reiſen 
und die Wege befichtigen und die Orte, wo der Kurfürft Mittags und 
Abends verpflegt werden könne, um mit den Ortsfellnern die nötige 
Provifion zu beftellen. Ferner jolle der Dberfellner mit dem Jäger— 
meifter von Weich überlegen, wo die weitfälifcheu Pferde am bejten 
die Jagdtücher, Garne und Stangen abholen würden, um die pejtiichen 
Bierde abzulöjfen. Der Kurfürft gedenfe die Bagage bis Werl bringen 
zu laffen. Er führe allein jehs Wagen mit Jagdtüchern mit ih; — 
dies, beiläufig bemerkt, trogdem er nocd einige Jahre vorher vier 
Wagen Jagdtücher, jeden zu 400 Rthlrn., für Weſtfalen angeihafft Hatte. 
Aus der Antwort des Oberkellners geht hervor, daß Mobilien und 
fonftige Effekten auf dem Sclofje Arnsberg jpärlid vorhanden waren. 
Dagegen waren die Keller und die Borratsfammern wohl gefüllt: 
74 geräucherte Schweine, 18 Ohm und 7 Viertel teils Bleichart, teils 
Weißwein, fowie 117 Tonnen Bier werden unter anderem aufgezählt. 
Die Sorge um gutes Wildpret veranlaßte wohl häufiger die Kurfürften 
zu einem bejonderen Schreiben an den Oberjägermeijter. 

Marimilian Henrich von Gottes Gnaden Erzbifchof zu Köln 2c. ıc. 

Lieber Getreuer! Demnad) wir uns mit unferem Hofjtaat nach unferem 
Fürſtentum Wejtfalen zu begeben und gegen den jechsten nächjtkünftigen 
Monats Februarii zu Arnsberg anzulangen gnädigjt entjchlofien: jo ijt unfer 
gnädigfter Befehl an Dich hiermit, daß Du daran jeiejt, damit gegen unſere 
Ankunft unfere Hofhaltung mit nötigem roten, fchwarzen und anderen aller: 
hand fettem Wildpret verfehen . . . und unſerem Oberkellner dajelbjten, 
Hermann Düder, überliefert werden möge. An deſſen Zuverficht find wir Dir 
mit Gnaden getvogen. Gegeben in unferer Stadt Bonn den 13. Yan. 1652. 

Maximilian Henrich. 
Un unferen Kämmerer, Rat und wejtfälifchen Sägermeifter, lieben, getreuen 
Saudenz von und zur Weir, 

Das Gefolge des Kurfürften bildete in der älteren, unficheren 

Zeit ftet3 eine Schar von gepanzerten Nittern, wohl Adelige des 


Kurfürjtliche Hofhaltungen. Aufzüge und Gefolge. 371 


Landes. An deren Stelle trat jpäter eine Leibgarde von Mietsſoldaten. 
Um aber die Berjon des Herrichers mit dem gebührenden Glanze zu 
umgeben, begleiteten ihn hohe Staats- und Hofbeamte; außerdem eine 
große Anzahl von Leibdienern aller Art. Dies artete unter der Ein- 
wirkung des franzöfiihen Hofes jeit den Zeiten Ludwigs XIV in 
hohem Maße aus. Einige Mitteilungen aus dem Arnsberger Archive 
mögen diejes veranſchaulichen. Schon Kurfürft Ferdinand trat einmal 
— das Jahr ift nicht vermerft — mit 345 Perfonen, 233 Pferden 
im Gefolge auf. Mar Heinrid erſchien 1656 mit 204 Berfonen, 
162 Pferden, Joſeph Klemens im Auguft des Jahres 1700 mit 
279 Berfonen, 241 Pferden. Was für Beamten und Diener jo große 
Gefolge bildeten, möge die Quartierlifte für den eben erwähnten Be- 
ſuch Ferdinands näher darlegen. 
Fourier-Zettel. 
Ihre Kurf. Durchl. zu Köln, Herzog Ferdinand x. 

Hohe Offiziere: Ihre Gnaden Wilhelm de Bavaria, Freiherr zu 
Höllinghofen, Oberjter Kämmerer (mit 11 Bedienten, 10 Pferden); Herr Land— 
bofmeijter Freiherr von Frent (5 Bediente, 6 Pferde); Herr von ?, Geheimer 
Hat (3 Bed., 4 PR); Herr Ferdinand von Frent, Oberjtjtallmeijter (5 Beb,, 
6 Pierde). 

Kammerbherren: 9. von Weir, Drojte zu Werl (2. Bed, 3 Pf.); 
H. Rittmeister Roiſt (2 Bed., 8 Pf); H. von der Leine, Obrijt-Lieutenant 
(2 Bed., 3 Pf); Mr. von Weir, teutfcher Herr (1 Bed., 2 Pf); Mr. Schall 
von Mutheimb (1 Bed., 2 Pf); Mr. Dijtling (1 Bed., 2 Pf.). 

Scheime Räte und Stanzlei: H. Kanzler Buſchmann (2 Beb,, 
4 Pf.); 9. Dr. Duffell (1 Bed.); H. Dr. Alderhoven (?) (1 Bed.); 9. Herreß— 
dorf, Kammerrat (1 Bed.); H. It. (Lizentiat?) Pron, Kammerrat (1 Bed.) ; 
9. Koh. Stam und H. Matthias Ling, Geh. Sefretäre (je 1 Bed.); H. Joh. 
Holman, Hofkammerſekretär; H. Sekretär Seyter; H. Hülsman, Regiftrator ; 
Holbed, Sauter, Back, Scheifgens: Geh. Kanzlei-Verwandte; 4 Kanzlei-Boten. 

Kammer-Partie: Rev. Pater Horn cum socio; H. Dr. Weilandt, 
Leibmeditus (1 Bed); H. Zuitmann und H. Kellner, Hoflapläne ; 7 Edel: 
knaben; 4 Kammerdiener (3 Pf.) ; Leibbarbier und Gehilfe (1 PF.); 1 Stammer- 
fonrier, 1 Stammerhüter, 2 Kammerfnechte, 1 Hofapothefer, 1 Tapeziermeijter, 
2 Leibwäjcherinnen, 10 Trabanten, 7 Lakaien, 2 Edelknaben-Jungen. 

Muſika: (werden 12 Muſiker aufgeführt). 

Hausoffiziere: 2 Hoflontrofeure (2 Pf), 1 Martin Salmeijter, ein 
Hoffourier, 1 Zuderbäder. 

Silbertammer: 4 PBerjonen, darunter 1 Silberfpüler. 

Keller- Partie: 1 Somelier ꝛc. (4 Perjonen, 2 Pferde). 

Almofier: 2 Perjonen. 

Küchen-Partie: 2 Küchenfchreiber, Monfieur Ehriftoph, Mundkoch, 
Horgen Meijter, Koch, Monfieur Pater, Paitetenbäder, Monſieur Lambert 
Monfieur Matthias, Monfteur Henrich, 1 Küchenknecht, 5 Feuerſtocher und 
Küchenjungen. 

24* 


372 Kurkölniſche Zeit. Zeit des franzöfiichen Einflufies. 


Badhaus: 1 Brotjpender, Monfieur Engel, Bäder, Monfieur Thomas, 
desgl., 2 Knechte, 1 Junge. 

Stall: Partie: 3 Hofbereiter, Michael, Sattelknecht, 4 Stallinechte, 
5 Stalljungen, 2 Roßkurierer, 4 Trommeter und Herponiker (4 Pferde), ein 
Bagagie-Meijter, 20 Klepper im Marjtall (Pferde), 2 Leibpferde, 2 Tummel- 
pferde, 2 Maultreiber, 6 Saffelträger (Seflelträger?). 

Hofkutſchiere: 3 Leibkutfchiere (7 Pferde), 3 Kammerkutſchiere (6 Pf.), 
außerdem noc 9 andere „Butfchier” mit 18 Pf, 3 Kammerwagen (6 BPf.), 
3 Packwagen (6 Pf.), 1 Raleiche (2 PF.), 3 brabantifche Wagen (6 Pf.), 4 Hüchen- 
wagen (8 Bf), 2 Saffelträger-Htalefhen (4 Pf.), 60 Leibgardiften zu Pferde 
(60 Pf.), 60 Leibfompagnie zu Fuß. 

Es bedarf wohl feiner Erwähnung, daß die Knrfürjten an der 
Pandesgrenze von den Adeligen und den höheren Beamten des Landes 
eingeholt wurden. Wenn fie durch das Veit Redlinghaufen nah Weit- 
falen famen, jo fand die erfte Begrüßung am fagenberühmten Birfen- 
baume bei Werl ftatt. Beſonders feierlih und großartig war die 
Einholung, wenn ein neugewählter Kurfürft zum erften Male jein weft- 
fälifche8 Herzogtum aufſuchte, oder wenn einer nach ſchwerer Kriegsnot 
in dasjelbe einzog (S. 237). Nach den üblihen Förmlichfeiten der 
Begrüßung und des Willkomms ordnete ſich der glänzende, farbenreiche 
Zug. Die hohen Gefolgsperjonen, die Eurfürftlichen Kämmerer und 
Minifter, die Landftände ritten voran. In der Dlitte des Zuges folgte 
der Kurfürft im roten erzbijhöflihen Gewande mit Hermelinbeſatz. 
Er fuhr in einem Foftbaren Hofwagen, der von vier und mehr Roſſen 
gezogen wurde, oder er ritt auf prächtig angefchirrtem Schimmel. Reich— 
gefleidete Hoflafaien und Diener in ungarifher Tracht (Hayduden), 
buntgefchmücte Läufer mit langen, quaftenreihen Stäben eilten ihm 
voran; zu den Seiten marſchierten die Leibgardiften zu Fuß; hinter 
dem Fürften jchritten jchöne Edelfnaben und geputte Rammerdiener. 
Den Zug jchloß die berittene Leibgarde mit der Mufif, Bläſer und 
Paukenſchläger. Einfpänniger, eine Art berittener Gensdarmerie, führten 
die Auffiht. Nahte die prunfvolle Kavalfade den Mauern der Stadt, 
jo mochte drinnen alles in gefpannter Erwartung fein. Der Bürger: 
meifter, der Magiftrat, die Vertreter der Zünfte, die Schügen in Uni- 
form u. a. nahmen den hohen Gaft am Mühlenthore in Empfang. 
Die Stadt that gewiß ihr Möglichjtes, um die Begrüßung recht feier- 
lich) zu geftalten; aber viel konnte fie den verwöhnten Herren nicht 
bieten. Insgeheim lächelten fie wohl ob der Anjtrengungen der Stabdt- 
eingejeffenen. Ein Schreiben des Kurfürften Joſeph Klemens an den 
Freiherrn von Karg auf Bebenburg!) ift dafür Ichrreid. 


+) Dlitgeteilt in Brisfens Familienchronik S. 48 Anm. 


Kurfürjtliche Hofhaltungen. Aufzüge und Empfang. 373 


Schloß Arnsberg, den 11. Auguſt 1716. 

Meinen —5— Gruß zuvor beſonders lieber ObriſtKanzler. ch 
bin heut gegen die Mittagszeit glücklich allhier angelangt und von jedermann 
mit großen frohloden, und allen möglichen chrenbezeugungen, fo viel die 
hiefige Art des Lands und des Lebens zulaffet, empfangen worden. Under 
andern haben fich die ſämmtliche Studenten der vor hiefiger Stadt gelegener 
Abtey Wedinghaufen in classes getheilet, eine jede mit ihrem fahnen, eine 
halbe Stunde weit vor dem Stadtthor eingefunden, fo durch vier Norbertiner 
Mönche aus der obged. Abbtey ein jeder eine helfenbeinerne flütten von 
ihnen in den Händen habend und darauf fpielend, an plaz der hautbois, an— 
geführt worden, welches ſehr TLächerlich (ergößlich) anzufehen gemwejen. Der 
alte Landdrojt!) hat mich in Meinem Schloß bewillkomnet, und kann fajt 
nicht mehr gehen und ftehen. Seine Frau iſt immer frank, und ſehet übel 
auß. Die nechſt verwicdhene Nacht Hab auf dem Schloß Wokelum, vier Stun- 
den von bier, gefchlaffen, welches dem Münfterfchen Generalen freyherrn von 
Landsberg, der Mir bis nach Werdolt entgegen fommen war, zugehörig ift, 
und hab Ich heut vor Meiner abreiß, deffelben Bruderen Domb-Probjten zu 
Hildesheim zu Meinem dafelbitigen Statthaltern auf den fueß, wie es der 
legtverjtorbene Biſchof Jobſt Edmund geweſen, benennet.” 

Endlich langte der Zug unter dem Geläute der Gloden und dem 
Donner der Geſchütze am Scloffe an,?) wo der Kurfürft von feinen 
Beamten in Empfang genommen und in feine Gemädjer geleitet wurde. 
Ein großer Teil de8 Gefolges, namentlich die Kämmerer, fowie die 
Leibdiener des Herrn fanden gleichfalls dajelbft Unterkunft; die übrigen 
verteilten ſich in der Stadt nad) vorher feftgefetem Plane, Die höheren 
Perfonen wurden bei den Honoratioren der Stadt, den Furfürftlichen 
Hof: und Landbeamten, den Bürgermeiftern ꝛc. untergebradt. Faſt 
alle befferen und geringeren Familien waren auf zahlreihen Beſuch 
eingerichtet, da fich derjelbe jährlih mitunter mehrere Male und auf 
längere Zeit wiederholte. Die Gardiſten, Mufifer und andere beim 
Leibdienjte des Fürften entbehrliche Perjonen wurden in Wirtshäufern und 





) Georg Ernjt von Schüngel; derjelbe itarb bald nachher (1719), nach— 
dem er 35 Jahre feines Amtes gemwaltet hatte. 

2) „Zu feierlichen Auffahrten auf das Arnsberger Schloß wurden 
zwar Karofien benußt, aber mit welcher Beſchwerde und Gefahr, leuchtet ein, 
wenn man die jteile Lage der Altjtadt und des hohen Schloſſes mit der Er: 
wägung betrachtet, daß es damals noch Feine gepflajterten Straßen in Arns: 
berg gab. Klemens Auguſt ermunterte daher den Stadtrat, die Straßen 
pflajtern zu laffen, und erbot fi, die Hälfte der Koſten aus feiner Privat- 
faffe zu tragen. Aber der Magijtrat, nachdem er fi) die Sache reiflich über- 
fegt, dankte für die Eurfürftliche Gnade, weil ſich ſolche Straßen gar nicht 
pflajtern ließen. Der Kurfürjt erwiderte, er babe nicht bedacht, daß man 
Perlen nicht den Säuen vorwerfen dürfe; und fo blieb es noch lange, wie 
es war.” (Seiberg, Die Straßen im Herzogtum Wejtfalen, ©. 118.) 


374 Kurkölniſche Zeit. Zeit des franzöfiichen Einfluſſes. 


bei weniger bemittelten Bürgern einquartiert. Die Entihädigung für die 
Beherbergung erfcheint ung nicht eben groß; es wurden 1695 zwei Schilling 
für ein Bett (eine Nacht) bezahlt ; die ganze Einnahme der Bürgerſchaft 
aus dem Hofitaate betrug damals 1292 Reichsthaler. Daneben liefen 
aber gewiß nod viele Privatausgaben. Auf dem Sclofje, in der 
Stadt und im ihrer Umgebung herrſchte während der Furfürftlichen Hof: 
haltung ein bewegtes Leben. Da fah man ritterliche Gejtalten hoch zu 
Roß die Schloßſtraße hinaufreiten und im Schloßhofe verjhwinden, um 
dem Landesherrn zu Huldigen. Da jah man ganze Züge von Equi— 
pagen mit feftlich gefleideten Herren und Damen, die zu einem Ban- 
fette entboten waren. Da ritt der Kurfürft felbft im leichten Jagd— 
gewande mit großem Gefolge von Herren, Jägern und Hunden auf 
die Jagd oder zum Sceibenjhießen. Bon der Pracht des Hoflebens 
fiel ein Strahl auch in die ärmlidhen Häufer der Stadtbewohner; alles 
fühlte fid) in gewiffer Weife gehoben und jeder nahm an der allgemeinen 
Freude teil. Man kann fi) wohl vorftellen, daß es den Arnsbergern 
lange Zeit nahegegangen ift, als mit der Zerſtörung des Schloſſes 
der Glanz der alten Tage für immer verblaßte. 


Die Jagd.!) 


Die auf Arnsberg refidierenden Kurfürften aus dem Haufe Bayern 
huldigten feiner Beſchäftigung mit größerer Leidenſchaft, al8 dem edlen 
Waidwerk. Wie groß bei ihnen die Sorge um einen guten Wildftand 
war, dürfte Schon die Thatſache veranjhaulichen, daß Klemens Auguft 
im Jahre 1759 eine befondere „Jagd-, Büſch- und Filherey- Ordnung” 
veröffentlichen ließ. In diefer wird unter anderem angeordnet, allen 
Kagen die Ohren abzujchneiden „und zwar platt am Kopf bey Straf 
eines Gold-Gulden, damit diejelben beym Thau oder Negenwetter in 
die Felder und Wieſen nicht mehr laufen, denen Faſanen und fonftigen 
Heinen Wildprett (nicht) aufpaffen und ſolches wegfreſſen.“,“) Alle Hunde 
jollen einen „Klüppel, ungefehr von einer Ehlen lang“ tragen. Die 
zur „Jagdfrohne benötigten Unterthanen” müſſen jo oft, als von ihnen 
nad) dem Herfommen zu verlangen ift, zur angejegten Zeit „ohnfehl- 
barlich“ zu den „Zeug- und anderen Jagddienſten“ erjcheinen, die Nete 
zu fahren :c. ꝛc. Zur Jagd auf Wölfe, Hirihe und Schweine, zu 
Klopf: und Treibjagden jollen nur männliche Perſonen, die über fünf- 
zehn Jahre alt find, gefchict werden; nur wenn die Männer mit ber 
Feldarbeit befhäftigt find, jollen zu Zreibjagden aud Weiber fi ein- 

) Eiche auch S. 10. 

») $ 32 der genannten Jagdordnung. Bonn bei Rommerskirchen. 


Kurfürjtliche Hofhaltungen. Jagd. 375 


finden dürfen; „und ſoll alsdann ein jeder am Plage der Waffen (die 
zur Ausübung der Jagd gebraucht werden) mit Klappern verjehen jein, 
alles bey Straf von einem Kölniſchen Gulden“. 

Anſchauliche Jagdſchilderungen aus diefer an Jagdabenteuern ges 
wiß fehr reihen Zeit find ung von Zeitgenoffen nicht überliefert, wir 
befigen indeffen zwei bezügliche bildliche Darftellungen, die recht deut- 
lich fprehen. Was die eine derjelben, eine Folorierte Zeichnung!) 
darbietet, bejagt die ihr beigegebene Erklärung: „Anfiht von dem 
Jagdſchloß Hirfhberg und wie der Ehurfürft Clemens Auguft 
nebft Suite nad) einer im Syringer Mark-Walde gehalte- 
nen Hauptjagd den Einzug dort hält. In diejer Jagd find 
13 jagdbare und 10 geringe Hirſche erlegt, davon der Churfürſt unter 
andern den ftärkjten Hirſch von 18 Enden gejchoffen hat, welder auf 
einem Wagen mit zwei Pferden angefahren wird. — Der Churfürft 
pflegte während der Auerhahnbalz- und der Hirichjagdfaifon gewöhnlich 
auf feinem Jagdſchloſſe Hirſchberg zu refidieren. Merkwürdig ift das 
auf dem Thore ausgehauene Jagdſtück.“ 

Das in der Unterfchrift bezeichnete Thor ift das nunmehr in 
Arnsberg aufgeftellte jog. Hirfhberger Thor, das zweite hier im 
Betracht fommende Denkmal, das die Phantafie noch lebhafter erregt, 
als jene Abbildung. Links ein von Saupadern angegriffener Eber, 
der fi) wütend wehrt, den Kopf zur Erde gejenft, rechts ein von 
jlinfen Jagdhunden überholter Hirſch, der ſich aufbäumt und die wilde 
Meute von ſich zu ſchütteln fucht; beide teilweife Sieger, aber doch un— 
rettbar verloren. Der Künftler mußte es der Phantafie des Beſchauers 
überlafjen, fi) alles übrige auszumalen. Wir ftehen unmittelbar vor 
dem legten Akte eines großen Parforcejagens. Im Hintergrunde haben 
wir die Jäger zu denfen, die dem geftellten Wilde das „Halali“ blajen.?) 

Hier mögen einige Ausführungen über den ehemaligen Reihtum 
an Wild im unferen Forften ſich anſchließen. 

„Wie jehr unfere Wälder noch vor beinah Hundert Jahren in den 
Beiten de8 Kurfürjten Klemens Auguft, des größten Jägers feiner Zeit, von 
Wild angefüllt gewefen find, geht aus einem Verzeichnis der von den fur: 
fürſtlichen Jägern auf Befehl des Oberjägermeifters Frhrn. F. 2. von Weiche 

1) Das Bild hängt im Kloſter Grafſchaft und iſt von Forjtinfpektor 
Holzapfel gezeichnet. Photographien im Berlage von H. R. Stein in Arnsberg. 

*) Der franzöfische Luxus zeigte fich befonders auch bei den Ragden. Bei 
ejtlichkeiten wurden Hauptjagen mit eigenartigem Prunke veranftaltet, fog, 
Fejtinjagen. Die Jäger erfchienen in Galauniform, die Herrfchaften in 
mwunderlihen Berkleidungen, die Damen als Dianen und Nymphen auf 
Wagen, bon Hirfchen gezogen; alles war reich verziert, Muſikchöre fpielten auf zc. 


376 Kurkölnische Zeit. Zeit des franzöſiſchen Einflufies. 


abgehaltenen Sau-Heten von den Jahren 1752 und 1753 hervor. Es wurden 
vom 4. November bis zum 30. Dezember 1752 teilö einzeln, teild® aus den 
am 6., 7. und 11. Dezember gehaltenen Hetzen 23 Stüd Schwarzwild, zu— 
fammen twiegend 2170 Pfund, abgeliefert; ferner vom 7. Januar 1753 teils 
einzeln, teil$3 aus der vom 15. bis 18. Januar gehaltenen Hetze, bis zum 
27. Februar 29 Stüd, wiegend 2356 Pfd., erlegt, alfo in den beiden intern 
zufammen 4526 Pfund Schtwarzwild geliefert, worunter fi) einige Keuler von 
205— 212 und 220 Pfund befanden. Im Jahre 1758 wurden vom 26. Jan. 
bis zum 14. Febr., alfo in drei Wochen, abgeliefert 25 Stüd, wiegend 2052 
Pfund. Es wurden 20 Pfd. zu 1 Thlr. g. ©. oder 23 Sgr. verkauft. Die 
damals angeftellten Jäger, die Eltern mehrerer noch lebenden Föriter, 
waren Hermann Kneer, Mar Hirnjtein, Stnidenberg, Gaudenz Holzapfel, 
Bajtian Dedig, Chriſtoph Dürrefeld, Franz und Johannes Beltins, welche 
legtere Beide bei den gehaltenen Sau-Jagden als ganz vorzügliche Jäger ſich 
bewiejen Haben. 

Wird der Keuler aufgeſchreckt 

Bon des frohen Finders Stimme, 

Schäumend knirſcht er bald im Grimme, 

Wenn der Hunde Schwarm ihn dedt. 

Welch ein Kampf! Ein Heer von Hunden. 

Röchelt Hingejtredt im Blut! 

Dod er ſtürzt — nad) taufend Wunden — 

Und fein letter Hauch) iſt Wuth! 

(Arnsb. Wochenblatt 1835.) 

Deutlicher noch erhellt die Größe des früheren Wildbeftandes aus 
den vorliegenden Beichwerden über Wildſchaden. Auf Grund einer 
ſolchen Beſchwerde jeitens der Arnsberger Bürgerfhaft wurde im Jahre 
1735 eine Kommiffion beauftragt, ſich durch den Augenfchein von den 
angerichteten Verwüftungen zu überzeugen. 

„In der Feldflur Hinter dem alten Schloffe, wohin fich die Kommiflarien 
zuerjt begeben hatten, trafen fie auf den Feldern Hin und wieder Nachthütten 
an, die zum Aufenthalte dienten, um das Wild zur Nachtzeit von den Früchten 
abzufehren; an den bereits gemähten Winterfrüchten wurden wenig Ähren, 
fajt nur Gras gefunden, die noch aufjtchenden Früchte waren dergejtalt von 
dem Wilde abgefrefien und zertreten, daß den Beſitzern faſt nichts als der 
bloße Halm ohne Ähren übrig geblieben und kaum die Ausfaat erhalten 
war. Es Hatten daher auch mehrere Bürger ihre Grundjtüde unbebaut 
liegen lafien. 

In gleihem Zuftande wurden aud die Grundftüde vor und hinter 
dem Lüfenberge, in der Herzichlade, am Nuttebaum, auf der Haar, unterm 
Dftfelde, am Arnsberge und Didenbrude befunden. Am Djtenfelde und 
Römberge waren mehrere Grundjtüde wegen Beihädigung durh das Wild 
unbebaut liegen geblieben, jo wie diefes auch im Altenfelde der Fall war, 
und machten hier die Kommiffarien die Wahrnehmung, daß auf den Adern 
des kurfürſtlichen Jägers und den an diefe anjchließenden Grundftüden fich 
die Früchte im allerbejten Stande befanden, worüber die Bürgermeifter dahin 


Seurfürjtliche Hofhaltung. Jagd. Wildbejtand. 377 


Aufklärung gaben, daß das Wild hier durch des Jägers Hunde und Schießen 
abgehalten werde, und die Eigentümer der anliegenden Ländereien dem Jäger 
jährlich einen Thaler zur Belohnung entrichten müßten, wie dann die Kom— 
mifjarien hier zwei Hunde antrafen, die nad Erkundigung dem Jäger zu- 
gehörig geweſen. 

Sn dem von den Kommiffarien unter Anſchluß des Augenjceins- 
protofoll® an den Kurfürjten erjtatteten Berichte, in dem diefelben die Be— 
ſchwerde der Arnsberger Bürger wegen des übermäßig gehegten Wildjtandes 
als völlig begründet darftellten, und insbefondere hervorhoben, daß fie jelbjt 
auf einem Haferjtüd bei Obereimer elf Stüd wilde Schweine wahrgenommen 
hätten, beantragten jie, auf die allgerühmte Gerechtigkeit Sr. Durchlaucht 
bertrauend, dem Forjtamte den Befehl zugehen zu laffen, von Jahr zu Jahr 
das überflüffige Wild, woraus guten Teils die Befoldung der Jäger für 
biefiges Land bejtritten werden könne, wegſchießen zu laſſen. Rückſichtlich der 
von der Stadt Arnsberg prätendierten Eleinen Jagd wurde von den Some 
miffarien auf den hierüber beim Hofrat ſchwebenden Prozeß verwieſen und 
der Antrag gejtellt: wenn die Stadt ihr Jagdrecht erjtreite, dem Forſtamte 
aufzugeben, fie in hergebrachtem Jagdbeſitze nicht zu beeinträchtigen. 

Der Kurfürft Klemens Auguſt teilte durch Erlaß vom 9. November 
1735 die bis dahin gepflogenen Berhandlungen der Regierung zu Arnsberg, 
vertreten durch Yanddrojt und Räte, unter dem Bemerfen mit, daß er hier: 
unter die abhelflihe Berfügung vorkehren zu laſſen gnädigft gemeint fei, 
borderfamjt aber willen wolle, was vor eine Anzahl ſothanen Wildprets des 
Endes geftellet werden möge, und forderte diefe Behörde nad) borherigem 
Benehmen mit dem Oberjägermeijter zur Erjtattung eines gutachtlichen Be- 
richts auf. 

Der von Landdrojt und Räten an den Oberjägermeijter Franz Otto 
von Weichd auf den 28. November 1735 zur Beratung diefes Gegenjtandes 
erlajfenen Einladung leijtete letterer Feine Folge, fand ſich vielmehr ver— 
anlaft, ihon am 25. desjelben Monats an den Kurfürjten einen Bericht zu 
erjtatten, in dem er zuvörderſt das Nichterfcheinen in der von Landdroſt und 
Räten angeordneten Konferenz damit entfchuldigte, daß ihm auf fein Anfuchen 
der Beriht der Kommiſſarien nicht mitgeteilt fei, um daraus erſehen zu 
fönnen, worin die angeblichen Beſchädigungen bejtänden, und dann ferner 
hervorhob, dat in der ganzen furfüritlichen Wildbahn kaum ein Ort zu finden 
fei, wo nicht die Unterthanen, wie vor hundert und mehreren Jahren ge- 
jchehen, etwas leiden müßten, und Se. Surfürjtlihe Durchlaucht weniger 
nicht, wie andere Potentaten und große auch Fleine Herren, jo Wildbahn 
hätten, ihres Rechts jich begeben und einschränken laſſen könnten, auch hier: 
nächſt erfahren würden, daß die übrigen Städte, als Warftein, Hirſchberg, 
Eversberg und andere an der Furfürftlichen Wildbahn, befonders an der 
Ruhr und Möhne gelegenen Orte, der Stadt Arnsberg nachfolgen, und auf 
Landtagen oder fonjt über das Wildpret rufen, und gleichfalls fich be— 
ſchweren würden.“!) 


1) Seiffenfhmidt, BL. 3.1. K. W., 1864, ©. 89 ff. Der jchliekliche Er- 
folg der Berhandlungen war, daß der Kurfürſt in der Umgegend don Arns- 
berg 100 Hirſche und 200 Wildjchweine abjchiehen ließ. Das Augenjcheins- 


3783 Kurkölniſche Zeit. Zeit des franzöfifchen Einflufies. 


Das Scheibenfchichen. 


Die Kurfürften befuchten neben der Wildbahn häufig den Schieß— 
ftand bei Obereimer. Über die veranftalteten Preisſchießen giebt Hüſer 
ausführliche Mitteilungen, die zugleid eine wenn aud unvollftändige 
Statiftit der furfürftlichen Bejuche bieten. Diefem Sport huldigten aud) 
noch die jpäteren Regenten. 

Borliegende Nachrichten jagen uns insbejondere, daß man fich in 
den vorigen Jahrhunderten und zwar im Jahr 1695 unter der Re— 
gierung des Kurfürften Joſeph Klemens bei hochdeffen Anwejenheit in 
Arnsberg mit Scheibenschießen ſchon beſchäftigt und befuftigt habe. 

Im Jahre 1717 und 1721 traten ähnliche Beluftigungen ein, 
wobei man den erjten und beften Scheibenfhuß mit zwei Piftolen in 
Gold und bei dem 1721 vorgenommenen Schießen nody obendrein mit 
fünfzehn Pferdegulden homorierte. 

1723 geihah das nämliche. 

1724, wo die hiefige Stadt mit der höchſten Gegenwart des Kur: 
fürften Klemens Auguft zum erjten Mal!) beehrt wurde, wählte 
man weiterfort das Scheibenſchießen al3 einen bejonderen Beluftigungs- 
gegenftand, um die Tage der Anweſenheit dieſes Yandesfürjten, der 
jelbft ein bekannter großer Schüge war, zu verherrlihen. Man ftellte 
drei Scheiben auf, deren eine in gewöhnlicher Form, die andere figuriert, 
die dritte aber auf Piſtolenſchüſſe gerichtet war. Man erhandelte ein 
jehr ſchönes Pferd, und fette foldyes zur Priefe für den erjten beſten 
Schuß aus; über das Schießen jelbft war cin fürmlicher Riß gefertigt. 

1726 wurde ein ähnliches Scheibenſchießen beliebt. Man ftellte 
diefesmal vier Scheiben auf, und jegte auf die erſte (die Hauptjcheibe) 
für den erjten Gewinn 150, für dem zweiten 75, und für den dritten 
45 Gulden; auf die zweite (einen Hirſch vorftellende Scheibe) zum 
erjten 50, und zum zweiten Gewinn 30 Gulden; für die dritte (eine 
Piftolen-Sceibe) 50 und auf die vierte (eine Karten-Scheibe) 4 G. aus. 
Protokoll ijt bon mir kürzlich in der „Arnsberger Zeitung” veröffentlicht 
worden. Dasfelbe Iehrt nebenbei, daß um 1735 bei Arnsberg noch Fein 
Weizen gezogen wurde. 

1) Er berührte Arnsberg zuerſt im März, bielt ji aber nur cinige 
Tage auf. Erft im August erfolgte fein pomphafter Einzug. Er langte am 
7. diefes Monats mit glänzendem Gefolge, wie ob. ©. 372 beſchrieben, an 
und lich am nächjten Tage, indem er perfönlich den Landtag eröffnete, auf dem 


Throne figend, die Stände zum Handkuffe zu. Einen vollen Monat wechjelten 
in Arnsberg die großartigiten Fefte. (Mering, Klemens Augujt, ©. 54.) 


Kurfürftliche Hofhaltungen. Scheibenſchießen. 379 


1728 hatte der Kurfürft feinen höchſten Namenstag in Arnsberg 
zu feiern bejchloffen; zur Verherrlihung diefer Feier wurde ein großes 
allgemeines Scheibenſchießen verordnet, und zu diefem Behuf taujend 
Thaler angewiejen, jedem Schüten, gleihwohl wegen der großen Anzahl 
derjelben, nur ſechs Schüſſe auf die Hauptjcheibe erlaubt. 

1729 wurde wegen dem eingefallenen Geburtstage des Kurfürften 
und der Anwejenheit höchitdeflen Bruders, Herzogs Ferdinand von 
Bayern, ein ähnlihes Scheibenſchießen gehalten. 

1732 geſchah ein gleiches, wobei die Landesftände dem Kurfürften 
zwei Eoftbare Büchfen und zwar eine jede in dem Werth von 60 Rthlrn. 
präjentierten. 

1737 wurde bei Anwejenheit des Kurfürften ein großes Schießen 
gehalten, und für den beften Schuß 25 Species-Thaler ausgejegt. 

1739 jesten die Landesftände bei einem abgehaltenen großen 
Schießen eine filberne Kafette in dem Werthe von 90 Thalern für den 
beften Schuß aus, und hatten zu dieſem Behuf eine figurirte Scheibe 
aufgeftellt, welche das Wappen des Herzogs von Engeren mit folgender 
Umſchrift enthielt: CLeMentI aVgVsto DeVotI In VVestphaLla 
statVs offerVnt. (Dem Klemens Auguft von den ergebenen Ständen 
gewidmet.) 

1742 fetten diejelben zu Ehren des Kurfürften, als Hoch- und 
Teutſchmeiſters, eine im ein teutjches Kreuz gefaßte goldene Medaille 
nebjt zwölf Species-Thalern zur erften Priefe aus, und bewilligten einem 
jeden Schützen ſechs Schüſſe. 

1743 wurden zwei ſilberne Kaſetten ausgeſetzt, wovon eine für 
den erſten beſten und die andere für den zweiten beſten Schuß gegeben 
wurde. Das Ganze erſtieg den Wert von 170 Rthlrn. 

1744 gaben die Yandesftände zum Vergnügen der Yandtags-Ab- 
geordneten ein Schießen und festen für den beften Schuß zwölf Species: 
Thaler aus, 

1745 geſchah ein gleiches. 

1746 wurden vierzig in das kurbayeriſche Wappen zierlich ein- 
gefaßte Dufaten aufgejegt. Dem Schießen wohnten nebft dem Kurfürften 
auch die Herzogin und der Herzog Klemens von Bayern bei. 

1747 ſetzte man bei höchſter Anwejenheit des Kurfürften ein ver: 
goldetes jilbernes Beftek für den erjten und eine goldene Tabalsdoje 
für den zweiten bejten Schuß aus. 

1748 bei einem ähnlichen Schießen zur beften Priefe neun Dufaten. 

1749 ein filbernes Lavoir mit Zubehör für den beften, und zwei 
jilberne Leuchter für den folgenden Schuß. 


380 Kurkölnifche Zeit. Zeit des franzöfifchen Einflufies. 


1750 wurde ein Scheibenſchießen zum Vergnügen der Yandtags- 
Abgeordneten gegeben; für den beften Schuß jtand eine Briefe von neun 
Spezies-Dufaten, weldhe dem Beſtſchießenden in einer niedlichen Ein- 
fafjung verabreicht wurden. 

1751 geſchah ein gleiches. 

1752, wo ber Kurfürft felbft gegenwärtig war, wurde um eine 
goldene Tabatiere in dem Werth von 200 Rthirn. gejchoffen. 

1753 um eine filberne Gießkanne mit der Schüfjel, und zwei 
filberne Leuchter, das erftere war für den beften, und das zweite für 
den folgenden Schuß beftimmt. 

Alles diefes Schießen gejhah nahe bei der Stadt auf den nad) 
der jogenannten Schweizerei hin belegenen Weiden, wo jedesmal einige 
niedlich erbaute Jagdhäuſer aufgefchlagen wurden. 

Bei dem Tettbemeldeten Schiegen waren aber diefe nicht vorhandene 
man bediente fi) alfo zweier von Soeſt hierher beförderten Zelte 
worin der kurfürſtliche Hof, die Schügen und ein angeſehenes Publikum, 
weldes an dem Schießen jedesmal ungehinderten Anteil nehmen konnte, 
ji eines frohen Tages freute. 

1754 hatte bei der Anwefenheit des Kurfürften wiederum ein 
großes Scheibenſchießen ftatt; es wurde diesmal um eine filberne Kafjette 
mit dem Zubehör in dem Werthe von 165%, Rthlrn. geſchoſſen. Der 
Kurfürft gab ein Gegenſchießen, jo wie ſolches bei einem jeden ihm zu 
Ehren und zum Vergnügen angeftellten Schießen zu geſchehen pflegte; 
die von ihm ausgeſetzten Priefen waren fürdhterlic groß. 

1756 wurde zur erften Briefe ein filbernes übergoldetes Mundjervic, 
und zur zweiten ein filbernes Beſteck im Werth von 241 Rthlrn. ausgejekt. 

1757 jegte man eine goldene Uhr für den erjten Bejttreffenden 
aus, fie hatte den Wert von 14’, Carld’or. 

Hierauf traten wir in die jammervollen Zeiten des fiebenjährigen 
Krieges, wo unſere Scheiben mit einem Trauerflor behangen wurden, 
Wir verloren in diefem Zeitpunkt zugleich unferen großen Schützen und 
Jäger, den erhabenften und edelften Fürften, den Kırfürften Klemens 
Auguft, und unfer gewöhnlicher froher Scheibengefang ging in die tiefjten 
ZTrauerlieder über. Unſer Frohfinn war dahin, lange drüdte ung ein 
bejhwerte8 Gemüt, bis wir endli 1763 durch die Anherfunft unferes 
neuen Landesfürften Max Friedrich gleihjam in eine neue Welt ver: 
jet wurden. 

Die Landesftände weckten den jchlafenden Schügen und fetten bei 
einem veranftalteten Schießen eine goldene Tabatiere, in dem Werthe 
von 32 Karolinen, dem Erft- und Befttreffenden zur Prämie aus. 


Kurfürjtfiche Hofhaltungen. Scheibenſchießen. 81 


1765 fuhr man fort, ſich in diefer erhabenen Art zu beluftigen, 
bei dem diesmal veranftalteten Schießen wurde ein vollftändiges filbernes 
Kaffeeſervice ausgejegt, welches den Wert von 28 Stüd Piftolen ertrug. 

1766 wurde um eine goldene Zabatiere gejchojjen, fie war für 
32 Karolin erhandelt. 

1767 ftanden zwei Priefen für die beiden erjten Schüffe, und 
zwar eine goldene Uhr und eine Zabatiere, wofür achtzehn Karolinen 
gezahlt waren. 

1769 ein approdyen (zickzackförmiger) Topf, wofür man 110 Rthlr. 
in Louisd'or à 5 entrichtet hatte. 

1770 ein filbernes Lavoir und eine goldene Uhr, erjtere8 in dem 
Wert von 78 Rthlr., lettere zu 75 Rthlrn., die Piftole zu 5 gerechnet. 

1772 abermals zwei Priejen: für das erfte Gewinnft eine filberne 
vergoldete Kaffeefanne, ein Milchtopf und ein Spühlfumpf, und für 
das zweite ein Lavoir und eine Kanne, diejes alles hatte 216 Rthlr., 
die Piſtole zu 6 gerechnet, gefoftet. 

So wurden nit nur faft jedes Jahr ein oder mehrere große 
Schießen gehalten, und das dabei genoffene Vergnügen obendrein durd) 
große Foftbare Gewinnſte verdoppelt, jondern man bediente ſich aud im 
Kleinen diefes erhabenen Spiels, wenn man es fo nennen darf, und 
befuchte wenigjtend zweimal in jeder Woche bei günftiger Sommerzeit 
den freudigen Stand der Scheibe. Es wurde gewöhnlihd um einen 
Gulden gejhoffen. Uebung im Schießen und der Genuß eines biedern 
Umgangs waren die Veranlaffung des Spiels. 

Nach dem Jahre 1772 Hatten zwar mehrere große Schießen ftatt; 
e3 liegen uns aber desfalls feine bejondere Notizen vor. 

Nur erinnern wir uns aus diefen Zeiten eines großen Scießens, 
welches uns zur VBerherrlihung des Tages gegeben wurde, wo man ben 
erften Stein zu dem Zuchthausgebäude legte. Es war im Jahre 1783; 
man ſetzte zwei Gewinnfte aus, für den erjten beften Schuß wurde eine 
goldene Tabatiere, in dem Werth von 30 Piftolen, und für den zweiten 
beften Schuß zwei filberne Leuchter, 73 Rthlr. Werth, gegeben. 

Dann gedenken wir nod eine im Jahr 1790 ftatt gehabten 
Schießens, weldes man landftändiicher Seit8 dem Grafen von Königs» 
egg auf ein im vorigjährigen Landtag gegebenes Schießen erwiederte. 
Für die erfte Prämie waren 100, und für die zweite vierzig Gulden 
ausgeſetzt. 

Während der mehrmaligen höchſten Anweſenheit des letztern Kur— 
fürſten, Mar Franz, Hatten zwar auch verſchiedene, mehrere Tage 
dauernde Schießen ftatt, aber auch bdiefe find uns nur im Allgemeinen 


382 Kurkölniſche Zeit. Zeit des franzöfiichen Einflufies. 


no befannt, ohne daß wir bejondere Data darüber zu liefern im 
Stande find; fie waren aber ebenjo wonne- und freudenvoll, als jene, 
deren Andenken wir in diejer kurzen Abhandlung erneuert haben. 

Wir wollen ung mit dem Denfjprucdhe: dulce est meminisse 
priorum — das heißt: „„Es iſt ſüß, fich der verfloffenen Zeiten zu 
erinnern““, begnügen und damit diefelbe beſchließen.“ (Hüſer, Chronif.) 


Aus der Jahresrechnung des Furfürftlicden Oberfellners 
v. Düder, 1667.) 
A. Einnahmen. 

1. Schofgelder aus Städten und Freiheiten (Brilon, Gejefe je 
ME. 200, Rüthen 140, Warjtein 214, Neheim 48, Hirfchberg 40, Werl 100, 
Arnsberg 48, dazu 8 ME. 2 Schill. Weinakzife, 1 ME. 8 Schill. Bierkakziſe) 
1338 ME. 17 Zchill. oder 446 Neichsthaler 25 Schill. 6 Deut. 2. Mai- und 
Herbjtbeden: aus dem Amte Everöberg 204 — 50 — 3) aus den Gerichten 
Eslohe 32 — 52 — 6, Stodum 66 — 36, Hellefeld 78 — 36, aus dem Nuhr: 
amt 485 — 40 — 6, aus den Kirchſpielen Körbede 26 — 48, Allagen 10 — 26, 
Mülheim 3— 21, Bremen, Amtes Werl, 5—36. 3. Dienjtgelder: aus 
Amt Werl und Gogericht Rüthen 208 — 19 — 6, aus den Kirchjpielen Eslohe, 
Neijte, Wenholthauſen 64, Belmede und Stadt Eversberg 111 — 21, von 
denen von und zu Padberg wegen des neuen Hauſes 50. 4. Aus „Groß— 
und Klein-Zehenden, Weinfänfen und Gewinngeldern“ 11 46. 
5. Empfang aus den Ämtern (Dienjtgeld u. a.): Anröchte 48 — 1 — 1!/, 
Erwitte 199 — 17 — 6, Dftinghaufen 267 — 46, Medebad) („Herzogenfchoh”) 
50 — 36, Menden hat befondere Rechnung und eigenen Rentmeijter. 6. Aus 
furfürjtl. Bejigungen: Gut Stemel (Wiejen 20.) 19 — 49 — 6, Obereimer 
143, Berge und Olpe 243, aus der furf. „Zchneide- und Eägemühle vor der 
Stadt Arnsberg” 2— 39. 7. Weinfuhrgelder, „welche bei Ihrer Churf. 
Anmejenheit in Wejtfalen die Klöſter Wedinghaufen, Himmelpforten, Benning- 
haufen, Paradeiß, Rumbed, Freundenberg, Olinghaufen vom Rheine abholen 
lafien müſſen, oder jonjt dafür 23 gemeine Thaler ad 11%, Rthlr. zu zahlen 
haben“, 81 — 9. 8. Hundegelder aus einigen Klöjtern und dem platten Lande, 
die der kurf. Forſtſchreiber umrechnet, 176 — 18. 9. Unjtändige Renten (Mait- 
gelder 2.) 246 —24—9. 10. Empfang wegen der hohen twilden Immen— 
jlucht 1—9. 11. Verpachtete „Fiſchwäſſer“ 34. 12. Sterbegülden aus Amt 
Wert 2— 17. 13. Aus dem wejtfälifchen Siegelant 177 — 42 —5. 14. Welt- 
liche Brüdten 735, abgeredinet 772 = 12 —16—9. 15. Wejtfälifche Zoll 
gelder 430 — 9. 16. Salzzehnter in und bei Werl 3686 — 30 —5. 17. Ber- 
jitberte Fleifchrenten 105. 18. Aus verkauften feiften Schweinen 207 — 49. 
19. Aus mageren Schweinen 283. 20. Schweinholz 41 —6. 21. Aus ver- 
fauften Hühnern und Behntgänjen 147 — 23 — 6. 22. Aus verkauften Korn— 
früdhten 1360 — 38 — 9, Summa Summarum 87% Rthlr. 47 Sc). 3°/,, Deut. 


B. Ausgaben. 
1. „Ordinari Weltbeftallungen und Zahlungen der hurfürjil. 
HH. Landdroft, Näte, Beamte, und jfämtlicher churfürftl. Diener in Weftfalen.“ 


+) Im M. H. 2) Zu leſen 204 Rthlr., 50 Schill. 3 Deut. 


Dberkellnerei-Rechnung von 1667. 383 


Herr Dietherich Freiherr von Landöberg, kurf. Landdroſt, jährliche Bejtallung 
400 Rthlr. Item wegen adeliger Natsbejtallung 100 kölniſche Thaler ad 
66 Rthlr. 36 Sch. Freiherr Johann Adolph von Fürjtenderg, Droft zu Biljtein, 
hat jährliche Geldbejoldung 200 Rthlr. und 50 Malter Hafer, welche aus dem 
Amte Biljtein hergenommen und bezahlt werden. Herr Ferdinand de Wrede, 
Drojt zu Balve und Furfürtl. Obrijt-Stallmeifter, als adeliger weſtfäliſcher 
Kat Hat jährliche Geldbeſoldung 100 fölnische Thaler = 66 — 36. Herr Kaſpar 
de Wrede zu Amede als adeliger Rat 66 — 36. Herr Diethericd; Georg Frei- 
herr don Heyde zur Hovejtadt, Drojt zur Diftinghaufen, 175. Herr Henning 
Chriſtian von Schade, Droft zu Medebadh, (fehlt). Herr Johan Wilhelm, 
Freiherr von der Rede, Drojt zu Menden, hat jährliche Befoldung 200 Rthlr., 
jo nunmehr aus des Amts Menden Intraden hergenommen und bezahlt 
werden. H. Adam Diederih don Rumpf zur Wenne als Drojt des Amts 
Eversberg 137. Engelhardt Adolph Dücder als furfürjtl. gelchrter Nat 200. 
Item wegen Bedienung biejigen Archivii 66 — 36, Rembert Adam Budde 
als gelehrter Mat 200. Anton Bergh als gelehrter Nat 200. Diederich 
Saudenz Dücker, Oberkellner 200. Niclaes Lindenkamp, furf. Advocatus fisci, 
66 — 36. Kurfürſtl. Unterkellner Joh. Georg Wiefe 53 — 18. Landjchreiber 
Michael Gerling 66 — 36. Godtfriedt Richters, kurf. Kanzleifchreiber, 53 — 18. 
Aegidius Richters, kurf. Kanzleifchreiber, 53 — 18. Kurf. Burggraf auf Schloß 
Arnsberg 100. Potentin Menge, Wajlermeifter auf Schloß Arnsberg, 12. 
Des Fiichmeijters Stelle ift bis zu amderweitiger gnädigjter Verordnung 
fafjiert und verbleiben drei Fifcherfnechte bei dem alten Wertgeld, zuſammen 30. 
Der Fifcherknecht auf Haus Berge 10. Item zu Unterhaltung der „Fiſchgereid— 
ſchaft“ 10. Kaſpar Schelle, kurf. Einjpänniger und Trompeter, hat jährliche 
Bejtallung und Befchlaggeld 14 — 22. Henrich Orth, Furfürjtl. Einfpänniger, 
14 — 22. Matthias Noggerath, furf. Einjpänniger, 14 —22. Daniel, bei 
dem Gejtüt in Obereimer, 14 — 22, Kurf. Schloßpförtner Diederich Heußer 
34 — 36. Schloßwächter Barthold Potthoff 34 — 36. Schloßwächter Henrid) 
Böcke 34 — 36. Ludwig Dröge, Sellereidiener und Heubinder auf Schloß 
Arnsberg, 34 — 36. Hermann Fley, Eurfürftl. Leyendeder zu Arnsberg, Werl 
und Hirſchberg 30. Kurf. Bermalter zu Stemel, Bernhardt Stute, hat jähr— 
liches Schuhegeld 4. Kurf. Zehntner zu „Nehemb“ (Schuhegeld) 3. Burg 
graf zum Hirfchberg Ventzell Baronotsti 30. Kurf. Verwalter oder Wiefen- 
vogt zu Berge und zu Olpe Paulus Cappies 6. Burggraf zum neuen Haus 
im Beldefchen 6. Hermann Dunder Hausfrohne zu Arnsberg 12. Kurfüritl. 
Schlachtmeifter Tigges Hauß 17 — 18. Müller und Ejeltreiber auf Schloß 
Arnsberg 4. Kurfürftl. Diener auf dem Geftüt Obereimer (Bereiter, fein 
Scholar, Gärtner, Huffchmiede, Knechte zc.) 600. Folgen nun der „Ambtts- 
Richtern” und anderer Diener Befoldung (die Richter zu Werl, Menden, 
Stodum x. erhalten ca. 40, die „Amtsfrohne“ 6'/,. Sie werden meijt aus 
den „Ambts-Intraden”“ bezahlt): in Sa. 87. Der kurf. Hofmaler Ferdinand 
Wedemhofer 300. Folgen die Horjtbeamten: Jägermeifter Fhr. v. Weichs 
400, Forſt- und Jagdjchreiber Plöfcher 33 — 12. Engelhardt Hirnftein, Jäger 
zum Hirfchberg, 80. Hans Beltins, Jäger zum Hirſchberg, 80. Hans Henrich 
Drever, Jäger zu Körbede, 80. Gaud. Gosman, Jäger zu Arnsberg, 80. 
Herm. Kneer, Jäger und Burggraf zu Berge, 80. Ferd. Hirnjtein, neuanges 


384 Kurkölniſche Zeit. Zeit des franzöfifchen Einfluffes. 


ordneter Jäger zu Eversberg, 80. Küchenſchütz zu Freienohl 40. Förfter zu 
Endorf 30. Beltins zu ? 20. Setteler, invalider Förſter zu Eversberg, W. 
2. Die ordinari Kellnerei-Ausgaben. Die Unkoften der Kanzlei oder 
Kellmerei, Papier, Dinte 2c. 100. Opfergeld der armen „Provender“ 16. 
Heumacden in Stemel 14 — 40. Heumachen in Obereimer 6— 39. Heu- 
maden in Körbede 17—13. Heumaden in Berge 6— 49. Wegen Pro- 
zejlion zum Schloß Arnsperg in Dominica Trinitatis wird dem geiftlichen 
Stonvent zu Wedinghaujen altem Herfommen gemäß ein Quartel Wein ver- 
ehret 1. Berlujtgelder bei Einziehen der Beden 170 — 2 (wird beanjtandet). 
3. Auszahlung der Welt-PBenfionen (d. i. Zinſen). Abzahlung auf 
Gut Olpe 140. Abzahlung auf Gut Bönninghaujen 141 — 16. Abzahlung 
an den Oberfellner jelbjt (vorgefchoflenes Kapital für Unterhaltung der Eur: 
fürftlichen Feitungen und Soldatesca zc.) 100. Gnadengehalt: Missionariis 
Societatis Jesu 100. Stlojter Odader 17 Rthlr. 
Außergewöhnliche Ausgabeı.’) 

7. Febr. wegen verfertigter neuer Wolfstücher dem Schneider 8 Rthlr. 
42 Sch. 13. Febr. Zehrung des kurf. Rats Dr. Berg wegen Regijtrierung der 
Jagdbriefſchaften 3— 9. 19. Jan, zwei Boten, jo zehn Stüd Rindvieh zur kurf. 
Hofhaltung von Arnsberg nad) Köln getrieben, 8. 26. Sept. neun Mütt 
Hopfen für „das gebreivete Getränk? auf Schloß Arnsberg 9. 7. Yan. dem 
faiferlihen Pojthalter zu Jena wegen Uberbringung kurf. Briefichaften über- 
machtes honorarium 4. 12. Febr. „Als abermahlen der Churf. gdſter. Be- 
felch eingelangt, daß der zum außgejchriebenen wejtfälifchen Landtthag depu- 
tirter Herr Hofrath Quentell ſambt beyhabenden jieben perfohnen und pferden 
vom Oberfellnern zu Arnsberg Zeit wehrenden Landtthags zu verpflegen 
und folches demnegjt in Rechnung zu bringen: jo feint diefelbe als H. Hof- 
rat fambt Sr. Hochwürden gnaden freyherrn von Landtöberg als Bevoll— 
mecdhtigter Eines hochwürdigen Thumbcapittulls vom 7. bis zum 12. Febr. 
inel. jambt anderen von den Landt Stenden theglich eingeladener Herrn ad 
16 biß 18 perfohnen tractirt, für welche Mühe und Kojten gerechnet werden 
175.” Reparatur der Kutſche („Gutſche“) des H. Quentell 2— 14. Für die 
Nüdreife desjelben 30. Einem Koch für vor und nad zur furf. Hofbaltung 
bei währender Faftenzeit überjandte Forellen 1 Rthlr. 


„Ertraordinari Jagdtausgaben.“ 

Ausgemeflenes Salz zu Behuf der kurfürftl. Wildfälze 35 Rthlr. 13 Sc. 
6D. 2. Mai Zehr: und Verpflegungskoften des weſtf. Jägermeiſters und fämt- 
licher Jäger bei dem Müller zu Linnepe wegen abgehaltener Wolfsjagd 7 — 24 
4. Juni wegen eines im Gericht Hellefeld erſchoſſenen Wolfes dem Gerichts- 
jchreiber Pet. Wrede 2. dto. Koſtgeld den Furf. Jägern wegen erſchoſſener 
und zur kurf. Hofhaltung gelieferter Auerhähne 18. 15. Mai wieder wegen 
eines erfchoffenen Wolfes zu Hellefeld 2. 21. Juni dem Küchenfchügen zu 
Freienohl wegen erjchoflener ſechs Hafelhühner 36 Schill. 29. Juni wegen 
eines unmeit Kallenhardt erſchoſſenen Wolfes 2. 10. Aug. „dem Kaſpar Holt» 
apfell wegen hin und wieder geführter Blut- und anderen Hunden zahltes 
Taglohn” 3— 34. Den 10. Nov. für 19 Tonnen wegen eingemacdhten und dem 
Hof überfandten fchwarzen „Wildtprats? 3— 36. Den 13. Dez. wegen zur 


ı) Auswahl 


Oberkellnerei-Rechnung. Obereimer. 385 


furf. Hofhaltung in Tonnen gelieferten Wilder Sauen 49 Rthlr. 46 Sch. 6D. 
Den 11. Jan. dem Holzknecht zu „Niederen Bergheim” wegen einer erichofienen 
Wölfin2. Den 23. Jan. dem E. Veltins, „Sawknecht“, wegen eines erjchofienen 
Wolfes 2. Den 30. Yan. wegen zur kurf. Hofhaltung gelieferten Wildprets 
39. Den 11. Febr. wegen desjelben 17 — 36. Den 8. März Berpflegungs- 
fojten der jämtlichen Jäger bei abgehaltener Wolfsjagd in der Hellefelder Mark 
5—1—6. Den 17. März Pirfch- und Schiefgeld dem kurf. Förſter Koh. 
Sonnenjchein zu Endorf wegen gejchofiener 14 Stüd Hafelhühner 1 — 30. 
Dito den ordinari „Ert und wildpretsführern zum Hirfchberg Thiggefien 
Sohann abbezahlte Reiß-Rechnung“ 47 —4—6. Den 14. März dem Küchen— 
Ihüten zu Freienohl wegen fieben Hafelhühner 36. Einem münjterifchen 
„Ragenfänger” zur Bertilgung des Ungeziefers im Marftall x. 3—%. Für 
einen ausgebefferten „Hundtzwinger” und anderer Dinge auf Schloß Hirſch— 
berg 8 — 16 — 9. Für die Häufer Berge und Olpe 75. Kurfürftl. Häufer 
Stemel, Fägerhaus Neuhaus im Walde, Jagdhaus Endorf 80 Rthlr. x. 


Zurfürfkliche Bauten und Anlagen. 
Obereimer und der Tiergarten, 

Schon die erften Reifen, welche der neue Kurfürft bald nad) feinem 
Negierungsantritt ins weftfälifche Herzogtum unternahm, braten in 
ihm den Entihluß zur Reife, fi) den Aufenthalt in den herrlichen 
Umgebungen Arnsbergs möglichſt angenehm zu machen und Arnsberg 
zu einer würdigen Nejidenz zu erheben. ALS der Fürſt bei feinem 
erjten Bejuche aus einem der weftlichen Fenſter des Schloſſes jchaute 
und fih in den Anblid der entzückenden Landſchaft verjenfte, haftete 
jein Auge plöglic mit Wohlgefallen an dem auf Wieſen gebetteten Gute 
Obereimer. Er erfuhr, daß jein Oberfellner Düder Eigentümer des— 
jelben jei. Diejer hatte jeit dem Jahre 1627 zuerft die einzelnen Höfe 
und Kotten des Dorfes Obereimer erworben, dann auch die gutsherr- 
lihen Rechte über diefe Bauerngüter an ſich gebradjt, die bis dahin in 
den Händen der Familie Wreden in Neigern, des Kurfürften und des 
Klofters Wedinghaufen gewejen waren. Nachdem er hierauf noch einige 
Hufen Land und die „Nettelhöfe” im Walpfethal gekauft hatte, erwirfte 
er im Jahre 1631 von dem Landtage die Anerkennung diejes Befit- 
tumes al3 landtagsfähigen Rittergutes Dbereimer und die Be- 
freiung desjelben von Schatzungen und Kriegsfontributionen.!) Seine 
Freude über diefe Erwerbung jollte nur kurz fein; denn, als der neue 
Herr jein Wohlgefallen an der Beſitzung befundete, mußte er fie ihm, 
wohl oder übel, abtreten. Die Berfaufsurfunde hat folgenden Wortlaut: ?) 

) Seib. Quellen, III, ©. 245. 

2) M. 9, dem wir auch die folgenden Notizen über die Gejdhichte 
Obereimers verdanken. 

Fo aur, Geſchichte Arnsbergs. 25 


386 Kurkölniſche Zeit. Zeit des franzöfifchen Einfluffes. 


Kund und zu wiſſen fey hiermit, demnach Ihre Ehurfürjtlihe Durch— 
laucht zu Köln, Herzog Marimilian Heinrich in Bayern, unfer Ggjtr. Herr, 
bei Ihrer Perfünlichen Anwefenheit zu Arnsperg in diefem 1652ten Jahr, 
dafelbjt gefehen und wahrgenommen, daß das Gut Ober-Eymer, jo durd) 
Ihrer EChurfürftl. Durchl. Oberkellnern Hermann Düder aus vielerley Stüden 
und umnterfchiedlihen Handen in ein Corpus zufammengebradt, Ihro und 
einem zeitlich regierenden Churfürjten zur Arnspergiſchen Refidenz jehr mohl 
zu ftatten fommen und nützlich ſeyn könt, und deromwegen bei Ihm, Ober- 
fellnern, Anſuchung thun laffen, Ihrer Ehurf. Durchl. dasjelbe um einen billig 
mäßigen Werth Fäuflich zu übertragen und abzuftehen, und dann Er, Ober- 
fellner, fich darauf vernehmen laflen, daß obzwar Er in Zujammenfügung 
berührten Guts die bejte Zeit feines Lebens zugebracht, viele Mühe und Sorg 
angewendet, auch anſehnlich baare Mitteln eingefchofien, und nunmehr gegen 
fein herzunahendes Alter die Frucht feines Schweißes und Arbeit zu genießen 
bermeint gehabt, Er dennoch Ihrer Churfürjtl. Durchl. als feinem Ggſten 
Landesfürjten und Herrn, in dero ggſten Begehren nit gern auß Handen 
gehen wollte, fo ijt darauf nad) jleigiger Befichtigung aller zu berührtem Gut 
Ober-Eymer gehöriger Stüde durch erfahrene und kundige Leut der Kauf 
geichlofien und der Staufjchilling auf Zwölf Taufent Rthlr. vermittelt 
worden. 

Und bat nun diefemnad) ermeldeter Oberfellner fih dahin erklärt, dab 
Er Ihrer Churf. Durchl. und dero Nachfolgern am Ertzſtift obbefagtes jrey 
Adelich Rittergut Ober-Eymer in feinem jegigen Bezirk mit allen Zubehörungen 
an Gehölz, Wiefen, Weiden, Ader, Haus, Hof, wie felbiges Einerfeits (auf 
der einen — linken — Seite) der Nuhr gelegen (worunter aber die Länderey 
an der andern Seite der Ruhr unterm Gericht in Arnsbergifcher Yeldmarf, 
wie auch die Maft und Holzgeredhtigkeit in der Nieder-Eymer Mark nicht ver- 
itanden, jondern Ihm, Oberfellner Düder, wie er folche Länderey, Majt: und 
Holzgerechtigfeit bis daher befejfen, alſo ferner zu jeinem in Arnsberg er: 
baueten Haus zu nutzen und zu gebrauchen borbehalten bleibt) erb⸗ und 
eigenthümlich verkaufen, abtreten und einräumen wolle, gejtalt Er dann das— 
jelbig Kraft diefes verlaufen, einräumen und Ihrer EChurfürftl. Durchl. in 
defjen wirklichen Befig einfegen thut. — Hingegen wollen Ihre Churfürſtl. 
Durdl. und dero Nachfolger am Erkitift Ihm, Oberfellnern Dücker, und 
jeinen Erben die verglichene 12000 Rthlr. Kaufjchillings nad) folgender Ge— 
jtaltung entridhten und bezahlen. Erjtlih ſoll IIUm der Hof zu Günne an 
der Möhne im Kirchjpiel Körbecke . . . . eingeräumt fein. (Es folgen meitere 
Berjchreibungen mit endlofen Klauſeln). So gefchehen im Jahre 1652 den 
18ten Monatstag Scptembris. 

Kaum war der Kurfürft in den Befig des Gutes Obereimer ge- 
langt, jo vergrößerte er dasjelbe nad allen Seiten durch Anfauf an- 
jtoßender Ländereien, Wiejen und Weiden. Dann richtete er daſelbſt 
ein großes Geſtüt ein, verjchönerte das Gut durch die Anlage eines 
Baum—- und Luftgartens und mehrerer Fifchweiher und legte unterhalb 


derjelben einen Eijenhammer') an (daher die Namen Hammersteich, 





') Um 11. März 1656 wurde hier das erſte Stabeifen gefchmiedet. 


Dbereimer. Tiergarten. 387 


Hammershäuschen), zu deffen Bedienung er einen Waſſergraben von der 
Jägerbrücke aus ftechen ließ. Er baute die Pulvermühle („Pulverhaus") 
an der Walpfe, legte am rechten Ruhrufer cine neue Yandftraße nad) 
Hüften an, verband durch einen neuen Weg und eine Fahrbrücke das 
Schloß mit Obereimer, umgab das Gut mit einem ausgedehnten Tier- 
garten umd führte im Obereimer mehrere große Bauten (Stallung 
von 65 m Front, Pfort- und Jagdhaus, Tummelhaus oder Neitbahn) 
anf, die zum Zeil noch Heute ftehen. 


Mit der Einrichtung des Gejtütes wurde im Frühjahre 1653 begonnen. 
Am 29. August 1655 waren nad; dem Berzeihnis des Bereiterd Vogt bor- 
handen: 2 Bejchäler, 14 Stuten, die auch zur Arbeit tauglich waren, 3 Hengjt- 
füllen (114, bis 2%, Jahre alt), 10 Schleichfüllen, 4 Saugfüllen. Im Früh— 
jahre 1654 wurden dem Oberfellner 1000 Rthlr. angewiefen, wofür er Ochſen 
und anderes Rindvich im Hannoverſchen und Braunfchweigifchen auffaufen 
jollte. Diefes Vieh, ſowie Hämmel und Schafe wurden auf die Obereimer- 
ſche Weide zur Majt getrieben. Ende Sommers erhielt der Oberkellner den 
Befehl, von 14 zu 14 Tagen einzelne Stüde des fetten Viehes an die Furfürit- 
liche Hofhaltung nad) Bonn zu ſchicken. Im Laufe des Augujt wurden 22 Kühe 
und 2 Ochjen dorthin befördert. Gegen Mitte September hielt der Kurfürjt in 
Arnsberg Hof. Damals wurden am 13. und 14. je eine, am 19. zwei, am 23. 
wieder eine Kuh aufs Schloß geliefert. Am 13. Oktober wurden 80 Stüd 
Rinder und Ochſen nad Bonn gefchict, teil8 zum Berkaufe, teil zum Ge- 
brauche der Hofhaltung. Im ganzen wurden in diefen Jahre in Obereimer 
beiweidet an gefauftem Hornvieh 96 Stüd, an gelieferten Rent» und Schneid— 
rindern 65, außerdem 100 Schafe und Hämmel. 

Im Sommer 1656 wurden zum erjten Male mehrere Füllen und Bferde 
aus dem Gejtüte verkauft. In den folgenden Jahren wurde dasjelbe durch 
eine Anzahl edler, ausländiicher Stuten und Hengjte aus Holftein, Olden- 
burg ꝛc. bereihert. Andere wurden von Brühl auf die Weide von Obereimer 
geſchickt. Im Jahre 1660 twaren über 60 Pferde aufgejtallt. Unter den Be- 
ihälern waren ein Hauptbefchäler, gen. großer Berber, ein Engländer, ein 
Sreifinger, ein Neapolitaner ꝛc. 

An den Jahren 1653—1656 war auch der Tiergarten angelegt worden, 
Hierzu war von der Stadt Arnöberg die beivaldete Hälfte des Rüdenberges 
(„Alte Burg”) erhandelt worden. Der Kurfürjt wünfchte fpäter den ganzen 
Rüdenberg mit in die Umzäunung zu ziehen, um „das Wild vom mejtlichen 
Schloßturm aus befier beobadhten zu können“. Zum Entgelt wollte er u. a. 
die Laft der Erbauung und Unterhaltung der „Dlderbrüde” übernehmen. 
Indeſſen war die Kommiffion, die diefes Projekt prüfte, anderer Meinung. 
Sie erklärte am 5. Febr. 1661, da der Nüdenberg für den Tiergarten hinficht- 
lich der Weiden wenig nütlich fei und das Wild fich dort bei Tage wenig 
aufhalten würde, fo ſei es befler, nur den bewaldeten Teil des Berges zum 
Tiergarten zu fchlagen und diefem wegen des Projpeftes dom Schloſſe eine 
bejjere Yorın zu geben. Der Kurfürſt ging auf diefen Borfchlag ein. Im 
Jahre 1662 wurde jenfeit3 der Olderbrüde das Jägerhaus nebjt Hunde— 
jtall und Hundezwinger gebaut; die Brüde erhielt nun den Namen Jäger 


25* 


388 Kurkölnifche Zeit. Zeit des franzöfiichen Einflufies. 


brüde. Als der Kurfürft im Juli desfelben Jahres herüberfam, war alles 
fertig. Später wurde der Tiergarten erheblich vergrößert. Am 8. Mai 1667 
berichten Landdroſt, Oberjägermeijter zc., daß die Soldaten mit der Ummallung 
und Umzäunung des Tiergartens den Anfang gemacht hätten. Um fie zum 
Fleiße anzufpornen, eradhteten fie e8 für nötig, jedem von ihnen neben feinem 
Monatsgeld täglich zwei Pfund Brot und zwei Maß Bier, und dem Offiziere, 
der die Aufficht zu führen und das Werk zu leiten hätte, einen Schilling zu 
bewilligen : ferner beantragten fie für den Wallmeijter, dev den Raſen zu 
ftehen und aufzufegen hatte, täglich einen Königsort oder ein Kopfjtüd 
(— 1, Rthle.). Die befohlene Abmefjung des der Stadt Arnsberg gehörigen 
Bergkopfes zwiſchen den Djterfeldsköpfen und dem Mar: (nit Marx-) Eopf 
nad) der Wichelerhöhe bin jei noch nicht gefchehen, meil dem Gipsmeijter 
Mathifen bisher noch die nötigen Inſtrumente gefehlt hätten. Dieſe Bor- 
jchläge wurden genehmigt, und es wurde befohlen, ſolche Anjtalten zu treffen, 
daß der Tiergarten jederzeit gejchlojien fei, und die Ummwallung an der Walpte 
„die ſich in den Forellenmweiher ergießet”, zu beginnen. Der Umfang de$ ver: 
größerten Tiergartens war folgender: Die Umzäunung (ein tiefer Wallgraben, 
Wall, Stadettzaun) begann bei dem Jägerhauſe, zog fich über den halben 
Teil des Rüdenbergs herüber, durchſchnitt Hinter demfelben die Walpke, lief 
aus dem Seufzerthal in der hinteriten Schlade nad der Wicheler Höhe hin 
und begleitete von da das Kolterfiepen bi8 nad) Obereimer. Diefe Ummallung 
ift von einem neueren Forſcher irrtümlich für eine altſächſiſche Befejtigung 
angefehen worden. Der Tiergarten umſchloß ſonach die (jet fiskalifchen) 
Wälder jenſeits Obereimer mit herrlichen Bejtänden von Eichen, Buchen und 
Fichten, mit milden Objtbäumen, Didichten, grasreichen Weiden, Bergquellen, 
fliegenden Bächen und Teihen — ein großartiger Wildpark. Auf dem höch— 
jten Gipfel feiner Waldhöhen erhob fi ein Tempel, aus welchem man das 
Wild auf der Wichelerhöhe vortrefflich beobachten fonnte. Das Rondel, wo 
er gejtanden, ift noch heute fichtbar, und der Name hat fid) erhalten.) 


Bon den jpäteren Scidjalen der Anlagen zu Obereimer unter Mar 
Heinrichs Regierung dürften noch folgende Einzelheiten intereffieren. Am 
23. April 1669 erließ der Kurfürft durch den Obriftjtallmeijter von Wreden 
an den Oberfellner zu Arnsberg den Befehl ergehen, dem Verwalter zu 
Obereimer zwei gute Wolfshunde einzulicfern, da die Wölfe?) unlängjt in 
dem Gejtüt zu Obereimer großen Schaden angerichtet hätten. Zur Unter: 
haltung der Wolfshunde habe der Oberfellner jährlich jechh® Malter Kom 
ausfolgen zu lafjen. Im Jahre 1669 wurde die Weide zu Obereimer mit 
115 Stüd Hornvieh betrieben; ſchon 1659 war ein großes Bichhaus erbaut. 
Im Jahre 1677 bezeichnete der Maler Alerander Strodtmann zu Arnsberg 
neun, und im Jahre 1680 acht Geftütspferde zu Obereimer durch Atzwaſſer 


) Bermutung Hollenhorſts. Die Sage erzählt, die Tempelritter hätten 
dort oben eine Burg gehabt. Der Name „Tempel“ hängt wohl nicht mit 
templum zufammen, fondern ijt von „timpeln“ (obtimpeln = anhäufen) ge— 
bildet (Pieler). Vormals jtanden dort Eichen von riefigem Umfange, wie die 
Stümpfe noch heute erfennen laſſen. 

?) Über „Wölfe und Wolfsjagden im Sauerlande“ fiche meinen Aufſatz 
im „Zauerl. Gebirgsboten” 189%. 


Obereimer. Tiergarten. 389 


mit dem furf. Wappen, wofür er im Jahre 1680 vier Malter Roggen erhielt. 
Für fünftige vorzunehmende Bezeichnungen follte er bis auf meiteres jährlich 
ein fogen. Herrenfchwein aus der Sellnerei zu Arnsberg beziehen. — Am 
14. Januar 1679 de dato Köln wurde Heinrich Meinerkhagen aus Arnsberg, 
den der Kurfürſt ſchon als 14jährigen Knaben in feine Dienjte genommen 
und fpäter die Reitkunſt hatte erlernen lafien, „aus gnädigjtem Bertrauen” 
zum Berivalter und Bereiter zu Obereimer gemacht, dergejtalt, daß er nicht 
nur über das Geftüt, fondern auch über das Vieh, den Tiergarten, die Ge— 
bäude 2c. die Aufficht Haben follte, gegen ein Jahrgehalt von 100 Rthlr., freie 
Wohnung zc. ꝛc. Außerdem gejtattete ihm der Kurfürſt, einen Schüler zur 
Erlernung der Neitkunft anzunehmen, wofür er jährlich 50 Rthlr., zwei 
Schweine ꝛc. zugelegt erhielt. 

Unter Zofeph Klemens erfuhren die Furfürftlichen Anlagen 
zu Obereimer manden Wechſel. Nachdem ſchon im April 1691 der 
Kurfürft Garten und Baumhof dem Landdroften Georg Ernft von 
Schüngel zur Benutung übergeben hatte, verfügte er am 20. März 1692 
die Einftellung des dortigen Geftüts, die Verpachtung der Wiefen und 
Weiden u. a. m. Einen Monat darauf berichtete der Oberkellner, daß 
er des Kurfürften gnädigfte Entſchließung Hin und wieder befannt ge- 
macht habe und bei der am 10. April ftattgehabten VBerfammlung der 
Pandftände in pleno habe publizieren laffen, daß fid) aber Feiner außer 
dem Landdroften von Schüngel und dem Bereiter und Verwalter Heinrid) 
Meinerghagen zu Obereimer zur Anpachtung gemeldet habe und der 
fetere hoffe, daß er als langjähriger, treuer Verwalter des Gutes vor 
anderen den Vorzug genießen würde. Der Oberfellner bat ſich weitere 
Befehle aus, wie e8 mit den nod) vorhandenen Pferden und Maultieren, 
mit den Bedienten und Stallknechten, mit den Wiefen ꝛc. inner» und 
außerhalb des Tiergartens, mit dem Gehölz, der Maft, dem Wilde, 
der Fiſcherei ꝛc. follte gehalten werden und legte eine Berechnung bei, 
was das Gut feit 13 Jahren jährlich eingetragen Habe, außerdem ein 
von Meinertzhagen angefertigte Verzeichnis der noch vorhandenen 
Pferde ꝛc., des Geſchirres, der Mobilien, des Bettzeuges ꝛc. Aus dem 
Überfchlag ergab ſich, daß die große Weide unterhalb Obereimer, der 
Tiergarten, die Wiejen, die Ländereien und die Maft jährlich) zwiſchen 
450 bis 550 Reihsthaler eingetragen hatten. Das Weidegeld für aus— 
gewachjene Pferde hatte nur 4 Rthlr., für Füllen 3 Rthlr., für Ochſen 
und Kühe 3 Rthlr. betragen, das Fuder Heu war für 2 Rthlr. ver- 
fauft worden. In Summa waren in 13 Jahren 6627 Rthlr. 29 Stbr. 
(1 Rthir. — 60 Stbr.) eingenommen worden. Hierauf überließ Joſeph 
Klemens dem bisherigen Verwalter die vorhandenen Hengite, Hengftfüllen, 
Stuten und Maultiere für den von dieſem feftgeftellten Preis. Kein 
Pferd war über 30 Rthlr. veranjchlagt. Einen Teil jedod) verjchenkte der 


390 Kurkölniſche Zeit. Zeit des franzöſiſchen Einfluffes. 


Kurfürft an den Fürften von Paderborn und an den BVize-Obriftftalls 
meifter Freiherrn von Berfall. Zu gleiher Zeit wurde Meinertzhagen 
das Gut, wie er es bisher in Beſitz, Gebraud und Genuß gehabt, für 
die Summe von 500 Rthlr. pachtweiſe überlajien. 

Nah dem Tode Meinerkhagens legte der Kurfürft 1701 ein 
neues Geftüt an. Kurz nachher zwangen ihn die politiichen Verhältniſſe, 
das Land zu verlaffen. Das Domkapitel, welches nun sede impedita 
die Regierung übernahm, juchte vor allem im Hinblid auf die unruhigen 
Zeitverhältniffe das Kameralintereffe zu wahren. Daher gab es u. a. 
am 11. Januar 1703 dem gewejenen Obriftlieutenant Iwan von Caaß 
den Auftrag, die Stuterei zu Obereimer in Augenjhein zu nehmen. 
Diejer entließ den Bereiter Knör wegen Widerjeglichfeit und leitete eine 
furze Zeit das Geftüt ſelbſt. Schon im September-1703 verfügte das 
Domkapitel die Einftellung desjelben. Der Verkauf der 50 Gejtüts- 
pferde dauerte mehrere Monate. Die ceingelöfte Summe betrug 1133 
Rthlr. — ein für damalige Berhältniffe hoher Erlös. ALS Joſeph 
Klemens reftituiert war, legte er abermals eine Stuterei in Dbereimer 
an, und im fahre 1720 wurde das ganze Gut mit allen Pertinenzien 
an den damaligen Oberkellner Adolf von Düder, einen Sohn des 
früheren Oberfellners, auf drei Jahre verpadtet. Schon im Dftober 
desjelben Yahres waren 44 Pferde eingejtellt. Aber aud) dies Geftüt 
ging jhon im Jahre 1722 wieder ein. Die Judenſchaft erwarb 
20 Stuten und mehrere Füllen für den Gejamtpreis von 500 Athlrn., 
wogegen die Käufer für den Hofftall 5 jchwarze, 3 hellbraune Wallache 
von 4—7 Yahren zur Ergänzung der Kutſchenzüge, insgefamt zu 150 
Rthlru., zurüdliefern mußten. Sie famen aber bald darauf bei dem 
Kurfürften ein, er möchte gnädigſt veranlaffen, daß die Pferde nochmals, 
und zwar meiftbietend, ausgejegt würden, da fie wenigftens einen Schaden 
von 150 Rthlrn. bei dem Kaufe gehabt hätten. Die Eutſcheidung des 
Kurfürften ift unbefannt. 

Der Kurfürft Klemens Auguft beauftragte jhon im Jahre 
1724 feinen Oberfellner Adolf von Düder wieder mit der Einrichtung 
eines neuen Geftütes. Diejes beftand 24 Jahre und wurde von dem 
Major Syaffen verwaltet und zu großer Blüte gebracht. Im Sommer 
1741 waren 110 Pferde, darunter 8 Beſchäler, vorhanden. Indes 
waren die Unterhaltungsfoften zu bedeutend. Nach dem Überjchlag des 
Berwalters Syaſſen Eoftete das Geftüt im Jahre 1746 bloß an Hafer 
303 Malter = 606 Rthlr., an Roggen 4 Malter = 18 Rthlr., an Gerfte 
73 Malter — 194 Rthlr., an Heu 13 754 Bund oder 224 572 Pfund 
— 729 Rthlr., an Stroh 21 138 Baufhen = 634 Rthlr., an jährlichen 


Obereimer. 391 


Gehältern 461 Rthlr., im ganzen 3042 Rthlr., da aud) noch 400 Rthlr. 
für den Ausfall der Gutserträgniſſe zu berechnen waren. Dies mochte den 
Rurfürften bewegen, im Jahre 1748 das Geftüt wieder eingehen zu laffen. 
Bald nachher fam er auf den Gedanken, eine Schweize rei in Obereimer 
einzurichten. Klemens Auguft ließ dazu im Frühjahr 1752 eine große 
Anzahl fchwerer und jchöner Kühe in der Schweiz anfaufen. Sieben 
Schweizer begleiteten diefe Herde; der „Meifterfneht" Adam Rimm 
aus dem Kanton Schwyz wurde Verwalter. Diefe Schweizerei gedich 
vorzüglich und hielt ſich auch nod in dem erften Jahren des fieben- 
jährigen Krieges; mit dem Tode des Kurfürften Klemens Auguft ging 
fie wieder ein; die Schweizer fehrten in ihre Heimat zurüd. 

Rimm wurde Gutspäditer; er zahlte 500 Rthlr. Pacht. Die letzten 
Jahre des ficbenjährigen Krieges brachten ihm viele Beſchwerde, da das 
Lazarett der Hannoderaner und Helfen nad) Obereimer verlegt war und Die 
untern Weiden als Ererzierplat benutt wurden. Die obere Weide Bis zur 
Yägerbrüde, ſowie die bei „Schmies' Häuschen” auf dem rechten Ruhrufer war 
mit Artillerie und Brotwagen bededt. Da nach der Zerjtörung des Schlofjes 
bei den Landtagen die Furfürjtlichen Pferde nicht gut unterzubringen waren, 
jo erging die Verfügung, daß diefelben Fünftig zu Obereimer untergebracht 
werden follten, foweit e8 ohne Beeinträchtigung des Pächters Adam Rimm 
geichehen könnte, Auch für die Früchte der Oberfellnerei und die herrjchaft- 
lihen Effekten wurden in Obereimer Räume eingerichtet. In den 1790er 
Jahren unterfhied man in Obereimer die „Schweizerei” und „Bärtnerei”. 
In der letzteren richtete die Witwe des Gärtner Holzapfel eine Kaffee- und 
Weinmirtfchaft ein, die einer der vorzüglichiten Vergnügungsorte für die Be- 
wohner Arnsbergs wurde. 


Am Jahre 1791 wurde dem Pächter Klemens Rimm die Pacht für die 
näcjtfolgenden ſechs Jahre aufgefündigt. Denn Kurfürſt Mar Franz Hatte 
dem Oberfellner Voßfeld auf fein Anjuchen das Gut auf zwölf Jahre für 
600 Rthlr. Landrentmeifterei Kurſes stylo ferreo in Pacht gegeben. Rimm 
war nicht willens zu weichen und reichte bei der Einforderung feines Iekt- 
jährigen Bachtgeldes eine von feinem Bater Adam ſowohl wie von ihm 
jelbjt herrührende Gegenrechnung ein, wodurch er mit der Furfürftlichen Hof- 
fammer in einen weitläufigen Prozeß verwickelt wurde, der erjt in beffifcher 
Beit am 11. Dezember 1809 von dem Großherzoglichen Hofgerichte zu Arns- 
berg zu feinen Ungunften entfchieden wurde. Hierdurch verzögerte ſich für 
Voßfeld der Antritt der Padht um ein Jahr. Er und Rimm reichten auf 
Verlangen der kurf. Hoffammer ein ausführliches Verzeichnis der in Pachtung 
itehenden Stüde an. Es waren: 1. das Haus nebſt den daran ftoßenden 
zwei Flügeln; 2. der oberhalb des Haufes weſtwärts gelegene Gemüfegarten 
von übler Lage und fchlehtem Lehmgrunde; 3. oftwärts ein Krautgärtchen; 
4. die dom Haufe bis an die Ruhr nordwärts gelegene Fettweide; 5. die 
bom Haufe ſüdwärts bis an die Jägerbrücke belegene große Wiefe; 6. die 
große bei „Schmieshäuschen” oſtwärts jenjeit3 der Nuhr belegene Wiefe; 
7. die Hude und Eichelmajt im Tiergarten und in den Derbremen; 8. das 


392 Kurkölnifche Zeit. Zeit dee franzöfifchen Einflufies. 


Land unterhalb der YJägerbrüde an der Nuhr, 2%, Morgen; 9. das ganz im 
Walde liegende und dem Wilde ausgefegte ſechs Morgen große ſog. Hafer: 
land; 10. einige unter der Alten Burg beim Jägerhauſe gelegene fchledte 
Gärten nebjt einem Dreifchland von zwei Morgen; 11. das nötige Zaun- und 
Brennholz und die zum Gute gehörigen 24 Hand» und Spanndienjte. Außer: 
dem gehörten aber noch zu dem freiadeligen Gute Obereimer mehrere Par: 
zellen, die nicht an Nimm verpachtet geivefen waren: 1. der große oſtwärts 
gelegene Objtgarten nebjt den daran jtoßenden zwei Teihen mit dem Gärtner: 
hause, das vom Landdrojten an den Gärtner verpachtet war; 2. zchn Teiche, 
bon denen nur noch drei bis vier mit Fifchen befeßt waren; 3. das Pulver: 
haus nebjt Garten und Wiefen, welches in fpäterer Zeit dem Aufjeher des 
Tiergartens zur Wohnung angewiefen worden war; 4. dad Hammerhaus 
mit Garten, twelches fpäter dem Hirten, und 5. das Schmieshäuschen mit 
Bärten, welches dem Sclächtenmeifter überlaffen worden war; 6. die Be- 
rchtigung zu Maſt, Brenn: und Bauholz in der Niedereimer Markt von fünf 
Scharen, vier Höfen und fieben Kotten. Der ganze Kompfer der Grundftüde 
außer den Gärten war nichts als Wieſen- und Weidegrund, für das Bich 
beſtimmt; erjt nachdem die Schweizerei aufgehoben, hatte U. Rimm im Tier: 
garten born am Gebirge ſowie auch an den Enden der Weiden mehrere 
Morgen in Saatland umſchaffen laſſen. Voßfeld trat in diejelbe Pachtung, 
wie fie Kl. Rimm innegehabt hatte, bis zum Jahre 1804. 


Nachdem das Herzogtum im Jahre 1802 durch Heſſen in Befig 
genommen war, richtete das „Hochpreißliche“ Meinifterium zu Darmftadt 
alsbald fein Augenmerk auf die dem Fiskus anheim gefallenen Klofter- und 
Kammergüter. Wegen feiner günftigen Lage und der noch vorhandenen 
ihönen Stallungen und Neitbahn (Tummelhaus) eradhtete die „Drgani- 
jations-Kommiffion” Obereimer zur Anlage eines Landgeftüts für das 
Herzogtum Weftfalen geeignet und wies bereit3 dem Landftallmeifter 
Alberti dort eine Wohnung an. Wenngleid dag Minifterium den Bor: 
ihlag der Kommiffion billigte, jo erlich es doch am 21. Auguft 1804 
ein Reffript an die Landgräfliche Rentkammer zu Arnsberg, es jollte 
vor der Hand die für Alberti bejtimmte Wohnung dem Arnsberger 
Renteibeamten eingeräumt und das Gut demnächſt parzellenweije ver- 
pachtet werden, da die Errichtung eines Yandgeftüts für Weftfalen fid) 
noch auf längere Zeit verzögern Fönne. Nun war Arnsberg damals 
Garnifon, und ſchon im Frühjahr 1803 Hatte der Obrift von Schäfer 
die Rentkammer erjucht, die der Pachtung von Wedinghaufen einverleibte 
Fettweide auf dem Brüdenplag (Klofterfuhlamp) dem in Arnsberg ftatio- 
nierten Bataillon als Erxerzierplag einzuräumen. Um diefem Wunſche 
nachzukommen, nahm die Henteifammer einen Tauſch vor, indem fie die 
Obereimer-FFettweide dem Pächter des Wedinghaufer Kampes an defjen 
Stelle überließ. Das heſſiſche Militär ererzierte nun täglich auf dem 
Brüdenplate. 


DObereimer. Das Arnöberger Schloß. 393 


Mit der Abtrennung der einträglichften Parzelle war die Zer— 
jplitterung des ſchön arrondierten Gutes eingeleitet. Bald wurden an 
den Gebäulichkeiten Änderungen vorgenommen. Das Pfort: und Jagd— 
haus am Dftende des jüblichen Flügel8 wurde im Innern umgebaut und 
zur Oberförfterei eingerichtet. Der ganze hintere Zeil diejes Flügels 
wurde, da er baufällig war, abgebroden; der die Gebäude umringende 
Graben wurde zugejchlittet. In die Oberförfterei zog der Tandgräfliche 
Forjtmeifter von Schwarzfoppen ein (1804). Die übrigen Zeile des 
Gutes wurden nad) längeren Berhandlungen dem früheren Pächter 
Voßfeld wieder verpadhtet. Als aber die Familie Voßfeld im Yahre 
1806 nad) Arnsberg verzog, wurde das Gut mehr und mehr zerteilt. 
Mehrere Ländereien wurden dem Oberförfter als Dienftland gegen Pacht 
zugewiejen. Die große Weide auf dem rechten Ufer wurde dem ehe— 
maligen Schlädhtenmeifter Görz in „Schmieshäuschen” in Erbpadt ge- 
geben. Die von der Jägerbrücke bis zur Walpfe fid) ausdchnende 
Weide, die einft von Kurfürft Mar Heinrich aus einzelnen Gärten der 
Bürger Arnsbergs gebildet war, wurde wieder in Gärten parzelliert und 
an die Bürger Arnsbergs veräußert. 


Das Arnsberger Schloß. 
Der Maxr:Heinrichd: und der Hlemend:Auguft:Ban. 


Es ift nicht zu verwundern, daß das Schloß nad) der langen 
Zeit des dreißigjährigen Krieges einer Erneuerung dringend bedürftig 
war. Der funftfinnige Kurfürft Mar Heinrich faßte den Plan, eine 
gründliche Rejtauration vorzunehmen. Da das feſte Schloß bei Kriegs- 
gefahr einen ficheren legten Zufluchtsort für einen Teil der Bevölkerung 
darbot, jo fand Marimilian die Stände bereit, zu diefem Unternehmen 
Geldmittel zu bewilligen. Die älteften Bauakten!) reihen in das Jahr 
1654 zurüd. Man nahm zunächſt die Ausbefferung der Befeftigungen, 
namentlich der Batterien, von denen früher die Rede war, in Angriff. 
Im Jahre 1655 wurde ein Überfchlag eingereicht über die zum Schloß: 
bau erforderlichen Materialien. Es waren benötigt 86 Stämme zu 
Gerüftdielen, 400 Fuder Gerüftholz, 230 Eichenftämme zu Bauholz, 
1000 und etlihe Fuder Werkftüde, 600 Fuder Kalk, 100000 Bad: 
fteine, 800 Fuder Sand, 4 Fuder Eifen zu Stiften und Klammern. 
Jedoch wurde zunächſt nur weiter an den Befeftigungswerfen gearbeitet. 


1) Diefelben jind ſowohl von Seiberk (Blätter 3. n. 8. W. 1862, 
©. 55 ff.), als auch von Hollenhorjt eingefehen. Bier find die Notizen beider 
benutt. Der Abjchnitt ift jedoch möglichjt kurz gehalten. 


394 Kurkölnifche Zeit. Zeit des franzöfifchen Einfluffes. 


Erft im Jahre 1661 wurde der Baumeifter Hang Deger aus Rhode 
im Waldedifhen mit der Erneuerung der Scloßgebäude beauftragt. 
Zunächſt wurde der weſtliche Edturm für den Gebraud des Kurfürften 
ausgebaut und alsdann in berjelben Weife der öftlihe. Für jeden 
Turm befam der Baumeifter 2000 Rthlr. nebft 100 Rthlrn. Handgeld; 
außerdem follte er cinen Gnadenpfennig erhalten, wenn alles gut aus: 
fiel... Das „Spatium" zwijchen beiden Türmen wurde in folgender 
Weife ausgefüllt. Der Raum unter dem großen Saale wurde in Kreuz: 
gewölbe gejchlagen und in Kammern abgeteilt, die al8 Küche, Dispens, 
Weinſchank zc. dienten. Im ganzen wurden zehn folder Kammern eins 
gerichtet. Der große Saal ſelbſt wurde an der Weſtſeite eingeſchränkt, 
indem vier Zimmer als Antihambre, Audienz» und Garderoberäume 
des Kurfürften davon abgetrennt wurden. Über dem Saale wurde 
eine Gallerie von act Zimmern angelegt. In feinem Innern wurde 
das gejunfene Hangwerk wieder aufgetrieben und der Boden mit 
Steinen belegt. Für diefe Arbeit befam der Baumeifter in alfem 
4160 Rthlr., dod wurden ihm die Materialien geliefert. Die Steine 
wurden von Werl und Rüthen bezogen. Die Gejamtunfoften für den 
Mittelbau beliefen fi) auf 8216'/, Rthlr. 

Der Kurfürft brachte den Auguft des Jahres 1662 auf dem 
Schloſſe zu. Nach feiner Abreife erteilte der Großhofmeifter Graf von 
Fürftenberg Anweifungen über den weiteren Ausbau des Schloffes und 
über die Einrichtung und Ausftattung der Zimmer mit Teppiden, 
Baldachinen, Tapeten, Vorhängen ꝛc. Am 25. Auguft 1663 berichtete 
der Landdroft von Landsberg dem Kurfürften, der wieder Weftfalen 
aufſuchen wollte, daß der ganze Schloßbau in Arnsberg fertig ſei. Nur 
ein Heiner Teil des großen Saales fei wegen Mangels an QDuadern 
noch nicht belegt, die Steine würden aber nod vor Ankunft Sr. Durch— 
laut von den Bergwerken geliefert werden. In den folgenden Jahren, 
nämlich 1664, 65, 66 und 67 hielt Mar Heinrich häufig auf dem 
reftaurierten Schloffe Hof, wie die hier ausgeftellten Urkunden beweifen. 
Es ift aber auffallend, daß ſchon am 22. April 1670 größere Re- 
paraturen nötig waren. Das Dachwerk an den Türmen und am 
Mittelbau war ftarf beſchädigt, das Mauerwerk hie und da zerfallen, 
jo daß der Schlagregen durdhdrang und im Innern Gemälde und 
Zapeten verdarb. Die Batterie nach Obereimer hin war ruiniert, die 
darauf ftchenden vier Kanonen waren dismontiert, die Echloßpforten 
im Unftand ꝛc. Es wurde Anweifung gegeben, alles wieder herzuftelfen 
und die Kanonen mit neuen Lafetten und Rädern zu verjehen. Die 
Ausbefferung der Batterien follten die in Garniſon liegenden Soldaten 


Schloß Arnsberg. Max-Heinrichs-Bau. 395 


beforgen, die ohnehin nichts zu thun hätten, und der Kommandant, 
General-Wachtmeifter Grote, jollte die Arbeiten leiten. Zugleich) wurde 
diefem das hinter dem Weißen Turme jenſeits des Marſtalls ftehende, 
freifiegende Haus, bisher Wohnung des Furfürftlichen Apothefers, Saal- 
meifters und Kammerfouriers, als beftändige Wohnung angewiejen, damit 
er nicht immer mit Familie umzuziehen brauchte, wann der Kurfürft in 
Arnsberg weilte. 

Am 17. Febr. 1683 ſchlug der Blitz „zum dritten Male inner 
halb 24 Jahren“ in den Weißen Turm. Diefer brannte vom Abende 
bi8 zum andern Morgen, weil zum Löſchen fein Waffer vorhanden war 
und die Wafjerfunft an der Yägerbrüde wegen Hochflut im toten 
Waſſer ftand und deshalb unthätig war. 

Die Waflerkunjt war in alten Zeiten von den Klöſtern Wedinghaufen 
und Rumbed angelegt und mußte von diefen in jtand gehalten werden. 
Bei der nunmehr vorkommenden fojtipieligen Änderung kam es zu Zwiſtig— 
feiten. Die kurfürſtlichen Beamten behaupteten, die Klöfter feien nicht nur 
verbunden, die Eleine Brüde und die Wafferleitung in gutem Stand zu 
halten, fondern auch den angeftellten Waflermeijter zu Defolden, die Pumpen 
und Röhren ꝛc. zu unterhalten oder bei Anweſenheit des Kurfürjten alles 
nötige Wafler mit Fuhrwerk aufs Schloß fchaffen zu laffen. Dagegen be- 
haupteten die Klöjter, nur zur Erhaltung des Grabens und Durchleitung des 
Waflers bis auf die Kunſt verbunden zu fein. Sie wandten fich bittfuchend 
an den Kurfürjten, er jolle von jenen Forderungen abitehen oder einen billigen 
Vergleich mit ihnen eingehen, Der Kurfürſt zeigte fich hierzu geneigt. Das 
Klofter Wedinghaufen verzichtete auf gewiſſe Zehntanſprüche an Eurfürjtlichen 
Ländereien, die diefer für feinen Tiergarten angerworben hatte. Dafür befreite 
der Kurfürjt beide Klöfter von allen ihren Berbindlichkeiten Hinfichtlich der 
Wafferkunft, nur falls jtarker Froſt oder Dürre letztere außer Wirkſamkeit 
feße, follten die öfter gebunden fein, bei Anweſenheit des Kurfürjten, aber 
auch nur dann, Waffer durh Fuhren aufs Schloß zu bringen. (Ark. v. 
2. Nov. 1666 mit Unterfchrift des Kurfürften, des Domtkapitels, des Abtes 
Reinhark, des Propjtes Armedes zu Rumbeck).) Nah der Zeritörung des 
Schloſſes wurde die alte Waflerkunft in eine Walkmühle verwandelt, die bei 
der Anlage der Chauſſeeſtraße abgebrochen iſt. 

Das Schloß Marimilian Heinrichs ift in zwei Abbildungen er» 
halten. Die eine rührt von Rudolf von Eßl her und ift „gewiffer: 
maßen das Titelkupfer“ zu der von ihm verfaßten „Euren Beſchreibung 
der Grafihaft und Statt Arnfberg in Weftphalen”, aus der unten 
Auszüge mitgeteilt find. Das Bild (ohne Text) ift zu fehen auf dem 
Arnsberger Rathaufe im Amtszimmer des Bürgermeifters. Es trägt 
die Unterfchrift: Rudolph von Essl invenit. C. Metzger sculpsit. 
1669. Die ganze „Beſchreibung“, die 34 Druckſeiten in Seiberk’ 


) M. H 


396 Kurkölnifche Zeit. Zeit des franzöfifchen Einfluffes. 


Quellen (II, ©. 371 ff.) füllt, ift mit der Abbildung auf einer ein» 
zigen Seite in ſechs Kolumnen abgedruckt. Die Anficht ftellt das Schloß 
mit der Stadt faft aus der Vogelperfpeftive dar und ift in der Zeich— 
nung jehr deutlih. Die Befeftigungswerfe treten ſcharf hervor. Ber: 
lien mit dem Ealentinsbau, zeigt der Mar-Heinrihsbau ſchlankere 
Verhältniffe. Der unförmlich maffive Flügel auf der Weftjeite hat 
Hleineren, unter fid) verbundenen Einzelgebäuden Pla gemadt. — Die 
andere Abbildung des Schloffes ift auf einem Ölgemälde, welches aus 
dem Klofter Wedinghaufen ftammt und jett im Beſitze des Herrn 
Gerichtsfefretärs Book ift. Durd die Mitte des ziemlich großen Ge- 
mäldes, welches die Widmung des Klofters dur den Grafen Heinrich I 
darftelft, zieht fih — als Staffage — der ins Eichholz auslaufende 
Bergrüden mit der Stadt und dem Schloſſe. Die mit der Zeit leider 
recht undeutlich gewordene Ansicht ift bemerkenswert als einzige, die von 
Dften aufgenommen ift.") 

Unter Joſeph Klemens wurden zunächit nur die allernötigjten Repa- 
raturen vorgenommen. Als fi der von Mar Heinrich angejtellte Meijter 
des Fortifikations- und Bauweſens, Gipsarbeiter, Grundarbeiter und Land 
meſſer in Rheinland und Wejtfalen, Martin Spantzal aus Iglau in Mähren, 
an den Kurfürften wandte, ihn bei feinem Dienſte und jährlichen Einkommen 
bon 100 Rthlrn., zwei feiiten Schweinen und einem Schneidrinde zu belafien, 
erklärte Joſeph Klemens am 26. März 1689, da er vernommen, daß feit einigen 
Jahren zu Arnsberg, Hirfchherg und an anderen Orten jo viel gebaut und 
repariert worden, daß ſich alles zur Notdurft gehörig imjtande befinde, und 
ohnehin feine Mittel vorhanden feien, zumal auf ungewiſſe Arbeit hin einen 
Mann zu befolden, jo fei Spangal feiner Dienjte zu entlafien, er wolle ihn 
aber gegebenen Falles berüdfichtigen ꝛe. 

Am 17. November 1711 büteten mehrere Ejeljungen ihre Eſel am 
Ditabdange des Schloßberges. Um fi) vor der Kälte zu jchügen, zündeten 
fie in geringer Entfernung von der Ringmauer des Schlofjes ein Feuer an. 
Diejes ergriff das Epheuholz an der Mauer, welches in der graufamen Kälte 
de3 Winters 1709 gänzlich verdorrt war. Wenngleich raſche Hilfe geleitet 
wurde, fo richtete das Feuer doch fo beträchtlihen Schaden an, daß „nad 
einem, vom damaligen Burggrafen Johann Kafpar Arndts, dem Stammpvater 
ber Familie diefes Namens überreihten Boranjchlage zum Ausfliden des 
Maueriverts vom Marſtall bis an den Pulverthurm, und von diefem bis ans 
Ende des Brauhaufes im ganzen 1400 Fuder Steine erfordert wurden. Man 
fcheint darauf wenig geachtet zu haben; denn am 13. Auguft 1713 Eagte der 
Oberkellner Bernhard Adolf von Düder, daß, wenn nicht bald Vorſorge ges 
troffen werde, die Ringmauer einfallen und die Pferdejtälle zur Unterbringung 
der Pferde und Kutſchen auf dem nächſten Landtage ganz unbrauchbar jein 
würden. Zugleich übergab er ein Verzeichnis defien, was zur Dadjreparatur 


) Das in der Wirtjchaft von Hoffmann (Barriere) befindliche Fleinere 
Gemälde ſcheint mir eine Kopie davon zu fein. 


Baugefchichte des Arnsberger Schlofies. 397 


des hieſigen Schlofjes jowohl, al8 der Schlöffer zu Werl und Hirjchberg, 
jowie der Häufer zu Obereimer und Berge an Brettern, Steinen und Nägeln, 
erforderlich jei. Der verbannte Kurfürſt fonnte ſich feiner Schlöffer nicht an- 
nehmen; das Domkapitel bejchränkte jich auf dürftige Meparaturen. Kein 
Wunder, daß alles immer mehr verfiel. Nach der infolge de8 Badener 
Friedens vom 4. September 1714 erfolgten Reititution des Kurfürjten Flagte 
der Oberfellner bei demjelben fortwährend über den Berfall der öffentlichen 
Gebäude, der an dem Scloffe zu Arnsberg jo weit gediehen fei, daß ſich 
fein biefiger Meijter mehr getraue, die Reparatur zu unternehmen.“ 


Am 31. März 1718 bejchwerte fi) wiederum der Oberfellner v. Düder, 
er habe, fo lange er im Dienjte fei, jährlich wenigjtens zweimal darauf an- 
getragen, die notwendigen Reparaturen am biefigen Schlofje vorzunehmen, 
aber vergebens. Nun jei gar im vergangenen Winter durch ungewöhnliche 
Windjtürme und Regengüſſe alles Dachwerk verdorben, und die Fenſter feien 
zerichlagen, daß zwei Glafer über zwei Monate zu thun hätten; alle Deden 
der Zimmer, aud) die des Saales jeien durchgeregnet und abgefallen, die Balken 
zum Teile abgefault, jo daß man ſich ohne Gefahr in den Räumen nicht auf- 
halten und der Zandtag auf dem Schlofie nicht abgehalten werden fünne ꝛc. 
Hierauf wurden Kojtenanjchläge eingefordert und don den Ständen auf dem 
Landtage 5000 Rthlr. als Beihilfe zur Reparatur bewilligt. Nunmehr er- 
jolgte eine Bejichtigung der Schäden des Baues durd) den Landdrojten Fer— 
dinand Kajpar von Drojte und den Oberfellner Geh. Rat Adolf v. Düder. 

Über das Ausjehen und die Benugung des Schloſſes finden wir 
folgende interefjante Aufſchlüſſe. An der Außenmauer nad der Stadt 
hin, auf der Dft- und Weſtecke berjelben, ftand eine Batterie, bei 
jeder ein Scilderhaus. Born in der finftern Pforte nah DOften war 
ein altes Wachthaus. Unter der Fenfterpforte an der Weftjeite war 
ein Rauchboden zum Räuchern des Fleiſches, darüber die Küche des 
Landdroſten, der in dem Flügel an der Weftjeite wohnte, An der- 
jelben Seite waren, außer einem gemeinjamen großen gewölbten Zimmer 
noch fieben Räume für Hoffavaliere und ebenſo viele für deren Diener. 
Über diefen Zimmern befanden ſich die Kornſpeicher. Vom Landdroften- 
flügel führte ein Gang zur Schloßfapelle, zu der man auf einer 
fteinernen Treppe emporftieg. Dann folgte der jog. Große oder Weiße 
Turm, der unmittelbar hinter der Nordſeite der Kapelle ftand, welche 
mit zwei Hleineren jpigen Türmen verjehen war. Dann fam man an 
das Brauhaus. An der Nordfeite, neben der hinteren Schloßpforte, 
ftand die dritte Batterie; am diefer äußerften Nordſeite befand fich 
auch der alte Bulverturm; dann folgten an der Dftjeite die Pferde- 
ftallungen für den Landtag, der Marjtall für vierzehn Pferde und 
die Kutjchenjchuppen. Alles war zerfallen. Zur Reparatur wurden 
vorläufig 2800 Rthlr. überwiejen, die der Yandpfennigmeifter Leonards 
auszahlen ſollte. Daß fie nicht ausreichten, war vorauszufehen, wozu 


398 Kurkölnifche Zeit. Zeit des franzöfifchen Einfluffes. 


noch fam, daß am 29. Juni 1723, morgens 3 Uhr, wieder eine Feuers⸗ 
brunft entjtand, welche befonder8 die großen Hangwerke des Saales 
beſchädigte. In demfelben Jahre ftarb Joſeph Klemens; ihm folgte 
der durch feine Baufuft befannte Kurfürft 

Klemens Auguft, der um 1730 an die Stelle des verfallenen 
Schloſſes einen pradhtvollen Neubau im Nenaiffancejtil fegen lieh. 
Nad einer gleichzeitigen Zeichnung von Met (geftochen von Metteli), 
welche von der Nord ſeite aufgenommen ift, wurden alle Seitengebäude 
einschließlich des Weißen Turmes weggebrodyen, der hierdurd gewonnene 
große Hofplag mit einer einfachen nad Norden abgerundeten Mauer 
eingefaßt. Der Hauptbau ſchloß fih im Grundriffe dem ehemaligen 
Schloſſe an. Die obere Etage desjelben enthielt den Prunkjaal von 
derjelben Ausdehnung, wie vordem im Salentinsbau (S. 207 f). Die 
Dede war aud hier von Hangwerken getragen, jchwebte über einem 
Raume von 125° Länge, 61° Breite, 25° Höhe ohne Pfeiler. In 
diefem Saale fand eine große Prozeſſion Play zum Anhören der 
Predigt; im ihm fonnten, wie e8 heißt, Vierſpänner drehen. Hoc in 
der Mitte des Baues war die Schloßuhr fidhtbar, deren große ver- 
goldeten Zeiger eine halbe Stunde weit die Uhr zeigte, während die 
Stundenuhr noch viel weiter tönte. Hinter den beiden Türmen waren 
zwei neue Flügel angebaut, von denen der öftliche eine neue Hoffapelle 
ohne äußere Auszeichnung enthielt. Die Hintere Hauptwand des Schlofjes 
zwiſchen beiden Flügeln hatte ftatt der alten äußeren Aufgangstreppe, 
die viel Raum einnahm, ein hohes Eingangsthor im unteren Gejchofje.") 
Das Prunkſchloß des Klemens Auguft wurde, wie unten ausführlich 
gejchildert werden ſoll, im fiebenjährigen Kriege (1762) zerftört. Noch 
im Jahre vorher war ein genaues Inventar?) aufgenommen, weldes 
einen Einblid in die innere Einrichtung des Schlofjes gewährt. Die mit 
venetianifchen Tapeten ausgeftatteten Wände des großen Saales waren 
mit ſechs großen Jagdſtücken und vierzehn großen Porträts geſchmückt; 
unter diefen waren die der legten fünf Kurfürften, einzelner Mitglieder 
ihres Hauſes und das des Kaijers Ludwig. Bon der Dede hingen elf große 
Kronleuchter herab; außerdem erhellten noch vierundzwanzig Wandleuchter 
den Saal. Bor den zwei Kaminen lagen mejfingene Brandruten. Das 


ı) Die Alten über den Neubau jind nirgends aufzufinden. Schon 
Seibert bat fie vergeblich gefucht. Im M. 9. findet fi) die Notiz, daß die 
alte Kapelle 1725 abgetragen und die neue 1743 in Anweſenheit des Kurfürjten 
eingeweiht fei. Daß man 1734 mit Bauen bejchäftigt war, gebt aus einer 
Notiz der Alten betr. Obereimer hervor. 

2) Im Stadtardhib. 


Schloß Arnsberg. Slemens-Auguft:Baıı. 399 


Meublement bildeten zwölf hölzerne Tafeltiſche, ein Muſikantentiſch und 
dreißig Seffel mit gelbledernem Überzug. Außer den Bildern erinnerten 
zwei ausgeftopfte Hirjche an die Jagdluft der Fürften. Das Billard- 
zimmer, welches außer dem Billard auch mehrere mit grünem Tuch 
überzogene Spieltiſche enthielt, war mit „durchnähten“ Tapeten aus- 
gekleidet; ebenjo die neue Antihambre. Dagegen war das kur— 
fürftlide Schlafgemad mit gelbjeidenen Damafttapeten behängt, 
aus deinjelben Stoffe waren der Betthimmel und ein Seſſelüberzug. 
Auch hier ſtand ein Spieltiſch, ferner eine eingelegte Kommode. Das 
Bett beftand aus Matrage, Federunterbett, wollener Überdecke und 
damaftener Spreide. Auch das Schreibfabinet war mit gelbjeidenem 
Damaft behangen; auch hier waren eingelegte Tiſche, ein foftbarer 
Spiegel u. a. In dem Betzimmer (Oratorio) zwei Kniekiſſen mit 
gelbem Damaftüberzug, der überhaupt immer wiederfehrt. Im Speije- 
jaale mit „grüntuchener” Tapete hing das Bildnis Caroli Magni. 
Das Scenkzimmer, die alte Antecamera, mit blauem Plüjch behangen, 
das alte Schlafzimmer, das Audienzzimmer boten nicht Bejondereg, 
jedod) war in den drei legten Zimmern die blaue Farbe herrichend. In 
dem legten war ein eingemauerter Spiegel. Das Garderobezimmer 
enthielt außer größeren Vorräten an Leinwand, Zinn- und Kupfer- 
geihirren einen großen filbernen Bofal, „jo der Willfomm genennet 
wirt, mit allerhandt feinen Steinen eingefaßt nebjt einem Dedel mit 
guldenem Pferdchen (dem wejtfäliihen Roß) darauf in ledern Futeral 
verwahrt.) Ein grüner Tifchteppich von Damaft, der vom Kurfürften 

1) In der Feitjigung des bijtorischen Vereins zu Arnsberg am 15. Dez. 
1870 wurde bon Werner Rieve ein Bortrag gehalten über den Pokal der 
ehemaligen Zandjtände des Herzogtums Wejtfalen, mit dem Weiheſpruch Dux 
et Ducatus. Der jogenannte Landesbecher wurde bei den Quartalfitungen 
der Ritterfchaft und Stände auf dem Scloffe oder dem Nathaufe zu Arns- 
berg benußt, um bei der FFejttafel die Gefundheit des Fürjten zu trinken 
(zum Willlonm neneintretender Mitglieder des Landtages? Hollenhorit). 
Nachdem der Landgraf don Heſſen durch den Reichsdeputations-Hauptſchluß 
das Herzogtum Wejtfalen erhalten Hatte, wurde der Becher nad) Darmitadt 
gebracht und dort ungeachtet wiederholter Reklamation zurüdbehalten, da die 
Behauptung, daß er nad) der Beitimmung des Geſchenkgebers ſtets im „Lande 
bleiben folle“, erjt urkundlich nadyzumeifen fei. Die betreffende Urkunde hat 
jih mittlerweile in dem Kgl. Staatdarhiv zu Münjter gefunden und lautet: 
Bu wiſſen fei hiemit, alß Ihre Churfürftlihe Durchlaucht zu Cölln, Herkog 
Marimilian Henri in Beyern, unfer gnädigjter Herr ein gewiſſes filbern 
berguldetes Trinkgeſchirr mit Kryjtall und andern aus jonderbarer Kunſt und 
jelbjteigener Invention gefertigten Steine befeßt, dero Fürſtenthumbs Weft- 
falen gejambten Landjtänden zu einer Gedächtnus gnädigſt verehret, geftalt 


400 Kurkölniſche Zeit. Zeit des franzöfiichen Einflufies. 


in der Kapelfe gebraucht zu werden pflegte, war nad) Angabe des Burg- 
grafen Bolmari Lintener bei dem . Kriegstrublen von den auf dem 
Schloß einquartierten Franzoſen weg- und mitgenommen. Die Hof- 
fapelle hatte vier neue Bänke; über dem Altare hing ein Mutter- 
gottesbild mit dem Kindlein Jeſu, Bildniffe des Hl. Johannes von 
Nepomuf, der Jünger, jo nad) Emaus gehen, des St. Walburg ꝛc. 
Die Kapellen-Safriftei barg außer anderem ein filbernes Eiborium 
und Mefgewänder für die verjchiedenen FKirchlihen Zeiten. In der 
Geheimen Kanzlei ftanden viele Tijche, Stühle und Bettladen, fie 
heint nur deren Aufbewahrungsort gewejen zu fein. — Es folgen bie 
Zimmer für das Gefolge und die Bedienten, die Kabinette des Obrift- 
hofmeifters, die Lakaienkammer, des Oberſtallmeiſters Zimmer zc., 
darauf das Fleine Kavalierzimmer, das Knabenzimmer, das Knaben» 
bedientenzimmer, Dobeler8 Zimmer, das Feldlafaienzimmer. Auf dem 
„Jägergange“ waren drei Kammern für die Bedienten mit ſechs Bett- 
jtätten, auf dem oberften Turmzimmer nebjt dem Jägerhauſe fünf Bett: 
laden ꝛc. Außerdem werden erwähnt die Zimmer des Geh. Rats 
Falkenberg und das jeiner Bedienten, das der „Thuntherren“, das des 
Generals Schlaun, des Jägermeiſters, der „Thumgrafen“, der „Hof: 
rathen“, der Kammerherren und deren Bedienten, der LXeibbarbiere, der 
Muſikanten, mehrerer Bedienten der „Hofrathen” mit Nebenzimmer, 
der Hoflafaien, der Hayduden, des Beichtvater8 mit Vorzimmer, der 
Tapezierer und ihres Gejellen, des Perückiers, des Kontroleurs, des 
Marſchalls, der Kammerdiener, Bedienten, Kammerdienersbedienten, die 
gelbe Garderobe, das geiftlide Tafelzimmer, die Konditorei, (53 „por- 
cellinen" Schüffeln u. a.), die Sommelerie mit bejonderer Küche, das 
Gelaß der „Jungens“, die „Porcellinenfammer", die Räume des Silber- 
dieners, der „Einjpänniger" (S. 314), der „Ziergarten” mit vielem 
Kupfer, Meffing-, Blech» und Eifengejhirr, die große Kühe. Es 
folgen Weinkeller, Bad» und Brauhaus, gemwölbtes Zeughaus mit acht 
Haufen eijerner Kanonenkugeln, zwei Jagdhäuſern, Flinten, alten Har- 
nischen und Picdelhauben und zwei alten Münzprägungswerfzeugen. — 
dajfelb auf hiefigem dero Schloß in dem Ardivio verwarlich aufzubehalten. 
Sp erklären Höchſtgemeldete Ihro Ehurfürjtl. Durchlaucht Hiemit und Eraft 
dieſes gnädigſt derfelben will zu fein, daß berürtes Trinfgefhirr jo wenig 
von dero successoribus am Erzſtift als auch bemeldten Landjtänden bon 
dannen verbracht werden, jondern jederzeit allda verbleiben jolle, Allermaßen 
dann Ihro Churfürjtl. Durchlaucht ſich defien alfo gänzlich verjehen, urkundt 
dero Handzeihens und vorgetrudten Sekrets, signatum aufm Schloß Arns- 
berg, den 22. Januarii a. 1667. Marimilian Henri, Churfürjt zu Cölln. 
(Blätter 3. n. 8. W. — Der Pokal fahte nach Hollenhorjt vier Maß.) 


Schloß Arnsberg. Schloßruine. Hirfchberg. 401 


Die Kanonen vom Schloßplate, fünf metallene, neun eiferne, hatten die 
Alliierten wegholen laſſen. Dieje Zimmerjhau giebt ein anjchauliches 
Bild von der Geräumigfeit des renovierten Schloſſes und der Köjtlich- 
feit jeiner Einrichtung. 


Schickſale der Schlofruine.‘) 


Auf den Antrag der weſtfäliſchen Landftände, insbefondere des Land— 
drojten Frhrn. Spiegel zum Defenberg-Eanjtein, verfügte der Kurfürſt Mari- 
milian Friedrid) am 1. Mai 1773 an die Hoffammer zu Bonn, die noch 
übrigen Materialien von dem im letten Kriege ruinierten Arnsberger Schlofie 
jollten den weftfälifchen Ständen zum Bau eine8 dem gemeinen Wefen fo 
nötigen Zuchthauſes abgegeben und der Oberkellner J. H. Voßfeldt mit 
Anweiſung verjehen werden. Die Stände unternahmen nun auf Koften des 
Landes den Bau eines großartigen neuen Zuchthauſes, zu dem der Minijter 
von Belderbufh am 27. August 1783 den Grundftein legte. In demfelben 
wurde eine Platte mit der Inſchrift eingefchlofien: Regnante Maximiliano 
Archiepiscopo et Electore Coloniensi hoc opus securitatis publicae causa 
sumptibus statuum Ducatus Westphaliae extructum fuit anno 1783. (Unter 
der Regierung des Erzbijchofes und Kurfürſten Mar von Köln wurde diefer Bau 
der öffentlichen Sicherheit wegen auf often der Stände des Herzogtums 
Weſtfalen im Jahre 1783 erbaut.) Der Bau wurde unter Marimilian Franz 
vollendet. Bon dem Schlofje blieben nur wenige Ruinen übrig. In der 
heſſiſchen Zeit erhielt Arnsberg ein Bataillon Soldaten als jtändige Garnifon, 
und für diefe wurden die oberen Räume des Zucdthaufes zur Kaſerne her— 
gegeben; nur die Souterrains blieben auch fernerhin zur Strafanjtalt be- 
jtimmt. Die Provinzialdifajterien de8 Landes: die Regierung und die Hof- 
fammer wurden in dem von Landsberg’schen Haufe‘), das Hofgericht und das 
Kirchen» und Schulrats-Stollegium im ſtädtiſchen Rathaufe untergebracht. Als 
es ſich nach der Bereinigung des Herzogtums Wejtfalen mit Preußen darum 
handelte, wohin der Sit der neuen Regierung zu verlegen fei, da entjchied, 
außer der zentralen geographifchen Lage von Arnsberg, hauptſächlich der Beſitz 
des umfangreichen neuen Gebäudes, in welches die Regierung gelegt werden 
konnte, die Wahl des Oberpräfidenten Frhrn. dvd. Binde zu Gunjten unferer 
Stadt. 


Sagdihlon Sirſchberg.“) 

Das Furfürftliche Schloß Hirihberg, das inmitten der einfamen 
Yagdgründe des Arnsberger Waldes an Stelle der alten gräflihen Burg 
erbaut war, fcheint im dreißigjährigen Kriege gänzlich zerftört worden 
zu fein. Der jagdfrohe Mar Heinrich unternahm den Bau eines neuen 
N es, mit welchem in den erjten Monaten des Yahres 1662 nad) 

) ER D. 3. 8. W. 1862, ©. 65. 2) S. 407. 

2) Zur Geſchichte dieſes Schloſſes vergl. meinen Aufſatz im „Sauerl. 
Gebirgsboten“ 1894, S. 3 fi, 3 f, ©. 46 f. Einige baugeſchichtliche 
Notizen ſind dem M. H. entnommen. 


Fo aur, Geſchichte Arnsbergs. 26 


402 Kurkölniſche Zeit. Deit des franzöfiichen Einflufies. 


dem Plane des Baumeifters Frater Conitins begonnen wurde. Am 
2. Juni fam der Hoffontroleur Johann Ye Maitre nad) Arnsberg und 
überlegte mit dem Jägermeiſter v. Weichs, ob nicht jchon einige Zimmer 
für den Kurfürften und feine Minifter eingerichtet und der ganze Bau 
bis zum Herbſt fertiggeftellt werden fönnte. Le Maitre ftarb 16 Tage 
nad jeiner Ankunft in Arnsberg; ihm wurde Hoffontrofeur Meyerhöfer 
jubftituier. Am 24. Juni dann berichtet eine Kommijfion, nämlich 
der Yanddroft Diedrid) von Yandsberg, der Jägermeiſter Gaudenz von 
Weichs und der Oberfelfner Herm. von Düder, daß einige Zimmer 
zur Aufnahme des Kurfürften und Großhofmeifters bereit ftänden. Die 
Weiterführung der Baues ſtieß noch auf manderlei Scwierigfeiten; 
derjelbe wurde erft im Jahre 1668 vollendet. Nach der Behauptung 
Nudolfs von ER (j. w. u.) gab das mit vier Türmen verjehene Schloß 
der Arnsberger Nefidenz an Schönheit nicht viel nad. Unter Joſeph 
Klemens war das Schloß der Ausbeſſerung dringend bedürftig. In 
einer Urkunde (Actum aufm Schloß Hirſchberg den 25. July 1691) 
wird erzählt, daß Ihro Churf. Durchlaucht fi nad) Schluß des Yand- 
tags in Arnsberg mit dem Oberforft- und Jägermeiſter Gaudeng Frei— 
herrn von Weichs und dem Herrn Kammerdirektor Joh. Hein. Yapp 
zur Befichtigung des „Kurfürftlihen Hauſes“ dorthin begeben hätten. 
Das Schloß wurde in- und auswendig aufs genauefte befidhtigt und 
„befunden, daß in jo weith es in vorigen Baw verfertiget, noch in 
guthem tach und gefach, inwendig die Zimmer aud) in ziemblicher ejie: 
aufwendig aber da8 Mauerwerkh jonderlic die beyden Thürme, weillen 
von Anfang daß Fundament zu jhwah gemadt, in jchlechtem ftandt, 
voller Niffe, und dabei fo viell wahrgenohmen worden, daß dafern nit 
ein fundiger Maurmeifter, welcher denfelben mit anfern zu belfen wiſſe, 
darzu adhibiret werde, in furgen Jahren gan ausweichen und herunter: 
fallen dörffte". Darauf wurde der Marftall befichtigt und für nötig 
erachtet, denjelben mit einem neuen Dad zu belegen. 

Klemens Auguft, der das Hirfchberger Schloß bejonders häufig 
zu glänzenden Jagden bezog, verzierte feinen Eingang durd) das jog. 
Hirſchberger Thor, weldes im Jahre 1753 von einem italienifchen 
Meifter, wie es heißt, für einen hohen Preis (60 000 Thlr.??) auf- 
geführt wurde. Das Thor befteht aus drei Teilen, einem breiteren 
Mittelthor umd zwei engeren Seitenthoren. Die Bededung der Seiten: 
thore ragt über dem offenen Mlittelthore ein wenig über und dentet 
die Form eines bogenförmigen Abjchluffes an. Auf dieſen Attifen ruht 
der vorzüglichite bildneriihe Schmud des Thores, zwei Jagdſzenen voll 
dramatijchen Lebens, die bereits S. 375 gejchildert wurden. 


Jagdſchloß Hirjchberg. Das Hirfchberger Thor. 403 


Unter den Jagdſtücken jind Kleinere Reliefs an der Vorderſeite 
des Thores angebradjt: vecht3 ein größeres furfürftliches Wappen, links 
der verjchlungene Namenszug E A, beide mit Kagdemblemen geſchmückt. 
Seitwärts in den Futtermauern des Thores bemerkt man zwei Tafeln, 
die zum Thore feine weitere Beziehung haben: links die jogenannte 
Bedermanntafel (S. 344), rechts eine Bronzetafel, die im Oftober 
des Jahres 1893 zum Andenken an das 250jährige Gymnafialjubiläum 
hier eingelaffen wurde, mit der Inſchrift: „Durd Gottes Güte — die 
Schule blühte — Magifter und Scholar — 250 Jahr." — Auf der 
Nüdjeite des Thores hat fich fein Erbauer dur eine lateinische In— 
jhrift verewigt; man lieſt 

(inf3: 
CLEMENZ : AUGUST : D(ED : G(RATIA) : ARCHIEP(SCOPU)JS : 
COL<(ONIENSIS) : SCACRI) : R(OMANT) : IMP(ERID) : P(ER): ITALCAM): 
ARCHICA(NCELLARIUS): ET: EL(ECTOR) : LEG(ATUS) : NAT(US):: 
S(ANCTAE): SED(IS) : AP(OSTOLICAE) : AD(MINISTRATOR) : SUP(RE- 
MUS): BOR(USSIAE) :ORDANIS): TEUT(ONICT): P(ER): GERM(ANIAM): 
ITAL«dAM) : TRA(N)SMARINUM)QCUE) : PRAEFCECTUS): EP(IS- 
COPU)S: HIL(DESHEIMENSIS): PAD(ERBORNENSIS): MO(NASTERIEN- 
SIS) : E(T) : OSN(ABRUGENSIS) : UTRIUSQ(UE) : BAVA.RIAE) : 
SUP(ERIORIS) : PAL(ATINATUS) : WEST(PHALIAE) : ET: 
UNGCARIAE) : DUX : ETC : ETC: 


rechts: 


PORTAS EK FVNDAMENTO EXSTRVCTAS 
HIS STATVIS EXORNARI CVRABAT.!) 


(Klemens Auguft, von Gottes Gnaden Erzbiihof von Köln, des 
hl. römischen Reiches durch Italien Erzkanzler und Kurfürft, geborener?) 
Yegat des hi. apoftoliichen Stuhles, Hochmeifter von Preugen?), Meifter 
des deutjchen Drdens in Dentjchland, Italien und den überfeeifchen 
Gebieten, Biihof von Hildesheim, Paderborn, Münfter und Osna— 
brüd, Herzog in beiden Bayern, in der Oberpfalz, in Weftfalen und 
Engern :c., ließ das von Grund aus neugebaute Thor mit diefen 
Statuen ſchmücken.) 

Bon den Hofhaltungen und Jagden des prachtliebenden Kurfürften 
wußte man in Hirſchberg nody lange zu erzählen. Der eifrige Jünger 
Dianas baute im Dunkel des Waldes, inmitten jeiner reich bejetten 

) Die überragenden Buchſtaben rechts ergeben die Jahreszahl 1753. 

2) Die Legation ijt mit dem köln. Erzbistum berbunden. 

2) Bol. ©. 367. 

26* 


404 Kurkölniſche Zeit. Zeit des franzöſiſchen Einfluffes. 


„Wildbahn“, mande Jagdhütte, deren Inneres behaglich ausgeftattet 
war. Hier ruhte der edle Jäger von den Anftrengungen der Jagd, 
bier erquicte er fi) am einfahen Mahle; Bezeichnungen, wie „falte 
Küche” (an der Heve), erinnern daran. Hie und da erhob ſich auf des 
Kurfürften Geheiß im Walde ein Kapellen, wo er nad) der Auerhahn- 
balz Mefje las; fo auf dem ſog. Kapellenplage bei Warftein.!) Mancher 
alte Waidgejell hatte von unferem Nimrod ein Jagdgewehr oder einen 
Hirhfänger in Händen. Im Schloſſe wurde eine Sammlung von 
Ihönen und jeltenen Hirfchgeweihen angelegt. Des Bildes, welches die 
Rückkehr des Kurfürften von einer Hauptjagd darftellt, ift bereits oben 
Erwähnung gethan.?) 


Mit Klemens Auguft, der im Jahre 1761 ftarb, verlor das 
Hirjchberger Schloß feinen letzten Verehrer. Die Zeiten begannen ſich 
zu ändern. Bon ernfteren und tieferen Intereſſen im Anſpruch ge- 
nommen, befundeten die Nachſolger des Kurfürften, Marimilian Friedrich 
(1761—1784) und Mar Franz (1784—1801), feine Liebhaberei für 
Jagd und glänzende Hoffefte. Zwar Iebte ein „Burggraf” (im Jahre 
1769 Burggraf Vollmer im Furfölniichen Hoffalender) als Verwalter 
auf dem Schloffe mit mehreren Forftbeamten (Oberförfter Cala: 
minus); aber die Kurfürften boten zur Juftandhaltung der Gebäulich— 
feiten wohl faum das Nötigfte, jo daß nad) Übergang der Landesherr- 
haft an Hefien-Darmftadt (1802) die neue Regierung die Reftauration 
des Sclofjes für allzu Foftjpielig hielt und dasjelbe auf Abbruch ver- 
faufte. Nur ein Flügel blieb ftehen, um einen Förfter zu beherbergen; 
diefer Flügel ift erhalten. Auch die Umfaffungsmauern des alten 
Schlofjes wurden abgeriffen; das Thor ließ man an feiner Stelle — 
al3 einzigen Zeugen einer alten, für immer verſchwundenen Herrlichkeit. 
So ftand es mande Jahre auf öder Trümmterftätte den Unbilden der 
Witterung und mutwilliger Zerftörung preisgegeben. Auch unter der 
preußifchen Megierung blieb das Kunftwerf zunächſt noch unbeachtet ; 
erst als diefelbe im Jahre 1824 eine Umfrage im Lande behufs Nad- 
weifung und Erhaltung von Kunftdenfmälern veranlaßte, machte der 
damalige Landrat des Kreijes Arnsberg, Thüfing, auf das vergeffene 
Thor in Hirfchberg aufmerkſam und ſchlug deſſen Verjegung an einen 
geeigneteren Standort in Arnsberg vor. Dem wollte man gern Folge 
geben; jedoch mußten für die Verſetzung des Thores erjt die Mittel be- 
ſchafft werden, und das war in jener geldarmen Zeit keine Kleinigkeit. 

3) — Geſchichte der Stadt Warſtein, S. 125. 

2) S. 375. 


Jagdſchloß Hirfchberg. Landsberger Hof. 405 


Zwar wurde der Transport des Denkmals jehr günftig auf nur 95 Thlr. 
veraffordiert; aber der Abbrud; war auf 115 Thlr., die Wiedererrid)- 
tung auf 210 Thlr. veranfchlagt, und Thüfing konnte troß aller Be— 
mühungen nur 195 Thlr. durd freiwillige Beiträge aufbringen, wovon 
die Regierung 56 Thlr., der Oberpräfident Binde 25 Tylr. fpendete. 
Schlieflid wurden doch Abbruch und Transport gewagt. Als das 
Kunftwerk in Arnsberg anlangte und man ji von der Schönheit des- 
jelben überzeugt hatte, fanden ſich auc bald die Mittel zum Wieder- 
aufbau, ja aud zur Reftauration des Thores; diefe wurde durch den 
Bildhauer Imhoff vorgenommen und das Thor am Eingange des Eid)- 
holzcs im Dftober 1826 aufgejtellt.") 

Die Platfrage war der Gegenftand langer Zeitungsdebatten, mit 
denen wir unfere Leſer verfchonen wollen. Nach unferer Meinung konnte 
für das Thor faum ein jchönerer Standort gewählt werben. 


Der fog. Landöberger Hof. 


Wie zum Jahre 1605 (S. 258) bemerkt wurde, ließ Kurfürft 
Ernft feiner Hofdame Gertrud von Plettenberg den jet fogen. 
Landsberger Hof bauen. Unter Mar Heinrih wurde das Haus vom 
Landdroften bewohnt. Eigentümer war eine Kloſterſchweſter Katharina 
von Meldert. Da der Kurfürft glaubte, Anſprüche auf die Beſitzung 
erheben zu Können, fo befahl er der Genannten, zu erklären, unter 
welchem Rechtstitel fie den Hof beſäße. Die folgende franzöſiſch ge 
fchriebene Erklärung der Eigentümerin lautet in der Überſetzung:“) „Ew. 
Durchlaucht weiß id) auf die gejchehene Anfrage nichts anderes anzu- 
geben, al8 daß mir von meinen verjtorbenen Eltern und namentlich 
auch von dem verlebten Herrn Fürften von Stablohn, meinem Oheim, 
die Verficherung gegeben wurde, daß das obbem. Haus von dem hodjiel. 
Herrn Kurfürften Erneft erbaut und der verblidhenen Frau Gertrud 
von Plettenberg als Geſchenk verliehen worden, nad deren Ableben aber 
ihrer Tohter Katharina von Bayern titulo hereditario an- 
heimgefallen und von ihr auch bis zu ihrer Verheiratung mit dem ver: 
ftorbenen Herrn Lambert von Düras, Baron von Meldert 
bewohnt worden if. Es ift nötig, fährt fie fort, daß Ew. Durdlaudt 
zugleich erfahren, daß meine jelige Mutter nad) ihrer VBerheiratung ihrem 
Gemahle, der damals in jpanischen Dienften ftand, nad) dem Drte feiner 
Beftimmung folgen und daher Arnsberg verlaffen mußte. Bei diejer 


4) Nach den Akten der Kal. Regierung. 
2) Die Notizen zur Gefchichte des Landöberger Hofes verdanfen wir 
dem Fleiße Hollenhorits. 


406 Kurkölniſche Zeit. Zeit des franzöfiichen Einfluffes. 


Beranlafjung geruhte ErneftS Nachfolger in der Kurwürde, Kurfürft 
Ferdinand von Bayern, für das in Frage ftehende Haus cine jährliche 
Miete von 1000 Franken zu bewilligen. — Ich war damals noch jehr jung 
al3 meine Eltern kurz nacheinander ftarben und mid al3 Waiſe zurüd- 
ließen. Meine nächſten Anverwandten bradjten mid in einem Nonnen: 
Hojter vom Orden des hl. Grabes in der Stadt Bouillon unter, allwo 
ich denn auch, den göttlihen Beruf zu diefem Stande in mir fühlend, 
das Kloftergelübde im Jahre 1645 ablegte. Infolge deſſen geruhten 
Se. Hoheit der Kurfürft Ferdinand mid) propria manu zu autori- 
fieren, über mein geringes Vermögen, das mir durch den Tod meiner 
Eltern zugefallen war, zu Gunjten meiner Mitfonventualinnen zu dis— 
ponieren. Auf Grund diejer Allerhöchjten Autorifation habe ih nun 
die Verwendung des Arnsberger Haujes zu den Koften der zu Bouillon 
neu zu erbauenden Klofterfirche durch ein fürmliches Vermächtnis be- 
ſtimmt.“ Schließlich bittet fie den Kurfürften um Schuß für das Klojter 
in diefer Sache. Der Brief ift unterzeichnet: Katharina Sepuldrina 
de Duras; Yüttih den 16. November 1657. 

Nad) Ausweis vorftehenden merkwürdigen Schreibens war zu 
Zeiten des Kurfürften Ferdinand, alfo während des breißigjährigen 
Krieges, der Yandsberger Hof Amtswohnung des Landdroften, für welche 
das Erzftift 1000 Fr. Miete bezahlte. Maximilian Heinrid beauftragte 
nunmehr die Bonner Hoflammer unter dem 20. November 1657, bie 
Anjprücde der Katharina von Meldert auf ihre Rechtmäßigkeit zu prüfen, 
um, fall8 dieſe erwiejen werden follte, dem Landdroften Diedridy von 
Yandsberg feine Wohnung auf dem Arnsberger Sclofje anzumeijen. 
Er ſei nicht gefonnen, länger den jährlichen Hauszins von 1000 Lütticher 
Gulden zu zahlen, wie das bisher mehr unter dem Titel einer „Gnaden— 
bewilligung“ und mit Rückſicht auf den Fürſten von Stablohn gejchehen 
jei. Einige Monate jpäter, nämlidy im Februar 1658, erklärte fi 
dann der Kurfürft zu einer Abfindung bereit. Wenngleich der Befigtitel 
der von Meldert nicht recht begründet wäre, jo wolle er dod) zum neuen 
Beweiſe feiner Gnade den Nonnen zur gänzlihen Tilgung ihrer An— 
jprüche eine einmalige Summe von 4000 Gulden, zahlbar in zwei Jahren, 
bewilligen. Mit diefem Bejcheide gab fic jedoch Katharina von Meldert 
nicht zufrieden. Sie wandte fih am den Furfürftl. Geheimen Rat 
und Großhofmeifter Franz Egon Grafen von Fürftenberg mit der Bitte, 
zu veranlafjen, daß ihr, bezw. den Nonnen, für das Haus in Arnsberg 
2000 Batacons (edige ſpaniſche Münzen, etwa vier Reichsmark) und 
noch einige Jahre die Nente bewilligt würde; dann werde fie auf alle 
Anſprüche verzichten. Dieſe begründet fie damit, daß nad der Ausjage 


Der Landsberger Hot. 407 


von drei glaubwürdigen Perjonen die Schenkungsurfunde des Kurfürften 
Erneft ſich ganz ficher unter den Papieren ihres Oheims von Stablo 
befinde. — Hierauf entgegnete der Graf v. Fürftenberg kurzer Hand, 
fie jolle jih mit dem Angebote des Kurfürften begnügen, zumal Rurfür- 
Erneft das Haus aus Staatsmitteln des Erzftiftes Köln geſt 
baut hätte und es aljo ohne Beiftimmung der Stände nicht hätte ver» 
äußern können. Dabei beruhigte fi denn die Eigentümerin; der Hof 
wurde 1658 als erzftiftifches Eigentum eingetragen und die Yanddroftei 
ins Schloß verlegt. Der Landdroft Diedrich von Landsberg follte in- 
deſſen bald in jeine alte Wohnung zurüdfchren; denn die Stände 
ihenften ihm das Haus wegen feiner zahlreichen Berdienfte um 
die Wohlfahrt des Landes.!) Noch heute ift die Beſitzung in den 
Händen derer von Landsberg; von ihnen hat fie au ihren Namen 
erhalten. 
Das Haus hatte im weiteren Berlaufe folgende Schidjale: Im Jahre 
1733 brannte es ab, wurde aber von dem Eigentümer neu aufgebaut. In 
jpäteren Zahren (wohl nad) Zeritörung des Schloffes) blieb das Haus für 
die Dauer des Landtages dem Hofe referbiert; der Kurfürſt, feine Minijter, der 
Landtagstommiflar logierten hier; fonjt war e8 unbewohnt. Als in der fran= 
zöfifchen Zeit im Jahre 1794 das Reviſions- oder Oberappellations- 
gericht nach Arnöberg verlegt war, nahm der damalige kurkölniſche Konferenz- 
minijter, Direktor der erzjtiftifch-kölnifchen Ritterſchaft und Oberappellations- 
Gerichtspräfident Klemens Auguſt Freiherr von Borjt: Lombed - Gudenau 
dafelbjt Wohnung. Als am 8. Sept. 1802 die Heffen von Wejtfalen Befig 
ergriffen, bielt die für das Herzogtum eingefette Organiſations Kommiſſion 
bier ihre Situngen ab. Epäter wurde das Haus für die landgräflich-heſſiſche 
Regierung als Difafterialgebäude gemietet ; die Sikungen der Reg.Hof— 
fammer und der Kriegskommiſſion wurden darin gehalten, und zugleich) wurde 
der Hof bom Geheimen Nat und Negierungsdireltor Miningerode bewohnt. 
Beim UÜbergange des Landes an Preußen wählte ihn der Präfident von 
Bernuth zu feiner Wohnung und er hatte am 30. und 31. Auguft 1817 die 
Ehre, den Kronprinzen von Preußen darin bewirten zu können. Bor An- 
funft des hohen Gajtes wurden mit Berilligung des Eigentümers, Frhrn. 
Ignaz von Landsberg, Berihönerungen in und an dem Gebäude vorgenommen 
und namentlich auch der Hof mit Schönen Bosquets ausgejtattet. Nach dem 
Rüdtritte von Bernuths (1825) mietete die Stadt das Landsbergſche Haus 
für 600 Thlr., um dem Kgl. Hofgerichte, welches bis dahin im Nathaufe 
feine Situngen gehalten, ein bequemeres und geräumigeres Situngslofal zu 
berichaffen. Im unteren Stod wohnte der Hofgerichtsdireftor Nettler. Das 
Hofgericht wurde 1838 zum Oberlandesgericht erhoben und es jollte auf Höheren 
Befehl ein eigenes Gerichtsgebäude errichtet werden. Noch bevor dies gefchah, 
fündigte von Landsberg das Haus auf und das Oberlandesgeriht mußte 

) Die näheren Umjtände diefer Schenkung werden leider in dem M. 9. 
nicht erwähnt; die Thatjache an fich war auch fchon vorher befannt. 


408 Kurkölniſche Zeit. Zeit des franzöfifhen Einflufies. 


zunächſt feine Situngen wieder auf dem Nathaufe halten (vom 1. Dez. 1858). 
Darauf wurde es die Wohnung des Appellationsgerichtspräfidenten Ziveigert. 
Es jei noch bemerkt, daß der Landsberger Hof eine gewölbte Kapelle bat. 
Gr beſaß vordem eine eigene Promenade, und der dazu gehörige Garten dehnte 
jich bis zur Ruhr aus. Diefer wurde durch die Anlage der Soeſter Chauſſee 
zerjtüdelt. Der Brand des Landsberger Hofes im Jahre 1856 ift Seite 259 bes 
reits erwähnt. Damals befand fich vorübergehend die Oberpoftdireftion dajelbit. 


Gleichzeitige Menbauten in der Stadt. 
Das von Düderfche Haus (jetziges Marienhoipital). 

Oben wurde erzählt, wie der Oberfellner Hermann Düder 1652 
fein großes Gut in Obereimer an den Kurfürften Mar Heinrich ab» 
treten mußte. Dies veranlafte den Oberfellner, in der Altjtadt auf 
mweitjchauender Stelle ein neues, großes Gebäude zu errichten und die 
im Kaufbriefe vorbehaltenen Gerechtſame auf Maft und Holz in ber 
Niedereimer Mark darauf zu übertragen. Zu dem Haufe gehörte außer 
einigen Nebengebäuden nnd jchönen Gärten eine etwas mehr jüdlid ge- 
legene Reitſchule mit geräumigem, ſchön gewölbten Marftalle. Diejer 
Bau ift noch heute „auf der Reitjchule” zu jehen. 1670 ftarb Hermann 
Düder. Sein Sohn Bernhard Adolf war auch Oberfeliner, er wurde 
geabelt und zum Geh. Rat und Landardivar ernannt. Deſſen Sohn 
Diedrih Gaudenz verkaufte das „freiadelihe Haus" an das Klofter 
Wedinghaufen, um es von diefem zufolge eined am 9. Dftober 1701 
abgejchlofjenen Vertrages wieder als erbliches Lehen zurüdzuerhalten. 
Die este Belchnung erfolgte im Jahre 1799 durd Abt Fiſcher an 
Kaſpar Frhrn. v. Düder. Diefer vermietete fein Anwejen an den be= 
fannten Geheimrat Eſſer, der als Hoffammerrat mit der Furfölnijchen 
Hoffammer nad) Arnsberg gefommen war. Nah der Säfularifation 
des Kloſters im heifiicher Zeit erwarb am 4. Nov. 1803 die heffiiche 
Organifations-Rommiffion in Arnsberg das Haus für 3000 Thaler. 
Eifer erhielt wegen des dem Staate überlaffenen Vorkaufsrechtes und 
der auf das Haus verwendeten Baufoften lebenslängliche freie Wohnung 
in demſelben. Nach defien Heimgang wohnte hier der evangeliſche 
Pfarrer. Im Jahre 1856 wurde die Befigung von der Stadt Arns— 
berg vom Staate für 6790 Thlr. angelauft und das ſtädtiſche Hofpital 
dorthin verlegt, welches bis dahin im heutigen katholiſchen Gejellenhaufe 
gewejen war. 

Das Jeſuitenuhaus (jesiges Kataftergebäude). 

Die Jeſuiten faßten bald nad) dem Ende des dreißigjährigen 
Krieges den Plan, fi) im Arnsberg anzufiedeln. Zu diefem Zwecke 
erwarben fie 1654 drei wüfte Hausftätten, welche al8 ſolche aud noch 


Neubauten in der Stadt (Düder, Jejuitenhaus). 409 


in dem Scagregifter von 1668 aufgeführt werden. Die Ausführung 
des Baues wurde aber noch lange hinausgejchoben, bis man durd milde 
Gaben eine hinreihende Summe zufammengebradt hatte. Kurfürft 
Mar Heinrich hatte Shon am 7. Januar 1654 von Strafgeldern, welde 
Johannes Jobſt von Hanzleden zu Oſtwig wegen eines Erzeffes zahlen 
mußte, den Jeſuiten 500 Thlr. angewiejen, wahrjceinlic die Kauf- 
fumme für die wüften Plätze. Im Jahre 1682 fchenkte derjelbe Kur: 
fürft den Batres aus dem Reſte jener Strafgelder noch 1000 Thlr. 
Ferner hat um diefelbe Zeit Ferdinand von Fürftenberg, Bijchof von 
Paderborn, die Jeſuiten-Miſſion für Wejtfalen und Engern mit 5000 
Thlrn. dotiert. Endlich erhielt die Gefellihaft nod) 1000 Thlr. von dem 
Landdroften Friedrich von Fürſtenberg. So begann man denn zu Arns- 
berg eine Nefidenz nebft einem SKirchlein für zwei Miffionspatres (aus 
dem Haufe zu Bonn) zu errichten.) — Die Rente von jährlid 24 
Rthlrn., welche die von Wedinghaufen beftellte Hoflaplanei auf dem 
Schloſſe zu Arnsberg empfing, wurde von dem Klofter dem erften Pater 
Namens Wickede übertragen. Unter den Patres hat fih Joſeph 
Zittart durch Herausgabe einer Karte des Herzogtums Weftfalen 
einen Namen gemacht. Diefelbe ift 1706 geftochen und mehrmals von 
Homanns Erben in Nürnberg aufgelegt. 

Bei der Beſchießung des Schloſſes (1762) wurde auch das Jeſuiten⸗ 
haus in Aſche gelegt, aber wieder aufgebaut. Nach der Aufhebung des 
Ordens 1773 wurde die furf. Brauerei und Bäckerei für den Landtag in 
das Gebäude verlegt. Im Jahre 1788 wurde es verfteigert und von dem 
Domkeliner Frhrn. von Wrede zu Amede für 3100 Athlr. erworben, ?) 
der das Haus vermietete. In der ſog. franzöfiichen Zeit wurde das» 
felbe vom kölniſchen Oberpoftmeifter de Groote bewohnt; in der Kapelle 
wurden bie geflüchteten rheinifchen Papiere verſtect. Im Jahre 1804 
wurde das Gebäude von der heſſiſchen Organifations-Kommiffion für 
3500 Thlr. gekauft. Eeitdem hat es mannigfachen Zwecken gedient, 
zuerft war es Difafterialgebäude, jest ift es Sit des Katafteramtes.?) 


Aus Eßl's Befhreibung der Grafſchaft und Stadt Arnsberg. 


An den erften zwanzig Jahren nad) dem breißigjährigen Kriege 
hatte fich, wie die vorigen Kapitel zeigen, das Ausſehen der Stabt 


1) Borftehendes don Tüding (Blätter 53. n. 8. W., 1875, ©. 87). 

) Die Brauerei ꝛc. wurde zunächſt in den Landsberger Hof verlegt; 
bald nachher jedoch wurde Lieferung von Brod und Bier für die Landtage 
dem Bäder Sonnenſchein fontraftmäßig übertragen. 

*) Nach Notizen de M. H. 


410 Kurkölniſche Zeit. Zeit des franzöfifchen Einflufies. 


ganz verjüngt. Auch in Wedinghaufen regte ſich die Bauluft. Gleich— 
zeitig mit dem Schloſſe entjtand das vom Abte Neinhark erbaute Prä- 
laturgebäude. Das Zufammentreffen jo vieler Verfhönerungen hat wohl 
den viel gereiften „Kandidaten beider Nechte und Befliffenen der Mathe: 
matik“ Rudolf von Eßl zur Abfaffung feines Werfchens „Rompendium 
und furge Beichreibung der Graffihafft und Statt Arnfberg in Weſtfalen, 
wie und welder Geftalt Diefelbe dem Churcölnifhen Weftphalen und 
Engern incorporirt und was fi nad) Dato in diefen umiirten Yändern 
remarcables und Dendwürdiges zugetragen hat”, begeiftert, die wir nun 
zur Vervollftändigung der gegebenen Schilderungen mit wenigen Aus» 
lafjungen mitteilen. (Vgl. übrigens S. 395.) 


Arnsperga vulgo Arnßberg (welches nad) dem Idiomate belgico aud) 
Aquilae mons könnte genennet werden) derivirt feinen Nahmen von dem 
ubralten Geſchlecht der Sraffen von Arnßberg, als welche ihren Sit und 
Refidenk auff dem Schloß dafelbjt gehabt und folgendts die Statt don dem 
Schloß ihren Nahmen bekommen. Dieſes hochlöbliche Gräffliche Hauß iſt zu 
jeiner Zeit in gutem Flore und hohen Anfehen beym Römischen Reich ge- 
weſen, alſo daß die dohmalen vegierende Hrn. Hrn. die Neichs-Chargie ge- 
führet, als Heerführer und belli duces in den Unterfräyfen Germaniae, wie 
ſolches die alten HDiftorien Germaniae mit mehrern aufweifen, Nachdemahlen 
aber successu temporis diefer hochlöblihe Stamm ex defectu männlicher 
Erben angefangen zu exjpiriren und endlich feiner mehr übrig gewefen, als 
Weyland Ihro hochgräffliche Gnaden, Graff Godefridus welcher gleichfalls mit 
feiner Gemahlin Anna de Clivis feine Stamm-Erben erhalten können, als 
hat diefer letzte hochlöble. Graff mit guter Bedachtfamkeit die gange Graff— 
Ihafftt an Chur-Cöln gegen ein getviffes Aequivalens und andermweitiges 
Recompens transferirt, in reiffer Betrachtung, daß er feine Unterthanen 
feinem beſſer anvertrauen könnte, als ſothaner nadhbarlicher Herrichafft, gejtalt 
jetzt gemeldte Grafffchafft gleichfals in der Mitte des Cölniſchen Wejtphalen 
und Engern gelegen it und alfo billig als das Her& Westphaliae et Angariae 
davon nicht hat können abgefondert werden. — Zu diejer Grafffchafft gehören 
folgende Stätte, als Arnßberg, Grevenftein, Hirjchberg, Neiheim, Allendorft, 
Balve x. Item Freyheiten als Mefchede (welches wohl einer Statt Nahmen 
meritirt) Hüften, Sondern, Friggenohl, Hachen, Hagen, Bödefeld, Affeln ꝛc. 
Item Barochien als Cörbike, Allagen, Bremen, Voßwinkel, Eggrindhaufen, 
Stodheimb, Hellefeldt, Kalle, Velmede, Remblinghauſen, Neiite, Bigge, Wen: 
holthauſen, Eileve, Lehne, Dedingen, Overnhundemen ꝛc. — Was die übrigen 
Derter des Cölniſchen Wejtphalen und Engern anbelanget, als welche gleich- 
fals die Graffſchafft Arnßberg wie eine Cron umbzingeln, weilen ſich auch 
darin eine remarcable Anzahl hurtiger Stätte, Hoch- und Gogerichte, Aembter, 
Gerichte, Klöſter 2c. befindet, welche billig eine renomirliche Gedächtnüß meritiren, 
als Habe zwar derjelben in dieſem Präliminar-Discours mit wenigen gedenken 
wollen, indeme ich aber bey Anordnung biefiges Trudiwerks in der Eil feine 
unfelbare Gewißheit wegen der Ordnung erhalten fünnen, als wird der hoch- 
geneigte Leſer nicht in Ungut auffnehmen, wann etwa demfelben in einem 


vd. Eßl: Befchreibung der Grafſchaft Arnsberg. 411 


oder anderen quoad ordinem et dispositionem fein bolliges contenteza mögte 
gefchehen ſeyn. Es foll der Lefer in furkem in hoc passu mit einem volls 
jtändigen Tractätlein, fo gerichtet auf gant Westphaliam et Angariam, ge— 
liebts Gott, nad) Möglichkeit vergnüget tverden. Sonjten befinden jich in 
obgemelten Bezirken (salvo ordine) folgende Stätte als Brilen, Rüden, Werl, 
Geſeke, Attendorn, Menden, Olpe, Mariberg, Boldmarjen, Medebach, Wariten, 
Callendardt, Beelke, Drolßhagen, Schmallenberg, Fredeburg, Hallenberg, 
Winterberg. Item Hocd- und Gogerichte, Aembter, Gerichte, als das Hoch— 
geriht Nüden, das Hochgeriht Erfite, das Gogericht Attendorn, das Ampt 
und Gogericht Fredeburg, das Ampt Bilftein, das Ampt Medebah und viel 
andere Partieulier-Gerichte mehr. Wie auch eine überaus grojie Menge an 
Parochien, ParticulirCommunitäten, Dörffern ꝛc. dero theild wegen ihrer 
Gröſſe und Förmbligkeit (Wie Exffte und feines Gleichen) wohl vor Freyheiten 
paſſiren könnten. Diefe ans und durcheinander grängende Oerter führen 
vermitteljt Ihro Churfle. Durchlaucht zu Cöln und dero hochbetrauten Churfl. 
weſtphäliſchen Hegierung Fürfichtigkeit und Ordnung ein fold) ..... . (unleſer— 
ih) als wenn fie von vielen seeulis hero unter einer Herrfchaft und Re— 
gierung gewefen wären und nehmen auch merklich zu an täglicher Wohlfahrt, 
Hoheit und Gedeyen, ſowohl in politicis und weltlichen als auch ecelesiasticis 
und geiftlichen Sachen, wie folches die von Alters hero und noch neueligit 
innerhalb 30 Fahren geitiftete herrliche Klöſter und geiftliche Conventen mit 
mehreren bezeugen und wird man nicht jo bald in einem Bezird, wie das 
Cölniſche Weitphalen, Engern und die Graffſchafft Arnßberg gelegen ift, der: 
gleihen Anzahl von Klöftern und geistlichen Conventen finden, als da fein 
(salvo ord.) folgende: 1. das Kloſter Breylar ord. s. Bernhardi, 2. die Abtey 
Wedinghaufen ord. praemonstr. s. Norberti, 3. die Abtey Graffſchafft ord. s. 
Benedicti, 4. die Canoniei irreg. ad s. Walburg. zu Mejchede, 5. die P. P. 
im Klojter Ewig bei Attendorn, 6. die P. P. Soc, Jesu zu Arnfberg, 7. die 
P. P. Minoritae zu Brilen, 8. die P. P. capueini zu Rüden, 9. die P. P. 
capuc. zu Werl, 10. die P. P. striet. observ. zu Geſeke, 11. die P. P. strict, 
obs. zu Attendorn, 12. die Stifftsjungferm zu Eulingbaufien ord. s. Norb., 
13. die Stiftsjungf. zu Gefefe, 14. das Jungf. Stifft zu Scheide ord. s. Norb., 
15. das Jungf.Kloſter zu Rumbke ord. s. Norb., 16. das Jungf. St. bey 
Drolßhagen, 17. das Jungf. Kl. zu Stormede, 18. das Jungf. Klojter zur 
Himmelpfort, 19. das Jungf. Klojter zu Galilä ord. s. Dominici, 20. das 
Jungf. Klojter zu Odader ord. s. Benedicti, 21. das Jungf. Klojter zu Rüden, 
welche alle theil$ durch herrliche Intraden, theils durch die geiſtliche Allmofen 
reichlich ihr Ausfommen haben und in spiritualibus Tag und Nacht in ihrem 
Beruff vigilant fein und fonjten vor des Landes Wohlfahrt mit allem Fleiß 
betten, fingen und Gott loben. Unter allen aber meritiren die Hrn. Hr. 
P. P. Praemonstratensest) zu Wedinghaujen und die Benedictini zur Graff— 
Ichafft ihr renomirliches Gedächtnüß bon der Poſterität, gejtalt dieſe beyde 
Abteyen unterjfchiedlich viele Paſtoraten auff dem Lande mit qualificirten geijt- 
lichen Perſonen verjehen und die Arnßberger Praemonstratenses die 
liebe Jugend des ganken Landes vermittels einer wohl verord- 
neter Schule per studia humaniora treueli und fleiffig infor: 





1) Bol. ©. 108 fi. diefes Buches. 


412 Aurkölnifche Zeit Zeit des franzöfifchen Einfluffes. 


miren und biefelbe Schule allewege mit gelebrten und treu- 
fleiffigen magistris verfchen 2c. Nebit diefer hochlöblicher Flöfterlicher 
Ordnung und geiftlicher Regierung haben die Direction und Inſpection 
über die saeculares pastores fichere darzu berordnete commissarii in spiri- 
tualibus und decani welche ihrem Ambte mit gebührender Sorgfältigfeit wohl 
borjtehen, twie dan wohl gedentens würdig ift, die von einem ficheren decano 
in hoc passu jüngjt erwieſene remarcable Bigilang und Treu indeme ber: 
jelbe aus billigem geijtlichen Eyffer einen unzeitigen Erfpectanten (welcher 
unter Conduicte eines fimulirten Schaafflleides durch unzeitig erprefiete Bettel- 
briefe mit verdedten Schandbaren Wolffsklauen in das heyliche Minijterium 
einzufchleihen vermeinet) jo artig zu repudiiren und wegen vieler befundener 
grober fauten, publice zu confundiren gewußt, wie dann kurtz darauf 
noch viel andere jchandbare Aergernüfien offentlih an den Tag gekommen 
und in Wahrheit dergleihen ärgerlien unbefchliffenen Gefellen und aus— 
gemäjteten Stallbrüdern als welche der ganken Gemeine und infonder: 
heit den übrigen chrliebenden treufleiffigen jungen Litteratis ärgerlich 
und fchandbar fein, follte bilig andern zum Erempel was anders be- 
gegnen und ihnen die Hasibilis qualitas etwas fchärpffer befchnitten werden. 
Diefes Kirchſpiell und Hriftliche löbliche Communität, welches gemeldter 
Erjpectant praepostere affectirt, hat folgends vielgemeldter Kerr Decanus 
mit einem andern gejchidten, frommen und treufleiffigen Seelforger verjeben, 
mit welchem die chrijtlihe Gemeine wohl zufrieden iſt ꝛe. Daß ich diejes 
remarcable und felten borfallendes wunderliches &rempel anhero ſetze, geichicht 
darumbd, damit fi) die ftudirende Jugend in perpetuam rei memoriam daran 
jpiegelen und vor dergleihen accumulirten Laſtern und Untugenden hüten 
möge. Jetzt gemeldte commissarii in spiritualibus und decani haben auch 
die Inſpection über die Particulier Landt- und Stadtfchulen, deren es dann 
bin und wieder eine zimbliche Anzahl giebt. Nebjt den wohlverordneten 
Schulen finden ſich auch überall und infonderheit in den Stätten wohlgebauete 
herrliche Kirchen, Dofpitäler, Armen: und Wittwen-Berfehungen, Allmofen- 
Stiftungen zc. unter den neugebaueten Kirchen, jo auff dem Lande als in 
den Stätten präfentiren fich ſehr wohl nachfolgende 1. die herrliche newe 
Kirche zu Oberkirchen, welche Ihro Hochfürſtle. Gn. von Paderborn, Gott zu 
Ehren und der hochanjehentlicher grofier familiae Fürstenbergiacae (als welche 
diefem Diftrict Oberficchen bochlöblich vorftehet) zur ewigen Gedächtnüß mit 
groffen Unkoften jüngjt fundirt haben. Item die Kirche der Canon. irreg. zu 
Mejchede. Item die Kirche der Hrn. Hrn. P. P. strietior. obs. zu Attendorn, 
welche Ihro Hochw. Gn. Hr. Johann Adolff Freyherr von Fürſtenberg reſtau— 
riren laſſen und nod) daran täglich gebauet wird. 

Was den weltlichen Regierungs-Estat diefer uniirter Länder und Pro— 
bincien anbelanget, als haben Ihro Churfle. Durdl. von Eölln in der 
Graffſchaft Arnßberg ihren Statthalter welchen man vulgari idiomate den 
Landtrojten oder Archisatrapam nennet, derjelbe hat im Nahmen des Ehur- 
füriten das summum dominium in politicis, juridicis, eivilibus ete, präfidirt 
auff den Landtsverſamblungen und in der Arnfbergifchen Regierungs-Cantze— 
ley x. die übrige, fo auf dem Churfl. Regierungs-Estat, als auß der Land— 
ſchafft gremio (salvo ord.) folgende hohe ministri jeyn die Drojten, Land— 
ſchafftsdeputirte, Affifteng- und Regierungs-Rhäte zc. ꝛc. Der Landſchaffts— 


v. Eßl: Befchreibung der Grafichaft Arnsberg. 413 


deputirte bertreten auff den particuliv Quartal: Berfamblungen die vices 
der gantzen Landſchafft. Die Drojten haben die Inſpection über fichere 
Aembter, Gerichte, Stätte, Dijtricten ꝛc. Die Regierungs-Rhäte Haben daf 
Directorium über die allgemeine Churfle. Kanteley zu Arnßberg und geben 
zur gewißer Beit in der Wochen offentlihe Audieng. Hiernach folgen bie 
Sogräfen, Ambtsverwalters und Richter auff dem Lande, item die Burger- 
meijters, GerichtS-Assessores und Schepffen in den Stätten, als welchen in 
juridieis prima instantia competirt. Der Churfle. fiseus hat das direetorium 
im Nahmen dei EChurfürjten durch alle Gerichte, Stätte, Diftrieten ꝛe. über 
die Brüchten und muß in diefem Fall Ihro Churfle. Durchleucht Interesse 
beobachten, damit fein erimen und öffentliche Argernüfle ungejtrafft bleibe. 
Die Arnßbergiſche Ganteley ijt, nebjt obgemelten Regierungs-Rhäten ver- 
jehen mit einem Zandt:Secretario und behörlichen Cangelliften, war bey ſich 
dann allezeit zur Nohturfft gefchidte Subjecta befinden, welche den Parten 
advocando, procurando an die Hand gehen. 

Was den Privat-Estat der Noblesse und NRitterfchaft im Lande con- 
cernirt, al8 haben diefelbe mehrentheils ihren Sit und adelihe Wohnungen 
sparsim hin und wieder auff dem Lande, befleifiigen ſich auff mohlgebauete 
adeliche fejte Wohnhäufer und Schlöfjer, dero eine zimblidhe Menge im Lande 
vorhanden, auch theils beym letzten Kriege vom Feinde nicht fein erobert 
tworden. Unter den neugebauten Sclöfferen und Häuſeren ijt wohl be- 
trachtens würdig daß Hauß Berge, Ihro Hochw. Gn. dem Hrn. Thumb- 
Dechen von Brabed zujtändig, als welches eines fleiffigen Architecti vestigia 
an den Tag giebt. Dieſe Noblesse läjjet ji von Jugend auff fleiſſig an— 
gelegen jeyn daß studium litterarum, Peregrination in frembde Länder, 
ritterliche Kriegs: und vornehmer Herren Hoffesdienjte, allerhand adeliche 
Exereitia, Sprachen, mecdhanijche rare Künſte 2c. und daß fie zu hochlöblichen 
und lehrreichen peregrinationibus in weit abgelegene Länder bereits von un: 
dendlichen Jahren hero fey inclinirt geweſen, jolches bezeugen die wejtphälifche 
vornehme adeliche Familien, welche noch Heutige Tages in groffer Menge in 
Ehurlandt, Semgallen zc. fi) befinden und diejelbe ihren Urfprung Stamm: 
und Nahmencontinuation auß Weitphalen, Engeren und vom Rheinftrom haben 
und weilen ſich domahlen die Westphali und Angari dergleichen ferne pere- 
grinationes an jolche weit abgelegene müheſame Derter nicht haben verdriefien 
laffen, wievielmehr ftehet zu präfumiren, daß fie diefer Derter in Teutfchland, 
Niederland, Frandreich ꝛc. als an nahe gelegenen anmüthigen Oertern, daß 
ihrige viel reichliher und überflüffiger werden präftirt haben. Es bedarff 
nicht viel Nachgrüblens bey der Antiquität und vorigen saeculis zu lebendigen 
Erempel und prototypo fünnen uns dienen jegiger Zeit hochanjehentliche Ge- 
ſchlechte deß Weylandt mohlfeel. Hrn. Landtrojten und Freyherrn v. Fürjten- 
berg und jetiger Zeit regierenden Herrn Landtrojten Freyheren von Landes: 
berg dero jenes durch gute jugentliche Erziehung und folgendts continuir- 
liches Peregriniren, Studiren, künſtlen in allerley Wiflenfchaften und raren 
Künjten 2c. jeinen Estat jo hoch gebracht Hat, daß theils davon zu Hohen 
Fürſtl. Ehren, theils zu Kammer-Rhäten bey ihro Bäpjtl. Heylichkeit, theils 
zu Churfürſtl. Fürftl. und anderen hochanjehentlien Thumb-Capitularen 
fein befordert worden; diejes aber fi) fundirend auff jeßiges Herrn Land: 
trojten accumulirte hohe Meriten, rühmblichjt bediente vornehme Kriegs— 


414 Kurkölniſche Zeit. Zeit des franzöfifchen Einfluffes. 


Chargien und unterjchiedtlihe unjerm gnädigjten Churfürjten und Herm in 
dem Lande ermwiejene treue Dienjte und müheſehlige hochwichtige Affairen noch 
fünfftig bey hernacdherfolgenden Fahren dein ganken Lande und Poſterität zu 
hochrühmblichen avenchement gute Hoffnung geben, zu gejchweigen, was viel 
andere wohl verdiente und in peregrinationibus, studiis, exereitiis, Sprachen 
wohlverdiente Familien und Gefchlechter (welche alle hieher zu jegen der 
Kaum und die Zeit nicht zugiebt) an ihrem Ort mit fonderlihem Ruhm und 
etvigwehrender Ehrengedächtnüß ertwiefen haben; die exempla viva jein vor 
Augen, Gott gebe, dat fie den jungen nachwachſenden adeligen Sprofien 
zum ftetSwährenden Spiegel und Gedächtnüß gedeyen mögen. 

Nebit diefen herrlichen Gemüths-Gaben und ritterlihen Tugenden hat 
unſere Noblesse an leiblihen und zeitlihen Gaben Gottes auch reichlich ihr 
Aufkommen, haben mehrentheils herrliche Yandtgüter, gut Korngewächs und 
viel Viehe warvon fie jährlich einen zimblidhen Borrath an Korn, Wolle, 
Hümmel, Rinder, feiſte Schweine 20. zeugen, welche die Kaufleute aus anderen 
Derteren häuffig an fich handelen. Ihre beſte Luft und Kömbtigfeit haben 
ſie an der Jagt und Fifcherey, gejtalt e8 überall ſchöne Wildnüffen und fiſch— 
reiche Wäſſer giebt, auff und in welchen fie ihre fonderlihe Jägers, Fiſchers, 
Jagt- und Fiſchezeug halten, pactiven ſich auß obgemlt. Borrath der Yandtgüter, 
wie auch auß der Jagt und Fifcherey fehr köſtlich und wohl, befleiffigen fich 
uff gute Gärten und Garten-Objt, wiſſen allerley rare Sachen auf den Gär- 
ten wohl zuzurichten, einzumachen, zu dijtilliven ꝛe. Ahr Getrend ijt ein guter 
wejtphalifcher Trund Bier und darbey ein aufländiicher guter Wein. Den 
Wein und Specerey befommen jie auß den benachbarten Oertern umb einen 
billigen Preiß, wiſſen mit diefem ihnen bon Gott gratis gegebenen Borrath 
recht chriftlich und wohl zu dispenfiren, fein gegen hohe und niedriges Stan- 
de8 gegen frembde und einheimische gaftfrey, liberal, Höfflic) und guthätig. ES 
haben zwar ihrer Etliche noch Leibeygene unter ſich, gehen aber mit denjelben 
jehr diferet umb . . . . Auf der Noblesse publiquen Auffzug bei Landtagen 
und Landtverfamblungen in Arnfberg, gehet e8 jehr modejt und fittfam daher 
und weiß fich ein Feder pro respecetu manicrlich in feiner Gränte zu halten 
und feine devoir zu beobachten, erzeigen ſich gegen diejenige jo ihnen etiva 
mit einiger nüßlicher Dienftleiftung an die Hand gehen, liberal und humain, 
twie jie dann hierdurch fich eine jtetswährende rühmbliche Gedächtnüß machen 
und andere zu fernerer Nachfolge und Dandfertigkeit veranlaflen. Befleißen 
fich) auff gute Neitpferde, Gewehr und Jagt praeparatoria, halten ihre Be- 
diente wohl und beförderen einen Seden respective zur rechter Zeit. Leben 
mit den angrentenden Benachbarten in guter Ruhe und Frieden und damit 
jolche Eintracht dejto beßer möge erhalten werden, erneneren fie Öffters die 
Sränge-duetus und Führungen, welche fie vulgari idiomate per abusum 
Schneide nennen . . . . (Der Berfafjer diefer Schilderung bedauert nun des 
weiteren, daß der Adel fowenig die „studia mathematica und injonderheit, 
was die Grängregelung und die Fortification anbelanget, ercolirt“, und empfiehlt 
ihm das Studium der Trigonometrie und Berechnung des Trianguls mit» 
teljt der Logarithmen 20. ꝛc.) 

Bon der Grandesse ımd Noblesse unjeres Wejtphalen, Engern und 
der Graffſchafft Arnfberg wollen wir ferner unfere biftorifche Bejchreibung 
wenden auff den Mlittel- und gemeinen Stand diefer Oerter und deroſelben 


v. Eßl: Beſchreibung der Graffchaft Arnsberg. 415 


als der gröflejten Menge der Einwöhner intrinsecam et extrinsecam con- 
stitutionem (fo viel ihr humeur, Religion, Handel, Unterhaltung, Tugenden 
Laſter 2c. betreffen) mit wenigen impartial nach hiſtoriſcher Art (historia enim 
amat veritatem) in Betrachtung nehmen. Und zwar ins gemein haben dito 
Einwöhner mehrenteil8 gute naturalia wie auch zimbliche ingenia und jcharpfi- 
finnige judieia; jtehet aber zu beklagen, daß fie dergleichen herrliche dona 
natnrae durch behörliche Bejuchung anderer Länder und Nationen, wie auch 
durch allerhandt rara studia, Künſten zc. nicht nad) Gebühr ercoliren und 
mit ihrem von Gott erhaltenen talento wucheren und dergejtalt ad altiora 
aipiriven, dahero dann erfolget daß viele von dem gemeinen Mann (de& 
Viitteljtandes in hoc passu ungedacht) nicht mehr erfahren, als was etwa die 
Nahbarichafit auff acht, zehen oder 12 Meil zum höchjten mit ſich bringt und 
aljo in die einfältige Einbildung gerathen, als wänn in dieſem Bezird noth— 
wendig aller Welt Gefchiclichkeit, ja das Ende der Welt jtedete und auß 
diejen Urfachen ungemerckt gegen die Givilität und polite, höffliche Conver— 
jation und fchuldige Gutthat gegen benachbarte oder durchreifende nationes, 
auch gegeneinander unter fich peceiren und fehlen folche ungemerdte faute, 
ex post facto von anderen auff das ärgſte außgedeutet wird, wie ich dann 
dergleichen mit groffen Leidtweſen öffters angehöret habe. Diefes aber würde 
jich alles viel beifer finden und jchiden, wann ein jeder nach jeinem geringen 
Vermögen und Gelegenbeit, ſich in der Jugend etwas in anderen Yänderen 
(e8 were dann fo viel als es wolle) würde umbjehen und nunc et tune gutes 
und böjes außjtehen, fo würde er am beiten auß der Erfahrung willen, wie 
es umb andere polite nationes und ihre mores bejchaffen und wie einem zu 
Muthe, welcher bald in diefe, bald in jene Truck gerathen und folgendes 
einem jeden nach feinem von Gott erlangtem talento und Bermögen, mit 
Gutthat und Höfflichkeit an die Handt gehen, nejtalt diefes die vornembſte 
Maxima und Compendium unferes Chriſtenthumbs je und allemwege gemwejen 
ijt und auch wohl bi an der Welt Ende bleiben twird, Gott über alle Dinge 
von gantzen Kräfſten und feinen Nächiten als fich ſelbſten herklich lieben . . . 
(Das chrijtlihe Gebot der Nächitenliebe wird nun in längerer Ausführung 
näher betrachtet. Würde dies Gebot eifriger beherzigt, „jo würden biel otiosae 
und unzeitige columniae in den Bierzehen und anderen Berfamblungen, wie 
auch viel überflüffiges Freien und Sauffen, Schwälgerei ꝛc. nachbleiben“.) 

Ob nun zwar von Beit zu Zeiten etwas geringes von diejen jeßt ge- 
meldeten Fauten in einiger weniger Sompatrioten Gemüther ungemerdt mit 
eingefchlichen ift, jo hat hingegen der höchjter Gott auch mit vielen herrlichen 
Tugenden und Gemüths-Ornamenten unſer liebes BVBatterland reichlich ge— 
frönet und bejehliget, gejtalt die Einwöhner gottesfürdtig und eyfferich in 
obged. ihrer Religion fich befinden die Kirchen und Gotteshäufer embjig be- 
juchen, diejelbe reichlich begaben, auch ſogar hin und wieder Heine Kirchlein 
und Gapellen an die Landtjtrafien bauen, halten ihre von Gott borgeitellte 
Obrigkeit Prieſterſchafft und Geiftligkeit in guten Ehren, fein frommer un— 
gefärbter auffrichtiger Natur, in allem umverdrofien, trachten nad) ihrer 
Nahrung Tag umd Nacht, theils durch Handel umd Wandel mit Wolle, 
Schaffen, feiiten Schweinen, Rindtvich, Salt, Eyſen- und Nupfferwerd 2c. 
wie es dann hierzu auf umterjchiedlichen Bergwerden bey Olpe, Drolßhagen 2c 
viel Eyjen- und Kupffer, wie auch auß den Saltbrunnen und Södenn zu 


416 Kurkölnische Zeit. Zeit des franzöfifhen Einflufies. 


Werll und Kotten eine große Menge von gutem feinem Salt giebt und 
wiſſen die Incolae auf dem Eyfenmwerd allerley nützliche Sachen zu jehmelgen, 
ſchmieden, ziehen und fonjten auf allerhand Art zu präpariren, welches 
hernadyer die frembde Kauffleute von weit und feiht abholen. Daß Viehewerck, 
dbefien es dajelbjt, infonderheit in Engern und in der Graffichaft Arnöberg 
eine grofie Anzahl giebt, erziehen die Haußwirthe jelbjt, die Schweine aber, 
wenn gute Jahren fallen, haben ihre Maft in den Wälder ꝛc. Theils Haben 
reichlich ihre Nahrung von dem Aderbaue und Fortitellung landtbaulicher 
Haufhaltung und können darvon jährlich bey guten Zeiten einen zimblichen 
Vorrath erüberen infonderheit die Incolae in dem cölnischen Wejtphalen umb 
die Gegend Brilen, Rüden, Werll, Geſeke, Warjten, Belke ze. welche an ſehr 
fruchtbaren reichen Kornörtern wohnen. In oeconomiceis und Führung der 
Haußhaltung haben fie ſonderlich gute inventiones und Einfälle, willen jid) 
alles zur rechten Zeit wohl zu nügen zu machen und haben mehrentheils in 
ihren Häuferen einen guten Borrath von meitphälifchen Schinden, gedürret 
Rindfleifch, gedürrete Forellen und Würjte, eingemachte Schaaffsmildh, friſch 
und eingemacht Objt, Gartenfrücdhte, ſüße Rüben... .. Geriten und... . 
Srige und dergleichen mehr, alſo daß fie in allereil u. f. w. (Bier fehlen 
twieder mehrere Zeilen. Die noc vorhandenen Fragmente fpredden von 
„Säjtereien”. Dann kömmt der Berf. wieder auf jeine Anpreifungen des 
PBeregrinirens in der Fremde.) Churfürjtlichen anfehentlichen Dienjten befinden 
als welche durch fleiffiges Studiren und nütliches Peregriniren ihre ange: 
borne herrliche Naturen und Ingenia in der Frembde derogejtalt ercolirt 
haben, daß fie dardurch zu hohen Ehren gerathen. Dieſe lafiet euch, Ihr liebe 
Gompatrioten zum lebendigen Beyfpiel und Exempl feyn und trettet fleiffig und 
unverdroſſen in ihre Fußſtapffen fodan wird euch auch zu feiner Zeit dergleichen 
avenchement und Ehre bey der Pofterität refpective nicht manquiren 2c. 

Nahdemahlen wir nun in genere die ncorporation unferes Weit: 
phalen, Engern und der Graffichafft Arnßberg, wie auch in specie jeder 
Provintz und der Einwöhner eygentliche Beichaffenheit (jo viel die Zeit und 
der enge Raum zugeben tollen) fur und einfältig betrachtet haben, als 
wollen wir endlich und zum Beſchluß vor uns nehmen die Particulir-Befchrei- 
bung unſerer alhier oben abgebildeter 


Statt Arnfberg. 


Dero Situation iſt abhängig an einem Berge, dad Schloß aber befindet 
fi oben auff dem Berge, Tiggen beyde in einer jehr anmütigen und Iuftigen 
Gegend, umbgeben nahe bey mit vielen nüßlihen Baumboffen, Küchen und 
Zuftgarten, demnegſt umbzingelt fie fajt rund umb der jehr filchreiche und 
itarder Fluß die Ruhr, welche den Einwöhneren einen groffen Borrath von 
Fiſchen juppeditirt auch ihre pascua und Wiefen zum Heuwachs auffs Beite 
befeuchtet. Die Fiſche fo in der Ruhr gefangen werden fein Barben, Eiche, 
Bleyers, überauß groſſe Hechte, Laxfohren, grofie Achle, Krebje, Mundfiſche 
(welche zur ficheren Zeit im Jahr in grofien Hauffen, fait wie die Hehring, 
ihren Auffftieg halten und in grofier Menge gefangen werden, ijt fonjten 
ab und zu ein zwey und dreipfündiger Fiſch) wie dann auch zur Waſſerfluth— 
zeiten groſſe Qäre, deren ich jüngjt anno 1668 dafelbiten zu 22 ad 26pfündige 
gejehen habe. Hiernegſt folgen die fruchtbare jchöne Kornfelder, welche alle 


v. Eßl: Beichreibung der Stadt Arnsberg. 417 


Zeiten von der Ruhr big an den Wald befchliefien. And endlich wird diefer 
anmütiger prospectus gleichfals gefrönet und rund umb umbgeben, mit einem 
grojien Wild-, Holt: und Majt-reihen Gebirge, welches ji an etlichen 
Oertern ad 2 umd ein bald, an etlichen ad 2 und an etlichen ad 1 Meil in 
die Breite erjtredet und Hin umd wieder durch Hervorblidung von Hügeln und 
Thälern jich nicht uneben präjentirt. So vermehret auch die Augenlujt der 
Durchreifenden die Bielheit von milden Thieren als Hirjche, Hinde, Rebe, 
wilde Schweine, welche man bin und wieder auff und nieder jtreichen jiebet, 
in der Hirſchbrunſt aber findet man jie öffters in grofler Menge zufammen, 
geben umb die Zeit ein greuliches Brüllen und Gethön von fich und ſcheuen 
jich nicht jonderlicd) vor dent Menjchen, thun aber feinem etwas leides. Was 
diefe Wildnüß Ihro Ehurfin. Durchl. unferem gnädigjten Herrn vor eine 
anmüthige und auch müßliche Wildbahn jey, jolches Fann ein jeder Jagt— 
verjtändiger leichtlic) ermejien, wie dann auch Ihro Churfle. Durch. zu 
ſolchem Intent diefes Orts allezeit unterfchiedliche gute Jäger, Hunde und 
andere Eojtbare Jagtpraeparatoria erhalten, welche je und allemege durch vor— 
lichtige Anordnung dei Churfin. Herren Jägermeiſter Ihro Ehurfin. Durchl. 
Küche mit Hirfchen, wilden Schweinen, Neben, Uhr: und Berghahnen, Haſſel— 
hühner zc. reichlich verforgen und haben Ihro Ehurfle. Durchl. nod) neuligſt 
zu ihrer Jagtluſt an eine Zeite der Wildnüß bey der Statt Hirſchberg ein 
jhönes Schloß und Jagthauß im Quadrat mit vier Thürmen bauen lajlen, 
welches warn es vollends fertig jeyn wird, dem Ehurfin. Schloß Arnßberg 
an Förmligkeit und Anlage nicht viel nachgeben dörffte. ES ijt jonjten allent- 
halben in diefer Wildnüß ein ſolcher groſſer Borrath von Wilde, daß es un- 
möglid) zu einigen Zeiten kann aufßgetilget oder auch merdlid) vermindert 
werden und müſſen die Haußleute, jo langjt die Wildnüß wohnen, ihre Korn— 
felder und Gärten wegen der Wildes alle Nachte mit Wachten, Trummen ꝛc. 
auffs bejte verſehen; damit ihnen das Wild feinen Schaden zufüge.) An 
ihädlichem Wilde giebtS fein anders als Wölfe, weldje unter dem jungen 
öffter8 Schaden thun. Baaren finden jich diefes Orts nit. Wan hat zivar 
bor wenig Jahren in diefer Wildnüß und jonjten amderiverts in anderen 
Wälderen einige Paar Katlüxe geſchoſſen, welche ji aus den Oſt- und 
Nordiſchen Ländern dahin verjtrichen; nunmehr aber merdet man feine mehr, 
jein nicht fonderlicd) rar don Farbe geweſen, wie jonjten die Katlüxe pflegen 
zu feyn x. Noch eins dergleichen Luſthauß, wie vom Hirjchberg jego vermeldet, 
haben Churfle. Durchl. nahe bey Arnßberg zu Obereimer angeorönet, 
warbey ein grofjier Thiergarten und Stutterey ijt, bermittelit welcher Ihro 
Churfle. Durdl. jährlih Schöne junge Pferde erziehen laſſen. Halten zu 
diejem Ende allhier groſſe rare Hengjte und Reitpferde, welche von einem 
darzu derordneten Bereiter zu jicherer Zeit auff der Reitſchule daſelbſt zu- 
geritten werden. Allhier befindet ſich auch ein jchöner Zier- und Lujtgarten, 
welcher durch einen jonderlihen Gärtenirer beobachtet und don Jahren zu 
Fahren verbejiert wird. In der Mitte diejes Gartens ijt ein Yeitbrumn, 
) Zum Belege für diefen Wildüberfluß mag bier die Bemerkung einen 
Platz finden, daß vor kaum 60 Jahren das Gefinde, welches jich auf adeligen 
Gütern des Sanerlandes vermietete, zur Bedingung zu machen pflegte, es 
ſolle ihm wöchentlich nur zwei-, höchſtens dreimal Wild, beſonders Schwarz— 
mwildpret, zum Eſſen vorgejett werden dürfen. (Zeib.; vgl. ©. 375, 427.) 
Feaur, Geſchichte Arnsbergb. 27 





418 Kurkölniſche Zeit. Zeit des franzöfiichen Einflufies. 


welcher auß einer erhobener Naheit dahin geleitet wird und wann dieſer 
aquaeduetus in der Führung ettvas höher follte genommen (wie es dann des 
Orts Gelegenbeit gemug darzu giebt) jo Fönnte man dardurch ein jtarfes 
Triebwerk und allerley Waſſerſpielungen (wie in Niederland in den Grotten- 
werfen zu ſehen) zuwege bringen. 

Anbelangend die Bejchaffenheit des Churfln. Schloſſes, als liegt das— 
jelbe, wie gemeldet, aufj einem jehr vortheilbaften Berge, welcher Berg mit 
den vorderſten Schloßwerken (wann jie etwas jollten verjtärfet und nad 
Fortifieationis-Art auffgeführet werden) die Statt gegen feindliche attaquen 
überhöhn und commendirn. An beyden oft: und Wejtlichen Seiten fann dem 
Schloß mit eanomniren und jturmen fein Feind füglich beyfommen und warn 
je an der weſtlichen Seiten wegen der fleinen Hügelein und eingebogenen 
Höhlungen etwas zu befahren jtünde, fo fünnten diefelbe mit geringer Mühe 
geebnet und die Seite noch zum Ueberfluß mit einer ſtarken pallisada und 
eontrescarpe verſehen werden, welche eontrescarpe dem Feinde alle Luft an 
ſolchem engen gefährlichen Ort zu positiven benehmen würde. Bon binden zu 
Nordtwerts hat das Schloß zwar zwey nefährliche nahe Berge, von welchen 
der Feind deinjelben mit eanonniren, approchiren, miniren, jtürmen 2c. zu: 
jeßen fünnte, wann aber das Schloß don hinter zu mit zwey mittelmäfjigen 
irregnlar Bastions und Bollwerken gegen die Berge zu verjtärket und dar- 
zwiſchen ein ziemblicher tiefer Durchichnitt geordnet würde, fo wäre ſowohl 
von diefer als jonjten von allen anderen Zeiten das Schloß von remercabler Reſi— 
jtent und könnte der nächjter Heiner und zwar fchädlichiter Berg zu Behuff 
der beyder obgemeldter Werke emploiirt und alfo gank weggeſchaffet und ge— 
ebnet werden. Inwendig iſt das Schloß mit grojien magnifiquen Gebeuen, 
Saletten, Stuben, Sammer, Stallungen 2. aufs beſte verjeben, melde 
Werte Ihro Churfle. Durchl. noch neuligſt de novo repariren und außbeſſeren 
lalien, alfo daß Ihro Durchl. mit dero ganten Hoffftatt und anderen frenb- 
den Herren und Geſandten füglich daranff logiren fünnen. Die Schloßwerke 
von Auſſen präfentiren fich zwar wie Mauren (wie es dann auch ein dides 
gemenertes Wefen ijt) inwendig aber jeyn fie hin und wieder am den gefähr— 
lichjten Dertern mit einem Wall verſterket. Diefes Schloß haben verfchiedene 
Churfürſten in Krankheitszeiten zur Erfriichung erwählet, auch theils darauf 
dieje müheſame Welt gejegnet. 

Was die Gebeu in der Statt betrifft, diefelbe jein theil8 von Mauer- 
werk theils don Holtzwerk fürmblich und hoch auffgeführet, unter welchen Ihr 
Gnaden des Hrn. Yandtrojten gemenertes jchönes Gebeu in der neuen Statt 
und des Hrn. Oberfellners Hauß in der alten Statt jich jehr wohl präjen- 
tiren, als an welchen die architeeti großen Fleiß angewendet. Ahr Gnaden 
des Heren Landtroften Geben war jonjten von Jahren zu Jahren dero gejtalt 
in Decadentz gerathen, daß ihme kaum durch einige reparationis Mittel zu 
helfen, mwohlgemeldte Ihr Gnaden aber haben c& durch fonderlichen Fleiß, 
große Unköſten und Mühe, vermittels eines neuen Tachs, Berbefjerung der 
Gewölber und Sölder, Gegenbau und Stüßung eines fürmblichen Thurms 
und anderen eimwendig angewendeten jchiweren Bauföjten 20. jo weit wieder 
in Ordnung gebracht, daß es fich nunmehro ſowohl zum nüßlichen Gebraud 
als zierlihem Proſpeet jehr wohl und manierlich, auch den beiten nieder— 
ländiſchen Gebeuen gleich präjentirt. 


». Eßl: Beichreibung der Stadt Arnsberg. 419 


Anfänglid iſt diefe Statt nicht gröſſer geweiien als vom Schloß bis 
an den hohen Thurn mitten in der Statt, jo man den Glodenthurm 
nennet, weilen er der Stattfirchen fo nahe jtehet und desfalls zur Statt-Uhr, 
Ktlodengeleute, nächtlihem Thurmblajen 20. gebrauchet wird. Iſt foniten ehe— 
zeiten eins von der alten Stattpforten geweſen, folgends hat man die neue 
Statt daran gebauet und weilen ißo die Häufer und Stellen in beiden 
Stätten jehr genau und theuer fallen und ohnedas von der DOlderpforten bis 
auf die andere Zeite der Limpspforten ſich ein unförmblicher eingebogener 
Winkel auſſerhalb der Statt präjentirt, in welchem Winkel nicht viel nütliches 
von Gärten vorhanden ijt, als fünnte durch Einziehung diejes unbequemen 
Winfels die Statt mit geringer Mühe de novo an dieſem Ort vergröfiert, 
die Mühlen mit bineingezogen und zu Bermehrung der Burgerei Anlaß ges 
geben werden, welches alles Ihro Churflr. Durchl. beliebiger gnädiger Dis- 
pofition anheim gejtellet wird, ES jtehet jonjten, nechjit Gott wohl zu ver- 
muthen, daß ich diefer Statt Burgerei von Zeiten zu Zeiten merklich ver: 
mehren und in gröſſer Aufnehmen fommen möchte, gejtalt fie vermittelt der 
Ghurtln. daſelbſt antejender weſtphäl. Negierung und Gantkelei (welche 
tagtäglich von weit und jeith grojie Zuſprache hat, und Ihr Gnaden der 
Herr Landtroſt, als welcher jich in Depechirung aller Sachen feine Mühe ver: 
driefien läflet wie auch die H. H. Regierungsräthe in ihrer jchiveren Occupa- 
tion jelten Rube finden) umd nicht weniger durd) die offtmählige jo Quartal- 
als allgemeine Landesverfamblungen, ihre reihliche Nabrung und zimbliches 
Ausfommen haben. 


Und damit wir Abtey umd Kloſter Wedinghaufen nach der 
Ordnung aucd mit mwenigem berühren, als hat diejes Kloſter diejfelbe Anmuth 
der Situation zu geniejien von welcher oben bei Beichreibung der Statt und 
des Schloſſes ijt gehandelt worden und zwar fat noch mehr, weilen jich ber- 
mittelS der Nuhr hinter dem Stlojter ein kleiner anmüthiger Wald, fait in 
$ejtalt einer Peninsul findet, welcher Wald den H. ©. Patribus zur ſömmer— 
lichen Reereation und Beränderung, zur Derbitzeit aber dem oeconomiſchen 
Viehe zur Maſte und jonjten durchaus dem vorfallenden Klojter-Bautverk zum 
Steinbrud, Biegelbrennen x. nüßlich dienet. Dieſe Peninsul und wunder— 
lichen Umbfluß der Nuhr, hätte ich gerne in unſeren Abriß mit hinein ges 
bracht, wie auch Ihro Ehurfin. Durchl. Luſthaus Obereimer, die Kürze der 
Zeit aber, wegen bereinbrechender Frankfurter Meſſe, wie auch die Engigfeit 
des Raums auf der Kupferplaten hat es nicht zugeben wollen. 


Die 9. H. Patres in dieſem Kloſter (welche mebhrentheil$ Arnsbergenses 
jeyn) führen sub regimine de8 Hrn. Prälaten ein eremplar: und gottjeeliges 
Leben, nehmen ihrer Stirchen-labores, studia, Information der Jugend 2c. aufs 
fleiffigfte in obacht, wie dann zeitiger Hr. Prälat zu beſſerer Fortitellung der 
Information ein jchön herrliches Gebeu (welches wohl ein Gymnasium präjen- 
tiren könnte) nahe am Kirchhoff aufbauen Laien, an welchem Geben domab- 
liger Architeetus jonderlichen Fleiß muß angewendet haben, kann ſonſten 
auch an einer Seiten zu oeconomifchen Bedienungen und oben auf, nebjt 
des Hrn. Prälaten Logimenteren, zu Accomodirung vornehmer Herren und 
Freunde, welche ihre Bifite im Kloſter ablegen, emploiirt werden. Bei jüngjter 
Bijite Ihro bodhfürjtin. Gn. von Padiborn haben diefelbe jich dieſes Gebeu 

27” 


420 Kurkölniſche Zeit. Zeit des franzöfifchen Einflufies. 


über alle Maaſſen wohl gefallen laſſen, auch in demjelben ihres Namens Ge— 
dächtnüß zu ftiften fi borgenommen. Die H. 9. Patres aus dem Kloſter 
haben domahlen, mit Zuziehung einiger muficalifcher Liebhaber aus der Statt, 
Ihro hochfürſtl. Sn. eine angenehme Vocal- und Anjtrumentalmufit präjen- 
tirt; wie dann die edle Musik, ſowohl im Kloſter als in der Statt mit allem 
Fleiß erereirt wird und läſſet fich zummeilen bei Abendszeiten in der Statt, 
ein jolches anmiüthiges Goncertiren mit Zinden hören, daß man nicht anders 
bermeinen jollte, e$ wäre ein Concert mit zwei Trompetten, gejtalt dieje 
muſicaliſche Liebhaber die Trompetten, jorwohl in FFeldjtüden als Clarin mit 
Fugen, Golleraturen, interstitiis, Pauſen ꝛc. allerdings zu imitiren wiſſen. 

Wohlgemeldter Hr. Prälat hat nebjt jettgedachtem remarcablen neuen 
Geben, noch viel andere nmüßliche Geben und Ningmauern (mit Zuziehung 
zeitigen Herrn Cellerarii Pat. Esl. al$ welcher in oeconomieis und Dispofition 
des Bauwerks jich nichts verdrieſſen läſſet) dem Kloſter zum Bejten, theils 
neue berfertigen theils ausbeſſeren laffen und dardurch fich einen Namen und 
Gedächtnüß bei der Pofterität, dem Kloſter aber großen Nuten gejchaftet. 
Die alte Geben waren auch von den Alten wohl angelegt, wie folches die 
wohlgebauete Kirche, der Greußgang ꝛc. bemweijen, von welchen jene mit 
jchönen Altaren und einem ... . organo verſehen . . . . (Hier fehlen wieder 
einige Worte in den vermoderten Falten des Papier. Die nun folgenden 
Zeilen beſprechen die Kriegszeiten, die Belagerung der Statt jeitens Beder- 
mann, Douglas 2c.; die betr. Stellen find Seite 345 f., 348 f. unferes Buches 
berivertet.) 

Der grundgütiger Gott, ſchließt v. Eßl jeine Darftellung, welcher zu 
dero unruhiger betrengter Kriegszeit feine Gnadenjlügel über diefe Statt, 
Schloß, Klojter und gante Gegend gehalten und die Einwöhner allerjeits 
vor Schaden und eufjerjter Ruin jo wunderlich behütet bat, derjelbe wolle 
Ihro Churfle. Durchl. unferen gnädigjten Landsfürjten und Herrn, wie aud) 
die hohe Churſle. Regierung, die jämbtliche Landtſtände, Stätte, Schlöſſer 
und Freiheiten, ja das gange veruniirte Ehurfle. Yandt mit allen Einwöhneren, 
Geiſtlichen und Weltlichen, hoben und niedrigen Standes, mit veichem Seegen 
an Leib und Seelen gnädigjt befeblichen. Was ich meinem lieben Batter: 
landt von Hertzen wünſche. 


Belonderer Geil. 


Politiſche Begebenheiten. 


1654 den 4. September wurde auf einem Yandtage in Arnsberg 
der „Recessus perpetuae concordiae“') zwijchen Nitterjchaft und 
Städten gejchlofjen. 

Die Ritterfchaft oder der Adel hatte jeit dem Landtage in Geſeke don 
1584 (©. 238 f.) nicht aufgebört, Steuerfreibeit zu beanfpruchen. Ihr 
vornehmlichjter Grund, „daß jie durd) Yeiltung ihrer Neiterdienjte und Unter- 
haltung reifiger Knechte mehr als andere Landeseingejellenen belajtet jeien“, 
war jeit den Beränderungen des Kriegsmwejens im 17. Jahrhundert ganz und 





) Zeiberg Urk. 1047, 


Zandtage von 1654, 1658, 1667. 421 


gar nicht mehr ftichhaltig. Sie führten dann weiter an, „der Grundherr ſei 
es eigentlich, der die feinen Bauern auferlegten Steuern zu tragen habe, da 
er um jo weniger Pacht erhalte” x. Hiergegen wurde hervorgehoben, daß 
die weitaus größte Zahl der Kolonate dem Landesherren, den Hlöftern ꝛc. ge- 
höre. Trotzdem drang der Adel mit feiner Forderung nad) jahrhunderte- 
langem Kampfe durch. Und wie „vertrug” man fih? Auch der Beitrag der 
Städte wurde ermäßigt, alfo dem platten Lande und der Geiftlichkeit um jo 
mehr aufgebürdet! Der Rezeß von 1654 bejtimmte, es follten die Ritter 
von allen Reichs-, Kreis: und Pandesjteuern frei fein; nur wenn eine Türfen- 
jteuer nötig oder wenn Wejtfalen von Feinden befeßt fei, will die Ritterfchaft 
„mit unterlaflen, zu Rettung des Baterlandts ihre Aſſiſtens zu leijten, jofern 
die ordinari Mittel nit fufficient feien“ Den Städten wird ihr Schatquan- 
tum auf 1400 Königsthaler ermäßigt. Die vier Hauptjtädte zahlten je 100 
Thaler, Olpe 9, Medebad 87, Attendorn und Warftein je 80, Arnsberg 38 
Rthlr. 48 Sch. (S. 307) w. Die Bauern, die noch nicht das Doppelte an 
Grundvermögen wie Nitter, Geiftlichkeit und Städte zufammen beſaßen 
(2 136 069 Morgen), welches dazu mit Pächten, Beden ꝛc. belajtet war, mußten 
über */, der ganzen Landesiteuer tragen.t) 

1658. Zu dem im November in Arnsberg tagenden Yandtage 
hatte der Kurfürft fein Erjcheinen ficher im Ausficht geftellt, um fein 
Yand in dem „Wohlftand, worin es ſich bis hiehinn vor anderen be- 
findet“, noch fernerhin erhalten zu ſehen, war aber plötzlich verhindert 
worden. Als feine Bevollmächtigten erjchienen der Graf Karl Ernft 
zur Manderjcheid und Dr. jur. Ad. Dorhoff. Die Stände bewilligten 
die weitere Unterhaltung der „auf den Beinen habenden Mannjchaft" 
und die Anwerbung von noch 100 Mann zu Fuß und 50 zu Pferd, 
ſodann die Befeftigung der Schlöffer Arnsberg, Werl und Bil- 
ftein, ferner 15 000 Rthlr. al3 Beiftener zu den „schweren Regierungs— 
laften”. Da die Befeftigung der aufgeführten Sclöffer hauptſächlich 
zum Nuten der Unterthanen gejhähe, damit diefe in Zeiten der 
Gefahr eine fihere Zufludht hätten, und die Landftände hin- 
fihtlih der Steuern „gelinder, als einige im ganzen Reiche gehalten" 
worden, jo beantragten die Deputierten des Kurfürften und de8 Dom- 
fapitel3 eine befondere Unterftügung von 2000 Rthlrn., die aber mit 
Rückſicht auf die „geldlojen" Zeiten abgelehnt wurde. 


1667 hielt der Kurfürft vom 9. bis 13. Januar perjönlid 
in Arnsberg einen Yandtag ab. Die Propofition hebt einleitungsweife 
das Bemühen des Yandesherın hervor, feinem Lande den Frieden zu 
bewahren. Er habe dasjelbe in den beiden Vorjahren mit Erfolg ge» 
ſchützt, als der holfändifche, münftersche, Schwedische und bremifche Kricg 
gewütet habe. Im laufenden Jahre jege man allenthalben die Rüftungen 


1) Bieler in von Liliens „Statiftit des Kreiſes Arnsberg”, ©. 71. 


422 Kurkölnische Zeit. Zeit des franzöſiſchen Einflufles. 


fort, und der Kurfürft habe ſich mit den Nachbarfürſten verbündet zu 
Unterhaltung einiger alten Negimenter auf vier Monate, bi8 man wiffe, 
wo fi „das andröhendes Ungewitter“ entladen würde. Dabei habe er 
fein Land vor Einlagerung zu jchüten gewußt. Das habe aber alles 
jchwere Unfoften verurfadht. Ferner habe der Landtag vom 17. Nov. 
1665 zur Sicherung der hiefigen Schlöffer 4000 Rthlr. bewilligt, davon 
2180 annoch erjpart jeien, die, jobald ſich wieder arbeiten ließe, „zu 
hiefiger Reſidenz müglic verwendet werden ſollten“. Da aber 
diefe Gelder für den ganzen Sommer und wenn etwas Bejtändiges 
hergerichtet werden jolle, nur wenig „Eleden“ wirden, jo möchten ihm 
die Yandftände aud hierfür einiges bewilligen. Endlich giebt der Kur- 
fürft den Ständen zu erwägen, ob jie nicht einige Deputierte zu einem 
Tage entjenden wollten, an dem er mit den Nahbarfürften von Branden- 
burg und Münfter über die Schiffbarmadhung der Yippe zur Hebung 
der Gewerbjamfeit im Yande verhandeln würde. Im übrigen erklärt 
ſich der Kurfürft bereit, Wünſche der Yandftände entgegenzunehnien. 
Am 13. Januar erklärten hierauf die Stände: Obwohl die Geldmittel 
des Yandes jett ganz erjchöpft jeien, zumal die jeit Jahresfriſt wütende 
Peſt, jowie die Kriegsunruhen in der Nachbarſchaft den Handel 
ftill legten, und der fürdterlihde Hagelſchlag im nädjftvergangenen 
Sommer großen Schaden angerichtet habe, jo bewilligten fie dod 
15 000 Rthlr. in vier Terminen zur freien Dispofition ihres Herru; 
außerdem wollten fie de8 Hauptmanns Gaugreben Kompagnie von 
200 Köpfen, wie bisher, aus Yandesmitteln unterhalten, was 6306 
Neichsthaler Extrafoften verurjahe. Bezüglich der Schiffbarmachung 
des Yippeftromes vertrauen fie, daß Durchlaucht auch ohnedem fachkundige 
Perſonen entjenden und die Intention zum Beſten fördern werde. Dann 
erbitten die Stände eine Rechts- und NRats(Regierungs)-Ordnung und 
ein bejonderes Inſiegel für die weitfäliiche Kanzlei, was der Kurfürft, 
der ſich mit den Anerbietungen der Landſchaft zufrieden erklärt, bereit- 
willigjt zujagt. 

1671 am 16. Auguft bewilligten die Stände auf einem Yandtage 
zu Attendorn 16000 Rthlr. für das laufende und 24000 Rthlr. für 
das folgende Jahr zur Unterhaltung von 8200 Manı Truppen, die 
der Kurfürſt angeblih zum Schute des Yandes gegen unerwarteten 
Überfall Hatte anwerben laſſen. Thatſächlich galt es eine Unterftütung 
Yudwigs KIV.!) Infolge de8 Bündniſſes mit Frankreich hatte das 
Herzogtum nun fortwährend unter Einquartierungen und Kontributionen 
der franzöfiichen, öfterreihiichen und Neichstruppen zu leiden. Unter 


+) Brunabend, Attendorn Z. 147 }. 


Kontributionen, Einquartierungen ꝛc. unter Mar Heintid). 23 


den Anführern der letteren treten namentlich die Generale Sport und 
Werthmüller hervor. Die Brandenburger belagerten 1673 die Stadt 
Werl und jchoffen das Schloß in Brand; die Einnahme der Stadt 
jcheiterte an der tapferen Abwehr der Bürger. Die Yandftände machten 
den Verſuch, bei dem Faiferlihen Hofe zu Wien die Befreiung von 
Einguartierungen gegen Erlegung einer beftimmten Geldjumme zu er- 
wirken. Dies gelang; die Abfindungsjumme wurde auf 3000 Gulden 
monatlich feſtgeſetzt. Trotzdem wollten braunjchweigifche und andere 
Truppen, welde die Stadt Trier gegen die franzöfiihe Oklupation 
ſchützen follten, ihre Winterquartiere in Weftfalen nehmen und begannen 
fih im Dezember 1675 im Sauerlande feftzujegen. Vergebens wurde 
dem Oberbefehlshaber diejer Truppen, dem Grafen Auguftus von 
der Yippe, der kaiſerliche Schutzbrief vorgezeigt. Er halte, entgegnete 
er, den Faijerlihen Brief in Ehren, müſſe aber zunächſt den Auftrag 
feiner vorgejegten Fürften vollziehen. Da beſchloß die Regierung, ſich 
jelbjt zu helfen und die Einquartierung von den noch nicht bejetten 
Teilen des Landes, den Städten und dem füdlichen Amtern Fredeburg, 
Bilftein zc. unter allen Umjtänden fern zu halten, Mauern und Thore 
der Städte jollten bewadt werden, Bürger und Yandichügen fid) auf 
alle Fälle mit guten Gewehren verfehen. In der That fam es zum 
Kampfe mit einem nad) Süden vorrüdenden Kavallerie-Regimente; der 
Anführer der fauerländiichen Landſchützen, der kurlölniſche Regiments— 
Quartiermeifter Wellingwerf, zwang das feindliche Regiment durch 
Umzingelung bei Oberhundem zur Rückkehr in die alten Quartiere 
Der Graf von der Yippe drohte num der Negierung an, er werde zur 
Strafe noch mehr Truppen in das Land jchiden, „wo denn aber alles 
mit brabanter Elle ausgemeffen werden folle” ; die Drohung wurde aber 
nicht erfüllt, vielmehr verließen die Truppen bald nachher das Sauer- 
land und zogen ins paderbornifche Gebiet. (Brunabend, ©. 150.) 

Ein Bid in die Stadtrehnungen zeigt uns, in wie weit Arns— 
berg von den gejchilderten Widerwärtigfeiten betroffen wurde. 

1671, 30. Oft., Bürgermeijter und Nat befichtigen die Stadtmauern, 
Pforten und Türme, 30. Nov. Berhandlungen mit Obrijtiwachtmeiiter Gau— 
greben (2 Rthlr. 32 Sch. Wein). 

1672, 20. März Belettierung!) des Feldwebels und einiger anderer 
Brenadiere. 7. April Ehrentrunf mit dem allbie einlogierten Hauptmann 
Kleine. 12. Belettierung der Grenadiere. 28. Befichtigung der Stadt— 
befeitigungen mit dem Schloflommandanten; nachher Zeh auf dem Schlofie. 
9%. Mai der Kommandant und Kapitänlieutenant bejichtigen die Boten um 


), Nichtiger Billetierung (von billet, mittellat. billetus von billa Zettel), 
in den älteren Alten Bol. gejchrieben, — Einquartierung. 


494 Kurkölnifche Zeit. Zeit des franzöfifchen Einfluſſes. 


die Stadt. Später nochmalige Befichtigung, um die Schilderhäuschen zu 
fegen. 27. Aug. Belettierung. Dem kurf. Pulvermacher zu Obereimer 27 Bf. 
Bulver (7 Thle.) abgelauft. 13. Nov. Belettierung der Soldaten ; 25. ber 
Dragoner; 26. der Leibfompagnie. 17. Dez. der Negiments-Quartiermeiiter 
gejtattet Delogierung der Soldatenweiber nah Attendorn. Bei Thonich 
Nießen liegen 1 Lieutenant, 1 Rorporal, 23 Soldaten im Quartier. Dem 
alldie einlogiert geivefenen Grafen don der Lippe ijt aus fonderlichen be- 
mwegenden Irjacdhen Y, Ohm Wein ad 12 Rthlr. 24 Sch. präjentiert worden. 
Dem Kämmerer Eb. Henje wegen „verpflegter einiger hoher und niedriger 
ſowohl deutjcher als franzöfiiher Offiziere 45 Rthlr.“ 

1673, 27. Jan. ift das gräflich-Lippifche Regiment allhie belettiert 
worden. 29. ijt des Generals Rinellen Stallmeifter auf dem Rathauſe ge: 
weſen und jind deſſen Bediente und Reiter bier einlogiert worden. Dem 
Regiments-Quartiermeiiter Wellingwerf ijt aus ficheren bewegenden Gründen 
ein Honorarium don vier Rthlrn. verehrt worden. 1. Febr. iſt des Grafen 
von der Lippe Obrijtlieutenant mit dejien Kompagnie allhie einquartiert 
worden. 6. des Hauptmanns Baßelß Kompagnie wird einquartiert; mit den 
Offizieren wird auf der Weinjtube gezeht. Magazin-Stommiflarius Hövel 
hält auf dem Nathauje wegen gelieferten NRoggens und Hafers Abrechnung. 
Dem Quartiermeijter des gräfl.-lippifchen Negiments ein Douccur don drei 
Thlrn. 8. ijt Obrift Wolff mit feiner Kompagnie anbero gefommen. 15. Be- 
lettierung des Duc de Orleans-Regiments. 20. März des Prinzen Wil: 
helmen Stallmeijter auf dem Rathauſe. 22. Kommandant de Grote giebt 
Convoi für die Weinfuhr von Biljtein bis hiehero. 29. Nov. Belettierung 
des Lieutenants von der Reden und der Zeibfompagnie. 15. Dez. Belettierung 
des Lieutenants Stodhaujen. 29. Belettierung des Hauptmanns Schend 
und feiner Kompagnie. Entichädigung eines Bürgers, der zu viel Einauar- 
tierung don Soldaten mit Weib und Kind hat. 

1674 mit Hauptmann Klein das Servis affordiert. Sämtliche Offi- 
ziere der vier Hompagnien zechen auf dem Rathaufe für 11 Rthlr. 30 Sc). 
Für einen faiferlihen Pat von General Spord zur Abholung der Weine 
von Gobleng drei Rthlr. 27. Febr. Lieutenant Stodhaujen bringt Ordre, 
daß einige Soldaten nad) Werl marjchieren und gleichwohl ihre Quartiere 
hier offen bleiben follten. Der Stadtziegenhirte wird entſchädigt megen 
„seines im Stadtberge von den faijerl. Soldaten erlittenen Raubes‘. — Ein 
Bote deswegen nad Calle an den kaiſerl. Offizier gefandt. 16. März Be- 
lettierung von Soldaten. Käpitän-Lieutenant Lulefß, fo von ſelbſt zum Wein- 
feller gefommen, trinkt dort ziwei Quart. 20, April Verhandlung des Kom: 
mandanten wegen Berpflegung der Soldaten, verbunden mit großem Zech. 
Die aus Wiedenbrüd anbero gekommenen Ziegelbäder find von den Staijer- 
lichen beraubt worden und werden entichädigt. Zwei kurfürſtliche Reiter, die 
in Redlinghaufen von den Staiferlichen gefangen genommen waren und ſich 
jelbjt befreit haben, werden verpflegt und erhalten Weggeld. 6. Mai die 
Veib- und die Schendiche Kompagnie erhalten auf borgezeigte Marjchordre 
120 Rthlr. Abmarjch der letten faiferlihen Truppen. Abmarſch des Lieute— 
nants Stodhaufen. 5. Juni Belettierung von Soldaten. Ankunft des Re: 
gimentsadjntanten. Der Weinmwirt hat faliche „halbe Franzentbaler“ ein- 
genommen. 


Kontrrbutionen, Einauartierungen 2. unter Mar Heinrich. 425 


1675 an die „Leib- und Schenckſchen Kompagnien“ bei deren Abmarich 
nah Rheinberg auf die ihnen ajlignierten 1045 Rthlr. 120 The.) Später 
nod) 35 Thlr. 6. und 10. Febr. Belettierung biefiger und des Lieutenants 
Stodhaufen Soldaten. Einnahme und Ausgabe 980 Rtbir. 

1676, 11. Febr. Belettierung der Landſchützen. 21. Ankunft des Lieu— 
tenant Bertramb von Werl mit Landſchützen. 1. März Hauptmann Damman 
kommt mit Landſchützen. Beränderung des NRottregifters. Als Dauptmann 
Damman zum legten Male mit feiner Kompagnie anhero gefommen, auf dem 
Rathaufe mit ihm verthan vier Quart Wein. Den nad dem Hellwege ab- 
jiehenden Yandjchügen wird für fünf Tage Proviant mitgegeben. 

1679, 12. Febr. Einauartierung paderbornifcher Völker. Obrijtlieutenant 
Geißmar. 20. April Belettierung des Hauptmann Dammans Kompagnie. 
Auch der Abmarſch wird erwähnt. 14. Mai Flucht der Nonnen aus Himmel» 
pforten nach Arnsberg; fie bleiben bis zum Juli. (Notiz des Kloſterchroniſten.) 

1683 wurde der Fürft von Straßburg, Wilhelm von Fürftenberg, 
von dem Kurfürften Mar. Heinrich zu den Ständen gejchict, von denen 
man 96000 Thle. forderte. Am 30. Mai gegen Abend bejudjte er 
unfern Prälaten Reinharg und jpielte mit dem Grafen von Rietberg 
auf unjerer Kegelbahn im Baumhofe, von wo man zur Mühle ging. 
Kloſterchronik.) 

1689 ließ Ludwig XIV bei Gelegenheit der Kurfürſtenwahl in 
Köln eine Armee an den Rhein vorrüden und beabjihtigte aud) das 
Herzogtum Weftfalen mit 6000 Mann bejegen zu laſſen. Zur Ab- 
wendung der Offupation verjtanden fi die Yandjtände auf einem Laud— 
tage zu Arnsberg am 28. Januar zur Erlegung einer Geldjumme 
von 46 000 Rthlen.?) 

Die Regierungen der Kurfürſten Joſeph Klemens und Klemens 
Auguft verliefen für das Herzogtum im ganzen friedlid bis zum Aus: 
bruche des fiebenjährigen Krieges im Jahr 1756. Klemens Auguft ftarb 
1761. Zwar werden mitunter Einquartierungen von Kriegsvölfern ꝛc. 
erwähnt; aber größere und andauernde Beläftigungen blieben der Be— 
völlerung erjpart. 

Der Klojterchreniit bemerkt zum Fahre 1703: Es folgte der jpanifche 
Grbfolgektieg, in welchem der Kurfürft von Köln und fein Bruder, der Kur— 
fürjt von Bayern, es mit den Franzojen und mit dem neuen Könige hielt. 
Darum mußte unfer Kurfürſt auch flüchten, nachdem man Rheinberg und 
Bonn erobert und die Franzofen daraus vertrieben hatte, die von unſerm 
Kurfürjten eingelaflen waren. Aber das Metropolitan-Stapitel hing dem Kaiſer 
an, indem es jich für jest die Negierung des Vaterlandes zuſchrieb; und dies 
war jomwohl im Rechte, als in einer befonderen Beſtimmung des Kaifers be— 
gründet. Die weſtfäliſchen Landjtände wollten fich weder gegen das Stapitel, 


») Offenbar eine zweite Rate. Für die Befreiung bon der Ein- 
qutartierung mußte die Stadt jene 1045 Thlr. zahlen. 
) Brunabend a. a. DO. S. 152. 


426 Kurfölnifche Zeit. Zeit des franzöfiihen Einfluffes. 


noch gegen den Aurfüriten wenden. Als deshalb im Februar 1703 dad 
Kapitel eine Stände-Verſammlung bier zu Arnsberg fejtjette, erjchienen fte 
zwar, aber die Verfanumlung ging unverrichteter Dinge auseinander, nicht 
zwar deömegen, als wollten jie die Negierumg des Kapitels in Zweifel ziehen, 
fondern, um nicht den zu Namur (Belgien) veriveilenden KHurfürjten zu be 
leidigen. Darum erſannen fie einen Ausweg. Sie verlangten, daß Die 
deputierten Domberven von dem Schlofie aus zu den Landſtänden fämen, die 
auf dem Rathaufe verfammelt waren; jene dagegen verlangten, fie follten 
vom Rathauſe zum Schloſſe fommen. Ehe diejer Streit entjchieden wurde, 
hatten fich die Stände ſchon dreimal ohne Erfolg verjammelt, weil jie bon 
ihren Borrechten nicht abgehen wollten. Endlich, am 16. Juli, verfammelten 
jich alle und man einigte jich dahin: „Wenn die Domberren vom Schloſſe 
zum Rathauſe herabfämen, dann follten fie von den Ständen einen Revers 
erhalten, dar dieſe Herabkunft fein Präjudiz begründe gegen das Anichen 
des Kapitels, und wenn die Stände zum Zchlofie gingen, dann jollten fie 
einen Revers erhalten, daß hierdurch die Vorrechte des Baterlandes nicht ar 
ichmälert werden follten.” Da kamen die Domberren zum Rathaufe, und heute, 
am 27. Auli, während ich dies jchreibe, dauert die Verſammlung noch fort 
wegen der Kontribution, worüber man noch nicht einig war. Unterdeſſen 
famen die Stände unferes PBaterlandes bei allen verbündeten Kaiferlichen in 
üblen Ruf, als jeien sie den Franzofen ergeben. Wenn deshalb fremde 
Zoldaten durch unſer Land marjchierten, behandelten jie die Einwohner fait 
feindlich, vorzüglich die Dänen und Sachen, melche unfere Unterthanen öftent- 
lich ausjchimpften: „hr fatholifchen, franzöfiichen Hunde!” Jedoch wagten 
fie feine offenen Feindfeligkeiten, weil unſer Vaterland fich der Neutralität 
erfreute, die unfer Kurfürſt uns aus Liebe beforgt hatte, und die unterzeichnet 
war einerjeits von dem Könige in Frankreich, andererjeits don den Holländern 
und Brandenburgern. Diefe bat bis jetzt das Baterland gerettet, denn ſonſt 
hätten unjere Stände die Partei des Kurfürſten öffentlich verlaſſen und zu 
dem Kapitel übergehen müſſen, widrigenfalls wären wir geplünderte Feinde 
geweſen; fo lange aber die Neutralität dauerte, waren wir gewiſſermaßen 
jiher. Ehe uns diefelbe jedoch bekannt wurde, hatten wir unſere und Die 
zu Olinghauſen und Rumbed befindlichen foftbaren heiligen Gerätjchaften, 
ſowie auch das Archiv nach Paderborn zu den Franzisfanern geflüchtet. 1705 
vor Dftern holten wir fie auf den Nat vornehmer Männer wieder zurüd, von 
denen viele ihre Hojtbarfeiten nah Minjter und anderen Orten geflüchtet 
hatten. Dies iſt das zweite Mal, dat mir unter dem jegigen Prälaten aus 
Furcht vor dem Kriege unfere Sachen haben anderswohin bringen müflen. 


Von der Jahre Gunft und Ungunſt 2c. 

1657 war ein furdtbarer Winter. Beide Brüden wurden dur 
Eisgang zerftört (Klofterdronift), Zum Wiederaufbau der Brüden 
wurden 74 Rthlr. aus Privatmitteln geipendet. 

1666 richtete ein Hagelichlag große Berwüftungen an (S. 422). 

1666 und 1667 wütete die Peſt (S. 422). 

1676. Der Jahrmarkt wurde wegen Contagion (anſteckender 
Krankgeit) auf dem Dflderbrüdenplage gehalten. Am 19. September 


Bon der Jahre Gunjt und Ungunit ꝛc. 427 


fand der Krankheit halber eine Prozejfion nad Modentelgen ſtatt. 
(Bergl. ©. 170.) 

1680. Bon St. Stephanus an jah man ſechs Wochen hindurd) einen 
ungeheuren Kometen, der auch nicht ohne Bedeutung war; denn es folgte 
der Türfenfrieg mit der Belagerung von Wien im Jahre 1683. (Klchr.). 

1681 fand am 13. Juni wegen andauernder Dürre wiederum eine 
Prozejjion nad) Nodentelgen jtatt (Klchr.). 

1698 Eojtete ein Scheffel Weizen ſechs Thlr., ein Scheffel Hafer 
fünf Blamüfer. Der Komvent Elagte gegen den Nentmeijter in Wert, 
der während diejer Teurung dem Klofter das Getreide vorenthielt. (Klchr.) 

1698, den 7. Februar, ift ein jagdbarer Hirjch von etwa adıt 
Enden von den Jagdhunden durh die Mühlenpforte in die Stadt 
getrieben. Erftlid bei H. Nadhoffs Haus Hinter der Stadtmauer her 
und an Herrn Pandpfennigmeifters Haus beim grünen Qurm vorbei 
an die Klofterpforte, jodanın weiter hinter den Mauern her bis an das 
Schüttenpförtden, jodann das Markt hinauf bis an Herrn Nat Bergs 
Haus; von dannen aber wieder zurücgefchrt und wiederum hinter der 
Stadtmauer her, bis in die Klofterpforte gelafien, wojelbften es, weil 
die Pforte zugemacht worden, vor Mattigkeit niedergefallen, und zuletzt, 
wie es kei dem Geweih von den zugeloffenen Peuten ergriffen werden 
jolfen, wieder aufgefprungen, das ganze Markt wieder hinauf und 
dur die Klodenpforte nad der Yimpspforte, dann weiter nach dem 
Schloß und auf dasjelbe gelajien, allwo es von rejidierenden Herren 
Panddroften von Ehüngel Dienern gefangen und erlegt worden. (Sta: 
tutenbud).) Hüſer in feiner Chronik, S. 70, bemerkt zu diejem Ereig- 
niffe: „Nocd vor etwa 40 Jahren bejuchte dieje Gattung Wildpret bei 
nächtlicher Zeit unfere nahe vor der Stadt belegenen Gärten, und tm 
"Felde war dasjelbe, ‚bejonders zur Winterszeit, faſt täglich haufenweiſe 
zu ſehen.“ Bel. ©. 375. 417. 

1699, den 2. November entjtand eine ftarfe Feuersbrunſt in 
Wilhelm Hagedorns Haufe, wodurch 30 Bürgerhäufer, ohne Scheunen 
und Stallungen gerechnet, in die Ajche gelegt wurden. (Hüfer.) 

1708 auf 1709 war ein jtrenger Winter. Die Kälte war jo 
ftark, daß viele Eichen und Buchen in den Wurzeln erfroren und ab» 
ftarben (M. 9.). 

1709, den 7. Juli, entjtand ein ähnliches Unglück in Friedrich 
Kayjers vulgo Jütten Haufe, wobei nebjt dem Rathaus, Glodenturm, 
der Stadt-Kapelle und dem Trivial-Schulgebäude über 70 Wohnhäufer, 
ohne die Nebengebäude, in Zeit von drei Stunden von der verheeren- 
den Flamme verjchlungen wurden. Das Andenken diejes fürchterlichen 


428 Aurkölniſche Zeit. Zeit des franzöfifhen Einflufies. 


Brandes, ift uns durch mehrere Inſchriften an den darauf neu erbauten 
Häufern hinterlaffen worden, von denen wir die folgende, an dem grade 
hinter dem hiefigen Rathauſe ftehenden Gebäude noch heutigen Tages 
zu leſende Inſchrift hierher bemerken: 


aeDes has bVsto Vastatas VInDICe IUsto 

agatha DIVa tegat, paX bona LUXqVe regat. (Hüſer.) 

(Dies durd) Brand zerftörte Haus möge die hl. Agatha gehörig ſchützen 
uud füßer Frieden und Licht darin herriden.) 

Zum Wiederaufbau des Rathaufes gaben die Landſtände eine 
Unterjtügung von 1057 TIhalern, woran eine Inſchrift erinnert. Der 
Slodenturm, zu deſſen Aufbau die Stände auch eine Beihülfe jpendeten, 
wurde erjt 1722 unter dem Bürgermeifter H. Karthaus vollendet. Das 
Turmdach wurde von A. Voslo gezimmert, der neun Pfund wiegende 
Kuopf auf dem Turme von dem Kupferſchmied Engelhard aus Eslohe 
für vier Thaler hergeſtellt. Rathaus und Glodenturm find jeitdem 
von Bränden verjchont geblieben. 

1733 den 27. Dezember, auf St. Johannes Evangeliften Morgen 
zwiſchen zwei und drei Uhr, brad) ein fürchterliches Feuer in dem von 
Yandsbergifhen Haufe aus; diefes maſſive Gebäude wurde zwar gänz— 
lic zerftört, die Stadt blieb aber wegen des dabei eingetretenen jtarlen 
Regenguffes gänzlich verſchont. (Hüſer.) 

1735 graſſierte die Ruhrkrankheit in der hieſigen Stadt ſo ſehr, 
daß der allgemeine Landtag, welcher gehalten zu werden pflegte, nach 
Erwitte ausgeſchrieben werden mußte, woſelbſt die Landesſtände ſich 
denn auch verſammelten, und nach geſchloſſenen Beratungen in dem 
daſigen von Landsbergiſchen Hauſe am 27. Oltober des Tages ent— 
laſſen wurden. (Hüſer.) 

1740 hatten wir einen ſo ſtrengen und kalten Winter, daß Men— 
ſchen und Vieh erfroren, und die Rinde an den Bäumen zerplatzte. (H.) 


Beftellung eines Laudmedikus und Einrichtung einer Landapotheke 
unter Joſeph Klemens, 
Berordnung, 

wie cs mit dein Yandt-Medico Herrn Doctore Roberti, fals Er zu Kranken 
binnen- oder auffer der Stadt Arnsberg auffm Landt berufen, gefordert, 
oder nur consulirt wird, wegen zahlender Gebührnüſſen, Reiß- oder Zchrungs- 
Köjten zu halten iſt. 

1. Erſtlich jolle der Yandt-Medieus Herr Doctor Roberti, wann Er zu 
einem Cavallier auffs Landt gefordert wird, nicht über einen Reichstbaler täglich, 
von Bürgern und Haußleuthen aber nur einen halben Neichsthaler täglichs, 


Brandſchäden vw. Yandmedifus Noberti. Apotheke. 429 


mit Einjchliegung deren Ordinationen fordern, doch daß Ihme das ferdt 
und Reyſe-Köſten, falß der Patient jolches nicht verjchaffet, gut gethan, und 
da Er bey Nacht gefordert wird, die designirte Reyſe-Köſten doppelt jollen 
entrichtet werden. 2. Auff dem fall Er Herr Doctor Roberti einen Patienten 
allhier binnen der Stadt Arnsberg visitiret und ordoniret, jo ſolle Ihme 
für beyde Visite und Ordonance achtzehen Petermäntger, für die Visite allein 
aber Ein Reichs-Ohrt bezahlet werden. 3. Sollte es ich begeben, daß der 
Herr Doctor Roberti jelbigen Tages mehr als einmahl zu dem Patienten 
nienge, jo folle jolches für eine Conrtoisie gehalten und dafür nichts gefordert 
werden, es wäre denn, daß der Patient jelbjt feiner verlangte, dann bleibt 
es, wie zuvorn gemeldet. 4. Dafern aber Er Herr Doctor Roberti per 
Missivam, oder auch mit Überſendung des Urins in feinem Hauſe allhier zu 
Arnsberg consnliret, und Mediein begehret würde, dafür jolle er vom Cavallier 
!/, Neichsthaler, von Bürgern und gemeinen Leuthen ein Biertheil Gulden 
oder Neun Petermäntger fordern, jedoch bleibet bierdurd eines jeden Dis 
eretion ohngefränft. 5. Dann jolle der Herr Yandt-Medieus Doctor Roberti 
gebalten jein in gifftigen Krankheiten binner Landes, und zwar häuplich 
altbier zu Arnsberg zu verbleiben, auch Einländifche vor Ausländische zu be- 
dienen, mithin die Landts-Apothek öfters fleißig und unpartheiiſch zu 
visitiren, für dero Wohljtand, auch in speeie dahin zu jorgen, daß die ber- 
oxdneten Medicamenta nicht höher, als zu Soeſt, angeichlagen und verkanffet 
werden. 

Und weilen mehrerwehnter Yandt:Medieus Herr Doctor Roberti diejem 
aljo treulich nachzukommen angelobet, als ijt darüber gegenwärtige Verordnung 
in Trud zu verfallen, und jelbige zu männigliden Wiſſenſchafft ins Landt 
publieiren zu laſſen conelndirt worden. 

So gejchehen Arnsberg in Conventione den 13. Julii 1715. 

L. 8. Ad Mandatum 

Eberh. Henr. Wehrt, 
Yandt- Schreiber Subserips. 

Zu diefer Verordnung iſt handſchriftlich bemerkt: Daß Borjtehende 
punceta von bochlöblichen Herren Landjtänden mit mir aljo gejichloffen, ich 
jelbine auch meinerjeitbs tremwlich zu halten verjpreche successive tamen meliora 
sperando (freilich in der Hoffnung auf allmählihe Aufbeſſerung) ſolches thue 
mit meiner eigenhändigen Unterjchrift und dabey gedrüdter Pittfchaft hiermit 
bejcheinigen. Signatum Arnsberg, 9. Novembris 1715. 

(8.) Christoph Roberti MD. mpp. 


Die älteſte Apothefe in Arnsberg war eine Filiale der 
Walther’ichen Apothefe in Soeſt. Nachdem Dr. Roberti') 1715 zum 
Landmedikus beftellt war, erwirfte er 1720 aud) die Erlaubnis, eine 
Apothefe in Arnsberg zu errichten, neben der die Walther'ſche noch eine 
Zeit lang beftehen blieb. Unter dem 25. April 1724 wurde vom Kur: 
fürften Klemens Auguft dem Dr. Roberti folgendes Privilegium erteilt: 





») Web. 1676 zu PBigge, promoviert in Nom (?), 1711 Arnsberger 
Bürger, F 1733, 


430 Kurkölniſche Deit. Deit des franzöſiſchen Einflufies. 


Demnach ihre Churfürftliche Durchlaucht zu Coeln Clemens Auguſt, 
Herzog in Ob.- und Nieder Baiern unfer gnädigiter Herr die von dero Herzog: 
thums Wejtphalen Zand-Medico Chrijtophen NRoberti in Ihrer Stadt Arns— 
berg aufgerichtete Apothef für dero Hof- und Yand-Apothef gedachten Herzog— 
thums Wejtphalen erklärt haben, erklären auch hiermit, dergeitalt, daß es 
gleichwohl ohne Nachtbeil anderer darin befindlichen Apotheken zu verſtehen jei 
und ohne Zeiner Churfürjtliden Durchlaucht Spezial-Grlaubnig feine andere 
Apotheke in dero Stadt Arnsberg aufs neue erbauet werden folle; als wird 
ihm Yand-Medico Roberti darüber gegenwärtiges unter Höchjtbelagter Zeiner 
Ghurfürjtlihen Durchlaucht gnädigſten Dandzeihen und Geheimen Kanzley— 
Inſiegel gefertigtes Dekret zugejtellt, damit die von demjelben anfgerichtete 
Apothef obiger Maßen für die Churfürjtliche Hof- und Land-Apotbef erkennet 
werden, und er jich diejes Privilegii zu erfreuen haben möge. 

Keubans, den 25. April 1724. 

Clemens Augnst, Churfürit. 
(L. 8.) Frid. Fabion. 

Die Apothefe ging von Roberti 1733 auf jeinen Schwiegerjohn 
Brisfen über, dejjen Nachkommen bi8 1851 Apotheker in Arnsberg ges 
wejen jind. Die jpäteren Befiger find E. dP’Hauterive und Th. Schwarz 
(jeit 1884). Die Apothefe war vordem auf der Apotheferjtraße (jekt 
Reiter'ſches Haus), fie wurde 1832 in das damalige Boeſe'ſche Haus 
am „alten Markt" verlegt. Das Privilegium wurde 1819 durd Kon» 
zejfionirung einer zweiten Apothefe durchbrochen. Dieſe hat den Inhaber 
oft gewechjelt (Müller, Keil, Fiſcher, Mersmann, Hinnenberg, Moorf). 

Neihenfolge der Bürgermeifter von 1651— 1757. 

1651 Dr. med. Theodor Friderici. 1652 und 1653 Rafpar von 
Eſſen. 1654 Henning Gräß, der während des Anıtsjahres ftarb. 1655 
und 1656 Dr. Georg Morgh, furf. Nat. 1657 und 1658 Nifolans 
Gambach, kurf. Richter zu Hellefeld. 1659 und 1660 8. v. Ejjen. 
1661 Nudolf Friſche. 1662 R.v. Eſſen. 1663 Johann von Bilefeldt. 
1664 Wilhelm Appell. 1665 Ernjt Biker. 1666 Johann von Bile- 
jeldt. 1667 und 1668 €. Bier. 1669 W. Appell. 1670 und 1671 
Gottfried Richters. 1672 und 1673 Hermann Bigeleben. 1674, 1675 
und 1676 Eberhard Henje. 1677 ©. Richters. 1678 Henning Strodt- 
mann. 1679 Wilhelm Garthauf. 1680 Hermann Hövel. 1681 
W. Carthauß. 1682 und 1683 H. Hövel. 1684 und 1685 Sebaftian 
ehrt. 1686 und 1687 H. Hövel. 1688 und 1689 W. Carthauß, 
1690 ımd 1691 Sebajtian Wehrt. 1662 H. Hövel. 1693 bis 1695 
Philipp Biermann. 1697, 1698 und 1699 H. Hövel. 1700 Johann 
Zewes. 1701 und 1702 Phil. Biermann. 1703 und 1704 Andreas 


ı Die Bürgermeijter von 1600-1612 j. ©. 357. mn der folgenden 
geit ſind ihre Namen neben den Nabreszablen vermerkt. 


Biürgermeiiter von 1651— 1757. 431 


Stellingwerff. 1705 und 1706 Philipp Biermann. 1707 und 1708 
H. Carthauß. 1709 Koh. Tewes. 1710 und 1711 Ph. Biermann. 
1712 ımd 1713 H. Carthauß. 1714 und 1715 Ph. Biermann. 1716 
oh. Tewes. 1717 Ph. Biermann. 1718 Joh. Tewes. 1719 und 
1720 %oh. Germeten. 1721 und 1722 H. Carthauß. 1723 umd 1724 
Anton Scdultes. 1725 und 1726 oh. Tewes. 1727, 1728 umd 
1729 H. Carthauß. 1730 Joh. Tewes. 1731 ımd 1732 oh. Her: 
mann Harbert.) 1733 oh. Konrad Hollenhorſt. 1734 oh. Tewes. 
1735 bis 1740 Hollenhorſt. 1741 und 1742 Koh. Tewes. 1744 
und 1745 Hollenhorft. 1746 bis 1751?) oh. Hermann Harbert. 
1752 Hollenhorft. 1753 Friedrid) Arnold Romberg. 1754 Hollenhorft. 
1755 bis 1761 Friedrid Arnold Nomberg. 

Die Wirkfamfeit diejer regierenden Bürgermeifter an der Hand 
der jtädtiichen Rechnungen und anderer im Archive lagernden Aften mit 
derjelben Ausführlichkeit zu behandeln, wie die Zeit des dreißigjährigen 
Krieges gejchildert worden it, darauf muß mit Nücficht auf den ohne- 
hin über den urjprünglien Plan weit hinansgehenden Umfang des 
Werfes verzichtet werden. Es fehren ja auch jchlieglich immer diejelben 
Gejchäfte wieder, und jeder kann ſich nad) den früheren Ausführungen 
ein anjchauliches Bild von der gewöhnlichen Thätigfeit eines Arnsberger 
Birgermeifters in furfölnifcher Zeit machen. Daß in der hier auf- 
geführten Yifte eine Anzahl von tüchtigen Männern genannt werden, 
geht Schon aus der Thatjache der häufigen Wiederwahl dejfelben Bürger- 
meiſters hervor. 


1) Dieje noch heute in Arnsberg anſäſſige Familie ijt mit der im 
dreißigjährigen Striege mehrfach erwähnten Familie von Eſſen nahe verwandt. 

2) Der regievende Kämmerer 1751 bieß Zchelle, welche Familie eben- 
falls noch heute in Arnsberg anjäjlig iſt; ebenjo die Familien Höynd, Hollen= 
borjt, Brisfen, Hövel, Romberg u. a. 


Sedjster Abſchnitt. 


Der jiebenjährige Krieg (1756-1763). 
Überſicht. 


Es iſt erſtaunlich, wie ſchnell die Menſchen das Ungemach ver— 
gangener Zeiten vergeſſen. Die großen Leiden, die der ſiebenjährige 
Krieg über das Sauerland nicht weniger wie über die ganze weſtfäliſche 
Ebene gebracht Hat, find heutzutage aus der Erinnerung des Volfes 
fajt geihwunden. Nur wenige Einzelnheiten, wie die Zerjtörung des 
Arnsberger Schloſſes, find noch belannt. Schon Hüjer, der doc jozu- 
jagen mit einem Fuße nod in jener Zeit ftand, weiß von dem fieben- 
jährigen Kriege, abgejehen von der genannten Zerjtörung, nur, daß die 
„Einguartierungen jo did und jo häufig, jelbft in der 
tiefſten Nacht, eintraten, daß man die oft ſich für ein Hans 
zu 20—30 Mann ertragende Anzahl der Säfte, bloß mit 
Kreide auf die Hausthür des Bürgers zeihnete."!) Aus 
den Aften des Stadtardives ergeben ſich viele einzelne Thatſachen, die 
jedod) fein Sejamtbild gewähren. Einen trefflichen überblick über den 
Verlauf des Krieges im Herzogtum Wejtfalen bietet das von Rektor 
Denefe in Werl veröffentlichte Manuffript eines Augenzeugen, Namens 
Hüppe. Sehr wichtige und zuverläffige?) Mitteilungen macht aud das 
„Tagebuch eines alten Arnsbergers“, weldes im Arnsberger 
Wochenblatt von 1833 veröffentlicht worden iſt. Außerdem fommt nod 
ein Aufjag des Staatsanwalts E. Plaßmann: Erlebnifje zur Zeit 
de8 fiebenjährigen Krieges im Amte Balve?) in Betracht. Diejer bes 
ſchreibt die allgemeine Lage folgendermaßen: 


) D Diele Angabe ijt kaum übertrieben. 

») Die meilten Namen umd Daten liegen ſich durch Notizen in den 
Archivakten auf ihre Nichtigkeit prüfen, 

») Blätter z. n. K. W. 1867, ©. 51 ff. 


Der fiebenjährige Krieg. Allgemeine Lage. 433 


„Die friegeriichen Vorfälle ereigneten ſich allerdings mehr an den 
Grenzen rings um das Herzogtum herum; allein deffen Mitleidenſchaft 
war doc) eine jehr erhebliche. Das Gebirgsland des Herzogtums jchiebt 
fich trennend zwijchen die größeren Ebenen, auf denen der Krieg zwijchen 
den franzöfiihen Heeren und der jogenannten alliierten Armee unter 
Herzog Ferdinand von Braunſchweig geführt wurde. Die Franzojen 
drangen deshalb gewöhnlich; mit zwei Armeen vor; die eine fuchte vom 
Rheine her durch Kurheffen zur Wejer und nad) Hannover vorzudringen, 
während die andere von Düffeldorf oder Wejel durch das Lippegebiet 
hinauf nad) Paderborn, jowie durch das Münſterland nad) Hannover 
drängte. Das Miünfter- und Paderbörnerland auf der einen Seite und 
das Heſſenland auf der anderen Seite mußten deshalb aud die Winter: 
quartiere entweder für die franzöfiihen Truppen oder für die alfiterte 
Armee abgeben. Allein wenn der Kampf von Heſſen zur Lippeebene 
oder umgefehrt ſich herüberwarf, jo ging der Zug der Armeen längs 
der Grenzen des Herzogtums. Die Thäler der Diemel und der Möhne 
waren die natürlichen Heerjtraßen. Von der Diemel ging es entweder 
bei Stadtberge über die Wafferjcheide nad Eijjentho, um durch das 
Sintfeld nad Paderborn hinabzufteigen, oder über die Briloner Wajfer- 
jcheide ing Möhnethal, von wo man über die Haar bei Rüthen nad) 
Lippſtadt und Soeft gelangte. Daher die vielfachen Gefechte bei den 
Stadtberger Päſſen, und daher das befeftigte Lager, welches Herzog 
Ferdinand fajt beftändig auf der Höhe von Rüthen bejegt hielt. Die 
Diemel und Möhne wurden aber auch Bafis für die Armeeverpflegung. 
In dem erjteren Thale finden wir Warburg als beftändigen Magazin— 
ort, in dem Möhnethale Körbede, Mülheim, Belede, und an der anderen 
Seite des Möhnegebirges Werl, Anröchte, Lippſtadt. Die Zwangs— 
(teferungen aus dem Herzogtum gejchahen zu diefen Magazinen. Wäh— 
rend jo unjere nördliche Grenze im Diemel- und Möhne-Gebiete un- 
mittelbar vom Kriege berührt wurde, ftand zwar der füdlichjte Teil, 
namentlich dag links der Ruhr gelegene Amt Balve, an fi) mit dem 
Kriegsichauplage in Feiner Verbindung. Allein für die franzöfijchen 
Armeen ging von Köln aus über Wipperfürth die nächte, alte Land— 
ftraße durch Balve nad) Arnsberg, wo jie entweder im Winter foura- 
gierten, oder im Sommer Magazinvorräte hinjchafften,; Arnsberg war 
aber wegen jeines Schlojfes und der unmittelbaren Verbindung mit dem 
Möhnethale ein erhebliher Punkt. Auch von Heſſen gelangte man 
durchs Siegerland über Balve nad) Arnsberg. Für die Alliierten war 
Arnsberg ein notwendiges Zwijchendepot in betreff ber 
Möhnemagazine. Deshalb legte Herzog Ferdinand, wenn feine Truppen 


Feaur, Geſchichte Arnsbergs. 28 


434 Kurkölnifche Zeit. Der fiebenjährige Krieg. 


in Heffen und im Münfterlande Winterquartiere hatten, ſtets leichte 
Truppen ind Amt Balve, teil zur Erhaltung der eigenen Kommuni— 
fation, teil® um die Franzoſen von der Verbindung nad) Arnsberg 
abzuhalten. — Die alliierte Armee, 1757 unter dem Kommando bes 
Herzogs von Kumberland und vom Herbit 1757 an unter dem Kom- 
mando des Herzogs Ferdinand von Braunſchweig, war eine engliſch— 
hannöverjhe Armee mit Hülfstruppen aus Braunjhweig und Heilen 
und einigen preußijchen Hülfstruppen. Zu den legteren gehörten 
namentlih fünf Schwadronen Dragoner Prinz von Holftein und fünf 
Schwadronen Dragoner von Finkenjtein unter dem gemeinjchaftlichen 
Kommando de8 Prinzen Georg von Holftein, ferner ein Frei 
batailfon unter dem Major von Trimbad; jpäter auch noch ein Re 
giment Hufaren unter Oberft von Bauer. Gerade dieje preußiſchen 
Truppen finden wir wiederfehrend in den Winterquartieren im Amte 
Balve. Die franzöfiihen Armeen ftanden in den erjten Jahren unter 
wecjelnden Kommandos, feit 1759 meiftens unter dem Prinzen von 
Soubije und dem Herzog von Broglio; in dem Amte Balve 
tritt häufig das Fiſcher'ſche Freilorps auf. Fiſcher, ein geborener 
Württemberger, war als Parteigänger in die franzöfiihe Armee ein- 
getreten, und als Oberſt, jpäter als General, einer der thätigften 
Dffiziere der Franzoſen.“ 


1756, 1757 und 1758 (Nompberg, reg. Bürgermeifter). 

In den beiden erften Kriegsjahren fühlte Arnsberg nad) dem 
Zeugnis des Tagebuches wenig von den Drangjalen des Krieges, ab- 
gejehen von Lieferungen von Yebensmitteln und Fourage, Fuhrdienften 2c.') 
Das franzöfische Heer drängte die Alliierten aus Weftfalen und gewann 
den Sieg bei Haftenbed. Wie an einigen anderen Hauptpunften, jo 
war auch bei Arnsberg in Dbereimer ein Magazin für die franzöfijche 
Armee eingerichtet, das auch in den folgenden Jahren beftehen blieb. 

Das Jahr 1758 war für die Alliierten günſtig. Nach Verluſt 
mehrerer Gefechte zogen fi die Franzofen im November an ben 
Rhein zurüd. Die Alliierten nahmen Winterquartiere in Weftfalen, 
und zwar famen die Hejfen nad Brilon, Rüthen und Arnsberg. Die 


1) In der Stadtrechnung wird bejonders oft das Stellen von Boten 
an franzöfifche Offiziere erwähnt. Am 15. Mai rüdten zwei Stompagnien 
franzöfifcher Grenadiere ein, die bi8 zum 22. blieben. Zum 19. Mai bemerkt 
NRomberg: „Ich felbjt mit einem frz. General-Quartiermeifter über Balve ins 
Märkiiche reifen müflen?. Am 27. Juni trafen Kurpfälzer in franzöfifchen 
Dienjten und franzöfifche Artillerie ein. 


1756-1759. 435 


Hufaren. Schon während de8 Sommers hatte Arnsberg durch Ein- 
quartierung einer franzöfiihen SHeeresabteilung, die ſich in und bei der 
Stadt lagerte, zu leiden gehabt.) Die Heſſen, zunächſt anderthalb 
Kompagnien Grenadiere, zogen am 9. Dezember unter dem Kommando 
des Oberjtwachtmeifter8 von Rniphanjen ein. Die Anfammlung 
leichter franzöfifher Truppen um Attendorn hatte für Arnsberg die 
Folge, daß am h. Chriftfefte noch weitere fünf Kompagnien hejfiicher 
Örenadiere eintrafen, um bei den Bürgern Quartiere zu nehmen. 
„Jeder nur etwas bemittelte Bürger hatte acht bis zwölf, jeder Dürftige, 
jelbft Bettler, ein bis zwei Mann zu beherbergen und zu verpflegen. 
Es trat Teuerung und VBerarmung der nicht eben jehr begüterten Ein- 
wohner ein.“ ?) 
1759 (Homberg). 


Gegen Anfang des Monats März wurden von dem Prinzen von 
Holftein aus dem Herzogtum Wejtfalen die beften Pferde ausgehoben. 
Was nur irgend brauchbar jchien, mußte nad) Arnsberg gebradjt werden. 
Am 20. März verließen die an der Ruhr ftehenden Truppen ihr Winter: 
lager umd zogen nad) Heſſen, wo jie von den Franzoſen geſchlagen 
wurden. Darauf marjdierten fie in die wejtfälifche Ebene und be- 
haupteten hier das Feld. In Arnsberg wechſelten während de8 Sommers 
fleine Abteilungen von Freiforps und Parteigängern, die ſich unaufhörlich 
nedten, jchnell vorüber. Mit dem Beginn des Winters bezogen wieder 
zwei hejfifche Kompagnien und der Stab ihre hiefigen Winterguartiere?). 

Im Jahre 1759 Hatte die Stadt 4000 Rthlr. preußiſche 
Kriegsfontribution zu zahlen; eine ähnliche Summe in den nächſten 
Jahren. Die wohlhabenderen Bürger jchoffen die Gelder vor. Unter 
ihnen erjcheinen Hofrat Arndts, Oberfellner Biſchopink, Yandjchreiber 
Dröge, Dr. Hendel, Fran Bürgermeifter Harbert, Witwe Freifrau von 
Yandsberg, Nat Honcamp, Bürgermeifter Hollenhorjt, Kämmerer Arens, 
Ratsverwandter Finde, Nötger Schelle, Hofrat Bigeleben, Dr. Schultes, 
Richtmann Menge, Gräfin von Berlo, Frau Rätin Lange u. a. 

Ein im jtädtifchen Archive aufbewahrtes „Diarium über jenes, was jicd) 
bei Anmwejenheit des Hauptmanns v. Schwichow zugetragen”, führt uns 
einen Zwifchenfall vor, der die Not der Zeit lebhaft vergegenmwärtigt. Am 
Morgen des 24. Sept. 1759 ritten vier preußiſche Hufaren mit einem 
Wachtmeijter in die Stadt und meldeten fich in Abwejenheit des Landdrojten 
b. Spiegel beim Hofrat Arndt. Da diefer nicht zu Haufe war, geriet der 


) Blätter 3. n. 8. W. 1879, ©. 78 f. (Tüding: Stadt Neheim.) 
Neheim lieferte an die Franzojen 520 zwei- und 800 vierpfündige Brode. 
?) „Zagebuch eines alten Arnsbergers.“ *) Tagebud). 
28* 


436 Kurkölniſche Zeit. Der fiebenjährige Krieg. 


Wactmeijter in Wut und äußerte u. a., „er wolle ihn haben und wenn er 
ihn auch aus der Erde kratzen follte”. Einige Stunden nachher langte Haupt- 
mann d. Schwichow mit einem Kommando von etwa dreißig Dragonern an. 
Als er die Wiederkunft der Räte bis zum Abende vergeblich abgewartet hatte, 
jchiekte er um 6 Uhr zwei Mann mit dem Wachtmeijter nad) ihren Wohnungen, 
die ihre Gewehre in die Zimmer fetten und mit dem Bemerken fortgingen, 
daß von der Zeit an die dem Magiitrat bemeldeten Erekutionsgebühren bis 
zur Wiederkunft der Räte verdoppelt würden. Am nädjten Morgen ließ der 
Hauptmann in den Wohnungen der Räte melden, daß, mofern jie fich nicht 
um Mittag einjtellen würden, um bon ihm Briefe mit Ordres des Herzogs 
von Holjtein zu empfangen, er jich mit 1000 Mann in die Stadt legen und 
eine Seneralplünderung vornehmen würde. Den Anfang werde er bei den 
Räten machen. Ferner bedeutete er, daß er feine Ordre habe, Geijeln zu 
nehmen, jondern mur die verſchloſſenen Briefe überreihen jolle. Sodann er- 
lieg er Schreiben an die Geheimräte dv. Wrede und dv. Landsberg mit dem 
Erfuchen, jich hierher zu verfügen; und als dieſe jich entfchuldigten, ließ er 
ihnen Erefution androhen, falls fie nicht erfchienen. An diefem Tage erhielt 
v. Schwichow 157 Rthr. Erefutionsgebühren für den 22., 23., 24. u. 25. Sept. 
Am 26. Sept. beſchied er den ganzen Magijtrat und alle in kurfürſtlichen 
Dienften jtehenden Beamten um 11 Uhr aufs Rathaus, damit fie die Briefe 
erbrehen und die obhabenden Ordres vernehmen möchten. Inzwiſchen aber 
langten die oben genannten Geheinräthe und Hofrat Honcamp bdabier an, 
denen er dann das rüdjtändige „Rations- und PBortionsgelder” betreffende 
Schreiben des Herzogs behändigte. Alsdann behauptete er, Auftrag zu haben, 
für die zur Bijitation abgeſchickten Offiziere, zwanzig an der Zahl, das von 
den Ständen angeblid) verjprochene Douceur zu je 50 Rthlrn. zu erheben ; 
ebenfo ein Präfent für den Adjutanten von Pful im Betrage von 100 Gulden 
u. a. m., wobon ſich im Protofoll nichts fand. Gleichwohl bewilligten Die 
Stände die verlangten Geldgejchenfe und boten dem Hauptmann ein Gejchent 
bon 200 Gulden oder 40 Dufuten an. Uber diefes Anerbieten „befand jich 
diefer jehr affrontiert”; er wolle lieber 80 Dufaten zulegen und diefe dem 
Lande als Almofen geben. Der Herzog habe ihn beauftragt, mit 200 Pferden 
zur mehreren Sicherheit nach Arnsberg zu gehen; er hätte dies dem Lande 
zuliebe verboten und fi mit 30 Mann hierher gewagt; er könne deshalb 
fein anderes Präſent als von 100 Louisdor annehmen. Man gab feiner un: 
berichämten Forderung nad, ohne davon Borteil zu ziehen. Der Hauptmann 
bedrüdte noch vierzehn Tage Stadt und Land auf umerhörte Weife; jeden 
Tag kam er mit neuen Forderungen, die jtetS von den ärgiten Bedrohungen 
begleitet waren. Grit am 23. Oftober, als die rüdjtändigen Kontributions: 
gelder von etwa 12000 Rthlrn. bis auf den legten Heller beigetrieben waren, 
zog er nach Lippjtadt ab, Un GErekutionsgebühren hatte er 1157 Rthlr. 
empfangen. 


1760 und 1761 (Romberg). 


Erfter, vergeblicher Angriff auf das Schloh am 15. Juli 1760, 


Das Alliiertenforp8 Wangenheim nahm im Januar am Haarftrang 
und an der Ruhr Winterquartiere. In Arnsberg lag General von 


Bergeblicher Angriff auf das Schloß 1760. 437 


Drewes. Die Truppen braden im Mai nad) Walde und Heffen auf. 
Die Franzoſen rücdten allmählid nad. Das Tagebud) des alten Arns- 
bergers berichtet über den erften Angriff auf das Schloß folgendes: 
Am 4. Juli 1760 langte die franzöfiiche „Kleine Armee“ unter 
dem Befehle des Generallieutenants Grafen von Saint Germain 
zu Arnsberg an und bezog am Yüfenberge und an der Haar ein Yager. 
Alle dajelbft und Hinter dem Scloffe auf dem Halme ftchenden Früchte 
wurden abfouragiert; hierauf zog das Armeckorps nad) Meichede und 
haufte dort in derjelben Weife. Zur Dedung des Mehlmagazines in 
Arnsberg Liegen die Franzofen BO Mann, theils Schweizer, theil8 vom 
Regiment Elſaß, als Beſatzung des Schloffes zurüd. Eine jo ſchwache 
Beſatzung einerjeits, ſodann die vielen Streifzüge des Fiſcher'ſchen Streif- 
forps und der Trimbacher Jäger, welche ſeit Jahr und Tag die Zu- 
fuhr an Yebensmitteln und Munition der Garnifon in Yippftadt ab- 
jchnitten oder verfümmerten, Gefangene machten und dieſe nebft Beute 
gewöhnlich vorerft zum Schloſſe Arnsberg in Sicherheit brachten, 
hatten jchon früher diefes in militairifcher Hinſicht unwichtige Schloß 
zum ©egenftand des Haffes der Alliierten gemacht. Jetzt bot ſich nad) 
jo vielfahen Kränfungen eine erwünfchte Gelegenheit, einen Koup gegen 
daffelbe auszuführen. Zur VBollziehung diefer Ueberrumpelung wurde 
von der Garnifon in Lippftadt ein Detahement von 500 Mann nebſt 
zwei Kanonen, bald nad) dem Abzuge ber Kleinen franzöfifhen Armee 
aus dem Herzogtum Weftfalen, gegen Arnsberg beordert, wovon der 
größte Zeil mit dem Gejhüg über Völlinghaufen an der Möhne durch 
den Wald marjchierte und feine Stellung am Galgenberge nahm, während 
gleichzeitig ein Heinerer Haufen, über Rumbeck Tommend, ſich der Stadt 
bemädtigte. Am 15. Juli, nadhmittags 1 Uhr, erfolgte jowohl von 
der Stadt als vom Gerichte oder Galgenberg der Angriff auf das Schloß, 
dejfen Garnifon, die im Beſitze nur weniger eiferner Kanonen war, ſich 
ftandhaft vertheidigte und den vom Galgenberge anftürmenden Feind 
mittelft jener Kanonen, dagegen den ſchwächeren Angriff von der Stadt- 
jeite her mittelft Kleingewehrfener fortwährend abwies. Während diejer 
Attade, welche bis 6 Uhr abends dauerte, beſchoß die feindliche Artilferie 
unabläjfig das Schloß, ſodaß der Schlofflügel nad dem Jägerhauſe hin 
jehr bejhädigt wurde. Doch mit dem Glockenſchlage ſechs zogen bie 
Hannoveraner aus der Stadt zurüd und gingen hinter dem Yüjenberge 
über die Ruhr, nachdem zuvor ihre Kavallerie das in dem Nathauje 
befindliche franzöfiiche Mehlmagazin den Bürgern preisgegeben hatte. 
Hinter dem Gerichte am Höhenwege vereinigten ſich beide Abteilungen 
und nahmen darauf den Weg nad Lippftadt. Solcergeftalt lief der 


438 Kurkölniſche Zeit. Der fiebenjährige Krieg. 


erste Sturm auf das Arnsberger Schloß erfolglos ab, deſſen Bejagung 
feinen Mann dabei verlor, da nur ein Offizier und zwei Gemeine von 
ihr verwundet wurden. Die Hannoveraner, weldye zwar nur einen Mann 
in der Stadt verloren, erlitten dagegen durd den Augriff vom Galgen- 
berge oder Gerichte eine empfindliche Einbuße, die, weil jie ihre Toten 
und VBerwundeten glei) auf mitgeführte Wagen legten und fortſchafften, 
erft jpäterhin von ihmen jelbft auf 100 Mann an Toten und Ver- 
wundeten angegeben wurde. 

Eine Beftätigung diejes Berichtes giebt folgende Notiz im jog. 
Statutenbuche des Ardhives: „Den 16ten July 1760 ift das Churfürſtl. 
Schloß durd die Hannoverische guarnison aus Yippftadt belagert, 
der darauf gewejene Commandant mit 100 mann hatt ſich aber ſolcher 
geftalten defendiret, daß die Belagerer mit Verluft von mehr als 
hundert mann ahn todten und Blefirten abzihen müſſen, wobey da- 
mahliger Herr Bürgermeifter Romberg und ftadt secretarius Oberess 
alß geißelen biß nad) Vollinghausen imitgefdhleppt worden. Franz 
Oberess jtättijher Secretarius.” (Das Datum ift ungenau an- 
gegeben; denn es findet fi fowohl im „Tagebuche“ wie aud in der 
Stadtrehnung der 15. Juli als Datum des Angriffes.) 

Romberg jelbft, der für fi vier, für feinen Sekretär zwei Rthlr, 
Entihädigung von der Stadt beaufprucdht, bemerkt, daß fie viel „altera- 
tion und fatiguen ausgeftanden, da unterweges jogar mit Canonen 
auf uns gejchojfen worden, wir auch den weg in der Nacht zu fuek 
thuen müſſen“. 

Des weiteren wird die Schilderung des Tagebuches beftätigt durch 
den Beridht, den der Oberkellner Biſchoping wegen der dem Schloß 
beigebradhten Beichädigungen machte. Darin heißt es: Der Komman- 
dant von Yippftadt habe am 15. Juli das Schloß mit 600 Dann be- 
rennet und beſchoſſen, aud; das Dachwerk nebſt Schornftein auf dem 
Flügel durch vierpfündige Kanonen an verſchiedenen Orten bejchädigt, 
der Schaden ſei aber durch den Peiendeder Henke jofort repariert. Die 
Feinde hätten fih am nämlihen Tage mit Hinterlaffung von einigen 
Toten und 60 Blefjierten zurüdgezogen, die Beſatzung aber habe, weil 
fein Suffurs zu hoffen, am folgenden Tage die hiejige Gegend verlaffen.*) 

Veteres erzählt auch das Tagebuch. ES Heißt darin weiter: 
Ob diefer eben nicht angenehme Beſuch, wiewohl mit einer Lektion ab- 
gewicjen, der ſchwachen Bejagung des Schloſſes den ferneren Aufenthalt 
dajelbjt verleidete und unheimlich machte, oder ob nad Verluſt des 


1) Zeiberg in „Bl. 3. n. W.“ 1862, S. 62, 


Angriff aufs Schloß 1760. Das Scheiterkorps in Arnsberg. 439 


Mehlmagazins ein längeres Verweilen ſich ihr als zwecklos darftellte, 
mag dahin geftellt bleiben. Folge des einen oder des anderen Motives 
war indes, dak die Franzojen am folgenden Tage, dem 16. Juli, das 
Schloß verließen und ihren Rückmarſch über Hellefeld nad) der Wetterau 
antraten. Nach ihrem Abzuge herrichte, einige feindliche Reiterpatrouillen 
abgerechnet, bis zum 24 Dezember hindurch Ruhe und Frieden in 
dem Umkreis von Arnsberg. Am bejagten Tage überfielen dagegen ſechszig 
franzöfiihe Hufaren vom Regiment Turpin ein Tags zuvor eingerüctes 
Pidet preußiſcher ſchwarzer Hujaren, ſchlugen fid) mit diejen 
in den Straßen herum, machten davon zwei zu Kriegsgefangenen und 
zogen ſich anderen Tages zurüd. 

Zwölf Tage jpäter, den 5. Januar 1761, rückte das zur alliierten 
Armee gehörige Scheiterforps, gewöhnlid in Weftfalen „die Blech— 
lappen“ genannt, Fußvolf und Kavallerie, in die Stadt und forderte 
ichleunige Herbeiichaffung einer großen Quantität Fourage vom Yande. 
ALS diefe größtenteil8 nad) Arnsberg abgeliefert worden war, zog das 
Korps am 13. desſ. Monats mit der Fourage über Hirfchberg nad) War» 
ftein und Suttrop. Allein ſchon am 19. kehrten 70 Grenadiere und 
14 SKarabiniere zurüd, um die übrige Fourage abzuholen. Abends 
10 Uhr legten fie fi bei den Bürgern ins Quartier; ein Teil bezog 
jedodh das Schloß. Den Franzofen mußte von diefer Einquartierung 
nod in bderjelben Nacht Kunde geworden fein, denn fie ſchickten von 
Grevenftein, wo ihre Vorhut ftand, unverzüglich ein Kommando 
Schweizer Grenadiere, Trimbacher Jäger und Turpinſcher Huſaren 
nad) Arnsberg. Dieſe durchzogen im Dunkel der Nacht das Alte Feld, 
gingen bei Obereimer über die Ruhr, zogen den neuen Weg zum Schloſſe 
(S. 387) hinauf und fprengten mit dem Grauen des Tages das 
Schloßthor. Nady mehreren Scüjjen in den inneren Räumen des 
Schloſſes folgte Gefangennehmung der dort faum warmgewordenen 
30 Dann mebft einem Offizier vom Korps Sceiterr. Wit dem in 
der Stadt übernachtenden Reſt z0g fi) der Hauptmann fchleunigft über 
bie Klofterbrüde nad) Hirſchberg zurüd. Die Franzoſen becilten ſich 
denjelben Morgen, die von ihren Feinden requirierte Fourage den Bür- 
gern zur beliebigen Berteilung anheimzugeben und zogen am Mittag 
mit ihren Gefangenen über Wenniglohe, Haden und Sundern weiter. 
Am folgenden Tage, dem 21. Januar, wecjjelten eine Stunde um die 
andere heſſiſche, franzöſiſche und Scheiterſche Hufaren-Patrouillen, welche 
zuweilen ihre Biftolen auf einander abfeuerten. Soweit unſer Tagebud). 

Den Arhivakten entnehmen wir noch folgende Angaben. Am 
11. Januar nahmen die Sceiter/jhen einen Nefrutenfang in 


440 Kurkölniſche Zeit. Der jiebenjährige Krieg. 


Arnsberg vor.) Am 6. Februar?) brachten die Franzoſen 84 gefangene 
Alliierte aufs Schloß; am 5. März lamen Turpin'ſche Hujaren mit 
Hannöverſchen Kriegsgefangenen an. Am 6. April langte die „legio 
Britannique”, Kavallerie und Infanterie an, dann Dragoner. Am 
13. April holte ein Kommando vier Echneider aus der Stadt. Jeden 
Tag berührten größere oder kleinere Truppenabteilungen Arnsberg; bald 
waren es jchwarze preußtiche Huſaren, bald Bauer’iche, bald Janeret'iche, 
bald Fiſcher'ſche ꝛꝛ. Vom 16. Mai bis zum 3. Juli hielt der Kämmerer 
Matthias Arens zur Abfertigung der vielen PBatrouillen, die des Nachts 
anfamen, zwei Yampen am Breunen(!). Im Juli bezogen Freiwillige 
von Fiſcher und Soubife und Schweizer das Schloß und hielten das- 
jelbe bejegt. Da jest an ſämtlichen Stadtthoren ein regelmäßiger 
Poftendienft eingeführt wurde, jo nahmen die gemischten Durchzüge von 
Freunden und Feinden ein Ende. Auf dem Rathauſe jorgten jran- 
zöfische und ftädtiihe Schufter für die Fußbelleidung der in Garnijon 
liegenden Soldaten. Die vereinigten franzöſiſchen Heere von Broglio 
und Soubije wurden am 15. und 16. Juli von Herzog Ferdinand am 
Birkenbaume zwiſchen Bellinghaufen und Scheidingen geſchlagen. Brog— 
lio 309, von Ferdinand verfolgt, auf Paderborn; Soubije lam über 
Arnsberg nad) Herdringen, wo er bis zum 4. Auguft lagerte. Hierauf 
begab er ji an den Rhein. Arnsberg blieb jedod in den Händen der 
Franzoſen. Am 11. Scptember kam der franzöſiſche General Schabo 
mit Kavallerie an. 

Aus der Rechnung des Bürgermeifters Areus ergeben ſich weiter 
folgende Daten. 15. Oft. Turpin'ſche Hufaren unter dem Kommando 
des Nittmeifters Gieſe ziehen im Arnsberg ein. Gieje befichlt den 
Bürgern, die Stadt zu „verpalijjadieren“. 18. Dft. Der Magiftrat 
verehrt dem Scloßfommandanten Muret,’) daß er unter den Sol— 
daten gute Ordnung halten möge, einen „aydamer Käkt)(!) von 16 Pfd. 
Gewicht, 1 Pd. zu 18 Stüber, facit 5 Rthlr. 18 St." 24. Dit. An- 
funft der Eonflanfifchen oder jog. Fiſcher'ſchen Huſaren. 27. Dit. werden 
25 hannöverſche Gefangene auf Befehl Muret's auf dem Rathauſe verpflegt. 


1) In diefer Nacht wurden im ganzen Herzogtume 1800 Rekruten auf- 
gefangen. (Denefe.) 

», Todestag von Klemens Auguft. 

3) Der bier zum erſten Male erwähnte Kommandant muR kurz vorher 
zur Beſetzung des Schlofies eingetroffen fein. Er blieb darin bis zur Ein: 
ſchießung desjelben. 

4, Der Käfe vertritt im jiebenjährigen Kriege die Stelle des im dreißig— 
jährigen Kriege fo reichlich gefpendeten Weines. Wie die Stadt ihren Rein: 
feller zu jhügen wußte, iſt ſchwer zu verſtehen. 


1761. 1762. 441 


1762 Arens). 
Zerftörung des Urnäberger Schloſſes. 

Schloß und Stadt behalten die franzöfifche Bejatung während des 
Winters 1761/62. Auf dem Schloffe fommandiert Muret, in der 
Stadt lagern „Conflanſiſche Hufaren”. Am 24. Jan. mußten die Bürger 
denjelben Betten für 100 Mann liefern; 21. Febr. zog ein Teil auf Werl. 

Das Arnsberger Schloß mit feiner franzöfiihen Beſatzung hatte 
für die Kriegführung injoweit eine gewilfe Bedeutung, als es die Ber- 
bindung zwiſchen den beiden franzöſiſchen Hauptarmeen 
am Niederrhein und in Heſſen herftellte. Dieje Verbindung 
wollte Herzog Ferdinand von Braunſchweig unter allen Um— 
ftänden nod vor dem Sommerfeldzuge jprengen. Diefer Entſchluß 
führte zur Zerftiörung des Arnsberger Scloffes. Dechrere anſchauliche 
Schilderungen führen uns dieſes tragiſche Ereignis lebhaft vor Augen, 
das um jo beflagenswerter it, weil das Schloß erft kürzlich jo groß- 
artig reftauriert worden war. Die ausführlichſten Darftellungen geben 
das „Zagebuh eines alten Arnsbergers" und Hüppe bei Denefe 
(S. 116 ff.). Diefe beiden Berichte weichen nur im einigen weniger 
wichtigen Punkten von einander ab und ergänzen ſich gegenjeitig, da 
der Arnsberger mehr den Anteil der Stadt ins Auge faßt, während 
Hüppe den Zuſammenhang der Ereiguiffe und die Beſchießung ſelbſt 
genauer darftellt. Daß beide Erzählungen in elwa ausgeſchmückt jind, 
fann wohl nicht bezweifelt werden. 


1. Darftellung Hüppe's. 


In den erften Tagen des Monats April 1762 verbreitete ſich das 
Gerücht, die Altiierten beabfichtigten einen Angriff auf Arnsberg. Dieſes 
Gerücht. veranlaßte die Franzoſen, fid) vorzujchen. Sie betrieben daher 
die Feſtungsarbeiten mit aller Kraftanftrengung, legten Bruftwehren, 
Außenwerke und Baliffaden an, verjahen fid; mit Kanonen, holten jogar 
deren einige aus dem Schloſſe Schnelfenberg herbei, jowie aus Wollum 
und Sümmern, die diefen Häufern gehörten, kurz, fie trafen ſolche Vor— 
fchrungen, daß fie einen feindlihen Angriff mit aller Ruhe abwarten 
zu dürfen glaubten. Am 4. fingen fie an, ihre Kanonen zu verjuchen 
und überzeugten fi) von deren erwarteten Wirkung. Erfreut über den 
rajhen und guten Fortjchritt ihrer Verteidigungsanftalten erholten fie 
fi) abends durch DVergnügungen jeglicher Art. Konzerte, Bälle und 
theatralifche Vorftellungen wechjelten mit den glänzendften Thees und 
Abendejfen. Hatten fie doch aus Frankreich ihre hübſchen Schau: 
fpielerinnen und gewandten Schaufpieler, ihre Konzert: und Tanzmeifter, 


442 Kurkölniſche Zeit. Der fiebenjährige Krieg. 


ihre Köche und Feinbäcker nicht darum mitgebradht, damit dieſe ihre 
Zeit in Deutjchland in aller Unthätigfeit verjchlendern follten. Dem 
vorerwähnten Gerüchte folgte raſch ein anderes, weldyes den Frieden in 
nahe Ausficht ſtellte; doch überzeugte man fi nur zu bald von dem 
Gegenteile, als man am 12. die Bewegung der Alliierten wahrnahın, 
und als bei Hamm ein Yager abgeftedt wurde. Schon am 15. rüdten 
die Truppen in daffelbe ein. Dieſe hatten fi) kaum im Yager um- 
gejehen, als fie jchon im der folgenden Nacht wieder aufbreden mußten. 
Der Erbprinz führte jelbjt das Kommando md erjchien ſchon um drei 
Uhr morgens im Amtsbezirfe Werl. Die Truppen nahmen ihren 
Marſch nad) der Haar, und bejegten die Ruhr. Sodann wurden aus 
Werl und der Umgegend alle Zimmerleute und Schreiner eiligft herbei- 
geholt, um die Ruhrbrücke zu reparieren und an verjchiedenen Stellen 
neue Brüden zu jchlagen. Gegen 7 Uhr rüdten die Freibataillone und 
die Bagage an Werl vorbei. Gegen Mittag war das Hauptquartier ın 
Bremen. Gleichzeitig hatten fid) die Divifionen, welche bisher in der 
Gegend von Yippftadt geftanden hatten, unter dem enerallieutenant 
dv. Oheim in Bewegung gejeßt. Die Divijionen unter den Generalen 
v. Bock und Freitag ſchloſſen ſich diefen an. Alle diefe trafen gegen 
Mittag, der ihnen beftimmten Zeit, mit dem groben Geſchütze vor Yipps 
ftadt ein. Jetzt verteilten die Alliierten am 17. ihre leichten Truppen 
durch unfer Herzogtum und lichen von denjelben Beamte und angejchene 
Einwohner als Geifeln aufgreifen und einbringen. Der größte Teil 
der alliierten Truppen zog gen Arnsberg. Das von Bock'ſche Korps 
bejegte Hövel und Haden; das des Erbprinzen Sundern und SHellefeld. 
Ebenjo wurde auch die Eeite nach Mefchede zu beſetzt, um den Franzoſen 
allen Sulfurs abzujchneiden. Am nämlihen Tage nody refognofzierte der 
Erbprinz die Gegend von Arnsberg. In der Nähe der Abtei Weding- 
haufen, am ſogen. Klofterberge, wurde bei diejer Aefognojzierung 
dem Erbprinzen von den Franzoſen das Pferd, weldes er ritt, 
erjchofjen. Am folgenden Tage (18.) eröffneten die Alliierten uns 
gefähr 300 Klafter vom Sclofje einen Yaufgraben. Ahr linker Flügel 
zog fid) bis an das Gehölze. Dort errichteten fie zwei Batterien, aud) 
führten fie eine Parallele nebjt nod zwei Batterien auf. Stadt und 
Abtei waren im Befite der Franzofen. Der Oberft von Huth forderte 
nun die Stadt auf, fi) zu ergeben. Den franzöfishen Berichten zufolge 
gab auf diefe Aufforderung der Kommandant Graf Muret die Antwort: 
aus Rüdjicht auf Arnsbergs Einwohner, deren Schonung er wünſche, 
jet er zur Uebergabe der Stadt bereit; jedody dürfe nur eine geringe 
Bejagung dort einrüden, und es jolle die Stadt als neutral augeſehen 


Zerjtörung des Arnsberger Schloffes. 443 


und von beiden Seiten, was er als ausdrüdlidhe Bedingung feftftelle, 
nit darauf gejchoffen werden. Die Bedingungen wurden dem Erb» 
prinzen mitgeteilt und von ihm genehmigt. Jetzt zogen ſich die Fran— 
zojen aus der Stadt und Abtei aufs Schloß zurüd. Hier ging dem 
Kommandanten Grafen Muret die Nachricht zu, daß die Alliierten außer 
einer unglaubliden Menge fjonftiger Feuergewehre acht Mörjer, acht 
Haubigen und vierumdzwanzig jchwere Kanonen bei fic führten.) Er 
jah ein, daß das Schloß jo vielen und fchweren Feuerſchlünden nicht 
lange widerfichen könne und lich daher dem Dberften von Huth melden, 
daß er, wenn ihm bis zum 21. fein Euffurs zugegangen fein würde, 
bereit fei, fi) auf folgende Rapitulationspunfte hin zu ergeben: 1. ſolle 
die franzöſiſche Beſatzung aus dem Schloſſe mit allen Kriegschren, allen 
Kanonen, allen königlichen Gerätichaften, allem Kriegsvorrate und einem 
verdedten Wagen abzichen. 2. jollten die Alliierten während des ganzen 
Krieges das Schloß nicht befegen. 3. follten alle Feſtungswerle, jedod) 
ohne Beihädigung des Schloffes, gejchleift werden. 4. follte das Archiv 
nebjt dem Kurfürjten zugehörigen Sachen nicht beſchädigt werden. 

Auf diefe Punkte antwortete der Oberjt v. Huth, daß die Fran— 
zojen nad ihrem Abzuge aus dem Edjloffe und der Stadt das Gewehr 
jtreden und die königlichen Gerätſchaften abliefern follten. Da nun die 
Belagerten auf dieſe ihre Ehre verlegende Bedingung nicht eingehen 
wollten, fondern vorzogen, das Außerfte zu verfuchen, jo nahm am 
Morgen des 19. April das Bombardement feinen ſchauer— 
lihen Anfang Es dauerte nicht lange, jo wütete Schon im Schloſſe 
das Feuer, ein großer Teil der Stadt ftand in lichten Flammen. Jetzt 
eröffnete der Erbprinz dem Kommandanten, daß es nunmehr bloß bei 
ihm ftche, den abends vorher verlangten freien Abzug mit feiner Be— 
jagung und dem ganzen Gepäde, des Königs Sachen jedody ausgenommen, 
zu erhalten. Der Kommandant aber gab darauf die entjchiedene Ant- 
wort: jein legter Antrag jei nur zur Rettung des Furfürftlichen Palajtes 
geichehen. Da diejer num eingeäjchert daliege, jo ſei es jet zu fpät, 
noch Bedingungen zu ftelfen oder darauf einzugehen, vielmehr ftehe fein 
Entſchluß feft, ſich bis auf den legten Maun zu wehren, und fid) dem Ge» 
Ihide zu überlaffen. Im Schloſſe war man jekt bemüht, das Feuer 
zu bewältigen. Eine vergeblihe Anftrengung! Immer weiter griffen 
die Flammen um fich, denn überall fanden fie reichlihe Nahrung. 
Kaum Fonnten ſich die Franzoſen noch im den verborgenen Gängen 
ı, Es waren thatjächlich vier Mörfer, drei Hanbigen, ſechs Zwölfpfünder, 
ſechs Schspfünder und ein Dreipfünder, Münſteriſcher Anzeiger, 22. Juli 1894. 


444 Kurkölnifhe Zeit. Der fiebenjährige Krieg. 


halten, wo außerdem der erftidende Rauch ihnen unerträglich warb. 
Zwei volle Stunden wüteten jett nod die Flammen, die zu löfchen die 
Franzoſen nicht ferner vergeblich verſuchen wollten; ihnen galt e8 nur 
noch, in dem einen oder anderen Raume ſich zu halten, jo lange joldhes 
eben möglich jei. Sie zogen daher bald hierhin, bald dorthin: jede 
Gegenwehr war eingeftellt; denn die Grenzen aller Kraftanfirengung 
waren üderjchritten. Eine folhe Ausdauer, ein folder Mut erjchienen 
dem Erbprinzen beijpiellos, fie nötigten ihm Staunen und die vollfte 
Achtung ab. Er gab den Belagerern Befehl, auf allen Seiten bas 
Feuer einzuftellen, vitt jelbft vor deu Schlagbaum des Scloffes und 
eröffnete den Belagerten, daß es durchaus nicht feine Abficht jet, eine 
jo heldenmütige und tapfere Bejakung in den Flammen ihren Untergang 
finden zu laſſen. Dod man adhtete feiner Rede nicht umd lich ihn 
ohne Antwort wieder abziehen. Nun Tick Muret feine Bejakung, bie 
von der Glut aus den inneren Räumen vertrieben war, fi in den 
Außenwerten jammeln, — hier jollte fie die legte Probe ihrer Tapfer- 
feit durd eine nochmalige Gegenwehr ablegen. Doch auch diefe aus 
bloßen Faſchinen aufgeführten Werke gerieten in Brand, fie mußten 
verlaffen werden. Im Bewußtjein feiner volfften Pflichterfüllung ließ 
der unerjchrodene und tapfere Kommandant endlich das jogen. Galgen- 
thor öffnen, und die erjchöpfte Bejakung z0g aus den Trümmern des 
Schloſſes, auf welches nad) zuverläffigen Berichten die Alliierten über 
2000 Kanonenſchüſſe und mehr als 300 Feuerkugeln abgeſchoſſen hatten, 
und in weldes über 1200 Bomben gejcjleudert waren. Boll Staunen 
und Ehrfurdt richteten die Alliierten ihren Blick auf die heranziehende 
Beſatzung, welcher der Erbprinz mit feinem Generaljtabe eröffnen lieh, 
ed werde ihr eine Kapitulation bewilligt, wie foldhe fo tapfere und 
ehrenmwerte Krieger verdienten. Nur die Gemeinen follten Kriegsgefangene 
fein; diefe follten jedoch ihr volles Gepäd behalten. 


Jetzt zogen die Alliierten in die rauchenden Trümmer des Schloffes. 
Altes, ſowohl die Furfürftlihen Sachen, als auch die während des Arie- 
nes dahin gebrachten Mobilien nebft dem Archive ꝛc. ꝛc. wurde eine 
Beute der Alliierten. Dieſe ließen es fi nun eifrigft daran gelegen 
fein, das Schloß gänzlicd zu zerftören. Auch in der Stadt Arnsberg 
rauchten noch die Trümmer von 53") eingeäfcherten Häufern. Die von 
einem jo harten Geſchicke getroffenen Einwohner wurden von ben 
Alliierten jehr bemitleidet; c8 wurde ihnen Unterftügung und Hülfe zu- 

Nach Hüſer (S. 73) brannten 62 Hänfer ab. Das „Tagebuch“ ſtimmt 
mit Hüppe überein. 


Yerjtörung des Arnsberger Schloſſes. 449 


gefihert. Das aber war auch alles, denn der Erfolg zeugte vom Gegen- 
teile. Als nämlich bald nachher Arnsberg mit den ausgejchriebenen 
Yieferungen im Rückſtande blieb, ließ der Schloßkommandant in Werl 
drei angejehene Arnsberger Bürger einziehen und jperrte fie im Schloſſe 
zu Werl ein. 

Der emjige Berfafier des vorjtehender Darjtellung zu Grumde gelegten 
Tagebuches, heizt es weiter bei Denefe (5. 120), hat in dasfelbe den Bericht 
über Belagerung und Einnahme des Schlojies zu Arnsberg aus einem öffent: 
lichen Blatte, welches damals in Köln gedrudt erichien, ausgejchnitten und in 
jein Tagebuch eingeflebt, mit der Bemerkung: „Alle übrigen nachrichten, 
eritifche gedanken 2c., jo in öffentlichen Zeitungs-Blättern zu leßen waren 
will ich jtillfchweigend vorübergeben, und allein das mindejte blätgen bier 
zur Heinen nachricht anfleben.“ 


geitungsberidt. 

„Auszug eines Schreibens aus der zum größten Theil ausgeplünderte 
und eingeäjcherte Stadt Ahrensberg, 23. April 1762. Es ijt gegenwärtig 
leider! mehr als Welt fündig, was der arme Einwohner diefer Stadt und 
umliegender Derteren, feit de3 gegenwärtigen Kriegs bon Campagne zu Cam— 
pagne bat erleben müſſen. Se. Durchlaucht der Erbprinz von Braunfchweig 
aber, welcher am 12, diejes mit einem Corps wenigitens 15 000 Mann jtart, 
Gavallerie und Infanterie, Hufaren und Jägeren, aud) einem jtarken Artillerie= 
Zug aufgebrochen, in zwei Golonen, wovon eine der Generallieutenant bon 
Bod, und die andere der Generallieutenant von Oheim commandirte, über 
den Damm und Lippjtadt anmarjchieret, gabe ihnen endlich den letzten Her— 
zensjtoß. Sie hatten zu empfinden, daß das Vorhaben, mit welchem die hobe 
Alliierte Schon Monaten ber ſchwanger gegangen, endlich zu feiner vollfom- 
menen Reife und Geburt, es Eojte, was es fojten möge, jollte und mühe ge: 
bracht werden. 

Am 16. wurde die Stadt und das Churfürjtlihe Schloß rund umber 
eingejchlojien. Am 17. errichteten fie ihre Batterien, zu welcher Arbeit fie alle 
in der Gegend zu findenden Weibsperjohnen nöthigten. In einer Nacht 
wurden jie damit fertig; am 18. forderten jie nochmals das Schloß auf, und 
nachdem der Franzöfiiche Kommandant, Herr dv. Muret, ihr Verlangen nicht 
einmwilligen konnte, nocd möchte, jo fing am 19. des Morgens das Bonbar- 
diren an. ES murde mit jolcher Wuth fortgejeget, daß bereits um den Mlit- 
tag 1200 Bomben und über 2000 ſchwäre Kanonenſchüß auf das Schloß und 
die Stadt gefchehen wären. Der Commandant nebjt feiner wenigen Garnifon 
thaten die rühmlichjte und Heldenmütbigfte Gegenwehr, und verhinderte bis 
dieje Stunde, daß der dadurch hin und wieder entjtandene Brand nicht um 
jich freſſen konnte, wornächſt aber, da die Feinde fahen, daß der Commandant 
nicht zu bemeijtern ware, ließen jie mit lauter glüenden Kugelen und Gar: 
cafien von Beh, Schwegel und jonjt zündenden Materialien auf uns zu jegen, 
welches die tapfere Garnifon drei ganze Stunde lang außbielte. Da nun 
aber fein Ort im ganzen Schloß, der nicht in heller Flamme jtund, übrig 
ware, und der Gommandant feine treue Barnifon der Wuth der Flammen 
nicht aufopfern fonte, hat er jich endlih am 19. des Nachmittags 3 Uhr 


446 Kurkölniſche Zeit. Der fiebenjährige Krieg. 


ergeben. Die Franzöfiiiche Garnifon bejtunde aus 200 Mann; welche mit 
allen Kriegs-EHonneurs abzoge, und über Wipperförde theils nach Göllen, 
theil8 nach Duſſeldorf abginge; bis Wipperförde wurden Ddiefelbe durch 
heßiſche Dragoneren escortiret; von da aber durch ein Detafchement von dem 
Corps des Marquis von Conflans nad) den Dertern ihrer Beitimmung trans» 
portiret. Der Hannöverſche Herr Gen.-Lient. von Bod bingegen bezoge 
wiederum den mehrjt unter Glud und Ajche liegenden Ort, und jahe an, dat 
die noch unbejchädigte Häuſer ausgeplündert wurden. 

Diejes betrübte Spectafel ijt in ſich felbjt beweglich gnug, es iſt alſo 
überflüffig, daflelbige beweglicher und trauriger vorzuftellen; nur iſt noch zu 
bemerfen, daß der Grbprinz mit feinen Truppen und Artillerie, welche aus 
8 Mörjeren, jo viel Haubitzen und 24 Stüd Kanonen, jede von ziwölfpfündigen 
Galibre bejtanden, wieder zurüd über den Hamm abzogen, auf feinem Rück— 
marjch find alle junge und alte Mannjchaft aufgehoben und mit fortgenom- 
men worden; aus dem Städtel Iſerlohn find zum Kriegsdienit 150 mit weg— 
geführet worden. Außerdem find aus dem Chur-Cöllniſchen noch folgende 
Geißelen mitgefchleppet: von Sunderen der Herr Pajtor; von Hachen die 
Bürgermeiſteren; don Hüjten zwei der vornehmiten Einwohner, von Nehmen 
eben dergleichen. Aus der Norbertiner Abthey vor Ahrensberg der Hochw. 
Herr Prälat. Aus dem Aungfrauenklojter zu Elbnighaufen (muß heißen 
Delinghaufen) der Herr Probjt, von Balve einer der vornehmiten Eingejeilenen. 
Bon Herdringen der Nentmeijter zc. ꝛc. Balve bat noch fogleich 400 Rtbir. 
baar erlegen müßen. Der Herr Richter diefes Orts bingegen, den die Allür- 
ten auch gerne mitgejchlepfet hätten, tware nicht mehr bei der Hand, jondern 
mit feinen Gerichtsichreiberen abgereiſet. — Dieje Blätter jeynd zu haben ben 
Joſeph Böfe, wohnhaft in den SKlödergafien gegen über dem 8. Poſt-Hauß. 

Um während der Belagerung des Schloffes unverſehens von heran: 
rüdenden franzöfiihen Truppen nicht überfallen zu werden, fügt Denefe 
(S. 122) ergänzend Hinzu, zog der Erbprinz auf dem linken Flügel 
einen Kordon von Feldwachen gegen die Zugänge des Gehölzes, welches 
hinter Gräfenftein, Sundern und nad) Balve hin, ſowie auch jenjeits 
Hüften liegt. Er beobachtete dabei die Vorficht, in den Zugängen ſowohl 
von Gräfenftein nad) Arnsberg hin, als aud in den Wegen, welde 
durch den Wald von Sundern und Hachen nad) Arnsberg führen, 
einzelne PidetS zu verbergen. Dieje Vorkehrungen traf er, weil er 
benadrichtigt war, daß ſich die Franzoſen an der Ober- und Unterlenne 
in Bewegung jegten. An der Oberlenne zog ji) ein nur kleines Korps 
unter dem Marjchall de Camp, Grafen von Balence, zufammen. Es 
beftand aus dem Grenadiers und Jägern des Regiments v. Neding, fünf 
Pickets des nämlichen Regiments und jechszig Chamberontiſchen Hufaren, 
um die beabfichtigten Bewegungen der Alliierten zu beobachten. Diejes 
Korps war am 13. und 14. April von Siegen nad Elspe aufgebrochen 
und nahm am rechten Ufer der Lenne jeine Stellung gegen die Alliierten. 
Diejen war dadurch die Gelegenheit abgejchnitten, aus den Amts» umd 


BZerjtörung des Arnsberger Schlojies. 447 


Gerichtsbezirfen Esloh, Fredeburg, Oberkirchen, Bilftein, Olpe und 
Attendorn Kriegsftener und Yebensmittel beizutreiben. 

Bom Rheine her Hatte ſich nad) der Unterlenne Hin der Herr 
von Vogue mit einem Korps von 15000 Mann in Bewegung gejegt, 
um das bergifche Yand, das Herzogtum Cleve, die Grafichaft Mark zu 
decken. Sein Heranrüden mußte natürlich bei dem Erbprinzen die 
Beforgnis rege machen, daß die Franzoſen dem Schloffe Arnsberg Hilfe 
zugehen laffen würden, was den Erbprinzen veranlaßt haben wird, 
Arnsberg jo in aller Eile und mit jo außerordentlicden Kräften anzu— 
greifen. Warum er nad der Eroberung deifen, fjelbiges habe bis im 
den Grund ruinieren und jprengen lafjen, diejes hat noch Feiner öffent- 
lich jchreiben wollen, bemerkt Hüppe. 


2. Darjtellung des „alten Arnsbergers". 

Das Schloß Arnsberg hatte bereits im Juli 1761 eine franzöfiiche 
Beſatzung erhalten.) Es rüdten 150 Mann vom Regiment Elfaß, eine Kom— 
pagnie von 130 Mann vom FFilcherfchen Freiforps, kommandiert dom Premier- 
lieutenant Klaes, und 40 Hujaren vom Regiment Turpin, geführt vom Lieute- 
nant Eijenneder, jämtlidh unter dem Befehle des Kommandanten General 
Muret, auf das Schloß. Der Heiterei lag 08 vorzüglid) ob, fortwährend 
Kunde über eine leicht mögliche Annäherung des Feindes bon den bon ihm 
bejetten und Defeitigten Waffenplätzen Xippjtadt und Hamm einzuziehen, 
damit die Beſatzung des Schlojjes nach vorfommenden Umftänden ihre Maß— 
regel ergreifen könne. — Und nur zu gut vollzog diefe Schwadron Huſaren 
ihre Verpflichtung, indem ihre Streifzüge bei Tag und Nacht Feine Grenzen 
fannten, die Alliierten noch hinter jenen Waffenpläßen beunrubigten und 
ihnen beinahe ununterbrochen Leute, Munition und Lebensmittel raubten. 
Grbittert über jolche Befehdungen und Verluſte befchloß der Erbprinz don 
Braunſchweig denjelben ein Ziel zu ſetzen, und es ereignete ſich infolge deſſen 
die Kataſtrophe, deren hierunter weiter gedacht twerden joll. 

Ehe und bevor diefe eintrat, hatte die Befatung angenehme Tage auf 
dem fchönen Höhenpunkte von Arnsberg erlebt; denn Banketts, Mufit und 
Tanz, woran die Honoratioren der Stadt und der Adel aus den umliegenden 
Gegenden teilnahmen, verkürzten die langen Winterabende und machten dem 
Kommandanten, jowie feinen Offizieren den Abjchied von der geliebten Stelle 
ſchwer. Das alles, ferner der frühere erfolglofe Angriff aufs Schloß, ver— 
bunden mit dem militärischen Ehrgefühle, jorwie ein Gerücht, daß franzöfijche 
Truppen vom Rheine ber fich zur Dedung des Schloſſes der Gegend bon 
Olpe und Bilftein näherten, machten den Kommandanten nachgehends taub 
gegen alle Anträge von Übergabe. 

Am 16. April 1762 erſchien denn mit einer Brigade Infanterie und 
einigen Zügen Stavallerie der Erbprinz von Braumfchtweig auf den nord» 
öſtlich dem Schloſſe naheliegenden Anhöhen. Kurz dor jeinem Erjcheinen 


1) Dies jtimmt zu den ©. 440 gemadjten Angaben, die auf Alten fußen. 
Nur tritt, wie dort bemerkt, Muret erit im Oktober ald Kommandant auf. 


A4R Kurkölniſche Zeit. Der jiebenjährige Krieg. 


ihidte der stommandant die Huſaren, als überjlüffig bei der Belagerung, fort 
über Hellefeld nad Biljtein, um zugleich den von ihm erwarteten Zuffurs 
zur Beichleunigung des Marjches anzuſpornen. Gleichzeitig ließ er einen 
Teil Bohlen von der Stlojterbrüde abreigen. Die Franzofen tiraillierten und 
ichofien num am 16. April jo emfig über die Ruhr, dat das Pferd des Erb— 
prinzen, als er refognojzierte, vertvumdet wurde. Denjelben Nachmittag langte 
nod ein Zug Artillerie, Munition, jpanifcher Reiter, Bretter und Balfen von 
Yippjtadt an, und jchon die Nacht darauf machten die Alliierten den Anfang, 
eine Batterie auf dem Nömberge und die andere auf dem Galgenberge anzu— 
legen. Dieje Arbeit fetten jie am 17. und 18. April unverdroſſen fort, ob- 
ſchon die Beſatzung mit den wenigen und jchlechten Stanonen ſich alle Mühe 
gab, jie daran zu hindern. Als am Mittag des 18, die Franzoſen mit dem 
Schießen innehielten, forderte ein Artillerieoffizier die Beſatzung auf, fich zu 
ergeben, erhielt aber vom Kommandanten die Antwort, nicht eher, als bis 
ihm das Sadtuh im Rode brenne. Hierauf verfügte fich der regierende 
Bürgermeijter Arens mit zwei Kämmerern und dem Stadtjefretär aufs 
Schloß und legte den General Miuret in einer —— Rede die große 
Gefahr dringend ans Herz, in die er, wenn er es zum Äußerſten fonmen 
und das Schloß mit dem jeßt vorhandenen vielen Geſchütz beſchießen Liege, 
zugleich die Stadt verjegen würde. Doc das half alles nichts, der Komman- 
dant, Erjag erivartend, wurde jedesmal heftig, wenn man nur von libergabe 
ein Wort verlauten ließ, und willigte endlich auf vieles Bitten der Magiftrats- 
perjonen ein, daß 100 heſſiſche Grenadiere zur Sicherheit der Bürger noch an 
demjelben Tage in die Stadt unter der Klauſel ziehen durften, daß weder von 
der Stadt ein Schuß aufs Schloß, nod) vom Schloß auf die Stadt fallen dürfe. 
Dieje Übereinkunft wurde auch dom Erbprinzen von Braunfchtveig mit Ber— 
ynügen genehmigt. Die 100 hejjiichen Grenadiere, bon denen mander jchon 
jrüher beim Überwintern in Arnsberg mit jeinem Wirte Bekanntſchaft und 
Freundſchaft bei vollen und auch bei frugalen Schüſſeln gemacht hatte, 
rüdten am 18. April abends in die Stadt umd hielten darin gute Mannszudt. 
Die Nacht verſtrich ruhig, aber am 19. April mit dem Aufgange der 
Sonne fiel der erſte Kanonenſchuß vom Römberg auf's Schloß. Die Franzoſen 
ertwiderten ihn gleich mit der größten Stanone in joldem Maße, dat von der 
jtarfen Ueberladung viele FFeniterjcheiben in der Oberjtadt zerplatten und alle 
Einwohner von diejer Rebeille hurtig mobil wurden. Beide Batterieen, ſowohl 
die auf dem Galgenberge als die auf dem Nömberge, eröffneten jetzt ein 
jürchterliches Feuer aus Kanonen und Mörfern auf das Schloß, das fait den 
ganzen Tag fortdauerte. Um 9 Uhr morgens kam der Erbprinz mit mehreren 
Stabsoffizieren und Adjutanten vom Römberg in die Stadt geritten. Der 
Bürgermeijter Arens überreichte ihm die Schlüflel, die er gleich wieder zurüd 
gab mit der Frage: „Was machen die Franzojen auf dem Schlofie? Wollen 
jie fich nicht ergeben? — Auf die Antwort, fein Einwohner dürfe jich darum 
bekümmern, erwiderte er: „Nun wohlan, dann till ich ihnen Kummer machen.“ 
Die Batterie auf dem Römberg that der Stadt feinen Schaden, aber von 
der auf dem Galgenberg errichteten flogen viele Kugeln und Bomben über 
das Schloß, teild in die Stadt, teils bis nad) dem Kloſter Wedinghaufen. 
Diejes beftige Batteriefeuer jegte nachmittags das Schloß und die 
Stadt in volle Flammen. In der Oberjtadt brannten 53 Häuſer ab, 


Zerftörung des Arnsberger TS chlofies. 449 


unter denen das jchöne Miffionshaus und die Kapelle der Jeſuiten, ſowie das 
adelige Gerling’sche Haus waren. Auch die Stadtwaſſerkunſt an der Ruhr 
wurde aus Irrtum in Brand gejchojien, weil man wähnte, fie führe das 
Waſſer zum Schloſſe; die Schloßwaſſerkunſt blieb unverfehrt. Die Bürger 
und die heſſiſchen Grenadiere konnten unter diefer heftigen Kanonade nicht 
löjchen. Mittleriveile war auch der Hauptborrat des Pulvers auf dem Schloſſe 
in die Höhe geflogen. 


Der Bürgermeijter Arens, fi) jeder Gefahr ausſetzend, begab fich jet 
zum Erbprinzen und bat, mit dem Feuern einzuhalten, weil jonjt die ganze 
Ztadt in einen Schutthaufen verwandelt würde. Der Erbprinz gab gerührt 
den Befehl, einzuhalten, worauf der Bürgermeijter jich auch zum Komman— 
danten verfügte und ihn zur Ubergabe geneigt machte. Gleich darauf gaben 
die Franzoſen mit weißen QTüchern das Zeichen zur Ausſöhnung. Der 
Adjutant, Lieutenant Koor dom Regiment Eljaß, begab fi) darauf zum 
Erbprinzen, um über einen ehrenvollen Abzug der Beſatzung zu unterhandeln, 
welcher aber abgeſchlagen wurde. Die Beſatzung ergab ich friegsgefangen 
und wurde am jelben Abend nad) Rumbeck abgeführt.) Vieles brannte im 
Schloſſe unter der Hand ab — und mehr als die Fojtbaren Möbeln it das 
Landesarchiv zu bedauern. In den nächitfolgenden Tagen ließ der Erbprinz 
von Braunſchweig, da die Glut des Feuers ſich zum Teil gelegt hatte, 
Mauern und manche Schönheit des Schlofies jprengen und gab den Bürgern 
das noch vorrätige franzöfiiche Mehl. Auch jchenkte er den abgebrannten 
Bürgern ein Bedeutendes an Geld, und ließ unter jeinem Korps für diejelben 
folleftieren, jodal diefe Summe, twelche fein Adjutant, der heſſiſche Lieutenant 
von Deco, ablieferte, für den einzelnen Abgebrannten 100 bis 200 Thaler 
betrug. — Man muß es beklagen, daß die Abficht des damaligen Landdrojten 
von Spiegel, ein Strohdad bis auf beſſere Zeiten dem noc zu vettenden 
ihönen Schlojje zu geben, durch mancherlei Konflikte bei dem Kurfürſten 
Dearimilian Friedrich vereitelt wurde. 


Der Vollftändigkeit wegen mögen hier auch nod) die Berichte des 


„Frankfurter Staats-Riſtrettos“, einer damals viclgelefenen Zeitung, 
und des Chronijten Hüſer Plag finden. 


3. Bericht des Frankfurter Staat3-Niftretto8.?) 
Lippjtadt, vom 27. April 1762. 

Bon der gegen das Chur-Cölniſche Schloß Arensberg im Herzogthum 
Weitphalen von denen Alliirten ausgeführten Erpedition berichtet man nun— 
mehro folgende nähere Umjtände. Um 13. langten des Herrn GErbprinzen 
bon Braunſchweig Durchl. benebit des Herrn General-Lientenants don Oheims 
Ercell. hier an, beſahen den 14. die hiefigen Bejtungsiwerfe und gingen den 
15. twieder von bier ab, Eben diefen Tag traf die Divifion, welche des Herrn 

ı) Hier mußte fie die Nacht in einem Schafjtalle zubringen. Arns— 
berger Wochenblatt 1834, ©. 271. Hüppe berichtet anders. 

2) Abgedrucdt im Arnsb. Wochenblatte, 1834, ©. 254 f. 


Foaur, Geſchichte Arnsbergs. 29 


450 Kurkölnifche Zeit. Der fiebenjährige Krieg. 


General-Lieutenants don Oheims Ercell. anführeten, und aus 3 Heſſiſchen 
Grenadier-Bataillond außer der dabei gehörenden Kavallerie bejtunde, in 
biefiger Stadt ein, da immitteljt die andern Divifionen unter den Befehlen 
derer Herrn General-Lieuten. von Bod und General-Major von Freytag zu— 
gleih in hHiefigen Gegenden erjtere über Ham, und leßtere über Bode ein- 
trafen; den 16. hielten fämtliche Colonnen in ihren Cantonirungen Raijttag, 
brachen aber am 17. in aller Frühe von bier und aus der ganzen Gegend 
auf. Zu der Divifion unter dem Befehl des Hrn. General-Lieut. von Oheims 
Ercell. ſties noch das diefen Winter hieſelbſt in Garnifon gelegene Infanterie- 
Regiment des Hrn. Obrijten don Otten, nebjt einem Artillerie-Zuge, jo 
mehrenteils aus Mortierd und Haubiten nebjt benöthigter Munition bejtande, 
unter der Ordre des Hrn. Hauptmanns von Kolharts. Gegen Abend langten 
alle Divifionen nebjt denen leichten Truppen in der Gegend von Bölling- 
haufen an und marjchirten in der Naht auf den 18. bis in die Gegend von 
Arensberg, mwofelbjt die Batterien ſowohl auf der Seite, wo der Herr Obrijte 
von Huht das Schloß mit Sanonen zu bejchieffen beordert, als auch auf der 
andern, von welcher die Mortierd und Haubigen und unter Ordre des Hrn. 
Hauptmanns don Kolharts das Schloß bombardiren follten, eben den Tag 
zu Stande gebracht wurden. Des Hrn. Erbpr. Durchl. lieſſen hiernächſt in 
aller frühe den Commandanten des Schlofjes, Mir. de Muret, den 19. zu umter- 
jchiedenen mahlen auffordern, gejtunden denjelben aud) Anfangs einen freyen 
Abzug zu, und lieffen ihn ermahnen, ſich mit feiner ganzen Befagung zu 
Verhütung eines für die Stadt nachtheiligen Unglüds zu ergeben, befonders 
zu Berfchonung der Stadt von der Seite feine Schüffe zu thun, auch die 
Rettung der Regijtraturen zu befördern. Zufolge der jedesmal hierauf er- 
folgter Antwort des Commandanten fonnten de8 Hrn. Erbprinzen Durchl. 
nicht anders, al8 den Befehl zu ertheilen, die AUttaque anzufangen. Diefes 
gejhahe eben des Tages Morgens um 6 Uhr, das Schloß gerieth in einer 
kurzen Zeit in Brand, und die Franzofen fiengen an, das Pulver, Munition 
und übrige Feuerfangende Sachen über die Mauer zu werfen, worauf fie um 
9 Uhr ſich aus dem Brande und auf Discretion ergaben. Zum grofien Un— 
glüd Hat die Stadt zum Theil das Schidjal des Schloſſes mit erfahren 
müſſen, indem biele Häufer dadurch eingeäfchert worden. Es würde aud) ein 
gröfierer Theil der Stadt darauf gegangen feyn, wenn das in die Stadt ge- 
drungene Heßiſche Grenadier-Bataillon von Bifenrotd dur die Löfchung 
nicht fernern Unglüd vorgebeuget. Die folgende Tage ift der Reit des 
Schlofjes, nachdem zuvor denen Armen und verbrannten Einwohnern der 
Korn» und Bictualien-Borratd zu ihrer Unterhaltung Preis gegeben, völlig 
gefprenget worden.) Worauf jämtliche Divifions nad) ihren vorigen Stand- 
Duartieren wieder zurüd fehreten, auch des Erbprinzen Durdl. wieder in 
Dero Haupt-Quartier zu Münjter den 24. diejes eingetroffen find. Wie denn 
auch die theils die dom Nieder-Ahein, theil8 aus Heffen zum Borjchein ge— 
fommene Franzöſiſ. Eorps wiederum zurüd gegangen. 





1) Eine gleiche Zerftörung war fofort dem Schloſſe Limburg an der 
Lenne zugedacht, twurde aber durch eilendes Anrüden der Reichstruppen von 
der Lahn her, was den Erbprinzen von Braunſchweig zum fehleunigen Rück— 
zuge nöthigte, abgewendet. 


Berftörung des Arnsberger Schlofies. 451 


4. Darjtellung Hüſer's (Chronif, ©. 21 f.). 

Im Jahre 1762 trat eine wirkliche Belagerung unter dem Commando 
des Erbprinzen von Braunfchweig ein, nachdem man e8 abermals, gleichwohl 
vergebens verjucht hatte, die aus etwa 120 Dann bejtehenden Yranzofen 
furzerhand von dem Schloß zu vertreiben. Alltirter Seit fete man ihm 
num bon dreien Geiten heftig zu, man beſchoß es jogar mit Bomben und 
glühenden Kugeln, wobei zwar ein großer Theil der oberen Stadt in einen 
Aſchenhauſen verwandelt, dem Schloß ſelbſt aber nicht der mindejte Nachtheil 
zugefügt wurde. Der großen Gefahr, worin nunmehr die gange Stadt jid) 
verſetzt — fomit ihren gänzlichen Untergang vor Augen ſah, zu entgehen, 
twarf der Magiftrat in pleno fi; dem auf dem Schloſſe commandirenden 
franzöfifhen General Mourret zu Füßen, und bat ihn, aus Liebe zu der 
unfchuldig leidenden, und am Rande ihres Untergangs jtehenden Stadt, die 
Feite zu übergeben. Der jtarre Commandant gab Anfangs fein Gehör, er 
erklärte vielmehr, daß er nicht eher abziehen würde, bis daß ihm fein Sad- 
tuch in der Tafche brenne. Unabläffiges Flehen bervog ihn gleichwohl endlid) 
nachzugeben, und zu erflären, daß er aus Liebe zu der Stadt die Feſte den 
Belagerern übergeben, ſomit die Stadt von mweiterm Unglüd befreien wolle. 
Er fapitulirte wirklich und zog, nad) abgelegten Gewehr und Waffen, aus; 
die leßteren zogen ein. Die Freude, Stadt und Schloß gerettet zu jehen, 
war allgemein ; aber was gefhah? Man machte augenblidliche Anjtalten zum 
jprengen, ließ den weſtlichen Thurm in die Höhe fliegen, und das übrige 
dur) die Flamme vollends vernichten. 

Das zerftörte Schloß!) war der Plünderung preisgegeben. 
Hatten jhon die Franzojen viele Koftbarfeiten während der Kriegs— 
unruhen fortgejchleppt und war viele8 dur die Beſchießung und 
Sprengung zerftört und bejchädigt worden, jo fiel jetzt alles über die 
bloßgeftellten Möbel ꝛc. her, die Belagerer, die untere Klaſſe der Arns- 
berger Bürger, die Landleute, meilenweit herfommend. Mean riß jogar 
von ben Wänden, was daran feft war, Eifen, Kupfer ꝛc. Der hejjijche 
Obriftlieutenant von Bifenroth veranftaltete dann auf offenem Markte 
eine Auftion von geraubten Gegenftänden, und jo kam manches Stüd 
auch in befjere Hände. Dies alles geſchah, ohne daß die kurf. Kanzlei 
dem Treiben Einhalt thun konnte. Erft al8 ſich der Feind verzogen 
hatte, erteilte Hofrat Weiſe zu Arnsberg am 31. April den Befehl, 
in allen benachbarten und entfernten Gerichten, Städten, Dörfern, Fleden, 
einzeln liegenden Häufern, Hütten, Hämmern Hausſuchungen anftellen 
und die geraubten Gegenftände zufammenjuchen zu laffen, und der Kur— 
fürft Dax Friedrich ordnete felbft am 31. Juli 1762 eine ftrenge Unter» 
juhung an. Auch wurde jo eine Menge der geraubten Gegenftände 
wieder eingebracht (u. a. mehrere 1000 Pfd. Metall), und ſcharfe Ver- 
höre und Beftrafungen folgten. Die Sahen wurden in einem großen 


) Die Schidjale der Ruine find S. 401 befchrieben. 
29° 


452 Kurkölniſche Zeit. Der jiebenjährige Krieg. 


Eiskeller auf dem Schloſſe aufgeftellt, aber auch von dort wieder, viel- 
leicht mit Wiffen des wachthabenden Invaliden geftohlen. Heutzutage 
jind nur einzelne Stüde nachweislich aus dem Schloſſe vorhanden und 
in Privatbefig, jo eine Uhr, ein Klapptiſch, ein Schrank u. a. 


Zum traurigen Andenken an die Zerftörung des Schloſſes wurde 
eine 160 mm große Medaille geprägt. In der Mitte fieht man 
das brennende Schloß, auf welches Glühfugeln herabregnen. Es ijt 
die einzige VBorderanficht, die wir vom Klemens Auguft-Bau befiten. 
Der Hauptbau ift in zwei, die Ceitentürme in drei Stodwerfen auf- 
geführt. Oben ragt der Adler. Seitwärts find Eroberung und Über 
gabe ſymboliſch dargeftellt. Die Umſchrift bejagt: SO BRANTE DVRH 
GESCHVTZ — DES ADLERS FEINER SITZ. Auch der Medailleur 
und Präger hat fich verewigt; er heißt Pöpperling, furfürftlicher Hoj- 
uhrmacer, Medanifer und Juwelier. Ein Gipsabguß diejer inter- 
eſſanten Erinnerungsmedailfe befindet ſich im Beſitze des Verlegers 
dieſes Buches. 


Der Gemeinderechnung des Bürgermeiſters Arens entnehmen wir 
ſolgendes. Den Kanoniers auf dem Schloſſe lieferte Arens 500 große Schuh: 
nägel. Nach der Kapitulation mußte er den „alliierten Minivers, jo das 
Schloß geiprengt“, fünf Pfd. Lichte liefern. Am 6. Mai langten 80 Alliierte 
an. Sie holten die Kanonen und Kugeln vom Schlofie. Arens mußte ihnen 
außer Käſe und Brot 20 Padete Tabak geben. Am 19. Juni fanı ein fran- 
zöjifches Kommando; am felben Tage eine hannöverſche Patrouille, am 
14. Auli trafen Eonflans’sche Hufaren ein 20.; es wechjelten Freund und 
Feind. Am 6. Auguft lagerte ein „jtarfes Bodies Korps oben am Ge- 
richt”. Am 20. Ankunft der Freiwilligen von Stlermont unter dem Obrijten 
von Comeiras. Diejer logierte im „Landsberger Haus” und blieb über einen 
Monat. Seine Soldaten verübten viele Exzeſſe. Zuweilen wurden gefangene 
Hannoveraner eingebradt. Am 7. Sept. wurde ein durchziehendes hannöver— 
ſches Kommando don 60—70 Dann verpflegt. Bom 18. Oft. 1761 bis zum 
1. März 1762 Hatte Arens in feiner oder in Drögen Behaufung alle Nacht 
die Bürgerordonanz gehabt. — Obrijt von Comeiras zog don Arnsberg nad 
Balve und von da nad) Iſerlohn. Nach beiden Orten bejchied er den Arns— 
berger Magijtrat unter Androhung ſchwerſter Strafe. Beide Male vertrat 
diefen der Sohn des Bürgermeijterd und mußte ſich Schlechte Behandlung ge- 
fallen laffen, weil „die Stadt nicht den Rapport gemacht habe“; in Sferlohn 
wurde er jogar arretiert. Arens jchließt die Rechnungslage: „Sodann jete 
ic; für meine und meines Sohnes gehabte übermäßige große reiche Sorgen 
und Screden, wie auch mit Einquartierungen, Batrouillen, Kommandos, 
Ordonanzwachten bei Tag und Nacht, ſelbſt gethanes Laufen ſowohl als 
mein Sohn bei Nacht, wie auch wegen Schreibung der Patrouillenzetteln und 
viele gemachte Suppliten an biefige Regierung, damit hiefigen Bürgern Gar- 
tuffelen geliefert worden zc. 20. 40 Rthlr.“ Alsdann Hagt er über bielen 
Schaden, den er an Möbeln und befonders an Linnen erlitten, das er zur 


1762— 1763. 453 


Berbindung der Blefüirten ſowohl wie für die Kavalleriften zu Unterdeden 
babe hergeben müſſen; dem Bürgermeijter werde in Striegszeiten eben alles 
abgefordert. Schließlich bemerft er, daß der Landfnecht Pieper und fein Sohn 
auf Befehl des Magijtrates am 28. Oft. zum Herzog Ferdinand um Nach— 
laß der Kontribution geſchickt ſeien und diefem das „decretum gratiae zurüd- 
gebracht hätten, daß der Stadt in Anſehung der VBerbrannten der dritte Teil 
der Kontribution don 4000 Rthlrn. nachgelafien fein ſolle“. Die beiden hätten 
„wegen teurer Zehrung“ jeder 20 Rthlr. verbraucht und verlangten, daß man 
ihnen wegen gethaner ſchwerer Reife ihre Diäten bezahle, worauf Magiitratus 
jedem 11 Rthlr. bewilligt habe. — Im Oktober 1762 fand wegen der Kriegs— 
unruhen weder „Bürgermeijterrvahl noch Rechnung” jtatt, und Arens blieb 
1763 im Amte. 
1763 (Mrens). 


„Am 1. Januar find am Mühlen, Klofter- und Schloßthor die 
Wahten abgenommen, aber die Hauptwadht ift geblieben. Am 6. find 
alle drei Thore wieder mit Wachten bejegt worden. Am 7. wurden 
auch noch an das Churwächtersthörchen (?) Wachten gefegt, damit niemand 
von den Truppen dejertieren Fönnte. Am 8. Januar ift das heſſiſche 
Jägerkorps aus den Winterquartieren allhier abmarjciert.") Vor dem 
am 25. Februar erfolgten Friedensihluffe zu Hubertusburg hatte die 
Stadt jedody nod) manches Ungemady zu leiden. Zunächſt wurde nod) 
eine bedeutende preußiſche Kontribution ausgejchrieben. Arnsberg hatte 
2000 Rthlr. nad) Yippftadt zu zahlen. Eine „Beilage zur Rechnung 
des Bürgermeijter8 Arens weit die Vorſchüſſe nad), die Hierzu wieder 
von den wohlhabenden Bürgern gemad)t wurden. In demjelben Monat 
erhielt die Stadt einen unwilllommenen Beſuch von Schwarzen preußijchen 
Hufaren, die aus dem Trierſchen Yande verjagt ins Herzogtum Weft- 
falen zogen und hier in den Städten Werl, Neheim, Hüften, Menden 
und Arnsberg „mit beifpiellofer Rohheit“ haufeten.?) Am 15. Febr. rüdien 
etwa 100 Dann unter Major von Phucl in die Stadt ein. Am 
20. famen auch noch Bauer' ſche Hufaren. Bauer logierte beim Ober- 
lellner Biſchopinck. Acht preußische Huſaren nebſt einem Unteroffizier 
vom Korps des Obriſten Baner waren dem Kloſter Wedinghaufen zu— 
gewiefen. Die Hufaren tranfen zum erjten Frühſtück Thee oder Kaffee 
mit Milch, dazu eine Flajche Branntwein, zum zweiten Frühſtück aßen 
fie Häringe mit Zubehör, nahmen ein gutes Mittagsmahl, nachmittags 
wieder Thee oder Kaffee mit Häringen und Branntwein, abends wieder 
ein gutes Eſſen. Außerdem tranfen fie von de8 Morgens bis des Abends 
Di in Überfluß, afen nur gebeuteltes Brot, fie brauchten alle Nacht 


"2 Notizen aus der Stadtrechnung. 
?) Denefe a. a. O. ©. 159. 


454 Kurkölniſche Zeit. Der ficbenjährige Arieg. 


zwei oder mehr Lichte, und zur Aufwartung waren ftet8 zwei oder drei 
Knete nötig. Die Verpflegungskoften werden auf 1 Rthlr. 24 Grojchen 
pro Kopf und Tag beredjnet, dazu kommen noch 60 Maß Bleichart 
und 48 Maß Weißwein für in Summa 42 Rthlr. 4 Gr., für zer- 
ſchlagene Krüge, Gläfer, zerſchnittene Tiſchtücher ꝛc. 2 Rthlr., für ver: 
füttertes Heu 10 Rthlr. ꝛc. Sie blieben teilweije biß zum 17. März. 
Die Rechnung beläuft fi) auf 497 Rthlr. 28 Gr. 6 D. 


Mit den Hufaren verließen die letten Truppen das Herzogtum. 
Der ſehnlichſt erwünjcdhte Frieden war num wirfli da. Sein Sonnen— 
ſchein fiel auf ein trübes Bild. Die ganze Troftlofigfeit der durch den 
Krieg gejhaffenen Lage trat jett fo recht zu Tage. „Alle Landeskaſſen 
erichöpft, das Herzogtum in die ſchwerſte Schuldenlaft geftürzt, die zu 
decken nirgends eine Ausfiht ſich öffnete — das Privatvermögen ab- 
jorbiert, ja fogar ſonſt begüterte und wohlhabende Familien im wört- 
lihen Sinne an den Bettelftab gebradit, — das war das jammervolle 
Bild, welches der Regierung unferes jo jchwer bedrängten Herzogtums 
vor die Augen trat..." Die Stadt Arnsberg ſchloß mit einer Schulden- 
faft von 16216 Rthlru. ab, wovon 11085 auf die Kriegsjahre ent» 
fielen. Die Stadt hatte überhaupt mehr unter dem Kriege gelitten, 
als die übrigen Orte des Landes, durd den Brand der Altftadt und 
die Einäfherung und die Zerftörung des Scloffes, ihrer Wiege, ihres 
Mittelpunftes, ihres hiſtoriſchen Juwels. Kein anderer Krieg, aud 
nicht der gräßliche 30 jährige, hatte ihr jo jchweren Schaden zugefügt. 
Mit banger Sorge mochten die Bürger der Zufunft entgegenjchen. 
Was war denn Arnsberg ohne das Schloß? Mit den glänzenden fur 
ürftlichen Hofhaltungen, die für viele Bürger cine bedeutende Einnahme: 
quelle bildeten, mochte e8 vorbei fein. Oder follte von dem Nachfolger 
des Klemens Auguft, dem nüchternen Mar Friedrich, zu erwarten fein, 
daß er das Schloß neu aus der Ajche erftehen lieh? Noch waren aller- 
dings ja jo bedeutende Nefte von dem Bau vorhanden, daß eine Er- 
nenerung ſchon deshalb in Erwägung zu ziehen war. Uber es fam 
nicht dazu. 


Der neue Kurfürft ſchrieb im September einen Landtag nad) Arns- 
berg!) aus, zu dem er perſönlich erjhien. Er fam am 19. September 
von Münfter über Kappenberg. E8 war das erfte Mal, daß er als 
Landesherr das Herzogtum Weftfalen durd feinen Beſuch beehrte. Von 
einer glänzenden Deputation am „Birfenbaume” empfangen und von 


) Die Regierung hatte nad) dem Brande ihren Sit auf kurze Zeit 
nad) Olpe verlegt. 





1763, 455 


einer großen Menge Volkes mit lautem Jubel begrüßt, fette er feine 
Reiſe über Werl nad) Arnsberg fort. Der Stadt war von der Re— 
gierung aufgegeben worden, ihre „vom Feinde ruinierten Hauptthore“ 
wieder aufzubauen, wozu ihr, auf Anhalten des Bürgermeifters, aus 
Landesmitteln ein Zuſchuß von 100 Athlrn. gewährt wurde. Das nötige 
Holz wurde auf der furfürftlihen Sägemühle gefchnitten. Dem ein- 
zichenden Landesherrn überreichte Arens“) die Stadtſchlüſſel. „Auf dem 
Landtage wurde dem allgemeinen Landesübel nicht abgeholfen, und wie 
hätte ſolches auch ermöglicht werden Fönnen? Die Schuldenlaft wurde 
auf die Schultern der armen Landeinwohner gewälzt. Die natürliche 
Folge hiervon war, daß nach Veröffentlihung der kurfürſtlichen Ber: 
ordnung de dato Bonn den 20. Februar 1764 wegen der aus 
geichriebenen neuen Kopfſteuern das ganze Land murrte."?) 


1) Er kannte den Kurfürſten bereits; denn er hatte ihn kurz nad) dem 
Brande in feiner Refidenz Bonn aufgefucht, um fich „für die Brandbefchädigten 
Bauholz in den Enrfüritlichen Wäldern affignieren zu laſſen“. Der Kurfürft 
bewilligte 53 Eichenitämme. 

2) Denefe, a. a. O. ©. 162. Auf ©. 176 f. feiner „Denkwürdigkeiten“ 
finder fi) ein „jummarifcher Status, was die königlich franzöſiſche und groß- 
brittanifche alliirte Armee, fodann die königlich preußischen Truppen dem 
Herzogthun Wejtfalen während de8 Krieges von 1757 bis 1763 Schaden 
caujirt und gefoftet haben“. Der Wert der quittierten Abgaben an Naturalien 
und Stontributionen wird auf 2216 386 Thlr. 33 Gr. 1, Pf., der Wert der 
nicht quittierten Naturalien auf 3 689 115 Thlr. 29 Gr. 10 Pf. berechnet, was 
eine Gefamtfumme von 5 905 502 Thlrn. 26 Gr. 112, Pf. ergiebt. 





Siebenter Abſchnitt. 


Die legten Kurfürften (17631802). 
Überfidt. 


An den Glüdsraufd der Tage unter Klemens Auguſt waren jäh 
die Schreckniſſe des jicbenjährigen Krieges hereingebroden, der wie ein 
furdhtbares Ungewitter nad) langen heiteren Sonnentagen im ganzen 
Sande haufte, ütberall weite Spuren der Verwüftung zurüdlaffend. Das 
Arnsberger Schloß, noch Fürzlid; Zeuge des üppigften Glanzes, war von 
den niederfahrenden Bliken getroffen worden und trauernd in Trümmer 
gejunfen. Auf den Taumel folgte die Ernücdterung. 


„Bei Klemens Auguft trug man blau und weiß, 
Da lebte man wie im Paradeif. 

Bei Mar Friedridh trug man ſich ſchwarz und rot, 
Da litt man Hunger wie die jhwere Not." 


Aber wenn auch das Geld nicht mehr jo leicht zu gewinnen war, 
wie bordem, wenn auch die Einkünfte mander Bürger durd den Weg— 
fall der Foftjpieligen Hofhaltungen der Fürſten gejchmälert wurden, jo 
bradjte doch aud) die neue Zeit ihr Gutes. Man begann fid) mehr um 
das Wohl des Volkes zu befümmern, jeine Intereſſen zu fördern, feine 
Bildung zu Heben. Hervorragende Männer, wie der Landdroſt Spiegel 
zum Dejenberge, waren an der Regierung und bei den übrigen Be- 
hörden thätig und cbneten der jpäteren Kulturentwidelung den Weg. 
Mit der franzöfiihen Nevolution und der napoleoniſchen Zeit famen 
neue gewaltige Erjhütterungen, infolge deren das Kurfürftentum Köln 
aufgelöft und das Herzogtum Wejtfalen dem heſſiſchen Staate einverleibt 
wurde. In der franzöſiſchen Zeit war Arnsberg die ftändige Reſidenz 
de8 mit der Regierung des Erzitiftes Köln betrauten Domfapitelg, 
wodurd diejer Abjchnitt cin bejonderes Intereſſe gewinnt. 


Anlagen in Arnsberg. 457 


Die letzten Aurfürften in Arnsberg. 


Anlage des Springbrunnens und der Promenade. 

Nach der Zerftörung des Schloſſes war der Yandsberger Hof, 
wie ©. 407 erwähnt, Nefidenz der Kurfürften. Maximilian Friedrich 
(1761 — 1784) und Mar Franz (1784— 1801) haben Arnsberg oft 
aufgejucht, wenn auch nicht jo häufig wie ihre Vorgänger, und hier ein 
gutes Andenken hinterlaffen, namentlih Dax Friedrich, welcher ſich 
redlid) bemühte, das durch den Krieg fo hart mitgenommene Gemein» 
wejen zu heben, und der die Stadt durd zwei Anlagen verjchönerte. 
Auf dem Markte vor dem Nathaufe ließ der Kurfürft an der Stelle 
einer alten zerfallenen Hütte, aus der die Bürger bisher das Wajjer 
langten, den in unferen Tagen rejtaurierten Springbrunnen an 
legen. „Auf feine Weifung,” erzählt Hüjer in der Chronik (S. 74), 
„legte der damalige Schloflommandant von Kleift unter einem feier: 
lichen Aufzuge den erjten Stein, den zugleish eine Kapfel deckt, welche 
von allen unter feiner Regierung geprägten Münzen ein Stüd nebjt 
einer fupfernen Tafel enthält, auf der die Namen des damals regieren» 
den höchſten Dberhauptcs der Kirche, Pius VI, und des teutichen Kayjers, 
Joſeph IT, bemerkt find. Die in der Mitte diefes Brunnens aufgeftelite 
Pyramide jtellt von der weſtlichen Seite das Furfürftlice Wappen, von 
der öftlichen deſſen höchſten Namenszug, von der jüdlichen die Inſchrift: 

En bonitatis opus dat nobis Maxmilianus 
Cordibus et gratis posteritatis opus, ') 

von der nördlichen Seite diefen Denfiprud vor: Maxmiliano Friderico 
Prineipi optimo Patriae Patri quod patriam aere alieno liberavit 
quod luxum vestium refrenavit quod amorem proximi incendia 
passis revocavit quod Arnsbergam revivicavit S(enatus) P(opu- 
lus) (Aue) Arnsbergensis grati animi causa M. P. 1779.“ ?) 

Die Fontaine foftete laut der Rechnung des Bürgermeifters Brisfen 
603 Rthlr. 43 Sch.; der Kurfürft wies 450 Thlr. dafür au. Uhr» 
macher Pöpperling ſtach die Denkſchrift aus, jo unter den erjien Etein 
gelegt. Dem Steinmetzen wurden, als der Oberſt von Kleift den erjten 


) In Überfegung: Sich’ ein Werk der Güte gibt uns und der danf- 
baren Nachwelt Marimilian. 

2) Marimilian Friedrich, dem beiten Fürſten, dem Bater des Baterlandes, 
weil er das Baterland don Schuldenlaſt befreit, weil er den Kleiderluxus 
gedämmt, weil er die Nächitenlicebe genen die Abgebrannten wachgerufen, weil 
er Arnsberg wieder zum Leben gerufen von Magijtrat und Bolt Arnsberg 
dankbar gewidmet. M. P. = monumentum positum, ein Denkmal gejeßt. 


458 Kurkölniſche Zeit. Die letzten Kurfürſten. 


Stein legte, zwei Konventionsthaler (3 Rthlr. 18 Sch.) überreicht, die 
die Stadt dem Oberſten nachher zurückerſtattete. 

Eine zweite Anlage Mar Friedrichs, für die ihm Arnsberg noch 
heute Dank ſchuldet, ift die der Promenade. Dieje begann mit dem 
„englifchen Garten“ unterhalb de8 Landsbergiſchen Hofes und führte 
um das Eichholz herum. Ein breiter Felfenvorjprung unterhalb des 
Wilke'ſchen Badehauſes mußte abgejprengt werden. Die heute jogen. 
Promenade wurde mit Bäumen bepflanzt und bildete den Glanzpunft 
der Anlage. Diefer Pla war ftädtiihes Eigentum und bisher zur Hude 
benugt worden. Wie jehr nun auch Arnsberg Bürger über den jchönen 
neuen Spaziergang erfreut waren, jo war Magiftratus doch mit nichten 
gefonnen, fid) aller Nechte auf das Hudeland zu begeben. Daher wurde 
folgendes Inſtrument aufgenommen und ins Goldene Bud) eingetragen. 

Notamen ad perpetuam memoriam. 

Da 08 Sr. Kurfürſtlichen Gnaden Marimilian Friederich gnädigjt ge 
fällig gewefen, auf der fjtädtifchen twaldemei, unter dem fogenannten titten: 
jtein, nächjt der weiße, unter dem Stlofter, eine Promenade anlegen zu lafien, 
fo ift zwar aus Ehrfurdt für Seine Kurfürftlide Gnaden feitens hieſiger 
Stadt dagegen nichts gefagt worden. Sollte aber in künftigen Zeiten der 
Fall eintreten, daß diefe Promenade wieder eingehen, oder wieder fortfallen 
jollte; fo verftehet es ſich von felbjt, daß alsdann dieje jtädtifche waldemei an 
die Stadt wieder gang frei zurüdfalle, indem der Stadt für die einftweilige 
Aufopferung diefer waldemei nicht das geringfte vergütet worden, jondern 
nur aus Ehrfurdt für Se. Kurfürftlide Gnaden diefe Anlage auf ftädtifcher 
Waldemei verjtattet worden. Arnsberg, am Magiſtrat d. 3ten Mai 1781. 

Ad Mandatum Joseph Gordes, Stadts-Sekretär. 


Landdroſt 8. W. Spiegel Lreiherr zum Defenberg-Ranftein.') 

Franz Wilhelm Spiegel Frhr. zum Defenberg-Kanftein ward 
den 30. Yan. 1752 zu Kanftein im Amte Marsberg geboren. Geine 
Eltern waren Theodor Hermann von Spiegel zum Dejenberg, Furfürft- 
lich kölnifcher geheimer Nat und Landdroft in Wejtfalen, und Maric 
Therefe von Spiegel zum Dejenberg-Niederklingenburg. 

Franz Wilhelm von Spiegel empfing feinen erften Unterricht 
dur einen würdigen und wohl unterrichteten Geiftlihen, Namens 
Waldorf, und trat in feinem zehnten Jahre in das Pageninftitut zu 
Bonn, in dem er fehs Jahre zubrachte. In feinem 17. Jahre 
ging er auf die Univerſität Löwen, wo er zwei ‘Jahre hindurch mit 
großem Fleiße römifches und kanoniſches Recht ftudierte; nachdem er 
vom Kurfürften Marimilian Friedrih zum Kammerherrn ernannt 


1) Aus Seiberg Weſtf. Beitr. II. ©. 147. 


Landdroft F. W. Spiegel zum Defenberg-Fanftein. 459 


worden war, bezog er in feinem 20. Jahre die hohe Schule zu 
Göttingen. ALS er im Jahre 1775 die Umiverfität verließ, wurde ihm 
eine Ratsſtelle bei dem Hofratsfollegium zu Bonn verliehen, welche er 
zwei Jahre lang mit Beifall befleidete. Hier war es aud, wo er fi 
dem geiftlihen Stande widmete. Er wurde Domherr zu Münfter und 
Hildesheim. Eine Reife, die er als Domherr nad) Nom machen mußte, 
gab ihm Gelegenheit, fein Studium der ſchönen Künfte und des Alter: 
tums, welches ftet3 zu feinen Lieblingsbefchäftigungen gehörte, weiter 
ſortzuſetzen. 

Als im Jahre 1779 ſein Vater ſtarb, wurde er vom Kurfürſten 
zum Nachfolger desſelben ernannt. Daß er als Landdroſt ſeinem Vater— 
lande weſentliche Dienſte geleiſtet hat, iſt bekannt. Er ſorgte für eine 
gute Polizei- und Juſtizpflege, für Verbeſſerung der 
Unterrichtsanſtalten,) für Beförderung der Aufklärung 
und Kultur; mande Mängel in der Kommunalverwaltung 
wurden von ihm abgejftellt, das Zuchthaus, jekt Regie: 
rungsgebäude, zu Arnsberg?) erbaut u. bergl. m. Größer 
noch wäre der Erfolg feiner Bemühungen gewejen, wenn er nicht bei 
der Ausführung feiner Entwürfe mit fo vielen Schwierigkeiten zu 
kämpfen gehabt hätte. 

Nah dem Tode des Kurfürften Marimilian Friedrich wünſchte 
deffen Nachfolger, der Erzherzog Mar Franz von Defterreich, dieſen aus- 
gezeichneten Geſchäftsmann feinem Hofe näher zu haben; er ernannte 
ihn daher zum geheimen Konferenzrat, übertrug ihm das Präfidium 
der Kammer, der Oberfhul-Kommiffion, die Direktion de8 Hofbau- 
weſens ꝛc. Der Herr von Spiegel nahm diefe Stellen an und leiftete 
auch in biefer neuen Laufbahn feinem Vaterlande, wie feinem Fürſten 
große Dienfte. 

Auh um die im Jahre 1787 errichtete Univerfität Bonn hatte 
Spiegel große Verdienſte. Die Lehrftühle wurden mit ausgezeichneten 
Männern bejegt, und dieje ſchöne Schöpfung wäre unter feiner Pflege 
(er war Kurator derjelben) zu hoher Vollkommenheit gediehen, hätte es 
niht dem Schickſal gefallen, diejelbe in ihrer Blüte wieder zu ver- 
nichten. Seine bei der Inauguration gehaltene freimütige Rede zog 
ihm viele Verdrieglichkeiten und eine Klage des Domkapitel zu Köln 
zu, von welcher er jedoch auf eine ehrenvolle Art freigefprocdhen wurde. 

Faſt alle Staatsgejchäfte von Wichtigkeit gingen durch feine Hände; 
wenigftend wurde fein Schritt von Bedeutung ohne feinen Rat unters 


1) &, unter Wedinghaufen. ?) ©. 401. 


460 Kurkölniſche Zeit. Die legten Kurfüriten. 


nommen; man hatte feinen tiefen und rechtlihen Blif aus Erfahrung 
fennen gelernt. Er wiberriet beim Ausbruche der franzöfiichen Revo— 
(ution mit Nahdrud alles Einmiſchen in die inneren Angelegenheiten 
von Frankreich, jowie die Aufnahme der franzöfiichen Flüchtlinge, und 
hat dadurch dem rzftifte unzählige Yeiden erjpart.) Beim Aus- 
bruche des Nevolutionskrieges wurde eine eigene Militärlommijfion 
angeordnet und Spiegel zum Chef derjelben ernannt. Auf den Yand- 
tagen im Herzogtum Weſtfalen erſchien er gewöhnfih als Prinzipal- 
fommiffar des Fürſten. Nachdem der Hof wegen des Vordringens 
der franzöfiihen Truppen die Reſidenzſtadt Bonn verlaffen hatte, wurde 
die Yeitung der Regierungsgeſchäfte faſt allein dur ihn beſorgt. Nad) 
dem Tode des Kurfürften nahın zwar das Domkapitel die Zügel 
wieder jelbjt in die Hände; allein die Yenkfung derjelben wurde weislid 
dem Herrn von Spiegel überlafjen. 

Um diefe Zeit begann eine neue Epoche für die Geſchichte unjeres 
Vaterlandes; das linle Aheinufer wurde an Frankreich, das Herzogtum 
Weftfalen an Darmftadt abgetreten. Alles rückte aus feinen alten 
Fugen. Aud das öffentliche Yeben Spiegels nahm ein Ende. Auf 
jein Yandgut Kanftein zurüdgezogen, lebte er noch einige Jahre den 
Wiſſenſchaſten und der ftillen Betrachtung des Ganges der Dinge, big 
er am 6. Auguft 1815 ftarb. 


Der lehle Landdrof. 


Feierliche Einholung des neuerwählten Yanddroften Ge 
heimrat von Weichs am 12. Juli 1786. 


Morgens um 9 Uhr verfammelten fich auf der Kanzlei die beiden Furf. 
Kommiſſarien, ebenfo die bei der Quartal-Rondention anmwejenden kurf. adeligen 
und gelehrten Räte mit den übrigen anzleiverwandten; desgleichen die beiden 
Bürgermeiſter Brisfen und Nomberg mit der ganzen Bürgerfchaft auf dem 
Rathaufe. Danach wurde der neue Herr Landdrojt von der Abtei Weding- 
haufen in folgender Ordnung zu Fuße abgeholt, als 1. die Studenten mit 


) Das Genauere ift diefes. Allen Emigranten jfollte nur die unge 
hinderte Durchreife und der Aufenthalt von 24 Stunden in, einer Stadt 
nejtattet fein. Nur Krankheiten rechtfertigten eine Ausnahme. Ubertretungen 
wurden mit 24 Gulden belegt. Trotzdem verfuchten Franzoſen fich in 
Arnsberg niederzulafien. Am 16. Oft. 1794 wurde aufgegeben, ein Ber: 
zeichnis aller dermalen in biefiger Stadt anmwejenden Franzofen vorzulegen. 
Am 3. April 1795 wurde obiges Verbot von neuem eingefchärft und befohlen, 
alle eingeichlichenen Franzofen binnen fünf Tagen auszuweifen. In heſſiſcher 
Zeit wurde durd) Edikt vom 1. Juni 1804 bejtimmt, es follten nur folde 
ausgewiejen werden, die Fein beftimmtes Bürgerliches Gewerbe betrieben oder 
jich erjt neuerdings angefiedelt hätten. (Stadtarchiv.) 


Klemens Augujt Freiherr von Weichs, fetter Panddroft.  A61 


ihren Profeſſoren, 2. der Kanzleipedell, 3. zwei Kanzleiboten, 4. der Zimmer: 
puger und Oberfellnereidiener, 5. die vier Einfpänniger,!) zwei und zivei, 
6. die vier Stanzleiprofuratoren, zwei und zwei, 7. die beiden jüngeren Stanz: 
lijten, 8. der ältere Kanzlijt und Regiſtrator, 9. die kurf. Richter, Germeten 
und Gronark, 10, der Oberfellner und der Landpfennigmeijter, 11. der Land— 
ichreiber und der Nat Böße, 12. die übrigen gelehrten Räte, 13. die adeligen 
Räte und Drojten, 14. die beiden HH. Kommiſſarien mit des H. Landdrojten 
GErzellenz, 15. die beiden Bürgermeijter obenbenannt (obzwar anfangs nad 
des H. Yanddrojten Erz. gleich die Gerichtsjchöffen gehen follten, fo ijt hier: 
nächjt diejes von der Stanzlei twiederun abgeändert und geordnet worden, dat 
nad) des 9. Landdrojten Erz. gleich die beiden Bürgermeijter gehen follten, 
was denn auch geichehen, und find die Gerichtsfchöffen gar nicht mit gewejen); 
dieſemnach die Bürgerjchaft, als 16. ein Tambour und ein Pfeiffer, 17. Käm— 
merer Menge mit einem Sponton,?) 18. zwei Trabanten, die Söhne des 
Saudent Höink mit Spontons, 19. ein Fähndrich: Kafpar Nöggerat, 20. zwei 
Trabanten: Kaufhändler Markian und Dunder, mit Spontons, 21. die Halb- 
jcheid (Hälfte) der Bürgerjchaft mit Gewehr, zwei und zwei, 22, ein Tambour, 
23. Kämmerer Schelle mit Sponton, 24. zwei Trabanten: Finke und Menge 
mit Spontons, 25. ein Fähndrich: Kaufhändler Schlüchter, 26. zwei Tra— 
banten: Kaufhändler Lenk und Uhrmacher Pöpperling, 27. die andere Halb- 
jcheid der Bürger mit Gewehr (zu Fuße abgeholt) und in diefem Zug nad 
dem Landsberger Hofe bingeführt, wo gedachter Freiherr von Weichs Erz. 
bon den beiden kurf. Herren Stommiffarien, dem Sammerpräfidenten Freiherrn 
Spiegel zum Defenberg und dem Geheimrat Freiheren von Wrede zu Amede, 
als Yanddrojt des Herzogtums Wejtfalen vorgejtellt wurde. 

Diefemnäcjt wurde vor die Behaufung des neuen H. Yanddrojten 
eine Wache aus biefigen Bürgern gejtellt, wozu neun Bürger genommen 
wurden, twelche bereits als Soldaten gedient hatten. („Boldenes Bud.) 

Über die Wirkfamfeit des legten Landdroſten liegt leider feine jo 
ausführliche Echilderung vor wie über die feines Vorgängers ; indejjen 
wird ums fein Name noch häufiger in der weiteren Darftellung be- 
gegnen. Bon Weis, der in überaus jchwierigen Zeiten jeines Amtes 
als Yanddroft gewaltet hat, blieb aud) während der hejfiichen Zeit in der 
erften Beamtenftellung thätig, da er 1803 zum Präfidenten der Re- 
gierung ernannt wurde. Dem verdienten Manne wurde am 20. Juni 
1808 vom Großherzoge von Heſſen das Großkreuz des Verdienſtordens 
überreicht. Die Tage der Freiheitsfämpfe erlebte er noch, nicht jedoch 
den Übergang an Preußen: er jtarb am 29. März 1815. 


Einige hervorragende Arnsberger aus diefem Zeitraume.?) 


Koh. Wild. Arndts, geboren 1710 zu Arnsberg, geftorben 
1771 ebenda, gelehrter Rat bei der Kanzlei, legte als Fürſtl. Thurn 


) ©. 314. 2) Eine Art Hellebarde, vordem Paradewaffe der Offiziere. 
») Nach Seiberg Wejtf. Beiträgen. 


462 Kurkölniſche Zeit. Der fiebenjährige Krieg. 


und Zarifher Poftmeifter die erften regelmäßigen Boften im Lande 
an und rief 1766 die erfte privilegierte Buchdruckerei hervor.!) 

Engelbert Arndts, Sohn des vorigen, 1750 zu Arnsberg ge- 
boren, ftudierte in Göttingen, wurde 1771 vom Kurfürſten zum Fiskal— 
advofaten im Herzogtume Weftfalen ernannt, und 1772 durd den 
Fürften von Thurn und Taris zum Kaiſerl. ReichSpoftmeifter in Arns- 
berg beftellt. Er trat 1776 als Beifiger ohne Stimme in die weftf. 
Kanzlei ein, wurde 1777 Rat, 1779 kurf. Hofrat. In diefem Jahre 
wurde zur Berbefferung des Schulweſens im Herzogtume Wejtfalen 
eine eigene Shulfommifjion zu Arnsberg angeordnet, die aus 
ihm als Schulkommiſſar und den Pfarrern von Brilon und Menden 
als Beifigern beftand.?) 1781 wurde unter dem Vorſitze des Landdroſten 
von Spiegel ein Medizinalrat für das Herzogtum Weftfalen ein- 
gejegt, dem Arndts beigeorbnet wurde. Nachdem Spiegel nad) Bonn 
berufen war, wurde er 1786 Direktor diefes Rate. Dazu war er 
jeit 1782 Richter in Arnsberg, 1784 Defenjor, 1785 Kommiffar und 
Referent in Kriminalfachen bei Landdroſt und Räten, 1786 beftändiger 
Deputierter des Corpus eivicum (S. 197). 1791 jchlug er die Be: 
rufung als Revifionsrat an das Oberappeliationsgeriht in Bonn aus, 
da er, namentlich mit Rückſicht auf feine Familie, den Aufenthalt in 
Arnsberg vorzog. 1793 wurde er Geheimer Nat. Nach der hejfiihen 
Dffupation wurde er Mitglied der Regierung und Hoflammer, dazu 
1805 aud Forſtadvokat. 


Friedrich Arndts, Bruder des vorigen, geb. zu Arnsberg 1753, 
Advofat, Landſchreiber, Fisfal, Gch. Oberappellationsgerichtsrat unter 
Kurköln, ſpäter Großherzoglich-heifiiher Geheimrat und Direftor des 
Hofgerichts zu Arnsberg, ftarb 1812. Er wird von Seiberg als ein 
bedeutender Menſch und hervorragender Juriſt geſchildert. 

Anton Wilh. Stephan Arndts, Halbbruder des vorigen, geb. 
1765 zu Arnsberg, ftudierte auf Anraten des Landdroften Staatswirt- 
ſchaft, betrieb in Elausthal am Dberharze praftiih Berg- und Hütten- 
funde, wurde 1789 als Profeffor der Mineralogie an die neu errichtete 
Univerfität Bonn berufen, 1790 kurk. Hoffammerrat, 1794 mit ber 
ganzen Hoffammer nad) Brilon verjest, 1803 in die zu Arnsberg neu 
eingerichtete Hoffammer berufen. 1814 ord. Mitglied der Sozietät für 
die geſamte Mineralogie in Jena. 

Engelbert Kaſpar Bigeleben, 1732 zu Arnsberg geboren, 1756 
Advofat zu Arnsberg, 1758 gelehrter Nat bei der Regierung, 1761 


ı) Bgl. ©. 314 und ©. 463. ) S. mw. u. 


Herborragende Arnsberger, Buchdruderei 2c. 463 


furf. Hofrat, 1763 landftändifcher Deputierter, 1771 zugleih Archivar, 
1786 Oberappell..Rat zu Bonn und Geh.-Rat, fam 1794 als jolder 
mit dem Gerichte wieder nad) Arnsberg, wo er 1799 ftarb. Aus— 
gezeichnet al8 Staatsmann und Familienvater. Er war ein Freund 
und Kollege Belger’s, in deffen Briefen er und feine Yamilie häufig 
erwähnt werden (j. u.). 

Kaſpar Joſ. v. Bigeleben, Sohn des vorigen, geboren zu 
Arnsberg, 1766 Negierungs- und Hoflammerrat zc. in Bonn, kam 1794 
mit der Hoffammer nad) Brilon (vgl. u.), war 1797 kurkölniſcher Depu— 
tierter in Raſtadt. Später wurde er Geheimer Hof- und SKammer- 
direftor in Darmftadt und als folder 1809 vom Großherzog geadelt. 

Franz Joſeph Arens, geb. 1779 zu Arnsberg, hier auch auf dem 
Gymnafium geſchult, 1803 Dr. juris in Gießen, wofelbft er Dozent 
und Profeffor wurde, ſowie Mitglied des Oberappellationsgerichtes in 
Darmftadt. 


Buhdrucerei, Beitungswelen, Buchhandel, 
Privilegien der Herden'fhen Buddruderei in Arnsberg.) 
Wir Churfürſtlich-Cöllniſche 
für das Herzogthum Weftphalen verordnete Land-Droft und Räthe. 

Ein jeder erinnert fich von ſelbſten, daß zufolge des hiefigen Buch— 
druderen Joan Eberhard Hercken unterm Tten Decembris vorigen Jahrs 
ertheiltem Ehurfürjtlichen Privilegii, niemandten als demfelben allein erlaubet 
feyn folle, alle und jede Bücher, ausſchließlich des Köllnifchen Cathechismi 
und anderer Bücher, worüber ein Special Privilegium exclusivum vorhanden 
ift, dann auch worüber feine Censur oder Approbation deren Oberen ertheilet 
worden, in offenen Drud zu geben, nicht minder, die gejtempelte Wand» und 
Sad-Calender, ausjchließlich deren, welche in der Hof-Buchdruderen zu Bonn 
gedrudt werden, in diefem Herzogthum privative und zwarn cum Exclusione 
(mit Ausjchluß) aller fo einheimijch- als ausländifhen Buchbinderen, Bud)- 
druderen, Buchführeren und Berlegeren zu verkaufen. 

Nachdemalen Wir aber misfälligjt vernehmen, daß diefem gnädigjtem 
Privilegio zumider öffentlich) und heimlich allerley Schul, befonders die ABC 
Bücher und Catechismi verlegt und verfaufet werden, ja gar, die auf nächſt 
folgendes Jahr eingerichtete Sad: und Wand-Calenders bereits hin- und 
twieder zum feilen Verkauf angefchaffet worden, Wir aber in Gefolg der Uns 
gnädigft anbefohlener Handhabung foldhem dem privilegirten Buchdruckeren 
Joan Eberhard Hercken, jehr nadtheiligem Unweſen nach zu fehen, ſowol 
aufier Stand- als weniger gemeinet jeynd. 

So befehlen Wir allen Churfürftlichen Beamten, Unter-Herrlichfeiten, 
Richtern auch Burgermeifter und Rath in Städten und Freyheiten mohl 
ernitlich, und allenfals, bei der in Privilegio ausgedrudten Geld-Strafe von 

') Das Original felbjt ijt nicht erhalten; doc giebt die nachſtehende 
Berordnung den Tenor defjelben augenſcheinlich wörtlich wieder. 


464 Aurkölnifche Zeit. Der jiebenjährige Krieg. 


Stund an alle unter ihrem Gericht-Zwang befindliche Kauf- objonjtige Bücher— 
Yaden von Amts-wegen zu visitiren, mithin die darinnen etwa borfindlicdhe 
Schul, bejonders die ABC Bücher, Catechismos, Sad: und Wand-Calenders 
zu inventarisiren, und an einen dritten Ort wol verwarlich binzulegen, fort 
darüber mittels Einjendung einer accuraten Specification an Uns ohne Zeit 
Berluft zu berichten, und gleichtwie nun auch dem Publico zu willen noth— 
wendig ijt, wie viele Jahr- oder halbe Jahr-Vieh- objonjtige Märkte, und wo 
in diefem Herzogthum gebalten werden, mithin diefes denen, von dem Joan 
Eberhard Hercken zu verlegenden Galenderen zum volljtändigen Gebraud) 
einverleibt werden joll. So befehlen Wir allen Churfürſtlichen Beamten, 
Inter-Herrlichkeiten, Richtern auch Burgermeifter ımd Natb in Städten und 
Freyheiten, ferneriveit, alle in ihrer Gerichtbarfeit gewöhnliche Mark-Tägen 
dem zu erſtattenden Bericht deutlich an zu merfen. Damit nun aud) der 
gemeine Mann bon denen Begebenheiten im Land innen werden mögen, wes 
ends Wir für dienlich finden, daß in allen Ortichaften auf dem platten Yand, 
worinnen eine Pfarrkirche iſt, das Intelligenz- und Wochenblatt gehalten 
werde, als befehlen Wir denen Beamten, die Verfügung zu treffen, daß ent: 
weder bon dem vornehmſten Wirth oder Borjtehberen jeden Orts, morinnen 
die Pfarrkirche jtehet, auf Gemeinheits-Ktöften, das Intelligenz- und Wochen- 
blatt des ends, damit jederman folches auf denen Sonn- und Feyer-Tägen 
einjehen könne, angelegt, mithin zu ſolchem Behuf die Addresse binnen adıt 
Tügen Zeit an biefigen Buchdruder obnfehlbar eingeichicdet werde. Urkund 
Churfürſtlichen Wejtphäliichen Ganzley Inſiegels; Signatum Arnsberg den 
6. Octobris 1766. 
(L. S.) Yand-Droit v. Spiegel. 
Caspar Joseph Dröge. 

Das hierdurd erteilte Monopol für Bücher und Kalender umd 
insbejondere das zweimal wöchentlich herausgegebene Yntelligenz- 
blatt bildeten für den Befiger eine reiche Duelle des Erwerbed. Der 
erjte Herfen verbreitete darin auch allerhand politiſche und lofale Nach— 
richten oft in furiofer Faſſung und mit beleidigender Abficht, und als 
er im Adreßlalender von 1792 den kurf. Oberförfter al3 „Calvinus“') 
verunglimpfte, ließ Diarimilian Franz, der die Preßfrevel gebührender 
ahndete, als jein Vorgänger, alle Exemplare zujammenbringen und ver- 
faufen und den Ubelthäter zur fisfalifchen Unterfuhung nad) Bonn 
vorladen. Da er dort nichts Gutes für jein Geihäft ahnte, trat er 
das Prefprivileg unverzüglid an feinen Gehilfen und Better ab. Er 
jtarb erft 1804. Der Vetter Joh. Franz Herfen, der bei Ajchendorf 
in Münfter ausgebildet war, erlangte erft die Approbation des Privilegs, 
nachdem ihn Dar Franz, mit feinem Vorgänger ihn verwechjelnd, zu Bonn 
jo hart angelaffen hatte, daß er Ohrfeigen befürchten mußte. 1805 
überwand er durch Redlichkeit, Arbeit und Fleiß den Niedergang jeines 


) Balaminus war, troßdem er Protejtant war, dom Kurfürjten Mar 
Hranz zum Oberförjter gemacht worden. (S. mw. u.) 


Buchdruckerei. Buchhandel. 465 


Geſchäftes, trat 1819, als die Regierung ein amtliches Intelligenzblatt 
für den ganzen Regierungsbezirk Arnsberg zu Dortmund erjdheinen ließ, 
jein Privileg auf fein Blatt gegen eine Yahresrente von 400 Thlrn. 
für ihn und 200 Thlrn. für feine Tochter völlig ab, und dieje ſetzte 
nad feinem Tode 1820 das Geſchäft nicht weiter fort.) Bon 1831 
erjchien das Antelligenzblatt aufs Neue bei E. U. Düfer, dem Nad)- 
folger von Herfen. Die alte furfürftliche Buchdruderei ging von Düſer 
im Jahre 1838 auf H. R. Stein über, der diejes Werk druckt und verlegt. 


Die Buchdruderei von Herfen befaßte fih nidt mit Bud» 
handel und verlegte außer dem Intelligenzblatte nur einzelne Ge— 
legenheitsjchriften, die fie gegen Lohn drudte. Der ohnehin erft fpäter 
völlig ausgebildete deutſche Sortimentsbuchhandel blieb ohne Einfluß 
auf eine Provinz, die durch Verfaffung, geographiiche Yage und Mangel 
an Strafen von allen Ländern abgejhnitten war, in denen gute 
litterarifche Erzeugniffe gediehen. Nur die Reichsſtadt Köln ıumterhielt 
in diefer Hinficht einige wenig fruchtbringende Verbindungen mit unſerem 
Lande. Erft im Jahre 1784 Fündigte die Buchhandlung von Hande 
und Spener zu Berlin im Arnsberger Intelligenzblatte eine vom 1. Juli 
des gedachten Jahres an beftehende Biücherniederlage in Arnsberg an, 
die auch das Herzogtum Weftfalen mit allem Wiffenswürdigen aus der 
Litteratur mit dem geringften Zeit- und Koftenaufwande verjehen follte. 
Dies ſcheint der erfte Anftoß zu buchhändlerischen Verbindungen gewejen 
zu fein. Der 1801 verftorbene Poftjefretär Lichte zu Arnsberg über- 
nahm von 1791 an die Spedition der Bücher, die man verlangte, 
erwarb ſich dadurch mande auswärtige Titterarifche Bekanntſchaft und 
bereitete jo in Gemeinjhaft mit den Anregungen des im ‘uni 1801 
von Dr. Mallindrodt angekündigten Weftfälifchen Anzeiger die Auf- 
nahme des litterariichen Komptoirs vor, das der Pfarrer Körholz 
im Jahre 1803 zu Arnsberg begründete, und welches, feinem Plane 
nad), nicht bloß ein Lejeinftitut, fondern and einen Sortiments- und 
Berlagsmarft für das ganze Land umfafjen follte. Diejes Inſtitut ift 
aus Mangel an Unterftügung zwar nachher wieder zu Grunde gegangen, 
jedod ohne bedeutende Nachteile fürs Ganze, da inzwijchen mehrere 
Buchhandlungen in Nachbargebieten ihren Sortimentshandel jo erweitert 
hatten, daß dadurch jeder billigen Anforderung Genüge geleiftet war.?) 


») Nordhoff: Nachlefe zur Buchdrudergefchichte Weitfalens (Zichr. f. vat. 
Geſch. u. Alt. XLII, I, ©. 62) nad) einem im Befige der Familie des Bürger- 
meijters a. D. Wulff zu Münfter befindlichen Manufkript von Rieve: Einige 
Nachrichten über Yamilie Herken in Arnsberg, 1853. 

2) Seib. Weſtf. Beitr. II, ©. 470 ff. 


Foaur, Geſchichte Arnsbergs. 30 


466 Kurkölniſche Zeit. Die legten Kurfürften. 


Den erften ordnungsmäßigen Buchhandel betrieb hier vom Jahre 1825 
ab A. Y. Ritter, der u. a. auch die großen Werke von Joh. Suibert 
Seibert verlegte, welche jpäter in den Verlag von A. Stein in Werl 
übergingen. E. 4. Düfer verlegte vom Jahre 1819 ab das „Arns- 
berger Wochenblatt”, an dejjen Stelle von 1850 ab das „Amtliche 
Kreisblatt” in demjelben Verlage, von 1860 bis 1874 im Berlage 
von H. R. Stein erjhien. 1874 verband die Megierung das Kreis- 
blatt mit einem auswärtigen DBlatte und jeit 1884 mit der in diejem 
Jahre von F. W. Beder ins Leben gerufenen „Arnsberger Zeitung“. 
Bon 1858 ab erjheint bei H. R. Stein das „Central-Volksblatt“, 
jeit 1893 täglid. Auf die Geſchichte dieſes Blattes können wir hier 
nicht weiter eingehen. 


Reihenfolge der Bürgermeifter von 1763-1802. 


1764 Arens. 1765 Ferdinand Leopold Harbert. 1766 und 
1767 Romberg. 1768 und 1769 Arens. 1770 Harbert. 1771 bis 
1773 Arens. 1774 und 1775 Hofrat Harbert. 1776 bis 1782 
Brisfen. 1783 und 1784 Harbert. 1785 bis 1787 Brisfen. 1788 
und 1789 Harbert. 1790 bis 1792 Hofrat Brisfen. 1793 Arens. 
1794 bis 1796 Brisfen. 1797 und 1798 Harbert. 1799 bis 1802 
Hüjer, der aud) noch in der hejjischen Zeit diejes Amt bekleidete. 

Die vorftehend genannten Bürgermeifter haben ſich durch vorzügliche 
Amtsführung große Verdienfte um die Stadt erworben, die mehr als 
je eine umfichtige Vertretung ihrer Intereſſen nötig hatte. Unter dem 
Bürgermeifter Brisfen wurde die Stadt im Jahre 1777 mit dem 
erjten ordentlichen Pflafter verjehen. Meijter Beckmann aus Mlünfter 
wurde herbejhieden. Er mußte die Nute zu 12 Quadratfuß für 23 
münſteriſche Schillinge (etwa 4 Rmk.) herftellen. Brisfen „ſchlug“ den 
erjten Stein. Im März wurde mit der Arbeit begonnen, im Dftober 
war fie beendet. Die Unkoften beliefen ſich auf 1191 Thlr., die Land— 
ftände bewilligten einen Beitrag von 1050 Thlrm.! — Hinfihtlid 
des Rechnungsweſens mögen hier einige Bemerkungen Plag finden. 
1. Es war durchaus üblich, daß der Bürgermeifter aus feiner Privat: 
kaſſe vorſchoß, was etwa in der Stadtfaffe zu wenig war. Brisfen 
hatte 3. B. 1781 eine Forderung von über 725 Athlrn., die aus Vor— 
Ihüffen von 1779 herrührten. So war es ſchon zu Zeiten des fieben- 
jährigen Krieges. Dies ift um fo cigentümlicher, al$ 2. die Regierung 
ſich um das Nechnungswejen zu kümmern anfing und zu jeder Rech— 
nungslage einen Kommifjar entjandte, meist in der Perjon des Yand- 
drojten. 3. Die Jahresrechnungen der Bürgermeiſter geben, wie aud) 


Bürgermeiſter bis 1802. Franzöſiſche Zeit. 467 


früher, durchaus kein vollſtändiges Bild von dem Zuſtande des ſtädtiſchen 
Vermögens, weil über alle größeren beſonderen Anlagen beſondere Bücher 
geführt wurden. Dies iſt bei den folgenden Zahlenangaben zu berück— 
fichtigen. 1775 betrugen die Ausgaben 450 Thlr., 1779: 850 Thlr., 
1780: 340 Thlr., 1800 betrugen die Einnahmen 2930, die Ausgaben 
3482 Thlr., 1801 die Einnahmen 3473, die Ausgaben 3735 Thlr., 
1502 die Einnahmen 3509, die Ausgaben 3735 Thlr, Der Magiftrat 
beftand im Jahre 1800 aus folgenden Mitgliedern: Hüfer, Harbert, 
Brisken, Arens, Bürgermeifter; Menge, Schlüter, Schelle, Kämmerer; 
Reuſch, Höynd, Gräß, Schulte, Natsherren; Tillmann, Schmid, Wulf, 
Bunner, Richtleute. 


Die framöfifcye Zeit (1794—1802). 


Seit dem Ausbruche der großen Revolution hielten die Ereigniffe 
in Frankreich ganz Deutjchland in Spannung. Im Auguft 1794 zog 
die deutſche Reichsarmee nad) vergeblihen Kämpfen über den Rhein 
zurüd und öffnete jo den Franzojen den Weg nad) Deutſchland. Mar 
Franz verließ feine Nefidenzftadt Bonn; die kurfürſtlichen Behörden 
folgten nad. Der Hofrat fam nad) Nedlinghaufen, die Hoffammer 
nad Brilon, das Dberappellationdgeriht nah Arnsberg, 
wo auch das Domfapitel in der Abtei Wedinghaufen!) feinen Sit 
nahm. Das genannte Gericht beftand aus folgenden Perjonen: Frhr. 
Klemens Auguft von Lombed-Goudenau, Präfident;?) Pfingften, Ge- 
heimrat, Direltor; Lechenich, Biegeleben, Belger, Derfum, Müller, 
Daniels, Geheimräte. Bon diefen Räten hat v. Pelger von feinem 
„Exil“ aus einen regen Briefwechjel mit feiner Gattin unterhalten. 
Dieje Briefe, die für unfere Gejchichte einen großen Wert haben, find 
von jeinem Urenkel H. Hüffer in feiner Schrift: „Rheiniſch-Weſt— 
phälifche Zuftände zur Zeit der franzöfifhen Revolution” (Bonn, 1873) 
herausgegeben und mit vorzüglichen Exkurſen zc. verjehen worden. In 
der Einleitung des ausgezeichneten Schrifthens leſen wir (S. 8 f.): 

Am 4. Dftober 1794, einen Tag fpäter al8 der Rurfürft, vier Tage 
vor dem Einzuge der Franzojen, verließ Pelger feine Vaterftadt Bonn 
und langte nad) bejchwerlicher Reife, die damals nod) fünf Tage in An- 
ſpruch nahm, in Arnsberg an. Die wertvolfften Mobilien, Silber, 
Leinwand, fogar ein Klavier, waren in mehreren Verſchlägen bereits 
vorausgeſchickt. Die Fran mit der einzigen Tochter blieb zurüd, um 


1) S. 3. Jahre 1801, im übrigen vergl. 10. Abjchnitt. 
2) Er logierte im Landsberger Hofe (S. 407). 
30* 


468 Kurkölnische Zeit. Franzöfifche Zeit 


Haus und Befitungen jo weit als möglid in Schu zu nehmen.... 
Mit Arnsberg war jede Verbindung abgejchnitten; feinen Brief ließen 
die Franzoſen vom redten auf das linfe Ufer fommen. Erſt im 
nächſten Frühlinge, al8 durch den Baſeler Frieden Norddeutichland dem 
Bereiche der Friegerifchen Ereigniffe entzogen war, fonnte man ſich im 
einem häufigen Briefwechſel ein oft zwei mal wöchentlidy für die immer 
von nenem und fiber alles Erwarten verlängerte Trennung entjchädigen. 
Schon der Anfang des erjten Briefes jpricht die Hoffnung baldigen 
Wiederjehens aus, die nad) drei Jahren beim Schluffe des letzten nod 
nicht erfüllt war. Die ganze Zeit hindurd blieb Pelger in Arnsberg. 
Die fleine Stadt hatte durd die Menge der Flüchtigen aus 
Deuntjhland, Belgien und Frankreich ein ungewohntes 
eben und Ausjehen erhalten. Beſonders während des erjten 
Winters, ald man auf dem rechten Aheinufer nicht unmittelbar von 
dem Kriege zu leiden hatte umd die franzöfischen Eroberungen nod als 
vorübergehende Sriegsereigniffe betrachten fonnte, wußte der rheiniiche 
Frohſinn kleinere Widerwärtigfeiten von ſich abzujhütteln. Man unter 
hielt und freute ſich zuſammen, jo gut es anging. Peltzer fand in 
jeinem Freunde, dem alten Geheimrat Jakob Müller, dem Präfidenten 
von Goudenau, in den einheimischen Familien Arndts und Biegeleben 
und vornehmlid, in dem Abt des Kloſters Wedinghaufen, Franz Fiſcher 
(vgl. u.), erheiternden Umgang. In den folgenden Jahren verſchwinden 
die Fremden mehr und mehr, ftatt ihrer fommen die Schreden des 
Krieges. Nichts ift eigentümlicher, als die Lage von Arnd: 
berg in diejer Zeit. Bekanntlich bildete die Ruhr im Jahre 1796 
die zwiſchen Frankreih und Preußen vereinbarte Demarfations- 
(Waffenftillftands)- Linie. Nur durd die Nuhr von den feindlichen 
Heeren getrennt, jah man auf den gegenüberliegenden Wiejen die Soldaten 
mit Friegerifchen Übungen bejchäftigt, man hörte aus der Ferne den Donner 
der Kanonen und bald aus nächjter Nähe die Erzählungen von den 
Fährniffen und Trübſalen, die der Krieg mit ſich führte; alles dic, 
während man jelbft ſich unter preußiſchem Schute in vollfommener 
Sicherheit befand, freilih nicht ohne die Bejorgnis, die Fünftlich ge- 
ihaffene Grenze könne einmal wegfallen oder nicht beachtet werden. 
Endlic folgt dann der Friede von Campo Formio (1797) und nad) 
furzen, trügerifhen Hoffnungen das traurige Schaufpiel des Raſtadter 
Kongrefjes, wo Deutſchland, geteilt und niedergeworfen, die wertvollſten 
Grenzlande zu opfern ſich entjchliegen muß. Über alfe dieſe Ereignifje 
geben die nachfolgenden Briefe intereffante Bemerkungen ... . . Arns— 
berg war damals ein Ort, wo ſich mehr als in dem meiften anderen 


Aus Peltzer's Briefen. 469 


erfahren lief. Man ftand mit dem Nheine und mit Mergentheim, 
wo der Kurfürft fi) aufhielt, in vegem Verkehr; nad) Süddeutſchland 
reichten die Berbindungen mehrerer Mitglieder des Domfapitels, über 
Norddeutichland erhielt man Auskunft auf dem Hildesheimer Komvent 
und dur den preußiichen Gejandten, Herrn von Dohm. 

Wir heben aus Pelgers Briefen dasjenige heraus, was für die 
damaligen Verhältniſſe in Arnsberg bemerkenswert ift. 


179. 8. Juni. Es war fehr tröftend für mid), daß von den fünf 
Briefen, die ih an Dich (Pelters Gattin) gefchrieben, doc) wenigſtens einer 
angefommen. Der erjte Brief, den ich von Dir befam, war vom 2. März. 
— 68 ijt teuer bier, und die Herren Weftphälinger wiſſen ſchon bon ihren 
Mitbürgern vom Rhein zu profitieren. Indeſſen Din ich überaus gut logiert 
auf dem Mearfte, bei einem Herrn Hollenhorjt,!) unſer Tiſch iſt jehr 
gut bedient, befonders mit Butter, die viel beſſer ijt, als bei uns; mein 
Frühſtück ift jeden Morgen anders in Brod. Die Hausleute thun alles, 
bon dem fie nur don Weitem denken Zönnen, daß es mir fchmeichele. 
Daß Olpe abgebrannt, ift Leider allzuwahr. . . .. Wir werden auf unferer 
Nüdreife gezwungen fein, eine andere Route zu nehmen; auf unferer Hieher- 
reife war Olpe der einzige Ort, wo wir ein Bett und ordentliches Eſſen 
fanden. Es iſt hier jeto das fchönfte Wetter von der Welt, ich übe mich aljo 
im Bergklettern auf den biefigen herrlichen Spaziergängen; bie Gegend iſt 
ſchön, wenn aud) feine Rheingegend. Im Winter war e8 fürchterlich, der 
Kirchengang war mie ein Gletjcher; ich fann, wie Du weißt, auf dem Eis 
nicht gehen, meine Eisfhuhe waren vergefien, ich ſchwitzte alfo im Fältejten 
Winter, wenn id) in die Kirche ging. Dennocd bin ich der einzige von ung, 
der nicht gefallen ift. Bollich?) mußte den Weg alle Tage gehen, da das 
Domkapitel in der Abtei fpeifet, er ift dreimal häßlich gefallen und jego ganz 
jteif und niedergefchlagen. Frau Biegeleben danket für die guten Nachrichten. 
Sie iſt jeßo hier, und hat auf einige Zeit ihren Aufenthaltsort Brilon, wo 
vor vierzehn Tagen noch fußtief Schnee lag, und wo man aud) jet noch 
nicht viel Grünes fieht, verlafien. Sie haben fich daſelbſt außerordentlich 
ennujirt, wir aber hatten diefen Winter über die Woche einmal Ball, viermal 
öffentlich und dreimal private Gefellfchaft; im der öffentlichen, die ſehr zahl: 
reich war, wurde Pharao gefpielt um ſechs Stüber das Geringjte; während 
dc8 Landtags wurde die Bank mit 110 Garolinen gefprengt; nebjt dem waren 
noch vier bis fünf Tifche dafelbit; ich hatte meine partie fixe & l’hombre. 
Der Kurfürjt,?) welcher eine Zeit lang während des Landtags hier war, 
fpielte Pharao um ſechs Stüber. 





1) Jetzt Spindeldreher, Ede der Apothekerſtraße und des Altmarfts. 
2) Syndikus des Domkapitel. 

9) Wohl der legte Beſuch des Kurfürjten und alfo der lete Furfürft- 
lihe Bejudh überhaupt. Im Auguft 1793 hatte Mar Franz drei heitere 
Wochen in Arnsberg verlebt. Sein Quartier war auf dem Slofterberge, 
Eine gute Mufikfapelle unterhielt ihn und das Arnsberger Publikum an den 
lauen Sommerabenden. 


470 Kurkölniſche Zeit. Franzöfifche Zeit. 


16. Juni. Gejtern hatten wir bier im Haufe (Hollenhorjt) ein Fleines 
Feſt. Unfer Herr Wirt präfentierte uns recht guten Hochheimer Rheinwein. 
Wir tranken ſechs Bouteillen und wurden recht Iuftig, befonders cine bei 
uns fpeifende franzöfifche Nonne; wir ſaßen und lachten bis vier Uhr. Sonit 
ift das Elend diefer emigrierten Nonnen und Geiftlichen nicht zu bejchreiben. 
Die brabänd’schen Auswanderer ſtehen aber befier. E83 find zwei ganze 
Abteien männlichen Geſchlechts dahier. Die cine hat 18 Pferde bei ſich. Es 
mangelt alfo gewiß nicht an geiltlihem Trojt. Heute iſt wieder öffentliche 
Geſellſchaft; ich werde mir dein Bild bejtändig dor Augen ſtellen, um nicht 
in Berfuhung zu fallen; denn das ſchönſte Mädchen von Weftfalen, Made: 
moifelle Ley don Werl, kommt dahin. 

25. Juni. Ich fange an mich bier ziemlich zu ennujiven; denke ich 
aber an den zerrütteten Zuftand meines VBaterlandes, an die ruinierten Ge- 
bäude des Kurfürſten und andere Häufer und an unfere zukünftige dürftige 
Lage, fo grauet mir vor der Wicderfunft. Meifter Tilmann zweifelt gar, ob 
twir jemals zurüdtommen tverden, und macht allerlei Projekte. Geſtern pajfierte 
mir eine lächerliche, doch von Anfang für mic) fchredbare Aventüre. ch lag 
mit einem Buch an der Ruhr und fonnte mich. Bald war ich eingefchlafen 
und jchlummerte noch, als auf einmal mein ganzes Geficht naß wurde, und 
mir etwas Schweres auf dem Leib lag — es war der große Wildſchweins— 
hund des Hollenhorjt, welcher mic) aufgefucht Hatte, um mit mir wie ge 
mwöhnlich fpazieren zu gehen. Herr Geheimrath Biegeleben hat beim legten 
Scheibenſchießen einen artigen Preis ausgefegt: eine Denkmünze dom Jahr 
16%, wo ebenfalls fo wie jeßo nach dem Frieden ſehnlich verlanget ward. 
Hier will man den Frieden noch fern willen, und doc gehen viele Kölner 
und die meiften Brabänder und Lütticher fort. Nach Berichten bier anweſend 
gewefener Kölner und Bonner ſoll es in beiden Städten fehr jchlecht aus: 
jehen, doch viel mwohlfeiler als bier fein. Die Arbeit finde ich hier teuer. 
Ein paar Schuhe Eoftet zwei Reichsthaler oder einen Kronentbaler, ein Hemd 
zu waſchen ſechs Stüber. Jedoch letzteres gejchieht recht hübſch, man wäſcht 
hier weißer, wie zu Bonn. Auf die Arbeit der Handwerker muß man Monate 
lang warten, und bekommt man ſie, ſo kann man ſie kaum brauchen. 

3. Juli. Es iſt bier eine mißliche Sache um das Briefſchicken. Schickt 
man ſie auf die Poſt, ſo laufen ſie erſt auf Münſter, dann auf Düſſeldorf, 
dann auf Weſel und von Weſel nach Bonn. Freunde in Recklinghauſen ſind 
im Verlag von Poſtgeld; ich gebe ſie alſo jetzo dem Recklinghauſer Boten mit, 
der wöchentlich hierher kommt. Melde mir, wann Du mein Schreiben vom 
25. und diefes empfangen haft. Bier fährt es fort, recht Falt zu fein. Bor- 
gejtern habe ich bei Madame Guifez zum erjtenmal recht gute Erdbeeren ge: 
geſſen, ſonſten haben wir noch weder Zudererbjen noch dide Bohnen und 
nur borgejtern unreife Kirchen gehabt. Hier Ereuzen fi) die Reden vom 
Frieden fo durcheinander, daß ich garnichts mehr glaube, fondern unfer fünf- 
tige Schidfal in Geduld erwartet) Alles fängt an, bier mißvergnügt zu 
werden, und fehnet fich nach den jchönen Ufern des Aheines, ich bejonders 
nach dem einzigen Gegenjtand meines VBergnügens, welder an dem Geftade 


+) Wie ein roter Faden gehen Mitteilungen bon Frieden und Krieg 
durch fait fämtliche Briefe Peltzer's. 


Aus Peltzer's Briefen. 471 


diefes Lieblichen Flufies wohnt. Biſt Du vorwitzig, diefen Gegenjtand Eennen 
zu lernen, fo fiehe nur in den Spiegel. 

13. Juli. Alle unfere brabändifche Geiftliche, auch viele franzöfiiche 
und mit diefen alle unfere Nönnchen find fort. Hier find ſeit einiger Zeit 
viel gefangen geweſene Franzofen durchpaſſiert, alle brave Leute, die legten 
ausgenommen, welche in den Kirchen ihren Spott trieben, die hiefigen Kanonen 
bernagelten und allerhand Ingezogenheiten verübten. Sie wurden aber dafür 
durch den preußifchen KKorporalitod derb gezüchtigt. 

20. Zuli. Bei den Ständen haben wir jebo viel zu thun, doch find 
es ſüße Gejchäfte, weil fie auf den fünftigen Frieden viel Bezug haben. Bon 
Redlinghaufen bat man mich aufs Freundichaftlichite in den Ferien, welche 
bier erſt am 8. Auguft anfangen, invitiert, allein ich glaube, die Tandjtändifchen 
Geſchäfte werden die Reife verhindern. Geſtern endigte fich die mejtfälische 
Duartallonvention. Der Herr von Hörde (einer der bier ritterfchaftlichen 
Deputierten) hat mich bei feinem Abjchied recht dringend nad Schtwarzenraben 
eingeladen, doch entjchuldigte ich mich, daß man Hier Feine Pferde Haben 
könnte, und zu Fuß zu gehen, wären zehn Stunden zu weit. „Wenn dies 
alles ijt,* fagte er, „Jo jehide ich meine vier Pferde; fommen Sie nur.” Ka, 
dachte ich, das gibt für einen Ausgewanderten doch unnötige Koften. Diefer 
Herr, einer der reichſten Cabaliere, logierte bei ung. Bon Anfang dachte ich: 
das ijt ein Mann, der fich auf feine ſechszehn Ahnen und 60 000 Thaler 
Nevenüen etwas einbildet. Allein nachdem wir zum dritten Mal zufammen 
gewejen waren, ann ich glauben, daß er mich lieb gewonnen bat. Dieſen 
Morgen rief er mir noch aus dem Wagen: „Sch hoffe in Schwarzenraben 
fehen wir uns bald.” Diefes foll ein überaus prächtiges Schloß fein. Alles 
ift darin verguldet, alle Zimmer, fogar die Stiege mit Marmor oder Seide 
ausjftaffieret. 

3. Aug. Alle emigrierten Geiftlichen find beinah twieder fort. Arnsberg 
toird mithin ziemlich Teer. Die vorige Woche Hatten wir preußiiche Einquar- 
tierung bier, der Offizier logierte bei uns, ich nahm ihn mit in die Geſell— 
fchaft, wir fpielten in Kompagnie und verloren jeder fünf Zweiblaffertſtücke, 
worüber der Herr Preuß fich gewaltig beklagte. 

7. Sept. Mitten in das vierzigjtündige Gebet, jo wir um Frieden 
halten, erſcholl heute die Nachricht, daß die Franzoſen den Nhein bei Ürdingen 
pafjtert find. Mein Wirt brachte mir die Nachricht heute um fünf Uhr ans 
Bette. Den 11. hörte man eine jo fchredliche Kanonade, daß ein bor der 
Stadt am Abhange eines Berges wohnender Mann bange war, fein Häuschen 
möchte vom Zittern der Erde einfallen. Am 6. Okt. fängt bier der Landtag 
an; die Leute jtehen truppmeife auf den Gaſſen und kannegießern; fie fürchten 
auch unter fremde Herrichaft zu kommen. 


30. Sept. Domkapitel und Fremde Haben ihre Saden jchon im 
Preußiſchen. Ich aber Habe mich auf den Kurfürften verlafien, der feine zum 
Landtage bejtimmten Saden nod) hier läßt. 

5. Okt. Gejtern war Jahrestag unferer Neife nach Arnsberg. Arns- 
berg gefiel uns als etwas Neues, und den Winter brachten wir artig zu. 
Allein jegt find wir die Schönheiten, die ſich, wiewohl rar, hier befinden, ge— 
wohnt, 300 Fremde find weg, die Gefellichaften Klein, die Weftphälinger 


472 Kurkölnifche Zeit Franzöſiſche Zeit. 


gehen licher ins Weinhaus und fpielen Charmantillen, wobei fie drei bis 
vier Karoline veripielen können. 

18. DE. Diefe Nacht iſt Ejtafette von dem Richter zu Bilftein an- 
gekommen, daß die Franzoſen auf der Retirade und wirklich) zu Siegen und 
Crombach zwölf Stunden von hier feien. Sie plündern alles rein aus. Wir 
find alſo wieder in der größten Angſt. Müller und ich fchiden heute oder 
morgen unſere Sachen ins Breußifche, wie es dafelbit ergehen wird, fteht zu 
erivarten; für unfere Berfonen warten wir jedoch, ob die Gefahr näher kommt, 
da wir in Zeit von zwei Stunden auf preußifchem Boden fein können. 
Retirieren die Franzofen und die Kaiferlihen verfolgen fie, jo dürfte es bei 
Euch auch wunderlich ausjehen. 

P. 8. Montag den 19. Oktober. Unjer Schreden iſt vorüber. Es 
waren 700 als Hufaren gefleidete Marodeurs, die ins Nafjauifche fielen. 
Sie hatten Fein Schiefgemwehr, fondern nur Säbel; im Naflauifchen ſowohl, 
als im Kölnifhen wurde in allen Dörfern auf die Glode gefchlagen. Die 
Bauern rüdten mit Miftgabeln, Flegeln und dergleichen heraus. Als fie 
das fahen, flohen fie man weiß nicht wohin. In künftigen Fällen hat das 
Amt Biljtein allein fich erboten, 800—1000 gute Schügen mit guten Gewehren 
aufzujtellen. 

18. Nov. Zu Werl hat man eine Räuberbande aufgefangen, welche 
achtzehn Jahre hindurch ihr Handwerk getrieben Hat. Wir haben unfere 
Hufaren hinſchicken müflen, um fie zu bewachen. Uebrigens ift bier nichts 
Neues, als daß die Kühe von der Weide wieder in die Ställe zurüdgefehrt 
und die Schweine in der Maft find. Die erjtern wurden von den Inhabern 
solemniter an den Thoren empfangen. 

17. Dez. Heute war großes Feit hier; die Schweine famen aus der 
Maft. Man läutete deshalb eine halbe Stunde mit der Sturmglode und 
gleich darauf wimmelten die Gaſſen von Menſchen und Schweinen. 

17%. 7. Ian. Seit etlihen Tagen hatten wir Frühlingswetter, allein 
jegt fiten mir wieder in einen Arnsberger Nebel gehüllt, und diejes vermehrt 
mein Heimweh um ein Merklihes .... Hier wird jetzt fleißig gearbeitet, 
und find viele Zufammenkünfte in Gefchäften: die hiefige Kanzlei, das Revi- 
forium, das Offizialat, die rheinifhen Stände, jego die weſtfäliſche Quartal— 
fonbention, und doch iit es ſtill. 

20. Yan. Zweifelsohne haft Du von dem Duell de8 Domherrn von 
Weihs in Wien gehört, worinnen er den Fürſten von Lichtenftein tot ge 
jtochen hat. Wenn die Sache ſich jo verhält, wie Briefe aus Wien melden, 
fo ift Weich8 ganz unfhuldig. Boriges Jahr war es fo lebhaft hier, dieſes 
Jahr fo ftill, daß man glaubt, man lebte auf einem Dorf. ES find aber 
aud) bei 300 Berfonen wieder nad Haus. 

31. Jan. Unfere Starnevalslujtbarkeiten find jeßt recht artig, Sonn: 
tag ift Ball, wo im Englifchen jedesmal bei 15 bis 20 Paare tanzen, viermal 
die Woche iſt auf dem NRathaufe und dreimal in einem Privathaufe Geſell— 
ſchaft; bei beiden wird Pharao gefpielt. Auf dem Rathaufe hält der Doktor 
Markus, in der anderen Gefellfchaft der Geheimrat Arndts und der Hofrat 
Biegeleben die Bank. 

9. Februar. Heißa Juchei! Hier gehet es Iuftig, recht Iujtig her; den 
ganzen Tag Höret man Violinen und Waldhörner und Juchſen der Leute. 


Aus Peltzer's Briefen. 473 


An acht Orten wird getanzt. Unſer Ball am Sonntag war recht fchön, ge- 
jtopft voll Masten und fchön illuminiert. 

13. Febr. Diefen Karneval war fein Frauenzimmer glüdlicher als die 
Sophie Bigeleben. Sie hatte zwei gehorfame Diener zur Aufwartung: Mon- 
sieur de Joie aus dem Lütticher Land und den Nichter Freusberg aus Bil 
jtein. Mit letzterem foll fie ſich am Freitag verſprochen und entjchloffen 
haben, nad Biljtein, ein wahres Sibirien, zu ziehen. Inzwiſchen ift der 
amant cin jchöner, junger, reicher Mann, der eine herrliche Bedienung hat. 

21. März. Ihr fchreibet lauter fröhliche Sachen, als wenn der Himmel 
voller Geigen binge, und bier werden wir durch lauter trübe Nachrichten er- 
ſchreckt. In Gefolge diefer wird die Demarkationslinie bis an die Ruhr alfo 
uns gegenüber gezogen. Die Franzofen haben die Ruhr unterjuchen lajien, 
ob fie ohne Brüden diefen Fluß pafjieren können, was leider an vielen Orten 
möglich ift. Man iſt alfo hier mehr in Angjt als jemalen. 

16. April. Während die Dichter ihre Saiten jtimmen, um die Friedens: 
göttin bis auf den Olymp zu erheben, fchallt nun und dann die Pofaune 
des Krieges fchredlich mit unter, fo daß man nicht weiß, ob es ein Lamen— 
tabile oder ein Allegro geben wird. Und diefes beleidigt meine Ohren jo 
fehr, daß ich lieber von Efeln und Katzen ein Tutti hören wollte. 

14. Juni. Wir haben das ganze kölnifche Poſtamt jeto hier, und doch 
gehen die Briefe unrichtig. 

29. Juni. Die Demarfationslinie geht bis an die Ruhr. 
Die Häufer uns gerade gegenüber, wie Bonn gegenüber Beuel, liegen aljo 
nicht in derfelben. Wir find alfo Streifereien ausgeſetzt. 

3. Juli. Die Franzofen follen wirklich in Olpe fein. Diefes, wie 
auch der größte Teil von Weitfalen, liegt außerhalb der Demarkationslinie. 
Diefes will der Kurfürſt nicht annehmen. Unfer Scidfal ift alfo nod) 
unficher. 

8. Juli. Wir waren bier wieder in großer Beforgnis, da die Frans 
zofen zwölf Stunden von bier marjchierten, allein fie find ruhig durd)- 
gegangen, einen Eleinen Exzeß haben die Offiziere fcharf bejtraft mit dem 
Ausdrud: Wiſſet ihr nicht, daß wir hier im Kölnifchen find? 

30. Juli. Unfere Neuigkeiten find, daß die Franzoſen in drei 
biefigen Ämtern, welche nicht in der Demarkationslinie liegen, fo ungeheure 
Requifitionen und Forderungen gemacht haben, daß, folche zu liefern, das 
ganze Herzogtum zu ohnmächtig iſt. Bon dem Amt Fredeburg haben fie 
eine Menge Weizen gefordert, und im ganzen Amt gibt es wenige Leute, die 
wiffen, was Weizen iſt. Die Stände haben fi an den König von Preußen 
gewandt und um BVermittelung gebeten. Domberr von Hörde ijt nad) Pyr— 
mont gefhidt, wo der König den Gefundheitsbrunnen trinkt. Er hat ſolch 
tröftlihe Antwort erhalten, dag fie auf Berminderung der Anforderung 
wenigjtens hoffen können. Der König hat dafelbjt dem Fürſten von Walded 
ſowohl, als auch öffentlich gejagt, der Friede würde in zwei, und, wenn die 
Engländer fi) noch ein wenig lenkten, in einem Monate fertig fein. Der 
Himmel mache diefes! Unſere Meubel find ficherer bier als bei Euch, denn 
ich fürdhte immer den Kehraus. 

Hier herrſchet jetzt eine jchredliche Plage: die Kühe werden in Menge 
raſend, zwanzig find jchon tot geſchoſſen und täglich werden neue wütend; 


474 Kurkölnische Zeit. Franzöſiſche Zeit. 


alle Hunde find eingefperrt, Diefe Woche ift eine große Prozeſſion auf cine 
1), Stunden von bier gelegene Hubertus:Kapelle (in Müſchede?) gegangen, 
wo ein feierliches hohes Amt gehalten wurde. An diefem Unglüd ift der 
Kuhhirt ſchuld. Diefer hatte einen Hund, der don einem rajenden Hund ge 
bifjen ward. Er wurde darüber avifiert, auch ihm von dem Bürgermeijter 
befohlen, den Hund zu töten, allein der Flegel unterlich es, nun liegt er 
jelbit frank, und der Medicus fürchtet die Wut. Die ganze Herde von 
200 Kühen foll angeſteckt fein. Dies Unglüd trifft viele arme Leute, welde 
bon einem Kühchen lebten, und num außer Stande find, ſich eine neue an— 
zufchaffen, da jetzo hier cine Kuh 40—50 Neichsthaler Eoftet. Matthias (ein 
Diener) war einmal mit auf der Kuhjagd, er ſchoß auf eine Kuh, traf fie aber 
nicht gleich tötlich, worauf die Kuh mit der größten Wut auf ihn anfam; wenn 
nicht ein anderer gleich fie getötet hätte, jo wäre er unglüdlich geworden. 

5. Aug. Die Wut unter den Kühen haltet noch beftändig an. 24 find 
ſchon eingefharrt und täglich fommen neue zum Borfchein. Diefe Woche war 
abermalen eine große Prozejfion, um Gott anzuflehen, uns vor fernerem Un: 
gemach zu behüten. Viele Leute trinken weder Milch, noch eſſen fie Rind- 
fleifch, doch dies iſt kindiſch. Alle Hunde find eingefperrt, woran Arnsberg 
jowie an Ejeln volkreich ift. Die Frau (Präfident) von Goudenau bat die 
Berdriehlichkeit, daß gerade dor ihrem Fenster die Kühe eingefcharret werden, 
und ich, daß in meiner Nachbarſchaft der Stall ift, two fie, um die Contumaz 
zu halten, eingefperrt werden. Die armen Tiere fchreien Tag und Nacht fo 
jämmerlich, daß einem das Herz im Leibe wehe thut. 

19. Aug. Die Plage der wütenden Kühe hält noch immer an. Schon 
über 40 Kühe find getötet und dies traf meijtens arme Leute. 

24. Sept. In unferer Nachbarſchaft gab es blutige Auftritte. Die 
Bauern find in voller Wut, haben vicle Taufend erfchlagen und große Schätze 
et Die Franzofen in Siegen haben ihren Berluft auf 2035 000 Livres 
geſchätzt. 

4. Nov. Die Nacht vom 2. auf den 3. Nov. war für Attendorn eine 
Ichredliche Nat. Die Franzoſen Famen plötzlich mitten in der Nacht ganz 
jtill herein, nahmen den Gografen wie auch den Bürgermeister Harnifchmadher, 
den General der Bauern, gefangen und gebunden mit. 

1797. 4. Jan. In den Feldern und Wieſen gibt c8 jett eine ge 
twaltige Menge Mäuſe. Hieraus prophezeien die hiefigen auf Vorgeſchichten 
jo viel haltenden Bergbewohner das baldige Erjcheinen fremder Truppen. 

20. Jan. Jetzt hören wir auch hier die Striegstrompete morgens bei 
der Reveille und abends bei der Retraite. Gejtern rüdte ein Detachement 
Preußen, 410 Mann Golzifhe Hufaren, hier ein. Sie haben die Fourage 
bei ji), der Soldat zahlt, der Offizier geht zum Rittmeifter fpeifen. Hollen— 
horſt befommt einen ledigen Lieutenant ins Quartier; die anderen find ver: 
heiratet. Ihre AUmazonen kommen aber exit heute nad. Die Truppen 
werden aber nicht lange bier bleiben, jondern mit Infanterie ausgewechſelt 
werden. Heute geht der Rittmeifter zu den Kaiferlichen, um fie zu Belangen, 
ih aus der Demarkationslinie wegzuziehen, weil nichts mehr geliefert würde. 

. 21. Jan. Heute ift dem Grafen Chriftian Königsegg fein bejtes Pferd 
gejtohlen worden. Es giebt gefchidte Pferdediebe hier. Schon das elfte, das 
gejtohlen worden, feit wir hier find. 


Aus Peltzer's Briefen. 475 


6. Febr. Die Preußen gehen wieder von hier, nur zehn bis fünfzehn 
Mann bleiben zurüd. Sie führen ſich gut auf. 

15. Fehr. Morgen verlaffen uns die Preußen und bleiben nur zchn 
Mann hier. Die Offiziere nehmen fein gewonnenes Spielgeld mit, fondern 
lafien noch eine gute Summe bier. 

1. März. Nun ijt der Karneval vorbei und die Faſten haben ans 
gefangen. Erſterer war hier recht brillant und luſtig. Dieje drei Tage fah 
man am Tag und Abends wohl bei ziweihundert Masken, wiewohl viele recht 
ſchmutzig. 

Am Sonntag war der Ball ſehr ſchön und die Muſik gut. Anfang 
und Ende wurden durch die preußiſchen Trompeter dem ſtaunenden Volke 
verkündigt, und zwar bei offenen Fenſtern. Am Montag war für vornehme 
Bürger bei dem Wirte Linhoff!) Ball, ebenfalls beim Schall der Trompeten. 
Gejtern war der Ball noch fchöner al8 am Sonntag; es wurde Bifchof ge- 
geben, ein Trank don Bordeaur-Wein, Zimmet und dergleichen. ch trank 
ein Glas für zwölf Stüber, allein er fchmedte mir wie Medizin. Nun muß 
ich Dir noch etwas von den Gebräuchen des hiefigen gemeinen Volkes beim 
Karneval melden. Den Donnerstag voraus gehen viele Buben mit Brat- 
ſpießen durch die Stadt und fingen, wie bei uns auf Martinsabend. An 
jedem Haus befommen fie etwas an den Spieß, an einem ein Stüd Wurjt 
an dem andern ein Stüd Sped oder etwas Fleiſch, und davon machen fie 
fi) Iuftig. Sonntags bei Anbruch des Tages gehen die Knechte in den Wald 
und laden viele Wagen mit Holz, diefe bringen fie in einer Reihe mit bor- 
bergehender Mufik in die Stadt und befommen für einen jeden Wagen bon 
ihrer Herrjchaft einen Reichsthaler. Montags verfanmeln fi die Mädchen, 
und wenn fie einen Junggeſellen zwifchenfriegen, ziehen fie ihm einen Schuh 
aus und beißen ihn in die große Sehe. Am Dienstag kommt die Neihe an 
die Junggeſellen. (Diefe Sitte iſt noch nicht ausgejtorben.) 

14. Juli, Die Hier in der Nähe liegenden Franzofen plagen die 
armen Bauern entfeßlih. Täglich ſehen wir Franzofen auf ſchönen, getaufch- 
ten Pferden — denn wo fie ein ſchönes Pferd finden, da taufchen fie es mit 
ihren Straden aus — in die Stadt reiten. Diefen fchleichen dann die armen 
niedergefchlagenen Bäuerchen mit geſenktem SKopfe nach und müflen ihnen 
Nöde, Kamifole, Schuhe, Strümpfe und Hüte Faufen und fie dann in den 
beiten Wirtshäufern herrlich traftieren. Die Preußen laffen fie ruhig gehen, 
aber bei dem geringjten Erzeh find fie bei der Hand. Jüngſt ſoff ein Kerl 
fi) voll, fing großen Tumult auf der Strafe und zog feinen Säbel. Allein 
ſechs bis acht Preußen ergriffen ihn umd führten ihn ganz jtill über die Ruhr— 
brüde, legten ihn in ein Heiligenhäuschen, wo er die Nacht unter Wind und 
Regen zubringen mußte, 

18. Juli. Mit der innigften Herzenswolluft und dem tiefften Dank 
zu unferm Gott melde ich Dir, daß der Friede zwifchen Teutfchland und 
Frankreich abgeſchloſſen iſt. (Solch falfche Nachrichten kehren häufig twieder.) 

19. Juli. Gejtern fand bier eine fleine Exekution ftatt unter den 
Preußen. Der, welcher fih an dem Bürgermeifter vergriffen hatte, befam 
48 Hiebe mit dem Hafelftod; das macht warm in der Hiße. 





1) Linhoff's Gajthof, Engl, Hof, war im jet Otto Schelle'ſchen Haufe. 


476 Kurkölniſche Zeit. Franzöſiſche Zeit. 


28. Juli. Heute haben die Franzofen uns jenfeitS der Ruhr einen 
Spaß gemacht; ein ganzes Negiment Kavallerie ererzierte auf einer Wieſe. 
Um fieben Uhr ging ich mit den beiden Töchtern des Geh. Rats Arndts vis 
à vis der Wieſe diesfeits der Nuhr, wo wir herrlich jehen fonnten. Das 
Manodeuvre war aber ſehr erbärmlich, die Muſik Fam der preußiſchen lange 
nicht bei. Die Franzofen fpeijten nad) dem Manoeubre auf der Wieſe. Das 
Haus Wodlum, dem Herrn von Landsberg, und das Haus Herdringen, dem 
Herrn don Fürjtenberg gehörig, mußten das Eſſen für die Offiziere, umd 
jeder Bauer für feinen Soldaten das Eſſen oft drei bis vier Stunden von 
bier geben und bringen. 

12, Aug. Am Donnerstag hatten wir eine brillante Gefellfchaft. Die 
Frau Herzogin von Aremberg war darin. Die Frau von Goudenau ſaß neben 
ihr mit fo edlem Anstand, daß ich mich recht darüber freute. Sie Eontrajtierte 
fehr mit den biefigen Dames. Diefe jtanden in der Ede, ſchüchtern und dod) 
mit underftändigem Stolze auf einen Haufen. Doch fie verjtanden alle Fein 
Franzöfifh. Welche Erziehung für adelige Frauenzimmer! Die Herzogin 
ſpielte hernach mit dem kurfürſtlichen Statthalter, Grafen Truchjen, dem 
Domdehant und dem Domberen vd. Mylius Wiſchke (Whijt ?), wir andern 
unſer geliebtes Pharao. 

16. Aug. Geſtern ijt die neue Ehefrau meines Hauswirts Hollenborft 
glücklich angefommen. Madame fagte mir: Gott, ich habe mich in eine große 
Laſt geſteckt. Neun lebendige Kinder, das habe ich nicht gewußt. (I) Inzwiſchen 
hat er eine gute Heirat gethan. Vorgeſtern jchidte fie den Brautwagen, 
zwei Kühe, zwei Ziegen, zwei Schweine, drei Hunde und einen Korb voll 
Hühner. Allein das Beſte fam noch, nämlich ein großer Leiterwagen, darauf 
fieben Koffer. Unter anderen eine große Kiſte mit indianiſchem Neſſeltuch. 

20. Dez. Die hier liegenden Preußen führen ſich ungemein gut auf. 

27. Dez. Die auf diefer Seite liegender Franzofen find im voller Be- 
wegung, dann marfchieren fie ab, dann fommen fie wieder... .. 

178. 15. San. Auf dem Lande außerhalb der Demarfationslinie 
werden die Leute außerordentlich geplagt. Jüngſt wehrten ſich zu Freienohl 
die Bauern, es gab viele Berwundungen . . . . Bon der Beration der Bauern 
profitieren aber die hiefigen Kaufleute, Wirthe und Bäder ſehr. 


28. Jan. Hier fürchten fie fehr, fie würden preußifch oder oraniſch 
werden. Auch redet man davon, e8 würde ein neuer Krieg zwiſchen Frankreich 
und Preußen ausbrechen. Preußen und Franzoſen fürchten fich ſehr davor. 
Hier gehen tie bei euch allerhand Reden über Krieg und Frieden. Dod) 
jtöre ich mich nicht daran und laſſe Gottes Waſſer über Gottes Land laufen. 

22. Febr. Die Franzofen find nun alle aus hiefiger Nachbarjchaft 
weg. Die Bauern find fehr froh... 

14. März. Nach deinem Briefe vom 5. dj8. Mts., welchen ich Heute 
befommen habe, jieht es aljo fehr übel bei uns aus. — Wann? Wann 
twerde ich einmal wieder mit Dir reden und Dir erzählen, wie oft ih an Dich 
gedacht und nach unferer alten Lage gefeufzt habe? 


Diefes war ber letzte Brief Pelger8 an feine Gattin. Am 
21. März ftarb er am Sclage in Arnsberg. Aus den folgenden 


Aus Pelger'8 Briefen. 1799—1801. 477 


Jahren liegen bei Hüjer vereinzelte Nachrichten vor, die wir gleich hier 
anjchließen. 

1799. Den 16. November morgens um drei Uhr brach bei 
ftarlem Dftwinde in der Behaufung des Adam Kirhof, fonft Hövels 
Haus genannt, eine fürchterliche Fenersbrunft aus, wodurd in kurzer 
Zeit dreißig Gebäude in die Ajche gelegt wurden. Mehrere der Ab- 
gebrannten bauten ſich auf der vor dem ehemaligen Klofterthor befegenen 
Breitenftraße wieder an. 

1800. Den 9. November erlebten wir einen fürchterlichen und 
Ihredensvollen Tag. Schon um neun Uhr des Morgens begann ein 
heftiger Wind, welcher fih am Nachmittage in einen der heftigften 
Stürme verwandelte, jo daß man gegen fünf Uhr des Abends, wo aud) 
der Fraftvollite Mann, ohne umgeworfen zu werden, die Gafje nicht 
mehr betreten fonnte, nicht anders glaubte, al8 daß die ganze Stadt 
augenblicklich zertrümmert darniederliegen würde. Das unaufhörliche 
Klingeln der Fenfter, das graufenvolle Raffeln der überall ftürzenden 
Kamine, das Entdecken der Dächer (mehrere, bejonders die mit Schin- 
deln bedeckten Häuſer wurden gänzlich abgededt) und mehrere andere 
ſchreckensvolle Begebenheiten ließen uns wenigjtens feine andere Ausficht 
übrig. Am jpäten Abend glaubte man aber ohne weiters, daß nunmehr 
die Stunde des völligen Untergangs gejchlagen habe. In einem, fast 
auf dem höchſten Punkte der Stadt ftehenden Haufe, brach plöglid in 
einem Kamine Feuer aus, welches gleichwohl dur die Heftigfeit des 
Windes fo hod) und fo ferne getrieben wurde, daß wir hierdurch weiter 
nicht gefährdet wurden. Inzwiſchen hatte Angft und Screden uns 
auf das fürchterlichite ergriffen. Verlaſſen, ftill und ſtumm ftanden 
wir in düftern Winkeln, und harrten eine uns jahrlang jcheinende 
Naht hindurch dem folgenden Morgen ganz betäubt entgegen, ſahen 
ung bei deffen Anbruch ſchüchtern nach unſern Nachbar um, und wie 
einer den andern, wie aus einer Totengruft hervorgefrocdhen, grüßte, 
glaubte ein jeder von neuem erjtanden und in eine andere Welt ver: 
jest zu jein. 

1801, 


Zuurfürftenwahl in Arnsberg. 


Am 27. Juli 1801 fegnete der Kurfürft Mar Franz auf Schloß 
Hetzendorf unweit Wien das Zeitliche. Das in Arnsberg refidierende 
Domkapitel, daS bereit3 in der Abwefenheit des Fürſten (sede impe- 
dita) die Aegierung geleitet hatte, fette feine Thätigkeit, nachdem der 
erzbifchöflihe Stuhl durch den Tod desjelben frei geworden (sede 


478 Kurkölniſche Zeit. Franzöſiſche Zeit. 


vacante), fort. Es nahm bald darauf Bedacht, dem Yande einen 
neuen Regenten zu geben und bejchloß, in Arnsberg die Wahl desjelben 
vorzunehmen. Laſſen wir das Nähere von Hüjer (S. 85) erzählen, 
der als Augenzeuge dem feierlichen Wahlafte beigewohnt Hat. 

Es beftimmte hiezu (zur Wahl) den 7. Dftober des Jahres 1801, 
nachdem es ſich zuvor zu diefem Ende von Sr. Majejtät des teutjchen 
Kaijers einen Wahl-Commiffar erbeten hatte, welcher dann aud in der 
Perjon des Grafen von Sclider, zwei Tage vor der wirflihen Wahl, 
nämlih am 5. Dftober, unterm Donner der Kanonen und Paradirung 
des Militairs dahier und zwar in dem Landsbergiſchen Hof jeinen Ein- 
zug hielt. Am 6. fuhr der Graf als Faiferliher Wahlbotjchafter in 
einem glänzenden Zuge zu der Domfapitularijchen Aefidenz, welde in 
der Abtei Wedinghaufen aufgejchlagen war. Am 7. wurde dafelbft die 
Wahl vollbradt, und ein Prinz aus dem durdlaudtigften Erthaufe 
Dftreihs, Erkherzog Anton Bictor, nachdem hödjjtderjelbe ſchon 
am 9. de3 eben verflojfenen Monats September zum Fürftbiihof zu 
Münfter ernannt war, zum Kurfürften von Cölln erwählt. Der faijer- 
liche Geſandte erhob ſich darauf in einem feierlihen Zuge, welchen die 
dahier anweſende weſtphäliſche Nitterfchaft durch ihre Gallawagen und 
reichlich gekleidete Dienerfhaft verherrlichte, unter Begleitung des 
Militairs und Paradirung der Hiefigen Bürgerſchaft, aus dem von 
Landsbergiihen Hofe zu der abteilihen Kirche, wo das hohe Erk-Dom- 
fapitel verfammelt war, um die Wahl Namens Sr. kaiſerlichen Majejtät, 
als des Reichs Oberhauptes zu beftätigen. Hier wurde die Wahl, 
während der mehr bejagte Faijerliche Botjchafter fi unter einem oben 
auf dem Chor errichteten prachtvollen Baldachin niedergelaffen Hatte, 
durch den Domkapitular von Franzen, am Fuße des hohen Altars feier: 
(id) proffamirt, von dem faiferlihen Geſandten beftätigt, und demnächſt 
den anmwejenden hohen und niedern Standesperjonen von der Kanzel, 
dem entfernten Bublifum aber durch den feftgefegten Donner der Kanonen, 
welche de8 Endes auf dem Scloffe und dem gegenüber liegenden Berge 
aufgepflanzt waren, verfündet. Der Zug ging demnad) in der nämlichen 
Ordnung, worin er ſich erhoben hatte, zurüd, und nun wurden dem 
faijerlichen Abgeordneten, jowie dem hohen Domkapitel Beweije des 
Danfes und der Ehrerbietung dargebradjt, welche höchjtdiejelben von 
einer landjtändifhen Deputation, den hiefigen Yandesjtellen und dem 
Stadtrat hierjelbft, gnädig auf» und anzunehmen geruhten. Am Abend 
war die ganze Stadt erleuchtet, wobei zugleich die auf den Haupttraßen 
aufgejtellten Pechkränze die dunkle angenchme Naht gleihjam in einen 
helfen Zag verwandelten. Beſonders ſchön und glänzend nahm fich die 


Der Kölner Domfchab. 479 


an dem auf dem hiefigen Markte ftehenden Wafferbrunnen angebrachte 
Erleuchtung aus. Einige taufend, in Schönen Figuren gereihte Yampen, 
rifjen einen jeden zum ftaunenden Anbli Hin; in der Spike erblidte 
man den vergoldeten Kurhut, und unten waren finnreiche Inſchriften 
angebraht. Alles taumelte in Freuden und beſchloß unter lauten 
Wünſchen für eine lange und beglüdte Regierung des durchlauchtigſten 
neuen Regenten diejen feitlihen Tag. Am 8. wurde von dem hohen 
Domkapitel ein freier Ball auf dem hiefigen Nathaufe gegeben. Da 
aber die Bürger von Arnsberg groß und Elein wegen Enge des Naumes 
an demjelben feinen Anteil nehmen Fonnten, fo wurde diejen, da fie 
während der Wahl unter Gewehr getreten waren und während der 
treierlichfeit paradirten, von den Landesjtänden ein Freudenfeft auf dem 
hiefigen Brüdenplag, und von dem Domkapitel ein bejonderer Ball, 
welchem die hohen Mitglieder in Perfon beizuwohnen geruhten, auf dem 
hiefigen Rathaus gegeben. — Der neu gewählte Kurfürft trat aber die 
Negierung nicht an, da der Reichs-Deputationshauptſchluß von 1803 
das hiefige Land dem Landgrafen von Heſſen-Darmſtadt zuteilte. 


Der Kölner Domſchatz in Arnsberg, 

Am 30. September 1794, einige Tage vor dem Einmarjc der 
Franzojen in Köln, nahın das Domkapitel darauf Bedacht, die Schäte 
des Domes in Sicherheit zu bringen. Man beichloß, den Reliquien- 
ſchrein mit den hf. drei Königen nad) Wedinghaujen zu ſchaffen, wohin 
eben auch das Domkapitel flüchtete. Uber den Transport wird folgen: 
des erzählt :*) 

Der Allfendorfer Fuhrherr Simons vermittelte einen Tebhaften 
Handelsverfehr zwiſchen dem Sauerlande und den rheinifhen Städten. 
Einjt, als fein Knecht wieder mit ſechs oder fieben Wagen in Köln 
war, wurde derjelbe von einem unbekannten Herrn aus der Wirtichaft 
gerufen und gebeten, nachts um zwei Uhr zu einem wichtigen Trans- 
porte an der Schiffsbrüde mit zwei Wagen zu halten. Zur genannten 
Stunde erjdien der Unbekannte, ein Domherr, mit Leuten, die den 
hl. Schrein trugen. Jetzt wurde der Knecht eingeweiht und zu ftrengftem 
Schweigen und größter Vorficht verpflichtet. Noch Hatte er die Mitte 
der Schiffsbrücke nicht erreicht, als bereits franzöfiiche Kugeln an feinem 
Kopf vorbeipfiffen. Eilends hieb er auf die Pferde ein umd erreichte 
glücklich Deus. Nun verlief die Fahrt ohne Störungen, und nad) 
einigen Tagen langte das Fuhrwerf vor Wedinghaufen an. Der Abt 


2) Freundliche Mitteilung des Herin Dr. Höynd. 


\ 
\ 


480 Kurkölnifche Zeit. Franzöfifche Zeit. 


(ohnte den Knecht, indem er ihm fo viele Kronthaler in den aufgehaltenen 
blauen Kittel warf, als er tragen Fonnte. 

Der Aufbewahrungsort der 5. Neliquien war niemand befannt, 
als dem Generalvifar von Caspers, der den foftbaren Schag mit treuer 
Sorgfalt hütete. (Podlech, Geſch. der Erzdiöcefe Köln S. 525.) Mit 
Genehmigung der hefjen-darmftädtiihen Regierung Tieß diejer fie im 
Dezember 1803 nad) Deuß bringen, wo der Pfarrer Marx fie in Em- 
pfang nahm und unter unbejchreiblihem Jubel der Bevölferung nad) 
Köln an ihre vormalige Auheftätte übertrug. (Weftfälifcher Merkur 1895, 
7. Yan.) Der funftvolle Reliquienfchrein war jedod, in mehrere Zeile 
zerlegt, von Wedinghaufen nad) Frankfurt geflüchtet worden, von wo 
er erft jpäter arg beihädigt nad) Köln zurücdgebradht wurde. Von den 
übrigen ebenfall8 geflüchteten Schägen ging das Meifte verloren. In 
Frankfurt wurde im Jahre 1802 aus ſechszehn Kiften für 15000 
Gulden verfauft; anderes in Prag für 12000 Gulden veräußert, der 
Neft in Darmftadt für 12000 Gulden eingejhmolzen. Die wertvolle 
Bibliothek und das Ardhiv des Domfapitel3 waren ebenfalls nad 
Wedinghaufen geflüchtet worden und blieben dort bis 1813, wo fie 
auf Befehl des Großherzogd von Hejjen nad) Darmftadt gebracht wurden. 
Das Archiv wurde teilweife 1816, der Reſt 1853 zurüdgegeben und 
dem Provinzialardiv in Diffeldorf einverleibt; die Bibliothek kam erjt 


\ 1867 nah Köln durch Prozeßentſcheidung zurüd, (Podlech a. a. D.) 


Achter Abſchnitt. 


Das Kloſter Wedinghaufen und das Gymnaſium 
Laurentianum in der kurkölniſchen Zeit.!) 


Reihenfolge der Pröpſte und Äbte, 
Überſicht bis 1643. 


Aus der Älteren kurkölniſchen Zeit ift uns über die Geſchichte des 
Kloſters faum mehr befannt, als die Namen feiner DVorjteher. Der 
befferen Überficht wegen wollen wir diejelben hier zufammenftellen und 
jo die ©. 115 aufgeftellte Reihe der Pröpfte und Übte von Weding- 
haufen vervolfftändigen. Der legte dort genannte Propft war Gottfried 
von Plettenberg. Seine Nachfolger find:?) Bernhard (1385), Arnd 
dey Wolf (1404), Gerwin von Schüngel (1407), Herbord von 
Meinershagen (1457), Wedelind von Plettenberg, Johann 
Meßen?) (1495) und Johann Bod. Der folgende Bropft, Adrian 
Tütell, wurde auf einer Kapitelsverfammlung 1518 durd) den Ordens— 
general veranlaßt, den feit 300 Jahren von den Kloftervorftehern in 
Wedinghaufen nicht mehr geführten Titel eines Abtes wieder anzunehmen. 
AL Äbte fungierten: Adrian Tütell 1518—31, Hermann Lilie 
bis 1550, Johann Stodhaujen — 1555, Michael Brandis 
— 1581, dann nad) faft jiebenjähriger Sedisvafanz Johann Köfter 
1587—1610 und wiederum nad) dreijähriger Zwijchenzeit Gottfried 
Reihmann 1613 —43, Theodor Kellner — 1649, Yambert 
vn — 1653, Heinrid Koh — 1663, Michael Reinharg 








) Quellen ſ. ©. 94 und Weiter unten. *) Tüding a. a. O. ©. 53. 
2) „Koh. Meßen (1486— 1511) reformierte unfer Klojter und Hinterließ 
jehr viele Annotationen, die er mit der größten Mühe zufammengefucht hatte.“ 
(Klofterchronift.) 
Fo aur, Geſchichte Arnsbergs, 31 


482 Kurkölnsche Zeit. Wedinghaufen und Gymnaſium. 


bis 1688, Norbert Bider — 1715, Karl Bergh — 1724, 
Hermann von Ajheberg — 1726, Nikolaus Hengesbad 
bis 1736, Adrian Höynd — 1749, Ludwig Leine — 1770, 
Norbert Engelhard — 1781 und Franz Fiſcher bis zur Auf- 
hebung der Abtei 1803. Die meiften diefer Äbte waren vorher Prioren 
zu Wedinghaufen, nur Gottfried Reichmann war Prior zu Knechtſteden, 
Lambert Topp Propft zu Delinghaujen, Heinrich Koch Propjt zu 
Rumbeck, Theodor Kellner und Nik. Hengesbad Pfarrer zu Werl, 
Norbert Engelhard Pfarrer zu Baujenhagen. 

Die widhtigften Ereigniffe aus dem älteren Teile diefer Periode 
find bereit3 in der Geſchichte der Stadt und de8 Schloſſes berührt 
worden.) Dies find die Kämpfe der Konventualen gegen die Ein- 
führung der Neformation. Der erjte Verſuch unter dem Kurfürften 
Hermann V von Wied wurde von dem Abte Hermann Lilie?) abgewehrt. 
Einen viel ſchlimmeren Stand hatten die Klofterbrüder Gebhard Truchſeß?) 
gegenüber, umjomehr, als Wedinghaufen damals ohne Abt war. Sie 
blieben aber jtandhaft und tapfer; ja fie hatten fogar den Mut, in der 
Nachtzeit das Edift der Neligionsfreiheit von der Kirchenthüre zu reißen, 
das auf Gebhards Befehl dort angejhlagen war. Jedenfalls ift die 
gänzliche Erfolglofigfeit der Meformationsverfuhe in Arnsberg vor- 
nehmlic auf den Einfluß der Norbertinermönde zurüdzuführen. 

War nun auch Wedinghaufen aus diefen Kämpfen unftreitig als 
Sieger hervorgegangen, jo hatte es doch unter den Bedrüdungen feiner 
Gegner furchtbar leiden müffen. Faſt ein Fahr lang war der fatholijche 
Gottesdienst verboten, und erjt nad) Gebhards Sturze fonnten die Nor- 
bertiner wieder in ihr vermwüftetes Eigentum zurüdfehren. Die Ber: 
waltung des Kloftervermögend hatte Truchjeß einem feiner ergebenften 
Bertrauten, Namens Sybel, übertragen. „Die Nüdfehr der Slofter- 
brüder, obwohl lange erjehnt, war doc) eine traurige. Die Kirche, wüſt 
und leer, [ud nicht zum Danfgebete ein für die glüdliche Heimfehr; 
und die Kloftergebäude, verfallen oder abſichtlich zerftört und aus- 
geplündert, boten weder ein Nachtlager noch Speije und Trank für die 
Reiſemüden.““) Erft nad) beinahe fiebenjähriger Vakanz wurde ein 
neuer Abt gewählt, Johaun Köfter. Zu dem Jahre feiner Wahl 
im Jahre 1087 findet fic beim Klofterchroniften eine Bemerkung folgen- 

) Diejer Abfchnitt ift überhaupt mehr als Ergänzung der früheren 
anzufehen, da eine vollftändig getrennte Behandlung der Kloſtergeſchichte un: 
möglich war. 

2) ©. 200. °) ©. 212 ff. 

) Pieler, Arnsberg ©. 85. 


Schidjale bis 1643. Pilkmann. 483 


den Inhalts: Im Oftober 1587 ftarb unfer geliebter Mitbruder Adrian 
Schultes, Paftor zu Hüften, der dort jeit 1552 Pfarrer gewejen war. 
Sein Tod mußte für den Orden fehr bitter fein... Als der Kurfürft 
Ernſt einft bei Tijche mit dem übrigen Herren über den traurigen 
BZuftand des Klofters ſprach, ſchloß man darans, man müſſe es den 
Bätern der Geſellſchaft Jeſu übergeben. Als der am Tiſche aufwartende 
Page d'Elguſt aus Lüttich diefe Bemerkung hörte, fagte er mit großer 
Kühnheit: „Durchlauchtigſter, ich habe eine große Luft zu diefem weißen 
Orden umd zu diefem Orte." Der Fürft antwortete: „So foll Dir 
denn das Klofter Wedinghaufen gefchentt fein!” Der Page wurde hier 
angenommen und eingefleidet, Icbte jehr fromm und wurde 1622 Propſt 
in Rumbeck. Der Chroniſt berichtet dann weiter: 1602 war hier die 
Zudt gänzlich zerfallen. Deshalb ſchickte der Abt von Steinfeld, 
Balthajar Panhuſen, feinen Prior Chriſtoph Pilfmann hierher, um 
die Disziplin wieder herzujtellen, und zwar auf befonderen Auftrag 
unjere8 Ordensgenerals, Herin a Longo Prato, Abt zu Prämonjtrat. 
Diejer verjammelte alle Wedinghäufer Brüder im Kapitelhaufe, las feine 
Kommiſſion vor, hielt eine trefflihe Anrede und ordnete alles Nötige 
an. Auch brachte er drei Brüder von Steinfeld mit. Einen machte 
er zum Prior. Die drei machten in der Reformation ſchlechte Fort- 
jchritte, weshalb fie nad) Steinfeld zurüdfehrten. Pilkmann wurde 
num nochmals hinberufen und „handelte wie ein Mann“. Da jedod) 
der Abt von Steinfeld im Jahre 1606 ftarb, mußte er abreifen. Er 
wurde jelbjt zum Abte gewählt. 1610 ftarb auch Köfter; an jeine 
Stelle wurde der tüchtige Prior von Knechtſteden und Lizentiat Neid) - 
mann gewählt, welder dag SKlofter wieder hob. — Seibertz (Weſtf. 
Beitr. II, 61) erzählt von Pilkmann folgendes: 

Chriſtoph Pillmann,t geboren zu Bonn, um 1550, trat zu Stein= 
feld in den Orden des heil. Norbert. Nachdem er mehrere Kahre in diefer 
Abtei gelebt und ſich durch feine ausgezeichnet exemplarifhe Aufführung 
einen nicht geringen Namen im Orden erworben hatte, ging er auf Ber- 
langen de8 damaligen Prämonjtratenjer-Abtes in Strahof, nachherigen 
Biihofs von Prag, mit mehreren Brüdern nad) diefer Stadt, um die in 
jenem Kloſter durch die früheren Huffitiichen Religlonsunruhen fajt ganz 
gefunfene Disziplin mwiederherzujtellen. 

Der gute Erfolg, mit dem er diejes beiverkitelligte, bervog fpäter (gegen 
1584) den Eölnifchen Erzbiſchof Ernſt von Bayern, ihn durch den Steinfelder 
Abt Balthafar als Prior nah Wedinghauien bei Arnsberg berufen zu laſſen, 
indem auch diejfe Abtei durch die Religionsneuerungen des Kurfürjten Geb- 
hard Truchſeß in ihren moraliichen Grumbdfejten jo erjchüttert war, daß fie 


2) v. Steinen, Wejtfäl. Geſch. St. 30 ©. 1242 Not. Hartzheim bibl. 
Colon. p. 58. 
31* 


484 Kurkölnifche Zeit. Wedinghaufen und Gymnafium. 


durchaus einer Reformation bedurfte, die man niemandem fo ficher anvertrauen 
zu können glaubte, als Pillmann. Er rechtfertigte auch wiederholt die gute 
Meinung, die er früher von ſich begründet hatte. Jedoch dieiesmal nicht jo 
leicht, al8 in Prag, two die Heftigfeit der durch Huflens Neuerungen gereizten 
Gemüter Schon dur eine lange ruhige Zeit gebrochen war. Nur mit 
äußerjter Anjtrengung, ja einigemal fogar nur mit Gefahr feines Lebens, 
war er imfjtande, durch feine jtille Manier den überall aus den Ufern ge 
tretenen Strom in das alte Bett wieder einzulenten und dadurd) der Abtei, 
als joldher, ihren vorigen Glanz zurüdzugeben. 

Durch dieje ſchwierigen Berhältniffe, gleichſam wie Gold im Feuer ge 
läutert, wurde er den Seinigen immer teurer, wie fie auch jpäter dadurd 
zu erfennen gaben, daß fie ihn nad dem Tode des Abtes Balthafar am 
19. November 1606 zu deilen Nachfolger in Steinfeld wählten. Mit großem 
Widerjtreben nahın er die neue Würde an; denn die jtille Einfachheit feines 
Auperen, die Hare Sittenreinheit feines Lebens und die gewiſſenhafte Strenge, 
mit der er des Ordens Regeln beobadtete, machten ihn aufgelegter, in be 
jcheidenem Beifpiel den Brüdern vorzuleuchten, als fie im Glanz der Inful 
durch Eräftige Würde zu lenken. Auch ließ er fich durch feine Erhebung, 
nachdem er fie einmal zugelaflen, nicht bethören, jondern blieb fich gleich. 

Nach Köfters Tode blieb die Stelle des Abtes wieder drei Jahre 
unbejett, wohl deshalb, weil fein geeigneter Nachfolger im Konvente 
war. Auf Bitten der Brüder fam endlich der Abt von Knechtſteden, 
Kremer Hilger, mit dem Prior Neihmann hierher, um bei der Wahl 
den Vorſitz zu führen. Dieje fiel einftimmig auf Hilger Begleiter. 

Gottfried Neihmann, durd Sittenreinheit, Arbeitsfamteit 
und Gelehrſamkeit ausgezeichnet, hat dreißig Jahre lang (1613— 1643) 
in einer jchweren Zeit dem Klofter vorgeftanden und in ihm die Grund: 
lagen für eine neue Entwidelung, ein neues Aufblühen gefchaffen. Die 
Univerfität Köln ehrte ihn durd) Verleihung des Doktortitel. Kurfürſt 
Ferdinand ernannte ihn zum geijtlihen Kommiſſar für Erhaltung und 
Förderung des kirchlichen Sinnes unter dem weftfälifchen Klerus. „Nod) 
im Jahre 1613") vifitierte Neihmann das Klofter Delinghaujen, 
welches die Nonnen gerade damals in ein freiweltliches Stift umzu- 
wandeln juchten. Im folgenden Jahre beſchloß unjer Abt, in Ber 
bindung mit denen von Knechtfteden und Steinfeld zum Ordensgeneral 
zu reifen, um ihn von dem traurigen Zuftande mancher Klöfter im weit 
fäliſchen Kreife zu unterrichten und um Abhülfe zu bitten. Der General 
ftellte ihnen im Juni 1613 Vollmacht zur Bifitation aus.“ 

Reichmanns Wirkſamkeit verdient um jo größere Anerkennung, 
al8 zu jeiner Zeit Krieg und Peſt fürchterlich wüteten. Wir brauchen 
bier nicht früher Erzähltes zu wiederholen. Unter anderem hatte 


1) Tüding a. a. DO. S. 56. 


Abt Reichmann. Gründung des Gymnafiums, 485 


unfer Abt auch Beckermanns Überfall!) zu beftehen und mußte ihm 
Wedinghaufen preisgeben.?) ZTroß jo gewaltiger Hemmniffe trug ſich 
Neihmann noch im hohen Alter mit der Gründung eines Gymnafiums 
und that dazu bereit die erften Schritte. 


Die Gründung des Gymnafiums Laurentianum (1643).?) 


Am 3. Juni 1643 ftarb Abt Neihmann im 60. Jahre. Die 
Wahl des neuen Abtes z0g fih bis zum Dftober hin. Zu Anfang 
diefes Monats begab fi, fie zu leiten, Yeonhard Teveren, Abt von 
Knedtfteden, nad Wedinghaufen, wo am 3. DOftober, um 9 Uhr 
morgens, im Kapitelhaufe von den anwejenden fünfzehn Konventualen 
Theodor Kellner zum Kloftervorfteher gewählt wurde. Schon vier 
Tage nachher begab fi der Kellner (Pater cellerarius) von Weding- 
haufen, BPhilippus Wernefingh, auf Teverens Geheiß zum Bürger: 
meifter der Stadt Arnsberg, Kaſpar von Effen, und gab demfelben im 
Auftrage feiner VBorgejetten befannt, daß das Klofter gewillt fei, in 
Wedinghauſen eine höhere Schule bis zur Rhetorika einſchließlich zu 
gründen, wenn die Stadt bereit wäre, einen jährlichen Zuſchuß von 
50 Rthlen. „zur Unterhaltung einer Berfon” zu bewilligen. Der 
Bürgermeifter berief nun auf den folgenden Tag den „großen Nat” 
(S. 280). Während der Situng erſchien Dr. v. Schultheiß (S. 263) 
mit dem Kellner von Wedinghaufen. Die Verhandlungen führten zu 
folgendem Ergebnis: das Klofter verzichtete auf den geforderten Zus 
ſchuß, die Stadt erklärte jid) bereit, beim Prälaten von Knechtfteden 
um die Gründung der Klofterfchule zu jupplizieren, mit dem Zuſatze, 
daß dieſe „supplicatio, wie den auch translatio scholarum sine 
damno et praeiudicio der Statt allerdings gefchehen ſolle“, d. h. es 


1) Bol. ©. 329-—365. 

2) Im Jahre 1641 wurde der Ordensbruder Peter Konradi, Pfarr: 
berwalter in Bremen bei Werl, von einem Soldaten erjchoflen, als er die 
Kirche gegen die Raubgier der Helfen jchügen wollte. Er wurde im Umgange 
des Kloſters beigejegt. Sein Grabjtein erhielt folgende ſchöne Inſchrift: 

Fregisti petram glans heu! inopina sclopeti, 
Conradi tergum dum male cauta petis. 

Gloria prima stolae tibi candide candida vita, 
Sed melior proprio sanguine tincta stola. 

(Ad, unverjchens durchbrachſt du, Kugel der Flinte, den Fels, indem 
du undorfichtig Konrads Rüden ereiljt. Der erjte Ruhm der Stola war dir, 
Reiner, das reine Leben; aber jchöner noch ijt die Stola, mit dem eigenen 
Blute gefärbt.) 

®) Die bezüglichen Altenjtüde find von mir in der FFeitfchrift zum 
Gymnaſial-Jubiläum 1893, ©. 31 veröffentlicht. 


486 Kurkölnische Zeit. MWedinghaufen und Gymnafiumt. 


jollte aus der Bittjchrift und der „Verlegung der Schulen” der Stadt 
fein Präjudiz und Nachteil erwachſen. Um dieſes Bedenken der Väter 
zu verjtehen, muß man wifjen, daß die Stadt jelbjt eine Schule unter: 
hielt mit zwei weltlichen Yehrern, einem Rektor und einem SKonreftor 
(ludimagister). Der Konrektor unterrichtete die „Germaniften“, der 
Vektor die „Yatiniften“, d. h. Yateinfchüler; es war aljo cin Etüd 
Gymnaſium mit der Arnsberger Volksſchule verbunden.) Diejen An- 
jat mag diejelbe erhalten haben nad dem Eingehen der alten Kloſter— 
ſchule. Denn daß Wedinghaujen in den früheren Zeiten eine höhere 
Schule unterhalten hat, kann nah dem oben Geſagten (S. 110) nicht 
in Zweifel gezogen werden. Die alte Schule war vielleicht in den 
unruhigen Zeiten des Fauſtrechtes untergegangen, vielleicht aud in- 
folge der reformatoriihen Wirren; jedenfall® war im Jahre 1600 
feine Schule mit Wedinghaufen verbunden. So hatten die Stadtväter 
Bedenken wegen ihrer eigenen Bildungsanftalt. Thatſächlich entjtanden 
dem auch nad) der „Verlegung“ Mifhelligfeiten, die dadurch beglichen 
wurden, daß die Infima, die unterjte Kaffe, von der Kloſterſchule ab: 
getrennt und mit der Stadtjchule verfnüpft wurde, bei der fie bis 
1700 verblieb. 

Schon am Morgen des 9. Dftobers legte der Bürgermeijter die 
Supplieatio an den Abt von Knechtſteden den Ratsherren zur Unter— 
ihrift vor. Am Nachmittage wurde diejelbe dem Abte von einer 
Deputation, beftcehend aus den Bürgermeiftern von Eſſen und Gräß 
und dem Dr. Schultheiß, überreicht. 


Quod felix faustumque sit! 

Hochwurdigh, Andechtigh, Hochge Ehrter Her Prälat, 

Ew. Hochw. fein Unſere geflieſſene Dienſte zu beuor, Und mogenn 
demnegſt Deroſelbenn dienſtlich nit Verhaltenn, waſſgeſtaldt Vor dieſem bey 
lebzeitten des Seligenn Hern Abtenn Undt Praelaten dieſes Cloſters 
Wedinghauſenn, bey demſelben wihr angehalten, damitt zu beſſerer Unter— 
weiſungh Undt Aufferziehungh nitt allein dieſer Statt, Sondern auch negſt 
Umbliggender Orther bluender Jugentt, die Schule Anfänglich usque ad 
Rhetoricam inclusine Ins Cloſter Wedinghauſen fundirt Undt transferirt 
werdenn mögte, worauff dann auch So weitt mitt demſelben Weiters Unter— 
handelet Undt geſchloſſenn, daß wenn nicht der Unverſehener todtlicher Hin— 
tritt einen Anſtandt Verurſachett, Vermuthlich zu gewunſchetem effeet, dieſe 
Unſere Intention bereittz getrieben undt Vollenzogenn were. 





1) Solche Schulen biegen Trivialſchulen. Die Germaniſten lernten 
Leſen, Schreiben, Rechnen und Religion. Am Unterrichte im Lateiniſchen 
nahmen hauptſächlich diejenigen teil, die ſich zu den höheren Studien und 
Ämtern vorbereiteten. Bon einem Gebildeten verlangte man kaum mehr als 
die Kenntnis von etwas Latein. 


Die Gründung des Gymnaſiums. 487 


Weillen Nun aber bey diefem Unferem Borhaben Allnoch Wollmeintlich 
bejtehenn, Auch mhberentheils diefes Stattleins Einwhonere Undt durch die 
In Vor Iharenn Unterjchiedtlich hochſchädtliche Ausgeſtandene Undt erlittene 
brandtichaden auch Kriegspreffuren, Unterfommene Bürgere, wellche Gott der 
Allmechtigh mitt Kindern begabett, die Mittell nit habenn Anderwerts Uff 
Academien Undt Schulenn diefelbe zum jtudiren zu Berjchidenn, Undt da- 
durch) Viele trefflihe Angenia, leider Berabfäumett, Undt die Jugent zu 
ſchlechtenn Handtwerdenn dahero applieirt werden muß, Undt dann Number 
gern fchen wolltenn, daß dat Jenigh, welches Bor diefem befangenn, feine 
gewünſchete endtichaft erreichen mögte, 

Allß habenn bey diefer occasion Und Ahnweſenheitt Ew. Hochw. nit 
Borbeygehen mögenn, diefelbe dienjtlich zu erfuchenn Undt zu begerenn, Ob 
nit Allnoch Uff mittel! gedacht Undt mitt deme, Vor Wenigh tagenn New 
Erwholtenn Herrn Abtenn, Unferem Hochge&hrtenn Hernn Prälaten dahinn 
gehandelett Undt derjelbe disponirt werden Eonte, damitt die fundation Undt 
translation der Schulenn Inn Wollgts Cloſter Wedinghaufen endtlid) Bollen- 
zogen werden mögte. Sollches, tweillen zu großerer Ehr Gottes, auch) dießes 
Ordens Undt Cloſters ewigem Rhum Undt lob, wie nit weniger zu der 
bluenden Jugentt befferer Aufferziehungh gereichett, So wollen Uns gentlich 
getrojtenn, Em. Hochw. hirinn Uns nit allein hochgunftig beygethaenn feinn, 
Sondern aud Uffs forderlichit cooperirenn zu hellffen fich belieben laſſenn 
werde, Diefelbe damitt Gottes Allmacht zu langwiriger gejfundtheitt Undt 
Wollitandt befhelendt, 

Dat. Arnsb. Um 8. Sbris 643. 

Ew: Hochw: 
Dienſtfreundtwillige Bgſter Undt Rhath hierſelbſt. 

Am 1. November 1643,') am Feſte Allerheiligen, wurde die 
Klofterjchule eingeweiht. AYm Februar 1644 wurde bereit8 in drei 
Klafjen unterrichtet, nämlid) in der Infima, Secunda und Syntaxis. 
Bald wurden auch Poetica und Rhetorica eingerichtet, während die 
Infima wieder abgetrennt wurde (j. ob.), die „oberen Klaſſen“, Logica 
und Physica, wurden erſt 1712 eingejegt. 

Wenn das Klojter auch, wie erwähnt, bei der Gründung zunächſt 
auf die beanjpruchte Unterftügung ſeitens der Stadt verzichtete, jo muß 
es doc ſchon bald mit erneuten Wünfchen hervorgetreten fein; denn am 
6. Februar 1644 ſuchte die Stadt beim Kurfürften die Erlaubnis nad), 
drei Armenpräbenden aus gräflicher Stiftung,?) zufammen fünfzehn 
Malter Korn, dem Klofter zur Unterhaltung der Schule überweijen zu 
dürfen. Die furfürftliche Genehmigung traf am 9. Auguft ein. 

Über die ältefte innere Einrichtung des Gymnaſiums wiſſen wir 
folgendes: 8: Nach dem Vorbilde der Jeſuiten mußte ein und derſelbe 


) Das Datum der Gründung des Gymnaſiums ergiebt ſich aus der 
in der Feſtſchrift sub II von mir edierten Urkunde. Es war früher unbekannt. 
2) Bol. S. 41 und namentlid ©. 57. °) Högg, a. a. O. ©. 13. 





488 Kurkölnische Zeit. Wedinghaujen und Gymnafium. 


Lehrer, gewöhnlih der zulegt in den Orden eingetretene Geiftliche, 
in fämtlihen unter die Lehrgegenſtände aufgenommenen Fächern unter« 
richten. Er führte feine Schüler, mit der unterften Klaſſe beginnend, 
durch alle Klafjen hindurd. Wer den Kurjus durchgemadjt hatte, hieß 
Emeritus und widmete fi fortan dem Dienfte des Ordens. Auf diefe 
Weiſe fonnten unmöglich tüchtige Lehrer herangebildet werden. Nur 
wer bejondere Anlagen verriet, wurde zu feiner weiteren Ausbildung 
nah Köln geſchickt, um hier einen vollftändigen juriftifch-theologiichen 
Kurſus durchzumachen und fi) zum Lehrer der angehenden Theologen 
auszubilden. Der Unterricht beichränkte fi auf Latein, Religion (nad) 
Caniſius), Rhetorik und Poetik. Alte Gejhichte, Geographie und Mytho— 
logie wurden im Anjchluffe an die Pektüre behandelt. Der Mythologie 
al3 der Hauptfundftelle der Dichter widmete man bejondere Aufmerk— 
famfeit. Über bie Vermehrung der Unterrichtsgegenftände unter Mar 
Friedrich wird weiter unten gejprochen werden. 

Wie beſucht das Gymnaſium gewejen ift, geht daraus hervor, 
daß bei dem im Jahre 1649 am Schluſſe des Schuljahres aufgeführten 
Schaufpiele 70 und im Zahre 1707 fogar 105 Gymnafiaften nebſt drei 
Trivialiften als Actores (Mitwirkende) genannt werden, wobei diejenigen 
nicht mitgezählt find, die zu der philofophiichen Klaffe, zu den ſtummen 
Mitjpielenden oder zu den bloßen Zuſchauern gehörten. Im Sabre 
1710 fpielten 125 aus den Gymnaſialklaſſen und 8 aus der Trivial— 
ihule mit. Daß nur die als Mufifer und Actores auftretenden Schüler 
verzeichnet wurden, geht auch aus mehreren, derjelben Zeit angehörigen 
Programmen hervor, wo je nad der Einrichtung des Stüdes viele 
oder wenige Perjonen aufgeführt find, Im Jahre 1763 fpielten 
68 Schüler. 

Die ftädtiiche Trivialichule. 

Seit welcher Zeit die Stadtfchule in Arnsberg fo eingerichtet war, wie 
e8 im borigen Kapitel gefchildert ift, kann nicht mehr feitgejtellt werden; 
jedenfall8 bejtand fie im Jahre 1600. Die Dotation der Schule geht eine 
ältere Urkunde vom Fahre 1587 an, durch die ihr zwei Malter Hafer von den 
reichen Einkünften der Hellefelder und die Einkünfte eines Kottens bon der 
Wippringfer Kicche zugewieſen wurden. 

Nad) der Gründung des Gymnaſiums erſchien es der Stadtverivaltung 
nötig, einen neuen Vertrag mit ihren Lehrern zu jchließen. 


Bejtallung für den Rektor und Konreftor der Arns— 


berger Schule. 


1. Erſtlich jollen Beide, Rector und Conrector, der Schulen fleihig 
warten, des Morgens und Mittags auf die nach altem Gebrauch beftimmte 


Gymnaſium. Trivialfchule. 489 


Stunde ſich zeitig in der Schule finden laffen, auch bei den Studenten die 
gehörige Zeit über ftetig verbleiben und die Jugend dor allem zu der Furcht 
Gottes und guten Sitten anreizen, als auch weiters nach eines Jeden Ber- 
jtand und Gelegenheit im Studieren und Schreiben fleißig lehren und 
unteriweifen. 

2. Soll auch zum zweiten der Rector ohne Erlaubnis eines zeitigen 
regierenden Bürgermeifters außer der Stadt nicht verreifen, der Conrector 
aber ohne Vorwiſſen des Rectoris fi) nicht absentieren. 


3. Weil auch zu befferer Fortfeßung der neu angefangenen Schulen 
im Stlojter Wedinghausen den geiftlihen Professoribus dafelbjt Billig zu 
deferieren, jo foll der Rector diejenigen Studenten oder Discipulen, welche 
pro Ascensu würdig erkannt werden möchten, gutwillig nach des Stlojters 
Wedinghaufen Schulen in Renovatione Studiorum circa Festum omnium 
Sanctorum, jedoch praevio consensu Magistratus ausfolgen lafien. 


4. Zum vierten follen beide, Rector und Conrector, ihren Discipulen, 
wann fie auf Sonn- und Feittagen nach der Kirche gehen, auf dem Fuß 
folgen und gute Acht haben, dat die Studenten auf der Straße in guter 
Ordnung und fein züchtig fich verhalten, in der Kirche unter der heiligen 
Meſſe und Predigt fleißig beten, auch till und ohne Geſchwätz und Lederei 
fein mögen. 


5. Item es follen beide Schulbedienten fleigige Aufſicht Haben, damit 
die Studenten ohne die erlaubten Spieltage von der Gaſſe verbleiben, aud) 
feiner des Sommers fich baden und fiichen, des Winters aber auf dem Eis 
mit Schleifen oder ſonſt Feine Lederei treiben mögen, welche darüber betreten 
würden, nad) Gelegenheit zu bejtrafen. 

6. Damit aud) alles in befierer Diseiplin erhalten und fortgehen möge, 
jo ſoll monatlich oder auch öfter ein ander oder aus des Rats Mitteln ver: 
ordnet werden, gejtalt die Schulen zu visitieren, und da einige Gebrechen 
fein würden, zu vernehmen, und davon einem ehrbaren Rat zu referieren. 


7. Sintemal aucd zum fiebenten in allerhand aufjtehenden Krankheiten 
und Sterbengzeiten einem jedweden Bürger diefer Stadt ein ehrliches Be- 
gräbnis altem Gebraud) nach mit Verrichtung des Gefanges allerdings zuftebt, 
jo follen auch beide, Rector und Conrector, verbunden fein, in der Stadt 
zu verbleiben und bei den Sepulturen ihren Dienjt gehörig zu praestieren. 


8. Zum achten follen beide, Rector und Conreetor, in feinen öffent- 
(ihen Biergelagen oder ſonſt an verdächtigen Ortern fich finden laſſen. 


9. Hingegen und um folche praestierte Schuldienfte foll ein jeder 
ſowohl Rector und Conreetor das jährliche Salarium, wie fie das bishero 
gehabt und genoffen haben, fortan völlig erheben und genießen, auch ihnen 
darin auf Erfordern die hilfliche Hand geleiftet werden. 


10. Dafern es fich zutragen würde, dat Bürgermeijter und Rat aus 
bewegenden Urfachen andere Personen zu dieſen Schuldienften anfegen wollte, 
oder auch dem Rectori oder Conrectori der Dienjt länger nicht gefallen würde 
auf folhen Fall foll einer dem andern ein halb Jahr zuvor auffündigen, 
Sn Urkund und mehrer Feithaltung obgefettes alles tft diefer Recess in duplo 
verfertigt, auch mit der Stadt Einfiegel bekräftigt und demnächſt beiden 


490 Kurkölnische Zeit. Wedinghaufen und Gymnafium. 


ſowohl Reetori als Conrectori einer zugeftellt worden. Actum Arnsberg in 
Curia Ao 1643. Am 20. Novembris. 


L. S. De mandato Magistratus 
(Zchönes Siegel mit dem Adler, Alexander Abanthen Secr. 
Umfchrift: Secretum Civitatis in subscr. 
Arnsberg.) 


Titel: Recessus pro Rectore Scholarum Arnsbergensium. 

Die Gymnafial-Infima, die, wie erwähnt, mit der Stadtjchule ver— 
bunden blieb, wurde auf Antrag der Landftände und der Furfürftlichen Re— 
gierung durch Joſeph Klemens am 26. Oft. 1700 von ihr abgelöjt, weil der 
Nektor wegen Trunkſucht feine Amtspflichten vernachläſſigte. Seitdem fiel 
dem Kloſter auch die Hälfte der bisher dom Rektor bezogenen 40 Mütten Hart- 
forn und 12 Kopfſtücke zu.') 

Die ſtädtiſche Trivialfchule ftand unter der Aufjicht des Priors von 
Wedinghaufen, der die Schule in Begleitung des Magijtrates zu rebidieren 
pilegte und auch die Lehrer vor ihrer Anjtellung prüfte. Am 14. Sept. 1644 
wurde 3. B. die Schule vom Prior, einem Bürgermeiiter, einem Kämmerer 
und dem Stadtfekretär befucht; die Rechnung notiert 12 Sch. für Branntwein. 
Im Oft. 1648 revidiert Pater Prior die scholas und nimmt die studiosi pro 
ascensu auf, d. h. er nimmt eine Verfegungsprüfung vor. Die Rechnung 
bon 1635/56 führt auf: dem neuen Rectori, der neben feinem Bruder cBliche 
Tage bier hat warten müfjen, zur Zehrung 18'/, Gulden. ALS der neue 
Rektor eingefegt, vertrunfen für 16 G. 2 Sch.; als bderjelbe dem Herm 
Abbati präjentiert und becidigt worden, für 8 G. Im Juni 1649 geht ein 
Bote nah Münfter, um den neuen Rektor zu holen. Darauf wird der 
„Student? dom „Prior eraminiert, aber nicht für bequem gefunden” und 
demittiert. Die Stadt giebt ihm 4 Rthlr. 9 Sch. pro honorario und zur 
Zehrung. Dann wird eine andere Perſon aus Werl befchrieben und praevia 
en (nad) vorausgegangener Prüfung) angenommen und am 15. Juli 
angejtellt. 

Die Einnahme der Lehrer bildeten Naturallieferungen (Getreide, Holz) 
und ein Salarium, welches für den Konrektor auf 38 gemeine Thaler = 19 
Rthlr. — 100 ©. bemeflen war, während der Rektor nur 15 ©. bezog, aljo 
offenbar mehr Naturalien erhielt. Wortlaut einer alten Quittung: „Belenne 
ih Wilhelmus Jacobi, daß mihr Eberhart Henfe refpectine Weinwirt wegen der 
Stette Arnſpergh betahlet hatt 38 gem. Thaler. Urkundt diefer meiner eigen 
handt sig. ahın 2, Octob. Anno 1619 Wilhelmus Jacobi alter Schulmeifter.” 

Das niedere Schulwejen nahm erjt unter den beiden legten Kurfürſten 
vornehmlich duch die Betriebjamkeit des Landdroften Spiegel, deſſen Yebens- 
lauf oben (S.458) mitgeteilt ijt, einen Auffchtwung. Am 21. Oft. 1779 wurde 
für das Herzogtum eine eigene Schulkommiſſion angeordnet, welcher 
Spiegel als Direktor, Paftor Mittermeyer zu Brilon, Hofrat Arndts zu 
Arnsberg und Hofrat Floret zu Werl als Mitglieder angehörten. Bor diefer 
Kommiffion hatten die Lehrer eine Prüfung abzulegen; fie repidierte die Lehr: 
pläne, erweiterte den Unterrichtsitoff, jchenkte den äußeren Berhältnifien der 


ı) Tüding, a. a. O. ©. 62. 


Die Arnsbergecr Schaubühne. 491 


Mar Franz, der fih um das Schulwefen überhaupt die größten Verdienſte 
erworben bat, twurde am 9. Mai 1791 eine neue, von Bonn, two Übrigens die 
Lchrer umentgeltlich ausgebildet wurden, gänzlid) unabhängige Kommiſſion 
gebildet. Borfigender war Engelbert Arndts (ſ. deilen Lebenslauf ©. 462), 
Beifiter und Graminatoren Kanonikus Köfters in Wedinghaufen und Pater 
Arenzen, Bfarrverivefer in Arnsberg. Der Befuch der Normalfchule in Bonn 
wurde den Schulamtsfandidaten zur Pflicht gemacht. Geheimrat von Weich, 
der bereits 1793 an die Stelle von Arenzen trat, bewirkte durch eindringliche 
Vorstellungen beim Kurfürjten, daß der damalige Pfarrer in Rüthen, Sauer, 
fpäter Pfarrer in Arnsberg, mit der Einrichtung einer Normalfchule im 
Herzogtum betraut und nebjt Brarrer Zumbroich in die Schulkommiſſion auf: 
genommen wurde. Sauer unternahm zur Erweiterung feiner pädagogiſchen 
Kenntniſſe eine Reife nach Hannover und Franken und eröffnete 1795 in 
Niüthen den erjten Normalkurfus. Jetzt war für die Hebung des Schul— 
weſens der Weg gebahnt. Keine ungeprüften Lehrer wurden mehr angeitellt, 
auch Geiftliche, mit deren Benefizio eine Schule verbunden war, mußten ein 
Zeugnis von der Schullommiffion über ihre Lehrbefähigung dem General: 
vifariat borzeigen. Die Schullommiffion wurde 1797 angewiefen, ſich regel: 
mäßig alle Monate einmal zur Erledigung der laufenden Gefchäfte in Arns— 
berg zu berjammeln. Später trat der großherzoglich-heffifche Kirchen: und 
Schulrat in Arnsberg an die Stelle der Kommiffion, deren Mitglieder in fich 
aufnehmend; und fo wurden die Elementarjfchulen mehr und mehr zu der 
Blüte geführt, an der wir uns heutzutage erfreuen.) 


Die Arnäberger Schaubühne. 


An der Stadtrechnung bon 1601/1602 findet ſich die Notiz, daß der 
„ZScholemefter Conradus, fo der Stadt zu Ehren eine Comoediam agiret”, 
beim Bürgermeifter zu Gafte geweſen und von der Stadt mit 2 Rthlen. 
bejchentt ſei. 1606 erhielten die beiden „Scholemejter, fo der Stadt Comoediam 
agiret“, 3 Rthlr. ; 1607 der Scholemefter Conradus und die Bürger, fo der 
Stadt eine Comoediam agiret, beide Teile je 8 Gulden 4 Scillinge. Kurz, 
diefer Posten kehrt Schon in den ältejten erhaltenen Stadtrechnungen ziemlich 
regelmäßig wieder (vergl. auch zum Jahre 1627, S. 337), woraus man auf 
ein noch viel älteres Bejtchen der Sitte, feitens der Schule Schaue: 
jpiele zu veranjtalten, fchließen fann. Nach der Gründung des Gym 
naſiums fand bier die Schaufpielfunft ein Heim. Schon am 19. Juli 1644 
wurde bie erjte Comoedia im Stlojter gegeben, nach der man für 3 Rthlr. 
18 Schill. Wein vertrant. Am 11. Oft. 1645 wurde die zweite Wedinghäufer 
Komödie gejpielt, und zwar auf dem Rathauſe, wo von jett an regelmäßig 
die Aufführungen jtattfanden. Am 20. Sept. 1646 wurde die dritte Auf: 
führung beranitaltet (ſ. ©. 358); 1647 fcheint des Krieges wegen nicht ge: 
jpielt worden zu fein. Am 27. Sept. 1648 verehrte die Stadt „nach gehaltener 
Comoedia ufm Rathaus dem H. Prälaten einen Trunk zu 2 Rthlm., den 
Konventualen zu 1 Rthlr. 27 Scill., den Wedinghaufer Studenten, jo die 
Comoediam erhibiret, pro bibali 1 Rthlr.” Am 16. Sept. 1649 wurde wieder 
geſpielt, und jo haben ſich die Aufführungen jährlich wiederholt. 


—. — 


») Nach Seib. Weſtf. Beitr. II, Anhang. 





492 Kurkölnifche Zeit. Wedinghaufen und Gymnafium. 


Eine große Anzahl von Skizzen folder Schaufpiele (f. u.) ift uns aus 
den Jahren 1680—1774 erhalten. Sie find in einem Bande zujammen- 
gebunden, der fi) auf der hiefigen Gyninafialbibliothef befindet und den Titel 
„Wedinghäufer Echaubühne” trägt. Die ältejte diefer Skizzen wurde im 
Jahre 1880 von Maurern beim Abreißen des wejtlihen Flügels vom alten 
Gymnaſium im Steinfchutte gefunden.!) 

Bon großer Wichtigkeit für das Aufblühen der Wedighäufer Schau= 
fpielfunjt war die Bejtimmung des Abtes Michael Reinhark (1663—88), 
nach der niemand ins Klojter aufgenommen werden follte, der nicht wenigitens 
ein muſikaliſches Inſtrument fpielte. Wenn auch der Abt bei diefer Anordnung 
vornehmlich die feierliche Abhaltung des Gottesdienjtes im Auge haben mochte, 
fo gewann doch auch das Schauspiel durch die energijche Pflege der Muſik 
im lojter: beide Künjte wurden zu einander in Beziehung gejegt. Die 
Wedinghäufer Gymmafiaften erfreuten von da ab das Arnsberger Publikum 
durch die Aufführung EFleiner Opern. Bis 1779 blicb die Bejtimmung des 
Abtes Reinhark in Kraft, und die Wedinghäufer Mufik erlangte eine gewiſſe 
Berühmtheit. Auch fpäter noch wurde im Klofter Muſik und Gefang eifrig 
gepflegt. Aus der Hinterlafienfchaft des letzten Abtes find mehrere Blas- 
inſtrumente aus feinem Elfenbein in das Eigentum des Gutsbefigers Terſteſſe 
zu Steffe übergepangen.?) 

Der Geſchichte des Gymnafiums hat der berjtorbene Direktor Dr. Högg 
zur 200jährigen Jubelfeier eine ausführliche Abhandlung?) gewidmet, in der 
namentlich auch die Schaujpiele eingehend befprochen werden. Wir entnehmen 
derjelben folgendes: 

Es find uns die Skizzen von 56 folder Echaufpiele, wie fie als 
Programme zu der Schulfeier ausgegeben wurden, nebjt Dedikation, Inhalts— 
anzeige und den bolljtändigen Gejängen mit Ungabe der begleitenden In— 
jtrumente erhalten. Es ijt auffallend, wie übereinjtimmend die vorliegenden 
Stüde von dem erjten bis zum legten in ihrer Einrihtung und ganzen Form 
find. Sie find von dem jedesmaligen Profeffor der Ahetorif in deutjcher 
Sprache verfaßt. Die Einrihtung iſt folgende: Auf einen ausführlichen, 
nicht jelten ganz abenteuerlichen Titel folgt durdgängig eine befonders 
fleißig auSgearbeitete, mit allen möglichen Artigfeiten und zierlihen Wen: 
dungen ausgefhmüdte Dedikation; dann folgt eine kurze Inhaltsangabe des 
Dramas mit Angabe der Quellen des behandelten Gegenjtanded. Das Ganze 
iſt in drei Hauptabjchnitte eingeteilt, welche bald Actus, bald Teile, bald 
Aufzüge genannt werden. Das Stüd eröffnet ein Prologus musicus (mufi- 
falifcher Eingang), ein Epilogus musicus bejchließt es; den Akten geht wieder 
eine Praelusio musica voraus. Die Akte find in Szenen eingeteilt, von 
denen aber bloß der Inhalt angegeben ijt; auf die einzelnen Szenen folgen 
muftkalifche Parallelfzenen (Allusiones), die entweder Gegenjäße der vorher: 
gehenden oder allegorifche Darjtellungen enthalten, fo daß alfo eine folche 








1) Ediert von Direktor Dr. Scherer in der Yubiläumsfchrift von 1893 

2) Dr. Brieden: F. J. Fiſcher, in der Jubiläumsſchrift von 1893 
©. 52 Anm. 2. 

2) Gymmafialprogramm 1843. Högg's Vorgänger, Dr. Baaden, bat 
gleichfalls eine Abhandlung zur Gefchichte der Anjtalt geliefert (1835). 


Die Arnsberger Schaubühne. 493 


Aufführung aus zwei, und, rechnet man die Interludien dazu, aus drei 
Stüden beiteht. 

Wie es nämlich in Deutichland, und mehr in Frankreich fait Regel 
twar, daß die erniten religiöfen Darjtellungen mit Komiſchem untermijcht 
wurden, fo auch bei diefen Aufführungen, und zwar oft auf eine derbe, faft 
frivolfe Weife. Sie hießen Interludia, bildeten ein für ſich beftehendes, 
doch auf den ernjten Gegenjtand irgend einen Bezug habendes Ganzes, und 
waren meift in fünf Alte, die in den Bwifchenatten des Hauptjtüdes und 
auch zwifchen den Szenen desfelben durch die Interlusores aufgeführt wurden, 
eingeteilt. Wir bejigen ein folches BZwifchenjpiel vom Jahre 1736 noch ganz 
volljtändig als Manuffript. ES ift größtenteild in plattdeutfher Mund- 
art abgefaßt und bejteht aus fünf Teilen (Interludien). An dem ernjten 
Drama, zu dem es als eine Art Drama satyrieum gehört, wird dargeftellt, 
wie Eutropius, der vermögende Günjtling des Kaifers Arkadius, fich durch 
jeinen Ehrgeiz in Tod und Schande jtürzt, der heilige Arjenius dagegen 
(Barallele), um deſſen Befit fi Ambitio (Ehrgeiz) und Phileremus (Ein: 
jiedler) ftreiten, durch Beradhtung der Welteitelfeit zur Glüdfeligkeit gelangt. 
In dem dazu gehörigen Interludium fordert Eutropius feinen Hofnarren 
Charlatanius auf, ein Komödie zu fpielen. Diejer läßt fofort das erforderliche 
Perſonal herankommen. Dasjelbe bejteht außer dem Charlatan felbjt aus 
folgenden Berfonen: 1. einem Ehrenged, 2. einem Geldged, 3. einem Kleider— 
ged, 4. einem Somplimentenged (Eharlatans Frau Charlotte), 5. einem Sprad)- 
ged (Charlatans ältejter Sohn), 6. einem Eugen (Kaufen) Ged (Charlatans 
jüngjter Sohn). Eutropius jcheut die Siebenzahl der Geden und fragt nad) 
einem achten. 

Charl. Dat fagte id ja generden (jo eben): Dei grötejte Geld wär 
min berden. 

Eutr. Was ſagſtu, ejelstop(f)? 

Eharl. Seit (fehet) ich Eloppe darob. 

Lüekens, nu latet uns mahl küren utem andern thon, Ih (ihr) 
gede agert (agiert) in Ordnung un in perjon. 

Eutr. Ich will zufchauen von ferren. 

Charl. Dat dau herden, mögjt no (mur) ſaken ſeihn (fehen) dei bi 
deinlik (dienlich) wehren. 

Darauf treten die übrigen Geden zurüd, außer dem Ehrenged und 
Charlatan, die ſich jett unterhalten, wie folgt: 

(Ehrenged.) Was foll ich ein Ged fein 

Der ich trachte nach dem ehrenjchein? uſw. 


Außer diefen Actiones wurden auch, fowohl zu Ende des Kahres, als 
einzelner Monate, in lateinischer Sprache verfaßte Theſes aus der Logik, 
Metaphysik, Ethik und Phyſik ausgegeben, die öffentlich unter der Leitung 
der Lehrer verteidigt twurden. Das ältejte uns aufbewahrte Eremplar ijt vom 
Jahre 1728; e8 liegen noch andere vom Jahre 1738, 1747, 1772 vor. Statt 
diefer erfchienen zur Zeit des Kurfürjten Marimilian Friedrich ausführliche 
Berzeichniffe der im Berlaufe des Jahres behandelten Lehrgegenjtände, mit 
Ausnahme der lateintfhen Sprache, deren fich immer gleich bleibende Be- 
grenzung und Behandlung eine weitere Angabe überflüfiig machte. 


494 Kurlölnifche Zeit. Wedinghaufen und Gymnafium. 


Blüte des Kloſters nad den dreißisjährigen Kriege. 
Spätere Schickſale. 

Durd den Einfluß des Abtes Neihmann, der ſelbſt Schriftſteller 
war, begann fich der Eifer für die Wiſſenſchaften im Klofter zu regen, 
der durch die Einrichtung des Gymnaſiums natürlich noch gefteigert 
wurde, ALS der jchredliche Krieg vorüber war, gelangte das Klojter 
innerlich wie äußerlidy) mehr und mehr zur Blüte. Unter deu Männern, 
die fich durch wiſſenſchaftliche Befähigung hervorthaten, hebt Bergh's 
Chronif bejonder8 die Fratres (jo wurden nad) der Ordensregel die 
Patres benannt) P. Schultes, Joh. Ungsbeck und Fr. Höyng hervor. 

Peter Schulte, aus einer armöbergiichen Familie, war während 
der Kriegsunruhen aus dem Kloſter Wedinghanfen zur Fortfegung feiner 
Studien nad Köln gegangen, wo er Borjteher des Norbertiner- Seminars 
wurde. Nachdem er diefes Amt fünf Jahre lang bekleidet hatte, kehrte er 
zurück und wurde dann Propſt in Numbed. Johannes Ungsbed war in 
Ktörbede, feinem Geburtsort, Furfürjtlicher Richter. In einer ſchweren Krank— 
beit gelobte er, Geijtlicher zu werden, und trat nad) feiner Genefung als 
Norbertiner in Wedingbaufen ein. Später wurde er Baltor in Werl. Wegen 
feiner hervorragenden Tüchtigfeit wurde er auf drei Jahre zum Adminiftrator 
des Hauptklofters Knechtſteden berufen. Als fein vorzüglichites Verdienſt gilt 
die Auffindung des für verloren gehaltenen „Tagebuchs des Gebhard Truchieh” 
(ſ. ©. 212, Anm.) Friedrich Höyng (offenbar — Höynd, Tücking ſchreibt 
Hönig) wurde in Arnsberg geboren und in Wedingbaufen ausgebildet. Nach— 
dem er bier zunächſt als Lektor der Theologie gewirkt Hatte, wurde er vom 
Biſchofe Ferdinand don Fürſtenberg als Aſſeſſor des geiſtlichen Gerichtes nad 
Paderborn berufen. Ferdinand ernannte ihn alsdann zum „Kicchenrat und 
Hiltoriographen”; die Paderborner Univerjität promovierte ihn zum Doktor 
der Theologie. Höyng binterlich „viele Ausarbeitungen zur vaterländischen 
Geſchichte, die in ein fpäter herausgegebenes Werk eines anderen Berfaffers 
mitaufgenommen oder bon diefem benußt find“, 

Über die Pflege der Muſik feit Reinhartz war bereitS im vorigen 
Kapitel die Mede. Auf das Gedeihen der äußeren Verhältniſſe des 
Klojters läßt Schon der Bau des Prälaturhaufes als bejonderer 
Wohnung des Abtes jchliegen, der 1666 von Neinhark unternommen 
wurde. Es ift heute Wohnung des Propftes und der Kapläne. 

Auf Reinhart folgte al8 Abt Norbert Bider (1688—1715). 
Er verdanfte jeinem Vorgänger Ausbildung und Laufbahn. Als nämlich 
Neinhark einft die Arnsberger Trivialſchule revidiert, wurde er auf 
den jungen Bider aufmerffam und veranlafte feine Verfekung unter die 
„Yatiniften“. Später nahm ihn Neinharg ins Klofter auf. Auch fein 
Bater, der Bürgermeifter Bider, wurde nad) dem Tode feiner Frau 
Klofterbruder. Bider verband 1691 das Prälatenhaus durd einen 
Flügel und Gang mit der Kirche und den übrigen Kloftergebäuden. 


Blüte des Klofters. 495 


An der Stelle dieſes Anbaues fteht jetzt das Hirfchberger Thor. An der 
Südſeite baute er 1694 die Bibliothek, jpäter Negierungsardiv, 
dann Aula. Unter Bider wurde die Infima mit der Klofterjchule ver- 
bunden (vgl. ob. S. 490). Am 30. Sept. 1700 fetten die Landftände 
ein Kapital von 300 Thlrn. aus, damit von den Zinfen zu 15 Thlrn. 
jährlich) Prämien unter die Edjüler verteilt würden. Als dann die 
Stände dem Gymnaſium noch einen jährlichen Zuſchuß von 50 Thlrn. 
bewilligt hatten, wurden 1712 die beiden oberen Klaffen, Logifa und 
Phyſika,) eingerichtet, jo daß das Gymnaſium vollftändig war, 
Wegen Mangel3 an Raum mußten diefe Klaſſen zunächſt im Peſt— 
häuschen an der Norboftede des Klofterberges untergebracht werden. 
Dider entwarf noch 1714 den Plan zu einem neuen Öymnafium, ftarb 
aber furz darauf. Sein Nachfolger Karl Bergh (1715—1724) Icgte 
am 5. Juni 1715 den Grumdftein zu dem nenen Gymnaſium, das bis 
zum Jahre 1879 feiner Beftimmung treu geblieben ift. In ihm haben 
viele Leſer des Buches ihre Gymnafialbildung erhalten, wie auch der Ver— 
fafjer jelbjt. Der Bau war in drei Jahren fertig geſtellt. Die Stände 
bewilligten einen Zuſchuß unter der Bedingung, daß die Räume nur zu 
Schulzweden verwendet würden. Es wurden fieben Klaffen und am 
Südende eine Aula eingerichtet. Bergh ift wahrjcheinlid der Verfaſſer 
der von uns vielfach angezogenen Klofterchronif, die in gutem Latein 
geſchrieben iſt. Unter Berghs Nachfolger, Hermann von Ajcheberg 
(1724—26), erlangten die Äbte von Wedinghaufen im Jahre 1725 
durch den Kurfürſten Klemens Auguft das Vorrecht, die Mitra zu 
tragen.?) Schon Reinhark war diefe Auszeichnung angetragen worden; 
er hatte fie aber „in befannter Bejcheidenheit” abgelehnt. 

Die Zeit der folgenden Äbte bietet weder für das Klofter noch 
für das Gymnaſium Bemerfenswertes. Um fo merfwürdiger gejtaltete 
fih die Amtsführung des Franz Joſeph Fiſcher (1781—1803), 
des letzten Abtes von Wedinghaujen.?) Derjelbe war aus Kalle ge- 
bürtig und in Wedinghaufen vorgebildet. Seine wiſſenſchaftlichen 
Talente, namentlich aber feine mufifalishe Begabung und feine Hang» 
volle Stimme erregten Bewunderung. Er erjcheint im Alter von 
28 Jahren al8 Profeffor der Poetifa, jpäter war er Prior und Paftor 





) Diefe gaben eine Art Borkurjus für fünftige Theologen. 

2) Die Mitra ijt die den Bifchof auszeichnende Kopfbededung in Form 
einer Müte, bon der zwei Bänder (infulae) auf die Schultern Herabhängen, 
Da die Mitra ohne Infula auch von Äbten getragen wird, fo find diefe bei der 
Auszeihnung das Wefentliche; daher fpricht man von infulierten übten. 

3) Bgl. Brieden, Feitichrift von 189, ©. 46 fi. 


496 sturkölnische Zeit. Wedinghaufen und Gymnaſium. 


in Arnsberg, jchließlih wurde er Abt. Seine Wahl erfolgte am 
7. Auguft 1781. Am dritten Tage nad) Oftern 1782 wurde er von 
dem Weihbifchof und Generalvifar von Köln, Karl Aloys Grafen von 
Königsegg, feierlich) infuliert. Hofrat Brisken, ein geborener Ars» 
berger, jchildert uns Fiſchers Perſönlichkeit aljo: „Das Bild jenes 
hervorragenden Mannes fteht in meinem Innern nod in den lebhafteften 
Farben. Er war eine ftarfe, umterjette Geftalt von mittlerer Größe, 
mit bräunlichen, ins bläuliche jpielenden großen Augen, hoher Stirn 
und ernften, bedeutungsvollen Zügen. Sein ganzes Weſen und Auftreten 
atmete Würde, TFeierlichfeit und Achtung gebietenden Anftand. Dieje 
Eigenſchaften entfalteten fi) am glänzendften, wenn er in reichem kirch— 
lihen Schmude in den Bontififalinfignien, mit Mantel, Mitra und Ring 
angethan und den filbernen goldverzierten Biſchofsſtab führend, von 
der Safriftei her durch die Hallen der Kirche zum Hochaltare ſchritt, 
dort an hohen Feittagen, unter Ajjiftenz eines Afoluthen und zweier 
Leviten, das Hochamt feierte und mit feiner wunderbaren Stimme die 
Geſänge des Chores intonierte.”?) 

Das erjte bedeutende Ereignis, mit dem der neue Abt zu rechnen 
hatte, war die vollftändige Umgeftaltung des Gymnaſiums. Das— 
jelbe wurde durch die von dem Landdroften von Spiegel?) 1782 ver- 
faßte und vom Kurfürjten Mar Friedrich 1783 beftätigte Inſtruktion?“) 
aus einer Klofterfchule zu einer Staatsanftalt. Die wichtigjten, 
die äußere Verfaſſung betreffenden Punkte find diefe: nur dur bie 
Schulkommiſſion approbierte Lehrer dürfen angeftellt werden; die Lehrer 
find von allen Klöfterlichen Funktionen zu befreien; diejelben erhalten 
außer Koft und Kleidung ein Jahrgehalt von zwölf Rthlrn.; ihre Be- 
ichwerden gehen an die Schulkommiſſion; ihre Weiterbildung ift durch 
eine pädagogijche Bibliothek zu erleichtern. Die Schulzimmer find zu 
heizen.) Hinfichtlic der inneren Einrichtung de8 Gymnaſiums wurden 
teils neue Lehrgegenftände vorgeichricben, teils die bisher gelehrten 
nad) beftimmten Grundfägen auf die einzelnen Klafjen verteilt. Die 


4) „Geneologiſche und ſonſtige Nachrichten über feine Familie“. Arns— 
berg, 1853. 2) Vgl. ©. 458 f 

9) Der Wortlaut ift in Scotti „Kurkölnifche Ediktenfammlung“ zu finden. 

) Bis dahin behielten die Schüler zur Winterzeit ihre langen Mäntel 
in der Schule an. Dft war die Tinte in den Behäliniffen gefroren. Die 
Einrichtung der Ofen feßte Schorniteine voraus, die aber im Gymmafium 
fehlten. So wurden die Klaſſen vorläufig in die unten Näume des Präla- 
tnrgebändes verlegt. Ehe dann die Schüler in den alten Mujenfig zurüd- 
fehrten, tvar derjelbe von den Kölner Domkapitularen in Befchlag genommen, 
die bis zur Aufhebung des Kloſters darin verblieben. 


Abt Fiſcher. ©. Pape. F. J. Wolf. 497 


neuen Lehrgegenjtände waren: Deutſch, Mathematik, Seelenlehre, Welt: 
und Erdbeichreibung, Weltlehre (eine Art Moralphilofophie). Griechiſch 
wurde noch nicht gelehrt, wie ſolches auch in Bonn vernachläſſigt wurde. 

Wie eingreifend und bedeutjam alle dieſe Neuerungen an fi auch 
jein mochten, jo haben fie doch thatjächlid) wohl nicht mehr viel zu be» 
deuten gehabt und die erwarteten Früchte nicht gezeitigt. Zunächſt 
fehlte e8 an einer genügenden Anzahl geeigneter Lehrer. Abt Fiſcher 
beantragte bei den Landftänden Mittel, um zwei Lehrer nad) Münſter 
zu ſchicken, wo Winifter von Fürſtenberg das Gymnaſium reorganifiert 
hatte. Der Beſcheid lautete, daß e3 dem Herrn Prälaten zur befonderen 
Ehre gereihen würde, wenn er zur Erreichung diejes heiljamen Zwedes 
zwei feiner Geiftlichen auf eigene Koften hinfenden werde! Ein zweiter 
Übelftand war, daß die Zahl der Schüler, vielleicht infolge der unruhigen 
Beitftrömung, immer mehr abnahm. Daher ging im Anfange ber 
neunziger Jahre die Phyfifa ein, und bald nachher wurden Infima und 
Sefunda, fowie Poetifa und Nhetorifa je einem Lehrer übertragen, jo 
daß das Gymnaſium nur nody vier Lehrer hatte. Dennoch erſchien 
noch 1799 eine neue Inſtruktion, die außer anderm auch genauere An- 
weifungen über Schulordnung und Schulzudt enthält. 

Unter den Lehrern, die in diefen Zeiten am Gymmafium unterrichtet 
haben, erregen bejonders zwei unſere Aufmerkſamkeit. Georg Pape aus Bracht 
bei Eslohe, in Arnsberg und Bonn vorgebildet, trat 1784 in das Klojter 
Wedinghaufen ein, wirkte zunächſt eine Zeit lang als Profefior am Gymnafium 
und ging zu feiner weiteren Ausbildung wieder nad) Bonn. Er kehrte bon 
da mit jehr freien Anſchauungen, die er im Umgange mit Profeſſor Eulogius 
Schneider und anderen gewonnen hatte, nad Wedinghaufen zurüd und hielt 
bier Borlefungen über Bibeleregefe, in denen er mit feinen freien Meinungen 
nicht zurüdhielt. Dieferhalb und wegen feines Briefwechſels mit Schneider 
wurde er im Klofter mißtrauifch bewacht. Einft wurde in feiner Abweſenheit 
fein Schreibpult erbrochen und durchſucht. Hierüber aufgebracht, verließ er 
das Kloſter (1791) und ging zuerjt nad) Kolmar, dann nad; Mainz, wo er 
heftiger Jakobiner wurde und durch Auffäge in der von ihm redigierten 
„Mainzer Nationalzeitung” Auffehen erregte. Ein Brief ijt gerichtet an den 
Landgrafen von Heſſen-Kaſſel und geißelt deſſen Soldatenhandel nad) 
Amerika. Bon Mainz begab Pape fich nad) Köln, wo er als Präfident des 
Kriminalgerichtshofes Taffiert wurde, von da nad) Paris und bon Paris 
Ichließglih nad) Trier. (Seib. Weitf. Beitr. II, 57 ff.) 

Ferdinand Joſeph Wolf aus Sundern, trat 1784 als Noviz in 
das Kloſter, in dem er auch borgebildet war, wurde 1788 Repetent der 
Philofophie und 1792 Profejior derfelben. Mit rajtlofem Eifer fuchte er die 
ihm fehlenden Kenntniffe zu erjegen, indem er mit den Schülern lernte. Es 
gelang dem hochbegabten Manne, ſich in Kants Philofophie volljtändig hinein- 
zuarbeiten. Nach etwa zehnjähriger Amtsthätigkeit verfiel er, vielleicht infolge 
von Kränklichkeit, in Schwermut und gab fid), mehr als ihm dienlich war, 


Feang, Geſchichte Arnsbergs. 32 


498 Kurkölnifche Zeit. Wedinghaufen und Gymnafium. 


dem Weingenufie bin. Er trat 1801 vom Amte zurüd, erhielt aber, Dank 
dem Wohlmollen des hejfiihen Kommiſſars d’Alquen, jpäter eine Penfton. 
Er jtarb ſchon 1808.) 

Wenn die Reorganijation des Gymnaſiums und Pape's Ber- 
halten dem Abte Schwierigkeiten und Verdruß bereiteten, jo bradjte ihm 
nicht weniger Widermärtigfeiten der Beſuch des erzbiſchöflichen Viſitations— 
fommiffars Balduin Neejen (1788), deſſen Auftreten in Oelinghauſen, 
wo Fiſchers Freund, Propft Schelle,?) ein geborener Arnsberger, jeines 
Amtes enthoben wurde, die größte Erbitterung erregte. In Wedinghaufen 
verbot er den Mönchen die Mufif in und außer der Kirche; er gejtattete 
nur das Klavierjpielen in der Stille. Sodann führte er den Iutherijchen 
Kirdiengefang ein. Dem Abte gebot er, an der gemeinfamen Tafel der 
Klofterbrüder teilzunehmen. Neeſen jette ſich trog fortgejester Klagen 
in Oelinghauſen feſt. Geheimrat Belger?) bemerft in jeinem Briefe vom 
9. Dezember 1795 über ihn: „Man kann ſich vorjtellen, wie jehr die 
Bürger wider den Neejen aufgebradht find. Er hat wollen nad) Arns- 
berg lommen, alfein man hat ihm freundlich abgeraten; jonft möchte er 
wohl, ungeachtet der darauf ftehenden Erfommunikation, etwas Weit- 
fälifches auf feine h. Weihe bekommen haben.“ 

Dann kamen die aufgeregten Tage der franzöfiihen Revolution 
und die Flucht des Domkapitels nad) Arnsberg (S. 467). Der Abt 
mußte diefem auf Anordnung des Kurfürften jein ganzes Haus ein- 
räumen und bejchränfte feine Wohnung auf zwei Zimmer. Diejenigen 
Domherren, welde nicht in den Gebäuden des Kloſters untergebradjt 
werden konnten, mußten fich mit oft jehr bejcheidenen Quartieren in der 
Stadt begnügen. So bewohnte Fürft Hohenlohe ein Häuschen „Unter 
der Reitſchule“. Doch fanden ſich alle Kapitulare des Mittags zur Tafel 
im großen Saale der Prälatur ein. Der Abt trat auch in nahen Ber: 
fehr zu Geheimrat Belger (S. 468), der u. a. jchreibt: 

„SH babe meinen geiftlihen Trojt an dem Herrn Prälaten, den id) 
nad feinem Begehren alle Woche wenigjtens einmal beſuche. Dann jpielen 
wir in Krijtlicher Andacht im Brett und trinken zwei Schöppchen Rheinwein 
andädhtig aus.” 10. Aug. „Beute ijt Kirchweihfeſt . . . Man muß geiteben, 
wenn der Herr Prälat mit feiner ſchönen mufifalifchen Stimme ein Amt auf: 
erbaulich fingt, daß man recht fromm ermuntert wird. Er iſt ein Birtuos 
auf dem Stlavier, wie faſt alle Mönche hier Muſikanten find. Sie hatten 
fonjt alle Sonntage muſikaliſche Meſſe. Herr Neejen verbot fie. Die Folge 
iit, daß feinem Andenken allgemein geflucht wird und wenige Leute mehr ins 





1) Seibertz (Weſtf. Beitr. II, S. 242 ff.) widmet ihm warme Worte. 

2) Schelle wurde nad) langjährigen Prozeffen gegen den Kurfürften und 
deſſen Kanzlei twieder vollftändig in feine Würde eingefett. 

») Hüffer a. a. O. ©. 27. 


Abt Fiſcher. Neefen. Graf von Königsegg. 4499 


Amt und Predigt fommen. Die gewöhnliche Folge folder hochnasweifen 
Neformationen. 9. Dez. Gejtern hatten wir bier einen Gallatag, Geburtsfeit 
des durchlauchtigiten Kurfürjten; der Prior fang das Hochamt und Tedeum, 
weil der Prälat frank war. ALS ich hörte, mein lieber Prälat fei Frank, ging 
ich geitern Nachmittag zu ihm, fand ihn aber mehr Frank am Gemüthe, als 
am Leibe. Sein bejter Freund, der Propſt Schelle zu Kloſter Oelinghaufen, 
liegt am Tode.” 

Am 9. Mai 1796 wurde Graf Meinrad von Königsegg-Aulendorf, 
„ein freundlicher, milder Dann, der feine Überhebung kannte“, zum 
Weihbifchofe und Domdechanten gewählt. Zu den aus diefem Anlaß 
ftattfindenden Feftlichkeiten verfaßte Abt Fifcher ein lateiniſches Chrono: 
diftihon. Die 27 Diftihen ergeben jedes die Zahl 1796. Unter 
Meinrad von Königsegg nahm Fiſcher als Generalvifariatsverwalten 
an der Verwaltung der Diözeje Teil. Nah der heſſiſchen Okkupation 
im Sept. 1802 nahte die lette Stunde der Abtei Wedinghaufen heran. 
Noch einmal erſchien Fiicher, von feinen Konventualen umgeben, im 
vollen kirchlichen Ornate zur feierlichen Beerdigung des am 13. Mai 
1803 geftorbenen Weihbifchofe8 von Königsegg. Derjelbe wurde vor 
dem SKapitelhaufe begraben und zwar an der Stelle, welche den Abt 
Fiſcher felbft zur legten Nuhe aufgenommen haben würde, wenn nicht 
der bereitS bejchlofjene Untergang des Klofters eingetreten wäre. Dieſer 
Umftand und andere Gedanfen mußten mächtig auf den gealterten Herrn 
einwirfen. Einem Augenzeugen, dem Hofrat Brisfen, verdanfen wir 
eine ergreifende Schilderung des Vorganges. „ES ift begreiflidh, mit 
weldher Gemütserfchütterung der Abt unter den immer bedrohlicher 
werdenden Ausfichten des herannahenden Falles der Abtei jeinem mehr- 
jährigen vornehmen Freunde und Zifchgenoffen zur legten Ehre die 
ZTrauerfeierlichfeit celebrirte. Ich Habe, fjchreibt er, ganz im feiner 
Nähe am offenen Grabe geftanden, teilnehmend bewegter Zeuge der 
tiefen Rührung, der bebenden, mehrmals von Thränen erftidten Stimme, 
mit welcher der in der ganzen Gravität feiner Erjcheinung daftehende 
Greis die Gebete und Gejänge des ringsum verjammelten großen 
Konventes in wahrhaft tragiihem Pathos einleitete. Die Strahlen der 
Abendjonne drangen durd die gemalten Fenſter in die hochgewölbte 
Halle. Die feierlihen Zeremonien, die Geſänge der Klofterbrüder, die 
Weihrauchwolken, bejonders aber die ehrwürdige Geſtalt des Abtes — 
das alles ſteht nach 48jähriger Vergangenheit noch lebhaft vor mir.“ 

Am 17. October 1803 verfügte der Landgraf Ludwig X die Auf— 
hebung ſämtlicher Klöſter im Herzogtume Weſtfalen und am 15. Nov. 
wurde dieſe Verfügung durch den Aufhebungskommiſſar d'Alquen aus— 
geführt. Das Kloſtergymnaſium wurde am 15. Auguſt 1803 geſchloſſen. 

32* 


500 Kurkölnifche Zeit. Wedinghaufen und Gymnafiunt. 


Die Bermögendverhältnifie der Abtei Wedinghaufen zur Zeit ihrer 
Aufhebung. 

Der Befik und die Einkünfte des Klofterd wuchſen feit den erſten Zu— 
mwendungen durch Graf Heinrich I und feinen Sohn (ſ. S. 27) von Jahr zu 
Fahr teil8 durch Übertragungen teils durch Fäuflichen Erwerb derart, daß die 
meijten Höfe der Umgegend dem Stlofter entweder gehörten oder irgendwie 
zinspflichtig waren. Statt die Einzelerwerbungen der Reihe nad) aufzuführen’) 
geben wir einen Uberblid über die Bermögensverhältnifie des Kloſters zur Zeit 
feiner Aufhebung?) Dem Berichte des Aufhebungstommiffars d’Alquen an 
die großh.-heffiiche Rentenfammer entnehmen wir auszugsweije folgendes: 

I. Das Hlojtervermögen bezw. die Einnahmen: 1. Bei der 
Aufhebung des Klojters fand fih Vorrat an Geld 1758 Gulden 43 $r., 
an Früchten 234 Mütten?) 2 Spinnt Roggen, 6IM. 4 Sp. 2 Becher Gerfte, 
80 M. Gerite, 134 M. Hafer, 33 M. Erbjen; an Fleiſch 64 Seiten Sped, 
66 Schinken, 20 Halbe Köpfe, 8 Rüdenftüde, 2 Brujtfernen und 20 Stüde 
Rauchfleiſch; an Getränken ungefähr 5 Ohm Wein und 12 Ohm Bier. 
2. An Gebäulichleiten waren vorhanden außer Kirche, Kloſter-Gymnaſium, 
Prälatur, Aula ein Brauhaus, in deſſen „Rlojterbräuftübchen“ nebenbei be 
merkt, die Arnsberger Bürger ein ausgezeichnetes Burfchen-, Bürger- umd 
Prälaten-Bier erhalten konnten, ein Badhaus, eine Schmiede, ein Vichhaus, 
und berjchiedene geräumige Scheunen und Stallungen für Pferde, Rindvich, 
Schafe, Schweine, Federvich, eine Mahl- und Schneidemühle. 3. Der Bieh- 
beitand war 18 Pferde, 56 Stüd Rindvieh, 221 Schafe, 65 Lämmer. 4. Die 
Klojtermobilien wurden den heſſ. Behörden oder Beamten übertwiefen. 
5. Die vom Kloſter ſelbſt benugten Grundftüde, die Gärten, Ader, aus- 
gezeichneten Wiefen und Weiden umfaßten circa 300 Morgen. Dazu ge 
hörten u. a. der ummauerte große Prälaturgarten, der objtreiche Kloſter— 
garten, der Hopfengarten, die Kloſterkuhweide für 55 Stüd Fettvieh und die 
Fettweide gegenüber Bruchhaujen für 35 Stüd Rindvieh. Der Pächter Georg 
Plange zahlte jährlich” 2000 Thaler für diefe Klojterländereien. Außerdem 
waren 6 Weiher zu Wedinghaufen, 3 zu Wintrop, 2 zu Moosfelde und 1 
zu Bruchhaufen und Eleinere Fischteihe im Walpfethale.. Das Kloſter war 
zur Schmweinemaft und Schaftrift im Stadtiwalde beredtigt; es Hatte die 
Fiſcherei auf der Ruhr von der Klojterbrüde bis Köftersgraben und auf der 
untern Wöhne. 6. In Erbpadjt oder Gewinn waren von den bei Arnsberg 
gelegenen Klojtergütern der Evenbof, der Wetterhof und 32 Gärten den 
Bürgern der Stadt gegeben. Das Padıt: und Gewinngeld betrug z. B. vom 
Evenhof alle 14 Jahre 30 Thlr. 58%, Stüber, ferner jährlid 59 Mütten 
und 5 Becher Hartkorn und 69 M. 11 Sp. Hafer. 7. Privatwaldungen des 
Klojters waren das Eihholz und die Hofeswälder von Moosfelde und Habbel, 
Der Ertrag des Holzes war in den Iehten 10 Jahren ein geringer, da 
nur wenig gehauen wurde; er betrug 2844 Thlr. 48 St. 8 Di. Das Klojter 
war zugleich zu Bau und Brennholz, ſowie zur Majt in der Dinjcheder, 
Untroper, Niedereimer, Hüftener, Herdringer, Müfcheder, Hachener und Siringer 
Mark berechtigt; in der Arnsberger Mark zur Schafhude für 450 Stüd. 


) Tüding in den Blätt. 3. n. K. Weitf. 1873, ©. 38 ff. *) Daf. ©. 63 ff. 
°) Eine Mütte ıjt gleich ungefähr 65 Liter. Ein Malter hatte 4 Mütten. 


Das Kloftervermögen. 501 


Kagdrecht Hatte es im Eichholz und zu Schnellenhaus. 8. Kolonate oder 
Gemwinngüter befaß die Abtei im Ganzen 69 auf fajt allen Ortichaften 
und Höfen der Umgegend von Arnsberg und in der Nähe von Werl, 
u. a. in üntrop, Dinfchede, Müfchede, Herdringen, Freienohl, Berge, Visbeck, 
Körbede, Oberenfe, Wippringjen, Höingen, Bremen x. Es murde bon 
den einzelnen Solonaten alle 12 Jahre eine bejtimmte Geldjumme bon 
3 Stübern 41, Dt. bis zu 48 Thlr. gezahlt; außerdem jährlich bejtimmte 
Abgaben oder Leitungen an Roggen, Gerſte, Hafer, Weizen, Schweinen, 
Hämmeln, fetten Pfingjtlämmern, Schafen, Hühnern, Gänfen, Eiern, Butter, 
Wachs, Holz, Dünges, Pflüger, Mähetagen, Fuhren, Handdienjten, Majtgeld zc. 
So mußte Schulte-Wintrop alle 12 Jahre 27 Thlr. Gewinngeld, und jährlich 
an Pacht 2 Thlr. 27 Peterm. zahlen; außerdem jährlich liefern 18 Mütten 
Roggen, 30 M. Hafer, 18 M. Gerſtkorn, 6 Hühner, 1 Schwein, 2 Pfund Wachs, 
1 fettes Pfingjtlamm, 12 Fuder Schlagholz, 2 Fuder Sceitholz, 2 Dünge- 
und Pflügetage und 1 Fuhre nad) Werl. 9. Sonftige nit in Gewinn 
gegebene Grundjtüde brachten jährlid 29%. Thlr. ein. 10. An Kapi— 
talien waren bon der Abtei zinsbar angelegt bei der weitfälifchen Landſchaft 
oder bei Privaten 39482 Thlr., welche jährlich 4 bis 5%, BZinfen und zwar 
1694 Thlr. 22 St. 6 Di. trugen. 11. An ftändigen Geld- und Natural- 
zinfen gingen ein bon 5 vermietheten Käufern zu Arnsberg und Sundern 
zufammen 20 Betermännden, aus Wiefen bei Neheim 4 Hühner und 3 Peterm. 
Das Klojter Rumbed leiftete zu der vom Klofter zu unterhaltenden Wafler- 
kunſt jährlich I Thlr. 45 Peterm. 12. Ein don 147%, Morgen in natura ab- 
zuliefernder Zehnte betrug nach den zeitigen Fruchtpreifen 147 Thlr. 7 St. 
6 Dt. 13. An ftändigen Saatzehnten wurde entrichtet vom Kloſter Rumbed 
und von Bauern zu Dinfchede, Oventrop, Schulte vorm Walde, Niedereimer 
und Bruchhauſen im Ganzen 41 M. 6, B. Roggen, 22 M. Gerjtlorn, 98 M. 
3, 3. Hafer und 4 Düngetage. Dazu kamen die Dinfcheder Zehntlöfe mit 
3 ©t. 4 Dt. 14. Die Receptur zu Werl lieferte jährlich 1032 Werlifche 
Sceffel 12 B. Gerſte und 113 Sch 4, B. Hafer. Außerdem find Ländereien 
bei Werl zu 139 Sch. Gerite und 9 Sch. Hafer dem dortigen Pfarrer, der 
tet dem Wedinghaufer Konvente angehörte, zum Unterhalte überwiejen. 
15. An Meßhafer lieferten die Bauern zu Untrop, Wintrop, Dinfchede, Glö— 
fingen, Oventrop, ſowie die Schulten vorm Walde und zu Wildshaufen im 
ganzen 18 Mütten Korn. 16. Zum Unterhalte der Gymnafiallehrer 
bezog die Abtei aus der Eurfürjtlichen Oberkellnerei je 50 M. Roggen und 
Gerſte umd 6 Thlr. 36 Peterm., von den Zandjtänden 50 Thlr. 

I. Ausgaben. 1. Ständige Ausgaben an Schatzungen, an das 
Stift Mejchede, an die Oberfellnerei an Pacht, an Herbit- und Maibeede zu— 
fammen 10 Thlr. 45 Peterm. und 52 M. Korn. 2. 3%, Zinſen von einem 
bom Kloſter Dlinghaufen aufgenommenen Kapital von 1000 Thlen. 3. An 
Gehalt, Lohn und Bekleidung für die Konventualen, Beamten, Arbeiter 
und Dienjtboten im ganzen 1238 Thlr. P/, St. U. a. erhielt der Abt jähr- 
ih 250 Thlr., 7 Kanoniker und ein Bruder je 12 Thlr. bet im Udrigen 
freier Berpflegung, Wohnung zc. zum Frühftüd, 4 Profefforen je 24 Thlr. 
(je 12 Thlr. zum Frühſtück und je 12 Thlr. Gehalt), der Provifor 24 Thlr., 
der Unterprobifor und Kapitelsfecretär 30 Thlr., der Arzt 40 Thlr. Gehalt 
und 10 Thlr. Douceur, der Chirurg I Mütten Roggen und 10 Thlr. Rafier: 


502 Kurkölnische Zeit. Wedinghaufen und Gymnaſium. 


geld. An Dienjtperfonal waren vorhanden mehrere Diener, Arbeiter, Hand- 
werfer, Aufjcher zc., im ganzen 45 Perfonen, darunter 23 Knechte und 14 
Mägde. Sämtliche erhielten Koft und Wohnung im Stlofter; außerdem jähr: 
lihen Lohn, 3. B. ein Knecht 14 Thlr., 2 Paar Schuhe und ®/, Elle Sammet 
zu Überjtrümpfen ; ; eine Magd 6 Thlr., 2 Paar Schuhe und 1 Pfund Wolle. 
Der Winkop betrug Y, Kronthaler. 4. An jährlihen Ausgaben für die 
Delonomie werden im Durchjchnitt angegeben: 6240 Pfd. Rindfleifch zu 
7 Stüber, madt 7238 Thlr., 5200 Pfd. Kalb: und Hammelfleifh zu 5 ©t., 
madt 433 Thlr. 20 St., 6000 Pfd. Schweinefleifch zu 8 St., macht 800 Thlr., 
312 Pd. Stodfiihe zu 10 St., madt 52 Thlr., 79 Tönnchen Laberdan für 
50 Thlr., 27 Tönnden Häringe für 18 Thlr., 416 Stroh (?) Büdinge für 
20 Thlr. ze. ꝛc. Gefamtbetrag 6812 Thlr. 30 St. 

III. Bilanz. Der Aufhebungstommiffar veranjchlagt die jährlichen 
Gefamteinnahmen auf 13435 Fl. 37 Str. 44), Dt. und die Gejamt- 
ausgaben auf 11787 FI. 11 Sr. ?%,, Dt., fo daß ſich ein Überfchuß von 
1648 1. 26 Ser. ’%,, Di. ergiebt. Diefe Anfchläge find ohne allen Zweifel 
biel zu niedrig gegriffen, mie fich Ear und deutlich aus dem Etat der großh— 
heſſiſchen Rentei von Wedinghaufen für das Jahr 1804 ergibt. Danad) be 
trugen die Einzelpofitionen in der Einnahme zufammen 21887 1. 37 it; 
in der Ausgabe 20838 FL. 10 Kreuzer. Der Üüberſchuß betrug demnach 
1049 Fl. 27 Str. 

Die Berforgung des Kloſterperſonals, ſowohl der Kloftergeilt: 
lien wie aller Andern, herab bis zum letten Diener, gefchah bei Aufhebung 
des Kloſters nach Gebühr. Der Konvent, alfo die eigentliche Klojtergemeinde, 
bejtand aus 25 Perfonen, von denen die jüngern und rüjtigen als Par: 
geiftliche oder Profefioren am Gymnafium angeftellt, die ältern und kränk— 
lichen in den Ruheſtand verfett wurden. Abt Fifcher erhielt jährlich 650 Fl. 
und freie Wohnung im Kloſter Rumbeck; als auch diefes aufgehoben wurde, 
einen Zufchuß don jährlich 1000 FL., alfo im ganzen 1650 Fl. Zudem be 
hielt der Abt feine Infignien, Mitren, Bifchofsftab, Bruftkreuz, Ring ꝛc. 
Die übrigen Konventualen, foweit fie penfionirt wurden, bezogen jährlich 
zwiſchen 300 und 500 FF. Entfprechend wurden die Diener und Arbeiter 
entichädigt. (Nah Tüding, a. a. DO.) 


Dritter Teil. 


Die heffifhe Zeit. 


Die heififche Zeit (1802—1816). 


Geſchichte der Berfaffung.!) 
Die Befisergreifung. Der Landtag 1802. 

Noc ehe der Reichstag den durch den Frieden von Lünevilfe feft- 
gejegten Zuftand fanktioniert hatte, nahm der Landgraf von Heffen be- 
reits thatjählih und förmlich von dem Herzogtume Weftfalen Beſitz. 
Schon am 8. September 1802 rückte heſſiſches Militär, Kanonen mit 
brennenden Lunten voran, in Arnsberg ein, und bald erichien folgendes 

Befigergreifungs-Patent.?) 

Wir Ludwig X von Gottes Gnaden Landgraf zu Helfen, Fürft 
zu Hersfeld, Graf zu Catzenelnbogen, Diez, Ziegenhain, Nidda, Hanau, 
Ehaumburg, Nienburg und Ludingen ꝛc. 

Entbieten dem Dhom-Eapitel, den geiftlichen Stiftern, wie auch der 
übrigen Geiſtlichkeit, der Nitterfchaft, den Lehns-Leuten und ſämmtlichen Ein» 
wohnern und Unterthanen des Herzogthbums Weitphalen Unfre Gnade und 
alles Gute! 

Demnad) Uns und Unfern Erben für Unfre abgetretene Lande und 
Befigungen unter andern auch das Herzogthum Wejtphalen im Säculari— 
fationd-BZuftande, und als eine erbliche Befitung dergejtalt zugejtalt worden, 
daß ſolches auf ewige Zeiten Unferm Fürftlicden Haufe angehören foll, 
jo haben Wir für zuträglich erachtet und bejchloffien, nunmehr von befagtem 
Herzogthum und allen feinen Orten und Zubehörungen proviſoriſchen 
Eivil:-Befit nehmen zu laſſen, und die Regierung darinnen anzuordnen. 

Wir thun folches demnad) hiermit und in Kraft diefes Patents, ber- 
langen von allen und jeden Eingejeflenen des Herzogthums Wejtphalen, weß 
Standes und Würden fie auch ſeyn mögen, fo gnädig als ernitlich, daß fie 
fi Unjerer Regierung unteriverfen, vollkommenen Gehorfam in aller Unter: 
thänigfeit und Treue leiften, und fich diefer Befignehmung und den Ber- 
fügungen der zu dem Ende von Uns abgejandten Commiffarien und Truppen 


I) Pieler in don Lilien's Statiftif des Kreifes Arnsberg, ©. 73 ff., 
dem größere Partien wörtlich entlehnt find. 
2) Städtifches Archiv. 





506 Heſſiſche Zeit. 


auf feine Weife widerfeßen, auch fich alles und jeden Recurfes an auswärtige 
Behörden bei Bermeidung ernitliher Ahndung enthalten und, fobald Wir cs 
erfordern werden, die gewöhnliche Erbhuldigung leijten. 

Dagegen ertheilen Wir Ihnen zugleich die VBerfiherung, da Wir Ihnen 
mit Huld und Gnade jederzeit zugethan verbleiben, Ihnen Gerechtigkeit und 
allen Schuß angedeiben laffen, und Ihrem Wohl Unſere Landesväterliche 
Fürſorge unermüdet widmen werden. 

Urkundtlich Unſerer eigenbändigen Unterfchrift und beigedrudten Inſiegels 

Darmitadt, den 6. October 1802. 

Ludwig. 


Eine „Organiſations-Kommiſſion“ begann alsbald dem 
Lande ſeine neue Einrichtung zu geben. Die Reichsdeputations-Ver— 
ſammlung übergab am 25. Februar 1803 dem Reichstage den Reichs— 
Deputations-Hauptſchluß. Nach 8 7 desſelben erhielt der Landgraf von 
Heſſen-Darmſtadt „für die Grafſchaft Lichtenberg ꝛc. das Herzogthum 
Weſtphalen mit Zugehörden, und namentlich Volkmarſen, ſammt den 
im genannten Herzogthume befindlichen Kapiteln, Abteien und Klöſtern.“ 

Schon am 30. Dezember 1802 hatten Ritterſchaft und Städte 
des Herzogtums bei der Organiſations-Kommiſſion eine Vorſtellung ein— 
gebracht betreffend „Beſtätigung ihrer Privilegien und Freiheiten“. Unter 
dem 25. März 1803 war der Beſcheid ergangen, daß eine „beſtimmte 
Reſolution nicht erfolgen können, ehe nicht jene Privilegien ꝛc. erklärt 
und gehörig mit Dokumenten begründet wären”.!) Hierauf verfaßte 
der landftändiiche Deputierte Franz Adolph Frhr. von Nagel?) im 
Auftrage der Nitterfchaft, ohne feinen Namen zu nennen, eine „Kurz— 
gefaßte ... Zujammenftellung der wichtigſten Dokumenten und Alten: 
jtücfe, welde die Verfaflung des Herzogthums Weftfalen ausmachen“. 
Das auf Koften der Nitterfchaft gedrudte Werkchen ift eingeleitet durch 
eine philojophiih gehaltene, warme „Vorrede“ von Franz Wilhelm 
Frhr. Spiegel zum Dejenberge (vgl. S. 458 f.). Dieſelbe ſchließt 
„mit dem aufrichtigen Wunfche, daß wir Weftphälinger unfere Ber: 
faffung als ein Unterpfand, das uns durch die Fürforge und Klugheit 
unferer Vorfahren übergeben ift, bis auf die entfernteften Zeiten un- 
verlegt erhalten, und daß der neue Regent und feine Nachfolger, durd 
den Gejammtwillen feines Volkes unterftügt, die Früchte einer ſolchen 
freyen Berfaffung, in Ruhe und Frieden genießen mögen. Arensberg 
den 1jten Dftober 1803.“ 

Zunädft blieb denn aud die landftändiiche Verfaſſung beftehen. 
Der Reichsſchluß verordnete ($ 60): „Die dermalige politiihe Ber: 


— 





2) Abfchrift unter den Papieren des Frhrn. von Weiche. 
?) Den Namen giebt Seiberk an, Wejtf. Beiträge IL, ©. 31. 


Geſchichte der Berfaffung. Letter Landtag. 507 


fafjung der zu fächlarifirenden Länder, in jo weit ſolche auf gültigen 
Verträgen zwijchen dem Regenten und dem Lande, auch anderen reichs— 
gejeglichen Normen ruht, foll erhalten, jedoch in demjenigen, was zur 
Civil: und Meilitär-Adminiftration und deren Verbefferung und Ber: 
einfahung gehört, dem neuen Landesherrn freie Hand gelafjen werden.“ 
Diejem Neichsgejege gemäß wurde in dem erjten heſſiſchen Organiſations— 
edikte vom 12. Dftober 1803 anerfanıt, daß das Herzogtum Weftfalen 
„Tür fich ein gejchloffenes Ganzes ausmache“, und feine Verfaſſung 
wurde nicht angerührt. Landgraf Ludwig berief die Stände auf den 
17. Auguft 1805 nach Arnsberg. 

„Nachdem bon Gottes Gnaden Wir Ludwig X Landgraf zu Heflen zc. ꝛc. 
gnädigjt befchloffen Haben, die Huldigung in Unſerm Herzogtum Weit: 
phalen durch Unfern zum Wejtphälifchen Landtage abgeordneten erjten Com- 
missarium, und zivar von getreuen Ständen, bon Nitterfchaft und Städten, 
den Sechszehnten injtehenden Monats Auguft, als den Tag dor Eröffnung des 
Landtags, in dem zu Haltung deffelben bejtimmten Saale des Klosters 
Weddinghaufen bey Unferer Stadt Arnsberg, in Unferm Nahmen Uns leiten 
und einnehmen zu laflen; Als fügen wir Euch folches zur ſchuldigen Nach: 
achtung andurch zu willen, damit Ihr auf dein bejtimmten Tag Eud) in dem 
Klojter Weddinghaufen bey Arnsberg einfindet und Uns als Eurem nun— 
mehrigen Landesfürjten, in der Perfon Unfers Hierzu gnädigjt ernannten 
Commissarii, die ſchuldige Erbhuldigung leitet. 

Urkundlich des hierauf gedrudten Fürftlichen Anfiegels. 

Arnsberg den 23. Yuly 1803. 

Ad speciale Mandatum Serenissimi 
Fürftlich Heffifhe Organisations-Commission des Herzogthbums Wejtphalen. 
(Sig) U. v. Grolman. Gremar (?). Beußler. Streder. 

In den Propofitionen gab der Fürft den Ständen die Verfiherung, 
er werde nichts unterlaffen, um die Kultur, die Induſtrie, den Wohlftand 
des Landes zu heben und zu befördern. An den Ständen dagegen jei 
es, ihn durch willige Darreichung ergiebiger Steuerbeiträge inftand zu 
jegen, die jchweren Negierungslaften beftreiten zu können. Sie möchten 
die Staatsbedürfniſſe und die Mittel, fie zu deden, in reifliche Über- 
fegung nehmen, dabei die veränderten Verhältniffe in Erwägung ziehen ꝛc. 
Die Stände bewilligten darauf: 1. zu Zivil-Adminiftrationsfoften bis 
zum nächſten Landtage 18 000 Gulden, denen die Nitterfchaft aus den 
befreiten Gütern 6000 ©. hinzufügte; 2. für Kafernen- und Difafterial- 
Bau 15000 Gulden; 3. zur freien Dispofition Sr. Durdl. und zur 
Beitreitung der übrigen Punkte, ſoweit fie die hiefige Landſchaft betreffen, 
95 000 Gulden. Diefe 134000 Gulden follten für das Yahr vom 
Dftober 1803 bis Dftober 1804 quartaliter aus Landesmitteln nach 
Arnsberg abgeführt werden. Es war der lebte weitfäliiche Landtag. 


508 Heſſiſche Zeit. 


In den nächſten Jahren wurde jener Betrag als „jchuldige Landes— 
Kontribution“ erhoben; dann folgte die fürmliche Aufhebung der Ver— 
fajjung. 

Die Aufhebung der Iandftändifchen Verfaffung (1806). 

Am 19. Juli 1806 war der berücdhtigte Aheinbund unter dem 
Proteftorate des franzöfiihen Kaifers geichloffen, am 6. Auguft hatte 
Franz I der deutjchen Kaiferwürde entfagt. Darauf erließ Yandgraf 
Ludwig am 13. Auguft die Befanntmahung, daß er durch Vertrag mit 
Napoleon die völlige Souveränität feiner alten und neu erworbenen 
Yande erlangt und nad) der nun erfolgten Auflöjung des deutjchen 
Neichsverbandes den großherzoglidhen Titel mit allen von den 
föniglihen Würden abhängenden Rechten angenommen habe. Er fügte 
die Erflärung Hinzu, daß die unumſchränkte Gewalt ihm die frohe 
Ausficht eröffne, das Glück und die Wohlfahrt des Landes jegt wirkſamer 
erhöhen und befeftigen zu können. Der neue Großherzog verordnete 
am 1. Dftober 1806 die Aufhebung der Landftände. Die Ungleichheit 
der Verfaſſungen in den einzelnen LZandesteilen ftehe der gleichen Be— 
handlung der Unterthanen im Wege, hemme nicht ſelten VBerbefferungen 
und Adminiftration; die Landtage feien mit ſchweren Koften verbunden; 
und der Zwed der jtändifchen Verfaffung entjpredhe den gegenwärtigen 
Zeitverhältniffen nicht mehr. Daher feien die Landftände ſämtlicher 
Provinzen aufgehoben und ihre Geſchäfte den Landeskollegien überwiejen. 
Eine andere Verfügung von demjelben Tage erklärt alle bis dahin be: 
ſtandenen Steuerfreiheiten als aufgehoben. Mit diefer Verfügung ftand 
im Zufammenhange die Einrichtung des Katafters. Am 6. Januar 1807 
wurde die Anlegung von Flur» und Lagerbücern alles vorhandenen 
Grundeigentum zur Berichtigung der Grundfteuer-Verhältniffe verfügt, 
und die mit der Yeitung diefes Geſchäfts beauftragte Steuer-Ratififations- 
Kommiljion erließ am 20. desjelben Monats nähere Beitimmungen 
über die Berzeihnung der Grundftüce jeder Gemeinde, ihre Bonitierung, 
jowie die Aufzeihnung der Grundlaften durch bejondere Unterfom- 
mijfionen. Vom 1. Januar 1812 ab wurde zuerft nad) dem neuen 
Katafter gehoben. 

Regelung der VBerhältnifie bes Adels, des Bauern: und 

Bürgerftandes. 

Am 5. November 1809 wurden alle Bauerngüter für teilbar er- 
Härt, e8 wurde beftimmt, daß die Gutsabgaben mit ihrem 25 faden 
Betrage abgelöft werden können; endlich wurde am 27. Februar 1811 
die Verordnung erlaffen, daß die abgabenpflichtigen Güter die volle 
Steuer zahlen, dagegen aber dem Nentenberechtigten Y, der Reallaft 


Aufhebung der Landjtände. Die neue Verfaflung. 509 


abzuziehen jei. Auf diefe Weiſe war aljo das neue Recht der Bauern 
und der frühern Gutsherrichaften geordnet, und zwar durchweg zu 
Gunſten des Bauernftandes. Leider war dabei aber auch eine Haupt: 
grundlage des Bejtehens der Bauerngüter, ihre Unteilbarfeit und Uns 
veräußerlichkeit, gefallen. Die Stellung der Landgemeinden unter Staats» 
beamte — die neu ernannten Edultheifen — veränderte ihr Ber: 
hältnis in Rückſicht auf ihre feitherige Selbftverwaltung und dann aud) 
gegen die Heuerleute und Beilieger durchaus. Es war ein Elend, jagt 
ein Zeitgenoffe, wie jeit dem Jahre 1813 die Gemeinde nolens volens 
eine Rehnung zur Nevifion einſchicken mußte, wenn fie aud) erklärte, 
daß fie nichts zu rechnen habe, da fie in ihren Bauernſprachen alles 
gleich abmache. 

Die Städte und Freiheiten erlitten ebenfall3 große Veränderungen: 
was ſie eigentlih zu Städten gemadt hatte, die Selbjtverwaltung 
unter gewählten Magiftraten und die eigene Gerichtsbarkeit, dann der 
ausjchlieplihe Gewerbebetrieb, wurde ihnen entzogen. An die Spike 
traten auc bier großherzogliche Beamte, die Schultheißen, welche das 
unterjte Glied des Berwaltungs - Organismus (Amter, Regierung, 
Minifterium) bildeten. Die Veränderungen, welde die Städte ihrer 
Jahrhunderte alten Selbftändigfeit beraubte, fie amtsjäjjig machte, trat 
nad) und nad) bis zum Jahre 1811 ein. Den einzigen Erjag für die 
alte Selbftändigfeit gewährte die Schultheigeninftruftion vom 29. Febr. 
1812 dadurch, daß fie eine Gemeindevertretung von zwei bis drei frei 
gewählten Deputierten anordnete, an deren Zuftimmung der Schultheiß 
gebunden war. Endlich wurden aller Zunftzwang und alle Zunft: 
monopole aufgehoben, und jedem Unterthan geftattet, überall im Lande 
das Gewerbe zu betreiben, worauf er ein Patent Löfte, um feine fertigen 
Arbeiten und Waren überall hin abzuſetzen. (Geſetz vom 1. April 1811.) 
Die neue Landesverfaflung. Arnsberg als Sit heififher Behörden, 

Amt Arnöberg. 

An die Stelle von Landdroft und Räten, injofern fie als oberjte 
Landesstelle die Negierungsgefhäfte wahrgenommen hatten, trat die 
proviſoriſche Organiſations-Kommiſſion; infofern aber die Negierung 
von Panddroft und Räten obere GerichtSbehörde gewejen war, wurde die 
Regierung an ihre Stelfe geſetzt, welche da8 Gericht zweiter Inſtanz 
und das Forum für die Cchriftjäjfigen bildete. Die früheren Gerichte 
erfter Inſtanz blicben beftehen. Das Dffizialatgericht wurde auf rein 
kirchliche Sachen beſchränkt. Mit dem Jahre 1804 traten die durch 
das Organifationg-Edikt vom 12. Dftober 1803 für die drei Provinzen 
des ganzen Pandes gleihmäßig angeordneten neuen Difafterien in 


510 Heffifche Zeit. 


Wirkfamkeit. Diejenigen des Herzogtums Weftfalen erhielten ſämtlich 
in Arnsberg ihren Sit; der Stadt blieb ihr Charakter als Haupt- 
ftadt bewahrt. Die in Arnsberg untergebradhten Behörden!) waren: 

1. Die Regierung, oberfte Verwaltungsbehörde, zu deren 
Geichäftskreife die Aufficht über die Kommunen, die Yandespolizei, die 
Inſpektion der abhängigen Behörden, Anftellungsjahen ꝛc. gehörten. 

2. Das Hofgericht, welchem die Bejorgung der Rechtspflege 
in fchriftjäfigen Sachen zweiter Inſtanz oblag, wie auch die Aufjicht 
der Untergerichte ꝛc. 

3. Die Rentenkammer, ſeit dem Jahre 1809 unter dem 
Titel Hofkammer, welche die Bewirtſchaftung der Staatseinnahmen und 
Ausgaben, die direkten und indirekten Steuern, alle Regalien und 
Domänen, das Berg-, Hütten- und Salinenweſen, die Bauſachen ꝛc. 
zu ihrem Reſſort hatten. Außer dieſen Hauptdikaſterien beſtanden noch 
als Landesbehörden 

4. Der Kirchen- und Schulrat. 

5. Das Forſtkollegium. Die Direktoren des Hofgerichts 
und der Hofkammer ſollten zugleich Mitglieder des Regierungskollegiums, 
und Regierungsräte ſollten Mitglieder des Kirchen- und Schulrats wie 
auch des Forſtkollegiums ſein, ſodaß in allen Landesbehörden Mitglieder 
der Regierung waren. 

Unter kurkölniſcher Regierung war das Land eingeteilt in Ämter, 
Gerichte und Gaugerichte. Der Großherzog ſetzte am 22. Sept. 1807 
die Amtsdroften und ihre Amtsverwalter außer Wirkfamfeit, hob die 
(feinen) Gerichte wie auch die Stadtgerichte auf und ernannte neue 
Beamte, die Amtleute, weldhe von den adminiftrativen Dienftobliegen: 
heiten der Droften nur die Polizei behielten, dagegen aber Yuftizbeamte 
wurden. Da die früheren Amtsbezirfe teil zu groß, teils zu Hein 
waren, jo wurde eine neue Einteilung des Landes in Ämter angeordnet. 
Jedem derjelben ftand als Nichter und Polizeiverwalter ein Juſtiz— 
amtmann vor, unter ihm waren ein Amtsfchreiber und die nötigen Amts— 
diener. Der jekige Kreis Arnsberg umfaßt von den 18 Ämtern 
des Herzogtums fünf und zwar 3 ganz oder zum größten Teile, 2 nur 
mit wenigen Ortſchaften; nämlich die Amter Arnsberg, Balve, Belede, 
Menden, Eslohe. Das Amt Arnsberg umfahte nad) der erjten 
Einteilung von 1807 die Stadt Arnsberg, das jeitherige Gericht Arns— 
berg, das Gericht Hellefeld, die Freiheiten Hüften, Freienohl und 
Haden, die Stadt Neheim und den Hof Mosfelde. Langſcheid und 


:) Zur Lage der Amtslokale vgl. ©. 401. 


Arnsberg als heſſiſche Hauptjtadt. Amt und Stadt Arnsberg. 511 


Sundern, welche zum alten Amte gehört hatten, wurden zu Balve gelegt. 
1811 famen vom Amte Balve zu Arnsberg: Sundern, Herdringen, der 
Habbelerhof und der Aufelerhofsbezirl. — In der lebten Zeit der 
hejfiihen und noch im Anfange der preußijcen Regierung bejtand das 
Amt Arnsberg aus folgenden Berwaltungs- oder Schultheißen-Bezirfen: 

1. Stadt Arnöberg mit Wedinghaufen. Obereimer, Jäger-, Pulver- und 
Hammerhaus, Schmicshäuschen wurden erjt den 22. Dezember 1812 von den 
Schultheigenbezirfen Niedereimer und Müfchede zur Stadt gelegt. Auch die 
übrigen Bezirke erhielten ihre unten angegebene Abgrenzung durch die er: 
mwähnte Abänderung dom Ende des Jahres 1812. 2. Stadt Neheim mit 
Mosfelde und dem Haufe an der Aufeler Brüde. 3. Freiheit Hüjten mit der 
Hüftener Mühle und dem Aufeler Hofsbezirk. 4. Freiheit Hachen mit der 
Stolonie Stemel, dem Sorper Hammer, der Ziegelhütte. 5. Freiheit Sundern. 
6. Freiheit Freienohl mit Wildshaufen. 7. Schultheißenbezirk (ebenſo die 
folgenden Nummern) Nicdereimer mit Untrop, Wintrop, Breitenbruch, Bruch- 
baujen (früher auch Echmieshäuschen, Mosfelde.) 8. Dinjchede mit Rumbed, 
Dinjchede, Glöfingen, Oventrop, Wildshaufen. 9. Müfchede mit Weniglohe, 
Wicheln, Boinghaufen (Obereimer, Stemel.) 10, Herdringen mit dent Habbeler 
Hof (Aufeler Hofsbezirt). 11. Hellefeld (der Schultheiß verwaltet auch Weiten 
feld). 12. Wejtenfeld mit Seljchede, Schnellenhaus, Boinghaufen, Bruch. 
14. Visbeck mit Herbelinghaufen, Frenkhauſen, Erlenbrod. 14. Altenhellefeld. 
15. Linnepe mit Wenninghaufen. 


Innere Berhältniffe der Stadt. 

Mit dem Übergange an Heffen gewann Arnsberg als Stadt mehr 
als es verlor. Es wurde nicht nur, wie vorhin gezeigt ijt, Sit 
jämtliher Provinzialbehörden, jondern auch, nebjt Brilon und Werl, 
Garnijonftadt. Das alte Zudthaus wurde zur Kaferne eingerichtet 
(S. 401), auf dem Brücdenplage wurde ererziert (S. 392). Die Ein- 
wohnerzahl!) erfuhr eine mäßige Steigerung; fie betrug 1802 nur 1843 
Berjonen in 245 Häufern und jtieg bis 1812 auf 2585 in 276 Häufern. 
Im Jahre 1816 waren an 300 Häufer bewohnt. Durch Landesgejek 
vom 3. Mai 1803 wurde jeder Grumndeigentümer zur Abtretung von 
Bauplägen gegen Erjag des tarmäßigen Wertes verpflichtet. Dieſe 
Verordnung, die natürlich zu vielem Zwifte, zu weitläufigen Verhand— 
lungen und Prozefjen führte, Fam der ſich regenden Bauluft zu ftatten. 
Arnsberg dehnte ſich allmählich jenjeits der Thore aus; es entjtanden 
Teile der Chauffeeftraße und des Steinwegs (ſ. u.). Die Thore dajelbft 
find erft in preußischer Zeit gewichen. Die Verfaffung der Stadt wurde 
dur eine bejondere „Rats: und Wahlordnung” 1805 geändert. Der 

) Sie ift auf S. 80 für die ältere Zeit entweder zu hoch tariert worden, 
oder fie ijt im dreißigjährigen und fiebenjährigen Stiege ſehr zuſammen— 
gejchmolzen. 


512 Heſſiſche Zeit. 


„Mat“ ſollte aus zwei Bürgermeiftern, einem amtierenden und einem 
Profonful, zwei Beifigern und dem Sekretär bejtehen, und ein Stadt- 
rentmeifter jollte ernannt werden, der jedoch dem Rate nicht angehörte. Die 
Mitglieder des Rates waren auf Lebenszeit zu wählen. Der „Kurrat“, 
den jetzigen Stadtverordneten entjprechend, jollte aus acht Bürgern, zwei 
Mitgliedern jeder Zunft, gebildet werden und einen unter landgräflicher 
Mitwirkung gewählten Obmann bekommen. Über andere innere Ein- 
richtungen giebt die unten mitgeteilte Schilderung aus dem Jahre 1816 
Aufſchluß. Die mannigfahen BVerdienfte der heffiichen Regierung hier 
auseinanderzufegen, fehlt leider der Naum. Einiges ift bereits hervor: 
gehoben worden. Bei Gelegenheit der Enthüllung des Standbildes des 
Großherzogs Ludwig I in Darmftadt (25. Aug. 1844) wandte fich der 
Magiftrat an den Großherzog Ludwig II mit der Bitte, der Stadt das 
Bild feines verftorbenen Vaters zu jhenfen. Unter Seiner Regierung, 
heißt es in dem Schreiben, begann im damals noch unwegjamen Herzog: 
tum Weftfalen der länderverfnüpfende Wegebau. Durch weije und Liberale 
Geſetze, welche den Grund ihrer Fortdauer in fich felbft tragen, wurden 
alle Steuerfreiheiten aufgehoben, die der Landeskultur entgegenftehenden 
Hinderniffe befeitigt und die Kolonatgüter des Bauernftandes durch Auf- 
hebung der Leibeigenſchaft und des Kolonatnerus Eigentum ihrer Bes 
figer. Eine furze und einfache Prozeßordnung regelte und bejchleunigte 
den Gang des gerichtlichen PVerfahrene. Das Medizinalwejen wurde 
nen und trefflich organifiert und den Unterricdhtsanftalten, ſchon unter 
der Negierung des erlauchteten Kurfürften Marimilian Franz auf eine 
erfreuliche Stufe erhoben, wurde die forgfältigfte Pflege und linter- 
jtügung zuteil ꝛc. Der Großherzog entjprad der Bitte in einem eigen- 
händigen Schreiben, ein gleiches begleitete die Überfendung des Bildes 
am 1. Dez. 1846. Sie find im Stadtardive aufbewahrt. 


Geldjichte der Birdengemeinden bis auf die Gegenwart. 


Katholiſche Gemeinde. 

Das Patronatsrecht über die katholiſche Pfarre Arnsberg ging durch 
die Säfularifation des Klofters Wedinghaufen im Jahre 1803 auf den 
Landesyerrn über. Fiskus ift verpflichtet, die Kirche baulich zu unter« 
halten und die Kultusfoften zu beftreiten. Die von der heſſiſchen Mes 
gierung ausgeworfene und jpäter vervolljtändigte Dotation beträgt für den 
Pfarrer knapp 2400 Mk. einſchl. Stolgebühren, Nebenbezüge, Wohnung :c., 
für den erjten Kaplan 1200, für den zweiten 1050 ME. nebjt Amts- 
wohnungen. Zur Pfarrei gehören zur Zeit folgende Kirchen und 
Kapellen: 1. die Pfarr- und Propſteikirche ad S. Laurentium; 2. bie 


Katholifche und evangelifche Kirchengemeinde. 513 


Stadtkapelle ad S. Georgium; 3. die Kapelle ad S. Joannem Nepom. 
auf dem Brüdenplage; 4. die Kreuzkapelle auf dem Kreuzberge, die am 
1. Mai 1868 eingeweiht ift; 5. die Kapelle ad S. Josephum 
zu Untrop. Durch päftlihe Bulle vom 16. Juli 1821 wurde Arnsberg 
jamt dem Herzogtum Weftfalen der Diözeje Paderborn zugeteilt und 
zugleih zum Defanate erhoben. Zum Arnsberger Defanate gehören 
heute die Pfarreien Arnsberg, Numbed, Balve, Enfhaufen, Hellefeld, 
Hüften, Neheim, Stodum, Voßwinkel. Im Jahre 1859 wurde Rum- 
bet mit Wildshaufen, Glöfingen und Öventrop als bejondere Pfarre 
von Arnsberg abgezweigt. 

Über die Schickſale der Pfarre in diefem Jahrhundert ſei nod) 
furz folgendes bemerkt: Sauer, der Pfarrer der Gemeinde in der 
heſſiſchen Zeit, bildete aus den zwei gejonderten Abteilungen der Kirche 
einen Raum (S. 99) und ergänzte die Austattung derjelben durd) die 
Kanzel und mehrere Beichtftühle des aufgehobenen Klofters Grafſchaft. 
Im Yahre 1859 erfolgte auf Grund eines Erlaſſes Sr. Heiligkeit des 
Papftes Pins IX vom 16. April durch Verleihungsurfunde des Biſchofs 
Konrad von Baderborn die Erhebung der Arnsberger Pfarrkirche zur 
Propfteifirde. Die landesherrlicdye Anerkennung erfolgte durch Ur- 
funde Sr. Königl. Hoheit des Negenten Wilhelm, Prinzen von Preußen, 
d. d. Ostende, 6. Sept. 1859. In den Beiten des „Kulturfampfes“ 
war die Pfarre längere Zeit verwaift. Beerdigungen gejchahen durd) 
den Küfter, Taufen umd Trauungen dur den Pfarrer in Rumbeck. 

Pfarrer und Bröpfte: Sauer (biß 1839), Dr. Koop (7 3. Fe- 
bruar 1876), Ehriftian Kroll, Ehrendomherr, (jeit 24. Mai 1881). 


Evangelijhe Gemeinde!) 

Nah den Statuten der Stadt Arnsberg von 1608 (©. 274) 
fonnte fein Nichtkathofik hier Bürger werden. Die PBroteftanten waren 
im ganzen Herzogtume von allen Staatsämtern ausgeſchloſſen. „Die 
Beitallung der Amter und Pandtsdienften Fürſtenthumbs Weftvalen ſoll 
gejchehen mit redlichen, der Fatholifchen Neligion zugethanen Leuten aus 
den Landtseingeſeſſenen“, heißt es im Privileg über das Indigenatrecht 
von 1662. Eine ſolche Gejeßgebung mußte die Proteftanten abhalten, 
fi) hier niederzulaffen; wenn dennoch einzelne Fremde, die etwa wegen 
ihrer Kenntnifje gejucht wurden, 3. B. der Iutherifche Apotheker Brisken, 
der von Soeft nad) Arnsberg fam (S. 430), einwanderten, jo traten die- 
jelben meijtens zur katholiſchen Kirche über. Dieje Scranfen fielen 
erjt, al8 im Jahre 1802 die Heſſen das Herzogtum Weftfalen in Befit 


) pieler a. a. O. ©. 52 fi. 
Foaur, Geſchichte Arnsbergs. 33 


514 Heffiiche Zeit. 


nahmen. Damals gab e8 nur einzelne Proteftanten im Yande, obwohl 
in der legten Zeit die Kurfürften felbft gegen das Indigenat- und Re— 
(igionsgejeg jolche beriefen, 3. B. einen Oberförfter Calaminus.!) Zu— 
verläffige Nachrichten über ihre Zahl find uns nicht befannt. In den 
erjten Jahren der heſſiſchen Regierung bildete ſich jedoch eine bemerf- 
bare proteftantiiche Bevölkerung durch die Überfiedelung von Beamten 
aus den althejfiichen Yandesteilen, Käufern und Pächtern von Domainen 
und das hier in Garniſon liegende Militär. Diefe neue Bevölferung 
belief fi im vierten Jahre nad) der Befignahme auf 690 Seelen. 
Nah dem „Landgräflich Heffiihen Staats» und Adreffalender auf das 
Jahr 1806, Darmftadt, im Verlag der Amvalidenanftalt” waren näm- 
id unter den 131 321 Einwohnern des Herzogtums (mit Ausichluf 
der 567 Yutheraner in dem heſſiſchen Anteile des märkiſchen Kirchſpiels 
Balbert) 128787 Katholiken, 560 Lutheraner, 109 NReformirte, 21 
Mennoniten, im ganzen 690 Proteftanten und 1844 Juden. Aber 
Ihon vor dem Jahre 1806 hatte ſich das Bedürfnis eines evangelifchen 
Kirchenwejens geltend gemacht, und in der Hauptjtadt Arnsberg eine 
Pfarrgemeinde angefangen ſich zu bilden. 

Um dem firhlihen Bedürfniffe der protejtantiihen Bewohner 
Arnsberg und der Umgegend zu entjprechen, verordnete der Landgraf 
Ludwig X unterm 18. Auguft 1804, daß der in Arnsberg ftchende 
Feldprediger der Brigade Erbprinz, Hoffmann, aud bei der dortigen 
Zivilgemeinde die Seelſorge und die Meinifterialhandlungen gegen Stol- 
gebühren übernehmen und das Kirhenbud führen follte. Ihm wurde 
ein Mitprediger zur Seite geftellt, welcher zugleich den Schulunterricht?) 
den Kindern der Zivil» und Diilitärgemeinde zu erteilen hatte. Als Ge- 
halt wurden letzterem 350 Florin (jeit 1805 erhöht auf 500 Florin) 
und zwei Klafter Holz bewilligt; daneben hatte er das Schulgeld zu 
beziehen. Das Schulzimmer war anfangs in der Kaferne, dem jetigen 
Negierungsgebände. 1809 wurden ein Kirchendiener und ein Organift 
und Vorſänger angeftellt, aud ein Kirchen- und Schulvorftand eingejegt. 
Der Gottesdienft wurde in der Stadtkapelle — nad) Beendigung des 
fatholijchen Frühgottesdienftes — gehalten, jedod nur alle vierzehn Tage. 
AS im Jahre 1814 der Prediger abging, wurde ein Schullehrer an- 
geitellt und aus dem Gehalte des abgegangenen Prediger bejoldet. 
Ueber ein Jahr lang Hatte die Gemeinde nun feinen Gottesdienft und 

1) S. S. 464 

2) Zur erſten Prüfung der evangeliſchen Schüler in Arnsberg am 
30. Auguſt 1806 ließ der Pſarrer und Lehrer Hoffmann eine längere Ein- 
ladungsjchrift pädagogischen Inbalts druden. 


Evangeliſche Gemeinde. Altarbild. 515 


der Fatholiiche Pfarrer Sauer bejorgte, jo weit es zuläffig war, die 
pfarramtlichen Handlungen und führte die Kirchenbücher. Diefer Zuftand 
hörte erjt auf, als nad der Befitnahme des Landes durch Preußen 
am 15. Juli 1816 Arnsberg der Sit der Regierung wurde. Der bei 
dem Regierungs-Rollegium angeftellte Negierungs-Schulrat wurde nun 
zugleich Pastor der evangelifhen Gemeinde mit einem Pfarreinfommen 
von 200 Then. nebjt Wohnung und Garten. Im Jahre 1821 wurde 
ihm ein Hülfsprediger zur Seite geftellt. Friedrid Wilhelm IV be— 
willigte unterm 13. Yan. 1822 den Bau einer evangelifchen Kirche; 
diejelbe wurde am 25. Mai 1825 eingeweiht. Sie ift in modernem 
Stile erbaut und befigt ein ſchönes Altarbild, die Auferftehung Ehrifti 
von Deger, zum größten Teile von dem Düffeldorfer Kunftvereine ge- 
ftiftet (j. u.). 1832 wurde die Stelle des Hülfspredigers zum Amte 
eines zweiten Paſtors erhoben, 1852 hörte die Vereinigung der Paftorat- 
ftelfe mit der des Negierungs-Schulrates auf und es wurde ein eigener 
erjter Pfarrer mit einem Gehalte von 750 Thlr. angejtellt. ALS zweiter 
Pfarrer zu Arnsberg wurde 1852 der Pfarrer an der Filialkirche zu 
Neheim mit einem Schalte von 400 Thlrn. beſtellt mit der DVerpflich- 
tung, hier jeden dritten Sonntag umd an den zweiten Feiertagen den 
Gottesdienſt abzuhalten. ALS mit dem Schluffe des Jahres 1870 das 
Yilialverhältnis von Neheim aufhörte, erhielt der zweite Pfarrer feinen 
Wohnfig in Arnsberg. Das Gehalt von 400 Thlrn., das bis dahin 
nad) Neheim geflojfen war, ging ebenfall3 nad) Arnsberg zurüd. Die 
Pfarrei Arnsberg gehörte früher zum Sprengel der Kreisiynode Iſer— 
lohn; im Jahre 1834 wurde fie aus demjelben entlaffen ımd der Diözeje 
Soeſt zugeteilt. 

Über das erwähnte Altarbild bradte das „Arnsberger Wochenblatt” 
(1834, ©. 265) eine Berliner Nezenfion, in der es Heißt: . . . . Der Name 
dieſes ausgezeichneten Künſtlers ift Degert) und fein gegenwärtiges Bild, eine 
Auferstehung Chriſti, darf fich dem Bejten anreiben, was in unferer Zeit 
in Acht Hriftlicher Weife gelungen iſt. . . . Es hat nichts als die Wächter 
und den Heiland, welcher über dem Grabe fehtwebend von der Glorie, die 
ihn umschließt, emporgehalten wird. . . Während die Wächter, äußerlicd) be- 
trachtet, Schlafen, mit gejchlofienen Augen das nicht ſehen, was uns der 
Maler zu Schauen vergönnt hat, indem er uns allein zu Zeugen des Wunderg 
machte, zeigen fie in ihren Mienen und Bewegungen deutlich an, daß fie in 
ihrem Innern grade eben dieſes als Viſion wahrnehmen. . . Alles Hat fein 
höchſtes und tiefites Interefie erlangt und fo erklärt fich, daß diefes Bild bei 
wenigen und Kleinen Figuren doc) einen fo tiefen umd religiöfen Eindrud 





) Ernjt Deger, geb. 1809, machte jich durch die Freskengemälde in 
der Apollinarisfiche in Remagen (1851), „das bedeutendfte monumentale 
Werk der Düffeldorfer Malerjchule”, einen Namen. Er jtarb 1885. 


33* 


516 Heſſiſche Zeit. 


macht. Was die einzelnen Figuren anlangt, jo ſchwebt der ſiegreiche Hei- 
land mit dem Siegesfähnlein in der Linfen und mit zum Schwur auj- 
gehobener Rechte in erhabener Schönheit, den Kopf von einem ernten männ— 
lichen Ausdrud, nicht ohne Widerfchein des Himmels. Weder überladen nod) 
dürftig, fondern ſchön und edel ift das weiße Gewand, das ihn ungiebt, es 
teilt die leichte gemefiene Berwegung. Überans edel und mit mohlgetroffenen 
Ausdrude des Schwebens ift auch die Sejtalt, und die Carnation des Nadten 
bleibt grade fo weit bon der unmittelbaren Natur entfernt, als nötig iſt, um 
nicht finnlich und fleifchlich zu werden. Die Wächter find wohl gruppirt; der 
mittlere, in fühner und trefflich gegebener Berfürzung, liegt in tiefem Schlaf 
und nur der Mienenausdrud und die Bewegung feiner Arme läßt über feine 
innere Anſchauung des Wunders nicht in Zweifel; die andern dagegen, wie 
wohl auch noch im Schlafe, richten fi) auf und jchirmen das Auge mit bor- 
gehaltenem Arme gegen den Lichtglanz. Sie find durch die Glorie von 
Dben beleuchtet, allein diefes Licht ift nur mäßig und nicht bis zu einem 
genreartigen Effekt ausgedrückt. In demfelben Sinne wählte der Maler aud 
zum Hintergrunde die einfache Wand der dunkeln Höhle, gegen welche ſich 
jegt Wolfen umd Licht fehr wirkſam abheben. Das Ganze aber zeigt, wie 
ſehr er eine Kunſtregel entweder durch Überlegung kannte, oder durch feine 
einfache Empfindung in ſich trug, nämlich, daß eine jo ideale Beleuchtung, 
wie dieje bier, feine große Umgebung leidet. 

Erjte Pfarrer: Ehr. A. Hoffmann (1804—1807), 1807—9 
Bafanz, G. Wagner (1809 —14), 1814—16 Vakanz, F. Hafenclever 
(1816— 31), ®. Bäumer (1835148), €. ©. Bertelsmann (1848—77), 
L. Klöne (jeit 1877). 

Jüdiſche Gemeinde. 

Über die erjte Niederlafung der Juden vgl. S. 293. Am 
1. Febr. 1837 wurde die erjte YJudenhochzeit in Arnsberg gefeiert 
(PB. Amberg, J. Neuwahl), Am 21. Sept. 1847 wurde der jüdijche 
Kirchhof in Benutzung gegeben. Am 24. und 25. Juni 1853 fand die 
Einweihung der jüdiſchen Eynagoge ftatt. 


Don der Jahre Gunft und Ungunft etc. 

1804 herrjchte eine Teurung (Stadtardiv). 

1807 brannte die Stadt Neheim ab. Die Abgebrannten er- 
hielten aus Arnsberg zur Unterftügung 81 Thlr. 25 Sgr., 33 Säde 
mit Gemüſe u. a. „Den 7. Juni, abends gegen zehn Uhr, brach in 
der Behaufung des Müllers Bornemann dahier eine fürchterliche Feuers— 
brunft aus, jo daß, che noch der Morgen kam, aller Anftrengung und 
von auswärt3 herbeigeeilten Hülfe ungeachtet, dreizehn Häufer in der 
Aſche lagen. Nur einer der Brandbeihädigten banete ſich demnächft auf 
der vor dem ehemaligen Meühlenthor angelegten Chauffee- oder Kunſt— 
jtraße wieder an, die übrigen errichteten ihre neuen Gebäude, aufer 
dreien, welche fid) auf den vorigen Brandplägen wieder niederliehen, 


Einzelne Ereigniffe. Zeit der Befreiungsfriege. 517 


auf der nad) dem vormaligen Klofter führenden fogenannten breiten 
Straße, dem Steinweg. Auf diefe Art entftanden auf beiden Straßen 
viele, mitunter ſchöne Gebäude, welche gleihwohl größten Teils nicht 
von Brandgelittenen, fondern von andern Bauliebenden errichtet wurden, 
worunter wir bejonder8 das auf der breiten Straße für die weibliche 
Jugend errichtete Schulgebäude bemerken wollen." (Hüſer.) 

1808 war eine verheerende Flut. Es findet fich dabei die Be: 
merkung, daß auch 1795 die Ruhr weit über die Ufer getreten jei. 

1811 „Diejes in aller Welt befannte ſchöne und reiche Wein- und 
Fruchtjahr begünftigte auch ung umd unfere Fluren, jo daß man bei 
dem am heiligen Norbertsfeft den 14. Juli gehaltenen gewöhnlichen 
Bittgang von dem hiefigen hohen Scloßberge die ſich ſonſt um dieje 
Zeit im Felde noch wolfenden Roggenähren jhon in Haufen prangen 
ah. Bor Jakobi war die Ernte diefer Gattung von Früchten jchon 
vollendet.“ (Hüſer.) 

1814, 15 und 16 herrichte wieder große Teurung, die um fo 
drücfender war wegen der fortwährenden Einquartierungen. Die 1803 
gebildete Armenfommiffion errichtete Suppenanftalten, um der ſchlimmſten 
Not zu begegnen. 


Aus der Beit der Befreinngskriege. 

Die Befreiungskriege brachten einen reihen Wechſel von Er- 
eigniffen aud) über das einjame Arnsberg, und zwar neben großen und 
erhebenden Momenten jchwere, faſt unerträglihe Beläftigungen durch 
das endlofe Hin- und Herwogen der Kriegsvölfer, Wir befigen aus 
diefer Zeit mehrere Aufzeichnungen und Schilderungen von Augenzeugen, 
wie von Hüfer, Pieler, der als freiwilliger Jäger felbft mit gen Frank— 
reich gezogen ift, und von der Hand eines Unbefannten, der ein genaucs 
Tagebuch über alle bemerkenswerten Vorkommniſſe in Arnsberg geführt 
hat. Wir laſſen zunächſt Pieler ſprechen, um einen Überblick über den 
Gang der Ereigniffe zu gewinnen. 

Bei Leipzig (16.—18. Oft. 1813) kämpften die heſſiſchen Weft- 
falen noch auf der Seite der Franzojen, und Napoleon foll ihrem 
tapfern Führer, dem Prinzen Emil, im heißeften Drange des Kampfes 
zugerufen haben: En avant, roi de Prusse! Wahr, wenigjtens all 
gemein geglaubt, muß die Sache gewejen fein; denn alle chemals 
heſſiſchen Soldaten, die mit bei Leipzig waren, erzählten fie immer und 
erzählen fie noc) heute. In der Schlacht gerieten die heffishen Truppen 
zum Teil in Gefangenſchaft. Die daraus Entfommenen und die bei 
der Flucht des Napoleonijchen Heeres frei gewordenen Soldaten traten 


518 Heſſiſche Beit. 


meiftens fofort bei den Preußen ein; andere, welche in die Heimat 
zurüdgelangten, machten, jobald der Großherzog den Verbündeten bei- 
getreten war, unter ihm den Krieg gegen Franfreid mit. Die Freude 
der Weftfalen bei der Nachricht von der fiegreihen Völkerſchlacht bei 
Leipzig zu ſchildern, ift nicht möglih. Sm Arnsberg langte die frohe 
Botſchaft zur nädhtlihen Stunde an. Angejehene Männer, welden fie 
jogleich mitgeteilt worden war, eilten hinaus in die dunfeln Straßen 
und riefen aus, was gejchehen fei. Bald ftanden alle Lampen an den 
Fenſtern; die ganze Stadt war lebendig, und von den Türmen ertönte 
feſtliches Geläute. Es war ein unvorbereitetes Freudenfejt die halbe 
Naht hindurch, welchem gleih am andern Tage ein kirchliches Dank: 
fejt folgte. 

Der Großherzog Ludwig verfündigte unterm 5. November 1813 
dem Lande, daß er „zur Kriegs-Allianz gegen Frankreich“ 
getreten fei. Jufolge eines weiteren Aufrufes vom 28. Dezember 
bildeten ih in den Hauptftädten Darmftadt, Gießen und Arnsberg 
Freiwillige Jägerforps Die Weltfalen, welde nur wider: 
jtrebend den napoleonifch-hejjischen Fahnen nad) Spanien und Ruß— 
land gefolgt waren, zogen jetzt mit Begeifterung aus für die deutſche 
Sadıe. E3 war ein freudig rührender Anblid, al3 der greife Freiherr 
Klemens Maria von Weichs die unter der Führung eines feiner 
Enfel ausrüdende Arnsberger Jägerkompagnie fegnend entließ: er 
war der letzte weftfälifche Yanddroft gewejen (S. 460), der lebendige 
Zeuge einer alten untergegangenen Zeit, und die jungen Krieger aus 
allen Ständen — jet zum erjten Male vereint — fie waren die ächten 
Nepräjentanten der neuen era. Sie nahmen rühmlichen Anteil an 
dem Befreiungsfampfe. Bejonders in einem Gefeht vor Straßburg 
„an der Süſſelbach“ unter ihrem erprobten Führer, dem Prinzen Emil, 
haben Weftfalen ſich ausgezeichnet. 

Das große Werk war vollbracht! Deutjchland hatte feine Freiheit 
wieder errungen und unfere Jäger kehrten heim, gejhmücdt mit dem 
Eichenzweige, den die Großherzogin jelbjt ihnen an den Hut gegeben hatte. 


Tagebuch über Ereignifje während der Befreiungstriege.') 

Den 28. Dftober 1815, zchn Tage nach der Schlacht bei Leipzig, 
nachmittags 4 Uhr, rüdte der König Hieronymus Napoleon von Kaſſel 
unter einer Bededung don etwa 400 Mann Stavallerie bier ein. Dieje be 
jtand zum Teil aus franzöfifchen Dragonern vom 20. Regiment, welche vor 
ungefähr ſechs Jahren fchon Hier im Lande gewefen waren, teil$ aus einer 
Ehrengarde, ungefähr 200 Mann, grün gefleidet mit roten Lappen, einigen 


E ») Im M. H. 


Zeit der Befreiungskriege. König Hieronymus. Koſacken. 519 


Küraflieren und aus beiläufig 60 Mann von der Garde du Korps. Diefe 
zeichneten fich vorzüglich durch ihr ſchönes Äußere aus, ihre Uniform tar 
blau mit roten Aufjchlägen und weißen Mänteln, die Bruft war mit einem 
Küraß bededt, der Kopf mit einem jchönem Helm von gelbem Blech mit langen, 
weißen Federn. Der König logierte im Haufe des Fisfals Dr. Arndts auf 
dem Markte (Hausnummer 244), er hatte viele Generäle, Kammerherren, 
Pagen ꝛc. 2c. in feinem Gefolge, unter anderem auch einen Hiefigen Lands 
mann, den Grafen von Bocholz, Zeremonienmeijter und StaatSminifter des 
Königs. Am anderen Morgen, den 29., ritt er wieder fort, er nahm den Weg 
über Menden und Sferlohn nad) dem heine hin. An diefem Tage rüdten 
am Mittag wieder ungefähr 800 Mann grüne Hufaren und 5—600 Mann 
Infanterie hier ein. Die erjteren zogen gleich durd) die Stadt, und hielten 
bei der SKägerbrüde auf der Ehauffee. Die Bürger mußten Efien, Trinten 
und Fourage dorthin fchaffen. Die Infanterie und alle Offiziere wurden 
in der Stadt einquartiert. Um 2 Uhr nachmittags marjchierten fie weiter, 
ebenfall3 nad) Menden, dem König nad. Am 30. fam der Gouverneur bon 
Staflel, Divifionsgeneral Graf von Alix, begleitet von bier Hufaren mit 
feiner Frau und Tochter bier an, logierte des Nachts bei dem Gajtgeber 
Linhoff, und fette am 31. feine Reife weiter fort. Am Nachmittage des 
11. Novembers famen die erjten, bier noch nie gejehenen Koſacken, drei au 
der Zahl bier an, die einen Boten forderten und ohne abzufteigen weiter 
nach Neheim ritten. Des Abends 6 Uhr traf der berühmte Profeffor von 
Halle, von Steffens, ein, welcher, wie viele Gelehrte und hohe Staats: 
beamten, aus Patriotismus ftatt der Feder die Waffen ergriffen hatte und 
als Hauptmann beim Generaljtab des Feldmarſchalls von Blücher angeftellt 
war, und logierte des Nachts beim Gajtgeber Linhoff. Den andern Morgen 
reifte er wieder ab, um, wie er fagte, vom Herzogtum Berg und der Grafſchaft 
Mark als Bevollmädtigter im Namen der höchſten Alliierten Befig zu nehmen. 
Denfelben Morgen früh 6 Uhr kamen abermals Kofaden von Soejt hier an, 
welche für ein Regiment Kofaden, die gegen Mittag Hier eintreffen würden, 
die Quartiere anfagten. Gleich nach Mittag Fam dann auch eine Esfadron 
preußijfche Ulanen (Lanciers) dur das Schloßthor herein; um 3 Uhr 
nachmittags kamen noch ungefähr 250 Kofaden von Hüften herauf an in 
Begleitung eines Oberjten und einiger Offiziere. Sie wurden ſehr feierlich 
empfangen, indem befannt mar, daß fie diefes lieben. Die Kinder der 
Knaben- und Mädchenfchule waren auf der neuen Mühlenftraße, feittäglich 
gekleidet, in Reihen aufgejtellt, der Ortspfarrer nebjt feinen beiden Kaplänen 
und der Stadtfchultheig machten bier dem an der Spite feiner Truppen 
reitenden Oberjten und dem Ulanenmajor don Romberg das Kompliment, 
und jo rückten dann die Truppen unter Bivatrufen, Muſik und dem Geläute 
aller Gloden in die Stadt. Den folgenden Tag rubten diefelben bier aus. 
Die preuß. Truppen betrugen fich fehr gut; die Kofaden hingegen 
nicht zum beften. Es ijt ein rohes, wildes Voll. Sie waren nicht gleich- 
förmig gekleidet und armiert, nur daß fie alle lange Lanzen trugen; auch 
waren die meiſten mit einem Säbel bewaffnet, ber an einem breiten um den 
Leib gejchnallten ledernen Gürtel ding. In diefem trugen fie zwei Schieß— 
pijtolen; der Auf der Genügſamkeit, der ihnen voranging, bemwahrbeitete fich 
nicht; fie waren vielmehr ſehr Eoftjpielige, ungeftüme Gäſte. Gemeiner Brannt— 


520 Heſſiſche Zeit. 


wein, welchen fie in großer Quantität über alle Begriffe trinken fonnten, ge- 
nügte ihnen nicht, fie forderten auch Wein, Champagner, Rum, Zuder und 
gute Fleifchipeifen. Sie hatten alle mehr oder weniger Beute, wie jchöne 
Kleidungsjtüde don Seide, Uhren und baares Geld bei fi. Dieſe Gegen: 
jtände hatten fie meiſtens in Säde gepadt, deren fie fi beim Reiten jtatt 
der Sättel bedienten. Jeder freute fich, als fie am 14. de8 Morgens wieder 
abmarſchierten. 

Am 11. Januar 1814 kamen ſechs Koſacken, ein Hauptmann und fünf 
Gemeine hier an, ſie blieben den folgenden Tag hier. Die Stadt mußte 
ihnen drei neue Lanzen machen laſſen. Am dritten Tage zogen ſie wieder ab. 
Am 15. Jan. rückten wieder ungefähr 400 Mann ruſſiſche Infanterie, über 
Meſchede kommend, hier ein. Es waren Rekonvaleszenten; wenige hatten 
Waffen. Da die hiefige Barnifon aus mehr ald 300 Mann bejtand, jo 
wurde eine Anzahl derfelben auf die benachbarten Dörfer gelegt und nur 
foviel zurüdbehalten, daß die hiefige Hauptwache, die Wache bei dem Kriminal- 
nefängniffe und die Poften an den drei Hauptausgängen bejett werden 
fonnten. Die ruſſiſchen Truppen hatten auch eine Hauptwache, Bei der 
Wohnung der Witwe Wejthoff auf dem Markte. Die Truppen betrugen fid) 
im ganzen ruhig und ordentlich und marfchierten am folgenden Tage über 
Dienden und Iſerlohn nah dem Rhein. 

Um 31. Yan. kam die Verordnung wegen Einrichtung einer Land— 
wehr bier an, in welche alle Untertanen von 17 bis 60 Jahren eintreten 
mußten. Dem biefigen Steuerperfeguator Merchand ward höchſten Orts für 
das Amt Arnsberg der Auftrag erteilt, felbe zu organifieren. In Gemäßheit 
diefer Verordnung wurden fodann alle Bürger der Hiefigen Stadt am folgen- 
den Tage auf das Rathaus geladen, wo diefelben im Beifein de Amtmanns 
und Schultheißen in die Liſten eingetragen wurden. Am folgenden Tage 
wurde mit den anderen Ortfchaften des Amtes fortgefahren. Die Einwohner 
der Freiheit Sundern rüdten in militärifchem Aufzuge mit ihren Fahnen 
nebjt Pfeifen und Trommeln, zwei Mann hoc), ein. Die Bewaffnung der 
Landwehr beſteht nad; VBorfchrift entweder in einer Flinte oder Lanze. 
Am 3. Februar rüdte die Kompagnie der Etadt Arnsberg, etwa 260 Mann 
itart, auf den Brüdenplak, um geübt zu werden; die8 wurde einigemal 
in der Woche wiederholt. 

Am 4. Februar ging die erjte Abteilung des Freiwilligen Yägerkorps, 
welche aus denjenigen bejtand, die ſich nicht felbjt equipieren fonnten, von 
hier nad) Gernsheim bei Darmitadt ab, wo ſie im Schießen geübt werden 
follten. Am 10. Februar ging die zweite Abteilung diejes Korps ebenfalls 
über Meſchede nad) Darmstadt. Sie jtatteten vorher dem ehemaligen Land: 
drojten, der Frau General-Majorin v. Echaeffer und dem Oberftlieutenant und 
Stadtlommandanten Hoffmann das Abjchiedsfompliment ab. Das ganze 
Korps mag aus 150 Mann bejtanden haben. Am 2. März fam die Garnifon 
aus Werl, 700 Mann jtark, Hier durch; diefelbe wurde zu Rumbeck und in 
den Ruhrdörfern einquartiert. Anderen Morgens folgte die hiefige Garnifon, 
300 Mann jtark, nad, fie gingen nad) Darmjtadt und von da zur Armee. 
— Am 3. März rüdten 100 Mann ruffiiche Kavallerie von Soeſt kommend 
bier ein. Bu gleicher Zeit trafen an 30 Mann naffausufingfhe Truppen als 
Erekution wegen einer Lieferung ins Magazin zu Siegen ein. Diefe Erefution 


Beit der Befreiungskriege. Freiwillige Jäger. 591 


wurde aber nicht angenommen, die Truppen wurden für die Nacht zu Untrop 
einquartiert und anderen Morgens unter Begleitung einiger Dragoner wieder 
aus dem Lande gebradit. Die Kavallerie hatte Rafttag und zog am 27. März 
wieder von hier ab, um fich zum Heere der Verbündeten zu begeben. Die 
Soldaten betrugen fi ganz ruhig und ordentlid; und waren im Bergleiche 
zu ihren Landsmännern, den Klofaden, Engel zu nennen. — Am 29. März 
kamen 500 Mann ruffische Infanterie von Soejt her hier an und marfchierten 
anderen Morgens bon hier über Balve nach dem Rheine hin twieder ab; auch 
diefe Truppen betrugen ſich gut, allein durch Unmäßigkeit im Effen und 
Trinken waren fie ebenjo Eojtipielige als läjtige Säfte. Drei Mann, welche 
bei meinem Bruder (?) einguartiert waren, hielten des Abends bei ihrer Ankunft 
zwar eine gute Mahlzeit, verlangten jedoch des Nachts um ein Uhr jchon 
wieder Eſſen und Trinken, und des Morgens früh mußte ihnen wieder eine 
volle Mahlzeit gereicht werden, fie tranfen ohne das Bier 2%, Maß Brannt- 
wein und aßen für 24 Pfennig Weißbrot. Am 1. April famen des Nachts 
7,12 Uhr 30 ruſſiſche Ulanen don Soejt, welche für 500 Ulanen Quartier 
bejtellten. Das Billetierungsamt bewirkte indeſſen, daß die Pferde nicht unters 
zubringen jeien und der NRittmeifter des Morgens früh am 2. April dem 
Obriften ein Schreiben mit dem Vorſchlag entgegen ſchickte, daß ein Teil 
diefer Truppen in Neheim, Hüften und Herdringen einquartiert werden möchte. 
Das geſchah dann auch; es famen nur ungefähr 150 Mann hierher. Den 
folgenden Tag hatten fie Rafttag, des Morgens rüdten fie zu Fuße aus auf 
den Brüdenplag, wo fie ererzierten, teil$ mit der Lanze, teil8 mit dem Säbel; 
des Nachmittags wurden alle Schneider und Schuhmacher in Requifition ge: 
fett, um für felbe zu arbeiten. Des Abends 7 Uhr, fowie den Abend zuvor, 
mußten die Trompeter dor dem Logis des Obrijten erjcheinen. ES wurde 
dann geblajen und mit entblößtem Haupte ein kurzes Abendgebet verrichtet. Am 
anderen Morgen zogen diefe Truppen über Menden nad) Köln ab. Am felben 
Tage, Nachmittags 2 Uhr, kamen wieder 120 Mann zu Pferde nebjt 20—30 
lojen Pferden von Soejt über Neheim bier an. Merktwürdig war c8, dieſe 
Menſchen zu fehen. Sie waren aus dem ruffiihen Afien, teil8 Baſchkiren, 
teil Kalmüden. An der ſchwarzgelben Farbe ihrer Gefichter, ſowie aud) 
an ihrer Gefichtsform jah man, daß es Feine Europäer wacen. Kleidung 
und Waffen waren bei allen verfchieden, einige trugen Röcke von Schafpelz, 
die Wolle inwendig, die glatte Seite nad) außen gefehrt, viele Lange jpite 
Müpen, in der Form bon Zuderhüten, viele hatten Zanzen, viele Flinten und 
Bijtolen, auch Säbel, und einige Bogen und Pfeile. Die Pferde waren Klein 
und nicht viel größer als Eſel. Was diefe Menfchen gegen eine feindliche 
Armee ausrichten follen, ift nicht einzufehen. So wenig ihr Äußeres es 
erwarten ließ, jo war doch ihr Betragen ganz ruhig und ordentlich und gegen 
das der ruſſiſchen Truppen ausgezeichnet gut. Sie aßen und tranfen ganz 
mäßig. Schweinefleiſch genofjen fie nicht. Am anderen Morgen zogen fie 
wieder ab und machten denfelben Weg wie die vorigen. In der Nacht vom 
6. auf den 7. April machte der Frhr. d. Fürftenberg zu Neheim die ihm bon 
Hamm durd) Ejtafette mitgeteilte Nachricht hier befannt, daß die Alliierten 
am 31. März in Paris eingezogen feien. Eine in biefiger Kaſerne auf: 
bewahrte Kanone, die den Franzofen im Jahre 1796 bei Boppard bon 
den erzjtiftifch-Fölnischen Truppen abgenommen war, wurde fogleich unter 


522 Heſſiſche Zeit. 


Begleitung der Stadtmufifanten zum Schloßberge geführt, und jo unter dem 
Donner der Stanonen, dem Geläute aller Gloden und dem bejtändigen Freuden 
gefchrei fämtliher Einwohner wurde das frohe mit Sehnſucht erivartete Er- 
eignis gefeiert. 

Ertrabeilage zum „Arnsberger Intelligenzblatt“, 

Arnsberg, den 19. April 1814. 

Die freudenvolle Nachriht von dem glorreihen Einzuge der Alliierten 
in Paris am 31. März langte am 6. diefes Abends fpät bier an und wurde 
fogleih am 7. des Morgens zwei Uhr dem biefigen Publitum und der uns 
liegenden Gegend durch den Donner der Stanonen und das Geläute der 
Glocken, begleitet von Mufit und lautem Jubel, befannt gemacht. Paris, 
diefe ungeheuere Stadt mit 32000 Hänfern und 600 000 Einwohnern, jieben 
Stunden im Umfreife enthaltend, die Hauptjtadt Frankreichs, der Stolz aller 
Franzoſen, der Schlund, welcher die Schäße der ganzen Welt an ſich zu 
ziehen drohte, und, als Sit einer in neueren Beiten unerhörten Tyrannei, 
Berderben über ganz Europa fchidte, — Paris hatte feit 1436 feinen Feind 
gefehen, und fiel nun durch die Tapferkeit der Deutjchen und ihrer Ber: 
bündeten! Ein glänzender Ruhm war erkämpft, und mit ihm die Hoffnung 
eines nahen Friedens! Laut äußerte fih der Wunſch der biefigen Ein- 
wohner — deutfchen Sinnes wie deutfchen Stammes — das herrliche Er— 
eignis durch ein allgemeines Feſt zu feiern. Dieſes Feſt begann am 16. des 
Abends mit Kanonendonner und Glodengeläute, welches zugleich das Signal 
zu einer glänzenden Illumination war. Der biefige Marktbrunnen zeigte in 
einer feurigen Pyramide die gefrönten Namenszüge Franz, Alerander, Fried: 
rih Wilhelm und Ludewig, und das gegenüberjtehende Rathaus drüdte den 
Zweck des ganzen Feſtes in der großen transparenten Anfchrift aus: Den 
fiegreichen Armeen der hohen Alliierten und Ihren fiegreihen und tapfern 
Anführern! Ihr twaren die gefeierten Namen der Helden beigefügt: Schwarzen— 
berg, Barklai de Tolly, Blücher, Wrede, mit Lorbeerkränzen umgeben. Einen 
nicht minder prächtigen Anblid gewährte die Erleuchtung der Abtei Weding- 
haufen nebjt dem hinter diefer liegenden Berge und der Kaſerne. Wer in 
der kurzen Zeit die nötigen Anſtalten hatte treffen fünnen, drüdte feine Em- 
pfindungen in erleuchteten Denkſprüchen aus. Große Scharen freudenvoller 
Zuſchauer durchzogen mit Mufit und militärifcher Begleitung eines Teiles 
der Landwehr unter lautem Jubel und fortwährendem Bivat-Rufe die Stadt; 
ein jeder mwetteiferte, feine frohen Gefühle an den Tag zu legen, und man 
konnte nur mit freudiger Rührung fehen, daß auch die Ärmjten in den un- 
bedeutendjten Straßen ihr Lämpchen ausgejtellt hatten. Erſt die herannahende 
Morgenitunde des 17. diefes machte der Borfeier des Feſtes ein Ende. Am 
folgenden Tage bielt der Herr Stirchenrat und Pfarrer Sauer ein feierliches 
Hochamt, berbunden mit einer bortrefflichen Nede. Den Tag beſchloß ein 
feſtlicher Ball. 

Am 27. April, fährt das Tagebud) fort, kamen acht Eskadrons ruffische 
Stadvallerie, teils Ulanen, teil$ Dragoner, teils Hufaren mit vielen Wagen 
und Pferden, welche nad Hüften, Herdringen, Neheim ꝛc. verlegt wurden. 
Eine Esfadron Ulanen nebjt einem 7Ojährigen Hufarenoberjten und dem 
Stab blieb des Nachts Hier, fowie ungefähr 60 auf Wagen transportierte 


Beit der Befreiungsfriege. Siegesfeier. Durchzüge. 523 


Kranke, die auf die Kaferne gebracht wurden. Darauf wurde unter dem 
Kommando eines DOffiziers bei der Hauptwache das Abendgebet verrichtet, 
welches von neun blajenden Trompetern begleitet wurde. Den anderen Tag 
zogen fie über Menden, Sferlohn nad) dem Rhein Hin wieder ad. Zur Fort- 
bringung der Bagage und der Kranken waren ungefähr 80 Wagen aus— 
nefchrieben worden. Diefe Kavallerie zeichnete ſich ſowohl in Hinficht der 
Mannjchaft als auch wegen der Pferde aus. Unter den vielen unberittenen 
Pferden war der größte Teil von folder Schönheit, daß 100 Dufaten und 
mehr für ein Pferd gefordert wurden. Am 7. Mai fam ein Bataillon 
preußifche paderbornifche Landwehr, ungefähr 700 Mann ſtark, von Soeft 
hierhin. Dasjelbe bog von der Höhe rechts ab, um auf die Chaufice zu 
kommen, fich dort formieren umd beſſer in Parade einrüden zu können, was 
unter Trommeljchlag, Blajen des halben Monds und einer Schönen militärifchen 
Mufit geſchah. Die Landwehr wurde don ihnen abgelöft und die Haupt: 
wachen, jowie die drei Ausgänge!) der Stadt bejegt. Diefe Truppen waren 
zwar ganz prunklos, aber zweckmäßig gekleidet; fie trugen einen bis an die 
Beine ragenden, polniſchen Rod von blauer Farbe mit grünem Stragen, 
eine Kappe von blauem Tuch, an der vorn ein Kreuz don weißem Blcch mit 
der eingeprägten Anfchrift: „Mit Gott für König und Baterland!” befejtigt 
war. Ihre Gewehre waren fehr gut, jüngjt in England verfertigt. Die 
Truppen follten auf unbejtimmte Zeit hier liegen bleiben ; allein zufolge einer 
noch am mämlichen Tage eingelaufenen Ordre marichierten fie am 9. des 
Morgens 5 Uhr wieder ab. Am 13. Mai kam cin Major der fächjischen 
Landwehr von Sferlohn Hier an, um für 4000 Mann nebjt dem General und 
Generalitab auf den 15. Mai, und für 5000 Mann auf den 16. Mai Quar— 
tier in biefiger Stadt zu machen. Weil diefe bedeutende Anzahl aber dahier 
unmöglic untergebracht werden fonnte, jo wurde durch einen an den General 
in Iſerlohn abgejchidten Kommiffar eine Abänderung dahin bewirkt, daß der 
größte Teil diefer Truppen nad) Mefchede z0g. ES famen demmacd am 15. 
des Morgens 10 Uhr ungefähr 200 Dann, welche in Menden Nachtgartier 
gehabt hatten, bier an und marjchierten durch nad Freienohl. Am Nach— 
mittage 2 Uhr rüdte ein Bataillon, ungefähr 700 Dann jtark, nebjt dem 
General Gobelenz, welcher beim Fiskal Arndts logierte, unter einer jchönen 
türkiſchen Muſik Hier ein, übernachtete hier und marfchierte am anderen 
Morgen 5 Uhr nad Mejchede ab. Um 7 Uhr kam ein Bataillon, welches 
des Nachts in Heröringen und Hüften gelegen Hatte, bier durch; es ſchlug, 
ohne ſich aufzubalten, denfelben Weg ein. Um 9 Uhr famen ungefähr 500 
Mann mit einer Schönen, militärischen Muſik; diefe Hatten in Hachen und 
Langſcheid Nachtquartier gehabt, und marjchierten, wie die borigen, gerade 
dur. Mittag kamen ferner 400 Mann mit Mufil, und ungefähr eine halbe 
Stunde nachher ungefähr 500 Mann mit türkfifcher Mufil. Bon diefen ging 
ein Teil nad) Untrop und Wintrop, die übrigen, ſowie die unmittelbar 
borher benannten, marjchierten weiter, denjelben Weg wie die vorigen ein— 
Ihlagend. Um 3 Uhr fam ein Bataillon mit Muſik, das des Nachts hier 
blieb. Dieje, jowie die Truppen von gejtern hatten die Hauptiwache in der 
Wohnung der Witwe Wefthoff auf dem Markt. Des anderen Morgens 


») Mühlen, Schloß: und Klojterthor. 


524 Heſſiſche Zeit. 


6 Uhr marfchierten fie wieder ab, fie wollten zu Mefchede Nachtquartier 
nchmen. Bald darauf fam ein Bataillon, welches zu Hüften und Herdringen 
übernachtet hatte, mit fchöner, militärifcher Mufil. Um 12 Uhr Mittags 
des 17. Mai rüdte dann ein preußifches Landmwehr-Bataillon bier ein. Drei 
Kompagnien marjchierten gleich weiter, eine blieb hier. Sie löften die den 
Garnifondienjt verſehende biefige Landwehr-ftompagnie glei ab, indem fie 
die Hauptwache bezogen. In dem Augenblid, wo diefe Truppen auf dem 
Brücdenplate angefommen waren, fam noch ein ſächſiſches Landwehr-Bataillon 
mit fliegender Fahne und einer ſchönen Muſik durch die Stadt, welches den 
dort hereinrüdenden preußifhen Truppen begegnete. Die Sahjen machten 
dort Halt, indem ihnen Bier und Brot gereicht wurde, welches bon den 
Bürgern dahin gebracht war; nachher marjchierten fie weiter auf Mefchede zu. 
Die Urfache, daß diefes Bataillon noch fo ſpät nachkam, war, daß dasjelbe, 
ftatt von Iſerlohn auf Langicheid bei Hachen, nach Langſcheid (Langfchede) an 
der Ruhr marjchiert war, mithin einen Umweg von einigen Stunden gemadt 
hatte. Am 18. Mai, de3 Nachmittags 3 Uhr, kamen 50 anhalt-deffauijche 
Freiwillige Jäger, weldde von der Armee wieder nad) Haufe wollten, bier an; 
twegen der hier ſchon einquartierten preußifchen Landwehr wurden jelbe nad) 
Rumbeck und ÜUntrop verlegt, wo fie den folgenden Tag Raſttag bielten. 
Am 20. fegten fie ihren Marfch weiter fort. Am 27. Mai marjchierte das 
jeit dem 17. Mai bier, in Hüften, Neheim und Sundern einquartierte Fönigl. 
preugifche Landwehr-Bataillon von bier nad) Hirfchberg 2c. wieder ab. 

Am 31. Mai wurde die biefige Kriegsfommiffion durch ein Anfchreiben 
benachrichtigt, dak die in Magdeburg bisher geweſene franzöfifche Garnifon, 
nachdem diefe Feſtung zufolge der mit Frankreich getroffenen Bereinigung 
nunmehr den Preußen übergeben war, in drei tolonnen und zwar am 3. 
5. und 7. Juni hierher fommen werde. Da die Anzahl diefer Truppen nad 
dem im borbemerkten Schreiben enthaltenen Status fich auf über 10 000 Mann 
belief, und diefelben in hiefiger Stadt und den zunächit gelegenen Ortfchaften 
ohne zu großen Drud nicht hätten untergebracht werden fönnen, jo verfügte 
ſich der hiefige Generallieutenant v. Schaeffer diefen Truppen nach Mejchede 
hin entgegen, um bei ihrem Führer, dem Eönigl. preuß. Marſchkommiſſar, 
Major von Krauß, eine Abänderung zu bewirken, welcher dann auch damit 
zufrieden gewwefen, daß bon jeder Kolonne ein Teil von Mefchede her über 
Hellefeld marfchieren und die übrige Mannſchaft nad Möglichkeit in biefiger 
Gegend disloziert werden folle. Major v. Krauß fam am 2. Juni bier an 
und feßte am folgenden Morgen, nachdem er mit dem biefigen Billetierungs- 
amte wegen Dislofation der Truppen das Nähere eingeleitet Hatte, feine 
Reife über Iſerlohn nad dem Rheine hin weiter fort. Am 3. Juni des 
Nachmittags famen einige Offiziere nebjt mehreren Unteroffizieren als Quar— 
tiermeifter bier an. Den 4. Juni des Morgens nach 10 Uhr Fam zuerjt die 
Artillerie, bejtchend in 18 Kanonen und 4 Haubiten nebjt den dazu gehörigen 
Artilleriewagen und drei Feldſchmieden; hieran ſchloß ſich eine große Anzahl 
Bagagetvagen, worauf dann ein bedeutender Zug Infanterie nebjt drei Gene— 
rälen folgte. Die Artillerie und alle Wagen zogen ohne den geringften Auf: 
enthalt bis Neheim weiter, auch der größte Teil der Infanterie nebjt zwei 
Generälen. Eritere blieben zu Hüften, Herdringen, Neheim 2c., die beiden leßteren 
wurden bei dem Herrn v. Fürſtenberg zu Herdingen in Neheim einquartiert. 


Zeit der Befreiungskriege. Die Magdeburger Garnifon in Arnsberg. 525 


Der dritte General, Namens La Nufie, blieb mit ungefähr 500 Mann In— 
fanterie und vielen Offizieren in hiefiger Stadt und logierte beim Herrn 
Seheimrat Boeſe. Am Nacmittage nad) vier Uhr Fam noch der bisherige 
Sonderneur don Magdeburg, General Le Marois, mit ungefähr 70—80 
Mann Kavallerie. Sein Logis war beim Fiskal Arndts. General La Nuſſe 
jeßte am folgenden Morgen mit der Infanterie den Mari auf Iſerlohn 
nach dem Rheine hin weiter fort. Der General Graf Le Marois zog hingegen 
mit feiner Stadallerie-Esforte erjt am folgenden Tage, dem 6. Juni, des 
Morgens tvieder ab. Um 8 Uhr kamen 40—50 Mann Kavallerie don ber- 
fchiedenen Negimentern, von denen nur einige wenige Pferde hatten. Nach 
10 Uhr kamen mehrere Munitions- und Bagage-Wagen, fodann eine beträcht- 
lihe Anzahl Kavallerie, größtenteils zu Fuße, nebjt drei Generälen, nament- 
li) Boureier Girard, Kommandant der jogen. heiligen Garde Bonapartes auf 
der Flucht von Moskau, und Dübverger; letterer blieb mit 200—300 Dann 
unberittener Slavallerie in biefiger Stadt und logierte beim Geh. Nat Boefe, 
die anderen beiden Generäle aingen mit der übrigen Mannſchaft auf Hüften 
und Neheim. Nachmittags 1 Uhr Fam die Artillerie, bejtehend in zwölf 
Kanonen und vier Haubiten, nebjt dazu gehörigen Artillerie und mehreren 
Bagage-Wagen; hierauf folgte eine Eleine Anzahl Infanterie, 60—100 Dann, 
und eine nicht viel jtärkere Anzahl Kavallerie, ebenfall® zu berjchiedenen 
NRegimentern gehörig, auch größtenteils ohne Pferde. Die Küraffiere, welche 
faft alle beritten waren, nahmen ſich fehr gut aus. Die Kürafie und Helme 
waren don gelbem, und nur einige wenige von Eifenbleh. Helme trug 
übrigens die geſamte Kavallerie, mit Ausnahme einiger, welche fogen. Schakos 
hatten. Dieje Artillerie nebſt dabei befindlicher Mannjchaft ging ohne Auf- 
enthalt weiter auf Hüften und Neheim zu. Die bier einquartierten Truppen 
hatten den folgenden Tag Rajttag und marjchierten am 8. de8 Morgens ab. 
Bald darauf um 9 Uhr Fam der General Zemoine mit einer Bedelung bon 
ſechs Lanciers und einem Offizier. Diefer General wurde beim Oberforft- 
meijter von Echwarzfoppen zu Obereimer eingquartiert. Eine Stunde jpäter 
fam zuerjt die Artillerie, bejtehend in zehn Stanonen und ſechs Mörfern nebjt 
Munitions=- und vielen anderen Wagen mit Bagage und maroden Soldaten. 
Hierauf folgten mehrere Bataillone Infanterie, die alle, wie die Artillerie 
und fämtliche Wagen, durchpafjierten und in der umliegenden Gegend verteilt 
wurden. Gegen 2 Uhr fanı noch ein aus Überreſten don 160 und mehreren 
Regimentern zufammengefeßtes Bataillon Infanterie, ungefähr 400 Mann 
jtark, welches in hieſiger Stadt einquartiert wurde. Auch diefe Truppen hatten 
den 9. hier Rafttag und marjchierten, wie die beiden vorigen Kolonnen, den 
10. des Morgens twieder ab. Dieje dritte Kolonne war ungefähr 3000 Mann 
ſtark. Am 11. Juni mittags folgten nod 22 Wagen mit Refonvaleszenten, 
fie zogen durch bis Menden. Am 21. famen einige 30 Eönigl. preuß. Frei— 
willige Jäger zu Pferde, welche nad nunmehr beendigtem Kriege in ihre 
Heimat zurüdfehrten, vom Rhein her über Iſerlohn hier an. Am 22. Juni 
morgens 8 Uhr paffierten ca. 150 Mann fönigl. preuß. Jäger zu Fuß und 
kurz darauf einige 20 Käger zu Pferde, von welchen nur ein Theil bier blieb, 
Die anderen zogen nach Hellefeld, Bisbed weiter. Diefen folgte noch eine 
Kompagnie Freiwillige Jäger zu Fuß, bon denen einige nad) Untrop verlegt 
wurden; die übrigen blieben bier. Am 24. morgens früh zogen ſie über 


526 Heſſiſche Zeit. 


Kaſſel wieder ab. Am 23. kam ein heifen-fafjeler Major bier an, um megen 
Dislofation eines Teils des aus Frankreich nah Haufe zurüdfehrenden Eur: 
fürjtlich-beffiichen Arnteeforps, bejtehend aus Freiwilligen Jägern zu Pferde 
und zu Fuß und Landwehr, mit dem biefigen Etappen-ommandanten General» 
lieutenant v. Schaeffer vorläufig die Einrichtung zu treffen. Dieſemgemäß 
marjchierten diefe Truppen, welche über Balve kamen, von dort zum Teil 
geradenwegs über Hellefeld auf Mejchede, und zum Teil hierher. Am 25. des 
Morgens Fam zuerjt der diefe Truppen fommandierende Oberjt Prinz Wil- 
helm von Heflen-Philippsthal-Barchfeld, welcher beim Fiskal Arndts logierte, 
bald nachher eine Eskadron Jäger zu Pferde. Am Nachmittag kam nod) 
ein Bataillon Jäger zu Fuß, 450—500 Mann. Bei diefem Bataillon, in 
welchem fich viele noch unerwachfene Zünglinge, ja fogar Knaben von 13 
bis 14 Jahren befanden, fowie auch unter den reitenden Jägern waren viele 
Söhne von Stantsdienern, Minijter: und Präfidentenjöhne und auch mehrere, 
twelche jelbjt ſchon Beamtenjtellen befleideten und diefe für die Dauer diefes 
Krieges quittiert hatten. Am Morgen des 26. Juni marjchierten diefelben 
wieder fort. Um 8 Uhr kamen zwei Stompagnien Landwehr nebſt dem 
Dberiten von BZind. Um 10 Uhr wieder eine Kompagnie, und des Nach— 
mittags um 4 Uhr noch eine Kompagnie, im ganzen 500—600 Mann, melde 
bier einquartiert wurden und am folgenden Morgen 7 Uhr wieder ab: 
marfjchierten. Um 8 Uhr fam nocd ein Bataillon Landwehr, welches zu 
Münjter übernachtet hatte, mit Muſik in unfere Stadt und gleich darauf noch 
eine tompagnie, 140—150 Mann. Am 12. Juli rüdten 50 Mann Eönigl. 
preuß. Yandwehr-stavallerie, welche der General Jeanneret wegen einer ge 
machten Requifition hierher auf Erekution abgefchicdt hatte, von Warburg ber 
bier ein. Die hiefige Kriegskommiſſion wandte fich, weil jener General nicht 
autorifiert war, Nequifitionen zu machen, an den fünigl. preuß. Obergeneral 
v. Kleiſt in Aachen, worauf diejes Erefutionsfommando auch fogleich abberufen 
wurde und am 17. Juli wieder abzog. 

Am 14. Auguſt Fam die Kompagnie der hiefigen Freiwilligen 
Jäger, 13 Mann ſtark, zurüd. Der Herr Generallieutenant dv. Schaeffer, 
der Herr Oberitlientenant Hoffmann, nebjt mehreren Offizieren von der Linie 
und der Landwehr, und viele Honvratioren ritten denfelben bis Freienohl 
entgegen. Eine noch größere Menge beiderlei Gefchlechts ging bis Rumbeck 
und Oventrop. Gegen 5 Uhr kamen fie unter Begleitung dreier Horniften 
auf dem Brüdenplaß an, wo fie von der in Parade aufgejtellten biefigen 
Landwehr-Kompagnie mit militärischer Mufif empfangen wurden. Am Linden: 
berge wurden fie vom Pfarrer und vom Stadtjchultheiß bemwilltommnet. Kinder 
der hiefigen Mädchenfchule händigten jedem ein auf ihre Rückkehr verfertigtes 
Gedicht ein, das auf Beranjtaltung mehrerer Freunde zum Drud befördert 
war, unter freudigem Bivatrufen der dort faft ohne Ausnahme verfammelten 
Bewohner Arnsbergs. Der Hauptmann von Sieberg und die ganze Jäger— 
fompagnie erwiderten den Arnsbergern das Bivat. Am folgenden Morgen, 
den 15. Aug., marjchierte die Kompagnie unter Begleitung ihrer Hornijten 
auf den Brüdenplabß, wo der General, nachdem er den Kägern im Namen 
des Großherzogs für die von ihnen bewieſene Bereitwilligkeit gedankt hatte, 
einem jeden den Abſchied einhändigen lieh. Die Kompagnie marjchierte dem: 
nad) in gleicher Art zur Stadt zurüd, zuerjt zum Logis ihres Hauptmanns 


Zeit der Bejreiungskriege. Rückkehr der Jäger. 527 


dv. Sieberg, und darauf zum Logis des Generals v. Schaefer, um bon beiden 
Abschied zu nehmen. Am Abende war zu Ehren der Jäger Ball auf dem 
Rathauſe. Das zuvor erwähnte Gedicht wurde unter Begleitung der Ball- 
muſik gefungen und den Jägern darauf ein lautes Bivat gebracht. Für die 
beiden folgenden Tage war von vielen Freunden aus biefiger Stadt ein 
Scheibenſchießen veranstaltet, wobei 17 Prämien, jeltene Münzen, goldene 
und jilberne, ausgefegt wurden. Am 11. Dftober des Nachmittags 3 Uhr 
fam der Prinz Emil von Hefjen-Darmftadt, jüngjter Sohn des Groß— 
berzogs, Generallientenant und Inhaber eines den Namen Emil führenden 
Negiments, an. Der erjte Bejuch, der feit dem 8. Sept. 1802, wo dieſes 
Land von dem Großherzog in Beſitz genommen wurde, don feiten der landes— 
herrlichen Familie uns zu Teil wurde. Der Prinz logierte beim Fiskal 
Arndt. Gleich nach feiner Ankunft machten die Näte der hiefigen Kollegien 
ihm im corpore die Aufiwartung. Am folgenden Morgen Dejuchte er die 
beiden Kollegien-Gebäude, das Landsberger: und das Rathaus, darauf den 
Klofterberg und fuhr gegen 12 Uhr nad) Herdringen, wo er beim Hrn. von 
Fürjtenberg zu Mittag fpeijte. Am folgenden Tage war großes Treibjagen, 
wozu mehrere Honoratioren unferer Stadt eingeladen waren. Am 14. Oftober 
reifte er, nachdem er noch vor Mittag erjt die Ruinen des chemaligen Schloſſes 
beſehen Hatte, am Nachmittage 3 Uhr in Begleitung mehrerer Offiziere bon 
der Landwehr und einer Eskorte Landdragoner von hier nach Meſchede, wo 
er übernachtete, wieder ab. Der Vorſchlag, den durch die Rettungsichlacht 
bei Leipzig ewig denkwürdigen 18. Oktober alle Jahre durd) mächtige Feuer 
auf den Bergen zu verherrlichen, ijt, wie in ganz Deutjchland, jo auch 
bier mit Enthufiasmus aufgenommen. Die Bürger verſammelten fi) am 
Abende auf dem Steinmwege und gingen von da unter dem Geläute aller 
Bloden, von der Muſik der hiefigen Landwehr begleitet, fingend die Stadt 
hinauf zu der fogenaunten Wiegenfcheid, wo ein großer Holzhaufen errichtet 
war. Diefer wurde dann angezündet und dabei unter Musfetenfeuer, 
Muſik und Geſang gejubelt, bis das Feuer ausgebrannt war. An folgenden 
Morgen verfammelten fich die Kinder der Knaben- und Mädchenjchule, die 
Landwehr, eine Partie der Freiwilligen Jäger in ihrer Uniform, und ſämt— 
lie Bürger, mit Einfluß der Räte der Dikajterien und des Stanzleiperjonals, 
unter denen man jedoch die Hier angeftellten Heffen vermißte, vor dem Rat— 
hause, umd gingen von da in feierlihem Zuge zur Pfarrkirche, two, um dem 
Allerhödjiten zu danken, ein hohes Amt und Te deum gehalten wurde.) Ein 
öffentlicher fröhlicher Ball bejchloß die Feier des Tages. 

Im Fahre 1815 trug ſich nichts Erheblihes in biefiger Stadt mehr 
zu. Nach glüdlicher Beendigung des durch die Entweichung Bonapartes im 
Frühjahr 1815 abermals ausgebrochenen Krieges famen am 23. Nov. herzogl. 





») Der im Jahre 1845 von den alten Beteranen gejtiftete „Arnsberger 
Sriegerverein? marjchiert noch alljährlich GiS auf den heutigen Tag am 
18. Oftober zu diefem Dankgottesdienjte zur Propfteificche. Am 10. Oftober 
1842 wurden auf dem Arnsberger Rathaufe an 260 heſſiſche Veteranen Feld— 
dienftzeichen zur Belohnung für ihre Dienjte in den Freiheitskriegen mit einer 
vom großherzoglich-beffischen Oberfriegskolleg zu Darmjtadt ausgeftellten Be— 
glaubigungsurfunde feierlich überreicht. 


528 Heſſiſche Zeit. 


oldenburgifche Quartiermacher hier an, um für ein Regiment Infanterie die 
Duartiere zu regulieren. Fünf Kompagnieen wurden in biefiger Stadt ein- 
quartiert, die übrigen drei hingegen von Hachen auf Hüjten und Herdringen, wo 
fie übernachten follten, geſchict. Am folgenden Mittag Fam zuerit eine Kom— 
pagnie, welche die vergangene Nacht in Hagen, und gegen 2 Uhr noch 4 Kom— 
pagnien, welche in Stodum einquartiert gewefen, mit fchöner Mufif bier an 
und jegten am folgenden Morgen ihren Marſch nad) ihrer Heimat über Hamm, 
Münjter fort. — Das Tagebud) jchließt mit einer kurzen Erwähnung der Bejit- 
ergreifung durch Preußen. Die Truppendurchzüge waren jedoch noch nicht 
zu Ende. Hüſer, defien Angaben durch Archivakten betätigt werden, erzählt: 

Nach dreien Jahren (1817) Eehrten nun auch die an Frankreich Grenzen 
zurüdgebliebenen Strieger in ihre Heimat zurüd. Das Schidjal wollte es aber- 
mal, daß grad ein großer Teil derjelben, aus einem uns in Sprache und 
Sitten ganz unbekannten Bolfe bejtchend, auf ihrem Rüdzuge nach Norden 
unferen vaterländifchen Boden betrat. E83 waren die Rufen, deren Taujende, 
teils zu Pferde, teils zu Fuß, mit aller Feld- und fonjtigen Equipage 
verfehen, in den Monaten November und Dezember unjere Stadt teils 
durchzogen, teil® bei uns liegen blieben. In dieſer letzten Art wurden 
13 Generäle, 81 Stabs- und 235 andere Offiziere nebjt 3941 Gemeinen und 
einem Popen mit Frau und Kindern bor und nach, gleichtwohl ununterbrochen, 
bei uns einguartiert. Die Einguartierung diefer in ſtarken Solonnen ein- 
marjchierten Truppen dauerte zwei volle Monden, und zwar in einer Jahres— 
zeit, die uns nicht ungünftiger hätte fein können; und die mißliche Yage, 
worin wir jolchergejtalt verfegt twaren, wurde noch hauptfächlich dadurch ver- 
mehrt, daß diefe unerjättlichen Säfte ſamt und fonders bei ung einen Rajttag 
hielten. Den Schluß machte ein ziemlich großes Lazaret, welches in dem 
biefigen Rathaus und in dem Jeſuiten-Gebäude mit ſchweren Koſten ein- 
gerichtet wurde. Auch dieſes trat nad) einem langwierigen Aufenthalt die 
Rüdreije nad) Rußland an, und wir wurden bon der Berwirtung fremder 
Gäſte gänzlich befreit, 


Hierter Teil, 


Die preußziſche Zeit, 


Arnsberg unter Prenken. 





Vor der Belikergreifung. 
Schritte des Magiftrates betreffend die Beibehaltung der Regierung.!) 


Im Jahre 1815 wurde es befannt, daß das Herzogtum Weft- 
falen von Seiner Majeftät dem Könige von Preußen angetreten werden 
würde. Als darauf in der Königlich-preußiſchen Geſetzesſammlung 
eine Organifation der preußijchen Provinzen erjchien, nad) der die Stadt 
Hamm zum Site der Fünftigen Königlichen Regierung für den Re— 
gierungsbezirt Mark-Weſtfalen beftimmt war, die Stadt Arnsberg daher 
den Berluft diefer Hohen Landesbehörde zu befürchten hatte, jo ſah ſich 
der Stadtvorftand bewogen, diejenigen Schritte zu thun, welche zu deren 
Erhaltung gereichen fünnten. Die hejfiihe Regierung genehmigte diejes 
Vorhaben. Der Stadtvorjtand befand ſich nidht in dem alle, genaue 
Kenntnis darüber zu haben, ob oder wann die über die Landesabtretung 
zwifchen Preußen und Darmftadt gepflogenen Unterhandlungen ab» 
geichloffen und beendigt fein würden, und es verlautete die Nachricht, 
daß diejelben ihrem Ende ganz nahe wären. Es war daher Pilicht, 
feinen Augenblid zu verlieren, um des Großherzogs von Darmitadt 
Könige. Hoheit bei Abtretung des Herzogtums Weftfalen um die lette 
Gnade für die Stadt Arnsberg zu bitten, daß Seine Königl. Hoheit 
geruhen möchten, die Etadt Arnsberg bei Sr. Majeftät dem Aller 
gnädigften König zum ferneren Site der hohen Landesfolfegien zu em- 
pfehlen. Daher wurde nötig, eine unterthänigjfte Suppfit an Se. Königl. 
Hoheit ſchleunigſt einzureichen, und diefe wurde durd einen Expreßboten 
überbradht. Über das gehoffte Reſultat blieb jedoch der Stadtvorjtand 
ohne Nachricht. Als Unterthanen des Großherzogs von Helfen ftand 
es dem Stadtvorftande nicht zu, fich durch öffentliche formelle Schritte 
ſchon damals an den künftigen Landesherrn zu wenden; er beauftragte 


) Allenſtück im ſtädtiſchen Archive. 
34* 


532 Preußiſche Zeit. 


deshalb den Bürger und Kaufmann Arens, fih nad) Münfter zu dem 
dortigen hohen Königl. preußijhen Gouvernement zu begeben, um 
Höchſtdemſelben die dringenden Bitten und Wünſche der Stadt Arns- 
berg über dieſe wichtige Angelegenheit, mit einer unterthänigen Vor- 
ftellung begleitet, mündlich) vorzutragen. Ferner wagte e8 der Stadt- 
vorstand, jelbjt an den künftigen Yandesherrn den alfergnädigften König, 
allerhöchſt welcher fi) damals in Paris befanden, eine allerunterthänigjte 
Vorstellung abgehen zu laſſen, und die Gewährung dieſer Gnade zu 
erbitten. Seine Majejtät antworteten darauf höchſt eigenhändig: Sie 
hätten den Antrag der Stadt Arnsberg an allerhödhft Ihren Staats: 
Kanzler, den Fürften von Hardenberg, zur Prüfung gelangen laſſen. — 
ALS jpäterhin über das Schidjal Arnsberg immer nod) feine beruhigende 
Entſcheidung erfolgte, vielmehr mit Anfang des Jahres 1816 die Nach— 
richt fi) als zuverläffig ernenerte, daß die Stadt Arnsberg nicht zum 
künftigen Site der Yandesfollegien beftimmt werben würde, fo fah der 
Stadtvorjtand fich weiter veranlaßt, ohne allen Zeitverluft mit einer 
unterthänigen Vorftellung bei des Fürſten Staatsfanzler8 Durchlaucht 
einzufommen, und dieje Vorftellung, weil der Gebraud der gewühn- 
lichen Poſt nad) Berlin die Ankunft dajelbft um vierzehn Tage würde 
verjpätet haben, mit einer bejonderen Ejtafette abgehen zu laffen. Der 
Erfolg hat gelehrt, daß die hierdurch entftandenen Ausgaben nicht umſonſt 
gemacht find, und der Stadtvorjtand hat in dem Bewußtſein, unter 
ichwierigen Umftänden für die Wohlfahrt Arnsbergs nach Möglichkeit 
thätig gewejen zu fein, jeine Belohnung gefunden. 


Briefe des Domdechanten Freiherrn von Spiegel in Münfter an 
den Regierungsd:Direftor Freiherrn Mar von Weichs zur Wenne 
in Arnöberg.’) 


Münjter, den 8. März 1816. 
Beiter Freund und Landsmann! ... . Ihnen als bravem PBatrioten 
brauche ich wohl nicht noch näher ans Herz zu legen, daß die Regierungs- 
beränderung gewiß tft, und alles, was die darmftädtifchen Behörden quocungque 
titulo aus unferem Baterlande beziehen, rein verlorenes Gut ift.... 
Münjter, den 18. April 1816. 

. Näheres neues über unjere Bereinigung unter Preußens Szepter 
fann ich immerhin noch nicht melden, ungeachtet jeden Augenblid der Befehl 
zur Befitnahme des Herzogtums Weftfalen eintreffen ann. Ich habe darüber 
eigenhändige Briefe des Fürften Hardenberg gelefen. Das Geſchäft der 





») Der Abfender diefer Briefe war Sohn des vorleßten, ihr Adreſſat 
Sohn des letzten Landdroſten von Wejtfalen. Man hoffte, wie fie zeigen, auf 
ein Wiederaufleben der landftändifchen Verfaffung. Die Briefe befanden ſich 
unter den Papieren des Frhr. dv. Weichs zur Wenne. 


Bon der Befitergreifung. Spiegel's Briefe. 533 


Befitnahme zu Arnöberg wird dann wohl das Zufammentreffen mehrerer Güter: 
befiter und aufgefchworener Ritter zur Folge haben und dann die Frage über 
Konftituierung der Landjtände zu erörtern fein. Bermutlich finde ich mich 
alsdann auch in Arnsberg ein und handle gern als landjtändifches Mitglied 
— der Gang der Gefchäfte, die Außerung des noch unbekannten Organifations- 
Kommiffarius ꝛc. müflen das Nähere an die Hand geben; Behutjamkeit und 
Energie müffen unfer Augenmerk fein, um das tiefgefunfene Vaterland wieder 
aufftehen zu machen. Sie, wertefter Landsmann, bejtändig in daterländifchen 
Sejchäften thätig, können am richtigjten angeben, was die Lage fordert; Ihre 
Stimme wird überall einwirkend fein, Ihnen wird dazu weder Mut noch Willen 
fehlen, darauf vertraut ıc. 
Münfter, den 28. April 1816. 

Gern benube ich die Nüdreife des Boten, um ihnen das Neuejte — 
wenngleich nicht ganz tröftliche in Beziehung auf unfer unglüdliches Bater: 
land und die Stadt Arnsberg insbefondere mitzuteilen. Bei dem Wettbewerbe 
zwifchen Hamm und Arnsberg bat die erjtgenannte Stadt den Sieg in der 
Hinficht davon getragen, daß zufolge jüngjter Kabinetsordre Hamm Sik der 
Negierung, hingegen Arnsberg Refidenz des Oberlandgerichts fein foll. Diefe 
Beitimmung ift ein Mifgriff für das königliche Anterefie, dann auch für das 
Herzogtum Weftfalen insbefondere. Es jteht dahin, vb v. Vinde, der über: 
morgen nad) Berlin veijet, die von ihm gewünfchte und für notwendig erfannte 
Änderung nun noch wird bewirken können. In Berlin hat man im Gegen- 
fat zu feinen Berichten und ohne nähere Nüdfrage die angeregte Beftimmung 
gegeben, worüber indeffen noch nichts in publico fonftiert. Ich fchreibe Ihnen, 
was der nicht gut für Arnsberg gefinnte Staatsrat Nibbentropp mir erzählt 
bat . . . . Man weiß noch nichts über die zu leitende Huldigung, aber dem: 
ungeachtet möchte eine Denkfchrift über diefen Punkt, wie nämlich ehemals 
verfahren, was für ein Intermezzo beim NRegierungsantritt Darınftadts ftatt- 
gefunden, und wie durch die Erjicheinung des Rheinbundes alle Beſchwerden 
unberüdfichtigt und unerledigt geblieben find, dem Hrn. d. Binde willkommen, 
uns aber nüßlich fein... . 

Münfter, den 4. Mat 1816. 

Ich eile das fachenreiche Schreiben vom 1. Mai dahin zu beantworten, 
daß ih den H. v. Binde mit der nächſten Poit vom Snbalte benachrichtigen 
twerde, auf diefe Art wird zweckmäßig und ohne Berlegung irgend eines An- 
ſtandes gehandelt, das Bejte unferes unglüdlichen Vaterlandes fürs erjte in 
formalibus beachtet werden können. Die Aufhebung oder Supprefjion der 
Landſchaft ijt freilich de facto durch eine Verfügung vom Landesheren ge- 
ichehen, aber nicht rechtsgültig. Dafür bürgen die tröftlihen Wahrheiten in 
der Schrift des Profeflors Ruode (?). Die Stände Ichen wieder auf aus dem 
langen Winterfchlaf, wie die verjchiedentlichen durch Souveränitätsafte ver— 
triebenen, aber nun wieder heimgekehrten Fürften. In diefer Hinficht dürfen 
wir nicht blöde fein, twir haben das Recht auf unferer Seite, und was durch 
die Rheinkonförderationsakte entjtanden, findet Feine Verteidiger; aber freilich 
alles, was man zum allgemeinen Wohle verlangt, muß in geziemender Form 
geboten werden. Die Zahl der aufgefchtvorenen Edelleute ijt durch Ein- 
jterben in den vberhängnisvollen Jahren ftarf vermindert worden. Mir 
würde ein Namensverzeichnis der noch Lebenden ritterjchaftlichen Mitglieder 


534 Preußiſche Zeit. 


mwillfommen fein, diefem könnte ein Landskundiger, wie mein lieber Landsmann 
MWeichs, die Namen jener beifegen, fo ihres Beſitzes und Alters halber al&- 
bald bei der Nitterfchaft aufgenommen werden könnten . . . . Meine perjön- 
lie Dienftleiftung verfage ich meinem Baterlande nicht, weder bei Deputa- 
tionen noch auf offenem Landtag oder fonitigen Gefchäftsführungen ... 
Binde ift über die Abänderung des Negierungsfißes jo ärgerlich, daß er bei 
feiner Abreife noch nicht zum Entſchluß gekommen war, den Auftrag der 
Befignahme unter für das Herzogtum Weftfalen fo ung ünjtigen Berhältnifien 
anzunchmen (diefes inter nos)... 
Münfter, den 23. Mai 1816. 

Mit Freuden wiederhole ih Ihnen gelegentlich des Arnsberger Botens 
die quten Nachrichten, fo ich Ahnen gejtern mit der Post — alfo auf langſame 
träge Weife — aus des edlen Binde Nachrichten aus Berlin vom 18. Mai 
mitgeteilt habe, und zwar, daß bei der Minifterialbehörde der Beſchluß ge 
nommen, die Regierung nad Arnsberg zu legen, und daß mein werter 
Landsmann Mar von Weich erjter Direktor dafelbjt fein wird. — Das 
übrige Perfonal ift noch nicht ins reine, aber fchr wahrjcheinlich wird Herr 
bon Bernuth aus Aurich... . Präfident werden. Diefer und die Oberbehörden 
in Berlin vertrauen alsdann auf des eriten Diyektors Lokalkunde und Thätig- 
keit, damit des Baterlandes Wohl gefördert werde. Im Briefe don gejtern 
finden Sie auch die Bemerkung, daß Binde die Deputation nad) Berlin?) 
für überflüffig hält, indem die hohen Häupter und Herren ins Bad reifen, 
alfo nur PRegierungsmitglieder anzutreffen fein würden. In diefer Yage 
Scheint fchriftliche Außerung dem 9. d. Binde hinlänglich, und da dieſe Feine 
Eile Hat, fo finden Sie bei Gelegenheit der Befitnahme dom Lande durch 
Binde die Zeit und Muße, darüber Berabredung mit dem Königl. Kommiſſario 
zu treffen. Diefem Kommiflario ficht Binde entgegen, indem Hardenberg ihm 
geäußert hat, das Landes-Abtretungsgefchäft werde eben jet mit Darmitadt 
zu Frankfurt finalifiert. WUlfo noch etwas Geduld und wir haben einen neuen 
Landesheren — hoffentlich Yandesvater. — Ich danke für die mitgeteilten 
Nachrichten und verſpreche meinerſeits Neciprocität ſtets eintreten zu laſſen; 
aber der träge und noch obendrein unregelmäßige Poſtenlauf? Wollten Sie 
doch auf Einrichtung allenfalls einer Fußbotenpoſt — dreimal wöchentlich — 
zwiſchen Arnsberg über Werl nad) Hamm baldigjt denken. Mit zc. 

P. 8. Was ih als Minifterialbefchlüffe bemerkt habe, unterliegt nur 
noch der Bejtätigung des Königs — aber wenn nicht heimliche Intrigue im 
Spiel ift, fo ift Abänderung derartiger Beichlüffe nicht leicht zu fürchten. 

Der Kampf über den Sik der Regierung, ob zu Hamm oder 
zu Arnsberg, war hartnädig; endlich fiegten des cdlen v. Binde Gründe 
für Arnsberg. — Der 9. dv. Binde iſt willens, am 1. Juli in Arnsberg ein: 
zutreffen, wenn nicht das Abtretungsgeichäft ihn in Kaſſel noch einen oder 
anderen Tag länger aufhält. ch zweifle nicht, Binde wird Sie unmittelbar 
benachrichtigen. Nur die Befignahme und Borbereitung zur Einrichtung der mit 
dem 1. August in Thätigfeit zu fegenden neuen Regierung werden ftattfinden; 
alle Feierlichkeiten, insbefondere auch die Huldigung ausgeſetzt bleiben, daher 
bin ich denn auch nicht willens, jet nach Arnsberg zu kommen und lege 





9 Offenbar eine Adelsdeputation in Sachen der ſtändiſchen Verfaſſung. 


Bor der Befitergreifung. 535 


Ahnen einen Brief an v. Binde zur Übergabe bei feiner Ankunft in Arnsberg 
bei. Was über fpäter vielleicht ftattfindende Deputation nad) Berlin, Zus 
fanmenberufung der Quartalftände und derartige Dinge zwifchen Ihnen und 
bon Binde erwogen und abgeordnet wird, darüber erfuche id um Benad)- 
richtigung. 

Die Abtretung des Landes an Preußen hat zur Folge, daß die Bei— 
treibung der Steuerreſte durch Militärkommandos unterbleibt; ich denke es 
fehlt nicht an großen Reſtitutionsartikeln, Darmſtadt muß erſetzen, was es 
uſurpatoriſch von den Unterthanen erpreßt und zu eigenem Vorteile ver— 
wendet hat. Die Zögerung im Abtretungsgeſchäfte des Herzogtums Weſt— 
falen zwiſchen Preußen und Darmſtadt lag nicht an Preußen, ſondern an 
der Entſchädigungsberechnung zwiſchen Darmſtadt und Oſtreich, — zwiſchen 
beiden war Preußen als Mitbeteiligter der ausgleichende Teil, die Differenz 
der gegenſeitigen Berechnung ſoll auffallend groß geweſen fein — Darmſtadt 
verliert allerdings an Flächenraum, aber gewinnt an Fruchtbarkeit bei den 
Ausgleihungsobjekten. Was für ein wweitfchichtiges Feld zum Unterhandeln 
Der Staatskanzler hat wieder einen großen Beweis bon Ausdauer in Be- 
arbeitung jchwieriger Sachen gegeben. Ich ſchließe mit dem aufrichtigen 
Glückwunſch x. 

Der Domdechant Spiegel. 


Zur Ergänzung der in diefen Briefen gemachten Angaben teilen 
wir noch einige dem Leben Vincke's!) entnommene Notizen mit. 


Binde jcheint im Oktober 1814 bei Gelegenheit einer Reife in 
die Grafſchaft Mark zum erjten Dale Arnsberg gejehen zu haben, indem 
er einen Abftecher dorthin machte. Er fand die Lage der Stadt „ent- 
züdend ſchön“ (aus feinem Notizbudh). Schon damals hegte er die 
Hoffnung, das Herzogtum Weftfalen bald feinem Gouvernement cinver« 
leiben zu fönnen. Am 25. Mai 1815 wurde Binde vom Könige zum 
DOberpräfidenten von Weftfalen und Chefpräfidenten der Regierung in 
Münfter ernannt. Diefe Verbindung von zwei Ämtern war ihm fo 
läftig, daß er ſich erbot, das Gehalt eines befonderen Präfidenten aus 
dem dem Dberpräfidenten zugedachten Gehalte zu deden; er verlangte, 
wenn dies nicht gewährt würde, Negierungspräfident in Arnsberg 
zu werden. Inzwiſchen war bereit8 in Wien die Einverleibung des 
Herzogtums in Preußen definitiv vorgejehen. Am 26. Mai 1816 trug 
Binde direft dur den Minifter beim Könige darauf an, daß er der 
Dber-Präfidentur fofort gänzlich entledigt und ihm die Negierungs- 
Präfidentenftelle in Arnsberg übertragen werde. Der König gab feine 
Beitätigung nit und bewilligte Binde zugleih ein Gehalt von 6000 
Thalern. Diejer fügte fih nun und blieb. Er verlangte dann, daß 
nicht, wie c8 das Organijationsdefret vorjchrieb, die Negierungen für 


i) Nach Bodelfchwingh, Leben des Frhrn. dv. Binde. 


536 Preußifche Zeit. 


Minden, Ravensberg und Paderborn in Minden, für Weftfalen umd 
Markt in Hamm, fondern in Paderborn und Arnsberg eingejegt 
werden follten. Am 15. Mai drang Binde bezüglid Arnsbergs durd. 


Die Befiergreifung. 

Durch Generalafte de8 Wiener Kongreffes vom 9. Juni 1815 
wurde Arnsberg umd das Herzogtum dem Königreihe Preußen einver- 
leibt. In einem Berichte an den Fürften Staatsfanzler vom 19. Juni 
1816 hob Binde hervor, daß es lebhafter Wunſch der Einwohner de3 
Herzogtums fei, daß das Land möglichft bald von Preußen in Befig ge- 
nommen werde. Die Übergabe war von der heſſiſchen Regierung mög: 
lichft verzögert worden, weil fie das Land, namentlich durd) Domänen- 
verkäufe, noch beftens auszubeuten ſuchte. Am 22. Juni verließ Binde 
Berlin und reifte über Halle und Kaffel nad Frankfurt, wo er am 
2. Juli eintraf. Hier befeitigte er in einigen Tagen die letzten Schwierig: 
feiten, welde die Übernahme hinderten und reifte über Kaffel und 
Arolfen und erreihte am 10. Juli bei Canftein die Grenze des Her: 
zogtums. Abends wurde er in Arnsberg feierlich und freudig em— 
pfangen und erhielt erft hier die offiziellen Ausfertigungen, welde ihn 
inftand ſetzten, die Befigergreifung zu bewirken. Er bereitete num 
alle8 vor und empfing am 15. die Huldigung für Se. Majeftät den 
König. Das Tagebudy bemerkt: „Um 11. der feierliche Akt der Befik- 
nahme auf dem Nathaufe, und einigen 100 Beamten zc. den Hand- 
ihlag abgenommen — dann die Übernahme des Militärs, die zum 
Eide fi) drängenden Offiziere — Ehrenbefudhe der Kollegien. Bis 
1 Uhr Nachts gefchrieben und gearbeitet, häufig unterbrochen durch 
Vivats und „Heil dir ꝛc.“, Mufit und Iebhafte Freudenbeweife der 
Einwohner.“ 


Ertra- Beilage zum Arnsberger Yntelligenzblatt, 


Arnsberg, den 16. Yulius 1816. 

Der gejtrige Tag gehört zu den denfwürdigiten in der Geſchichte 
unferes Herzogthums. An ihm ward uns das Glüd zu Theil, durd 
eine, im Namen Sr. Majeftät des König von Preußen von dem 
Herrn Oberpräfidenten von Vincke vollzogene Befignahme diefer Provinz, 
in den Schuß des erhabenen Herrihers aufgenommen zu werden, deſſen 
Liebe zu feinem Volke, dejjen Gerechtigkeit und Güte in jeder feiner 
Negenten-Handlungen die väterlihe Sorge für das Wohl jeiner Unter 
thanen bezeichnen. 

Die Übergabe des Landes verfündigte der Großherzoglich Heſſiſcher 
Seit3 dazu bevollmächtigte Herr Hoflammer-Direftor von Kopp ben 


Die Befigergreifung. 537 


vorgeladenen hiefigen Behörden auf dem Saale de3 Nathhaufes; die 
Befignahme wurde von dem Königlichen hohen Herrn Bevollmächtigten 
den Staatsbeamten befannt gemacht, von ihm die Verfiherung der 
Amtstreue vermittelft eines Handgelöbnijjes empfangen, dann aud) das 
hiefige Miilitär ihm auf dem Mearktplate durch den Großherzoglid) 
Heſſiſchen Herrn General-Lieutenant von Schaeffer übergeben, und eidlic) 
in Dienftpfliht genommen. 

Die, nicht gebothene, wegen der Kürze der Zeit faum veranftaltcte, 
aber deſto herzlichere Feier des Tages durch Freudenſchüſſe, durch Muſik, 
Geſang und Lebehod, unjerm neuen Landesherrn und feinem Stell 
vertreter in unferer Mitte, dem allverehrten Herrn Oberpräfidenten, 
dargebracht — ift der Beweis des unerſchütterlichen Vertrauens auf die 
Huld unſers allergnädigften Königs. 


Batent wegen Befikergreifung des Herzogthums Weftfalen und der 
Grafſchaften Wittgenftein-Berleburg und Wittgenftein-Wittgenftein. 

Bermöge der Wiener Congreß:Afte, vom 9. Juny dorigen Jahres und 
des unterm 30. Juny diefes Jahres abgefchlofienen Vertrages, find das Herzog: 
thum Wejtfalen und die Graffchaften Wittgenftein-Berleburg und Wittgenjtein- 
Wittgenjtein, welche bisher einen Theil des Großherzogthums Heſſen aus— 
gemacht haben, an die Krone Preußen, mit allen Rechten, wie folche des 
Großherzogs Königliche Hoheit bisher beſeſſen haben, übergegangen, auch find 
von Höchitdenenfelben die Einwohner und Beamten ihrer bisherigen Pflichten 
mitteljt Patents vom 8. dieſes Monats entlaffen worden, 

In Gemäßheit der dazu don des Königs von Preußen, Friedrich Wil: 
heim III Majejtät, meines allergnädigjten Herrn, erhaltenen Vollmacht, habe 
ih) demnach dieſe Länder für Allerhöchjtdiefelben dergeftalt in Beſitz ge: 
nommen, daß fie dem Königlichen Scepter fortan angehören, und für immer 
verbleiben jollen. 

Die Einwohner von Weſtfalen und Wittgenftein haben des Königs 
Majejtät als ihren rehtmäßigen König und Landesherrn anzuerkennen, Aller: 
höchſtdenenſelben und Allerhöchjt Ihrem Königlichen Haufe volltommene Treue 
und Gehorfam zu erweifen. Dagegen wird denfelben Königliche Huld und 
Schuß, die unermüdete Fürſorge für ihr Wohl und Bejtes verfichert, deren 
fid) die Älteren Preußen jtetS zu erfreuen gehabt haben, vor allem unpartheiifche 
Rechtspflege, volllommene Religionsfreiheit, ein das wirkliche Bedürfniß und 
die Landesverhältnifie beachtendes Steuerjyjten, und gleichmäßig den übrigen 
Provinzen eine landſtändiſche Verfaſſung. 

Wegen der zu leiftenden Huldigung wird nähere Beftimmung und foldhe 
ſodann aud) wegen Aufrichtung der preußifchen Adler und Gränzzeichen, wegen 
förmlicher Berpflichtigung der Beamten erfolgen; vorläufig aber wird Dejtimmt 
und verordnet 2c. ꝛc. 

Arnsberg, 15. July 1816. Binde. 


Das gleichzeitig befannt gegebene Patent Ludwigs hat folgenden 
Wortlaut: 


538 Preußische Zeit. 


Wir Ludewig, von Gottes Gnaden Großherzog von Heflen und bei 
Rhein zc. ꝛe. Thun kund und bekennen hiermit: 

In Folge der, am Eongrefie zu Wien über die Gebiets-Ausgleichungen 
in Deitfchland dverhandelten und fejtgefetten Beſchlüſſe, Haben Wir Unſer 
Herzogthum Wejtphalen und die bisher Unferer DOber-Doheit und Lebens: 
Herrlichkeit untennvorjenen Grafſchaften Wittgenfteins-Wittgenftein und Wittgen- 
jtein-Berleburg, durd) einen am 30ten Juni zu Frankfurt am Main unter: 
zeichneten Staatsvertrag an Seine Majejtät den König don Preußen förmlich 
abgetreten. 

Anden Wir foldhes den ſämmtlichen Untertanen befagter Sande, den 
Pehenleuten, den geijtlichen und weltlichen Dienern und jedem ihrer Ein- 
wohner, weſſen Standes und welcher Würde er ſey, durch gegemmwärtiges 
Patent eröffnen, enmtbinden wir diefe zugleich, Kraft deffelben, jeder Yebhens-, 
Dienſt- und Unterthanenpflicht, entlaffen die beiden Graffchaften Wittgenjtein: 
Wittgenftein und Wittgenftein-Berleburg des Yehens-Berbands, mit welchem 
fie Unſerem Großherzoglichen Haufe bisher verpflichtet twvaren, und überweiſen 
die gefanumten Unterthanen diefer Lande feierlich dem in Unfere Stelle treten: 
den neuen Negenten. 

Unſere väterlichjiten Wünfche begleiten die Bewohner des Herzogthums 
Weſtphalen und der Graffchaften Wittgenjtein, auch nad) ihrer Trennung bon 
Unferen anderen getreuen Unterthanen, mit dankbarem Anerkennen des Ge: 
hurfams und der Anhänglichkeit, welche fie, im Drude ſchwerer Zeiten, Uns 
und Unſerem Großberzoglichen Haufe ſtets mit Eifer bewieſen haben. 

Urkundlich Unſerer eigenhändigen Unterjehrift und des hier beigedrudten 
Staats: Ziegels. Alſo gegeben in Unferer Refidenz Darmjtadt den 8. July 1816. 

Ludewig. 
Freiherr von Lichtenberg. 
Oberpräſident Freiherr von Vincke. 

Dem Manne, dem Arnsberg fein Aufblühen in dieſem Jahr— 
hundert im erſter Yinie verdankt, ift die Geſchichte dieſer Stadt wohl 
ein bejonderes Biatt ſchuldig. Wir fennen feine vorzüglichere Charakter 
rifierung des Dberpräfidenten von Binde, als wie fie fein großer Ver— 
chrer — in der Monatsſchrift für Beamte gegeben hat. 

+. Binde — wie ſoll ich den trefflichen Mann nur ſchildern? 
Durch und durch ein Deutjcher mit deuticher Treue und Wahrheit — 
ab und zu aud von etwas erjchredlicher Natürlichkeit und Offenheit — 
gehörte er zu der Familie jener „braven Männer”, von denen Bürger 
jo volfStümlich ſingt — „doc höher und herrlicher ſchlug — das Herz, 
das der Bauer im Kittel trug!" Ja, es war der freie weſtfäliſche 
Bauer, der eingeborene Sohn der roten Erde, welder auf dem Stuhle 
der königlichen Statthalterihaft jaß; denn wie ein Königs-Statthalter 
waltete er mehr nocd durch die Macht feines perjönlichen Anfehens, als 
dem Gejege nad, über der Provinz. Und war er nicht ein folder 
Bauer dur und durd, wenn er in feiner Leibtracht, dem blauen Lein- 


DOberpräfident von Binde. | 539 


wandfittel, einherging, oder gar mit Hinaufgerutichten Beinkleidern zu 
Pferde ſaß — das Soldatenmütchen auf dem Kopfe, das kurze Pfeifchen, 
an dem er auf dem letzten Kuopfe bif, im Munde, — und in dem 
runden pausbadenen Geſichte das gutmütige Lächeln um die vollen 
Lippen, den Eugen Blick in dem fchönen blauen Auge, die Haare fchlicht 
über die Stirne fallend, — in Allem der herzgewinnende Ausdrud 
tiefen Wohlwolleng, edler Einfachheit und großen Verftandes, — fo 
ganz das Bild des wadern Landmannes, welchem bei allen Reichtümern 
in der geiftigen Scaglammer feines erfahrungsreichen Lebens doch der 
ſchönſte Schag, — jenes Kleinod feiner Kindheit: die Einfalt des Ge— 
mütc bleibt! Er war zulegt eigentlid” Bürgermeifter von Weftfalen; 
denn er miſchte fich, ftetS zwar zu gutem Zwede und mit Einfiht und 
Geſchick, in alle Heinften VBerhältuiffe der Verwaltung und erdrüdte die 
Selbjtändigfeit der Bezirks-Regierungen. In der Edlichtheit feiner 
äußern Erſcheinung oft unerkannt und in jedem Winkel der Provinz 
plöglic gegenwärtig, — war er zugleich Knecht Ruprecht und getreuer 
Edart von Weſtfalen.“ 


Anſchaulich jchildert der ehemalige Arnsberger Präfident Kepler 
die durch Vincke herbeigeführte Umwandlung in Arnsberg. 

„Heren don Bincke's Anſicht war, während die evangeliſche Mark 
durch ihren Gewerbfleiß hinlänglich gefundes Leben in fidh trage, müſſe 
dem Eatholifchen Teile des neuen Regierungsbezirks auch Leben eingehaucht 
werden, und folches fei am ficherjten zu erreichen, wenn man den Sitz der 
Regierung mit Präfidenten, Direktoren, Räten 2c. in dejjen Mitte, in das 
Herz des alten Herzogtums felbjt lege. So Fam es denn, daß 1816 ein Heer 
bon etwa 60 Beamten höherer und niederer Grade, mit und ohne Familien, 
nach dem Städtchen Arnsberg gewieſen wurde, die ſämtlich eigentlich nicht 
wußten, wo fie auf dem fchroffen Felfen, unter den fchroff denfenden Ur— 
einwohnern Obdach finden jollten. Um ein Regierungsgebäude zu bejchaffen, 
wurde das Gefangenhaus, nachdem jeine unfreiwilligen Bewohner anderswo 
untergebracht worden waren, mit Bureaux und Scejlionszimmern eingerichtet. 
Für das Unterfommen der Beamten traf man die Vermittelung, die großen 
Kirchhöfe um das Klofter herum zu Baujftellen zu verteilen und die Eins 
wohnerſchaft des Städtchens zu ermuntern, neue Häufer darauf zu bauen. 
Ein Dritteil der Baufoften wurde ihnen dazu geſchenkt und überdem noch 
eine Prämie denjenigen verſprochen, die fchnell und am zweckmäßigſten bauten. 
So entjtand nad) wenigen Jahren zwifchen der Ruine und dem alten Städt- 
‚den und der Kirche mit den Hloftergebäuden eine neue Eleine Stadt, mit 
lauter bunten Häuſerchen, in deren Mitte ein freundlicher Marktplatz abgeſteckt, 
an demfelben eine evangelifche Kirche und ein Pojtgebäude dom Staate cr- 
baut, und durch einen richtig Spekulierenden ein großer Gaſthof errichtet 
wurde. Straßen wurden nad allen Seiten angelegt, um den im Gebirge 
vergrabenen Regierungsfiß zugänglich zu machen, und Herren dv. Binde’ Be- 
lebungsidee fonnte nun ihre Wirkjamkeit beginnen.” (Näheres unten.) 


540 Preußifche Zeit. 


Nachdem von Binde über ein Menjchenalter lang durch Hebung 
der Yandesfultur!) im jeder Hinficht ein Wohlthäter feiner Provinz ge: 
wejen war, endete er am 2. Dezember 1844 fein thatenreiches Yeben. 
Ein Turm auf Hohenfyburg, der am 3. Auguft 1857 eingeweiht wurde, 
ift feinem Andenken gewidmet. 


Ein Wort iiber den Patriotismus der Arnusberger. 

„Bei der Beurteilung des jog. Patriotismus neu erworbener 
Fandesteile ift man oft [ehr unbillig. Die älteren Einwohner des 
Herzogtums Weftfalen hatten ihren Herrſcher drei Mal gewechſelt. 
Deffenungeachtet wollten jo mande Beamte ihnen einen Vorwurf daraus 
machen, daß fie nicht glei) den Altpreußen, 3. B. in der Grafſchaft 
Mark, dem „angeftammten (!) Herricherhaufe” mit Leib und Seele au: 
hingen, als wenn der Menjc nicht bloß die Treue der Pflicht, nein, 
auch die Anhänglichleit des Herzens, die Liebe und Verehrung wechſeln 
fönnte und müßte, wie die Livree. Ich hab’ es ſtets erklärlich ge: 
funden, wenn die älteren Eingeborenen die Entfcheidung über ihre Zu: 
neigung für die preußische Herrſchaft mehr bei ihrem BVerftande, als 
bei ihrem Herzen ſuchten, und ich hielt ung Fremde für um ſo mehr 
verpflichtet, Gewohnheiten, Sitte, Überzeugungen, Stimmungen, ja Vor— 
urteile des Landes ſchoönend und nachſichtig hinzunehmen, und ſtets zu 
bedenken, daß es unſere Aufgabe war, dasſelbe mit dem Bruch der 
Jahrhunderte, wo dies altkatholiſcher Boden war, zu verſöhnen. Tief 
ſteckte nun einmal im Fleiſche des Volkes der ultramontane, und man 
darf wohl ſagen, der öſterreichiſche Pfahl. Ging doch durch das Land 
eine uralte Sage, daß am „Beerbome“ (Weißdorn) zu Werl der große 
Entſcheidungskampf zwiſchen Abendland und Morgenland geſchlagen, und 
der letzte entſcheidende Sieg des Chriſtenkönigs — er trägt weiße — 
öſterreichiſche? — Kleidung und lahmt auf einem Fuße — über Türken, 
Kofaden und (fügte wohl mander Rechtgläubige im Stillen Hinzu) 
auch ſonſtige Keter erfochten werden würde.“ 

So urteilt Jacobi, der in Arnsberg mehrere Jahre als Ober: 
Regierungsrat thätig war, in der von ihm redigierten Monatsjchrift 
für Deutfhe Beamte, Jahrg. 1879. 

Wir glauben, daß die vorftehende Verteidigung eines Billig- 
denfenden heutzutage nicht mehr gejchrieben zu werden braudte. Was 
weiß man jegt in Arnsberg überhaupt noch von den alten Zeiten, der 
ehemaligen Zugehörigkeit zu Kurköln, zu Heſſen? Siderlid nicht 

) In Arnsberg beitand feit 1808 eine „Landeskulturgefellfchaft”, die 
ihre Thätigkeit in der preußifchen Zeit noch mehrere Jahrzehnte fortſetzte. 


Zum Batriotismus der Arnsberger. Beſuche a. d. Kgl. Familie. 541 


joviel, daß es fentimentalen Empfindungen zur Nahrung dienen könnte. 
Der glorreiche Feldzug von 1870/71, die Heldengeftalt Kaiſer Wil- 
helms I haben gewiß auch nicht wenig dazu beigetragen, die Gefühls- 
wandlung zu bejcdhleunigen. 


Beſuche aus dem Königlichen Herrfcerhaufe. 
Erſter Beſuch des Kronprinzen Friedrich Wilhelm, nachmaligen 
Königs von PBreuften, 1817.1) 

Am 30. Auguſt des Abends jpät bei einer günftigen Witterung 
traf dieſer allverehrte Prinz bei und ein; der Donner der Kanonen 
verfündete feine Ankunft, und alfes drängte fich ihm begierig und freubde- 
voll entgegen. Bei einer jchönen Erleuchtung der ganzen Stadt, des 
gegenüber befegenen SKlofterberges, der Promenade und de3 englifchen 
Gartens, fowie der über den Nuhrfluß führenden Brüce, wurde er, 
der edle Sohn unjeres Königs, von dem hiefigen Stadtrate an dem 
Eingange des Thores feierlich empfangen, durch den anhaltenden Jubel— 
ruf eines treuen Bolfes, unter dem Geläute aller Gloden in fein Ab- 
fteigequartier, den Landsbergiſchen Hof, begleitet, und dajelbft von den 
verjammelten Kolfegien und fonftigen Honoratioren ehrfurdtsvoli be- 
grüßt. Ein glänzender, mit einer allgemeinen Erleuchtung verpaarter 
Ball, welchen der erlaudhte Kronprinz mit feiner Gegenwart bechrte, 
drängte die eingetretene Nacht bei Seite, und alles harrte feiner am 
folgenden Morgen. Hier trat er wonnevoll hervor, und wohnte dem 
hiefigen proteftantifchen Gottesdienfte bei, mufterte nad deſſen Beendigung 
die in Parade aufgezogene Landwehr, und nahm darauf nun von ben 
Umgebungen der hiefigen Stadt, dem Klofterberge?) mit feinen Anlagen, 
fowie den Ruinen des Schloſſes, diejem merkwürdigen Sige der che- 
maligen Grafen von Arnsberg, und von dem darunter belegenen Garten, 
wo die Kurfürften von Köln als Herzoge von Weftfalen und oberfte 
Stuhlherren, durd ihre Freigrafen chedem die berühmten Fehm- oder 
heimlichen Gerichte halten ließen, in der Geſellſchaft des Oberpräfidenten, 
Freiheren von Binde, den Augenjcein ein. Zu Mittag war große 
Tafel, wozu die Chef3 der Hiefigen Koflegien, der Kommandant, der 
Landrat, der hiefige Bürgermeifter umd mehrere angejehene Fremde ge- 
laden waren. Nad) geendigter Tafel fette derjelbe jeine Reife unter 
den heißeften Segenswünjchen der jämtlihen Bewohner nah dem 
Rheine weiter fort. 

) Hüfer, S. 100. „Die Beſuche Friedrih Wilhelms IV würden eine 

ihöne Pagina in der Chronik Arnsbergs bilden” (Pieler). 

2) Damals foll der Kronprinz geäußert haben: „Bier ijt ein jchönes 
Fleckchen Erde.” 





542 Preußiſche Zeit. 


Beſuch des Prinzen Friedrih Wilhelm Ludwig, nachmaligen 
preufifchen Königs und Dentichen Kaiſers, 1819. 

Geftern Abend wurde die hiefige Stadt durd die Ankunft Sr. 
Königlichen Hoheit des Prinzen Wilhelm Ludwig von Preußen beglüdt. 
Der erlauchte Königsjohn traf in Begleitung des Herrn Oberpräfidenten 
Freiherrn von Winde nachmittags 5 Uhr unter Kanonendonner hier ein, 
wurden am Eingang der Stadt von dem Stadtvorftande durch eine 
ehrfurdtsvolle Anrede und von der Schuljugend mit Blumenfränzen 
bewillfommt und geruheten diefen Empfang mit der huldreichiten Herab- 
laffung aufzunehmen. Höchſtdieſelben ftiegen jodann unter dem Vivat- 
rufen der Einwohner am Hotel des Herrn Regierungs-Chefpräfidenten 
von Bernuth ab und nahmen die Aufwartungen der dort verjammelten 
hohen Autoritäten und des Yandwehr-Dffizierforps an. Abends war 
die Stadt erleuchtet. Die heute eingefalfene ungünftige Witterung hielten 
Ce. Königl. Hoheit ab, die Umgebungen der Stadt in näheren Augen: 
ihein zu nehmen, und Höchftdiefelben jegten um Mittag, begleitet von 
den Segenswünjcen der Einwohner, Ihre Reiſe von hier über Siegen 
nad) Koblenz fort. 

Arnsberg, den 1. September 1819. 

Der Bürgermeifter Hüſer. 


Beſuch des Prinzen Friedrich Wilhelm Karl von Prenfen!), 1831. 


Arnsberg, den 24. Mai 1831. 

Geſtern wurde unferer Stadt das große Glück zu Teil, von Ihren 
Königlichen Hoheiten, dem Prinzen Wilhelm von Preußen, General 
Gouverneur von Weftfalen und Niederrhein, und Höchſtdero Gemahlin, 
in Begleitung Höchftihrer Kinder, der Prinzen Adalbert und Woldemar 
und der Prinzejfin Elifabeth, 8. K. H. H. mit Höchſtdero Gegenwart 
erfreut zu werden. Bon Münfter anfommend, auf der Grenze des 
Arnsbergifchen Kreifes von dem Herrn Landrat, auf der Grenze des 
ſtädtiſchen Bezirkes vom gejamten Stadtvorftande feierlichjt empfangen 


) Prinz Wilhelm, dritter Sohn des Königs Friedrich Wilhelm IL, 
geb. 1783, + 1851, vermählt mit Maria Anna, Tochter des Landgrafen Lud 
twig von Heſſen-Homburg, zeichnete fich in den Befreiungskriegen aus, war 
bon 1830—31 Generalgouverneur der Rheinprovinz und Weitfalens. Ihr Sohn, 
Prinz Adalbert, befannt als Förderer des Marinewejens, 1854 Admiral der 
preußifchen Hüften und Oberbefehlshaber der Marine, 7 1873. Ihr zweiter 
Sohn, Prinz Waldemar, nahm 1845 und 46 an den Kämpfen der Engländer 
in Oftindien teil, F 1849 als Kommandeur in Münſter. Ahre Tochter, Prin- 
zejfin Elifabeth, wurde Gemahlin de8 Prinzen Karl Wilhelm Ludwig von 
Heflen und Mutter des Großherzogs Ludwig IV. 


Beſuche aus der Königlichen Familie. 543 


und hierher begleitet, erreichten Höchftdiefelben um 79, Uhr abends die 
hiefige Stadt, bewillklommnet durch den mit der huldvollſten Herab— 
lafjung erwiderten Jubel der verfammelten Bewohner, durch Geſchützes— 
donner und Glodengeläute, 


Dem erhabenen fürftlihen Paare ftellte vor dem Abfteigequartier 
ein Korps hiefiger Freiwilligen von der Landwehr fi) dar und zwölf 
Jungfrauen überreichten, im Saale, wo die Präjentation geſchah, ein 
gnädig aufgenommenes Gedicht (verfaßt vom Regierungsaffeflor Frhrn. 
v. Brandenftein) als Ausdrud allgemeiner Verehrung. — Nachdem Ihre 
Königliche Hoheiten die Gnade gehabt hatten, die Landeskollegien, mehrere 
bier verfammelte adelige Gutsbefiger, Offiziere der Landwehr und Gens— 
darmerie, wie auch alle, welche diejes wünjchten, ſich vorftellen zu Laffen, 
geruhten Höchftdiejelben, einen im hiefigen Geſellſchaftshauſe veranftalteten 
Ball nidht nur mit Jhrer Gegenwart zu beehren, ſondern auch denfelben 
zu eröffnen, und zwar Se. Königliche Hoheit mit der Frau Hofgerichts— 
präfidentin Nettler, Ihre Königliche Hoheit die Prinzejfin Wilhelm, 
jodann die Prinzeſſin Elifabeth mit Sr. Excellenz dem anmwejenden Ge— 
heimen Rat und Oberpräfidenten Herrn Freiherrn von Binde und 
dem Herrn Regierungs-Bizepräfidenten von Porbed. Die huldvollften 
Äußerungen der hohen Bejuchenden gegen alle verbreiteten Freude und 
Frohſinn um fie her, während eine vom herrlichjten Wetter begünftigte 
Häuferbeleuchtung, durch manche angemefjene Inſchrift geziert, und ein 
mit Mufifbegleitung und dem volltönenden „Heil Dir im Siegerkranz“ 
ausgeführter Yadelzug, verbunden mit dem Lebehoh! für das hohe 
fürftlihe Baar, die herzlichſten Gefühle des innigen Dankes und der 
Ergebenheit der zahlreich verfammelten Bewohner ausdrüdten. Seine 
Königliche Hoheit Hatten die Gnade, einen der Beamten allergnädigft 
zu fragen, „wer dies angeordnet, eingeleitet 2c. habe". Die durd)- 
aus wahre Antwort erfolgte, daß es feiner Anordnung und feiner 
Einleitung hier bedurft habe, wo alle in Liebe und Verehrung für 
das anmwejende Hohe Fürftenpaar und für das Königliche Haus wett- 
eiferten. 

Heute geruhten Ihre Königlichen Hoheiten mit Wohlgefallen die 
romantiſchen Umgebungen der hiefigen Stadt und die verjchönernden 
Anlagen auf dem Klofter- und Schloßberge in Augenſchein zu nehmen, 
und mit Äußerungen Höchſtihrer Zufriedenheit über daS wenige, was 
die Kürze der Zeit zu veranftalten erlaubt hatte, um 9 Uhr vormittags 
die Reife nah Köln anzutreten, begleitet von taufend Segenswünjcen. 
— Was wohlwolfende Herablaffung auf die gütigfte Weije ausdrüden, 
was das Gefühl der imnigften Verehrung darbringen kann, das war 


544 Preußifche Zeit. 


hier vereinigt, um den gejtrigen Tag zu einem wahren Freudentage zu 
machen, der uns unvergeklich bleiben wird. (Arnsberger Wodenbf.) 

Zweiter Beſuch des Hronprinzen Friedrich Wilhelm 1833. 

Der Kronprinz reifte am 28. September von Berlin ab in Be- 
gleitung des Chefs des Generalftabes des zweiten Armeeforps, Oberften 
Graf von der Gröben. Nach einer Reife durch Weftfalen und Rhein— 
land jollte der ZTegernjee und München bejucdht werden. Die Reife 
ging über Hörter, Paderborn, Bielefeld, Herford, Minden, Münfter, 
Haltern, Hamm, Dortmund, Herdede, Hagen, Limburg, Altena, Menden, 
Arnsberg. 

„Treue Herzen empfangen Did, Heiße Wünſche begleiten Dich!“ 
So lautet die einfache Inſchrift an der gejhmüdten Ehrenpforte, welche 
die treuen Arnsberger dem Erftgeborenen ihres allverehrten Königs er- 
baut Hatten. Am 12. DOftober abends um 11 Uhr gelangte der cr- 
jehnte Königsfohn, von Altena über Sferlohn und Menden kommend, 
in Begleitung des Oberpräfidenten, Freiherrn von Binde, zu diefer 
Pforte, nachdem der Gemeindevorftand, unfere Bürgermeifter an der 
Spite, auf der Grenze des ftädtiichen Weichbildes, ihm aus dem 
Herzen jtrömende, ungefünftelte Bewilllommnung dargebradht hatte. 
Die Elemente beneideten unfere Freude. Sturm und Regen kämpften 
wider uns, aber wir trugen den Sieg davon, und ber Königliche 
Saft fuhr dur die hell erleuchteten Straßen nad) feinem Abſteige— 
quartier im Linhoffihen Gafthofe. — Vermochte auch das ungeftüme 
Wetter den auf Höhepunften aufbligenden Feuern gebieteriihe Schranfen 
zu ftellen, konnten wir aud nicht unſern fernen Nadhbarn fichtbare 
Zeichen unferes Jubels geben, den das Geläute der Gloden und ber 
erft ſpät in der Nacht verftummende Kanonendonner nur ben 
heimifhen ZThalbewohnern verfündeten, jo war bdiefer Jubel um jo 
inniger und lauter bei der durch die Straßen wogenden, froh 
bewegten Menge. Der Weftfale, treu und bieder, eitles Wort: 
gepränge meidend, verrät in feinem Jubel die Stimme des Herzens. 
Diefe Stimme war der Dolmetjcher unjerer dankbarften Gefühle, welde 
wir für eine Reihe von Wohlthaten dem beften der Könige verfchulden. 
Ein ftattliher Fadelzug, von den Mitgliedern des hiefigen Schüten- 
vereind ausgeführt, beſchloß die Feſtlichkeit dieſes uns unvergeßlichen 
Tages. Mit vernehmbarer Stimme dankte der gefeierte Königsjohn 
dem vor feinem Hotel verjammelten Bolfe. Er wiederholte diejen 
Dank gegen den Hauptmann und zwei Führer unjerer Schüten-Ge- 
ſellſchaft in Worten, die der Chronik unferer Stadt aufbewahrt bieiben. 
Eine freiwillige Ehremwade, aus Landwehrmännern unferer Mitbürger 


Zweiter Beſuch des Kronprinzen Friedrich Wilhelm. 545 


gebildet und vor dem Hotel Er. Königl. Hoheit aufgeftellt, ward in 
gnädigen Ausdrüden entlaffen und für den kommenden Tag zur mili- 
tärifchen Befihtigung bejchieden. Diejelbe fand am 13. des Morgens 
ftatt, mit ihr war die Vorftellung ſämtlicher Landwehroffiziere ver— 
bunden. Darauf nahm der Königsjohn am Gottesdienfte in der evan— 
geliichen Kirche teil, Seines frommen Vaters eingedenf, eingedenf des 
Wohles feiner dereinftigen Unterthanen. 

Die Mitglieder des Negierungsfollegiums, des KHofgerichtes, der 
Nitterichaft, die Deputierten des Land» und Kreistages, der Geiftlichkeit, 
mehrere Sandräte, der Vorftand unjerer Stadt wurden nunmehr Seiner 
Königlichen Hoheit vorgeftellt, welche die Mehrzahl der Genannten zu 
einer aus 50 Kouverts beftehenden Mittagstafel einzuladen geruhten. 
Dem Königl. Diner folgte ein von der Stadt in den Sälen des hiefigen 
Kaſinos veranftalteter Fejtball, glei zugänglih dem Hohen wie dem 
Niedern, dem Unbemittelten wie dem Begüterten. Auch diefes Bürger: 
feft wurde durch die erbetene Gegenwart des allverehrten Kronprinzen 
verherrlicht. Se. Königl. Hoheit eröffneten den Ball mit der Gemahlin 
unferes würdigen Negierungs-Chefpräfidenten, de8 Wirklichen Geheimen 
OberfinanzratS Wolfart. Diejer verehrten Frau folgten Tänzerinnen 
aus den verjchiedenen Ständen. Auch hier bewies der Königl. Gajt, 
wie nad) feiner Anſicht nur das Verdienst, nicht die Geburt adelt. Für 
ung viel zu früh, wenngleich nad) zwei Stunden frohfinnigen Verweilens, 
verließ der Gefeierte den engen Kreis feiner getreuen Arnsberger. Die 
Abreife war bejchlofjen. Sie erfolgte jhon am 14. dj8. um 11 Uhr 
vormittags. Kurz vor derjelben empfing noch unjere fatholifche Pfarr- 
fire einen unerwarteten Beſuch, weldem die Beichauung der neueſten 
Anlagen der Promenade und des Eichholzes ſich anſchloß. Sturm und 
Negen fonnten ihm den beſchwerlichen Weg durch die Hochgebirge in 
Weſtfalens Gauen nicht verleiden. Zweitauſendſiebenhundert Fuß über der 
Meeresfläche wird bald ein einfacher Obelisf mit der Denkſchrift prangen: 
„Auch hier war unjer Kronprinz am 15. Oltober 1833." Dem Sceiden- 
den ertönte ein dreifaches Hurrah!!! Heiße Wünſche feiner Arnsberger 
begleiten ihn auf allen Lebenspfaden! (Arnsberger Wochenblatt.) 

Wir fünnen und nicht verfagen, den Kronprinzen nod) eine Strede 
weiter zu verfolgen; die Reiſe ging, wie oben angedeutet, mitten durch 
das Sauerland, und der hohe Saft hatte die originelle Idee gefaßt, in 
Küftelberg fein Geburtsfeft zu feien. Pieler (Aus der Gejhichte Arns— 
bergs, ©. 45 Anm.) erzählt darüber folgendes: 

„Riemand mußte, wohin die Reife ging. Der Bauinſpektor Böfe hatte 
den Auftrag erhalten, für das Fortlommen der Wagen auf dem Wege von 
Feaur, Geſchichte Arnsbergs. 35 


546 Preußſche Zeit. 


Niebersfeld nad) Küjtelberg und von da über den Ajtenberg nad Berleburg 
und Siegen die nötigen Einrichtungen zu treffen. Über diefe Gebirgshöhen, 
wo von jeher nur Kohlenkarren mit voreinander gefpannten Zugochjen paffiert 
waren, mit den fchmalfpurigen Kutſchwagen fortzukommen, war allerdings eine 
ſchwierige Aufgabe für den neuen Reifemarfihall, der nur wenige Stunden 
borausgehen konnte, um alles Notivendige zu bejorgen. Gegen 8 Uhr abends 
langte der Zug auf dem Punkte an, wo zwijchen Niedersfeld und Winterberg 
der Weg links von der Chauſſee abbiegt. Dieſer Weg, welcher fih am Rande 
des oberjten Ruhrthales Hinaufzieht und an der Quelle des Fluſſes vorbei 
geht, war damals noch ein holperiger Fuhrweg und bier und da nicht ohne 
Gefahr, befonders in der Dunkelheit. An der Abbiegung hatte Böje alle 
Laternen, die aufzutreiben waren, aufgeftellt, und ritt, auch cine Laterne in 
der Hand, den Wagen boraus, die er bis halb zehn Uhr abends glüdlic 
nad Küjtelberg führte. In dem ländlichen Gajthaufe bei Fräulein Padberg 
war alles aufgeboten, was in der Eile möglid mar, um den hoben Gajt 
nicht gar zu viel vermiſſen zu laſſen. Der leutfelige königliche Herr wohnte 
fi) aud) bald ein, und er bat der Wirtin wiederholt feine Zufriedenheit mit 
der guten Bewirtung und dem bequemen Aufenthalte ausgejprocdhen, ſich aud) 
mit ihr und den übrigen Hausbewohnern mehrmals ganz heiter unterhalten. 
Bon der Geburtstagsfeier des 15. Dftober 1833 hört man dort in den Bergen 
noch jet nach achtunddreißig Jahren oft erzählen, und viele wiſſen noch 
wörtlich anzugeben, was der freundliche Herr ihnen gejagt hat. Die Tiſch— 
gejellichaft des Kronprinzen bejtand aus dem Generallieutenant von Pfuel 
und zivei anderen Offizieren, dem Oberjten Binde und aus Böfe, der in 
feinem echt weſtfäliſchen Weſen gerade der rechte Mann war, um bier als 
Führer zu dienen. Ein Beriht don ihm über die Reife, welcher mir durch die 
Güte feiner Angehörigen zur Benutzung überlafien ijt, ijt leider an einen hoben 
Borgefegten gerichtet und deshalb etwas farblos; jchade, daß er nicht an 
einen guten Belannten ift! Wir würden dann ficher eine intereflante Dar- 
jtellung der originellen Geburtstagsfeier des geiftreichen Fürften bor uns 
haben. Nach Mittag am 15. wurde die Reife nad) Berleburg fortgejegt. Da 
der eigentlihe Kohlenfuhrtweg über Girkfhaufen wegen der ausgefahrenen 
Geleife und der breiten Spur für die NReifewagen nicht zu pafjieren war, jo 
mußten Grenz» und blinde Waldwege, die man fchnell etwas aufgeräumt 
hatte, eingefchlagen werden. Auf der Höhe des Aſtenberges vberdedte Leider 
ein dichter Regen die Ausſicht vollftändig, und das böfe Wetter bielt den 
ganzen Nachmittag an. Als die Begleiter ihr Bedauern darüber ausſprachen, 
fagte der Kronprinz feherzend über den fauerländifchen Nebel: „Das ift doch 
einmal eine Veränderung und garnicht unangenehm“. Abends 7 Uhr wurde 
Berleburg erreiht und am andern Morgen die Reife = dem Siegenſchen 
fortgefett, wo das Inkognito aufhörte.” 


Auf diefer Neife benußte der Kronprinz von Lüßel nad Hilchenbach 
die im Bau begriffene Wittgenjteiner Straße und pflanzte zur Weihe eigen- 
händig hart am Wege eine junge Eiche, die daher den Namen Kronprinzen- 
Eiche hat.!) 





1) Arnsberger Wochenblatt 1833, S. 243. 


König Friedrich Wilhelm IV in Arnsberg. 547 


Dritter Beſuch Friedrich Wilhelms IV al3 Königs von Preußen, 
zweiter Beſuch Wilhelms ald Prinzen von Preußen, nachmaligen 
Königs von Prenufen und Deutſchen Kaifers, 1853. 
(Bericht der Neuen Preußiſchen Zeitung.) 

Arnsberg. Der 21. und 22. Yuli waren hohe Feittage für 
uns, An demjelben beglüdten Se. Majeftät der König nad) der Thron. 
befteigung zum erften Male das Herzogtum Weftfalen mit Allerhöchjit- 
ihrem Beſuche. Am 21. von Soeft, als dem Endpunfte der Feitfahrt 
für die Eröffnung der Weſtfäliſchen Eijenbahn, gegen 9 Uhr abends an 
der Grenze des Kreiſes Arnsberg anlangend, wurden Se. Majejtät 
dafelbft von dem Landrate des Kreifes, und am Weichbilde der Stadt 
Arnsberg von den dajelbft in corpore verjammelten Stadtbehörden 
ehrfurdtsvolfft begrüßt, worauf Alferhöchjtdiejelben unter dem Geläute 
alfer Glocken und dem ſtürmiſchen Jubelrufe einer unabjehbaren Menjchen» 
menge in die feſtlich geſchmückte und glänzend erleuchtete Stadt einzogen. 
Unmittelbar nad der Ankunft des Königs in der Wohnung des Staats» 
minifter8 a. D. Negierungspräfidenten v. Bodelſchwingh, wojelbft Seine 
Majeftät das Nachtlager zu nehmen geruht hatten, ließen Allerhöchjit- 
diefelben wie aud Se. Königliche Hoheit der Prinz von Preußen ſich 
die Behörden vorftellen, worauf das Souper ftattfand, zu welchem außer 
den Gefolge des Königs der Graf von Fürftenberg-Herdringen, welder 
erjchienen war, um die von Er. Majeftät bereit3 von Sansjouct aus 
gnädigſt angenommene jchriftlide Einladung zu einem Beſuche auf feinem 
benachbarten Schloffe Herdringen mündlich zu wiederholen, der Appellations- 
gerichtspräfident, der den Megierungspräfidenten in Behinderungsfälfen 
vertretende ältefte Oberregierungsrat, der Kommandeur des Mejcheder 
Landwehrbataillong, der Landrat, der Bürgermeifter, der Vorfteher des 
Gemeinderates und die Geiftlichkeit beider Konfeffionen befohlen wurden. 
Nach beendetem Souper traten Se. Majeftät auf die fFreitreppe des 
Haujes, um die im Vereine mit den benachbarten Baumgruppen und 
dem ſchönen Hirfchberger Thore nochmals in bengaliſchem Feuer wahr- 
haft feenartig erglühende alte Kloſterkirche anzuſehen. Endlofer Zuruf 
der vor Sr. Majeftät Wohnung bis zum Erdrüden dichtgeſcharten 
Menge verfündete der Stadt, daß der geliebte Monarch fi) abermals 
feinem Volke gezeigt habe. Eine bejondere Überraſchung wurde dem 
Könige dadurd) bereitet, daß ein Veteran, welcher unter Friedrich dem 
Großen nod) zwei Jahre gedient Hatte, in der neu angefertigten Uniform 
jeines damaligen Negimentes von Wolffersdorff vorgeftellt wurde. Seine 
Majeftät ließen den alten Grenadier das Gewehr präfentieren und be— 
merften dabei dem alten Manne freundlichft, daß Alferhöchftdiejelben es 


35* 


548 Preußische Zeit. 


gerade jo auch gelernt hätten. Der Veteran wurde reich bejchenft ent: 
laſſen. Am 22. de8 Morgens früh wurden Se. Majeftät von der 
benadjbarten evangeliichen Kirche herab von den Schulfindern der evan- 
geliihen Elementarjchule mit einem Morgengefange begrüßt. Hierauf 
fand bei Sr. Majeftät wie bei des Prinzen von Preußen Königlicher 
Hoheit die Vorftellung der zahlreich erſchienenen Ritterſchaft jtatt, worauf 
die Vorſtellung verjchiedener Deputationen folgte. ALS hierauf der König 
das Haus verlieh, um die nahe gelegene Parkanlage, den Klofter- 
berg, zu befuchen, wollte der Yubelruf der ſchon jeit früher Morgen— 
ftunde vor der königlichen Wohnung Seiner harrenden Menfchenmafle, 
alfen Klaffen der Bevölkerung Arnsbergs angehörend, anfangs garnicht 
enden. Nachdem der Freudenſturm fich endlich gelegt, dankten Seine 
Majeftät dem Bürgermeifter der Stadt in freundlichfter Weije für den 
fejtlihen und liebevollen Empfang, den Sie in Arnsberg von allen 
Seiten gefunden. Hierauf beſuchten Se. Majeftät die Ihnen bereits 
von früher her wohlbelannte Promenade, den Klofterberg, und erfreuten 
fi) dafelbft von der alten Kloftereihe aus der herrlichen Ausficht auf 
die Stadt, wie auf die Arnsberg in einem Halbfreije umfließende Ruhr. 
Bon dem Klofterberge zurüdfchrend, fanden Se. Majeftät vor dem 
Gymnaſium die Zöglinge deffelben, mit dem Lehrerfolfegiunm an ihrer 
Spige, aufgeftellt und wurden von dem Direktor der Anjtalt (Högg) 
ehrfurdhtsvolf begrüßt. Von den heißeften Segenswünſchen aller Ein- 
wohner begleitet, verließ der König gegen 11 Uhr Arnsberg, um id 
mit feinem ganzen Gefolge nad) dem Schloſſe Herdringen zu begeben. 
Auf dem Wege dorthin nahmen Se. Majeftät noch eine unfern von 
der Straße ftehende Eiche in Augenſchein, welde nicht alfein wegen 
ihres hohen Alters, welches man auf mehr denn 1000 Jahre ſchätzt, 
jondern auch wegen ihres enormen, 39 Fuß betragenden Umfanges jehr 
jehenswert iſt.) — Auf dem Schloffe Herdringen fanden Se. Majejtät 
einen des erlauchten Gaftes wie des Neichtums des Grafen von Fürften- 
berg und des Glanzes der uralten Yamilie, aus welcher drei Fürft- 
biihöfe Hervorgingen — Herdringen ift der Stammfig der Familie und 
der Graf von Fürftenberg-Herdringen das Haupt der älteren Linie — 
gleich würdigen Empfang. 

“ Seitdem dem Grafen don Fürftenberg die Ausficht eröffnet worden, 
bon jeinem Könige und Herrn mit einem Beſuche beehrt zu werden, hatte 
derſelbe ſowohl an der Vollendung der inneren Einrichtung des erjt kaum 


vollendeten neuen Schloffe® und der neuen Gartenanlage, als an der feit- 
lihen Ausſchmückung desfelben und feiner Umgebungen mit allen nur zu 


) Der König gab Befehl, die Dicke Eiche zu malen und zu ſchützen. 


König Friedrich Wilhelm IV in Arnsberg und Herdringen. 549 


beichaffenden Kräften arbeiten laffen: und es war in der That binnen kurzer 
Friſt Unglaubliches, Großes geleiftet worden. — Umgeben von feinen nächjten 
Berwandten — darunter der Landtagsmarſchall Graf von Landsberg-Gemen 
und der Graf von Fürftenberg- Stammheim — und einem großen Teile der 
zu dem feltenen Feſte geladenen Ritterfichaft de8 Herzogtums Weitfalen, em— 
pfingen der Graf und feine Gemahlin den König unter dem Hauptportale 
des Scloffes am Wagenfchlage. Se. Majeftät geruhten hierauf der Frau 
Gräfin, welche ihr Patriotismus ausfchlieglih in den mit Diamanten reid) 
befetten preußifchen und bayerifhen Landesfarben erfcheinen ließ, den Arm 
zu reichen, um fie in den Empfangsfaal zu führen. Nachdem Se. Majeftät 
bier die antwefenden Damen begrüßt hatten, zogen Allerhöchſtdieſelben Sich 
gleich dem Prinzen dv. Preußen Königl. Hoheit in die für Sie bejtimmten 
Gemächer auf kurze Zeit zurüd. Demnächſt wurde unter Zeitung des be— 
fannten Dombaumeijters, Regierungs- und Baurats Zwirner aus Köln, das 
von ihm projektierte und ausgeführte neue Schloß von innen wie von außen 
in allen Teilen famt dem dasjelbe umgebenden Park befichtigt.) Das Schloß 
ift tm anglogotifchen Stile don Marmorquadern, melde in der Nähe?) ge- 
brochen worden, erbaut. Gleich wie der Bau felbit in allen Teilen auf das 
Solidefte ausgeführt ift, wetteifern bei der innern Einrihtung die äußerfte 
Bequemlichkeit mit Neihtum und Eleganz. Se. Majeftät ſprachen fich über 
den Bradıtbau in aller Beziehung höchſt befriedigt aus, und ernannten in 
einem aus Herdringen datierten und fofort vollzogenen Patente den Bau— 
meifter Regierungsrat Zwirner in Anerkennung diefer neuen ausgezeichneten 
Leiftung auf dem Gebiete der alten Baufunft zum Geheimen NRegierungsrate. 
Der den Bau leitende Architekt Auguftini wurde zugleich don dem Herrn 
Handelsminijter zum Königl. Baumeijter ernannt. Hierauf geruhten Seine 
Majeftät in dem zwar nur probiforifch, aber ebenfo gejchmadvoll als reich 
und glänzend deforierten Hauptjaale des neuen Schloſſes das Diner einzu- 
nehmen. Es waren 70 Kouverts gededt. Wenn bei demfelben ſchon all 
gemein die freudigite Stimmung berrfchte, fo wurde diefe doch bis zum 
höchſten Enthufiasmus gejteigert, als der Graf von Fürftenberg ſich erhob, 
um Sr. Majejtät feinen ehrfurdhtspollen Dank für die ihm ertwiefene hohe 
Huld des Königl. Bejuches darzubringen, verfichernd, daß er diefen Tag zu 
den unvergeßlichſten, glüdlichjten feines Lebens zählen werde, und dabei die 
Berfammlung einladend, mit ihm in den Ruf von ganz Weſtfalen einzu— 
jtimmen: „Gott fegne, Gott erhalte Se. Majeftät unfern allergnädigjten 
König und Herrn!“ Se. Majejtät, fichtbar ergriffen von diefen aus der Tiefe 
de8 Herzens kommenden Worten, nahmen fofort Shrerjeits das Wort, um 
Ihrem Wirte in ebenfo Herzlichen, al8 gnädigen Worten Ihren Dank für die 
gajtlihe Aufnahme auszudrüden, indem Se. Majeftät zugleich den Wunſch 
beifügten, daß diejer edle Zweig der Fürftenbergfchen Familie in dem neuen, 
feiner würdigen Schloſſe ebenfo viele Jahrhunderte noch fortblühen möge, 
als er in den Schlöffern feiner Bäter bereits geblüht habe. Zugleich forderte 
Se. Majeftät die zahlreihen Gäſte an der Tafel auf, mit Ihm einzuftimmen 


1) Der König foll geäußert haben: „Ein ſolches Schloß kann ich mir 
nicht bauen !” 
») Am Effenberge. 


550 Preußifche Zeit. 


in ein herzliches Hoch auf das Wohl der Familie von Fürftendberg. Und als 
hierauf der Herr Landtagsmarjchall, Graf von Landsberg-Gemen, unter 
jtürmifchem Beifall der Berfammlung, das Wohl Er. Königlichen Hoheit des 
Prinzen don Preußen ausgebradht hatten, nahm der König nochmals das 
Wort, um dem Lande einen Scheidegruß zuzurufen. Sr. Majejtät jagten, 
binnen wenigen Stunden würden Sie diefes ſchöne Land verlafien haben; 
bevor Sie jedoch fchieden, wollten Sie noch einmal trinken auf das Wohl 
und Blühen feiner Stände — Ritterfchaft, Städte und Landgemeinden, ie 
alle follten blühen, gedeihen. Ein braujendes Hoc antwortete diefen hoch— 
berzigen, echt landespäterlihen Worten. Kurz nach aufgehobener Tafel fette 
Sc. Majejtät, nachdem Sie don dem Grafen und der Gräfin von Fürſtenberg 
wie bon allen Anmejenden den freundlichjten, berzlichiten Abjchied genommen 
hatten, Allerhöchitihre Reife über Neheim, woſelbſt Se. Majejtät noch das 
von Ihnen der dortigen Fatholifchen Kirche vor mehreren Jahren gejchentte 
Altarbild befichtigten, Werl und Hamm nach Nehme fort. So endete ein 
Feſt, von welchen noch die fommenden Gefchlechter reden werden. — In dem 
Gefolge Er. Majeftät des Königs befand fi außer Er. Hoheit dem Oberſt— 
lieutenant Herzog Eugen d. Württemberg, Kommandeur des 8. Huſaren— 
Negiments, dem HandelSminifter v. d. Heydt, dem Finanzminiſter v. Bodel— 
jhwingh und dem Regierungspräfidenten v. Bodelfchwingh, dem komman— 
dierenden General v. Schredenjtein und dem Oberpräfidenten db. Ducsberg 
unter Andern auch der preußiiche Bundestagsgefandte Herr von Bismard- 
Schönhauſen. — Es erübrigt ung zum Schluſſe nur noch die Bemerkung, 
daß auf dem ganzen Wege bon Soejt über Arnsberg, Herdringen, Neheim 
und Werl nad Hamm fein Ort liegt — und fei er noch jo klein — der den 
geliebten Herrſcher nicht feitlih gefhmüdt empfangen hätte. Bortreffliches 
warmes Sommerwetter begünjtigte zugleich an beiden Tagen die Feſtfeier. 


Begrühung des Kronprinzen Friedrih Wilhelm, nachmaligen 
Kaiſers Friedrich IIL, 1877. 
Arnsberg, 7. Nov. 1877. 

Geftern Abend punkt 5 Uhr 45 Min. traf Se. Kaijerlic König: 
liche Hoheit, der Kronprinz des Deutſchen Reiches auf dem feftlich ge- 
ſchmückten und prädtig ilfuminierten Bahnhofe ein. Mit braufendem 
Hoch wurde er von den auf dem Perron in langer Front aufgeftellten 
verjchiedenen Vereinen, dem Sriegervereine, Kameradihaftlichen Vereine, 
Gymnafium, der Schütengejellichaft, Vaterländifchen Liedertafel und Con— 
cordia und einer auferordentlid großen Volksmenge begrüßt. Außer 
den befohlenen Spiten der ftädtijchen und Königlichen Behörden, der 
Tatholifchen und evangelifchen Geiftlichkeit und den in Arnsberg Lebenden 
Offizieren von der Reſerve und Landwehr waren im Wartefaale zum 
Empfange Sr. Kaiferlihen Hoheit noch erjchienen vier Damen vom 
Borftande des vaterländifchen Frauenvereind — an der Spike die mit 


) Demnad) ijt auch der erjte deutfche Neichskanzler in Arnsberg geweien. 


Begrüßung d. Sronprinzen Friedrich. Das ftädt. Gemeinwefen. 551 


dem eijernen Verdienftfreuze geſchmückte Fran Oberftantsanwalt Dütjchke, 
in Vertretung der durd Krankheit zu erfcheinen verhinderten erſten 
Vorfteherin Frau Appellationsgerichtspräfident Zweigert — und die von 
allen Dlitgliedern der faiferlihen Familie befanntlih durch Gnade ftets 
ausgezeichnete Frau Gräfin von Yürftenberg zu Herdringen nebft ihrer 
Tochter, der Fran Gräfin von Metternich, wie auc zwei Töchter des 
fönigl. Landrates, Kammerherrn Frhrn. v. Lilien, von welchen die ältejte 
zugleid) zum Vorſtande des vaterländijchen Frauenvereins gehört. Seine 
Kaiſerl. Hoheit war von der Begrüßung der Damen fichtbar auf das 
angenehmfte berührt und geruhte, jowohl von der Frau Dütſchke als 
von der Frau Gräfin von Fürftenberg ein Blumenbougquet anzunehmen. 
Ganz feiner leutjeligen Natur folgend, unterhielt ſich Se. Kaiſerl. Hoheit 
mit jedem längere oder Fürzere Zeit, jowohl mit den diftinguierten 
Damen und Herren als mit dem einfachen Arbeiter, der ſich in der 
langen Front der Vereine befand. Nach halbftündigem Aufenthalte ver- 
ließ Se. Kaiſerl. Hoheit nad) allen Seiten hin freundlid) dankend unter 
donnerndem Hurrah unjere Station, um feine Reife nad Wiesbaden 
fortzufegen, (Central-Volksblatt für den Regierungsbezirk Arnsberg.) 
Se. Majeftät der regierende Kaifer Wilhelm I 

haben Arnsberg bisher nur als Prinz auf einer Durchreiſe nad) Kaffel 
berührt, am 1. Juli 1876. 


Aufblühen des ſtädtiſchen Gemeinwefens.') 
Überfidt. 

Arnsberg hat fich im Laufe des neunzehnten Kahrhunderts zu einer 
Stadt im vollen Sinne de8 Wortes entwidelt. Zwar nit zu einer 
Großftadt; Muſeen, Theater, Konzertfäle ꝛc. fehlen; aber an ſtädtiſchen 
Wohlfahrtseinrichtungen hat es jo viel, als man billiger Weife von 
einer Stadt folhen Umfanges erwarten fann, und gewiß mehr als bie 
meiften Städte gleicher Einwohnerzahl befigen. 

Der Auffhwung Arnsbergs hat ſich in zwei Abjägen vollzogen. 
Den erften Anftoß gab 1816 feine Erhebung zur preußifchen Regierungs- 
Hauptftadt und zum Site vieler anderer Staatsbehörden. Nachdem 
hierauf ein längerer Stilfftand eingetreten war, gab 1870 die Eröffnung 
der Ruhrthalbahn und die Verlegung der Kgl. Mafchinen-Hauptwerkftätte 
nad; Arnsberg einen zweiten mächtigen Anftoß zur äußeren und inneren 
Entwidelung der Stadt. Die nachfolgende Statiftit der Einwohner- 
zahl wird ihr Äußeres Wachstum am beften veranfchaulichen. 


+) Hauptquelle: die Zeitungs- bezw. Veriwaltungsberichte der Bürger: 
meijter, die feit 1882 im Drud erfchienen find. 


552 Preußische Zeit. 


Die Einwohnerzahl betrug: 1802: 1843 (ohne Obereimer); 1808: 
2415 (mit Obereimer); 1816: 2590 (mit Obereimer); 1825: 3130;') 
1835: 3711; 1840: 4120; 1843: 4295;?) 1858: 4516; 1861: 4544; 
1864: 4586; 1867:4612; 1871:?) 4784; 1875: 5490; 1880: 6131 ;*) 
1885: 6737; 1888: 7070; 1890: 7414;°) 1891: 7566; 1893: 7687; 
1894: 7769. 

Infolge der erften Vergrößerung dehnte fi die Stadt mehr nad) 
Süden aus; die Gärten zwijchen dem ehemaligen Klofter Wedinghaufen 
und der Stadt madıten Häufern und Straßen Platz. Durd die zweite 
Erweiterung entftand auf dem Brüdenplat ein neues Stadtviertel. Um 
Arnsbergs Aufblühen haben ſich die Bürgermeifter der Stadt, bejonders 
die legten, große Berdienfte erworben. Ihre Namen find: Hüjer (bis 
1829), von Devivere (bis 1836), Seifjenjhmidt (bi 1842), 
Wulff (biß zum 6. Yan. 1878), Löcke. 


Arnsberg im Jahre 1816. 
(Auszug aus dem Zeitungsberichte des Bürgermeifters Hüfer.) 

Die Stadt Arnsberg mit ihren Umgebungen bat fid) einer gefunden Berg: 
luft zu erfreuen, und nur felten haben fi die in Nachbarorten herrſchenden 
Epidemieen bier verbreiten können. Der Quadjalberei wird durch die Thätigkeit 
zweier rationeller Ärzte und eines gefchidten Wundarztes entgegengetvirkt. 
Auch find zwei geprüfte Hebammen angejftellt. Die Bolizei wird durch eine 
aus dem Stadtlommandanten, dem Juſtizamtmann und dem Stadtfchultheigen 
nebjt Sekretär beitehenden Deputation verivaltet, in deren Wirkungskreis auch das 
Billetierungswefen gehört. Es find zwei Polizeidiener angejtellt, einer für 
die Stadt, einer für die Mark. Die Polizei läßt durch vereidete Taratoren die 
Preife des Brotes, Bieres und Fleifches bejtimmen, forgt für die Löfchanftalten xc. 
Bierteljährlich werden mit Zuziehung bon zwei bereideten Brandmeiftern alle 
Henerjtätten und Böden unterfuht und Nachläſſigkeiten gejtraft. Zugleich 
werden die Spriten und Löfchgeräte revidiert. Uber die Wirtshäufer und 
Schenken wird jtrenge Aufficht geführt. Bettler werden nicht geduldet; durch— 
reifenden Handwerksburſchen wird ein BZehrpfennig aus der Armenkaſſe ver: 
abreicht. Zur Sicherheit der Stadt zichen bei Abweſenheit der Garnifon neun 
Bürger auf die Wache, welde die Poſten am Rathaufe und am Landsberger 
Palais verjehen, zugleich aber zu gewifien Stunden nebjt dem Wächter die 
Patrouillen durch die Straßen machen. Die Wade an dem Sriminalgefängnifie 
berjieht ein aus 34 Mann bejtehendes Kommando vom . . (Lüde) königl. 
Infanterie-Regimente. — Die vor Jahren angefangene Kunſtſtraße, foweit 


. D) Darunter 451 Evangelifche, 4 Juden mit und 29 ohne Staats: 
angehörigkeit. 
2) Darunter 675 Evangelifche, 71 Juden. Wohnhäufer: 382. 


) „ 566 4 87 „ 
9 „ 1202 Pr 118 e 5 Diffidenten. 
5) „1359 r 113 a 2 AUndersgläubige. Wohn: 


häuſer: 620. 


Arnsberg im Jahre 1816, 553 


fie durch den Hiefigen Bezirk führt, ift bis auf eine Lüde von der Klofterbrüde 
bis ans Feld vollendet. Die Kommunilationswege find in fahrbarem Zu— 
ftande. Das Straßenpflafter ijt teil$ neu angelegt, teil® vepariert worden. 
Jeder Einwohner ijt verpflichtet, täglich nad) dem Austreiben des Viehs den 
Borplak dor feinem Haufe und den angrenzenden Teil der Straße zu fegen. 
— In der Stadt befinden fih vier Wirtshäufer für angefchene und 
mehrere für unbemittelte Fremde. Jeder Wirt muß den Nachtzettel der An- 
könimlinge und ihre Päffe abends an die Hauptwache abgeben, von der fie au 
die Polizei eingefchidt werden. In den Gajtzimmern müſſen Preisverzeichnifie 
aushängen. — Das Armenweſen bejorgt eine aus dem Stadtfchultheißen, 
der Pfarrgeiftlichkeit und zwei achtungsmwerthen Bürgern gebildete Kommiſſion, 
die aus einem kleinen Kapitalfonds und monatlichen freiwilligen Beiträgen die 
Notleidenden mit Geld, Naturalien 2c. verjorgt und auch die Ausbildung 
ihrer Kinder befördert. Uber ihre Verwaltung wird jährlich eine Rechnung 
durch den Drud bekannt gemacht. 

Unter den bürgerlihen Gewerben ift das Handwerk der Schufter 
und Schneider in den legten Jahren ſehr gejunfen, weil feit der bor einigen 
Kahren erfolgten Aufhebung der Zünfte jeder unfähige Profeffionift, ohne 
eine Probe feiner Fähigkeit abgelegt zu haben, ald Meijter aufgenommen 
wurde. Übrigens wären in Urnsberg noch nötig einige geſchickte Meifter, als 
Gold: und Silberarbeiter, Kürfchner, Tifchler, Büchſenmacher ze. Der hiefige 
Handel befchränkt fi, abgefehen von dem nad) außen betriebenen Handel 
mit Pottafche, meijtenteil® auf den Verbrauch der Stadt und Umgegend. 
Der Handel mit Manufaktur: und Ellenwaaren ijt aber feit einigen Jahren 
für die hiefigen Kaufleute durch dic Überſchwemmung mit Haufierern fait 
gänzlich verloren gegangen, es fei denn, daß fie ſich durch Reifen mit Mujtern 
noch einigen Abſatz verichaffen. Die Juden haufieren mit ihren Knechten un— 
aufgörli; in den Häufern, treiben im eigenen Haufe allerhand Handel und 
untergraben den Wohljtand anderer folider Bürger. Fabriken entbehrt Arns— 
berg. Es befinden ſich in diefem Gebiete drei Pottafchenficdereien, die durch— 
ſchnittlich 200 Eentner jährlich produzieren. Sodann tjt hier cine Brannt- 
mweindrennerei und eine Eſſigfabrik. — Die Landwirtfchaft ift wegen des 
geringen Umfanges der Feldmark unbedeutend. Jedoch ijt der Boden jehr 
zur Kultur ausgenugt. — Das Gemeindeweſen wird durd) einen Stadt- 
jchultHeiß, einen Sekretär als Gehülfen, und den NRentmeifter, welche bon der 
Regierung bejtimmt werden, ferner vier Gemeinderäte verwaltet. Letztere 
twerden aus der Bürgerjchaft gewählt; jedes Jahr tritt ein Mitglicd ab. Die 
Einnahmen des Ärars bejtehen in den Intraden aus dem 6200 Morgen großen 
Walde, einer großen Weide, mehreren Gemeindegrundjtüden, einer Erbſchaft 
bon etwa 300 Thlen., dem Schul-, Bürger: und Beifaffengeld, der Fifcherei 
und Jagd zc. Dagegen bat die Stadt die Bejoldungen des Schultheißen, 
Schretärs, Förſters, der zivei Stadtdiener, des Auffehers über die Waſſerkunſt, 
der Hirten zu tragen, auch die Eoftjpielige Unterhaltung von 2 Brüden, einer 
Waſſerwehr, die Uferbefeftigung eines Teiles der Ruhr zc. nebjt den Zinſen 
einer Kapitalfchuld von 29244 Thlen. zu deden. Diefe Schuld rührt größten: 
teil8 aus dem ſchwediſchen und fiebenjährigen Kriege her, jedoch tjt diejelbe 
beträchtlich vergrößert worden durch den zweimal erlittenen großen Brand, 
wo das Ärar verpflichtet war, tvegen Ausdehnung des Raumes teure Gärten 


554 Preußifche Zeit. 


zu Hausplägen anzukaufen; durch außerordentliche Beſchädigungen öffentlicher 
Anlagen, dur den Ehauffeeban, durch Kriegsunkoften und durch die Un— 
möglichkeit, das ſich jährlich ergebende Defizit in den drangvollen Zeiten durch 
Umlagen zu deden. Auch bat das Arar feine bejte Antrade, die Afzije von 
Wein, Bier, Branntwein und Frleifch, welche jährlich etwa 700 Thlr. einbrachte, 
verloren. Es bat fi) alfo zwifchen Einnahme und Ausgabe ein großes Miß— 
verhältnis herausgebildet, und das jährliche Defizit Fann nur durch Umlage 
gededt werden. Für diefes Jahr hat die großherz.-heffifhe Regierung auf 
den dom Stadtvorftande eingereichten Voranſchlag wegen vieler befonderer 
Ausgaben nicht allein eine Umlage von 4 Stübern auf jeden Gulden Grund:, 
Bich- und Gewerbejtenerkapital, fondern aud die Aufnahme mehrerer Stapi- 
talien bewilligt.) — Auf die Sittlichkeit der Einwohner haben die legten 
Friegerifchen Jahrzehnte übel eingewirkt, namentlich durch den langen Aufenthalt 
der fremden Herren und ihres Gefolges in der Stadt, wenn auch micht in 
dem Maße, wie anderswo. Es ift zu hoffen, daß der Geiſt, der feit der 
Rettung Deutjchlands wiedererwacht it, auf die Gemüter nach diefer Richtung 
mwohlthuend wirken werde. — Die Steuerzahlung hat nicht den gewünſchten 
Fortgang. Die älteren Rüdjtände aus einer Zeit, wo eine Steuer die andere 
drängte, find bei der herrfchenden Not?) kaum mehr zu erzwingen, und die 
laufenden Rüdjtände ruhen großenteil8 auf der zu hoch gegriffenen Gewerbe— 
jteuer geringer Handwerker und Tagelöhner. — Den katholiſchen Kultus 
berficht ein Pfarrer mit zwei Kaplänen. Für die evangeliſche Gemeinde it 
noch Fein Pfarrer beftimmt. Für den öffentlichen Unterricht ift durch zivei 
fatholifche, eine proteftantifche und eine Eatholifche Mädchenſchule?) geforgt. 
Bei jeder Knabenſchule wirkt ein geprüfter Lehrer, bei der Mädchenfchule zwei 
Lehrerinnen. Kerner bejteht ein Gymnafium mit fünf Lehrern. 


Verdienfte der prenftifchen Regierung um Arnöberg.*) 
Die Stadterweiterung. 

Durch Kabinetsordre vom 9. Mai 1817 bewilligte König Friedrich 
Wilhelm II, um dem Mangel an Wohnungen für die nad) Arnsberg 
verjegten Beamten abzuhelfen, aus ftaatlihen Mitteln erheblihe Bau— 
hülfsgelder. Es wurde nämlich beftimmt, daß jeder Bauende für ein 
nenes8 Haus im Jahre 1819 30%,, in den Jahren 1820 und 1821 
20%, der Baufoften vergütet erhalten follte; für ſolche Häuſer, die zu 
Wohnungen bloß umgebaut würden, follte die Hälfte der bezeichneten 
Prozente erjegt werden. Es wurde aber ausbedungen, daß ein neues 
Haus an der Straße gelegen fei, wenigftens eine 40° lange Front befige, 
zwei Stod hoch gebaut werde, maſſive Umfaſſungsmauern habe und 
ein Steindach erhalte. 


1) Die Hefjifche Regierung übte, wie hier bemerkt werden mag, eine 
bis ins Eleinfte gehende Bevormundung der Kommunen. 

2) Bol. u. 3. Jahre 1816, 

2) Wohl erjt feit 1791. 

*) Nach den Akten der Kgl. Regierung. 


Stadtvergrößerung um 1820. Eichholz. 555 


Der Bauplan für Neu-Arnsberg wurde am 8. Auguft 1817 ein- 
gereicht. Die geplante Anlage eines „neuen Marktes" fand nicht den 
Beifall der Stadtvertretung, hauptſächlich wohl deshalb, weil die Stadt 
die Koften des Grunderwerbes für alle Straßen zu tragen hatte, Die 
fi) allein für das Jahr 1820 auf 9530 Thlr. beliefen. Schließlich 
wurde zugeftanden, die Breite des Marktes auf 200° (ftatt 288% ein- 
zufchränfen. Für die evangelifche Kirche (S. 515) war urſprünglich 
die Mitte des Marktes als Standort auserjehen. Der Abbruch der 
Stadtmauern, foweit fie entfernt werden mußten, die Entfernung der 
Heden ꝛc., das Planieren und Pflaftern der Wege, alles verurjacdhte 
einen bedeutenden Aufwand von Zeit und Koften. Die obere und 
untere Königsftraße, die Klofterftraße, Hotel Linhoff (Hufemanı), das 
Kafino,?) die älteften Häufer auf dem Brücdenplage (Bauplan vom 
6. Juli 1821) find in den Jahren 1819 und 1822 mit Staatsbeihilfe 
errichtet worden. Bis zum 22. März 1829 waren für 34 maffive 
Häufer im Werte von ca. 300 000 Thlrn. 90 013 Thlr. 9 Sur. 11 Pf. 
Unterftügungsgelder gezahlt worden. Bis zum Jahre 1831 kamen 
nod 21 Häufer Hinzu. 


Das Eihholz, der Schlofberg. 

Das Eichholz, ein alter Klofterbefik (S. 27), war durd) bie 
Eäfularifation fisfalifch geworden. Ein großherzoglidhes NReffript vom 
16. Aug. 1813 beftimmte, die Promenade, der Kloftergarten und das 
daran anftoßende Wäldchen follten nidt nur erhalten, fondern nad) 
Umftänden aud) verfchönert werden. Aber wenngleich zu diefem Zwecke 
300 Thlr. in den Etat eingejettt wurden, jo gejhah doch infolge der 
politiſchen Verwidelungen für die Anlagen nichts. Auf die Klage des 
preußiſchen Regierungspräfidenten von Bernuth, daß bei Arusberg be- 
queme Spaziergänge fehlten, in denen man fid) nad) des Tages Schweiß 
und Mühe erholen Fönne, jchickte der Dberpräfident von Vincke den 
Hofgärtner Haas herüber, der einen oberflächlichen Plan zur Umwand— 
lung des Eichholzes in einen Park entwarf und ungefäumt zur Aus» 
führung feiner flüchtig ffizzierten Ideen ſchritt. Es wurden zur erjten 
Anlage 2374 Thlr. aufgewendet. Am 21. Febr. 1821 wurde cine 
Promenaden-Deputation unter v. Bernuths Vorſitz gebildet (v. Weichs, 
Liebrecht, v. Schwarzfoppen, Efjer) und dieſer die Oberaufſicht über 
ı) Die Gefellfchaft ijt geftiftet am 27. Oktober 1818. Älteſte gedrudte 
Sakungen vom 13. Sept. 1820. Einweihung des neuen Gebäudes 1. Nov. 


1820. Juriſtiſche Perſon jeit 12. Aug. 1832. Koſten des Gebäudes mit Ein— 
tihtung, Garten und Kegelbahn 29 177 Thlr. 


556 Preufifche Zeit. 


das Wäldchen übertragen. Das Sommerhäushen auf dem Klofterberge 
war 1814 an ben großherzogl. Pandbaumeifter Plaßmann vermietet. 
Nachdem deſſen Pacht 1821 abgelaufen war, wurde es der erwähnten 
Deputation gegen cine jährlide Miete von 40 Thalern überwiejen. 
Diefe überließ die Wohnung dem Promenadenaufjcher. Erſt 1842 
wurde das Häuschen durch KabinetSordre der Deputation zur freien 
und umentgeltlihen Benutung und zwar zur Wohnung für den Wärter 
übergeben. Die Unterhaltungfoften der Anlagen jollten aus den Er- 
trägen des Holzeinſchlages beftritten werden. Die Dedung entjtehender 
Mehrkoften machte immer Schwierigkeiten, bis angeordnet wurde, daß 
das Eihholz und der Klever Park aus einer Kaffe unterhalten werden 
jollten. Der Eingang zum Eichholze wurde durch das von Hirſchberg 
herübergebrachte Thor verſchönert (S 403). Eine zweite Fleinere An: 
lage jchuf die Negierung durd Planierung und Bepflanzung des im 
Schutte liegenden Schloßberges, dank der unmittelbaren Anregung des 
preußiſchen Kronprinzen, der ihn 1817 bejuchte. 


Der Stabtvorftand und die Gemeindevertretung. Städtiſche 
Kommiffionen und ſtädtiſche Beamte. 

Am 26. Januar 1836 wurde in Arnsberg die revidierte Städte: 
ordnung eingeführt. Der ftädtiiche Magiftrat, mit dem Bürgermeifter 
an der Spike, beftcht aus ſechs auf 12 reſp. 6 Jahre gewählten Mit: 
gliedern. Das Stadtverorduetenkollegium, mit dem Stadtverordneten- 
vorficher an der Spite, zählt 18 Mitglieder.) Die Thätigkeit diejer 
den Borftand und die Vertretung bildenden Kollegien wird ergänzt und 
unterjtügt durd eine Anzahl von Kommiffionen für beftimmte Zweige 
der ftädtifhen Verwaltung, in denen der Bürgermeifter oder ein von 
ihm ernanntes Magiftratsmitglied den Vorfig hat. Als ftädtifche Be— 
amte und Angeftellte fungieren außer dem Bürgermeifter 1 Stadtjefretär, 
1 Stadtrentmeifter, 1 Stadtbaumeifter, 1 Sparkaffenrendant, 1 Ober: 
förfter, 1 Förfter, 1 Waldwärter, 1 Polizeifommiffar, 3 Polizeijerge: 
anten, 3 Nachtwächter, 1 Flurſchütz, 1 Wafferwerts-Majchinenmeifter, ein 
Schlachthaus-Inſpektor, 1 Schlahthauswärter, 1 Gasmeiſter, 1 Fried» 
hofsaufjeher, 1 Aichmeifter, 2 Hirten und 1 Vorarbeiter. 


Zum Stadthaushalt. 
Die Schulden („Paſſivkapitalien“) der Stadt betrugen 1756: 5180 
Thaler, 1763: 16216 Thlr., 1816: 29244 Thlr., 1835: 52 692 Thlr. 


1) 1836 wurden zu Stadtverordneten gewählt: Linhoff, Nettler, Tilmann, 
Dröge, Zumbroich, Reufch, Ulrich, Müller, Arndts, von der Mark, Dach, Greve, 
Coſack, E. Schumacher, Reiter, Schneider, Feislachen, Finde. 





Städtiiche Behörden. Stadihaushalt. Stadtwald. 557 


18 Sgr., 1844: 46218 Thlr. 22 Spr., 1858: 44 485 Thlr. 20 Sgr., 
1864: 47393 Thlr. 28 Sgr., 1871: 41860 Thlr., 1872: 60530 
Thaler, 1875: 199 168 Marf (8425 ME. Zinfen), 1884/85: 421 477 
Darf, 1893/94: 395 963,76 DIE. 

Den Bafjivfapitalien ſtehen Aftivfapitalien gegenüber, die aus den 
Nentenablöfungen, Sparfaffenüberfhüffen 2c. entftanden find. Sie be— 
trugen 1867: 22870 Thlr., 1889/90 : 266 689 Mk., 1893,94: 379 748 
Marf. Das Gefamtvermögen der Stadt (Grundftüde, Wald, Gebäude, 
Kapitalien) wird im Magiftratsberichte von 1893/94 auf 1582 451,30 
Mark beredinet, jo daß nad) Abzug der Schulden ein Plus von 
1 186 487,54 ME. bleibt. 

Das Kommunaldefizit betrug 1844: 3005 Thlr., 1858: 5848 
Thaler, 1864: 7455 Thlr., 1870: 8132 Thlr., 1881/82: 32781 ME., 
1893/94: 55195 Marf. Die Kommumaljtener betrug 1881,82 94 9), 
der Klaſſen- und Einfommenfteuer, 1882/83: 114 %,, 1883/84: 88 %,, 
1884/85: 100 %,, 1892/93: 120 %, 1893/94: 100 %,. Über die 
früheren Jahre fehlen die Zahlenangaben. 

Die Ausgaben der Stadtkaſſe betrugen 1836: 9852 Thlr., 1844: 
10794 Thlr., 1858: 21991 Thlr., 1870: 24791 Thlr., 1880/81: 
79 957 Mk., 1882/83: 113670 Mk., 1888/89: 183 620 Mk., 1893194: 
219 012 Mk., wobei zu berüdfichtigen ift, daß die großen Aufwendungen 
für Schulzwede in diefen Zahlen nicht miteinbegriffen find. 


Städtifche8 Vermögen und ftädtifche Gerechtſame. 
Der Wald. Die Jagdgerechtſame. 

Durch Geſetz vom 21. Dez. 1816 wurde die Oberauffidht der 
Staatsbehörden über die Gemeindewaldungen angeordnet. Ein Regulativ 
der Kgl. Regierung zu Arnsberg vom 2. Nov. 1827 rief das Inſtitut 
der Kommiunal-Oberförfter!) ins Leben. Inter dem 2. Auguft 1834 
wurde ein vom Kommunal-Oberförſter Barkow aufgeftellter Wirtjchaftg- 
plan für den Arnsberger Etadtwald genehmigt, der 6 Perioden von je 
20 Fahren, aljo 120 Yahre umfaßt. Im Jahre 1862 wurde jedod) 
ein neuer Plan auf Grund einer fataftermäßigen Aufnahıne aufgefteltt, 
dann wieder 1879 für 20 Yahre. 

Das Ausjehen des Arnsberger Stadtwaldes, den ein höherer 
Forſtbeamter als einen „Muſterwald“ bezeichnet haben ſoll, ift in 
neuerer Zeit nicht wenig dadurch gehoben worden, daß der Wald von 


1) Der 8.-Oberförjter zu Arnsberg verwaltet die Gemeindewaldungen des 
Kreiſes Arnsberg, außer Amt Warftein, fowie die der Streife Iſerlohn (außer 
Iſerlohn) und Soeft. 


558 Preußische Zeit. 


jeglicher Hude befreit worden ift. Der Betrieb der Schweinemaft, 
ihon frühzeitig eingejchränft (j. u.), hat feit etwa 30 Jahren gänzlid 
aufgehört. Auch Rinder werden nicht mehr in den Wald getrieben. 
Am ftörendften war die uralte Hudegerechtjame, die Wedinghaufen im 
Stadtwalde und an den Waldemeinen hatte (S. 84). Diefe ging an 
den Fiskus über, der fie mit den Hauptgrundjtüden des Kloſters in 
Arnsberg an den Grafen von Fürftenberg verkaufte. Durch Vertrag 
vom 5. Juli 1861 wurde endlid die Gerechtſame durh eine Summe 
von 1000 Thlrn. feitens der Stadt abgelöft. Gleichzeitig verzichtete 
die Stadt auf die an den Wedinghäufer Grundftüden haftenden 
ſtädtiſchen Gerechtſamen. Der Graf geftattete jedoch die Winterhude der 
ftädtiichen Schafe auf diefen Grundftüden und gab zwei Zriftwege 
(Heinenfamp, Kluſe) über diejelben frei. Die Stadt madte die Hubden 
im Intereſſe des Waldes nicht weiter ventabel, nur die den Wald nicht 
berührende Schafhude auf der ſtädtiſchen Feldmark und den von Fürjten- 
berg’jchen Grunmdftücden wurde und wird gegen einen jährliden Zins 
von 500—800 ME. verpachtet. 

Die Einnahmen aus dem Walde find natürlich ſchwankend. Im 
Jahre 1881/82 wurden eingenommen 1) für verfauftes Holz und 
Nebennugungen 25 695,11 ME., 2) an Forftitrafen 53,10 DIE. ꝛc., zu: 
jammen 25 748,51 Mk. Ausgegeben wurden an Verwaltungs: und 
Kulturfoften wie an Hauerlohn 9113,97 Mk. Reinertrag: 16 634,54 ME., 
bei 6000 Morgen 2,77 ME. pro Morgen. 1890/91 betrug der Rein: 
ertrag 23 659,56 ME, 16,61 Mk. pro Hektar, da der Wald 1424 ha 
groß ift; 1893/94 jogar 40 774 ME. 

Die Jagd ftand im ftädtiihen Walde früher dem Kgl. Fisfus 
al8 Erben der Erzbifhöfe von Köln zu (vgl. ©. 306), die niedere 
Jagd in der Feldmarf mit einigen Einfchränfungen der Stadt. Nach dem 
Grundjage des Yagdpolizeigefeges vom 7. März 1850, daß das Jagd— 
recht ein Ausflug des Eigentums fei, fiel die Jagd im Stadtwalde der 
Stadt zu und bildet als eim (über 300 Morgen großer) zujammen- 
hängender Komplex bezüglid) der Ausübung einen gejchloffenen Jagd» 
bezirk. Die Grundftüde der Feldmark dagegen, die jene Größe im 
einzelnen nicht erreichen, bilden infolge des erwähnten Geſetzes einen 
gemeinſchaftlichen Jagdbezirk, rückſichtlich deſſen die einzelnen Beſitzer 
durch die Gemeindebehörde vertreten werden. Dieſe verpachtet periodiſch 
beide Jagdbezirke; der Ertrag aus der erſten (im Jahre 1858: 55 Thlr. 
1892: 400 ME.) fließt in die Stadtkaffe, die Pacht aus dem zweiten 
floß nad) der im Jahre 1851 gegebenen Zuftimmung jämtlicher be- 
teiligten Grundbefiger dem Marienhofpitale zu, abgejehen von einer 


Städtifche Gerechtfame. Jagd. Hude. 559 


fleinen fisfalischen Parzelle (Alte Burg); ſpäter beſchloß man, dieje 
Gelder zum Ausbau der Feldwege in der ftädtiichen Mark zu verwenden. 
Dieje Jagd wird in drei Abteilungen verpachtet. 


Die Hudegeredtjame.!) 

Seit den älteften Zeiten wurden in Arnsberg zwei Nindvich- 
herden gebildet, eine „obere“ für die Altjtadt, eine „untere für die 
Neuftadt. Die untere Herde hatte ihre Hude im Stadtwalde und anf 
der ſtädtiſchen Feldmark (vgl. S. 87); die obere dagegen in mehreren 
benachbarten Waldmarfen. Im Yahre 1858 zählte die obere Herde 67, 
die untere 74 Stüd. Früher find die Herden viel größer geweſen, 
infolge von Verarmung waren viele Einwohner dazır übergegangen, ſich 
eine Ziege zu halten. Die Ziegenherde, 1858 100 Stüd zählend, hatte 
ihre Hude, wie im bejchränften Umfange noch heute, auf den Fahlen 
und fteilen Ufern des Stadtbruches (Haar). Außerdem wurde 1858 
auch noch eine Schweineherde gebildet, die aber nicht mehr, wie früher, 
zur „Fratmaſt“ in die Wälder getrieben wurde, jondern ſich mit dein 
mageren Futter an Schumadersfopf und mit der Nachhude in der 
Feldmark begnügen mußte. — Um zu der oben angedeuteten Geredht- 
jame zurüdzufehren, jo durfte die Stadt die fisfalifchen Anteile der 
ÜUntroper, Körbeder, Deleder und Niedereimer Darf mit 185 Stüd 
Nindvieh in der Zeit vom 15. April bis zum 15. Oftober betreiben. 
Im Jahre 1859 trug der Fisfus auf Ablöfung diejer Hude bei der 
Generalfommijfion in Münfter an. Die Stadt wollte fi nicht mit 
einer Geldabfindung begnügen, fondern beanſpruchte eine Naturalent- 
ihädigung. Das Revifionskolfegium für Landeskulturſachen entſchied 
jedoch am 19. März 1869 in zweiter Inſtanz, daß die zunächſt allein 
beantragte Ablöſung der ſtädtiſchen Hudegerechtigkeit in der Üntroper 
Mark in Geld erfolgen folle, und zwar folle die Rente 126 Thaler 
jährlich betragen. Hierauf verftand fi die Stadt bezüglich fämtlicher 
Huden im fisfalifhen Gebiete zu einem Vergleiche (26. Yuli 1869), 
daß 1. die bezügliche Hude der Stadt Arnsberg mit dem 1. Januar 
1870 aufhören, 2. die Stadt eine Gejamtabfindung von 3875 Thlrn. 
erhalten ſolle. Alsdann beſchloß die Stabtbehörde, die gewonnenen 
Gelder zur Erwerbung einer für beide Herden gemeinjamen Hude zu 
verwenden. Am geeignetften erſchien das Terrain in den Walpfediftriften, 
und die Stadt hat denn aud ihren dortigen Befig an Weidegründen 
durch Ankauf angrenzender Stüde zu einer großen Nindviehweide arron- 


» Aus diefem Kapitel find die Abſchnitte IT in Teil I und IV in 
Teil II in etwa zu ergänzen. 


560 .- zreußiſche Zeit. 


diert. Diefe Hude wurde 1893/94 mit 84 Kühen betrieben und brachte 
eine Einnahme von 1116 Me. 


Die Fiſchereigerechtſame. 

Die Fiihereigerehtjame der Stadt (vgl. S. 305) erjtredt ſich auf 
der Ruhr von der alten Üntroper Fuhrt bis nach Obereimer hin zu 
der Stelle, wo ehemals die Brüde geftanden hat (S. 387). Die Ficherei 
ift auf der oberen Strede bis zum Kellerchen abwärts und auf der 
unteren bis zum Walpfebad) aufwärts mit Kgl. Fiskus gemeinjam, der 
den oberen Teil an Frhrn. von Weichs abgetreten hat. Andere Eleinere 
Einjhränfungen übergehen wir. Die Fijcherei auf der Walpfe ift vom 
Urjprung bis zur Brüde am Eifenberge ftädtifh. Die Gerechtſame 
wird auf ſechs Jahre ganz oder in Abteilungen verpadtet. Pachtbetrag 
160 Marf (1892/93). 


Städtifche Gebände, Strafen, Wege und Anlagen, Wohlfahrts: 
einrichtungen. 
Städtifhe Gebäude Die alten Türme. 

Die jtädtiihen Gebäude find teils ſehr alten, teils jehr jungen 
Urjprungs. Zu diefen gehören die Gasanftalt, das Schlachthaus, die 
Desinfektionsanftalt, die Pumpftation ꝛc., über die weiter unten zu 
forehen if. Wir werfen hier einen Blick auf die alten Gebäude. 
Das Nathaus ift in den 40er Jahren umgebaut und gleichzeitig 
das ehemalige ftändiihe Ardivgebäude von der Stadt angeworben 
und mit jenem verbunden worden. Bon den alten Befeftigungstürmen 
ftehen noch und find im Befige der Stadt: der Glodenturm, das alte 
Wahrzeichen der Etadt, auf dem noch immer feit uralter Zeit auf Grund 
einer Stiftung im Winter vom 1. Sonntage im Oftober bis Dftern 
8 Uhr abends und 4 Uhr morgens geläutet wird. Die Stiftungsurfunde 
ift wohl in einem Brande untergegangen. Der Limpsturn hat längere 
Zeit als Stadtgefängnis gedient, bis ein foldes im Rathauſe ein- 
gerichtet worden ift. Die Stadt hat diefen Turm wie auch jet den 
fogenannten Grünen Turm früher verfauft (letzteren 1854 um 45 Athlr.), 
aber im letter Zeit zurüderworben. Zum Glüde, denn fonft möchte es 
diefen alten Zeugen der Vergangenheit einft ebenſo ergehen wie es 
fürzlic dem Honfampsturm ergangen ift, der auf S. 80 noch unter 
den erhaltenen Türmen aufgezählt ift, jet aber ſchon durd ein 
modernes Edgebäubde erjegt ift. Aus der von mir in der Preſſe ausführ- 
lich behandelten Geſchichte des Turmes hebe ich folgende8 hervor. 
Der aus der zweiten Befeſtigung ſtammende Bau hieß früher der Grüne 
Turm und hat vordem als Gefängnis gedient. Denn als im Jahre 


Honkampsturm. Brüden. 561 


1642 der Kurfürft befahl, alle der Zauberei verdädhtigen Perfonen 
aus der Stadt Arnsberg zu verweilen, wurden gleichzeitig alle, 
welche ſolche Perjonen im ihren Häufern behalten würden, mit 
„Anhaltung des gronen Torns“ bedroht. Im Jahre 1745 überließ 
ihn die Stadt dem Furfürftl. Landpfennigmeifter Honkamp, der 
damal8 im nächjter Nähe des Turmes ein prachtvolles Gebäude 
(jet Bezirfsausfhug, früher Hauptfteneramt) errichtet hatte und den 
Turm zu erwerben fuchte, um ihn durch einen Überbau über die Apoftel- 
ftraße mit feinem Wohnhaufe zu verbinden und von feinen Fenftern 
die Ausfiht auf die unten liegenden Gärten zu genießen. Die Stadt 
übergab dem Furfürftl. Rat den Turm nit als Eigentum, fondern ver- 
pflichtete ihm und jeine Nachkommen, ihn „der Stadt zur Zierde" 
(pro decore urbis) zu unterhalten, widrigenfall8 die alte Warte ohne 
weiteres in das Eigentum der Stadt zurüdfallen jollte.e Das Anwejen 
Honfamps ging mit dem Zurme im Yahre 1765 auf feinen Vetter 
Mar Honfamp über, der 1786 ſtarb. Nunmehr folgten Erbjtreitigfeiten, 
die damit endigten, daß das Befistum 1792 der Theodora Dröge, geb. 
Amede, Witwe des Landſchreibers Dröge, zufallen jollte.e (Mar Honkamp 
hatte eine Dröge zur Frau gehabt.) Als Theodora Dröge, für die Erfüllung 
des Vertrages fürdtend, am 13. Dezember 1793 formell von Honfamps 
Erbe Befig ergriff durd Schließen und Wiederöffnen der Hausthür, 
Niederfiten auf einem Stuhle zc., wurde aud) ein Stein aus dem Turme 
ausgejchnitten. Bei der Stadterweiterung 1820 follte Tetterer anfänglich 
fallen, er hat fie aber überdauert. Er blieb biß 1845 im Befite der 
Familie Dröge und wurde für die nächſten Eigentümer gerade feine 
Quelle des Segens. Als er 1895 abgebrochen werden follte, fonnte die 
Stadt es nicht hindern, fie war ihres Eigentumes durd Verjährung 
längft verluftig gegangen. Auch die allgemeinen Baupolizeibeftimmungen 
fonnten den Turm nicht ſchützen, und fo ift er gefallen al3 letter Turm 
der ehemaligen zweiten Stadt Arnsberg. 
. Die ftädbtifhen Brüden. 

Die Unterhaltung der Klofterbrüde Tiegt der Stadt allein ob. 
Die Brüde war bei Anlage der fogen. Beverunger Landſtraße um 1820 
faft neu gebaut und bedeutend erhöht. Die Unterhaltung diefer hölzernen 
Brüde verurjachte viele Unkojten. Im Jahre 1869 wurde eine fteinerne 
Brüde für 23647 Thlr. gebaut. Die Kämpferhöhe der Strompfeiler 
entipricht dem höchſten Wafferftande von 1854. — Bezüglich der Jäger— 
brüde hatte Fisfus die Verpflichtung, alles zu Reparaturen nötige Holz 
gejchnitten zu liefern, während die Stadt die Koften der Arbeit beftreiten 
mußte. 1851 ging man den Vergleih ein, es follte eine fteinerne 
Foaur, Geſchichte Arnsbergs. 36 


562 Preußifche Zeit. 


Brücke gebaut werden, und Fiskus follte *,, die Stadt !/, der Koften 
zu tragen haben, auch bei jpäter notwendig werdenden Meparaturen oder 
Neubauten. Ende 1853 war die neue Brüde fertig (Roften: 13 114 
Thaler). Beim Baue ftellte man Nadgrabungen nad der alten (Sa- 
lentins⸗) Brüde (S. 204) an und fand die Spundpfähle des einen linl3- 
feitigen Pfeilers, 4—5’ lang, mit eifernen Schuhen. Bergl. die Fluten 
1619 (S. 333) und 1643 (S. 357). 
Kommunilationswege. 

An öffentlichen Kommunifationswegen hat die Stadt zu unter: 
halten die verlaffene Staatsſtraße nad) Rumbeck über die Haar, den 
Weg nad) Hellefeld über den Didenbrud, den Weg nad Wenniglohe, den 
Weg nad Obereimer. — Als Forfttraßen werden aus dem Kulturfonds 
der ftäbtifhen Waldungen unterhalten die Wege am Stodumer und 
Hellefelder Bach ꝛc. Am 1. Juni 1882 wurde der neu ausgebaute 
Berbindungsweg zwijchen Arnsberg und Wenniglohe (Seufzerthal) dem 
Verkehr übergeben. Die Koften der Herftellung betrugen 10 996 Marf. 

Wir fließen hieran eine Überficht der Landftrafen, die zwar nicht 
von der Stadt unterhalten werden, aber diejelbe berühren oder in ihrer 
Nähe verlaufen. 

Runjtftraßen. 

Die älteften Kunftftraßen oder Chauffeen des Herzogtums find in 
heififcher Zeit angelegt worden. Im Jahre 1806 wurde mit der Straße 
durch das Ruhrthal von Werl und Menden nad Voßwinkel, Neheim, 
Arnsberg, Rumbed, Freienohl, Brilon, Marsberg begonnen (Beverunger 
Straße). Im Jahre 1847 wurde die Strede Arnsberg -Rumbed auf- 
gegeben und ihre Unterhaltung den Gemeinden überlaffen, durch deren 
Feldmark fie führt; dagegen wurde eine neue Straße über üntrop 
angelegt, wohin bis dahin Fein ordentlicher Fahrweg führte. Um 1810 
wurden die Straßen durch das Röhrthal umd von Mefchede nah Es— 
lohe ausgebaut. Zur Anlage der Soefter EChaufjee (1825 —1833) zahlte 
die Stadt Arnsberg 15000 Rthlr. als Beitrag, zur Wanneftraße (1833) 
429 Thlr. An dem alten Wege nad) Soeft fteht noch das gen. „ZTollpöftfen“ 
d. i. Zollpoften, ein Feines, jett zur Feldfapelfe ausgebautes Häuschen, wo 
vordem der Wegezoll erhoben wurde. Im Jahre 1643 vereinbarten die 
Städte Arnsberg und Soeft, gegenfeitig auf diefen Zoll zu verzichten. 
Die Straße von Hachen nad Hövel wurde 1840, die Hönneftraße 1841 
ausgebaut, die Möhneftraße 1853, die Straße von Olpe über Hellefeld 
nad) Sundern 1855. Ein hauffierter Weg von Arnsberg nad) Sundern, 
welcher das Hinterland aufjchliegen fol, ift im Plan; ebenjo eine Klein- 
bahn Arnsberg - Hüften - Neheim. 


Wege. Kunftitraßen. Friedhof. Gasanſtalt ꝛc. 563 


Der Friedhof. 

Der Friedhof, früher vor der Kirche gelegen, wurde 1805 an 
feinen jetzigen Plat verlegt; er ift zuerft 1843 umd dann wieder 1884 
erheblich vergrößert worden. Derjelbe wird von beiden chriſtlichen Kon- 
feſſionen benutt fowie von den Gemeinden Untrop und Breitenbruch; bis 
1858 war er aud) Begräbnisplaß der zur jegigen Pfarrei Rumbeck gehörigen 
Dörfer. Die Unterhaltungsfoften werben zur Zeit aus den Erbbegräb- 
niffen beftritten. Im Jahre 1890 wurde eine Begräbnis⸗Ordnung ein- 
geführt und ein Friedhofsaufjeher bejtellt. 


Straßenpflafter. Bürgerjteige. 

Für die Herftellung und Unterhaltung eines guten Pflafters werden 
altjährlich bedeutende Summen aufgewendet, wenngleih ein großer Teil 
der Straßenzüge als Provinzialftraße von der Provinz imftande gehalten 
wird. Am 16. Februar 1882 wurde ein Ortsjtatut betreffend Anlage 
von Bürgerfteigen erlafjen und bereit3 im Sommer desſelben Jahres das 
erfte Trottoir auf der Klofterftraße aus Tudorfer Steinen für 604,39 ME. 
angelegt. Seitdem find allmählich alle breiten Straßen der Stadt mit 
Bürgerfteigen verjehen worden. Als Material haben bald Tudorfer, bald 
Rarshafener Kopffteine, bald Gementbeton, bald Cementplatten gedient. 


Straßenbeleudtung. Gasanſtalt. 

Die erfte Straßenbeleuchtung mit großen, unpraftiichen Laternen 
wurde wohl ſchon in heſſiſcher Zeit eingerichtet. Im Jahre 1837 wurde 
ein neuer Beleuchtungsapparat aus Köln bezogen, der bi8 Einrichtung 
der Gasbeleuchtung bejtanden hat. Ollaternen — 1858 waren bier 
im ganzen 39 vorhanden — jchwebten über ber Mitte der Straßen 
an Ketten, an denen fie zur Bedienung herbewegt werden Fonnten. 
Im Jahre 1868 entſchloß man fi zum Bau einer Gasanftalt, die 
am 31. Dezember dem Betriebe übergeben wurde. Die Herftellungs- 
foften beliefen fi auf 28408 Thlr. Die Zahl der von ihr gejpeiften 
Straßenlaternen betrug 1894: 105, die Zahl der angejchloffenen Häufer 
152 (1894). Die Verwaltung der Anftalt bejorgte anfangs eine Kom: 
miffion, jett der Magijtrat. 


Die Wafferverforgung. Das Waſſerwerk. 

Wie früher (S. 308) erwähnt, wurde vordbem das Waſſer der 
Ruhr durch ein Wafferdrucdwerk in der Nähe der Menge’schen Wirt- 
ſchaft zur Höhe der Altftadt in ein Hauptbaffin, „der Handftein" (Be- 
merfung des Bürgermeifterd Wulff) genannt, hinaufgeleitet. Die Spuren 
des Waffergrabens, welcher dies Werk fpeifte und trieb, find noch heute 

36* 


564 Preußifche Zeit. 


zu jehen. Die Unterhaltung des Wehres und der Wafjerkunft erforderte 
nicht geringe Koften; zuweilen wurde bdiefelbe gänzlich erneuert, 3. B. 
1655. Ein zweites Hauptbaffin, welches von diefer Leitung gejpeift 
wurde, war auf dem Marfte. Hier ließ Mar Friedrich den Spring- 
brunnen anlegen, wie ©. 457 erzählt if. Erſt in preußifcher Zeit 
leitete man Quellwaſſer hierhin. Mit einem Koftenaufwande von 
über 10 000 Thlen., einer damals faft unerſchwinglichen Summe, legte 
man diefe Yeitung an, und am 29. April 1826 jprang zum erjten 
Male Quellwaffer aus der Fontaine am Markte. Im „Königsbrunnen“ 
wurde bie gejunde Quelle „Doktor Quall“ an der Wiggenjheid ge- 
fangen und diefem Brummen auch die Quellen der Gosmecke zugeführt. 
Das Haupt und Sammelbaffin wurde in ein zu diefem Zwecke erbautes 
Gewölbe mit hölzerner Bütte verlegt und von diefem eine Abzweigung 
nad der Soejterftraße und eine andere nah dem alten Bajjin am 
Nathaufe angelegt, von wo wieder zwei Ableitungen das Wafler zu den 
Baffins (hölzernen Bütten, erft jpäter fteinerne Aefervoird mit Pumpen) 
an der Ede der Steinwegjtraße und auf der Apotheferftraße führten. 
Im Jahre 1846 trieb man, da die Wafferzufuhr nicht mehr ausreichte, 
einen Wafferftollen in die Wiggenfheid und führte das in ihm ge 
wonnene Wafjer in den Königsbrunnen. Da auch diefe und andere 
Erweiterungen nicht genügten, jo ftellte man 1867 Bohrverſuche in der 
Stadt an, die zur Anlage von Brunnen mit Pumpen führten. Da 
trog allem dem Bedürfniffe in der wafferarmen Jahreszeit nicht genügt 
war, jo ließ man 1872 den Geologen Glid fommen, Die von diejem 
gemuteten Quellen waren nicht jo ergiebig wie man erwartet hatte. 
1875 legte man deshalb neben der alten Wafferleitung eine neue an 
für 21 300 ME, das Waffer wurde gleichfalld in der Wiggenjceid 
gewonnen und in Stollen aufgefangen. Die vereinigten Leitungen jollten 
in der trodenen Jahreszeit der Stadt etwa 5—600 Ohm Waſſer in 
24 Stunden zuführen. Die Leitung wurde auf den höchſten Pumft 
der Altftadt geführt, um auch hier einen Schöpfbrunnen anlegen zu 
können, und die Zahl der Schöpfftellen auf zehn vermehrt. Außerdem 
waren mit der Zeit zehn öffentliche Brunnen gebohrt, und es ſchien jett 
allen Bedürfniffen Genüge geleiftet. Im November 1879 wurde ein 
großes Stüd der alten Wafjerleitung durch Bergrutſch zerftört. Sie 
wurde erneuert. Für die ftarf zunehmende Einwohnerzahl der ſich 
immer weiter ausdehnenden Stadt genügte bald das zugeführte Waſſer 
nit mehr. Der Magiftrat ließ nun im Nuhrthale erbohrtes Wafjer 
von Prof. König unterſuchen, und da das Ergebnis günjtig war, jo 
wurde 1884 zur Anlage des neuen ftädtiihen Waſſerwerkes ge 


Wafferwerf. Schlachthaus. Hofpital. 565 


Ichritten, welches das Waffer 57 m od in einen auf dem Scloßberge 
angelegten Hochbehälter treibt. Zwei Majchinen von je 8,5 Pferdefraft 
heben das Waffer, jede fördert 300 cbm in 10 Stunden. In denſelben 
Hochbehälter wurde auch das Wafjer aus den alten Leitungen geführt, 
nachdem biejelben verbeffert waren. Ein Straßenrohrneg verteilt das 
Waffer in die Häufer der Stadt. Anlagefoften: rund 150 000 Mark. 


Schlachthaus. 

Das durch Gemeindebeſchluß vom 23. Februar 1888 feſtgeſetzte 
Projekt eines öffentlichen Schlachthauſes wurde im Sommer 1888 zur 
Ausführung gebracht. Eine im Magiſtratsbericht von 1888/89 ver— 
öffentlichte, auf dieſe Einrichtung bezügliche Polizeiordnung beſtimmt 81: 
Innerhalb des Stadtbezirkes Arnsberg darf das Schlachten von Ochſen, 
Stieren, Kühen, Rindern, Kälbern, Schweinen, Schafen, Ziegen und 
Pferden und zwar ſowohl das gewerbsmäßige wie das nichtgewerbs— 
mäßige Schlachten nur in dem ſtädtiſchen Schladhthaufe vorgenommen 
werden. Die Anlage hat rund 80 000 DIE. gefoftet. Im Jahre 1893/94 
wurden geſchlachtet 4359 Tiere, nämlich 721 Rinder, darunter 50 Ochſen, 
4 Bullen; 1225 Schweine, 1652 Kälber, 723 Schafe, 34 Biegen, 
4 Pferde. Die Einnahmen betrugen in dem genannten Jahre: 8492,36 
Mark, die Ausgaben 8484,15 Mk. (3849,71 ME. Zinfen und Schulden- 
tilgung), mithin Beftand 8,21 Mt. 


Das ftädtifhe Krankenhaus oder Marienhofpital. 


Im Yahre 1838 hatte fic hier ein Frauenverein zur Unterftügung 
ber Armen und Hilflofen gebildet. Diejer Verein der angejehenften 
Damen beider Konfeffionen Teiftete unter der Leitung und bei der auf- 
opfernden Thätigfeit feiner erften Vorfteherin, fowie der übrigen Mit- 
glieder gleich von Anfang an jehr Bedeutendes für die Linderung der Not. 
Bei den Bejuchen armer Kranken ftellte ſich bald heraus, daß zu einer 
erfolgreichen Pflege derjelben ein eigenes Krankenhaus nötig jei. Der 
Berein mietete am 1. Januar 1840 den Nebenflügel des Landsbergiſchen 
Hauſes und jchaffte die Einrichtung, 4ÿ5 Betten, an: alles aus den 
regelmäßigen Beiträgen der 82 Bereingmitglieder, aus Schenkungen, 
dem Ertrage von Verlofungen zc. Am 14. Dezember 1840 traten zwei 
aus Münfter berufene Barmherzige Schweftern aus dem Klemensorden 
ihre Wirkjamfeit an. 1842 wurde die Anftalt in ein größeres Haus in 
der Oberſtadt, das jetige Gejellenhaus, verlegt. Seit dem Jahre 1855 
übernahm die jtädtiiche Verwaltung die Leitung des Kranfenhaufes, doch 
ftand der Frauenverein noch immer helfend zur Seite. Man nahm von 
da an die Erwerbung eines eigenen Hauſes in Ausficht, und durch 


566 Preußiſche Zeit. 


allerhöchfte KabinetSorbre vom 28. Januar 1856 wurde der Verkauf des 
der Domaine gehörenden Düder’ihen Haujes für den Taxwert von 
6790 Thlr. 5 Sgr. genehmigt.") Die Verwaltung des Marienhofpitals 
unterfteht jettt dem Magijtrate, früher einem Kuratorium. Barmherzige 
Scweftern, deren Zahl augenblicklich fieben beträgt, wirken in der Anftalt 
in mufterhafter Weije. Außerdem widmen fie fid) in der Stadt der Pflege 
der Kranken ohne Unterjchied der Konfeifion und erfreuen ſich in hohem 
Maße allgemeiner Achtung. Das Hofpital nimmt aud altersſchwache 
Perfonen in Pflege. 1864 betrug die Einnahme des Hofpital® 2055 
Thaler und wurden im ganzen verpflegt 92 Berfonen mit 11 360 Pflege: 
tagen, 1893/94 betrugen die Einnahmen 13491 ME. (11417 von Pflege 
geldern), verpflegt wurden 246 PBerjonen mit 41,08 Pflegetagen pro Kopf. 
Die ftädbtifhe Armenverwaltung 
fteht unter der Leitung einer den ftädtifchen Behörden untergenrdueten 
Armenkommiffion, deren Thätigkeit durch das befondere Geſchäftsregulativ 
vom 16. Juni 1847 geordnet ift. Die Armenverwaltung hat einen 
bejonderen Fonds, deſſen Revenüen im Jahre 1857 777 Thaler be: 
trugen. Dazu famen mande freiwillige Beiträge. Bis zum Jahre 
1843 reichten diefe Gelder hin. Bon da ab hat infolge verjchiedener 
Umftände eine bedeutende Steigerung ber Ausgaben für Arme ftatt- 
gefunden; die Stadtkaſſe mußte jett einfpringen. Der Zufhuß für 
1858 war 2735 Thlr., für 1882 11 354 ME., für 1890: 15 085,92 
Mark, dazu 864 ME. an Hundeftener, 1064 DE. an Bolizeiftrafen :c.; 
GSejamteinnahme der Armenkafje 20 883,51 ME. Eine bedeutende Zu- 
wendung ift das Vermächtnis des Hauptrendanten Nöggerath im Betrage 
von 19 592 Marf. 

Seit dem 10. November 1883 befteht in Arnsberg eine von ber 
Stadt unterhaltene Natural-VBerpflegungsftation, in der un- 
bemittelten und Arbeit fuchenden Reifenden gegen Abgabe von Marken, 
die fie auf dem Nathaufe erhalten, unentgeltlich entweder Mittageffen, 
oder Abendbrot, Nachtquartier und Frühſtück verabreicht wird. Zweck 
der Einrichtung ift Abjchaffung der Hausbettelei und Bekämpfung der 
Bagabondage. Geiftige Getränke werden in der Herberge nicht verjchenft. 
Im Jahre 1893/94 wurden 3659 Perfonen für 2250,95 ME. verpflegt, 
die meiften im März; 20 Reifenden wurde Arbeit verjchafft. 


Die ftädtifhe Sparkaſſe. 
Bereit3 im fahre 1821 war die Gründung einer Sparfaffe in 
Arnsberg angeregt worden, aber ohne Erfolg, Im Yahre 1838 gab 


) Pieler, Arnsberg, ©. 68 Anm. 


Urmenwefen. Sparkaſſe. Feuerlöſchweſen. Schulen. 567 


ber Oberpräfibent von Binde einen neuen, diesmal erfolgreichen Anftoß. 
Er empfahl die Sparfaffe nach dem Mufter der Soeftifchen einzurichten, 
der einzigen, die überhaupt bis dahin im Regierungsbezirk Arnsberg 
beftand! Wie fich die Zeiten geändert haben! Jetzt Hat diefer Regierungs— 
bezirk ihrer mehr als irgend ein anderer. Die Verwaltung dieſer für 
das Gedeihen der Kommune jo wichtigen Kaffe ift eine von der übrigen 
ftädtifchen Verwaltung getrennte und einer aus vier Mitgliedern und 
dem Rendanten beftehenden Gejchäftsdeputation übertragen. 1869 wurde 
unter Abänderung der vorher geltenden Beftimmungen genehmigt, daß 
der Sparkafjen-Rejervefonds auf 50 000 Thlr. feſtgeſetzt würde und die 
Hälfte der darüber hinaus erzielten Überfhüffe zu Kommunalbedürfniffen 
verwendet werden bürfte. Seit 1893 befteht eine bejondere Abordnung 
zur Beaufjichtigung und Revifion der Sparfaffe. 1859 betrug das Altiv- 
vermögen 187 375 Thlr., das Paffivvermögen 186 112 Thaler. 1894 
betrugen Aktiva und Paſſiva 5 150 421,60 Marl. Der Gewinn für 
die Stadt betrug 1894: 11 315,49 Marl. 
Feuerlöſchweſen. 

Bis zum Jahre 1879 war dieſer wichtige Teil der Stadtverwal⸗ 
tung nicht genügend organifiert. Zur Beleuchtung möge dienen, daß 
no im Jahre 1869 beim Gymnafialdireftor die Anfrage eintraf, ob 
nit die Gymnafiaften ein für alle Mal die zweite Sprige bedienen 
fönnten, da fie fich letthin beim Löſchen jo hervorgethan hätten. Diefem 
Antrage wurde damals Folge gegeben. Das war ja gewiß ehrend für 
die Gymnaſiaſten, aber die Sache hatte ihre großen Bedenken und Mängel. 
Am 16. Auguft 1879 rief Bürgermeifter Löcke eine „Freiwillige Feuer- 
wehr” ins Leben, der fofort 100 Mitglieder beitraten. Diefelbe wurde 
einem Hauptmann untergeftellt und in vier Abteilungen gegliedert, bie 
Steiger- und Rettungs⸗, die Sprigen-, die Zubringer-Abteilung und die 
Ordnungsmannſchaft. Die Verwaltung der Wehr beforgt die Brand- 
fommiffion. Die näheren Beftimmungen enthält da8 am 10. März 
1880 von der Kgl. Regierung genehmigte Regulativ. Alle aus Vereins» 
zweden entftehenden Unfoften zahlt die Stadtkaffe, joweit fie nicht durch 
freiwillige Beiträge gedeckt werben. 

Schulmweien. 

Die Bedürfniffe der fatholifchen Elementarfchulen waren von jeher 
von der Stadt beftritten, die ihrerſeits Schulgeld erhob und anderweitige 
Einkünfte bezog (vgl. S. 257). Die in heffifcher Zeit gegründete evan⸗ 
geliſche Elementarjchule wurde dagegen von ber evangelifchen Schulgemeinde 
aus eigenen Geldern und ftaatlihen Zuwendungen unterhalten. Nach 
dem Bau der alten, Fatholifchen (jet evangeliſchen) Elementarſchule an 


568 Preußifche Zeit. 


der Prälaturftraße (ti. J. 1831) wurde jedoh der evangeliſchen Schule 
ein befonderes Zimmer zur unentgeltlihen Benugung eingeräumt und 
ihr zugleich freies Brennholz, nämlich drei Klafter halb Eichen-, Halb 
Buchenholz, bewilligt. Nachdem zuerft im Jahre 1845 ſeitens des evan- 
geliihen Schulvorftandes bei der Kol. Regierung Beichwerde erhoben 
war, weil die katholiſche Schule aus ftädtiihen Mitteln unterhalten 
werde, die evangelijche nicht, ordnete eine Verfügung vom 24. Yuli 1854 
die Abſetzung ber kath. Schulbebürfniffe vom ſtädtiſchen Haushaltungs- 
etat an, bie unter Abweifung einer deshalb eingereichten Beſchwerde 
vom Kgl. Minifterium 1855 beftätigt wurde. Am 24. Sept. 1855 
fand die Auseinanderfegung zwiichen der Stadt Arnsberg und der kath. 
Schulgemeinde wegen Überweifung der Schulintraden und Schulfonds 
jtatt. Da dieſe Mittel und das erhobene Schulgeld zur Beftreitung 
der Schulbebürfniffe nicht ausreichten, jo mußte jeitens der Fath. Ge— 
meinde eine Schulftener erhoben werden, die im neuefter Zeit infolge 
der Vermehrung der Lehrkräfte, der Errichtung neuer Schulgebäude, fowie 
durch die Abſchaffung des Schulgeldes (1. Oft. 1888) zu einer recht be- 
deutenden Höhe geftiegen ift. Sie betrug 1880/81: 334,, 1887/88: 
43%),, 1888/89: 45%,, 1889/90: 65%,, 1891/92: 74%,. In diejem 
legten Redinungsjahre beliefen ſich die Baffivfapitalien der Schulgemeinde 
auf 76 974,57 ME. gegen 83 246,49 ME. im Vorjahre, wobei 23 140,93 
Mark Steuer erhoben werden mußten. Bezüglich der Benugung der 
Schulgebäude wurde am 16. April 1857 genehmigt, daß das kathol. 
Mädchenſchulhaus am Steinweg, die Dienftwohnung des Rektors (An- 
bau de8 neuen Schulhaufes an der Prälaturftraße), die alte Knaben- 
jchule neben der Stadtkapelle der kath. Schulgemeinde zum Eigentum 
überwiefen würde; daß dagegen das Schulhaus an der Prälaturftraße 
zwar Eigentum der kath. Schulgemeinde bleiben follte, aber in dem bis- 
herigen Benugungsredht beider Konfejfionen, und daß die evangelifche 
Schulgemeinde /, der Unterhaltungsfoften zu tragen habe. Die Ge- 
währung von freiem Brennholze im bisherigen Umfange wurde ge 
nehmigt, aber eine Verpflichtung Hierzu nicht anerkannt. Im Jahre 
1886 kaufte die fath. Schulgemeinde vom Fisfus das alte Gymnafium 
zum Preiſe von 18251 Mf., während fie ihr altes Schulgebäude an 
der Prälaturftraße der evangel. Schulgemeinde für 17 062 ME. verkaufte. 
Sodann wurde das alte Gymnaſium für den Preis von rund 60 000 
Mark vollftändig umgebaut, bei welcher Gelegenheit der ſüdliche Flügel 
der alten dur den Kreuzgang (S. 87) verbundenen Kloftergebäude ab- 
geriffen wurde. Die neue Schule, mit 9 hohen, geräumigen Sälen, 
wurde Dftober 1887 in Benugung genommen. Die Zahl ber Lehrer, 


Schulen. Staatliche Behörden. 569 


die noch 1881 nur drei betrug, ift 1893 auf 7 geftiegen; die Zahl 
der Schüler betrug 1893/94 513; die Zahl der Lehrerinnen ift eben- 
falls allmählih auf 7 geftiegen, die Zahl der Schülerinnen betrug 
1893/94 532. Die neue Mädchenjchule ijt im Jahre 1876 bezogen. — 
Die evangeliſche Schulgemeinde hat infolge Ankaufs und Ausbaucs des 
Schulhaufes an der Prälaturftraße 1887/88 ein BPaffivfapital von 
16 365,87 ME. zu verzinjen (1893/94: 16 179,71 Mk.). An Scdul- 
fteuern wurden 1887/88 17%,, 1893/94: 28%, der Einfommenfteuer 
erhoben. An der 1893/94 von 89 Knaben und 87 Mädchen bejuchten 
Schule unterrihten 3 Lehrer. — Die jüdiihe Volfsihule mit 1 Lehrer 
wurde 1893/94 von 20 Kindern beſucht. An Kultusjtenern brachte die 
Gemeinde 2135 ME. durd Erhebung von 60°), der Einfommenfteuer auf. 

Zur weiteren Ausbildung der aus der Schule entlafjenen Kinder 
beftehen in der Stadt 1. zwei höhere Töchterſchulen, eine Fatholifche 
unter Leitung der Armen Schulſchweſtern de Notre Dame (gegründet 
1889, 7 Schulſchweſtern, 63 Schülerinnen im Sommer 1894) und eine 
evangelijhe unter Leitung der Fräulein von Ciriazy-Wantrup (früher 
Fräulein Jenſch), die beide einen Yahreszujhuß von 750 Mark aus 
der Stadtkafje erhalten. 2. Eine Handwerker: Fortbildungsichule, die ſich 
aus der 1839 gebildeten Sonntagsjchule entwicelt hat. An ihr unter- 
richten vier Volksſchullehrer, ein Handwerfsmeifter im Bauzeichnen und 
zwei technijche Beamte der Kgl. Eiſenbahn-Maſchinen-Werkſtätte (Schüler- 
zahl 140 im Jahre 1893). Der Zuſchuß aus der Stadtkaſſe zur Unter: 
haltung diejer Schule betrug 1893/94 860 ME. 3. Eine Handels: und 
Fortbildungsichule (jeit 1889) mit 1 Lehrer und 14 Schülern (1894). 
4. Das Kgl. Gymnaſium (f. u.). 


Arnsberg als Sit ſtaatlicher Behörden. 
Königliche Regierung und Königliche Landratsamt. 

Der Regierungsbezirk Arnsberg umfaßt außer dem che- 
maligen Herzogtum Weftfalen die Grafihaft Markt mit Limburg und 
Lippftadt, das Gebiet der ehemaligen Reichsſtadt Dortmund mit dem 
Gerichte Hudarde, die Grafſchaften Wittgenftein und das Fürſtentum 
Siegen mit den Gerichten Burbad) und Neuenfirhen.!) Der Regierungs- 
bezirk ift unter den drei weitfäliichen der größte und bevölfertfte; er 
umſchließt 7695 qkm (139,8 QM.) mit 1 342 677 Einwohnern (1890), 
die in 47 Städten und 798 Landgemeinden wohnen. Der Konfeſſion 
nah ift etwas über die Hälfte der Bevölkerung evangeliih. Die 


) Liebrecht, Statijtifche Befchreibung des Regierungsbezirfs Arnsberg, 
mit Hijtorifcher Einleiung von Seibert ; Arnsberg 1868, ©. 1. 





570 Preußifche Zeit. 


Namen der 21 Kreife des Negierungsbezirks find: Altena, Arns- 
berg, Bohum Stadt, Bohum Land, Brilon, Dortmund Stadt, Dort: 
mund Land, Geljenfirchen, Hagen Stadt, Hagen Land, Hamm, Hattingen, 
Hörde, Iſerlohn, Lippftadt, Meſchede, Dipe, Schwelm, Siegen, Soeft, 
Wittgenftein. Der Kreis Arnsberg umfaßt 664 qkm (12,3 QM.) 
mit 46 452 Einwohnern!) (etwa 64 auf 1 qkm) in den Städten Arns⸗ 
berg und Neheim und den Ämtern Allendorf, Balve, Freienohl, Hüften, 
Warftein. Landräte: Thüfing (bis 1836), von Lilien, Kammerherr 
(bis 1883), Freusberg. 


Am 235. Juli 1816 brachte der Oberpräfident v. Binde zur Kenntnis, 
daß bei der am 1. Auguft 1816 in Wirkfamkeit tretenden Kgl. Regierung 
in Arnsberg vorläufig ernannt feien: v. Bernuth zum Präfidenten, Freiherr 
v. Weich8 zum erften Direktor, Krug zur Nidda zum zweiten, Liebrecht zum 
Regierungsrat, von Schwarztoppen zum Regierungsrat und Oberforjtmeifter, 
von Bigeleben, Wejtphal, Duden, Dad, dv. Ulmenftein zu Regierungsräten, 
Clemen zum Regierungs- und Baurat, Stoll zum Regierungs- und Medizinal- 
Rat. Herner follten an den Gefchäften vorläufig ſchon teilnehmen: Regie 
rungsrat d’Alquen, Kirchen: und Schulrat Sauer, Hofgerichtsrat Arndts, 
Hoflammerrat Eſſer jun. 

Eine Gefhichte der Arnsberger Megierung zu geben, jteht außerhalb 
unferer Aufgabe. Um eine Borftellung von ihrer heutigen Einrichtung zu ge 
währen, fei folgendes bemerkt. Der Geſchäftskreis der Regierung erjtredt ſich 
auf alle Gegenftände der inneren Landesverwaltung, foweit fie nicht befonderen 
Behörden zugewiefen find. Sie fteht unmittelbar unter den verſchiedenen 
Reflortminifterien, die für fie Auffichtsbehörden und Inſtanzen find. Nur in 
einigen Sachen geht der Inſtanzenzug an den Oberpräfidenten. 

Ihre Sefchäfte zerfallen in: 1. Angelegenheiten des Innern (Hoheits-, 
Militär-, Kommunal-, Polizeis, Gefundheits-, Bau, Armee-, Iandwirtfchaftliche, 
Gewerbe», Handels, Verkehrs, Juden-, Diffidenten- und jtatiftifche Sachen). 
2. Kirchen- und Schulſachen. 3. Verwaltung der direkten Steuern, Domänen 
und Forſten. Derfegierungspräfident verwaltet die Angelegenheiten des Innern; 
er hat einen Stellvertreter (Oberregierungsrat) nebjt den erforderlichen Hilfs: 
arbeitern. Die zu 2 und 3 bezeichneten Gegenftände werden Eollegialifch in 
je einer Abteilung bearbeitet, an deren Spite ein Oberregierungsrat als 
Dirigent fteht. Bei der Finanzabteilung wirkt ein Oberforjtmeifter als Mit- 
dirigent. Außer diefen Beamten gehören zu den Regierungsmitgliedern die 
Negierungsräte und Affefloren und die techniſchen Mitglieder, mittelbar aud) 
die Katafterinjpektoren. Die Regierungshauptkaffe ift die Sammelfaffe für die 
verichiedenen Berwaltungszmeige innerhalb des Regierungsbezirks und ver: 
mittelt den Geldverkehr mit der Generalſtaatskaſſe. An ihrer Spite fteht ber 
Landrentmeifter, als Hauptrendant, dem ein Oberbudihalter und ein Haupt: 
faffterer nebjt der erforderlihen Anzahl Buchhalter zur Seite ftehen. Zur 
Mitwirkung bei den Gejchäften der allgemeinen Landesverwaltung, fomwie zur 
Ausübung der BVertvaltungsgerichtsbarkeit beftcht für den Regierungsbezirk 





2) 1867 nur 36 517. 


Kgl. Regierung. Präfidenten. 571 


Arnsberg unter dem Borfiß des Negierungspräfidenten ein Bezirksausſchuß 
mit zwei Abteilungen, von denen jede außer dem Borfigenden zwei vom 
Könige Icbenslänglich ernannte und vier vom Provinzialausſchuſſe aus den 
Bezirkseingeſeſſenen gewählte Mitglieder Hat, nebjt der entſprechenden Zahl 
bon Stellvertretern. Eins der ernannten Mitglieder ijt mit dem Titel Ber- 
twaltungsgerichtsdireftor zum Stellvertreter des Regierungspräfidenten im 
Vorſitz ernannt. 


Die Urnsberger Regierungspräfidenten. 


Die Namen der Präfidenten find: von Bernuth (1816—1824), 
Graf von Flemming (bi 1827), Wirfliher Geheimer Oberfinanzrat 
Wolfart (bis 1838), Keßler (biß 1846), Graf von Itzenplitz 
(bis 1848), von Bardeleben!) (1849), Karl von Bodeljhwingh 
(bi8 1851), Ernft von Bodelſchwingh (biß 1854), von Spandern 
(1855— 1863), Wirkl. Geh. Rat von Holzbrind?) (bi8 1874), Stein- 
mann?) (bi8 1880), von Roſen, Wirklicher Geh. Oberregierungsrat, 
(bi8 1889), Winzer. 

Mehrere diefer Männer haben fi im öffentlichen Leben beſonders 


hervorgethan. 

G. W. Keßler, geb. 1782 in der Grafichaft Henneberg, 1819 Re- 
gierungspräfident in Frankfurt a. d. O., 1830 Wirkl. Geh. Oberregierungsrat 
in Berlin. Er bereifte 1841 mit Fr. v. Raumer England und Schottland, 
7 18. Mai 1846 in Berlin. — Hodinterefiant für die Gefchichte Arnsbergs 
ift da8 Buch: „Aus den binterlaffenen Papieren des W. Geh. Rats Fehler.” 
Dben (©. 539) ift ein Paſſus angeführt. Leider geftattet ung der Raum nur 
noch eine Probe. 

„Bei Keplers Iebendigem Sinne für die Natur fonnte e8 nicht fehlen, 
daß er fich auch durch diefe bald mit feinem Eril befreundete. Wie warm er 
die Schönheit feines Aufenthalts empfand, fagt der Anfang eines Briefes an 
feine Schwägerin, ber als Beifpiel dienen mag: „Mit der Feder in der Hand 
berjeßge ich mich zu Ihnen, teure Schweiter! Noch wäre es zu früh für mein 
leibhaftige8 Erjcheinen; eben fchlägt e8 5 Uhr. Oeffne ich rechts das an- 
ftoßende Zimmer, fo wirft die Morgenfonne, faum hinter den grünen Bergen 
emporgejtiegen, begrüßt von den fjchmetternden Nachtigallen des Ruhrufers 
des unter unferen Fenjtern liegenden Parks, ihre Strahlen auf meinen 
Schreibtiſch. Links blide ich über Gärten und Häufer hinweg auf die ſchönen 
beleuchteten mwaldigen Höhen. Es ijt in der That entzüdend fchön in diefer 
Sahreszeit in Arnsberg und abjonderlid in unferer Wohnung, in welcher 
man den Park, das Eichholz mit feinem herrlichen Wald, feinen malerifchen 
Ausfichten, die Wiejfen, das Badehaus unten an der Ruhr, alles dies als 
ein unmittelbares Zubehör feiner Wände betrachten und genießen kann“ x. 
Das Eichholz war Keßlers Garten... . Er verwandelte allmählich diefen 


1) Später Oberpräfident der Rheinprovinz. 
2) Borher furze Zeit Handelsminijter. 
3) Jetziger Oberpräfident der Provinz Schleswig-Holftein, von Steinmann. 


572 Preußifche Zeit. 


Wald in einen wahren englifchen Park . . .. Mit den gerügten Entbehrungen 
bat ſich Keßler auch bald befreundet. In feiner faft rührenden Genügſamkeit 
Schreibt er der Schwägerin: „Da man hier wie auf dem Lande Lebt und felbft 
bauen muß, was man bedarf, fo find wir, die wir noch nichts dafür thun 
fonnten, ſehr übel beraten; aber es ſchadet nicht, es wird doch täglich beffer, 
man richtet fich ein und entdeckt im fich jelbjt wiederum Kräfte und Fähig— 
feiten, die man längjt für eritorben hielt, weil fie in der großen Stadt, mo 
man ihrer nicht bedurfte, in tiefen Schlaf verjunfen waren.” Manchen Reiz 
bot der Aufenthalt in Arnsberg dadurdh, daß die große Straße vom Rhein 
nad Djten durch Arnsberg gelegt war. Meijt alles, was von England, Frank: 
reich, Holland und Belgien über Köln fam und nad Sachſen oder Preußen 
wollte, fchlug diefe Straße ein, und da der Gaſthof am Neumarkt durch 
behagliches Unterlommen und gute Verpflegung eine Art Ruf erworben Hatte, 
fo lodte dies manchen felbjt hohen Reifenden an, dafelbjt Herberge zu nehmen. 
Waren es Befannte, jo berfchlten fie felten, bei Keßler einzufprechen oder 
auch ihn bitten zu laffen, den Abend mit ihnen zuzubringen. 8. B. der 
Herzog von Koburg, fo oft er durchreijte, desgleichen jpäter feine Söhne. Der 
Herzog bon Meiningen überraſchte mit feinem Beſuche Keßler'n im eigenen 
Haufe, wo er fi) als „einen Landsmann” bei Kehlern anmelden ließ. Deſſen 
Schweſter Ida, Herzogin Bernhard von Weimar, als liebe Landsmännin des 
Keßler'ſchen Ehepaares, fchenkte ihnen mit ihren drei Söhnen (Knaben don 
12—14 Jahren) einen ganzen Abend in heiterjter angenehmfter Unterhaltung.“ 

Heinrich Friedrich Auguſt Graf von Itzenplitz, März 1862 Minijter 
des Aderbaues, Dezember 1862 unter Bismard Handelsminijter bis März 
1873. Seine Eifenbahnpolitif rief großen Widerfpruch hervor. T 1883. 

Karlvon Bodelſchwingh, Bruder des E. v. B., war 1851—58 unter 
Manteuffel, 1862—66 unter Bismarck Finanzminijter. Er erhielt feine Ent- 
faffung 1866, weil er die Verantwortung für Beichaffung der Geldmittel zum 
Kriege nicht übernehmen wollte. + 1873. 

Ernjt von Bodelfhmwingh war 1834 Oberpräfident der Rhein— 
probinz, wurde 1842 Finanzminiſter, 1847 Minifter des Innern und nahm 
am 19. März 1848 als folcher feinen Abfchied. Über ihn fagt Jacobi: „Nach 
berfchiedenem Wechjel kam das Präftdium der Regierung zu Arnsberg an den 
Hreiheren Ernjt von Bodelichwingh, der bis zum Jahre 1848 in ber ftaats- 
fanzlergleichen Eigenſchaft eines KabinetSminifters die Geſchicke des preußifchen 
Staats weſentlich mitbeitimmt Hatte. Selten wird ein Mann in fo hoher 
Lebengjtellung fih den Menſchen fo ganz gerettet haben. Eine an Körper 
und Geijt ſchön und vornehm angelegte und reich ausgetwirkte Natur bon 
edler Offenheit und Einfachheit, von inniger Menjchenliebe und wahrer Gottes- 
furcht erfüllt, jelbjt in jeinen Schwächen faum anders als liebenswürdig, da 
diejelben nur Auswüchſe eines edlen Stammes, des edelmütigen Herzens waren. 
Es jteht in der Gefchichte des preußifhen Staats eingetragen, mit welchem 
Geſchick und mit welcher Würde diefer ausgezeichnete Mann in den erjten 
Tagen unferer großen Verfaſſungskämpfe auf dem vereinigten Zandtage die 
Regierung zu bertreten wußte. Waren ihm die Gegner durch ihre gute Sache, 
durch ihren Geiſt und ihre Waffen überlegen, — wer wollte nicht dennoch die 
Kunft, die Gewandtheit und die Ausdauer feiner Verteidigung bewundern? 
Auch jonjt find feine reichen Verwaltungsgaben auf den verfchiedenen Stufen 


Regierungspräfidenten. Juſtizbehörden. 573 


feiner amtlichen Laufbahn überall glänzend bewährt worden. Hatte das Jahr 
1848, indem es ihn von der Höhe der amtlichen Macht herabjtürzte, fein 
politifches Evangelium umſtieß und feine teuerjten, an das alte Preußen, an 
das Königshaus und an den perfönlihen Zauber Friedrich Wilhelms IV ge- 
fnüpften Gefühle fchmerzlichit verlegt, — hatte dies Jahr an feinem innerjten 
Marke gezehrt und ihn wohl um ein Jahrzehnt altern lafjen; — jo war dod) 
auch der Reſt noch bewundernswert. Der hochragende, ſchnell fchreitende, 
offen, vornehm und mild blidende Mann war noch immer eine außerordent- 
lihe Erſcheinung und in der fchnellen Auffaſſung und glüdlichen Löſung ver— 
widelter Fragen trat fein großes Talent glänzend hervor. E. dv. B. hat die 
oben angeführte Lebensbeſchreibung v. Vincke's verfaßt. 
Juſtizbehörden. 

Arnsberg iſt in der preußiſchen Zeit ſtets der Sitz eines oberen 
und eines niederen Gerichtshofes geweſen, die ihren Namen, ihren Be— 
zirk und ihre Verfaſſung mehrmals geändert haben. Zunächſt blieben 
die Einrichtungen aus heſſiſcher Zeit im allgemeinen beſtehen. Das 
niedere Gericht hieß Juſtizamt, das höhere Hofgericht. Letzteres 
bildete die zweite Inſtanz für die Gerichte im ehemaligen Herzogtum 
und der Grafſchaft Wittgenſtein. Es hatte denſelben Rang mit dem 
Oberlandesgericht in Hamm und ſtand nebſt dieſem unter dem Ober— 
landesgericht zu Münſter. Der Titel „Hofgericht“ wurde am 31. Auguſt 
1835 in Oberlandesgericht verwandelt. Mit dem 1. Januar 1839 trat 
an die Stelle des Juſtizamtes das Land- und Stadtgericht Arns— 
berg mit ſehr erweitertem Bezirke!) und an die Stelle des Hof(O.L.)⸗ 
gerichtes mit 23 AYuftizämtern ein Dberlandesgericht mit 17 Land— 
und Stadtgerichten. Dieje Einrichtung blieb bis zum 3. Januar 1849 
beftehen, wo im Megierungsbezirte Arnsberg zwei Appellations 
gerichtshöfe, nämlich in Hamm und in Arnsberg eingeführt und diefem 
legteren fünf Kreisgerichte: Arnsberg, Lippftadt, Brilon, Olpe, 
Siegen untergeordnet wurden. Das Appellationsgericht war zufammen- 
geſetzt aus 1 Präfidenten, 1 Direktor und 7 Räten. Das Kreis: 
gericht zu Arnsberg umfaßte den Kreis Arnsberg, ausgenommen 
das Amt Warftein, und die Amter Meſchede, Velmede und Eslohe im 
Kreiſe Meſchede. Gerichtstage wurden in Allendorf, Eslohe und Rams— 
beck abgehalten. Das Gericht hatte eine Gerichtskommiſſion in Balve 
und zwei in Meſchede. Es beichäftigte einen Direktor und 9 Kreis- 
richter. Die Staatsanwaltihaft wurde wahrgenommen durd den Ober: 
ftaatSanwalt in Arnsberg und 3 Staatsanwälte, von denen wieder einer 


) Das Juſtizamt hatte einen Bezirk von 12000 Einwohnern, das Land— 
und Stadtgeriht einen ſolchen von 27000. Letzteres umfaßte den jeßigen 
Kreis Arnsberg mit Ausschluß des Amtes Warjtein und der Gemeinden Wilde- 
twiefe und Hohenwibbecke außerdem vom Kreiſe Soeſt das Kirchſpiel Körbede. 


574 Preußifche Zeit. 


in Arnsberg für die Kreisgerichte Arnsberg und Brilon angeftellt war. 
Schwurgerichte wurden abgehalten in Arnsberg und in Siegen, in Arns- 
berg für die Kreisgerichte Arnsberg, Brilon und Lippftabt.!) Die erfte 
Schwurgerihtsfigung in Arnsberg fand am 22. Dftober 1849 auf dem 
Rathausſaale ftatt. 

Geit der Umgeftaltung der Gerichtsverfaffung durd das Reichs— 
juftiggejeg vom 27. Januar 1877 (eingeführt am 1. Dftober 1879) it 
Arnsberg Sit eines Landgerichtes im Bezirke des Oberlandesgericht3 
in Hamm. Der Landgerichtsbezirf Arnsberg umfaßt 19 Amtsgerichte: 
Arnsberg, Attendorn, Balve, Berleburg, Bigge, Brilon, Burbadı, Förde, 
Fredeburg, Hilchenbach, Kirhhunden, Laasphe, Marsberg, Medebadh, 
Meichede, Neheim, Dipe, Siegen und Warftein. Am Landgerichte find 
thätig ein Bräfident, ein Direktor, ſechs Richter, zwei Staatsanwälte 2c. — 
Der Umtsgerihtsbezirf Arnsberg ift erheblich Fleiner, als der Bezirk 
des ehemaligen Kreisgerichtes. Sein Umfang ift faft derjenige des alten 
Juſtizamtes (S. 510); nur ift Neheim, wo feit 1879 ein Gericht befteht, 
mit Hüften und Herdringen ausgefchieden, während Langſcheid, Hövel, 
Enfhaufen, Grevenftein und Meinkenbracht Hinzugefommen find. Am 
Amtsgerichte fungieren zwei Richter. Das Amtshaus des Amts- 
gericht3, zugleich Wohnung des Landgerichtspräfidenten und Gefangenen- 
anftalt, ift 1833—35 als „Gerichts- und Kriminalhaus" gebaut. Hof— 
gerichtsdireftor Nettler legte am 4. Auguft 1833 den Grundftein. Zum 
Amtshaufe des Landgerichtes auf dem Brüdenplage ift am 31. Mai 
1840, dem Gedenktage der Thronbefteigung Friedrich II, der Grumd- 
ftein gelegt worden, Die Stadt hat zu diefem Bau 4000 Thlr. bei- 
geichoffen. Vorher tagte das Gericht im Rathauſe oder im Landsberger 
Hofe (S. 407). — Wie chedem die Arnsberger Weistümer in Veme— 
ſachen einen Weltruf hatten, fo find aus diefem Jahrhundert die Arns- 
berger obergeridhtlihen Erfenntniffe den Juriſten geläufig. 

Präfidenten (bezw. Hofgericht3 » Direktoren 2c.): Leußler (in 
heffifcher Zeit, feit 1803), Wurzer?) (feit 1816), Nettler (feit 1825), 
Kaupiſch (feit 1840), Nötel (feit 1852), Zweigert (feit 1868), 
Dswald (jeit 1. Oftober 1879). 


Poft: und andere Behörden. 
PBoftbehörden. Über das Poſtweſen in kurkölniſcher Zeit war 
S. 313 f.die Rede. In der heſſiſchen Zeit ſchloß der Landgraf Ludwig 


) Liebredt, a. a. DO. S. 147 f. 

») Das Gehalt des Hofgerichts - Direftor8 betrug 1400 Florin oder 
675 Thlr. pr. Kour. in baar, dazu kamen Naturaliendbezüge im Werte bon 
826 Thlen. 


Arnsberg als Sit ftaatlicher Behörden. 575 


mit dem Fürften von Thurn und Taxis eine Poftkonvention, infolge 
deren die Wohnung und das Bureau des Boftbeamten in die Näume 
des aufgehobenen Klofters Wedinghaufen verlegt wurde. Im Jahre 
1817 wurde Düsberg als Königl. Boft-Organifations-Rommiffar vom 
Generalpoftamt in Berlin nad) Arnsberg gejandt. Diefer wurde als» 
dann hier Poftmeifter und nahm zuerst in Wedinghaufen Wohnung. 
Bei Anlage der Königftraße wurde ein befonderes Pofthaus gebaut, aus 
dem zuerjt am 21. Auguft 1819 Poftfachen fpediert wurden. (M. 9.) 

In dem Maße, al8 Arnsberg durch Chauffeen mit der Welt ver- 
bunden wurde, mehrte fich die Zahl der hier abgehenden und einlaufenden 
Perjonenpoften. Am 1. Dftober 1833 ließ das Kgl. Poftamt die erfte 
Poſt nad) Soeft ab und ließ zugleich die ältere Fahrpoft nad Werl 
eingehen. Die Soefter Poft fuhr anfangs nur fünfmal wöchentlich. Im 
Jahre 1851 gingen von Arnsberg folgende Posten ab: 1. nad) Kaſſel 
(17'/, St. Fahrtdauer), täglich; 2. nad) Gießen über Winterberg und 
Hallenberg (22'/, St.), zweimal wöchentlich; 3. nad) Hagen Bahnhof, täglich 
(7 St.); 4. nad Hamm (5", St.), täglih; 5. nad) Olpe (9 St.), 
täglid) ; 6. nad) Soeſt (2°, St.), zweimal täglih. Nach der Anlage der 
Eijenbahn (1870) wurden die Berfonenpoften natürlich jehr eingeſchränkt, und 
es werben jett nur noch Poften nad) Soeft, Balve und Allendorf gefahren. 

Am 1. Januar 1850 wurde Arnsberg Sig einer Ober-Poftdireftion, 
für die im Jahre 1859 das große Amtsgebäude am Neumarkt gebaut 
wurde (Stadtzufhuß 2000 Thlr.). Vorher war fie im Landsberger 
Hofe untergebradt (vgl. S. 408). Dieje königliche, fpäter Faiferliche 
Behörde hatte einen der größten Verwaltungsbezirfe im Reiche (1890: 
297 Berfehrsanftalten, 9793 km oberirdiihe Zelegraphenleitungen). 
Ihre in diefem Jahre erfolgte Verlegung nad) Dortmund hat Arnsberg 
Einwohnerzahl um etwa 250 vermindert. Arnsberg befitt jett nur 
noch ein Poftamt erfter Klaſſe. Es ift ferner Sitz zweier Spezial- 
fommiffionen, eines Gendarmerielommandos, einer Eifenbahn-Betrichs- 
infpeftion, einer Werkftätteninfpeftion, eines Zoll- und Steueramtes erfter 
Klaffe (vorher Sig eines Haupt-Steueramtes; diejes ift nad Iſerlohn 
verlegt), eines Bergrevieramtes, eines KRatafteramtes und einer Kgl. Kreis- 
fafje. Die Zahl der bei den Staats- und Neichsbehörden angeftellten 
Beamten und Diätare beträgt etwa 400. 

Das Gymnafinm unter heſſiſcher und preußiſcher Regierung. 

Das Gymnafium war furz vor Erfcheinen des Aufhebungsdefrets 
wegen Mangels an Lehrern gejchloffen (vom 15. Auguft 1803), Im 
November wurde es mit vier Lehrern und 19 Schülern durch den neuen 
Studienpräfeften Sauer, Mitglied des Schulrats, wieder eröffnet. Es 


576 Preußifche Zeit. 


ſollte nad) der hHefjiischen Verfügung aus ſechs Klafjen mit jehs Lehrern 
bejtehen. Die Frequenz war aber jo gering, daß mitunter eine Klafje 
leer war; fie betrug nod 1817 nicht mehr al3 52. Für die jechste Klaſſe 
waren 15 Unterridtsftunden angejegt, für die übrigen je 20; die erfte 
und zweite, fowie die vierte und fünfte waren wegen Mangels an 
Näumen vereint. So betrug die Gejamtjtundenzahl nicht mehr als 52. 
Dod wurden aud die Silentien von 10',—12 Uhr morgens und 
5—!/,6 Uhr abends unter Auffiht der Klaffenlehrer gehalten, nur nicht 
an den freien Nachmittagen. 

Bezüglid des Unterrichtes hielt man fih im allgemeinen an bie 
Inſtruktion des Marimilian Franz und legte den Hauptwert auf 
formale Bildung durch den grammatiichen Betrieb der Spraden, die 
Mathematik und Bhilojophie. Die Mathematif und Phyſik wurde bis 
zum Jahre 1806 lateinisch gelehrt. Das Griehifhe war neu unter 
die Lehrfächer aufgenommen. Da die Kenntnis diefer Sprache aud) 
bei den Lehrern nicht vorhanden war, jo ermutigte Sauer den damaligen 
Lehrer der Zertia, den jpäteren Direktor Baaden, fi) auf die Erlernung 
derjelben zu verlegen. Diejer trat ſchon 1805 als Lehrer darin auf. 
Das Griechische wurde nur in zwei bis drei wöchentlihen Stunden 
gelehrt. Einen Lehrer des Franzöfiichen zu bejtellen, hatte man fein 
Geld. Auch ein Zeichenlehrer fehlte, und der Mufiklehrer Ziegler erhielt 
feine Befoldung. Auch zur Gründung einer Yehrerbibliothef hatte man 
feinen Fonds, und die Lehrergehälter waren jchr ſchmal. ALS Lehrer 
war ©. Reiter ausgezeichnet; diejer wurde 1837 Direktor des Gynmafiums 
in Mainz. 

Nach dem Übergange des Herzogtums an Preußen erjchien im 
Herbjt 1818 Konfiftorialrat Kohlrauſch aus Münfter, um von den Ein- 
richtungen und Bedürfnifjen des Gymnaſiums Einfiht zu nehmen und 
e3 nach preußiſchem Mufter zu organifieren. 1820 unterridteten neun 
Lehrer in ſechs Klaffen. Die Unterrichtsgegenftände wurden vermehrt, 
neue und brauchbare Lehrbücher eingeführt, 1820 ein Gymnafialfonds 
gebildet, deſſen Verwaltung 1826 einem Kuratorium übergeben wurde, 
eine Bibliothek gegründet 2. Zum Direftor wurde Dftober 1821 
Baaden ernannt. Im Herbite 1879 wurde das neue Gymnaſialgebäude 
bezogen. Die Anftalt feierte im Dftober 1843 ihr 200 jähriges umd 
im Oftober 1893 ihr 250 jähriges Beftehen, beide Male unter großer 
Beteiligung aller derer, die das Felt anging. Schülerzahl 1841: 106, 
1852: 199, 1892: 285. 1895 umterrichteten außer dem Direltor zehn 
Oberlehrer bezw. Profefforen, 1 Hilfslehrer, 1 techn. Lehrer, 1 evan- 
geliſcher Religionslehrer. 


Arnsberger Induſtrie. 677 


Direftoren: Dr. Baaden (biß 1842), Dr. Högg,!) Geh. 
Regierungsrat (biß Herbft 1876), Dr. J. Oberdid (bis Herbſt 1877), 
Dr. F. J. Scherer. 


Induſtrie. 

Älteſte Betriebe mitMotoren find 2 Mahlmühlen: Koftermühle (5. 98) 
und Bannmühle?) (jet Holzfchleiferei in der Mühlenftraße); zu leßterer kam 
jpäter eine Sägemübhle, dann in den 60er Jahren eine der cerjten Holz- 
Schleifereien an der Ruhr. Diefe Mühle war lange Zeit im Befit der Familie 
Scheele (früher Erbpadt, jeit den 26er Fahren Eigentum). 1881 ging fie an 
Gofad, von Schenck & Co. über, welche die Mahlmühle eingehen lichen. 

Die Papierfabrik, gegründet 1838, war lange im Befit einer Handels- 
gefellichaft (Tilmann und Grote). Sie wurde 1883 in eine Aktiengejellfchaft 
umgewandelt, die jchon bald in Konkurs geriet. An der Subhajtation über- 
nahm fie die Sparkaſſe in Arnsberg als Hypotheken-Gläubigerin und betrieb 
die Fabrik bis 1888, mo fie an die neue Firma Papierjtoff: und Papierfabriten 
GE. Eojad verkauft ward, welche auch die Holzichleiferei in der Mühlenjtraße 
übernahm und eine zweite Holzjchleiferei in der vergrößerten Papierfabrik 
anlegte. Es werden fait nur bolzjtoffhaltige billige Papierforten fabriciert. 

Die Haſenelever'ſche Mühle war in den 20er Jahren eine Perlgraupen- 
mühle, jpäter Lohmühle und jeit 1887 it fie Mahlmühle. — Die Schennen’sche 
Mühle bejtand in den Aer Jahren als Knochenmühle und wurde fpäter zu 
einer Lohmühle für den Gerbereibetricb des Befiters umgewandelt. — Das 
Sägewerk der Firma Eofad, von Schenck & Co. am Bahnhofe ift 1884 angelegt. 
Früher ward bis zur Einführung der Dampfheizung auf den Eifenbahnen 
(1887) auch Preßkohlenfabrikation dort betrieben. Hergeftellt werden: Bretter, 
Bohlen, Bauhölzer, Faßdauben, andere Schneidhölzer und einzelne Holzwaaren. 

Arnsberg hat zwei Buchdrudereien (9. R. Stein und F. W. Beder) 
mit Motorenbetrieb, tüchtige Wagenbauereien (H. Hövel, W. Elkemann zc.), 
Schmieden und Sclofiereien. Der Handel iſt im Ganzen matt; doch beiteht 
ein ausgedehntes Groß-Produktengeſchäft von S. Grüneberg. 

Die Arnsberger Dampfmühle ging in den 80er Kahren nad) etiwa 
10jährigem Beſtehen wieder ein. 

Die Ziegelei von Wilmes & Bartling, früher Yeldbrand am Schreppen- 
berge, jett Ringofen, fabriziert Mauerziegel. Der Ringofen von 9. Höynd 
an der Haar fabriziert ebenfall8 Mauerziegel. 

Die Arnsberger Löwenbrauerei von H. Höynd an der Haar iſt 189% 

1) Diefer um das Gymnaſium fehr verdiente Direktor feierte am 
17. Oktober 1872 fein 50jähriges Amtsjubiläum. 

2) Hier mußten die Bürger und Bewohner einiger Nachbarorte ihr 
Betreide mahlen lafien. Die Mühle bejtand wohl ſchon in der gräflichen 
Beit. Der beide Mühlen jpeifende Waflergraben führte rings um das Eid)- 
holz herum von der Klojterbrüde bis zur Jägerbrücke. Nach Eingehen der 
Stloftermühle wurde der obere Teil de8 Grabens zugeworfen und ein neues 
Wehr angelegt. Es ijt ein im Jahre 1889 errichtete Pfahlwehr mit 
jteinernen Schleufenpfeilern. 


Feaur, Geſchichte Arnsbergs. 37 


578 Preußifche Zeit. 


erbaut. Die früheren Braunbierbrauereien find eingegangen, da das bayerijche 
Bier das Braunbier verdrängt hat. 

Die Coſack'ſche Eſſigfabrik (am Landgericht) ging infolge Widerjprudhs 
der Nachbarn wieder ein. Die Abficht des verjtorbenen Herrn J. Cofad, an 
der Ruhr am Eichholze ein großes Blechwalzwerf anzulegen, fam nicht zur 
Ausführung. Statt deſſen wurde das Werk in Hüften (Hüjtener Gewerl: 
ſchaft) angelegt. 

Arnsberg ift Sit einer Handelskammer für die Kreife Brilon, Meſchede, 
Arnsberg. 

Die Eifenbahbn-Hauptwerkjtätte hierfelbjt dient zur Ausführung 
bon Reparaturen an Lokomotiven der Mafchineninfpektionsbezirfe Hagen und 
Caſſel I, an Perſonen-, Gepäd- und Güterwagen, ſowie an den mafcdinellen 
Anlagen und Vorrichtungen auf den Bahnjtreden von Schwerte » Werden und 
Holzminden, Scherfede-Hümme, Hümme-Sarlshafen, Warburg-Eorbad. Die 
Werkjtätte wurde im Sommer des Jahres 1873 mit einem Perſonal bon 
8 Beamten und 317 Arbeitern eröffnet. Die Zahl der Arbeiter betrug im 
Jahre 1885 375 Köpfe, während gegenwärtig 31 Beamte und 450 Arbeiter 
bejchäftigt werden. Außer den Einrichtungen der Preußifchen Staats-Eifen- 
bahnverwaltung zur Sicherjtellung der Arbeiter gegen die ihnen durch Krank— 
heiten, Unglüdsfälle und Ermwerbsunfähigkeit drohenden Gefahren find zur 
Beit an anderen Wohlfahrtseinrichtungen vorhanden: 1. Drei Wohnhäufer mit 
Wohnungen für 3 Beamten- und 41 Arbeiterfamilien, 2. eine aus 4 Zellen 
mit je 1 Badewanne und aus 7 Bellen mit Brauſeeinrichtung beftehende 
Babdeanftalt, in welcher im Jahre 1894 6000 Bäder verabreicht wurden, 3. ein 
Spar: und Haushaltverein zum Zwecke des gemeinfchaftlihen Einkaufs von 
Lebens: und Wirtjchaftsbedürfnifien im Großen und Berkauf im Kleinen an 
die Mitglieder und zur Entgegennahme und Berzinfung Eleiner Sparbeträge. 


Arnsberg als Geburtsort, Bildungsftätte und Wohnort berühmter 
oder befannterer PBerfönlichfeiten.!) 


R. J. Eſſer, Rheinländer, hervorragender VBerwaltungsbeamter, 
gab nad dem erjten gewonnenen Prozefje jeine Stellung als Advofat 
auf, weil er Bedenken hinfichtlich der Richtigkeit der Entfcheidung hegte, 
war unter dem Kurfürften Mar Friedrich Mentmeifter, fpäter Geh. 
Kanzleijefretär, unter Dax Franz (1784) Konferenzjefretär für die vom 
Kurfürften eingerichteten Meinifterialfonferenzen. 1784 wurde er Hof- 
bibliothefar, 1786 Syndikus der neuen Bonner Hochſchule, 1792 Reviſor 
der Kammeral-Buchhalterei und Wirklicher Hoffammerrat. In der 
franzöfifchen Zeit ging er mit der Hoffanımer nad) Brilon und kam in 
der heſſiſchen Zeit (1803) als Hoffammerrat an die heififhe Rent: 
fammer in Arnsberg. ALS in der preußifchen Zeit die Funktionen der 
Hoffammer an die Negierung übergingen, wurde E. zum Dirigenten 


») Vieles nah) Seiberk, Weſtf. Beiträge, und Raßmann, Leben 
münjterländifcher Schriftiteller. 


Berühmte und bekanntere Arnsberger. 579 


der Liquidationsfommifjion ernannt, die die preußifcherjeitS von Helfen 
übernommenen Rüdjtände abzumwideln beauftragt war. Nachdem €. alle 
Geſchäfte jeines neuen Wirfungsfreifes beendet und mehrere Auszeich— 
nungen erfahren hatte, ftarb er 1833 nad einem 85 Jahre langen, 
arbeitjamen Leben. Er hat an 62 Jahre als Staatsbeamter gedient. 

J. J. Ejjer aus Bonn, Sohn des vorigen, befannt durch zahl- 
reihe Schriften juriftiichen und anderen Inhalts, trat 1805 als Groß— 
herzoglich-⸗Heſſiſcher Hoffammeracceffift in Arnsberg in den Staatsdienft. 
1810 wurde er zum Hoffammerrat in U. ernannt, 1816 bei der 
preußiſchen Regierung als Rat angejftellt. 

F. % Sommer!) aus Kirhhundem, geboren 1793, ftubdierte 
in Gießen, verließ dieſe Univerfität 1811 nad bejtandenem Eranıen, 
wurde 1812 aud von dem Hofgerichte und der Negierung zu Arnsberg 
geprüft?) und dann in beiden Kollegien als Acceß zugelaffen. Im 
Jahre 1813 wurde er unter die Zahl der Hofgerichtsadvofaten auf- 
genommen, erhielt aber ſchon im Dftober diejes Jahres die Erlaubnis, 
bei feinem Vater in Kirhhundem wohnen zu dürfen. Im Jahre 1819 
ernannte ihn die Umiverfität Gießen zum Ehrendoftor. Durd) zahllose, 
teilweife unter dem Pſeudouym Westphalus Eremita heraus- 
gegebene Schriften meift juriftiichen Inhalts erregte er die Aufmerkſam— 
feit weiterer Kreife. Ym Jahre 1820 Hatte er das Unglüd, daß ein 
großer Teil feiner Bibliothek und ein wertvolles Manuffript durch eine 
Feuersbrunft zerftört wurden. Der Schwerpunkt der Thätigfeit eines 
Anwaltes beruhte in jener Zeit in den bei den Gerichten einzureichenden 
Schriftſätzen, da das mündliche Verfahren noc nicht beftand. War 
perjönliche8 Erjcheinen erforderlich, jo wurden die Akten vor den Sattel 
geichnalft, und dann ging's über Berg und Thal nad Bilftein oder 
Arnsberg. ALS das preußische allgemeine Landrecht (1825) das münd— 
liche Verfahren anordnete, fiedelte S. nad) Arnsberg über und Faufte 
jih auf dem Brüdenplate an. Seine Praxis wuchs mehr und mehr. 
Bejonderes Anſehen genoß er, der durch eine frühere Schrift auf das 
Geſetz über die gutsherrlicen und bürgerlichen Verhältniffe (1820) Ein- 
fluß gehabt hatte, bei tem Bauernftande, zumal, nachdem er den acht 
Dörfern der Soefter Börde gegen die Stadt Soeft zu ihrem Rechte 
verholfen hatte. Jene Dörfer widmeten ihm einen ftattlihen Pofal von 
fünftlerifcher Arbeit, der von einer „Juſtitia“ gekrönt ift, und 20 Jahre 
jpäter einen filbernen Tabakskaſten. Er trat in Beziehungen zum Ober» 


) Jörg u. Binder: Hiftorifch-politifche Blätter, München 1893, ©. 1 ff. 


2) Die heffifchen Kollegien in Arnsberg nahmen die juriftifchen und 
medizinischen Staatsprüfungen ab. 


37* 


580 Preußiſche Zeit. 


präfidenten v. Binde. „Zuſammen, oft im blauen Fittel, ritten die 
beiden Männer dann wohl durd) das Land, deſſen Wohl fie, wenn aud) auf 
verjchiedenem Standpumfte ftehend, doch beide redlich erjtrebten." . Höhere 
Ämter ſchlug S. aus; er blieb in Arnsberg bis zu feinem Tode, der 
infolge eines Herzleidens am 13. November 1856 erfolgte. — Unter 
S.'s fahmwiffenihaftlichen Arbeiten ift die bedeutendfte die Herausgabe 
bes „Neuen Archivs für Preußifches Recht und Verfahren ꝛc.“, von dem 
jeit 1837 jährlih ein Band erjdien; im ganzen find 19 ediert worden. 
Bon bejonderem Intereſſe find feine mehr politiihen Schriften, weil 
viele Säge im ihnen auf gegenwärtige Verhältnifje angewandt werden 
fünnen. Es feien erwähnt die Schrift „Über die Glaubwürdigkeit der 
deutfchen Juden“, die in ein Caveant consules ausflingt; „Über das 
rechtliche Verhältnis Roms zu Deutſchland“ und „Bon der Kirche in diefer 
Zeit“, in der er für „Unabhängigkeit der Kirche” eintritt. Die lettere 
Schrift brachte ihm Joſeph v. Görres und Graf Fr. 2. Stolberg nahe. 
Johann Suibert Seiberk, der „Neftor unter Weftfalens 
Hiftorifern”, hat vornehmlich in Arnsberg gewirkt und hier feine un: 
fterblichen Werke gejchrieben. Er wurde am 27. Nov. 1788 zu Brilon 
geboren, machte in Arnsberg unter der Leitung des Geheimrats E. Arndts 
juriftiiche Vorftudien, fegte hier vor dem Großherzoglih-Hejfishen Juſtiz— 
und Verwaltungsfollegium jeine Prüfung ab, und wurde 1811 hier als 
Hofgerihtsadvofat angenommen. 1823 wurde er adminiftrierender Juſtiz— 
amtmann in Rüthen, 1829 definitiver Yuftizamtmann in Brilon. 
1837 fam er als Rat an das Land- und Stadtgeridyt nad) Arnsberg. 
Hier wirkte er fpäter als Kreisgerichtsdireftor. Nach der Feier feines 
Dienftiubiläums am 20. Juni 1860 legte er fein Amt nieder und lebte 
fortan nur noch der Geſchichtsforſchung. Er gründete den „Hiftorifchen 
Berein” mit dem Sit in Arnsberg und redigierte die von dieſem feit 1861 
edierten „Blätter zur näheren Kunde Wejtfalens", die nach feinem 
Tode bis zum Jahre 1884 weiter erjhienen find. Er jtarb im 
Jahre 1871 zu Arnsberg, Es iſt unmöglid, an diefer Stelle alle 
Verdienſte des auf dem Gebiete der Wiſſenſchaft unermüdlich thätigen 
Mannes zu würdigen und eine Überficht über feine ungemein fruchtbare 
litterariihe Thätigkeit zu geben. Auf feine Hauptwerfe: „Weftfälifche 
Beiträge zur deutſchen Geſchichte“ 2 Bde. (Darmftadt 1819 und 1823), 
„Urkundenbud zur Yandes- und Rechtsgeſchichte Weſtfalens“ (3 Bde, 
Arnsberg, 1839—1854), „Quellen der wejtfäliichen Geſchichte“ (3 Bde., 
Arnsberg, 1857—1867), „Landes⸗ und Nechtsgejchichte des Herzogtums 
Weitfalen” (5 Bde, Arnsberg 1845— 1864), und auf viele feiner 
Hleineren Schriften iſt im diefem Buche häufig verwiejen worden. 


Eifer, Sommer, Seibert, Arndts, Pieler u. a. 581 


Ludwig Arndts,!) Ritter von Arnesberg, bedeutender Juriſt, war 
geboren am 19. Auguft 1803 zu Arnsberg, wo er aud) das Gymnaſium 
beſuchte. 1837 wurde er auferordentlicher, 1839 ordentlicher Profeffor, 
war feit 1844 in München Mitglied der Gejegesfommiffion und mit 
der Entwerfung eines bürgerlichen Gejeßbuches beauftragt. Im Fahre 
1848 wurde er in die Frankfurter Nationalverfammlung gewählt, eı 
gehörte der großdeutjchen Partei an. Ceit 1855 Brofejfor des öffent- 
lihen Rechts in Wien, feit 1867 Mitglied des öfterreichifchen Herren» 
hauſes, 1871 geadelt. Er ſtarb am 1. März 1878 in Wien. Seinen 
Namen hat er durch bedeutende juriftiiche Werke verewigt. Seine als 
Komponiftin und Novelliftin bekannte Gattin Maria geb. Vejpermann 
war in erſter Ehe mit Guido Görres verheiratet. Arndts hat an dem 
Arnsberger Gymuafialjubiläum im Jahre 1843 teilgenommen. 

A. Schlüter, tüchtig als Philologe und Schulmann, aus Münfter, 
war von 1824 bi8 1846 am Gymnaſium zu Arnsberg thätig; 1846 
wurde er Direktor de8 Gymnaſiums in Koesfeld. Eine Zeit lang jette 
er nad feiner Anftelung auf Anordnung und mit Unterftügung des 
Minifteriums feine Studien in Berlin weiter fort (1828). 

Wilhelm Seifjenfhmidt, hervorragend verdient um die Ge— 
hichte Arnsbergs, wurde 1802 zu Belede geboren, beſuchte von 1813 
bis 1818 das Gymnaſium zu Arnsberg, wurde 1835 Affeffor am Hof: 
gerichte dafelbft, darauf Bürgermeifter der Stadt Arnsberg (j. ob.) und 
ftarb als Rechtsanwalt (Yuftizrat) und Notar am 5. Juli 1871. Seine 
Abhandlungen find zum Teile in diefes Buch unverändert aufgenommen. 

Wilhelm Wulff, geborener Arnsberger, VBerwaltungsbeamter 
von Ruf, Ober-Landesgericht3-Referendar, wurde mit 26 Jahren Bürger: 
meifter feiner Vaterſtadt und ftarb 1892 im Alter von 76 Jahren in 
Münfter. Des verdienten Mannes ift wiederholt von uns Erwähnung 
gethan. 

Liebrecht, ausgezeichneter Verwaltungsbeamter, gab eine „Topo— 
graphifch-ftatiftiiche Bejchreibung des Neg.-Bez. Arnsberg heraus (1867). 

Franz Ignatz Pieler, jehr verdient um die Geſchichte Arne» 
berg3, gebürtig aus Soeft, LXehrer des Arnsberger Gymnafiums von 1828 
bis zum 1. Oftober 1865, wo er in den Ruheſtand trat; ftarb 16. Sept. 
1883 zu Dortmund. Seine Schriften, teils wifjenfchaftliche Arbeiten, 
teils Hiftorienmalereien, find häufig von uns citiert worden. - 

DB. Féaux aus Münfter, Verfaſſer vieler mathemathijcher Lehr: 
bücher, wirkte hier als Lehrer am Oymnafium von 1866 bis zu 


1) Die jegt in Rumbed und Unna anfäffigen Familien Arndts ftammen 
bon der alten Arnsberger Familie ab. 





582 Preußifche Zeit. 


einem Tode 1879. F. ift der Erfte, der an der Münfter’fchen Alademie 
zum Doktor der Philofophie promovierte (1844). 

P. Hake aus Meggen, hervorragend als Kanzelveduer, Verfaſſer 
exegetiſcher und apologetiicher Werke, war von 1860 bis zu jeinem 
Tode 1894 al3 Neligionslehrer am Gymnafium thätig. Er wurde am 
7. DOftober 1868 zum Ehrendoftor der Theologie promoviert. 

K. Tücking aus Ahaus, verdient durch feine in diefem Werke viel 
benugten geſchichtlichen Forſchungen, war von 1865 bis 1873 am hiefigen 
Gymnafium thätig. Er ift feitdem Direktor des Gymnaſiums in Neu. 

E. Seiberk aus Brilon, Profeffor, hervorragender Zeichner und 
Maler, lebt feit vielen Jahren in Arnsberg, dem Wohnorte jeines 
Baters, des großen Hiftorifers. Hauptwerke: Die Zeichnungen für die 
Eotta’jche Ausgabe von Göthe's Fauft (1848—1852), Wandmalereien 
im Marimilianeum in München (1853). Seine Erfindung, die Stereo: 
hromie mit trodenen Farben auszuführen, brachte ihm den Michaels— 
orden ein. Seine Porträts find wegen geiftvoller Auffaſſung berühmt. 

Yohanna Balk, weit über die Grenzen ihrer Heimat hinaus 
befannt und gefeiert als „die Weſtfäliſche Dichterin”, Verfafferin zahl: 
reicher Gedichte und Geſänge meift patriotifchen Inhalts, ift aus Arns— 
berg gebürtig und lebt und jchafft im ihrem Geburtsorte. 

A. Ziegler, Rechnungsrat an der Regierung (1816), €. Schlüch— 
ter, Stadtrentmeifter und Kaufmann, geb. zu Arnsberg 1774, Vieth, 
verdienter Rektor der Knabenſchule, haben fi durch mufifaliihe Kom», 
pofitionen, Schlüter aud durch Dichtungen hervorgethan. — H. J. 
Auer und fein Sohn J. W. Auer, jüdifhe Ärzte am Medizinal- 
folfeg in Arnsberg, machten fi durd medizinische Schriften befannt, 
namentlid) der lettere. Diejer wurde 1811 als Amtsarzt nad) Mars: 
berg berufen, trat dann zum Chriftentum über und wurde 1814 Direftor 
der neuen Irrenanſtalt. — F. F. Beds, BProfeffor der Naturwifien- 
haften in Münfter, befannter Geognoft, bejuchte 1819—25 das Gym: 
nafium in Arnsberg. — H. Bone, der Herausgeber deutjcher Lejebücher, 
befuchte Ende der zwanziger Jahre das Arnsberger Gymnaſium. — 
Fr. Th. Boele (1833—37 am hiefigen Hofgeridt), und K. T. Ulrid, 
jpäter Obertribunalsrat, Mitherausgeber des Neuen Archivs ꝛc. 
(. Sommer). — J. M. Gierfe, juriſtiſcher Schriftfteller, war 
Arnsberger Abiturient und beftand hier die Augfultatorprüfung. — 
G. Struenfee, der befannte Novellift (‚Guſtav vom See"), war in 
Arnsberg Regierungsreferendar. — F. W. Grimme, der fauer- 
ländifche Dichter, war in Arnsberg Probefandidat (1853). Desgleichen 
2. Eongen (1860), Berfaffer einer preisgefrönten Schrift, Direktor 


Chronit 1861—1846. 583 


in Eſſen. — Desgleihen A. Göbel, bekannter philologifcher Schrift- 
fteller, Provinzial-Schulrat in Fulda. — F. Schul, der jüngjt ver: 
ftorbene Geheime Regierungs- und Provinzial-Schulrat in Münfter, 
war am Arnsberger Gymnafium von 1839—44 thätig. — W. Stord, 
Geheimrat und BProfeffor an der Akademie in Münfter, bejuchte 
1845—50 das Arnsberger Gymnaſium. — % Wormftall, 
Profeffor am Gymnafium zu Münfter, Verfaffer hübſcher Gedichte und 
einiger hiſtoriſchen Schriften, ift aus Arnsberg gebürtig und dafelbft 
vorgebildet. — F. Wüllner, 1832 Direktor in Düffeldorf, namhafter 
Philologe, ift in Arnsberg vorgebildet (1816—1820) — J. R. Köne, 
Germanift, von Friedrih Wilhelm IV durd Verleihung der Goldenen 
Medaille für Wiffenfchaft ausgezeichnet, abjolvierte 1823 das Gymnaſium 
zu Arnsberg und bezog die Univerfität Bonn. „Damals bildete eine 
ziemlich, große Anzahl von Schülern des Arnsberger Gymnaſiums eine 
wiſſenſchaftliche Geſellſchaft, der fich aud andere Gleichgeſinnte anſchloſſen, 
wie Wüllner, Grauert, Gryſar. Das war eine fehr innige, herzliche 
Geſellſchaft, deren Mitglieder einander ſehr fürderten.” — M. Sprids 
mann-Kerkerink, gebürtig aus Münfter, war 1840 Direktor des 
Arnsberger Stadt- und Landgerichtes, 1845 Oberlandesgerichtsrat dajelbft, 
wurde 1847 ins Yuftizminifterium berufen und war dort hervorragend an 
der Gefetgebung beteiligt. — %. Stieve, 1866 vortragender Rat im 
Kultusminifterium, war 1829 Oberlehrer in Arnsberg. — Die Bifchöfe 
Drobe, Drepper und Freusberg waren in Arnsberg als Kapläne 
thätig. — Herrfurth, Minifter des Innern, war längere Zeit an 
der Regierung zu Arnsberg thätig (bis 1873).') 


Burze Chronik?) 
Ereignifje von 1816—1846. 

1816. „Den 1. Mai zog eim fürdhterliche8 Gewitter aus Oſten 
mit einem foldhen Platregen, Hagel 2c. gegen ung an, daß man glaubte, 
eine zweite Sündflut würde den ganzen Erdboden erfäufen. Die Folgen 
waren ſchrecklich. Die ganze Atmojphäre hatte ſich gleichſam in einen Deich 
verwandelt, der unjern Erdfreis eilf volle Monate hindurch faft täglich 
dergeftalt bewäfjerte, daß unfere Feldfrüchte und Gartengewächje größten» 
teil8 verfaulten; mehrere Fruchtfelder und Wiefen blieben fogar un- 
gemähet ftehen, und das Wenige, welches gejammelt worden war, hatte 
fein Gebdeihen. Hierauf trat eine ungeheure Teuerung ein. 


1) Borjtehende Notizen, vornehmlich über bereits Verſtorbene, gebe ich 
ſchlicht, wie ich fie gefunden, in befter Meinung und ohne irgendivie präju= 
dizieren zu wollen, 

, Nicht aufgeführt find die in den vorigen Kapiteln erwähnten Ereigniffe. 





584 Preußifche Zeit. 
Die Mütte Roggen, Arnsbergiihen Mafes, koſtete 8 Rthlr. 


n " Weizen, n " m 10 n 
" m Gerfte, " " „ 6 " 
„Hafer, 4 


Ein jehspfündiges, kaum genießbares Brod erjtieg zulett den Preis 
von 36 Stüber; endlich trat jogar wirklicher Mangel an Korn ein, und 
wenn uns hier nicht durch die natürliche Fürforge unferes guten und 
milden Königs, vermittelft des uns zugejendeten Dftjee-Korns wäre 
ausgeholfen worden, jo würde ein großer Zeil der Menjchen den 
Hungertod geftorben fein." (Hüfer.) 

1818. „Den 27. Juli zog ein ſchweres, fürdhterliche8 Gewitter, 
ihwarz wie die Nacht, aus Nordoften gegen uns an; es war vom den 
ſchrecklichſten Feuerftrahlen begleitet und fchleuderte feine verheerenden 
Flammen in die auf dem höchjten Gipfel der Stadt belegene Behaufung 
der Wittwe Taprogge ein. Das Dad) des Haufes ftand zwar gleid) 
in vollen Flammen; durch die herbeigeeilte ſchleunige Hülfe wurde das» 
jelbe gleichwohl größtenteils gerettet und einem weiteren Unglüde vor: 
gebeugt." (Hüfer.) 

1830 zerftörte im Februar der Eisgang die Jägerbrücke. Im 
Juli Gründung einer Freimaurerloge (Weftphalia zur Eintradt). 

1831. Am 7. Januar abends 9,8 Uhr war ein Meteor am 
nördlichen Himmel fichtbar, das den Schein eines Brandes ermwedte. 
In der Naht vom 27. auf den 28. Auguft weilte hier die Königin 
von Holland mit großem Gefolge auf der Reife von Berlin nad) Haag. 

1833. Am 6. Mai führte der feit 1808 in Arnsberg beftchende 
Mufifverein unter Eckardt's Leitung Haydn's große muſikaliſche Meſſe 
Nr. 2 auf. ES war nad der Verfiherung eines Kritikers das erſte 
Mal, dag man feit den Zeiten des Abtes Fiſcher wieder großartige 
Mufif zu hören befam. 

1834. Vom 13. bis 15. September weilte der Yuftizminifter 
Mühler hier und präfidierte bei einer Situng des Hofgerichtes. 

1836 wütete im November ein Orkan. Lebensmittelpreije: ein 
Pfd. Nindfleiih 2 Sgr. 8 Pf., ein Pfd. Kalbfleifh 2 Sgr. 2 Pf., ein 
jchspfündiges Schwarzbrod 3 Sgr. 2 Pf. 

1837. Dom 5. April an fchneite es Tag nnd Nacht bis zum 
10. April, der Schnee lag in der Stadt vier Fuß hoch. Die Boft von 
Köln kam mit act Pferden, die Poſt nad) Brilon Tonnte nicht durch— 
fommen. In den Wäldern blieb der Schnee bis zum 23. April liegen. 
Am 25. d. M. entlud fich ein furchtbares Gewitter. 

1838 herrjchte anhaltende Kälte bis zum Mai; der Mai war bis 


Notjtände 1846 und 1847. Brand der Altjtadt, 585 


zum 11. warm, dann trat wieder Schneefall ein. Das Eis auf der 
Nuhr war während des Winters wohl 3 Fuß ſtark. 

1840/41 war ein jehr firenger und anhaltender Winter. Im 
Dezember herrſchte ftarfer Froft. Am 8. Januar 1841 fiel fo hoher 
Schnee, daß die Verbindungen geftört wurden. Am 14. trat Taumetter 
mit ftarfeın Eisgang cin. Am 17. unerhörte Flut, die Fußbrücke bei 
Dbereimer wird weggeriffen; im ganzen Thale bilden ſich Seen. Vom 
24. bi8 30. Januar wechſelndes Wetter, dann wieder ftrenge Kälte bis 
zum 12. Februar. Am 13. Tauwetter und großer Eisgang, bedeutender 
Schaden. Dann einige Frühlingstage und am 29. Februar Anbrud) 
eines dritten Winters. Am 10. März Eintritt von Frühlingswetter. 

1841. Am 11. September paffierten der Prinz und die Prinzeffin 
der Niederlande nebft Tochter und hohem Gefolge auf ſechs Schsipännern 
die Stadt. 

1842. Auf einen harten, langen Winter folgte ein heißer, dürrer 
Sommer, jo daß das Biehfutter ꝛc. Schlecht geriet. Die Ruhr hatte von 
Oſtern bis Nikolai ganz niedrigen Wafferftand. Die Brunnen verfiegten. 
Es folgten peftartige Krankheiten. Am 24. Auguft wurden in einem 
Garten füße, vollfaftige rote Trauben gejchnitten. 


Notftände 1846 und 1847. Brand der Altftadt. 


1846 wurde durd Mißernte der Kartoffeln (Fäule) ein Notftand 
hervorgerufen. Infolge eines Aufrufes gingen 474 Thlr. Unterftütung 
ein; es wurden für 266 Thlr. Kartoffeln angefauft und unter die 
Armen zum Pflanzen verteilt. Jedoch trat im Winter auf 1847 ein 
neuer Notftand ein. Im Januar koſtete ein 6 pfündiges Schwarzbrot 
7 Sgr., 1 Centner Kartoffeln 3 Thlr. 10 Sgr. Dabei herrichte an— 
dauernde Kälte. Von den eingegangenen Unterftügungsgeldern (670 Thlr.) 
wurden 500 Thlr. zur Einridhtung einer Suppenanftalt aufgewendet. 
Diefe teilte an 270 Familien täglich 270 Portionen nahrhafte Suppen 
aus. Die Preife ftiegen immer mehr und jhlieklic rapide; ein 6 pfünd. 
Schwarzbrot Foftete am 3. April 7 Sgr. 11 Pfg., am 8. Apr. 8 Sgr. 
6 Pig., am 1. Mai 9 Sgr. 5 Pfg., vom 8.—15. Mai 10 Sgr. 4 Pfg., 
vom 15.—22. Mai 10 Sgr. 10 Pfg., vom 22.—29. Mai 11 Sgr.! 
Dann fingen die Preife erjt wieder am zu finfen; aber noch am 7. Auguft 
foftete da8 Brot 6 Sgr. 8 Pig. Als dann der Preis am 14. Auguft 
wieder annähernd normal war (4 Sgr. 6 Pfg.), wurden die unglücklichen 
Bewohner der Altftadbt dur ein noch gräßlicheres Unglüd heimgeſucht, 
einen jchauerlihen Brand. 

„Das Feuer brach am 17. Augujt 1847 etwa um 6 Uhr morgens 


586 Preußiſche Zeit. 


auf der Schloßftrafe in dem Haufe des Metzgers Bönner aus (zur 
Zeit ift Herr Völlmecke Befiger de8 Grundſtücks). An den vorher: 
gehenden Tagen hatte trodenes, heißes Sommerwetter geherrſcht, jo daß 
ein empfindlicher Waffermangel eingetreten war. Dabei trieb der Oſt— 
wind die Flammen nad) der oberen und unteren Soefterftraße hin. In 
diejen Straßen waren die meiften Häufer und Häuschen mit jogenannten 
Spahndächern bededt, welche, von der Hite vollſtändig ausgedörrt, wie 
Zunder zu brennen anfingen und bald in helfen Flammen ftanden. An 
der Ede der unteren Soefterftraße und der Bergftraße ftand und fteht 
noch heute Limps-Turm. In demfelben wurden damals Landftreidher 
oder ſolche Leute, welche ſich leichterer Vergehen ſchuldig gemacht, unter: 
gebracht. Am Morgen des Unglüdstages faßen num mehrere Perſonen 
in dem Turme, welche in der Aufregung vollftändig vergeſſen worden 
wären, wenn nicht eine Jungfrau die Geiftesgegenwart bejejjen hätte, 
während des Brandes zum Nathaufe zu eilen und von dort her den 
Eingejchloffenen Hilfe zu holen. Doc konnten die Retter nur von der 
Chauffeeftraße und der untern Bergftraße aus zu ihnen gelangen, da 
der Rauch und die ftürzenden Balfen den Zugang von der Altjtadt aus 
verhinderten. Der Brand dauerte bis 6 Uhr abends. Soweit die Ab: 
gebrannten nicht bei Verwandten oder Bekannten Unterkunft erhielten, 
mußten fie mit der geringen Habe, die gerettet war, im Freien über: 
nadten. Das Feuer verzehrte die zwiſchen Feislachen Scheune und 
dem Haufe des Wirtes Adolf Menge gelegenen Häufer. Außerdem 
brannten die obere und die untere Soefterjtraße (jet Niederftraße 
genannt) ganz ab; die lettere ift bis Heute nicht wieder aufgebaut. 

Zur Ergänzung diefer von Köhler (Königsdenkmünzen, S. 39) gegebenen 
Darjtellung diene folgendes. Bereits in drei Stunden hatte das Feuer fein 
Hauptwerk gethan, fodaß die von allen Seiten, von nah und fern, herbeis 
geeilten Feuerwehren fchon das größte Unheil vollendet fahen, ehe fie in Thätig— 
feit treten konnten. Amtmann Koffler don Hüften zeichnete ſich am Limps— 
thor durch Kühnheit aus. ES brannten nieder 42 Wohnhäufer und 36 Neben: 
gebäude ;') 112 Familien mit nahe 500 Berfonen wurden des Obdachs be- 
raubt! Die furchtbare Not zu lindern, bildete fich fofort ein Hülfsfomitee mit 
5 Ktommiffionen. Diefem gelang es innerhalb dreier Tage die Abgebrannten 
ſämtlich unterzubringen. Der Negierungspräfident Graf von Itzenplitz erlich 
an fämtliche Landräte, Magiftrate ꝛc. feines Bezirke eine Aufforderung, 
Unterftügungen zu ſammeln. Diefe wurden denn aucd) recht reichlich gefpendet, 
nur die in Ausficht gejtellte jtaatliche Unterftügung blieb, abgefehen von einer 
Spende der Kgl. Regierung im Betrage von 150 Thlen., infolge der politijchen 


i) Die Berfiherungsfumme aller Häufer betrug an 23000 Thlr. Die 
meijten Häufer waren bis zu */, ihres Wertes verfchuldet. 


Die Jahre 1848 und 1849. 587 


Bewegungen des Jahres 1848 aus. ES liefen Beiträge aus 120 Ortfchaften 
ein; die größte Summe Fam aus Bielefeld (222'/, Thlr.), die zweitgrößte 
aus Werl (205%, Thlr.); die Geſamtſumme belief ſich auf 6223 Thlr. 
Dagegen wurde der Schaden auf 14 640°, Thlr. abgejchätt. Nachdem Die 
Abgebrannten am 29. Dezember aufgefordert waren, den Wert ihrer zer 
jtörten Gebäulichkeiten anzugeben, begann allmählic) die Berteilung der Gelder, 
was nicht ohne viele Berdriehlichkeiten, Proteſte 2c. abging. Bezüglich des 
Bauplanes tauchte dev Gedanke auf, die Altjtädter im Thale anzufiedeln; 
dies Projekt wurde mit Entrüftung aurüdgetviefen, da man doc die Ärmſten 
nicht aus der Scylla in die Charybdis, aus dem Feuer in das Wafler ſetzen 
fönne. Daher wurde ein neuer Bauplan für die Altjtadt entworfen; es 
wurden geradlinige Straßen angelegt, für einen foliden, gleihmäßigen Boden 
plan wurde geforgt und es entjtanden ziwar befcheidene, aber doc) ordentliche 
Häufer, die nicht, wie früher, mit Schindeln, ſondern mit Schiefer bedeckt wurden. 
Die Jahre 1848 und 1849. 

Während man noch ſchwer unter den Folgen der Fenersbrunft 
und der Teuerung litt, teilte fi) die durch die franzöfiiche Revolution 
und die jüngften Ereigniffe in Berlin Hervorgerufene Aufregung der 
Gemüter auch den hieſigen Bürgern mit.) „Die allerhödhfte Botſchaft 
vom 18. März hat aud im unferer Stadt freudige Hoffnung für die 
Zukunft und die Verbeſſerung unferer Zuftände gewedt. In einer 
allgemeinen Jlumination am 23., im Auffteden der ſchwarz-rot-goldenen 
Fahnen gab ſich die Freude Ausdrud. Bei aller Aufregung haben wir 
bis jett feine erheblichen Exzeffe zu beflagen gehabt; dieje find aud) von 
den Einwohnern nicht zu fürdten. Zur Aufrechterhaltung der Ordnung 
und zur Abwehr etwaiger Exzeſſe von außen hat fi eine Bürger» 
wehr von nahe 500 Mann gebildet." 

Bericht vom Mai: „Die Aufregung dauert noch an, Exzeſſe find 
auch bis jett noch nicht vorgefommen. Die feit acht Wochen von Zeit 
zu Zeit ftattgehabten VBolfsverfammlungen in hiefiger Stadt tragen einen 
durchaus friedlihen Charakter." 

Juli: „Exzeſſe find nod) nicht vorgefommen. Die hiefige Bürger: 
wehr verjieht nocd) immer den Nachtwachedienſt.“ 

27. September: „Der am gejtrigen Abende vorgefommene Exzeß 
ift befannt. Infolge desjelben hat die Bürgerwehr die Aufrechterhaltung 
der Nuhe durch Wiedereinrichtung der Nachtwache und Patronille wieder 
übernommen. Übrigens dürfte es geraten fein, vor Einbrud) des Winters 
für Beichäftigung der Arbeiter zu ſorgen.“ 

27. November: „Die Aufregung Hat ſich jüngft wieder jehr 
gefteigert. Der Erzeß, der Fürzlich vorgefommen ift, indem nad) Schluß 
einer Bolfsverfammlung ein Haufe Menjchen die Fenfter der Wohnung 


= ) Zeitungsbericht des Bürgermeiſters Wulff. 


588 Preußifche Zeit. 


des Yuftizrat3 und Abgeordneten Dr. ©.!) zertrümmert hat, ift bereits 
zur Kenntnis gekommen. Der Bürgerjchugverein hat ſich neu organifiert, 
um bis zur Ausführung des neuen Bürgerwehrgejeges für Aufrechts 
erhaltung der Ordnung mitzuwirken.“ Es wird dann weiter berichtet, 
daß die neuerbauten Häufer an der Soefterftraße bereit3 bezogen feien. 
jowie daß von der VBerdienftlofigfeit Schlimmes zu befürdten wäre, wenn 
nicht anderweit Abhilfe gejchafft würde. 

26. Mai 1849. „Außer den bereits bekannten Vorfällen vom 
11. und 13. d. M., die übrigens ohne weitere Bedentung waren, find 
feine Exzeffe vorgelommen. Sie haben nur veranlaßt, eine Bürgerwehr 
zur Verſtärkung der polizeilichen Kräfte einzurichten. Die Auflöfung 
der zweiten und die Vertagung der erjten Kammer, jowie die Richtung, 
weldye die Regierung Sr. Majeftät zur Löſung der deutjchen Frage ein: 
geichlagen, haben bei einem ſehr großen Zeile des gebildeten Publikums 
feine Billigung gefunden. Die Auflchnung der Etädte Iſerlohn?) und 
Elberfeld hat jedod hier entjhiedene Mißbilligung gefunden, mögen 
auch cinzelme jenem Aufftande förmlich Vorſchub geleijtet haben. Die 
jtattgehabten Durchmärſche und die Verlegung eines Detachements des 
13. Infanterie-Regiments in hiefige Stadt zum Schut der öffentlichen 
Kafjen und Behörden find befannt.“ 

26. Juli 1849. „Die frühere Aufregung hat einer ruhigeren 
Stimmung Pla gemadt. Das Detachement des 13. Infanterie— 
Negiments ift dur eine Kompagnie des 33. Yandwehr-Regiments in 
einer Stärke von 166 Mann abgelöft worden.“ 


Ereignijje von 1850—1870. 


1850. Der Schnee ift mit einer ungewöhnlich großen Flut ab- 
gegangen. Die feit 1849 in Arnsberg fantonierte kombinierte Land— 
wehrfompagnie hat Ende Februar die Stadt verlajjen. 


1852. Im Auguft brach die Ruhrepidemie aus. Das Gym: 
naſium begann erft wieder am 21. Oktober ftatt am 6. den Unterridt. 
Die Epidemie erlofch im November. — Die Preiſe der Nahrungsmittel 
ftiegen in diefem Jahre jo hoch, daß wieder eine Suppenanftalt ein- 
gerichtet wurde, in der 85 Kinder 122 Tage täglich ihr Mittagsbrot 
erhielten. Diefe Wohlthätigfeit wurde aud in den Jahren 1854 und 


1) Sommer (f. o.), Abgeordneter für den Wahlkreis Brilon, gehörte zur 
fatholifchen, zum Könige jtehenden Partei. 

2) Hier fam es zu einem Straßenkampfe, in dem 2 vom Militär und 
34 Infurgenten fielen. 


Chronit 1850—1870. 589 


1855 geübt. — Am 10. Dftober jpendete der hochw. Biſchof von Pader- 
born das h. Saframent der Firmung. 

1853. Am 8. Juli richtete ein Hageljchlag weiter ruhraufwärts 
großen Schaden an. 

1854. Am Ende des durch andauernde Teuerung ausgezeichneten 
Jahres richtete eine Hochflut (27. Dezember) einen Schaden an, der 
für die Arnsberger Gemarkung auf 8—10 000 Thlr. abgefhätt wurde. 
Das Wafjer ftand 1—2 Fuß tief unter der Wölbung der Yägerbrüde. 

1855 grajfierte die Grippe, dann die Majern und Blattern (Bario- 

foiden), aber ohne weiter um fich zu greifen. Der Notjtand hält an, 
die Teuerung ift unerträglid. Aus Heffen und Waldek kommen viele 
Hungernde und Arbeitfuchende. 
1856. Am 4. April mittags 1 Uhr brad in dem Hauſe des 
Öfonomen Weber Fener aus, das fofort das von der Ober-Poſtdireltion 
als Dienjtlofal benutte Landsbergiſche Haus ergriff (S. 408). Trotz 
der jchnelfen und aufopfernden Hilfe der hiefigen Bevölkerung und der 
benachbarten Feuerwehren war es nicht zu hindern, daß beide Gebäude 
faft gänzlich in Schutt verwandelt wurden. Schreiner Lentmann zeichnete 
fi beim Löſchen aus; zum Unglüde ftürzte er aus dem zweiten Stod- 
werke umd trug mehrere Brüche davon. — Am 14. September ſchwerer 
Hagelichlag. Die Preiſe der Lebensmittel ftehen noch hod). 

1857. Infolge einer Nuhrepidemie blieb das Gymnaſium vom 
10. Auguft bis 6. Oktober gejchloffen. Am 17. November feierliche 
Einweihung des neuen Kranfenhaufes. 

1858. Erjter Bejud) des Biſchofs von Paderborn, Konrad Martin 
(8.—11. Mai); derjelbe wird mit zwölf Wagen von Breitenbrud) ein- 
geholt. — 4., 5., 11. Juli 200 jähriges Jubiläum der Schitgengefell- 
ſchaft (vgl. ©. 317 f.). Die ältefte erhaltene Königsdenkmünze ift von 
1658, daher die zur Unzeit veranftaltete Feier. 

1859 fanden infolge der Mobilmahung der preußiichen Armee 
und der fpäter erfolgenden Demobilifierung häufig Einquartierungen ftatt 
(im ganzen etwa 16 000 Mann). 

1860. Am 28. Februar wütete ein Orkan. Der Winter war 
ſchneereich. Die Forftbeamten wollten einen Wolf im Stadtwalde ge- 
jpürt haben. — Am 15. Mai injpizierte General Herwarth v. Bitten- 
feld die hier fantonierte 12. Kompagnie des Landwehr-Bataillons Mejchede. 

1861. Am 24. Januar wurde ein Nordlicht beobachtet. Un— 
gewöhnlich ftrenger Winter. Bereinzelter Fall von Poden. Die Kar— 
toffeln often infolge jchledhter Ernte 2 Thlr., durch Zufuhr aus dem 
DOften wird der Preis auf 1'/, Thlr. herabgedrüdt. 


590 Preußifche Zeit. 


1863. Am 17. März, als dem Gedenktage des „Aufruf an 
mein Volk”, wurde den Veteranen aus den FFreiheitöfriegen auf dem 
feſtlich geſchmückten Rathausjaale ein Feſtmahl gegeben. An der Aula 
de8 Gymnaſiums wurde dem Veteranen Profefjor Pieler von feinen 
Schülern ein mit Porbeern geſchmückter Silberpofal überreiht. Grün 
dung des Fatholiichen Gejellen- und des Bincenzvereines, 

1864. Am dänischen Feldzuge nahmen drei aus Arnsberg ge- 
bürtige Offiziere und 9 Gemeine teil. Ein FFrauenverein half Razarett- 
gegenftände ꝛc. beſchaffen. Weftauration der katholiſchen Pfarrkirche 
25. Sept. Einzug der Gejellen in das ehemalige Krankenhaus. 

1865. Einweihung des neuen Hodaltares in der Propſteilirche 
und Grundfteinlegung der Kreuzkapelle durch Biſchof Konrad Martin. 

1866. Am Kriege gegen Dfterreih) nahmen aus Arnsberg teil 
45 Mann in der Aufftellung gegen Böhmen, I1 inder Mainarmee, 7 als 
Erjag in den Feſtungen, 1 als Zrainhandwerfer. Das Meſcheder 
Yandwehrbataillon war zur Bejegung Scleswig-Holfteins verwendet. 
Das Bataillon wurde am 3. Dft. von der Bürgerfchaft feierlich ein- 
geholt und zur Stadt zurücgeleitet. Für die Pflege der Verwundeten 
bildete fi) im Arnsberg im Anſchluſſe an den Berliner Eentralverein 
ein Bezirfsverein, dem reiche Gaben zugingen. — Im Sommer jchwere 
Gewitter aus Nord- und Südweſt. Mißernte und Teuerung rufen 
einen Notftand unter der ärmeren Bevölkerung hervor. Ausbruch der 
Cholera. Im Magiftratsbezirke erkrankten 11 Berjonen in der Zeit 
vom 12. Auguft bis Anfang Dftober; 7 davon ftarben. Bijchöflicher 
Beſuch und Spendung der h. Firmung am 7. Mai. 8. September 
Einführung des Schiedsmanns-Fnftituts. 

1866. Im September richtet Prof. Dr. Féaux im Auftrage des 
meteorologischen Inftituts zu Berlin eine meteorologifhe Station 
in Arnsberg ein.') 

1867. An den Pocken, die jeit November 1866 grajjieren, er: 
franfen bis zum Aprit 16 Menſchen. Schwere Gewitter; am 3. Juni 
ſchlägt der Blitz ein. 

1868. Überaus warmes und fruchtbares Jahr; mittlere Tem- 
peratur des Jahres 7,93° R (über 19 über dem Mittel), de8 Dezembers 


3), Schon aus den früheren Sahrzehnten liegen Beobachtungen von 
Wormftall und Steuerrat Emmerid) dor. Der jeßige Vorſteher der Station, 
Brof. Henze, hat die mittlere Kahrestemperatur Arnsbergs neu berechnet auf 
6,72R. — 8,4 C. Die größte Wärme hat Emmerich am 25. Juni 1825 mit 
290° R. = 36,2 C., die größte Kälte am 25. Januar 1823 mit — 21,7° R. 
= — 27,1 ©. beobachtet. Bgl. Henze's Abhandlungen in der Yubiläums: 
jchrift 1893 und in den Programmen 1893 ff., Féaux, Programm 1870, 


Eröffnung der Ruhrthalbahn. 591 


5,37’ R.! Orkan am 7. Dezember (Windfälle im Stadtwalde 7620 
Kubikfuß). April. Beginn des Baues der Nuhrthalbahn. 20. Eept. 
Gründung der Arnsberger Gewerbebanf, eingetragene Genofjen- 
haft mit unbeſchränkter Haftpflicht, auf Anregung des Buchdruderei- 
befigers H. R. Stein. Es war die Zeit, wo der Wucher auch in 
hiefiger Gegeud in üppigfter Blüte ftand. Stand der Geſchäfte Ende 
1894: Mitgliederzahl 681, eigenes Vermögen 247579 ME, davon 
149343 ME. Gejhäftsanteile und 98236 Mf. Nefervefonds. Fremdes 
Vermögen 1072436 Mi. Geſamtes Betriebsfapital 1320015 Me. 

1869. Warmer Februar und April, Mai und Yuni naß umd 
falt; feine Mittelernte. 


Eröffnung der Ruhrthalbahn, 1870. 

Der Bau der Ruhrthalbahn ift für Arnsberg ohne Frage das wichtigjte 
Ereignis aus neuerer Zeit. ES Hatte lange gedauert, che das Projekt zu 
ſtande Fam, die Aktenſtöße berichten bon vielen Anjtrengungen, die die Stadt 
im Bereine mit anderen Orten machte, um eine Bahn zu befommen. In 
der Einleitung zu feinem „Ruhrthale“ erzählt Pieler: 

„Schon im Jahre 1856 wurde der Bau einer Eifenbahn im Ruhrthale 
zuerjt ernjtlih in Anregung gebracht. Es bildete fi) ein Komitee, welches 
die allgemeinen Borarbeiten für eine Ruhrtdalbahnlinie von Stabel bei Hagen 
aufwärts bis zum Hoppeke- und Diemelthal nad) Warburg ausführen lieh. 
Im Jahre 1861 trat ein neues Projekt hervor. Es follte eine eigene Bahn 
von Deuß nach Hagen und von da über Schtwerte, Langfchede, Waltringen 
nad Soejt gebaut werden, und zwar mit einer Zweigbahn nad) Arnsberg. 
Diefe Stadt erklärte fich bereit, für 100000 Markt Stammalftien zu nehmen. 
Im Jahre 1862 kam man wieder auf die Ruhrthallinie zurüd. Darauf bildete 
ih in Köln eine Aktiengefellfchaft für den Weg von Köln über Hagen, Widede 
nad) Soejt mit Zmweigbahn von Widede nad) Arnsberg. Alle dieje Pläne 
aber boten, wie fich endlich herausſtellte, feine Musficht auf eine nahe Ber: 
wirklihung. Da befchlofien die bei der Ruhrthalbahn intereffierten Städte, 
Arnsberg voran, fih an die Bergiſch-Märkiſche Eifenbahn-Gejell- 
haft zu wenden. Die Kgl. Regierung und der wejtfälifche Provinzials 
Landtag unterjtügten das Borgehen der Städte, und die Direktion ging mit 
Bereittilligfeit auf den Wunſch derfelben ein. Am 30. Juni 1866 fahte die 
Generalverſammlung einjtimmig den Beichluß der Ausführung, und hierauf 
erlangte die Gefellfchaft unterm 1. Oktober 1866 die Konzefjion zum Bau 
der Ruhrbahn von Schwerte aufwärts zunächſt bis Beſtwig unter Bedin- 
gungen, welche die Fortführung derfelben bis Warburg oder Kaſſel und die 
Ausſicht auf ihre direkte Verbindung mit Köln don Mejchede aus über Olpe 
fiherftellte. Nachdem das Bauprojeft unterm 2. März 1868 die höhere 
Genehmigung erhalten hatte, begannen hier die Arbeiten. Am 5. Mai 1868 
gefhah der erfte Spatenftid, der erjte Hammerſchlag an dem 
Schloßberg-Tunnel bei Arnsberg. Am7.März 1869 erfolgte 
die Durchbrechung des Schloßberg-Tunnels und am 1. Juni 1870 
die Eröffnung der Strede von Schwerte nad Arnsberg.” 


592 Preußifche Zeit. 


Am 18. Dezember 1871 fubren die Arnsberger zum erjten Male nad) 
Mejchede, am 1. Juli 1872 bis Beſtwig-Nuttlar, am 6. Januar 1873 endlich 
bis Marburg. Durch die Eröffnung der Bahnlinie Scherfede-Holzminden am 
15. Dftober 1876 wurde eine gerade Berbindung zwiſchen Arnsberg und 
Berlin hergeftellt, und mehrere Jahre lang haben auf diefer Strede die Jagd— 
züge zwifchen London und Berlin verkehrt. 

Die Lage de8 Bahnhofes bei Arnsberg macht einige bejondere 
Bemerkungen nötig. Am 16. September 1866 überreichte die Stadt ein bon 
Stenerrat Emmerich verfertigtes Projekt, nad) dem die Bahn durd) das Alte 
Feld mit dem Bahnhofe an der Jägerbrücke und durch den Haſenwinkel 
geführt werden follte. Dies wurde bertworfen, weil es die Bahnlinie um 
400 Ruten verlängerte und einen 300 Nuten langen Tunnel nötig machte. 
Darauf großer Zwijt: der Magijtrat richtet eine Petition an den Minijter, 
den Bahnhof auf jeden Fall an die Fägerbrüde zu legen; der Stadtberordneten- 
vorftcher beruft am 26. Dezember 1866 eine Stadtverordnetenverfammlung, 
die jich für den Bahnhof bei Menge ausſpricht. Diefer Borjchlag wurde von 
der Eifenbahndirektion aus dem Grunde zurüdgemwiefen, weil er außer dem 
Echloßbergtummel auch noch einen Haartunnel nötig machte, deflen Anlage 
240 000 Thlr. Mehrkojten verurfacdht haben würde. Am 28, November 1867 
wurde das Projekt der Direktion der Gemeindevertretung zur Äußerung vor: 
gelegt. Der Bahnhof follte an den Lüfenberg zu liegen kommen! Hierauf 
einigten ſich die jtädtifchen Kollegien wieder und erklärten einftinnmig, daß dies 
die allerungünſtigſte Lage für die Stadt fei. Aber der Erfolg bat leider 
gelehrt, daß diefe Erklärung wie auch jpätere Bemühungen vergeblich waren. 


Teilnahme am Feldzuge mit Franfreid 187071. 


Die großartigen Erfolge der deutſchen Waffen wurden von der 
ganzen Bevölkerung mit ſtets fteigernder Begeiſterung verfolgt.') Die 
Siege wurden in üblicher Weife mit Glodengeläut, Ranonendonner, 
Illuminationen gefeiert. Das Gymnaſium, aus deffen Mitte manche 
zu den Waffen geeilt waren, veranftaltete nad) jeder bedeutenden Sieges— 
botjhaft einen Fackelzug durd) die Straßen der Stadt. Mehrere Wohl- 
thätigfeitSvereine waren thätig: der Preußenverein für den Negierungs- 
bezirk Arnsberg zur Pflege im Felde verwundeter oder erfranfter Krieger; 
der Baterländijche Frauenverein; der Bürgerverein zur Unterftügung der 
Familien der zum Heere einberufenen Bewohner Arnsbergs. Eine 
größere Sendung von Liebesgaben wurde den vor Met lagernden 
Truppen am 29. Septeinber von zwei Arnsberger Bürgern (d’Hauterive, 





-) Die 9. R. Stein'ſche Buchdruderei, der die amtlichen Depejchen 
vom Kriegsichauplage über Berlin ſtets auf dem fchnelliten Wege zugingen, 
brachte diejelben jofort, 06 Tag oder Nacht, durch Ertrablätter des „Eentral: 
Volksblattes“ zur Kenntnis des Publikums. Bei Eintreffen befonders wichtiger 
Depejchen wurde die Buchdruderei von den nad) vielen Hunderten zählenden 
Wipbegierigen oft geradezu gejtürmt. 


Preußiſche Zeit. 593 


Mues) überbradt. Einige Söhne der Stadt und Zöglinge des Gym— 
nafiums erwarben im Kampfe das Eijerne Kreuz, viele erlitten leichtere 
oder fchwerere Verwundungen, mehrere ftarben den Heldentod fürs 
Baterland. Die Namen diejer Braven find auf dem vom Sreije 
Arnsberg errichteten und am 27. September 1875 enthüllten Srieger- 
denkmal auf dem Neumarkfte verewigt. Es fielen am 6. Auguft bei 
Wörth und Forbach: A. Wermuth und U. v. Schhilgen, beide 
Zientenants im 2. hei. Inf.» Regt. Nr. 82, A. Ziegenbalg und 
ZT. Bertelsmann, Unteroffiziere in diefem Negimente, G. Hadjtroh, 
Unteroffizier im heſſ. Inf. Regt. Nr. 40, F. Mans und J. Reiter, 
Füfiliere; am 1. September vor Eedan: Fr. Weber und A. Böddiker, 
Unteroffiziere im 2. heſſ. Inf.Regt. Nr. 82. Vor Me ftarb am 
Typhus Hugo Lengersdorf, Schüler des Gymnaſiums, vor Epernay 
der Kandidat de8 Gymnafiums J. Schmale, Unteroffizier. 

An Beiträgen zu den SKriegsfoften zahlte die Stadt Arnsberg 
1871: 318 Thlr. 26 Gr. 10 Pf., 1872: 463 Thlr. 4 Gr. 5 Pf. 


Ereignifje ſeit 1872. 

1872. Am 3. März‘ erfter Eijenbahnunfall zwijchen Arnsberg 
und Hüften; ein Dann bleibt tot. 

1873. Im April Herrichten die Boden und das Nervenficher. 
Am 3. und 4. Juni tagte hier der Naturhiſtoriſche Verein von 
Rheinland und Weftfalen. Am 4. großer Ausflug mit Extrazug zu 
den Bruchhauſer Steinen, wo nene Anlagen gejhaffen waren. Zum 
Andenken an das herrliche Feſt errichtete der Arnsberger Verſchönerungs— 
verein auf dem Neumarkte eine Wetterjäule, 

1876. 24./25. Juli Brand der Papierfabrif. 

1882 im Februar fam eine Typhusepidemie zum Ausbruch. 
Bis März 1883, wo fie erlofh, wurden 223 Tyhhuserfranfungen, 
außerdem 62 Erkrankungen am Scharladh, 320 an den Majern ꝛc. an- 
gezeigt. Dies Ereignis veranlaßte ein emergifches Vorgehen der Re— 
gierung zur Durdführung fanitätspolizeiliher Vorſchriften. 

Im Winter 1889/90 herrichte die Influenza. 

1890. Am 12. und 13. Juni tagte hier der Verband der Kredit- 
genofjenfchaften von Rheinland, Weftfalen, Lippe und Walded; am 
5. Juli der achte Weftfälifche Juriſtentag. Ende Juli erfolgte die Bil- 
dung eines Komitees zur Gründung des Sanerländiichen Gebirgsvereing 
durch Forftmeifter Ehmſen.) Dom 29. September bis zum 6. Oftober 


1) Seit November diefes Jahres wird am Ehmfemdenktmale auf dem 
Klojterberge gebaut. 


594 Preußifche Zeit. 


Beſuch des hochw. Herrn Weihbifchofes Dr. Godel behufs Spendung 
de8 Saframentes der Firmung. Am 25. November unerhörte Hod- 
flut, vielleicht die größte de8 Jahrhunderts, „das Waller ließ nur 
noch teilweije die Wölbung der Yägerbrüde frei" (vgl. hierzu die Flut— 
höhe von 1854). Die Flut fam urplöglid. Gegen 9 Uhr morgens 
brad) der Damm an der DBleihe unterhalb der Klofterbrüde.. Nach— 
mittags bildete die Bahnhofftraße einen Strom! Alfenthalben im Thale 
mußten Menſchen und Tiere aus meterhody im Waſſer ftehenden Woh- 
nungen gerettet werden. Der Schaden war ungeheuer groß. Won 4 Uhr 
nachmittags an begann das Waffer langjam zu finfen. Am nächſten 
Tage trat ftarfe8 Froftwetter ein, das bis zum März 1891 anhielt. 

1891. Am 19. Juli erfte Generalverfjammlung des Sauer- 
ländiſchen Gebirgsvereind. 26. Juli. Bejuh des hochw. Bijchofs 
Simar von Baderborn. 

1893. Am 2., 3. und 4. April erfte Austellung de8 Vereins 
für Geflügelzudt. Am 30. Juni und 1. Juli tagte hier der 18. Weft- 
fälifche Städtetag, am 9. Juli der zehnte Weſtfäliſche Philologentag. 
18. Dftober. Jubelfeier des Gymnafiums. 


Ausblike. 

Ein furzes Schlußwort! In der neueften Zeit find vornehmlich 
zwei Gefichtspunfte Hervorgefehrt worden, um eine weitere Hebung der 
Stadt herbeizuführen. Seit die weltbefannte Firma Siemens und 
Halsfe in Berlin Pläne zur Durhbohrung des Scloßberges hat aus— 
arbeiten laſſen, um das Gefälle der Ruhr zur Erzeugung von Elektrizität 
auszubeuten, ift die Ausführung eines derartigen Projektes vielfad) 
erörtert worden. Da das Ruhrgefälle diesfeits und jenſeits des Lüjen- 
berges noch frei ift, jo wurde angeregt, daß die Stadt ſich desjelben 
verfichern jolle, da ein Lüſenbergtunnel diefelben Vorteile gewähren würde, 
wie ein Scloßbergtunnel. Die Stadt ihrerjeit8 hat denn auch eine 
Kommifjion beftelit, um das ftädtifche Intereſſe nad) der bezeichneten 
Richtung hin zu wahren und die Anlage eines Eleftrizitätswerfes nad) 
Kräften zu fördern. Da eine Hauptfrage bisher die ift, ob die Ruhr 
genügende Wafjermengen zur Speifung des Kanals führt, jo ift am 
Fuße des Lüfenberges im Fluſſe ein felbjtthätiger Pegel angebracht 
worden, nad deſſen Notierungen ſich die durchgeführten Wafjermengen 
genauer berechnen laſſen. — teren Urjprungs ift der Gedanke, die 
Schönheit der Umgebung zur Hebung Arnsbergs auszunügen, „Wet: 
falens Perle” zu einem Luftkurorte oder einer Sommerfrifche zu 
erheben. Im Jahre 1885 bildete fich ein „Verein Arnsberg” mit 


Ausblide. 595 


fünf Seltionen, um diefes Ziel zu fördern. Die ſanguiniſchen Hoff- 
nungen desjelben erfüllten fich nicht, und ſchon drei Monate nad) feiner 
Gründung blieb nur noch die Abteilung für Verſchönerung und Vogel— 
ſchutz beſtehen und EFonftituierte fih am 24. April als felbftändiger 
Berein. Wie diefer Verein bemüht war und bemüht ift, jeinen Bielen 
gerecht zu werden, foll hier nicht erörtert werden. Auf feine Anregung 
hin erfolgte u. a. die Herausgabe einer erjten Karte und eines Führers 
für Arnsberg und Umgebung. Der Fremdenverfehr hat feit der Grün- 
dung des Sauerländifchen Gebirgsvereins durch die allgemeine Thätigkeit 
diefes Verbandes und die Bemühungen der Vereinsabteilung in Arns- 
berg bereit3 erheblich zugenommen. — Es fragt fid) nun, ob die beiden 
Richtungen, Arnsbergs Zukunft zu fichern und zu beffern, friedlich 
nebeneinander beftehen können, oder ob nicht die eine der Feind der 
anderen ijt oder wird, Wir können hier einen leiſen Zweifel nicht 
unterdrüden und möchten wünſchen, daß man demnächſt viel von der 
Sommerfrifche Arnsberg höre. 


Regiſter.) 


Abkürzungen: A. 


— Arnsberg, W. 


v. K. — Erzbiſchof (Kurfürſt) von Köln. 
ſuche unter K. 


Allendorf 130, 197, 479. 

Adel 413 f., 420, 508, niederer 123. 

Alte Burg 7, 93, 387. 

Altena, Schloß, 16. 

Altenrüden 205. 

Apotheke 429 f. 

Ardey, Herrſchaft, # 53, 92. 

Arens 441, 463 

Armenweſen 91, 216, 284, 533, 566. 

Arndts 396, 461 f., 519 fi., 581. 

Arnsberg, Name, 7, 410, Wappen der 
Grafen 7, 28, der Stadt 47, 82, 
Hof 68 ff., Mark 68 fi., 84 f., Stadt 
75, Stadtrechte 77, Mltitadt 79, 
Mauern 79, Münze 81, Weichbild SS, 
Stadtbejchreibungen 416 fi., 552 ff., 
Stadterweiterung 554, Pfarre 96, 
111, 513, Defanat 513, heſſ. Amt 
510, Gerichtsbezirte 573 f., preuß. 
Reg.- Bez. 569 f., Kreis 570, Graf— 
ſchaft 55, 63 f., 120, 193, 410 ff., 
Schloß, Erbauung 8 f. Erneue— 
rungen 202 ff., 249, 393 ff., gr 
jtörungen 13, 24, 54, 441 if 
bildungen 207, Befepreibungen 8 49 
205, 399 f., 418 

Attendorn 26, 165, 197, 207, 228, 252, 
254, 310, 348, 354, 412. 

Aufzüge, furfürjtliche 372, 
liche 406 

Balve 130, 197. 

Beamte, ftädtifche 283 f. 

Bedermannn 344 ff. 

Befreiungskriege, Beit der 51T ff 

Behörden, kölniſche 192, ein 510, 
preußifche 569. 

Beilieger 274. 

Belecke 360. 

Berbfe 88, 95. 

Berg, Engelbert von, 28, 120, Adolf 
bon 126, Wilhelm bon 128 f. 

Bergbau 246 f., 327. 

Bergh, K., Abt von W. 495. 

Befiergreifung, heſſiſche 505 f., preu— 
ßiſche 531 ff. 


bürger: 


\ Bilder, N., Abt von W. 


Wedingbaufen, K. = Köln, €. (R.), 
Namen, die unter E vermißt werden, 


Bezirksausſchuß 571. 
494. 


| Bigeleben 462 f. 





F 


Biljtein 210, 228. 
Bier 89, 289, 
v. Bodelſchwingh, Karl u. Ernjt 572. 
don Bönninghaufen, Oberſt, 340, 
Bonn 234 fi. 24 
Brände von. (1473) 173,(1600) 2533 ff., 
(1614) 330, (1699, 1709) 427, (1733) 
428, (1762) 444, (1799) 477, (1807) 
516, (1517) 585, (1356) 589. 
Brilon 26, 81, 124, 163, 165, 197 f., 
218, 360, 
Brüden 561 f. 
— Herzog F. v., 441 ff. 
Brisken 430. 
Bucdrudereien 463 f., 577. 
Buchhandel 465 f. 
Bürgermeijter 149, 150, 158, 180, 184, 
957, 430 f., 466 f., 552. 
Burglehen zu U. 124, 129. 
Bürgerrecht 274. 
Ehauficen 562. 
Chriſtian, „der Tolle”, 332, 334, 336. 
Gifterzienfer-Orbden 40, 
ocdt 241 f. 
Euich, Graf aus dem Haufe, 22 f. 
Davensberg, Ritter, 38 
Deutjcher 'rden 40 f. 
Deger, Hans, Baumeifter, 394; Ernft, 
taler, 515. 
Deuß 235. 
Dickebruch 74, 273. 
Diedrich II. von — E. v. K. 128 fi. 
Dikaſterien, heſſiſche 509 f. 
Dortmunder Freiſtuhl 138. 
Douglas, Feldmarſchall, 359 ff. 
Drolshagen 26, 197. 
nn Kapelle 32, 33 f. 

Düder, Oberfellner 349, 408, 
Echtwort 67. 
Eherecht 267 f. 
Eichholz 27, 116, 555 f. 
| Einhöfe (Einzelhöfe) 65. 


) Wegen Raummangels bejchräntft. 


Regiiter. 


Einfpänniger 314. 

Einmwohnerlifte, ältejte 341 ff. 
Einwohnerzahl 80, 511, 552. 
Eifenhütten 20, 386. 

Eijenbahn 591. 

Endorf 247. 

Engelbert d. HL. €. dv. 8., 31. 
Engelbert IL, €. v. K., 37. 
Engelbert III von der Mat 52 ff. 
Erölandesvereinigungen 152, 169,249. 
Erbrecht 267 f. 

Erdbeben (1404) 128, (1504) 176. 
Eresburg 15, 23 (ſ. auch Marsberg). 
— bon Bayern, K. v. K., 203, 225, 


6 ff. 
dene (Hof) u fr, 86. 
Goversberg 10, 35, 63, 64, 122, 126, 
171, 178 f., 176, 197. 


Faſtnachtsfeier 269, 475. 
ehderecht 125. 
eldmarf 86 f. 
Fehme, Feme f. Vene. 

erbinand von Bayern, K. v. K. 324 ff. 
euerlöfchwejen 270, 272. 559, 567. 

Fiſcher, F. J., Abt von W., 4% ff. 
ifcherei, jtä tifche, 273, 305 f., 560. 
(uten (1570) 209, (1577) 210, (1583) 
232, (1615) 330, (1619) 333, (1640) 
353, (1643) 357, (1657) 426, (179, 
1808) 517, (1841) 585, (1854) 589, 
(1890) 593. 
Freiwillige Yäger 518, 520, 526 f. 
— 53, 54, 121, 162, 197. 
* 55, 197. 

Tablet — Freiſiuhi, Freiſchöffe 133. 
rie 


ea Bilhelm IV in. 541,545 }f. 
riedrid) der Streitbare, 12 ff., 75. 
Senke r. v. Landdroft, 386, 351. 
Sürftenberg, Salngruon, 20 204,210, 
245 fi., 327, 329 ff 


Gauverfaffung 5. 

Gefolge, urfileftfiches 371. 

Gemeindebvertretung 276. 

Geſecke 26, 124, 165, 197, 198, 218, 
239 f., 

Gefundheitspfle e 9%, 

Gewerbe 553, Gewerbebank 591. 

Blodenturm 80, 419, 560. 

Gottesdienft 112. 

Gottfried I, Graf, 22 f. 

Gottfried II, Graf, 28 ff. 

Gottfried III, Graf, 34 


| 


597 


Bottfried IV, Graf, 51 fi. 
Srafenbegängnis 102 f. 
Grafengericht 6. 
—— 100 f. 
Grafenkapelle 100. 
Grevenſtein 50, 197. 
Güldenrente 305. 
Gymnaſium 485 ff., ff. 
Sachen 4, 10, 32, 64, 122 f., 171, 197. 
Hactfeld, bon 199, 130, 131, 175, 

176, 200, 201. 

Halle 151. 
allenberg 205. 
Hamm 534. 
Yandel 553. 
Handſtein 563. 
Handiverfer 272 f. 
Back 83, 309 ff. 
go eld, oh. v., Maricall, 164. 
Jeinrich der Loͤwe? 24, 25, 27. 

einrich IV, Saifer, 7, 11, 13. 
Heinrich V, Kaifer, 13 ff 
Heinrich VI, Kaiſer 28. 
heintih VII, Staifer 31, 49. 
yeinrih der Schwarze, Edelherr, 30 
Seinric, Graf von a 11. 
Heinrich I, Graf v. U., 23 fi. 
Hellefeld 5. 

Herbreme 153. 

erden 463 ff. 

erdringen, Schloß 549. 
Yermann I, Graf von Werl, 7. 

eſſen, Landgraf Wuͤhelm von 340,344, 

Landgräfin Amalie Elifabeth 361. 

eſſen, Hermann von, E. d. K. 173 ff. 

yerenglauben 263. 

immelpforten, Kloſter, 40. 
Pirfeherg 51, 64, 122, 163, 174, 176, 

197, 204, 213, 214, 251, 313, 360, 


401 ff. 

irſchberger Thor 403, 

ofgericht 573. 

ofhaltungen, en 369 ff. 

ohenlimburg 240 

Holtding 68. 

Dolagrn 67. 

Honfampsturm 560 f. 
Hörde, Bernhard von, 130, 148. 
örde, Philipp von, Landdroſt, 175, 211. 
o8pital (altes) 91, 98, (neues) 565. 
Huderecht 67, 559 f. 

Hungersnot (1529) 201, (1571) 207, 
(1583) 231, (1816)583, (1846/ 47) 585. 

Hundswut 334. 


598 


Hüften 4, 5, 55, 63, 64, 114, 171, 
197, 255, 260. 

Immunität 77. 

Induſtrie 577. 

lee ara 328. 

ntelligenzblatt 464 f. 

Iſenburg, Friedrih von, 31. 

Iſenburg, Graf v., 8. v. 8.,202 ff., 225. 

Itzenplitz, Graf von, 572. 

Sagd 10, 130, 251, 258, 262, 327 f., 
374 ff. 384, 388, 417, 427. 

Jagd, jtädtifche, 306, 558. 

Jägerbrücke 387. 

Jeſuiten-Haus 408 f. 

Zofeph Klemens, K. v. K., 367 ff. 

Zuden 291 f., 553. 

Jungfer —538 — bon Plettenberg 251, 

2* y.- 261 
Sal Schlacht bei, 13. 
—— — jtädtifche, 167, 269 f., 
6 


Juſtizamt 573. 
Auftizbehörden 573. 
Jutta d. U. 16 f. 
Kallenhardt 26, 197. 
Stappenberg, Gottfried von, 16 ff. 
Kaſino 555 
Kataſter 508. 
Kaufhallen 83, 256, 290. 
Saufmannsgilde ſ. Schwideramt. 
Kellner, Th., Abt von W. 485. 
Keßler 539, 511. 
Ktirhengemeinden 512 ff. 
Kleinforgen, Gerhard 213, 217. 
Klemens Auguit, K. v. K. 367 ff. 
Kleve, Anna von, 54, 58, 60, Herzog 
Adolf von, 152, Sungberaos Sabenn 
— 154 ff, Herzog Johann von, 


Stlofterpforte 256. 

a Abtei 108. 

Konrad, Graf v. U.,8 fi. 

Krieg, ber breiigführige 332 ff. der 
jiebenjährige 432 fi., 1864, 1866 
1870/71 590, 592. 

Kreuzgang (Mofter) 97, 103. 

Kreuzzüge 30, 50. 

Kriegsweſen 38, 48, 52, 243 f. 

Kunſtſtraßen zc. 562. 

— — in U. 477. 

Zandtage (Berfahren) 196 ff. 

— 211, vgl. 329, 600. 

Landfrie euere 120, 123 ff. 

Landmedikus 





Regiſter. 


Landsberger Hof 194, 405 ff. 428, 600 

Landsberg, Theodor von, Landdrojt 
362, 365. 

Landitraßen 83, 369, 562. 

Pebensmittelverfauf 287 f. 

Lebensweiſe (ältere Zeit) 88 f. 

Lederne Brüde, Sage, 32. 

Lehnsweſen 48. 

Leipzig, Schlacht bei (Feier), 518, 527. 

Leproſenhaus 91. 

Pilie, Hermann, Abt vd. W., 200. 

Limpsturm 20, 80, 254, 570. 

Lippe, Bernard, edler Herr zu, 174. 

Lippe, Graf Auguft von der, 423 f. 

Lippſtadt 77, 81,1 


| Lindger 4. 
Ludwig, Graf d. U., 42 ff. 
' Ludwig don deren Raifer, 49. 


Ludwig don Heflen 505, 512. 

Mainz 15, 143, 148. 

—RX8 Joh. G. von, K.v. K., 202. 
Mansfeld, zur. von, 212f.,230, 237. 


Mark bares Ph „84 f., 2983. 
Marknugung, Berfa tung 67 f., 298 ff. 
Mark, Graf bon — 48, 


Markt, jtädtifcher, 290 f. 
Marsberg 26, 197, 360 (f. auch Eres- 


burg). 
Maricäile 122, 125, 163. 
Mait 67, — —— 293 ff. 


Marimilian Friedrich, K. v. K., 454 fi, 
— einrich von Bayern, K 
v. 


2 7 * 

Medebach 26, 197, 205. 
Menden 26, 52, 122, 197, 205. 
Meſchede 64, 68, 81, 197. 
Mitteljtand 414 f. 
Morgenfprache 271 ff. 
Mufik, ne 492, 
Mühlen 89, 8 
Mülheim (Möhne) 40. 
Münzen 81, 245 f., 329. 
Naflau, Grafen von 120 f., 126, 163, 

203, 204. 


Neheim 10, 37 f., 39, 55, 64, 78, 107, 
122, 124, 127, 157, 158, 197, 202, 
N 238, 247, 258, 260, 515, 516, 

‘ 

Neubaus 213. 

— Graf von 212 ff. 

Neuß 241 f. 

ebereimer 85. 

Nonnenkuhle (Sage) 337. 

RN, der hl. 16 ff, 


Regiſter. 


Norbertusprozeſſion 347. 
Normalſchule (Rüthen, Arnsberg) 491. 
Nürnberg 150. 

Obereimer 385 ff. 417. 

DOberfreiftuhl, U. 138, 178 If. 

Oberkirchen 412, 

Oberfellnereirchnung 382 fi. 

Sen 243. 

Oberförſter, jtädtifcher 557. 

Dber:Poftdireftion 575. 

Obſtbau 90. 

Offizialatgericht 131. 

Dle (Hof) 71, 86. 

Dlinghaufen 247, 250, 484, 498. 

Olpe 26, 197. 

Snabrüd 15, 123. 
bentrop 361. 

Baderborn 21, Biſchofe Bernhard III 
50, Simon 36 f., 39, Heinrich 122, 
Simon II 126. 

Pantaleonsgericht 300 ff. 

Pape, ©., 

Paris 522, 

Peſt (1202, 1349) 91, (1520, 1529, 
1535, 1538, 1545) 201, (1567, 1568, 
1572, 1580) 209 f., (1588) 248, (1597) 
250, (1598) 251, (1599) 252, (1606) 
259, (1607) 261, (1625) 336, (1631, 
1632) 338 f., (1636) 350, (1666, 
(1667) 426. 

Pfalz, Ruprecht v. d., E. v. K., 169 ff. 

Pfarrei U. 96, 111. 

Pfarrkirche, fath., 98 f., evangel. 515. 

Pfarrer, fath., 513, evangel. 516. 

eg Chr., 4 i 
olizei, ſtädtiſche, 26, 552, 556. 

Poſtweſen 313 ff., 574 f 

Pranger 308. 

Prämonjtrat 87, 107. 

Brämonjtratenfer 108 f. 

Promenade 458, 

Prozeflionen 88, 257. 

Namsbeck 246. 

Recessus perpetuae concordiae 420 f. 

Regierung, kurfürftliche in U. 192 ff 
419, Helfifche 6 510, preußiiche 56 

Neichmann, &., Abt von W., 484 f 

Reinhart, M., Abt bon W., 496, B 

Refrutenfang 439. 

Richard, Mönd, 109. 

Rietberg, Schloß, 21, Grafſchaft 34 f., 
Eilite von, 18, Beatrir von, 43, 50, 
Konrad von, 100, 121. 

Richtmänner 276. 


699 


Nodentelgen, Kapelle 170 f. 
ie He 189, 
Ruhrepidemien (1639) 353, (1735) 428, 
(1852 x.) 588 f. 
Rüdenberg, Edle von, 7, 30, 32, 81 fi. 
Rumbeck 114, 116, 337, 361, 513. 
Nüthen 26, 29, 43, 81, 92, 122, 127, 
197, 198, 240, 250, 360. 
Ruprecht'ſche Fragen 136. 
Salentinsbau 207 f. 
Salland 66. 
Sarwerden, Fr.von, E. v. K., 123 ff. 
Satheſetzung 67. 
Sauer 490, 513, 515, 522. 
Schakungen (Abgabe) 307. 
A 492 f. 
Sceibenjchießen 378 fi. 
Schent, Martin, 241 ff. 247. 
lacht (Wehr) 89, 337. 
——— 365. 
Ion Arnsberg. 
Sal brunnen 205, 208 f. 
Schloßruine (Scidjale) 401. 
Schmallenberg, 26, 130 197. 
Schnadezüge 68, 272, 299. 
Scott 306 f., Schottherren 283. 
Schulen 110, 257, 488 ff. 514, 553, 
567 fi. 
Schulkommiſſionen 462, 490. 
Schultes, P., 494. 
Scultheiß, Dr., 263, 349, 351, 352, 
355, 356, 308, 485. 
Schüngel, Yanddrojt, 199, 200, 202. 
ne aft 315 ff 
warzenberg, Schloß, N. 
Schwerttänzer 308. 
See⸗ a — 82, 277 
Seibertz, 580; E. 8 
Sendgericht 111, 266, 
Seyner, Freigraf in U. 143, 148. 
Sigambrer 1, 2. 
Sigismund, Kaifer 138, 144. 
Soeſt 131, 150, 159. 
Soeiter Fehde 151 ff. 
Soeſter Bogtei 41. 
Solms, — Landdroſt Tg f. 255. 
Sommer, I. 3 „+ 579 f.; 
Spanier (Einfälle) Fi — 
Sparkaſſe, ſtädtiſche 566 f. 
Spiegel, Landdroſt 458 f., 496, 506. 
Spiegel, Johann, Marſchall 155 f. 
Spord, General 423 f. 
— 303, 556. 
Stadtlapelle 46, 112. 


RE 


2 


® 
600 Regiſter. 
Stadtjefretär 285. MWeichbild 88. 
Stadtvorjtand 280, 556. von Weich 461 f., 518, 532 f. 
Stadtwald, 67, 84, 293 ff. 557. Weinbau 89. 
Statutarredht (1450) 166, (1608) 265 ff. | Weinherren 283. 
Ztraßenpflafter 466. Weingelage 266, 285, 349, 357. 


Weinmwirt 283. 

Weinzapfen, ſtädtiſcher, 304 f. 

Wendolthaufen 45. 

Wenzel, Kaiſer 136. ® 

Werl, Grafen von, 7, Pfarre 113, 
Stabt 122, 1247 130, 165, 173, 197, 
198, 205, 241, 244. 

Weitfalen, Gau 5, Herzogtum 25,188 jf. 

Wejtfälifche Kanzlei 182 ff. 

Wejternburg, ©., E. v. S., 39, 42 fi. 

er Randdroft bon Paderborn, 
339 ! 

Wetter (Höfe) 69, 70 f., 86. 

Wevelsburg 18, 21. 

Wichold, E. v. K., — 

Wickede, Gericht, 43 

Wied, Hermann V., = vb. K., 199, 
Friedrich IV., €. v. 203. 

Wilhelm, Bring. v. —* 542f. 647. 

Willkomm (Pokal) 399 


Struckelmann, RER! 175, 178. 
Sundern 45, 197 

Teilgenofien 86. 

Tempel (Höhe) 388. 

Tiergarten 387 f., 417. 

Trivialfchule, jtädtifche, 488 ff. 
Truchſeß, Karl, 225, 234 ff. 
Truchſeß, Gebhard, K.v. K. M, 2127. 
uͤntrop 69, 72, 86. 

Veme 131 ff. 

Verfaſſung, ftädt., 274 ff., ſtänd. 196 ff. 
von Binde, Oberpräfident, 535 ff. 
Vorfireit 49. 

Wachszinſige 75. 

Waffenjchmiede 19. 

Walde 50 Anm. 

Waldemei 67. 

Waldmarf (Stadtwald) 34. 
Wallenjtein 120. 

Walpfe (Walpe) 20, 9. 


— G gl nn — — — 


Wallburgen 4. N 2 54, 197. 
Wafferkilnite 308, Waflerwerk ac. 563 ff. Wittelind 4 
Warjtein 26, 44, 197, 360. Wolf, F- x, ur. 


Wedinghaufen 4, 24, 27, 29, 30, 31, | Wolfsjagd 338, 355, 384. 

68, 69, 71, 84, 94 ff., 128, 157, 175, | Worthalter 282. 

200, 202, 203, 205, 212 ff., 228 ff., Prannel, ſchwed. General, 361 f. 
240, 255, 266, 271, 283, 298, 336, | Behntpfennig, jtädtifcher 305. 


345 fi., 411, 419 f., 453, 479, 481 ff, Zeitungen 466. 

558. . | Start „yeluitenpater, 409. 
Wegnann, Hauptleute, 339 f., 351 ff ünfte 80, 82, 275 ff. 
Wehrgeld 5. Bwirner 549. 

— — 
Berichtigungen. 


S. 11 und S. 12 lies in den Anmerkungen Wilmans Urk. III ſtatt Dieckamp 
———— 

S. . 12 v. m. lied „daß er es nicht beſchicken“ ſtatt „ſie“. 

©. 4 . 7 dv. u. lied Valme ftatt Volme. 

©. 66 3. 21 dv. ıt. lies dreifch ftatt driefch. 

S. 221 ift in die Reihe der Landdroften Kafpar von Fürftenberg (1613 
bis 1618), einzufdieben. Bol. S. 329. 

©. 408 3.10. — 1838 ſtatt 1858. 3. 2 ftatt „Darauf“ lies „Zu fpäterer 
Zeit (ſeit 1867) war... . Ziweigert, nachdem vorher (feit 1850) die Ober-Poftdireftion 
— war. 

S. 592 3. 17 v. u. lies „ſteigender“ ſtatt ſteigernder. 


Papier von C. Zöfinger, Arneéberg. 


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